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SONDERTEIL DIGITALE PLATTFORM- ÖKONOMIE IoT - Infrastruktur - Geschäftsmodelle www.it-production.com Bild: © James Thew/Fotolia.com E-PAPER SONDERTEILE, BRANCHENSPECIALS, THEMENSCHWERPUNKTE

DIGITALE PLATTFORM- ÖKONOMIE · 2019-04-04 · ein oder Nichtsein, das ist hier die Frage… Oder vielmehr: Das könnte sie bald sein, für den einen oder anderen Marktteilnehmer,

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SONDERTEIL

DIGITALE PLATTFORM-

ÖKONOMIE

IoT - Infrastruktur - Geschäftsmodelle

www.it-production.com

Bild: © James Thew/Fotolia.com

E-PAPERSONDERTEILE, BRANCHENSPECIALS, THEMENSCHWERPUNKTE

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| PLATTFORMÖKONOMIESTUDIE

IT&Production 4/2019

Beispiele für digitale Plattformen fin-

den sich in vielen Branchen. Die be-

kanntesten sind sicherlich Handels-

plattformen wie Amazon oder Social-

Media-Plattformen wie Facebook. Im öf-

fentlichen Sektor sind solche Ansätze hin-

gegen noch wenig verbreitet, wobei Mobi-

litätsplattformen — z.B. Carsharing — eine

Ausnahme bilden. Wie aus einer Studie des

Beratungsunternehmens Sopra Steria her-

vorgeht, ist die Bedeutung digitaler Platt-

formen allerdings in Unternehmen und Ver-

waltungen angekommen: 93 Prozent der

Studienteilnehmer schätzen die Bedeutung

digitaler Plattformen als ‘hoch‘ oder ‘sehr

hoch‘ ein, sieben Prozent messen der The-

matik eine mittlere Bedeutung zu. Grund-

lage der Erhebung bildeten ein Experten-

Workshop, Experteninteviews sowie eine

Online-Befragung. Die Interviewpartner

stammten dabei aus Großunternehmen,

Startups und Behörden.

Ein besonderes Geschäftsmodell

Plattformen – unabhängig von ihren Aus-

prägungen – sind ein besonderes Ge-

schäftsmodell. Es handelt sich nicht um

einen traditionellen digitalen Kanal oder

einen weiteren Service. Aus den Beispielen

und Expertengesprächen, die im Rahmen

der Studie durchgeführt wurden, gingen

fünf Faktoren für den Erfolg von Plattfor-

men hervor: Sie sind serviceorientiert, ska-

lierbar, datengetrieben, offen und agil.

Diese Erfolgsfaktoren müssen in alle Rich-

tungen umgesetzt werden – Richtung Kun-

den, in Richtung der Partner, die die Platt-

form mit ihren Angeboten erweitern, sowie

in Richtung des Unternehmens, das die

Plattform betreibt. Letzteres ist besonders

wichtig: Ein Plattformgeschäftsmodell kann

in Konflikt oder sogar in Konkurrenz zu be-

stehenden Produkten und Dienstleistungen

geraten. Daher ist die Umsetzung der Er-

folgsfaktoren auch intern durchzusetzen.

Unterschiedliche Grundmuster

Trotz gemeinsamer Erfolgsfaktoren wird

der Begriff ‘Plattform’ in der Praxis sehr un-

terschiedlich verwendet. Erfolgreiche Platt-

formen sind oftmals komplexe Kombinatio-

nen von Dienstleistungen. In der Sopra-Ste-

ria-Studie wurden daher vier Grundmuster

von Plattformen identifiziert, die jeweils

eine Ausprägungsform beschreiben, in rea-

len Plattformen aber durchaus kombiniert

werden. Alle Grundmuster bauen auf den

Digitale Plattformen

78%

47%

38%

34%

31%

31%

22%

9080706050403020100

Herausforderungen für die Auswahl und Teilnahme an einer digitalen Plattform

Was sind die größten Herausforderungen für die Auswahl und Teilnahme an einer digitalen Plattform? (n = 33)

Bild

: Sop

ra S

teria

Ein Begriff, viele Bedeutungen

Digitale Plattformen stehen branchenübergreifend auf der Liste der strategischen Top- Themen für Geschäftsführer und Vorstände. Inspiriert vom Erfolg der großen Internetplatt-formen und getrieben von Entwicklungen in der eigenen Branche stecken Unternehmen derzeit die Claims im Plattformwettbewerb ab. Betroffen sind alle Unternehmen.

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PLATTFORMÖKONOMIE | STUDIE

IT&Production 4/2019

Die Abbildung zeigt, wie sich Plattformen mit der Zeit entwickeln.

gleichen Erfolgsfaktoren auf, prägen aber

unterschiedliche Produktvisionen für die

Etablierung von Plattformen aus. Leistungs-

bezogene Grundmuster leben von der be-

sonderen Dienstleistung, die eine Plattform

bereitstellt und die sich vom Markt erfolg-

reich differenziert. Dazu zählen die mobili-

sierende Vermittlung und kombinierbare

Bausteine. Die mobilisierende Vermittlung

beschreibt, wie mit einem Marktplatz das

Matchmaking, also das gegenseitige digi-

tale Auffinden von Konsumenten und An-

bietern, ermöglicht wird. Digitale Plattfor-

men dieser Art unterstützen anschließend

die Transaktionen und verlangen für die

Vermittlung und die Unterstützung der

Transaktion ein Entgelt. Ein Erfolgsfaktor für

Plattformen als Vermittler ist die überle-

gene – und das heißt oftmals die extrem

einfache – Umsetzung werthaltiger, digita-

lisierbarer Transaktionen. Amazon hat dies

beispielsweise als Pionier der ‘1-Klick-Be-

stellung’ vorgemacht. Ein zweiter Erfolgs-

faktor ist die sehr große Wahlmöglichkeit

für Kunden. Dafür ist es entscheidend, in

hohem Maße externe Akteure zu mobilisie-

ren, die ihre jeweiligen Angebote auf der

Plattform verfügbar machen. Es zeigt sich,

dass die Chancen für Plattformen als mobi-

lisierende Vermittler dort liegen, wo große

Heterogenität im Markt besteht, also die

Angebotsseite von sehr vielen (möglichen)

Anbietern gekennzeichnet und auch die

Kundenseite ähnlich strukturiert ist. Typisch

für dieses Plattformgrundmuster ist aber

auch, dass die eigentliche Leistungserstel-

lung nicht von der Plattform vollzogen

wird. Dadurch werden einerseits Chancen

für die Beteiligung externer Akteure ge-

schaffen, aber gleichzeitig auch wesentli-

che Risiken der Leistungserstellung auf

diese abgewälzt. Die Plattform selbst kann

somit auf die digitalisierbaren und skalier-

baren Teile der Wertschöpfung fokussiert

werden. Innovation auf der Angebotsseite

ist ein Kennzeichen neuerer Plattformen.

Sie machen sich die Möglichkeit digitaler

Kanäle für die Mobilisierung neuer Ressour-

cen und Akteure zunutze, die bislang nicht

oder nur unzureichend in die Wertschöp-

fung einbezogen waren. Bekannte Beispiele

sind Uber und Airbnb.

Nicht nur Angebotsvermittler

Angebote müssen dabei nicht ausschließ-

lich von externen Part nern kommen. Die

Anbieter einiger Marktplätze vermitteln

nicht nur Leistungen und Produkte anderer,

sie sind dort auch mit eigenen Angeboten

präsent. Eine wesentliche Herausforderung

ist dabei aber eine nachvollziehbare Struk-

tur, wie das Plattformmodell von den eige-

nen Angeboten abgegrenzt wird, sonst

droht ein Verlust des Vertrauens in die

Plattform auf Seiten der externen Partner.

Bausteine kombinieren

Ein weiteres Grundmuster kennzeichnet

Plattfor men, die kombinierbare Bausteine

bieten. Damit können Kunden eigene Pro-

dukte und Dienstleistungen auf den Kom-

ponenten der Plattform aufbauen. Dazu

werden modulare digitale Dienstleistun-

gen bereitgestellt, die die Realisierung

von anderen Produkten und Dienstleis-

tungen erleichtern. Dies ist beispielsweise

typisch für Cloudplattformen, die ihren

Kunden skalierbare Software und Basis -

dienste bereitstellen, wie dies z.B. durch

Amazon Web Services oder Microsoft

Azure geschieht. Ähnliche Ansätze ent-

stehen gerade im Umfeld des Internets

der Dinge, wo Anbieter wie Siemens mit

der MindSphere-Plattform Bausteine für

die Realisierung von vernetzten IoT-Lö-

sungen bereitstellen. Wesentlicher Faktor

ist hier, dass geschützte Bereiche für un-

terschiedliche Kunden realisiert werden

(Mandantenfähigkeit). Die Platt formen

differenzieren sich durch die Leistungsfä-

higkeit der Dienste, wettbewerbsfähige

Preise und Vernetzungsmöglichkeiten.

Produkte erweitern

Zunehmend werden auch Produkte mit

einer digitalen Plattform erweitert, um

über diese Plattform Zugriff auf Dienstleis-

tungen des Herstellers und weiterer An-

bieter zu erhalten. Produkte, die über eine

solche Plattform zusätzliche Möglichkei-

ten erhalten, sind zum Beispiel Fahrzeuge

oder Maschinen. Eine Plattform stellt

dabei die Verbindung zu Cloud-Diensten

her oder ermöglicht den Zugang zu soft-

warebasierten Erweiterungen. Der we-

sentliche Treiber für den Erfolg liegt dabei

in der Zahl der Produkte und Anlagen, die

sich bei Kunden im Einsatz befinden. Eine

große installierte Basis verschafft einer

solchen Plattform eine entsprechend

große Reichweite, wodurch die Entwick-

lung und der Betrieb der Plattform selbst,

aber auch von Zusatzdiensten für den

Plattformbetreiber wie auch für Partner

attraktiv werden. Während im privaten

und unternehmerischen Umfeld unter an-

derem Maschinen, Endgeräte, Autos oder

LKWs durch eine Plattform erweitert wer-

den können, besteht im öffentlichen Sek-

tor die Möglichkeit, physische Infrastruk-

tur durch die Anbindung an eine Plattform

mit erweiterten Fähigkeiten auszustatten.

Kunden binden

Im Grundmuster Erweiterbare Konversa-

tion werden wiederum Bestrebungen zu-

sammengefasst, durch Unterstützung all-

täglicher Konversationsprozesse beson-

ders intensiv genutzte Dienste zu etablie-

ren und zum Scharnier für digitale Dienste

auszubauen. Der Begriff Konversation Um-

fasst dabei Soziale Medien, Messenger

sowie Sprachassistenten. Eine besonders

Anzahl digitaler

Plattformen

Reifegrad digitaler

Plattformen

IoT-Platt-

formen

Mobile Betriebs-

systeme + App-Stores

Industriespezifische

Plattformen

Banken/Versicherungen

Wachstum Konsolidierung

Bild

: Sop

ra S

teria

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| PLATTFORMÖKONOMIESTUDIE

IT&Production 4/2019

Kompetenzen für den erfolgreichen Aufbau digitaler Plattformen

Wie wichtig sind die folgenden Kompetenzen für den erfolgreichen Aufbau einer digitalen Plattform? (n=32)

25%53%22%

28%47%25%

31%50%19%

45%45%10%

52%48%

53%38%9%

55%42%3%

56%38%6%

63%34%3%

Weniger wichtig Wichtig Sehr wichtig

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Bild: Sopra Steria 97 Prozent der Befragten sehen die Geschäfts -modellentwicklung als wichtigste Kompetenz an, wenn es um den Aufbau digitaler Plattformen geht.

interessante oder hilfreiche Konversation

kann Zeit und Aufmerksamkeit von Nut-

zern binden. Zentraler Erfolgsfaktor ist

dabei die Bindungskraft für Individuen. Je

größer die Nutzerzahl und je besser die

Bindungswirkung, umso mehr können kon-

versationale Dienste Plattformcharakter

bekommen und als Gatekeeper in andere

Dienste hineinwirken.

Plattformaufbau

Unternehmen, die eine digitale Plattform

aufbauen wollen, stehen häufig vor der He-

rausforderung, die Auswirkungen der Platt-

form auf das bisherige Kerngeschäft

abzuschät zen. Finanziell ist abzuwägen, ob

die zu erwartenden Provisionsgebühren für

die Vermittlung an andere Dienst leister die

Erträge aus dem Vertrieb des eigenen An-

gebots übersteigen. Ferner sind auch die

Auswirkungen auf die Markenwahrneh-

mung beim Kunden zu berücksichtigen. Die

strategischen Ziele, die Unternehmen mit

digitalen Plattformen verfolgen, sind durch-

aus unterschiedlich. Während einige darauf

abzielen, ihr bestehendes Produktangebot

durch den Aufbau einer Plattform und die

Integration von Partnern auszubauen und

aufzuwerten, steht bei anderen Unterneh-

men das Interesse an der ressourcenscho-

nenden Einnahme von Transaktionsgeldern

im Vordergrund. Darüber hinaus gibt es Bei-

spiele bestehender Großunternehmen, die

eine Transformation ihres gesamten Ge-

schäftsmodells hin zu einem plattformba-

sierten Modell vollziehen. Während eine di-

gitale Plattform für manche Unternehmen

ein zusätzlicher Distributionskanal ist,

sehen andere Unternehmen digitale Platt-

formen als Kern ihrer Gesamtunterneh -

mensstrategie. Laut der Umfrage verstehen

57 Prozent der Befragten die digitale Platt-

form als Gesamtunternehmensstrategie

oder als neues Geschäftsfeld. Für 23 Pro-

zent ist die digitale Plattform ein neuer Ser-

vice bzw. ein neues Produkt und für 14 Pro-

zent ein zusätzlicher Distributionskanal.

Unternehmen als Plattformpartner

Wenn Unternehmen sich dagegen ent -

scheiden, eine digitale Plattform selbst auf-

zubauen, sollten sie dennoch genau prüfen,

wie sie sich strategisch als Partner auf an-

deren Plattformen einbringen und von die-

sen profitieren können. Denn auch Unter-

nehmen, die nicht bewusst eine Entschei-

dung treffen, als Partner auf Plattformen

aktiv zu werden, müssen sich oft damit

auseinandersetzen, dass sie sich in dieser

Rolle wiederfinden. Damit Unternehmen

davon profitieren können, gilt es, relevante

Plattformen zu identifizieren, auszu wählen

und die eigenen Prozesse mit der bzw. den

ausgewählten Plattformen bestmöglich zu

ver binden. Als Partnerunternehmen muss

man sich z.B. den Regeln des Plattformeig -

ners unterwerfen, leistet mit seinen Pro-

dukten aber auch einen Beitrag zum Funk-

tionieren der Plattform insgesamt. Beispiele

dafür sind etwa der Apple App Store oder

der Google Play Store.

Plattformwettbewerb

Folgt man der Literatur zu digitalen Platt-

formen, kann es im Falle eines erfolgrei-

chen Aufbaus gelingen, eine Quasi-Mono-

polstellung zu erlangen. Wesentlicher

Grund für diese Entwicklung sind die seit

langem bekannten Netzwerkeffekte, die

dazu führen, dass sich im digitalen Wettbe-

werb oft ein führendes Unternehmen he-

rausbildet. Für Kunden, Partner und Ser-

vice-Provider einer Plattform sind vor allem

die führenden Plattformen attraktiv, da sie

dort auf die größtmögliche Zahl an Kunden

bzw. Anbietern von Leistungen treffen. Die

mit einer Quasi-Monopolstellung verbun-

denen Möglichkeiten der Umsatz- und Ge-

winnerzielung sind derart verlockend, dass

sie oft ein Antrieb sind, eine digitale Platt-

formstrategie zu entwickeln und umzuset-

zen. Die Wettbewerbssituation ist derzeit

je nach Branche und Art der Plattform sehr

unterschiedlich. So ist es nicht verwunder-

lich, dass in vielen Branchen ein intensiver

Wettbewerb um den erfolgreichen Aufbau

digitaler Plattformen tobt bzw. zu erwarten

ist. Während die Entwicklung indust-riespe-

zifischer Plattformen in der Banken- und

Versicherungsbranche noch am Anfang

steht, haben Kunden im Bereich der IoT-

Plattformen bereits eine große Angebots-

palette, aus der sie auswählen können. Der

Wettbewerb wird zudem durch weitere

Faktoren beeinflusst, wie beispielsweise Ju-

ristische Interventionen. Zusammenfassend

zeigt sich, dass die grundlegenden Mecha-

nismen digitaler Plattformen nach einer

Wachstumsphase vielfach zu einer starken

Konsolidierung geführt haben. In der Ent-

stehungsphase ist oft ein intensives Ringen

um Kunden und Anbieter zu beobachten,

wobei teilweise erhebliche Sum men für

das Marketing aufgewendet werden.

Selbst nach einer Konsolidierungsphase

gibt es Möglichkeiten, beste hende Plattfor-

men anzugreifen und ihre beherrschende

Stellung infrage zu stellen. Zukünftig rech-

nen die Studienautoren sowohl innerhalb

von Branchen als auch branchenübergrei-

fend mit einem zunehmenden Wettbe-

werb unter Plattformanbietern. ■

Mit Material von Sopra Steria Consulting.

www.soprasteria.com

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PLATTFORMÖKONOMIE |

Sein oder Nichtsein, das ist hier die

Frage… Oder vielmehr: Das könnte

sie bald sein, für den einen oder

anderen Marktteilnehmer, wenn er den

Weg der digitalen Transformation nicht

beschreitet. Darin scheinen sich die meis-

ten Experten einig. Denn mit der Digita-

lisierung eng verbunden ist die Disrup-

tion, das ist der böse Schurke auf der

Bühne, der alles Traditionelle vernichten

wird. Für Wolfgang Blome von der Unter-

nehmensberatungsfirma Blome und Part-

ner ist klar: „Die Erfolge der Vergangen-

heit geben keine Auskunft über die Er-

folge in der Zukunft, denn die Innovati-

onsfähigkeit eines Unternehmens in der

Vergangenheit ist nicht die der Zukunft.”

Der Grund dafür, so erklärt Blome, liegt

vor allem darin, dass die Innovationsfä-

higkeit von erfolgreichen Unternehmen

bis in die Gegenwart hinein darin be-

steht, vorhandene Produkte in einem

vorhandenen Geschäftsprozess stetig

durch Neuheiten zu verbessern. Gele-

gentlich wurden diese durch innovative

Produkte im gleichen Geschäftsprozess

ergänzt. „Die Digitalisierung hingegen

GESCHÄFTSMODELLE

IT&Production 4/2019

Drama oder Komödie?Digitalisierung im Maschinen- und Anlagenbau

Chancen der Digitalisierung

Bild: Blome + Partner

Wäre die Digitalisierung der Industrie ein Theaterstück, wandelte sich das Bühnenbild ohne Pause. Hauptdarsteller wäre der Produzent, der seine Geliebte (eine zur Individuali-sierung neigende Kundschaft) an sich binden will. Die Handlung triebe das unsichtbare, neutrale Wesen namens Internet voran, das zwar große Chancen verspricht, dafür aber Tribut verlangt. Der Schurke Disruption hingegen bedroht alle und fordert unerbittlich seine Opfer. Wie sich Firmen diesen Bösewicht vom Hals halten können, hat Unterneh-mensberater Wolfgang Blome unserem Kollegen Kai Binder vom SPS-MAGAZIN dargestellt.

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Kontinuierliche Verbesserung durch den digitalen Zwilling

verschiebt die Anteile der aktuellen ‘Pro-

duct Value Proposition’ (VP) - als der

Produkterwartung bzw. ‘Nutzen’-Erwar-

tung bei OEM und Endkunden: Sie for-

dert ein neues, innovatives Geschäfts-

modell mit einer neuen Value Proposi-

tion. Dafür muss der Innovationsbegriff

im Unternehmen neu gedacht werden.”

Neues Denken beginnt beim Endkunden

Die Herausforderungen, die die Digitali-

sierung für produzierende Unternehmen

mit sich bringt sind nicht mit einem Satz

gesagt und schon gar nicht sind sie mo-

nokausal. Vielmehr entsteht durch die Di-

gitalisierung eine Fülle an neuen Möglich-

keiten und Wünschen, die in einen gan-

zen Strauß an Herausforderungen, der,

bedingt durch den Wunsch der Verbrau-

cher nach immer mehr individualisierten

Produkten, mündet, erläutert Blome. Hie-

rin sieht er auch den Grund dafür, dass so

viele Unternehmen von sich behaupten,

bereits ‘Digital’ zu sein, ohne jedoch ihre

grundlegende Denkweise oder gar das

bekannte Geschäftsmodell geändert zu

haben. Und er gibt hierfür auch gleich ein

Beispiel: „Die Erwartungen der Kunden

führen heute zu einer immer weiter stei-

genden Zahl an individualisierten Pro-

duktvarianten und das erzeugt die Forde-

rung nach Losgröße 1. Will man diese

wirtschaftlich produzieren, müssen Ver-

kaufs- und Produktionsprozesse vertikal

integriert sein. An dieser Stelle arbeiten

bereits viele Unternehmen, doch das

allein stellt nur einen kleinen Teilaspekt

der Digitalisierung dar. Die höheren Vari-

antenzahlen führen zu rückläufigen stan-

dardisierten Serien-Stückzahlen, was die

Skaleneffekte der Produktivität negativ

beeinflusst. Dies bekommt man techno-

logisch nur durch hochflexible Ferti-

gungstechnologien in Form von modula-

ren Maschinen, Anlagen, aber vor allem

deren intelligenter Vernetzung gelöst”,

erklärt Blome. Weiter erklärt er: „Demzu-

folge ist die datentechnische Integration

zu einer wichtigen Aufgabe im Ferti-

gungsumfeld geworden. Zusätzlich kann

eine erhöhte Produktivität durch hohe

Verfügbarkeit und Transparenz der Ma-

schine ihren Beitrag zum Erfolg leisten.

Dafür können Unternehmen z.B. moderne

Technologien wie Augmented Reality

oder KI nutzen.” Als vierten (Schlüssel)-

Punkt, bezüglich der Herausforderungen

für eine erfolgreiche Transformation der

Digitalen Technologien, nennt Blome die

Fähigkeit von Unternehmen, schneller

auf Markttrends reagieren zu können,

indem CAD- bzw. PLM-Daten nahtlos

einerseits in die Produktion und anderer-

seits in die Verkaufsplattformen (Cloud)

überführt werden können.

Die Bedeutung des digitalen Zwilling

Gerade der letzte Punkt liegt Blome be-

sonders am Herzen, denn die Semantik

von CAD- und PLM-Daten werden zuneh-

men zum eigentlichen Asset, weil sie die

Basis bilden für den digitalen Zwilling, der

wiederum die Grundlage für das Produkt-

design und eine kundenspezifische Konfi-

guration ist. Zudem trägt der digitale

Zwilling die zentralen Informationen zu

seiner Verdinglichung – also schlicht zu

seiner Produktion – in sich. „Neben dem

Produkt-Zwilling gibt es noch den Pro-

duktionsmittel-Zwilling und den Produk-

tionsprozess-Zwilling. Sie alle bilden die

Grundlage der physischen Realisierung

eines Produktes, bieten darüber hinaus je-

doch noch zahlreiche Möglichkeiten, z.B.

die Simulation vor der tatsächlichen Pro-

duktion”, erläutert Blome. Die Lücke zwi-

schen Produktdesign und Herstellung zu

schließen wird aus Sicht Blomes zu einer

der wichtigsten Digitalisierungsaufgaben

von Fertigungsunternehmen. Damit wer-

den der digitale Zwilling und die Cloud-

ökonomie zu den entscheidenden Anker-

technologien für die Digitalisierung.

Digitalisierung aus Sicht der Produkthersteller

Digitalisierung bedeutet allerdings nicht

für jedes Unternehmen dasselbe, erklärt

Blome: „Für Produkthersteller ist die Digi-

talisierung eine Chance, neue Einnahme-

quellen aus dem Internet zu generieren.

Dafür werden die Funktionen der physi-

schen Produkte um digitale Services aus

der Cloud ergänzt. Es entstehen ‘smarte’

Produkte. So erweitert die Digitalisierung

das mögliche Portfolio. Um die Chancen

der Digitalisierung zu nutzen, müssen sich

Unternehmen Wechselpotenzial (Gewin-

nung von neuen Kunden) durch Netzwerk-

effekte mit Cloud-Services erarbeiten.”

Was Blome unter Netzwerkeffekten ver-

steht, ist schnell veranschaulicht: Die zen-

trale Steuerung eines Heizkessels wird in-

ternetfähig und generiert fortan aus die-

sem Netzwerk von Usern entsprechende

Daten, aus denen der Hersteller wiederum

ein Geschäftsmodell entwickeln könnte –

lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf…

Von Skaleneffekten zu Netzwerkeffekten

Die Digitalisierung ist jedoch nicht die

einzige Aufgabe für Unternehmen, erläu-

| PLATTFORMÖKONOMIEGESCHÄFTSMODELLE

IT&Production 4/2019

Bild

: Blo

me

+ Pa

rtne

r

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tert Blome: „Um gleichzeitig in der Ist-

Welt weiter erfolgreich zu sein, sind pro-

duzierende Unternehmen darauf ange-

wiesen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu si-

chern, indem sie ihre Skaleneffekte durch

Produkte, neue Ideen und Neuheiten im

bekannten Geschäft steigern. Beide Pro-

zesse sind bis auf Weiteres parallel not-

wendig, damit sie heute und in Zukunft

erfolgreich sein können – deshalb müs-

sen die meisten der aktuell bestehenden

Geschäftsmodelle für den Erfolg mit der

Digitalisierung erweitert und angepasst

werden. Eines ist sicher”, so Blome wei-

ter: „Skaleneffekte allein generieren in

Zukunft kein ausreichendes Wachstum

mehr – der Schlüssel ist ein neues Den-

ken: Um mit Netzwerkeffekten aus den

Cloud-Services zu wachsen, gilt es, eine

neue Value Proposition – also ein Digita-

les Nutzenangebot an OEM und Endkun-

den – zu erarbeiten. Dieses Angebot ver-

schiebt sich von den aktuellen Produkten

hin zu internetfähigen Produkten: Indem

ein Unternehmen eine Plattformstrategie

passend zu seinen Kunden entwickelt,

schafft es die Möglichkeit, das Innovati-

onspotenzial der Cloud-Ökonomie als

echten Wachstumshebel zu nutzen”, ist

sich Blome sicher.

Digitalisierung aus Sicht der Automatisierung

Auf die wachsende Digitalisierung des Pro-

duktionsprozesses müssen sich auch die

Automatisierungstechnik und der Maschi-

nen- und Anlagenbau einstellen. Während

die Prozesse in der Maschine oder Anlage

selbst schon seit Jahrzehnten digital per

SPS und IPC gesteuert werden, sind Stan-

dards für die M2M-Kommunikation in vie-

len Bereichen gerade erst am Entstehen.

Die Cloud spielt dabei eine zunehmend

wichtige Rolle. Mit ihr betreten neue Ak-

teure die Bühne, die sich besser mit IT als

mit SPSen auskennen. Sämtliche Internet-

größen bieten Plattformen für produzie-

rende Unternehmen. Sie haben zwar kei-

nerlei Ahnung von der Produktion von Din-

gen, dafür umso mehr von neuen Ge-

schäftsmodellen und deren (Internet-)Ver-

marktung. Zudem sind sie im Bereich der

Datenanalyse seit Jahren zu Hause und

können hier Services anbieten, die kein Au-

tomatisierer heute liefern kann. Blomes

These: In der Zukunft schwinden beste-

hende Erfolgsgrundlagen der Automatisie-

rer, weil die Digitalisierung die Anteile in-

nerhalb der bekannten Produkt-Value Pro-

position – wie gezeigt – zugunsten der In-

ternet-Dienstleister verschiebt. Das wird

zur Herausforderung für die Automatisierer,

weil die Digitalisierung vormals stark diffe-

renzierend wirkende Bestandteile der Pro-

dukt-Value Proposition zu standardisierten

(Commodity-)Produkten macht.

Wer bekommt die Geliebte?

Die Erfahrungen, die Blome in den vergan-

genen Jahren in vielen Projekten gewonnen

hat, sprechen eine klare Sprache, erzählt er:

„Bis auf wenige Ausnahmen denken die Un-

ternehmen immer noch wie gewohnt wei-

ter von innen nach außen – also vom Pro-

dukt zur Anwendung, auch wenn die Mar-

keting-Botschaft was anderes signalisiert.

Stattdessen wäre eine Denkweise von

außen nach innen notwendig – also vom

Endkunden bzw. Betreiber über den Prozess

bis zum Produkt. Viele Unternehmen sind in

ihren Innovationsbemühungen oft Gefan-

gene der bestehenden Kundschaft”, erklärt

der Unternehmensberater. „Was ebenfalls

auffällt ist, dass die eigenen Produkte häufig

nicht aus der Sicht der Wirkung (Anwender

Nutzen), sondern aus der Sicht der aktuel-

len Stärke der Wettbewerbsfähigkeit be-

trachtet werden. Und man macht momen-

tan mit aktuellen Produkten einfach noch

PLATTFORMÖKONOMIE | GESCHÄFTSMODELLE

IT&Production 4/2019

Digitales Wirkungsmanagement

Digitales Wirkungsdenken bedeutet vom Geschäftsmodell her zu denken und beschreibt, welche Veränderungen notwendig sind, damit ein Unternehmen aus dieser Sicht

heraus agiert und damit fit wird für die neuen Herausforderungen. Top-down vom Geschäftsmodell her in die Technik hinein zu denken bedeutet, sich zu überlegen, was man

mit den Möglichkeiten der Digitalisierung an Kundennutzen erzeugen und wie man dadurch Geld verdienen kann. Damit

kommt man automatisch zum Wirkungsmanagement, also der Umsetzung. Die

sechs Schritte des digitalen Wirkungsmanagements geben eine konkrete und

pragmatische Anleitung zur Umsetzung für die Digitalisierung der Produkte des

Unternehmens (Außenwirkung).

Die sechs Schritte lauten:

1. Die relevanten neuen technologischen Möglichkeiten und

die Implikationen für das eigene Unternehmen genau verstehen

2. Das Value-Proposition-Brainstorming

3. Das Geschäftsmodell entwerfen

4. Die Ziel-Anwendungsfälle definieren

5. Das Abhängigkeitsmodell der Disziplinen Mechanik – Elektrik – Elektronik

– Software und Service entwerfen

6. Das Betriebs- und IoT-Management definieren.

Die sechs Schritte für das digitale Wirkungsmanagement gibt es auch für die

Entwicklung der internen Prozesse – also bei der Beantwortung der Frage, wie

man das Unternehmen im Inneren fit macht für den digitalen Zwilling. ■

om Geschäftsmodell her in die Technik hinein zu denken bedeutet, sich zu überlegen, was man

man dadurch Geld verdienen kann. Damit

Bild

: Blo

me

+ Pa

rtne

r

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zu viel Geld.” Bedeutet dies nun, um in der

Sprache des Theaters zu bleiben: ‘Da steh’

ich nun, ich armer Tor, Und bin so klug als

wie zuvor!’? „Sicher nicht”, sagt der Unter-

nehmensberater: „Die Digitalisierung wird

unbewusst vom Endkunden, dem Konsu-

menten, vorangetrieben. Produzenten, Ma-

schinenbauer und Automatisierungsunter-

nehmen müssen daher Prozesse in Gang

setzen, die ihre Zukunftsfähigkeit sichern.”

Wie aber sollten Unternehmen die Digitali-

sierung gestalten, frage ich den Unterneh-

mensberater: „Dafür verwenden wir die

Methode des ‘Digitalen Wirkungsmanage-

ments’, erläutert er. “Sie setzt auf der Ebene

des Geschäftsmodells an und besteht aus

sechs Schritten (siehe Grafik). Das ‘Digitale

Wirkungsmanagement’ gibt eine konkrete

und pragmatische Anleitung zur Umset-

zung und Transformation für die Digitalisie-

rung der Produkte eines Unternehmens

und für die Digitalisierung der Produkt-Her-

stellungsprozesse. Als ‘Digitale Berater’ be-

halten wir bei der Umsetzung die Kernauf-

gabe der Digitalisierung, neue Services aus

der Cloud zu generieren, immer im Fokus

und nehmen dabei die Perspektive von

OEM und Endkunde ein. Das ‘Wirkungsma-

nagement’ lässt sich im übrigen nicht nur

für die neuen Produkte und Lösungen, son-

dern auch für die Digitalisierung der inter-

nen Prozesse verwenden”, erklärt Blome.

Digitalisierung hat wie eingangs erläutert

viele Facetten im Unternehmen. Woher

wissen die Verantwortlichen, an welcher

Stelle sie beginnen sollen? Blome hat da-

rauf eine klare Antwort: „Es beginnt meiner

Meinung nach immer mit der Definition des

Geschäftsmodells und einer neuen Value

Proposition.” Der Weg in die Digitalisierung

sollte also mit der Frage beginnen: „Was

können wir aus den neuen Möglichkeiten

der Digitalisierung, des Cloud Computing,

KI, AR usw. für unsere Kunden erdenken,

was diese heute noch nicht tun?” Die Ant-

wort auf diese Frage bildet die Grundlage

für weitere Managemententscheidungen,

die die Weichenstellung ins digitale Zeital-

ter bilden. Als Digitalberater nutzen wir un-

sere Kompetenz und Anwendungserfah-

rung aus der Praxis zur Digitalisierung und

Transformation und können Unternehmen

daher helfen, die üblichen Fehler zu ver-

meiden. Die Neudefinition der Value Pro-

position führt erfahrungsgemäß zur Nut-

zung eines neuen Cloud-Ökosystems im

Unternehmen, das direkt dem Kunden zur

Verfügung steht. Jetzt fehlt noch der digi-

tale Zwilling. Er ist der eigentliche Kern der

Digitalisierung. Wenn das Cloud-Ökosys-

tem mit seinen Services und Dienstleis-

tungsprodukten direkt dem Nutzer (z.B.

Endkunden) zur Verfügung steht, verän-

dert der digitale Zwilling grundlegend die

interne Wertschöpfungskette. Als virtuelles

Abbild von Produkt, Produktion und Per-

formance verbessert er die Flexibilität und

erhöht das neue OEE. Zusammen sind

Cloud-Ökosystem und digitaler Zwilling die

Basis für das neue digitale Geschäftsmo-

dell und schaffen die Voraussetzung für die

Entwicklung der Zukunfts-Value Proposi-

tion eines Unternehmens. (kbn) ■

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| PLATTFORMÖKONOMIEGESCHÄFTSMODELLE

Mit der Digitalisierung eröffnen sich neue Ansätze, wie IT im

Unternehmen genutzt wird – weg von der starren Software -

implementierung, hin zu Plattformarchitekturen. Am Beispiel

PDM/PLM-Systeme: Heute ist ein Unternehmen mit seiner neu

implementierten Software für CAD-Datenverwaltung vielleicht

noch zufrieden, morgen aber hat es schon ganz andere Anfor-

derungen an Collaborative PLM, Aufgabenmanagement etc.

Die Lösung ist eine Digitalisierungsplattform. Mit ihr kann man

klein anfangen und bei Bedarf schrittweise immer weitere

Funktionen hinzuschalten. Product- and Document Lifecycle

Management Softwareanbieter PROCAD stellt mit PRO.FILE

eine solche Plattform zur Verfügung. Das Architekturkonzept

richtet sich gezielt an Unternehmen im technischen Umfeld mit

ihren perspektivisch wachsenden Anforderungen an PLM und

Digitalisierung. Es unterstützt den No Code/Low Code-Ansatz

„Konfiguration statt Programmierung“, der den Aufwand für IT

reduziert sowie eine iterative Einführung und gleichzeitig über

umfangreiche API eine Add-on-Programmierung erlaubt.

Basis der Plattform ist ein Product Data Backbone, das Informa-

tionen aus allen am Produktlebenszyklus beteiligten Abteilungen

aufnimmt und abgibt. Darauf aufbauend können Best-Practice-

Prozesse, Dokumentenaustausch und weitere Anwendungen

hinzugeschaltet werden. Nach dem Plug&Play-Prinzip werden

somit sowohl kleine, mittelständische als auch große Unternehmen

in die Lage versetzt, auf ein skalierbares PDM/PLM/ DMStec-

Anwendungsangebot zuzugreifen, ohne sich von vorn herein

festlegen zu müssen.

Bild

: Pro

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DIGITALE PLATTFORMÖKONOMIE |

SSelbst großartige Ideen können sich

nur dann entfalten, wenn die Zeit

dafür reif ist. Erfindungen oder Inno-

vationen benötigen das richtige Geschäfts-

umfeld und geeignete soziale und wirt-

schaftliche Bedingungen, um halten zu

können, was sie versprechen. Damit bahn-

brechende Konzepte auch im Alltag Erfolg

haben, bedarf es kreativer Köpfe. Seit über

zehn Jahren weist Karl-Heinz Streibich, Vor-

standsvorsitzender der Software AG, da-

rauf hin, dass die europäische Software-

branche dem Vorbild von Airbus oder Star

Alliance folgen müsse, um in die erste Liga

aufzusteigen. Europa muss seine IT-Stärken

bündeln, wenn es eine weltweit führende

Rolle beim Thema Digitalisierung spielen

wolle. “Es braucht kein zweites Silicon Val-

ley, damit Europa von einer florierenden

Softwarebranche mit großer globaler

Reichweite profitieren kann. Wir halten den

Schlüssel zum Erfolg, von dessen Ausmaß

die europäische Softwareindustrie bislang

nur träumen konnte, selbst in Händen: Er

liegt in unserem industriellen und techni-

schen Erbe”, sagt Streibich. Mit der Grün-

dung von Adamos, kurz für Adaptive Ma-

nufacturing Open Solution, ist im Septem-

ber letzten Jahres eine globale Allianz inter-

nationaler Maschinenbauern entstanden,

die gemeinsam mit der Software AG den

Markt des Industrial Internet of Things

(IIOT) erschließen will. Teilnehmer sind die

Unternehmen ASM Pacific Technology,

DMG Mori, Dürr, die Software  AG und

Zeiss. Die aus Deutschland, Singapur und

Japan stammenden Unternehmen wollen

künftig ihre Kompetenzen auf den Feldern

Informationstechnologie (IT) und ‘Operatio-

nal Technology’ (OT) – also digitale Technik,

um Anlagen zu steuern und zu überwach-

sen – mit Branchenwissen im Maschinen-

bau kombinieren. Die Initiatoren wollen die

Adamos-Plattform als Standard für IIoT-An-

wendungen im Maschinenbau etablieren.

Markt und Technik sind bereit

Der Zeitpunkt für den Start von Adamos ist

nach Auffassung Streibichs genau richtig.

Die Technologie verändert die Welt der In-

dustrie zunehmend schneller. Die digitale

Revolution und Innovation gepaart mit der

fortschreitenden Nutzung immer intelligen-

terer Softwares, Geräte und digitaler Sen-

soren, bildet die Ausgangsbasis. Hinzu kom-

men die Globalisierung der Softwareindus-

trie und die Bedrohung angestammter

Märkte durch junge Unternehmen, die im

digitalen Zeitalter haben entstanden und

bereits die Aktienmärkte beherrschen. Ver-

stärkt wird die Dynamik durch die Notwen-

digkeit, sich die Kompetenz im Bereich der

Unternehmenssoftware-Architekturen zu-

rückzuholen und damit einen jahrzehnte-

langen Trend umzukehren – umso den

Fortschritt in den Bereichen der künstlichen

Intelligenz auszubauen. Eine komplexes

und konvergierendes Technologiethema,

dem Unternehmen lauf Streibich größte

Aufmerksamkeit widmen sollten.

Industrie 4.0 als Technikpaket

Ein weiterer Grund für die Gründung von

Adamos ist es, dass die Geschäftschancen

im IIoT immer deutlicher zu erkennen sind.

Das verdeutlicht der Blick auf beide Späh-

ren der digitalen Industrie: Die IT liefert

Benutzeroberflächen, Kunden-Feedback,

Stimmungsanalysen. Sie integriert externe

Datenquellen, analysiert Geschäftsereig-

Adamos – Adaptive Manufacturing Open Solution

MASCHINENBAU

IT&Production 3/2018

Bild: Software AG

Im digitalen Zeitalter sind die Firma mehrdenn je damit beschäftigt, ihre Weichen aufZukunftsfähigkeit zu stellen. Die kürzlich ge-gründete IIoT-Plattform Adamos für Maschi-nenbauunternehmen ist als solcher Schachzugzu verstehen. Warum der Markt für diese ko-operativen Geschäftsmodelle bereit ist, schil-dert Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzen-der der Software AG.

Allianz der Softwareanbieterund der Industrie

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nisse in Echtzeit und befähigt zur dynamischen und automatisierten

Reaktion auf Ereignisse. Die OT steuert Produktionsprozesse, er-

kennt Ereignisse in der Fertigung in Echtzeit, stellt Qualitätsabwei-

chungen fest und steuert nicht zuletzt die Industrieroboter. Der

Nutzen von Industrie 4.0 liegt für Streubich darin, all diese Aspekte

zu bündeln: dynamische Fertigung auf der Grundlage des tatsächli-

chen Bedarfs, Ausrichtung des Produktdesigns nicht am vorgesehe-

nen, sondern am tatsächlichen Einsatz von Geräten und Maschinen

sowie Integration der gesamten Wertschöpfungskette. Viele Ent-

scheidungsträger sehen die Notwendigkeit, dass sich ihre Organisa-

tion zum softwaregetriebenen Unternehmen entwickeln müsse und

jeder Firmenlenker Softwareexpertise brauche. Denn die Geschäfts-

führer müssen die Digitalisierungsstrategie im Unternehmen persön-

lich vorantreiben. Mit dem rasanten Tempo des Wandels können

bislang meist nur die größten Unternehmen Schritt halten.

Gemeinsame Erfolge

Auf diese Marktbewegung antwortete die Software AG mit ihrer

Co-Innovationsstrategie, in deren Rahmen künftig Software- und In-

dustrieunternehmen die Möglichkeiten des IIoT auf Branchenebene

erkunden sollen. In diesem Kontext ist Adamos als Joint Venture zu

verstehen, das Maschinenbau- und Softwareunternehmen zusam-

menbringt, um im Umfeld stetiger technologischer Veränderungen

gemeinsam nach erfolgreichen Lösungen zu suchen und alle Ak-

teure an den Ergebnissen zu beteiligen.

Offene Plattform

Gerade der fertigende Mittelstand kann von einem zugänglichen

Technikgrundgerüst profitieren, auf das er sein Domänenwissen auf-

setzen kann. Das wollen die Gründer von Adamos erreichen, die als

offene und skalierbare IIoT-Einstiegsinfrastruktur ausgelegt ist. Je

weniger Zeit Produzenten mit der Ausdifferenzierung der Technik

aufwenden müssen, umso mehr bleibt ihnen für ihre Kernkompe-

tenz, der Entwicklung von Innovationen. Eine offene Softwareplatt-

form und ein offener Ansatz für die gemeinsame Nutzung von IT-In-

frastruktur und Branchenwissen soll in diesem Sinn die Basis einer

Zusammenarbeit von IT-Welt und produzierender Industrie bilden.

Verbund erstellt Applikationen

Um die Bandbreite an Software, die auf der Plattform erhältlich ist,

zu vergößern, wurde die App-Factory Alliance gegründet. Das ist eine

Kooperation von Maschinenbau- und Softwareunternehmen, die mit

den Adamos-Partnern verbunden ist. Sie bietet eine Entwicklungsum-

gebung, in der Technologiestandards weiterentwickelt werden. Erste

Applikationen zu den Themengebieten Planning, Predictive Mainten-

ance, Machine Cockpit/Dashboarding und Maintaining Assistance sol-

len noch Anfang 2018 auf Adamos verfügbar sein. ■

Der Text entstand nach Material der

Software AG.

www.softwareag.comde.adamos.com

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TECHNIK // ARBEITSWELT // GESELLSCHAFT

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DIGITALE PLATTFORMÖKONOMIE |

BBezüglich des digitalen Durchdrin-

gungsgrades und der daraus re-

sultierenden Effizienzsteigerung

gibt es momentan bei deutschen Unter-

nehmen kein einheitliches Bild. Die eher

zögerliche Haltung liegt unter anderem

daran, dass sich – basierend auf dem be-

stehenden Geschäftsmodell – noch kein

strategischer Ansatz für ein neues, dis-

ruptives entwickeln ließ. Zudem ergeben

sich aus den bisherigen Aktivitäten in

Richtung digitale Transformation, gemäß

den Ergebnissen einer aktuellen Lünen-

donk-Studie, momentan nur wenig

Wettbewerbsvorteile. Gleichwohl wer-

den aber weitere Schritte unternommen,

digitale Plattformen im industriellen Um-

feld zu etablieren. Eine erklärbare Ent-

wicklung, denn zum einen ist eine ge-

wisse Dringlichkeit geboten, weil sich

noch keine Vormachtstellung internatio-

naler Unternehmen herausgebildet hat.

Zum anderen sind Grundprinzip und Er-

folgsrezept bekannter Unternehmen wie

Sicher auf die PlattformHandeln zwischen Spectre und Watering-Hole

Die Diskussionen rund um das Thema Plattformökonomie beziehen sich zumeist auf dieGeschäftsmodelle: Doch mittlerweile gibt es vermehrt Stimmen, die eine Betrachtung austechnologischer Sicht als bedeutender erachten. Auch bei der Beurteilung von Chancenund Risiken herrscht keine Einigkeit – während einige Experten in der Plattformökonomieein probates Mittel im globalen Wettbewerb sehen, stehen bei anderen bislang ungelösteProbleme im Vordergrund.

IT-SICHERHEIT

IT&Production 3/2018

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Amazon oder Airbnb relativ gut reprodu-

zierbar – mehrseitige Plattformen er-

leichtern im erheblichen Maße Interak-

tion und Transaktion zwischen unter-

schiedlichen Parteien.

Erfolg durch Sicherheit

Doch über den Erfolg der industriellen

Plattformen wird auch ihre Sicherheit ent-

scheiden. Nicht zuletzt unter dem Aspekt,

dass „Wirtschaftsspionage seit jeher einer

der Schwerpunkte der Ausspähungsakti-

vitäten fremder Nachrichtendienste ist“,

wie Michael George, Leiter des Cyber-Al-

lianz-Zentrums am Bayerischen Landes-

amt für Verfassungsschutz, erklärt.

Zwei Betrachtungsweisen

Die grundsätzliche Betrachtung von

Plattformen erfasst zwei Dimensionen:

die wirtschaftliche sowie die technolo-

gische. Gemäß letzterer basiert die

Plattformökonomie unter anderem im

ersten Schritt auf dem Zusammenwach-

sen von Informationstechnologie (IT) mit

der Operational-Technologie (OT) auf

dem Shop Floor. Denn dies ermöglicht

die Vernetzung sowohl intern als auch

unternehmensübergreifend. Im Weiteren

ergeben sich dann, aus der vertikalen

und horizontalen Integration auf der

einen Seite, in Verbindung mit Platt-

formtechnologien wie Infrastructure-as-

a-Service (IaaS) auf der anderen Seite

die Voraussetzungen für neue Ge-

schäftsmodelle, da Interaktionen sowie

Transaktionen mit vielen unterschiedli-

chen Marktteilnehmern möglich wird.

Darin liegen aber auch Risiken: „Angriffe

sind umso erfolgreicher, je zielgerichte-

ter sie ausgeübt werden können“, erklärt

George. Aus diesem Grund optimieren

Angreifer ihre Methoden ständig.

Das Wasserloch infizieren

So beobachtet der Experte derzeit ver-

mehrt sogenannte Watering-Hole-Atta-

cken. Diese basieren auf der Annahme,

dass es bestimmte Portale, Plattformen

oder Systeme gibt, die viele Anwender

mit hoher Wahrscheinlichkeit oft aufsu-

chen müssen (ähnlich einem Wasserloch

im Tierreich). Die Anwender werden die-

ser Logik folgend nicht direkt angegrif-

fen, sondern das ‘Wasserloch’ wird infi-

ziert. In der Praxis wurden derartige An-

griffe etwa auf Unternehmen aus dem

Energiesektor verübt – unter anderem

indem die Anbieter-Webseiten manipu-

liert wurden, um Rechner von Besuchern

mit Schadsoftware zu infizieren.

Aufwand lohnt sich

Zudem werden permanent gravierende

Schwachstellen publik gemacht, wie ak-

tuell die Sicherheitslücken Spectre und

Meltdown. Auch wenn sich nach Ansicht

von Professor Lutz Becker, Leiter der

Business School und Studiendekan Sustai-

nable Marketing & Leadership an der

Hochschule Fresenius, ein Angriff über

Spectre keinesfalls leicht realisieren lässt,

so geht er doch davon aus, dass diese

Lücke ausgenutzt wird, da sich ein erhöh-

ter Aufwand immer lohne, wenn mit einer

einzigen Attacke viel erreicht werden

kann. Zusätzlich gefährdet seien Unter-

nehmen oft auch durch den Einsatz veral-

teter Hard- und Software. „Insgesamt ge-

sehen stellt also Digitalisierung ohne IT-

Sicherheit im Fokus klar erkennbar ein un-

kalkulierbares Risiko für Verbraucher und

Unternehmen dar“, so Bernd Fuhlert Ge-

schäftsführer der @-yet GmbH

Umdenken gefordert

Im Zuge von Industrie 4.0 nutzt es nach

Ansicht von Michael George nur wenig,

alle internen Schnittstellen wie USB-

Ports und DVD-Laufwerke abzusichern,

während zwangsläufig durchlässige

Übergänge zum Internet bestehen. Aber

da auch die herkömmliche Perimeter-Si-

cherheit, mit denen die Übergänge zwi-

schen Unternehmensnetzwerk und In-

ternet geschützt werden sollen, nicht

mehr ausreichen, müssen Unternehmen

generell umdenken. Nach Meinung von

Fuhlert und George, sollte die Grundlage

der Abwehrstrategie sein, dass ein An-

greifer es schafft, bis ins interne Unter-

nehmensnetzwerk vorzudringen. Gegen-

maßnahmen müssten somit darauf ba-

sieren, den Angreifer möglichst zeitnah

zu identifizieren. Zudem sind nach wie

vor das Aufdecken und Absichern von

Schwachstellen von Bedeutung.

Austausch zur Abwehr

Ein weiterer wesentlicher Ansatz – ge-

rade beim Thema Plattformökonomie –

ist laut George der Austausch von An-

griffsmethoden und Erfahrungswerten

zwischen den Unternehmen über eine

neutrale Plattform. Dies sei sinnvoll, da

somit schnellstmöglich und effizient

nach Lösungsmöglichkeiten zur Ab- und

Gegenwehr gesucht werden könne.

Fazit

Allein aufgrund der steigenden Komple-

xität sowie im Sinne der Widerstands-

kraft, oder Resilienz, müssen Maßnah-

men und Methoden zum Schutz gegen

Angriffe neu überdacht werden. Damit

einhergehen muss unter anderem das

Clustern in Sicherheitsbereiche, was ein

ganzheitliches Risikomanagement erfor-

dert. Für den Entwurf der weiteren Stra-

tegie zur Absicherung bedürfe es dann,

das wertvolle unternehmensinterne

Knowhow zu identifizieren und im

nächsten Schritt zu definieren, wie sich

dieses mit entsprechenden Lösungen

schützen lässt, sagt Fuhlert. Dafür sollten

die bekannten Maßnahmen wie Patch-

Management oder Segmentierung der

Netzwerkbereiche zum Einsatz kommen.

Dies biete die Grundlage für ein gutes

Schutzniveau. Entscheidend sei ferner,

dass „die Politik für die Plattformökono-

mie einen Ordnungsrahmen setzen muss,

damit Sicherheit endlich den richtigen

Stellenwert bekommt und nicht blind di-

gitalisiert wird“, erklärt Fuhlert. Zudem

sollte darüber auch ermöglicht werden,

global faire Spielregeln für alle – kleine

nationale ebenso wie multinationale –

Unternehmen zu gewährleisten, um eine

Benachteiligung aufgrund individueller

Gesetzgebungen auszuschließen. ■

Die Autorin Ulla Coester ist

wissenschaftliche Mitarbeiterin

am Institut für angewandte

digitale Visualisierung e.V an

der Hochschule Fresenius, Köln.

www.xethix.com

| DIGITALE PLATTFORMÖKONOMIEIT-SICHERHEIT

IT&Production 3/2018

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DIGITALE PLATTFORMÖKONOMIE |

DDie Maschinen- und Anlagenbauer

spielen eine wichtige Rolle bei der

Digitalisierung der Wirtschaft: Bei

innovativen Produkten und Prozessen

unter Verwendung moderner Technolo-

gien haben sich deutsche Unternehmen

weltweit etabliert. In Bezug auf innovative

Geschäftsmodelle haben sie jedoch häufig

Nachteile im Vergleich mit neuen, teils

branchenfremden, Unternehmen. Eine

Studie des VDMA zeigt, dass insbesondere

die strategische Positionierung in der digi-

talen Industrie für viele noch ein Unsicher-

heitsfaktor ist.

Das Plattform-Modell

Dabei ist zu beachten, dass vor allem die

Plattformökonomie aus unternehmerischer

Perspektive von großer Bedeutung sein

kann. Dabei positionieren sich Unternehmen

mit ihren Plattform-Geschäftsmodellen zwi-

schen Anbietern und Nachfragern von Gü-

tern und senken damit erheblich die Trans-

aktionskosten. Plattform-Unternehmen ver-

fügen demnach nicht über ein eigenes Pro-

dukt, sondern organisieren lediglich den

Austausch von Gütern oder Informationen.

Dabei kontrollieren sie allerdings die Kun-

denschnittstelle und verfügen somit über

eine enorme Marktmacht sowie das Poten-

zial, hohe Gewinne einzufahren. Eine Er-

kenntnis der Plattformökonomie ist für den

Markt für Maschinen und Anlagen von gro-

ßer Bedeutung: Der Wert einer Information

ist nicht da am höchsten, wo sie entsteht

(zum Beispiel Livedaten einer Maschine

beim Betreiber), sondern wo sie mit ande-

ren Informationen verknüpft werden kann

(Abgleich der Livedaten auf einer Plattform,

um Fehlermuster zu erkennen). Das Thema

IT-Plattformen ist in den Unternehmen zwar

grundsätzlich angekommen, jedoch wird

dabei noch nicht in Ökosystemen gedacht.

Unternehmen denken noch zu sehr vom

Produkt her und sind damit noch zu sehr

mit herkömmlichen Geschäftsmodellen be-

schäftigt. Dies kann langfristig problema-

tisch werden, denn dadurch wird nicht der-

selbe Innovationssprung erreicht, wie bei

den Unternehmen, die sich mittels Ge-

schäftsmodell-Innovation auf eine neue

Nutzenebene begeben.

Uneinheitlicher Begriff

Zudem findet der Plattform-Begriff an sich

eine uneinheitliche Verwendung. Die Dr.

Wieselhuber & Partner GmbH (W&P) ver-

wendet das in Abbildung 1 dargestellte

Schichtenmodell zur Einordnung verschie-

dener Plattformen in einem digitalen Platt-

form-Ökosystem. Dabei sind die unteren

drei Schichten die IT-Services, die beispiels-

weise von Amazon Web Services (AWS)

angeboten werden. Bedeutung für das Ge-

Gut aufgestellt im Plattform-Zeitalter

Geschäftsmodelle als Schutz vor Disruption

Für eine zukunftsfähige Positionierung des eigenen Unternehmens geht es um mehr als dieEntwicklung innovativer Produkte. Im Zeitalter der Digitalisierung helfen neue Geschäfts-modelle dabei, am Markt zu bestehen. Ein Beispiel dafür ist die digitale Plattformökonomie.

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UNTERNEHMENSSTRATEGIE

IT&Production 3/2018

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schäft mit Smart Services hat erst die

Schicht der Serviceplattformen, mit deren

Hilfe unter anderem Maschinenhersteller

Leistungen wie Condition Monitoring an-

bieten können. Stellt die Serviceplattform

digitale Dienste eines Maschinenherstellers

speziell für seine Kunden bereit, handelt es

sich um eine geschlossene Serviceplatt-

form. Können hingegen verschiedene An-

bieter und Nachfrager an der Plattform teil-

nehmen, handelt es sich um eine offene

Serviceplattform, die dann meist von Drit-

ten (Intermediären) betrieben wird. Die

Frage nach der Positionierung in einem of-

fenen oder geschlossenen System sowie

die Frage nach der Verteilung der Daten in-

nerhalb der Systempartner haben weitrei-

chende strategische Folgen für ein Unter-

nehmen. Insbesondere Maschinen- und An-

lagenhersteller könnten ihren Markt mit

einer falschen Positionierung mitunter dis-

ruptiv für neue Mitbewerber öffnen. Ser-

viceplattformen werden weiterhin durch

die Ausprägung innovativer Geschäftsmo-

delle für Smart Services charakterisiert

sowie durch die Kollaborationsumgebung,

in der der Nutzer die Möglichkeit hat, Ser-

vices zu finden, einzukaufen und zu nutzen.

Betrieben werden Serviceplattformen in

der Regel von Maschinen-/Anlagenbauern,

Komponentenherstellern, Fabrikbetreibern

oder Intermediären (Dritte).

Neue Teilnehmer am Markt

Mit der Durchsetzung des Plattformpara-

digmas in B2B-Märkten besteht die Gefahr,

dass sich in der Industrie völlig neue Wert-

schöpfungsstrukturen etablieren. Dabei

schieben sich neue Marktteilnehmer zwi-

schen die Hersteller und ihre Kunden. Dies

kann für etablierte Marktteilnehmer dra-

matische Folgen haben:

Verlust des Kundenzugangs an den•

neuen Intermediär

Verlust der bisherigen marktsichern-•

den Stellung

Verlust der aus der Maschinen-/Service-•

Nutzung entstehenden Daten an den In-

termediär

Reduktion auf die Rolle des reinen Zu-•

lieferers

Stärkung des neuen Intermediärs, der auf-•

grund seiner Stellung in der Lage ist, unter

Hinzunahme weiterer Partner, den Nutzen

für den Kunden weiter zu erhöhen

Zudem kann ein Intermediär durch eine

andere, weniger nischenorientierte Fokus-

sierung auch andere Kundengruppen er-

reichen und somit den Wert des von ihm

kontrollierten Ökosystems ausbauen.

Kleinere Plattformen

Aufgrund der immer noch äußerst unter-

schiedlichen Anforderungen der einzelnen

Industriesegmente ist jedoch die Bildung

verschiedener kleinerer, segmentorientier-

ter Plattformen wahrscheinlich. In diesen

kommt es darauf an, den Großteil der

Player zu erreichen, um eine dominierende

Stellung einzunehmen.

Trennung aufheben

Neue Technologien und neue Geschäfts-

modelle lassen sich nicht getrennt vonei-

nander betrachten. Das Technologie-Ge-

schäftsmodell-Portfolio (Abbildung 2) zeigt

auf, welche strategischen Ansätze und Ent-

wicklungen es für Unternehmen gibt, be-

ziehungsweise welchen grundsätzlichen

Veränderungen sie gegenüber stehen. Der

Quadrant unten links steht für klassische,

produktbezogene Geschäftsmodelle mit

einer direkten Beziehung zwischen Anbie-

tern und Nachfragern von Maschinen. Pro-

duktbezogene Innovationen machen die

Maschinen besser sowie produktiver und

sind die Pflicht eines jeden Produktherstel-

lers, um die Teilnahme am Markt zu sichern.

Eine Weiterentwicklung des Geschäfts in

einen anderen Quadranten ist durch derar-

tige Produktinnovationen jedoch nicht

möglich. Erst mit Service-bezogenen Inno-

vationen und einer Erweiterung des Leis-

tungsversprechens mit hybriden Produkt-

Service-Bündeln kommt eine Entwicklung

in Richtung Serviceanbieter zu Stande. In

der oberen Hälfte des Portfolios wachsen

die Disziplinen IT und Maschinen (Produkti-

onssysteme) zu einer vernetzten Welt zu-

sammen. Der Quadrant oben links wie-

derum steht für Plattformtechnologie-An-

bieter wie Amazon Web Services oder Sie-

mens mit ihren Plattform-as-a-Service-An-

geboten. Darunter fallen auch Unterneh-

men, die Lösungen für softwaredefinierte

Plattformen wie Bezahlsysteme oder Ana-

lytics anbieten. Sie bieten keine Dienstleis-

tung im Markt der Maschinenhersteller an,

sondern lediglich die Technologien dafür.

Oben rechts sind Plattform-Unternehmen

abgebildet, die in der Regel Multi-sided-

Plattformen betreiben und neue Services

auf Basis von IoT-Technologien und daten-

| DIGITALE PLATTFORMÖKONOMIEUNTERNEHMENSSTRATEGIE

IT&Production 3/2018

Dr. W

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Das Technologie-Geschäftsmodell-Portfolio zeigt, welche strategischen Ansätze und Entwicklungen es fürUnternehmen gibt.

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getriebenen Geschäftsmodellen anbieten.

Die Verschiebung vom physischen Asset

hin zum Daten-Asset wird dort am deut-

lichsten und gleichzeitig wird der Kun-

dennutzen gegenüber bestehenden Ge-

schäftsmodellen gesteigert. Plattform-

Unternehmen wie Axoom (Trumpf) oder

Adamos (DMG Mori/Dürr, Software AG

und weitere) bauen ihre Positionierung

in diesem Segment mit Hochdruck aus.

Typisch dabei ist, dass es sich nicht um

die etablierten Unternehmen der Bran-

che (mit physischem Asset) handelt, son-

dern um neue Unternehmen, die auf

Basis von datengetriebenen Assets

Marktanteile an sich binden wollen.

Disruptionspotenzial im Markt

Untersuchungen von digitalen Disruptionen

in verschiedenen Branchen haben ergeben,

dass diese immer wieder die gleichen Mus-

ter aufweisen. Jens-Uwe Meyer, Autor und

Experte für digitale Disruption, hat dazu

sieben Muster herausgearbeitet, die ein-

zeln oder in Kombination typisch für digi-

tale Disruptionen sind (Abbildung 3). Diese

Muster können in angepasster Form auch

auf den Maschinen- und Anlagenbaus

übertragen werden. Aus ihnen lassen sich

verschiedene Potenziale ableiten, durch die

wiederum ein Nutzen für den Fabrikbetrei-

ber generiert werden kann. Bei der Unter-

suchung derartiger Potenziale im jeweili-

gen Nischenmarkt zeigt sich, dass Plattfor-

munternehmen in der Rolle eines Interme-

diärs in einer deutlich besseren Ausgangs-

situation sind, um dem Fabrikbetreiber

auch wirklich zum größtmöglichen Nutzen

zu verhelfen. Das kann dramatische Folgen

haben. Domänenspezifisches Nischenwis-

sen kann hingegen Schutz bieten – viele

vergleichsweise kleine Nischenplayer sind

aufgrund ihres über Jahre angesammelten

Spezialwissens Weltmarktführer. Ange-

sichts dieser Stellung lassen sich Maschi-

nenhersteller nicht von heute auf morgen

in die zweite Reihe drängen. Dennoch wird

es die Aufgabe sein, dieses Wissen zu nut-

zen, um sich als Maschinen- und Anlagen-

beziehungsweise Komponentenhersteller

auch im Bereich der datengetriebenen Ser-

vice-Geschäftsmodelle zu positionieren.

Wer ist wessen Kunde?

Um die Gefahren der ‘Plattformisierung’

der produzierenden Industrie auf Seiten

der Herstellerunternehmen frühzeitig zu

erkennen und angemessen darauf rea-

gieren zu können, bedarf es einer Kombi-

nation aus

technischen Kenntnissen und Kompe-•

tenzen zum Thema IT-Plattformen,

betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und•

Kompetenzen zu Plattformgeschäftsmo-

dellen und Plattformökonomie und

domänenspezifischen Branchenkennt-•

nissen als Grundlage für eine wirkungs-

volle Differenzierung von herstellersei-

tig angebotenen Smart Services gegen-

über Drittanbietern.

Zusätzlich müssen die Datenhoheit sowie

der Kundenzugang im eigenen Unterneh-

men bleiben. Das bedeutet, auch wenn die

Daten in einem fremden Rechenzentrum

liegen, muss die volle Kontrolle gegeben

sein. Die Frage ist jedoch, wie das bewerk-

stelligt werden kann? Grundsätzlich ist es

für Unternehmen mit einem klassischen

Produkt-/Lösungsgeschäft ratsam, sich in

definierten Nischen mit hybriden Leis-

tungsbündeln aus physischen Produkten

und digitalen Smart Services mit innovati-

ven Geschäftsmodellen zu positionieren.

Dies ermöglicht eine abgesicherte Markt-

position. Gelingt eine solche Positionierung,

kann die eigene digitale Plattform nicht so

einfach durch eine neu entstehende substi-

tuiert werden. Darüber hinaus müssen

Kompetenzen zur Analyse der kundenseiti-

gen Nutzungsdaten von Smart Products

aufgebaut werden. Dies ermöglicht es den

Maschinen- und Anlagenbauern, das digi-

tale Wissen über ihre Produkte und insbe-

sondere deren Anwendung beim Kunden

weiter zu steigen und somit den eigenen

Vorteil immer weiter auszubauen. Es ist rat-

sam, das Disruptionspotenzial der Digitali-

sierung im eigenen Marktsegment und im

Marktsegment der heutigen Kunden genau

zu kennen. Aus diesem Wissen lassen sich

die wirklichen Chancen und Risiken für das

eigene Unternehmen ableiten. Ist dies ge-

schafft, muss es das Ziel sein, schnell mit

ersten Lösungen an den Markt zu gehen.

Denn das Thema ist nicht nur für die meis-

ten Maschinenhersteller neu, sondern auch

für ihre Kunden, die sich vielfach erst orien-

tieren müssen. ■

Der Autor Dr. Mathias Döbele ist

Branchenexperte bei

der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH.

www.wieselhuber.de

DIGITALE PLATTFORMÖKONOMIE | UNTERNEHMENSSTRATEGIE

IT&Production 3/2018

Typische wiederkehrende Disruptionsmuster, die auf dieindustrielle Produktion übertragen werden können.

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