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Zur Kritik des ersten Theils der Ovidischen Dichtungen (Schluß) Author(s): Lucian Müller Source: Rheinisches Museum für Philologie, Neue Folge, 20. Jahrg. (1865), pp. 256-264 Published by: J.D. Sauerländers Verlag Stable URL: http://www.jstor.org/stable/41249843 . Accessed: 20/05/2014 02:05 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . J.D. Sauerländers Verlag is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Rheinisches Museum für Philologie. http://www.jstor.org This content downloaded from 193.105.154.67 on Tue, 20 May 2014 02:05:43 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Zur Kritik des ersten Theils der Ovidischen Dichtungen (Schluß)

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Zur Kritik des ersten Theils der Ovidischen Dichtungen (Schluß)Author(s): Lucian MüllerSource: Rheinisches Museum für Philologie, Neue Folge, 20. Jahrg. (1865), pp. 256-264Published by: J.D. Sauerländers VerlagStable URL: http://www.jstor.org/stable/41249843 .

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Znr Kritil dcs crsten Theils dcr Ovidischcn Dichtungen. (Schluh von Bd. XVIII S. 71 ff.)

Nedicamina faciei. Die Kritik biefes Gebichtes ift an vielen Stellen in Ermange-

lung geeigneter Hanbfchristen nod) febr unsicher. Gleich bie Ueber- fchrift ift verbachtig ober vielmebr sicherlich unrichtig. Denn ware sie begrunbet, warum bdtte Ovib in ber unten anzufichrenben Stelle, wo er bies Werkchen namentlid) empfieblt, fchreiben follen est mihi, quo dixi vestrae medicamina formae unb nicht mit genauer Veibebal- tung hes Titels ^est mihi, quo dixi facie medicamina vestrae', sowie er filr diei gesagt bat die? Ebenso wiberrdch folgenbe einfache Ueberlegung ben von Ovid gefchutzten Titel mit ber Ueberlieferung man weih nicht welcher Hanbfchriften bes funfzebnten Iabrbunberts zu vertaufchen. Es konnte bod) fowobl medicamina formae als me» dicamina faciei nur beihen ̂Schonbeitsmittel', Weil fonft ber Genitiv uberflufsig ware. Nun aber bebeutet formae an unzdbligen Stellen, facies nur febr felten Schonbeit.

Mit Unreckt fagt mein verebrter Lebrer Nernbarby in ber romi- fchen Litteraturgefchichte S. 490, bie Schrift uber ben Puh ber Frauen fei unvollenbet geblieben. Das Gegencheil bezeugen vielmebr jene Verfe der Ars sill, 205]

est mihi, quo dixi vestrae medicamina formae, parvus sed cura grande liheiius opus.

Dab bie medicamina formae beutzutage unvollftdnbig sinb, hat feinen Grunb in bem Schickjale bes Archetypus ber Ovibifchen carmina amatoria, uber ben nun genug gehanbelt ift. - Ob ubrigens in jenem Distichon mit ben Morten cura grande opus bie Sorgfalt ber Feile bei ber Ausarbeitung bes Gebichts bezeichnet wirb (man vgl. A. Am. IH, 341 ^nostri lege cuita poetae carmina, quis partes instruit iiie duas'), ober ob vielmebr jener Ausbruck auf ben Fleitz zu bezieben ift, mit bem bie verfchiebenen Schonbeitsmittelcken in jenem Bucklein zufammen geftellt gewefen, ldht sich nicht entfcheiben. Cine befonbere Anmuch bes Ausbruckes ober eine febr gluckliche Wal)l bes Stoffes vermag ich bei bem Werk nicht gerabe berauszufinben, was jeboch an meinem mangelbaften Gefckmacke ober bem geringen Interesse fur ben Inhalt ber Schonheitsmittel liegen konnte. - Uebrigens ift vielleicht

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Zur Kritik beS erften Theils u. f. w. 257

ttnter bem Einbruck biefes Fragmentes unb mit Vezug auf basselbe bas Gebicht de speculo bem Sammonicus verwanbten Inhalts entftanben, bessen Iakobs unb Ukert in ihren Veitrdgen zur dlteren Litteratur I, 248 erwdhnen. Dafselbe sinbet sick auch in einem ganz jungen aus Italien stammenben Mfcr. ber Leibener Bibl. [N. I.. V. 0. 20 p. 26] unb anberweit. Es ift gleichfalls fragmentartfch, ba auher ber Einleitung von fechs Diftichen nur noch ein Mittel gegen Taubheit in neun Hexa- metern angegeben ift. Uebrigens stammt es aus bem Mittelalter.

Unb nun zum Schlufse noch einige Conjekturen unb anberes Rkftzeug ber Verbalkritik!

epist. XI, 1. siqua tarn en caecis errabunt scripta lituris, oblitug a dominae caede libellus erit.

Aus V. 3 unb 4 ergibt ftch, bah Canace mit ber rechten Hanb ben Griffel fuhrt, mit ber linken ein Schwert halt, urn ftch fobald fte ben Brief vollenbet hat zu burchbohren. In bem Schoohe liegt bas Vlatt, auf bem fte fchreibt, bas beftimmt ift von ihres Blutes Stromen uber- stuthet zu werben. Der Gebanke bes erften Distichous kann bemnach nur fein ̂wenn bu itberhaupt etwas Gefchriebenes von biefem Briefs wirft lefen konnen, fo thue ich bir kunb, bah er von bem Blute beiner Geliebten besteckt fetn wirb'. Den an ftch fo klaren Inhalt bes erften Verses bruckt aber die gemeine Lesart beffelben fchlechterbings nicht aus. Denn was foll bebeuten errabunt scripta? Burmanns breite Erkldrung bes erften Verfes ift fo recht a la Burmann, inbem er einerfeits bas fchwiertge errabunt stehen laht, anbererfeits aus eigener Tafche in einer verwdsserten Umschreibung bas vom Sinn erforberte nothburftig barbietet. Es konnen boch nimmermehr bie Worte ober vielmehr bie Schriftzuge, mogen fte nun erlofchen ober sichtbar bleiben, irgenbwo herumirren, wentgstens nicht ohne Hcxerei.

Wenn ber Autor bezeichnen wollte, bah fte burch bas uber fte ergossene Blut verwifcht wdren, fo muhte es wenigstens natabunt heihen, fo bah errare nickt einmal einen bem erforberlichen Gebanken biametral entgegenstehenben Sinn haben kann.

Scharfftnnig ift bie Vermuthung Heumanns /extabunt scripta', boch laht ftch mit geringerer Kuhnheit herftellen baerebunt 'wenn in ben burch Verwifchung blinb (unleferlich) geworbenen Stellen bennoch einige Schrlftzuge hasten (kenntlich bleiben) werben'. Gewih war in bem Archetypon gefchrieben erebunt, wie anberswo in bemfelben erba or» ortata [Am. I, 11,5] ortis odie abilis aurire umus , unb fo war ber Irrthum gar nicht zu vermeiben.

XI, 9. ut terns est multoque suis truculentior suris. Hier hat Ovib, wie oft genug, ftch felbst ausgefchrieben. Vgl. Am. II, 9, 49 tu levis es multoque tuis ventosior alis.

XVI) 295. nunc ea peccemus, quae corriget nora iugalis, si modo promisit non mini vana Venus.

Mus. f. Philol. N. F. xx. 17

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258 Zur Kritik bes etften Theils

sed tibi et hoc suadet rebus, non voce, maritus, neve sui furtis hospitis obstet abest.

non habuit tempus, quo Oresia regna videret, aptius, o mira calliditate virum!

esset et Idaei mando tibi dixit iturus cur am pro nobis hospitis uxor agas.

neclegis absentis testor mandata mariti. cura tibi non est hospitis ulia tui.

Die Ueberlieferung von V. 301, 2 ift fo wie ich fie hingefeht habe im Puteaneus; ber 6uelferbvtanus hat esset ut. Vor anbetn Befferungsverfuchen empfiehlt fich ber neuefte von Merkel 'restat ut Idaei mandem', ohne bah ich ihn jeboch fur richtig halte. Denn erftens liegt bie Aenberung boch nicht fo nah an ber Lesart ber Hfs., bah sie baburch, falls bet Sinn es nut irgenb geftattet, als bie allein betechtigte erfcheint, zweitens mihfallen bie beiben Conjunktive, wo bet eine vom anbern abhdngig ift, unb brittens was am fchwerften wiegt, ift bie unverbunbene, unvermittelte Einsuhrung bes rebenben Menelaus teineswegs lobenswerth zu nennen. Ich fchreibe beshalb mit Annahme jenes ut, bas gar leicht wegen bes folgenben mando in et verdnbett werben konnte, ecce et 'ut Idaei mando tibi' dixit iturus 'curam pro nobis hospitis uxor agas'. So berfelbe Puteaneus Am. 1, 4, 46 sxemplique metu torqueor esse mei ftatt ecce. Freilich wurbe es noch leichter fein zu fetzen en et, ba bies in feiner Abkurzung mit

esset beinahe vollftdnbig ubereinstimmt <^eet unb eet), fo bah ich bie Wahl zwifchen beiden Vermuthungen jebem uberlassen will. Ncce unb en briicken bei Ovib wie bei anbern hdufig eine Steigerung aus, fast gleichbebeutenb mit quid quod, bas ubrigens Ovib, dhnlich mit Horaz, fonft nicht meibet, wie bies boch viele Dichter thun. So z. B. Am. I, 8, 57 'ecce quid iste tuus praeter nova carmina vates donat' III, 8 , 9 'ecce recens dives parto per vulnera censu prae- fertur nobis sanguine pastus eques'; liem. 523 'et quisquam praecepta potest mea dura vocare? en etiam partes conci- Uantis ago.'

XVII, 257. his ego, si saperem pauloque audacior essem, uterer, utetur siqua puella sapit,

aut ego deposito sautiam fortasse pudorem et dabo cunctas tempore victa manus.

Lautiam unb nach Merkels Angabe pudorem bietet ber Puteaneus, fo zwar, bah jenes von zweiter Hanb zu faciam umgewanbelt ist< Da in V. 259 berfelbe Gedanke wie in bem folgenben dabo manus vor- hanben fein muh, was ebenfo fehr bie Copulativpartikel in 260 als bie vorhergehenben Worte 'his ego, si saperem, uterer. utetur siqua puella sapit' an ben Tag legen, fo kann aut unmoglich tichtig fein, fonbern es muh entweber heihen 'haut ego', fo bah nach ego stark interpungirt wirb , ober ast ego deposito faciam fortasse pu»

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Ver Ovibischen Hichtungen. 259

Hors; wobe; ich jeboch noch Anbern bie Garantie ltberlasse, baft iaoere ber Ueberlieferung nach hinldnglich beglaubigt fei, ober wenn bieg ber Fall ift, ebenfo fur laoiam quod petis, obsequar tibi stehen konne, wie aller- bingg in allen Sprachen hdufig auf Liebegangelegenheiten, zumal auf unfchickliche, bezugltche Augbrucke oft von einer nur psychologifch zu erkldrenben Kurze unb Verfchdmtheit stub. Bekannt ift z. B. res fur Liebeghanbel, ber trasseren Lakonigmen, roie sie in membrum ober arrigere ober fonst hdufig vorkommen, nicht zu gebenken. Vgl. in Nezug auf biefe auch Hor. epod. 12, 15; Ovib. Am. Ill, 7,23-26.

Eg bleibt noch ounotas zu perfaniren, wofur die zweite Hanb beg ?uteaneus alg Verbesserung over vielmehr Verfchlechterung ber urfprunglichen Ueberlieferung ooniunotas bietet. Am passenbften er- fcheint jebenfallg devinotas, wie eg bei Ovid. Irist. I, 3, 88 heiftt ^vixque dedit viotas utiiitate manus' und roie Tibull I, 1, 55 fagt ^MO rstinent viotum tormosae vinoia pueiiae'. Auch ift bie Kuhn- heit in unferem Vorfchlage nicht f o gar erfchrecklich, ba in bem zundchst vorhergehenben Verg gleichfallg bie vierte Silbe de war, fo baft stch in unfsrm bie Prdpofition leicht verfluchtigen konnte.

Netam. I, 597. iam pasoua I^ernae oonsitaque arboribus I^vreea reiiquerat arva, oum deus induota latas oaligine terras ooouluit tenuitque kugam rapuitque pudorem. interea medios luno despexit in agros, et noctis laoiem nebulas lecisse voiuores sub nitido mirata die, non Auminis iiias esse neo numenti sensit teliure remitti. atque suus ooniux ubi sit oiroumspioit, ut quas deprensi totiens iam nosset lurta mariti. quern postquam oaelo non repperit, ̂aut ego tailor, s.ut ego laedor' ait deiapsaque ab aetnere summo oonstitit in terris nebuiasque recedere iussit. ooniugis g.dventum praesenserat inque nitentem Inaonidos vultus mutaverat iiie iuvenoam.

Nachbem Iuppiter bie Jo burch bie argolifche Landfchaft verfolgt hat, big er fie enblich, alg er weithin bie Lande mit Dunkel bebeckt hat, uberwdltigt, blickt Juno, allerdingg zu fpdt, herab vom tzimmel, eg fragt stch blog, wohin? Darattf lautet bie Antwort ber Ueber- lieferung medios in ngros ̂ mitten auf bie Felber' unb eg werben gewift gleich einige gefdllige Interpreten zur Hanb fein, bie mit fo unb foviel Citaten beweijen, daft agri unb arva nicht blog burch bie Irrthumer ber Abfchreiber, fondern auch im Gebrauch der Dichter oft verwechfelt werden. Doch mit Verlaub, dag ift nicht ganz richtig. Ndmlich eg steht agri nur dcmn fur arva, wenn biefeg mit Acker- land gleichbebeutenb ift, wogegen eg keinem Romer etngefallen ift agri fur t^fKH zu setzen, in welcher Vebeutung arva ein obn bas anbere

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260 Zur Kritil bes ersten Theils

Mal vorkommt. Ferner ist, felbft wenn bies anbers ware, in V. 601 ber Ausbruck mitten auf bie Erbe abgefchmackt, ba bei ber Unermeh- lichkeit ber Erbe biefer Vegrifs ein gdnzlich illuforifcher ift. - Dah aber uberhaupt an unferer Stelle nicht von einer allgemeinen Ver- sinfterung ber Lanbe, etwa wie bei ber Geburt bes Herkules bie Rebe ift, ergibt sich aus ben Verfen 602 - 604, woraus hervorgeht, bah uberall auher an ber Stelle, auf bie Juno ihre Augen richtet, heller Tag war, an biefer jeboch ein fo starker unb auffdlliger Rebel, bah man ihn weber von Ausbunstungen ber Erbe noch benen eines Flusses herleiten konnte. Doch wozu lange Reben? Dah Juno nur auf bie Argolifche Lanbfchaft herabgeblickt, ergibt sich ja unwiberleglich aus bem Umftanbe, bah fie an berfelben Stelle bie Erde betritt, wo Iup- piter mit ber Jo gerabe weilt (V. 610, 612 ff.). Es ift also zu fchreiben ^medios Inno despexit in Argos'. Wie oft Argos unb Argi auch fur bas Lanb Argolis fteht bebarf keiner Neweisstellen. Dah aber Juno gerabe auf biefe Gegenb herabfchaut, ift nicht zu ver- wunbern, ba ja in berfelben Lanbfchaft eben ihre geliebte Stabt Argos lag. Uebrigens ift ebenfalls Argis fur agris bei bemfelben Ovib Am. 1, 10, 5 bie fcharffinnige Vermuthung ber Gelehrten, bie unge- mein fchmeichelnb fein muh fur jeben, ber bie Neigung ber alten Dichter zu inbivibualisiren unb ihre Vorliebe fur Eigennamen berucksichtigt.

VI, 655. oironmspioit ille atqne ndi sit qnaerit, qnaerenti iternmque vooanti sicut erat sparsis luriaii eaede oapiilis prosiiuit It^osqne oapnt ?nilomela ornentnm misit in ora patris neo temp ore maluit ullo posse loqni et meritis testari gandia diotis.

Prokne unb Philomela haben ben Itys gemeinfam ermorbet, unb bie Blutfpuren ber Unthat fur ben Anblick bes Tereus «aufgefpart. Nur fehe ich nicht ab, wie gerabe bas Haar ber Philomela befonbers hdtte mit Vlut befleckt fein konnen. Die Bruft ift biefer Entftellung aus- gefetzt unb allenfalls bie unteren Theile bes vorberen Korpers, wie folches einem Jeben bas Veifpiel ber Metzger lehren kann, aber nicht bas Gesicht unb noch weniger bie ruckwdrts geftrichenen Haare. Doch gefetzt auch, bah biefe einige Vlutspuren getragen hdtten, fo sinb boch wahrhaftig nicht sie es, bie beim Vorsturzen Philomelas ber erfte Blick bes Tereus treffen wirb, fonbern eben bie vorberen Theile bes Leibes, unb es ift um fo wibersinniger biefe naturgemdhe Situation zu verdnbern, als ber Vorberkorper boch ohne Zweifel vornehmlich unb befonbers Vlutfpuren tragen muhte. Diefe Unthunlichkeiten nun hat irgenb ein Schreiber bes Burmannifchen Apparats gemerkt unb statt oaede ge- feht more. Ich kann mit einer leichtern Besserung aufwarten, bie alien Anforberungen entfpricht, wenn wir ndmlich Zu Enbe bes V. 657 fetzen papillis. Diefe Aenberung bestdtigt Ovib felbft, inbem er von ber Prokne fagt V. 669 neqne adnuo de peotors oaodig 6xos886rs

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der Ovibischen Dichtungen. 261

notas. Vgl. auch Virg. tteorg. IV, 15. - Cine dbnliche Verwechfe- lung finbet si* in bem Verfe Claubians 31, 28 (nach Gehner), wo es von ber eben aus bem Schlaf erwa*ten Venus in ber Vulgata beiht 'utque erat indigesta comas turbata capillos', bo* fo, bah fchon ein Manuskript richtig bietet 'papillas', wesbalb i* mi* begniigen will barauf binzuweisen, bah in bemselben Verse unmoglich dcht fein kann 'turbata', was weber uberlhaupt pasfenb ift (benn was sinb papillae turbatae?) no* gar in Vezug auf bie eben erwdbnte Situation. Claubian bat selbftverftdnblich gefchrieben 'nudata papillan'.

"lrist. Ill, 5, 45. non mini quaerenti pessumdare cuncta petitum

Oaesareum caput est, quod caput orbis erat. non aliquid dixi violentaque lingua locutast,

lapsaque sunt nimio verba prolana mero. Diefe Verfe enchalten bie bekannte Leyer, bah Ovib an feinem

Ungluck nur passiv fchuldig sei, inbem er nichts Unpassenbes Weber gechan no* geredet babe. Das letzte jeboch durfte chm fchwerlich Iemanb glauben, wenn die Lesart in V. 48 richtig ift. Denn was beiht das 'non aliquid dixi' ich babe nichts gefprochen? Was bat er benn nicht gesprochen? unb wie stimmt, wenn man bies passiren liehe, bas folgenbe 'violentaque lingua locutast'. 'Nicht babe ich etwas gefagt noch bat die Zunge Beleidigenbes gefprochen'. Wirklich ein reizender Gegensatz zwifchen aliquid unb violenta, zwifchen dixi unb locutast! Ovib wird als fein Eigen nur anerkennen 'non ali- quid 6nxi violentave lingua locutast' d. b. i* babe in Worten weber bur* Lugen ober Verlaumdungen no* bur* Schmdbreden mir etwas gegen Dich zu S*ulden tommen lassen. Hierbei ift V. 48 bie weitere Ausfuhrung bes Hexameters, fo bah es nicht nochig ift zu fchreiben lapsavs.

Ill, 10,21. saepe sonant moti glacie pendente capilli, et nitet inducto Candida barba gelu,

nudaque consistunt lormam servantia testae vina, nee bausta meri sed data lrusta bibunt.

Auda ift uberliefert; uda bat Vurmann im Texte; zu fchreiben ift cruda. Uebrigens ift auch im Pentameter nicht alles ganz gebeuer.

Ib. 169. deque tuo ket - licet bac sis laude superbus - insatiabilibus corpore rixa lupls.

Was dabei Richmliches oder Schmeichelbaftes fur ben Ibis ware, wenn die Wolfe urn seinen Leichnam in Streit geratben, ift mir ganzlich unklar. Geborte er bo* nicht zu ben Hyrkanern, bie ibrer Tobten Leiber grunbfdhlich ben wilden Tbieren zur Beute vorwarfen. Es ift zu fehen lite superbus, wie es bei Martial beiht ̂X, 5, 10^>

at cum supremae kla venerint norae diesque tardus, sentiat canum litem.

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262 Zur Kritik bes etften Theils

©alvaing fetzt biefe ©telle in ben Commentar zur Ibis, ohtte bie Um umgdnglich nothwenbige Verbesserung zu merken! - Uebrigens wie hier laude fur lite war oben mit umgekehrtem Fehler invitus fkr invalidus gefchrieben.

Epist. e. ?. IV. 10) 41. hinc oritur boreas oraequs domegtious huio sst

et sumit vires a propiore loco. Wenn ber Boreas von ben Getischen Lanben ausgeht unb in biefen feine Heimath ift, fo kann es nicht heihen, er nehme, wenn er bie ihm eigenthumlichen Fluren burchbraufe, bie Krdfte von bem ndheren Ort. Er nimmt ste von bem nahen ober ndchften Orte, fo bah pro- pinquo ober proximo ein paffenber Begriff ware, aber nicht ber Com- parativ propior. Auherbem fehlt jeboch, selbst abgefehen von ber eben beruhrten Verkehrtheit bie Vezeichnung, bah- bie Gegenb, von ber er feine Krdfte nimmt, fein eigener Sitz unb eben 'beshalb, urn mit Virgil zu reben, fruchtbar an tofenben Sturmen ift. Wir wurben beshalb, auch wenn propiore richtig ware, statt loco noch etwa domo erwarten. Vetbe Uebelstdnbe stnb zu tilgen burch Annahme folgenber Emenbation ̂atsumit vires a proprioque loco'. - Wenn atsumit in et sumit ubergegangen war, fo blieb eben nichts ubrig fur bie ©chreiber als aus proprioque propiore ober vielmehr propriore zu machen.

East. II, 819. ilia diu reticet pudibundaque celat amictu ora. iluunt lacrimae more perennis aquae.

hinc pater hinc coniunx lacrimas solantur et orant indicet et caeco Aentque paventque metu.

In V. 821 ift lacrimas ohne Zweifel verdorben unb zwar aus bem vorhergehenben Verfe eingefchlichen. Denn lacrimas solari ift zwar lateinifch, allein es fehlt bas Objekt zu indicet, unb bie Verboppelung von lacrimae an sich muh unertraglich fcheinen, Weil Ovib berartige nicht rhetorifche Wieberholungen (unb zumal bei fo geringem Zwifchen- raume) nur in kleinen meift wenig bebeutenben Worten gestattet unb ohne bah eines fur bah anbere bie ©telle bes Pronomens vertrdte. Dem ©inne nach wirb erforbert curas.

VI, 455. nunc bene lucetis sacrae sub Oaesare 2aming.ft. i^nis in Iliacis nunc erit estqus locin.

Estque ift fowohl wegen bes vorhergehenben Futurums erit als weit mehr noch wegen bes Prdfens lucetis verbdchtig, zumal in einem fo gefeilten Gebichte als bie Fasten ftnb. Es ift wohl zu fchreiben/nuno srit usque iocis'. Wenn fo estque weggefchafft ift, fchlieht sich auch dicetur in V. 459 passenber an erit in bem eben befprochenen Pew tameter.

Dies war bas Hauptfachlichfte, was ich fur jeht uber Ovib zu fagen wuhte.

Mochte basselbe boch ben Erfolg haben, bah wet immer etwas

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ber Ovibischen Dichtungen. 263

Neachtenswerthes fiber Hanbfchnften biefes von mir so fehr verehrten Autors wissen follte, mir baruber Mittheilungen machte, inbem id) sruher oder fpdter boch einmal zu einer mit ziemenben Apparate verfehenen Ausgabe biefes Dichters kommen werbe. Mehr noch wiirbe es mich freilich nnfpornen, wenn bie eigenen Leistungen biefes Auffatzes unb bie an- gewanbte Methobe, bie ja nach Bentley hoher steht benn hunbert Hanb- fchnften, von passenben Richtern eine freubige Anerkennung erfuhren - Qonos alit artes - , unb mir fur bie Fortfetzung bes Kampfes, ben id) fo rilftig gegen bie zahllofen Verberbnifse unb Interpolationen ber Ovibifchen Werke gefuhrt habe, eine dhnliche Ermunterung zu Theil wiirbe wie bem Mago bei Livius zur Wieberbelebung bes Italifchen Krieges von Seiten bes karthagifchen Rathes 'ne beiium maximo impetu maiore tortuna coeptum intermitti sineret'. Nur bies tonnte mich zu neuen Anstrengunqen fur bie romifchen Autoren be- geistern ; iibrigens ergdbe stch in biefem Falle vielleicht felbft aus mei- nen Collectaneen trotz mehrmaliger Ausfchiittung manches boch ttoch Nrauchbare, unb will ich urn biefe Behauptung probabel zu machen, unb zugleich bes guten Omens halber biefe Abhanblung mit einer evibenten Verbesserung eines Varronifchen Fragmentes fchliehen, bie freilich barauf hinauskommt, bah in berfelben fiir ein x ein k, hof- fentlich aber bamit boch nicht ein u gemacht wirb.

Es heiht ndmlich bei Caffiobor p. 2286 in einer Auseinanber- fetzung uber bie Buchstaben folgenbermahen ^praeterea in libro, quern de grammatica Varro scripsit, cum de literis dissereret, ita H inter literas non esse disputavit. quod multo minus mirum quam quod X quoque literam esse negat; in quo quid viderit (1. voiuerit) nondum deprenendi. ipsius verba subiciam ^literarum partim sunt et dicuntur ut ̂ . et L partim dicuntur et non sunt nt ll et X partim sunt neque dicuntur ut O ^'.

Ich begreife nicht wie man bies X hat fo ruhig hinnehmen konnen, als einen nur bem Namen nach wirklichen Buchstaben, ba es boch eben fo gut ober vielmehr noch besser bem Varro ein wirklicher Nuchftabe erfcheinen muhte als bies bei ^ ber Fall ift. Denn fiir biefes hat boch nur bas Griechifche, fur jenes auch bas Romifche Ibiom einen eigenen Vuchftaben nothig erachtet. Aber freilich hat Varro auch gefchrieben ^partim dicuntur et non sunt ut H et X'. Er meint bamit, bah jenes kein Buchstabe, fonbern nur ein Hauch, biefes nur eine anbere Schreibweife fur o fei. Bekannt ist bie Theorie einiger alten Grammatiker, bah fur c vor u bei barauf folgenbem Vo- cale ein q, fiir c vor a ein k eintreten musse, burch welche Annahme benn freilich bie beiben offenbar von Varro aufgestellten Erkennungs- zeichen eines Buchstabens, bie einheitliche Schreibweife einerfeits wie bie einheitliche, eigenthumliche, beftimmt vokalifche ober bestimmt con- fonantifche Ausfprache atlberfeits bloh zur Hdlfte erfiillt werben. -

Uebrigens geht ber Inhalt biefes Fragments felbstverstdnblich nur auf

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Page 10: Zur Kritik des ersten Theils der Ovidischen Dichtungen (Schluß)

264 Zur Kritik bes ersten Theils u. s. w.

bas lateinifche Ibiom, unb ergibt sich baraus, bah im Munbe von Ciceros Zeitgenossen bas romifche bs ober pg nicht vom griechifchen ^, bagegen wohl l von ̂ gefchieben wurbe, wie ja bie letztgenannten zwei Buchstaben Quintilian ausbriicklich von einanber fonbert. Danach bliebe nur noch fraglich, ob auch in Caffiobors Worten fur X zu fchreiben fei 1^ ober biefer auf eine falfche Lesart angebissen zu haben fcheine. Lehtes erfcheint jeboch fehr unwahrfcheinlich , well erstens bas Capitel, worm biefe Worte stehen aus bem AnQaens ̂ornntus genommen ist, zweitens kein Grunb erfcheint bie zum Crebit ber von uns befeitigten Lesart erforberliche Unachtfamkeit fo ohne Weiteres fei es jenem fei es bem Cassiobor aufzuburben, enblich wie bas ganze fo interesfante Schriftchen uber bie Orthographie fo befonbers unfere ©telle mit ihren Umgebungen mehrfache Verberbniffe gezogen hat. So muh es offenbar fur ita b heihen idem b unb vorher (p. 2285) ^itaqus et ante et post II litera ouioumque vocaii adinllgatui- uon 80- nabit' nicht ̂nioumqne tali'; fo wie nackher mit Recht ©chneiber meberouie et merouie statt bes uberlieferten berouie et berois her- gestellt hat. Uebrigens wenn wir nun herstellen ^quaui qnod X quo- qne literam e88e negat', fo bleibt boch, ba eben biefer Vuchstabe mit Recht von ben meisten alten Sprachlehrern als vollgultig erachtet wurbe, Grunb genug ubrig, weshalb ber ehrliche Cassiobor auch uber bie richtige Lesart stch verwunbern unb feine langen Ohren fpitzen zu mussen glauben burfte.

Lucian Muller.

Nachtrag. Sett ich biese Abhanblung Derfaht hade (unb esist barUber manches ©ras gewachsen), fanb ich bie Muhe ben ODtb noch einmal in Bezug auf ben ©ebrauch Don en unb ecce bmchzumnftern. Unb ba ergab sich bemt - wenn anbers meinem Auge nid)ts entgangen ift - bah ber Dichter es Dermnbet, ecce Dor Vocalen zu gebrauchm - was anberweit, bet Virgil z. B., nicht unerhort ift. Gewih hat man jene Enthaltung ODtbs nicht bem Zufcckl beizumessen, ba er bie in Rebe stehenbe Interjection wie bie meiften ihrer Eolleginnen sehr haufig gebraucht, in biefer Hinsicht ein cichter Italiener, unb auch ubrigens wentgftens bei ben sorgfa'ltigen Versisi- catoren Roms unumstohlich bie Regel gilt, Elifionen unb Synizefen nur ba zu Derstatten, wo bie Sprache selbst keine anbere Auskunft dot. So wenig also ODib Naiades bretstlbig gebraucht, ebenso wenig ift es riithlich ihm ein ecce mit folgenbem e aufzuburben. Sicher fchrieb er im Briefe bes Paris 'en et nt Idaei'. L. M.

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