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MAX PLANCK SOCIETY Preprints of the Max Planck Institute for Research on Collective Goods Bonn 2006/2 Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft Jörn Lüdemann

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MAX PLANCK SOC IETY

Preprints of theMax Planck Institute for

Research on Collective GoodsBonn 2006/2

Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft

Jörn Lüdemann

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Preprints of the Max Planck Institute for Research on Collective Goods Bonn 2006/2

Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft

Jörn Lüdemann

January 2006

Max Planck Institute for Research on Collective Goods, Kurt-Schumacher-Str. 10, D-53113 Bonn http://www.mpp-rdg.mpg.de

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Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft

Jörn Lüdemann

I. Worum es gehen soll 2

II. Die Grenzen des homo oeconomicus 3

1. Die rechtswissenschaftliche Kritik 3

a) Einführung 3

b) Das Standardmodell 5

c) Kritikpunkte 6

d) Relativierungen der Kritik 7

aa) Anwendungsbereich 7

bb) „Menschenbilder“ 8

cc) Unterkomplexität 10

2. Die Grenzen aus der Sicht der Verhaltensökonomik 12

III. Die Relevanz der Grenzen für das Recht 14

IV. Grenzen als Rezeptionshindernis? 17

1. Alternativen zur Rezeption rechtsexterner Theorie 17

2. Rückgriff auf Alltagstheorien 19

3. Eine eigene Verhaltenstheorie der Rechtswissenschaft? 20

V. Vom Umgang mit den Grenzen 21

1. Theorienpluralismus statt Theorienkonkurrenz 21

a) Die fragwürdige Suche nach „der“ richtigen Theorie 21

b) Die unvermeidliche Wahl eines Ausgangsmodells 23

2. Die anwendungsbezogene Entgrenzung 26

a) Notwendigkeit der Entgrenzung 26

b) Der Anwendungsbezug 27

c) Methodische Anforderungen 27

VI. Rechtsanwendung und Rechtswissenschaft 31

1. Praktische Rechtsanwendung 31

2. Rechtswissenschaft 33

VII. Von einer Rezeptionstheorie der Rechtswissenschaft 34

Literatur 37

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I. Worum es gehen soll∗

Auf die Frage, was er an der ökonomischen Analyse des Rechts am interessantesten finde, soll ein Lehrer RICHARD POSNERS – der amerikanischen Galionsfigur von Law and Economics – einmal geantwortet haben: „deren Grenzen“.1 Zahlreiche US-amerikanische Rechtswissenschaft-ler scheinen dieser Faszination seit einigen Jahren ebenfalls zu erliegen. Unter dem Label Beha-vioral Law and Economics spürt mittlerweile eine ganze Forschungsrichtung den Grenzen der ökonomischen Analyse, deren Bedeutung für das Recht und möglichen verhaltenswissenschaftli-chen Weiterentwicklungen und Korrekturen nach.2 In Deutschland verbeißen sich die Debatten dagegen weiterhin am liebsten im Grundsätzlichen. Während Kritiker im homo oeconomicus noch immer eine Gefahr für die Rechtswissenschaft wittern, sehen viele seiner Protagonisten ihre Aufgabe auch heute noch darin, die Vorzüge einer ökonomischen Analyse des Rechts anzuprei-sen. Nun mag es in der Natur des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts liegen, dass diese beiden Positionen am Beginn der Rezeptionsdebatte gestanden haben. Auf Dauer sind sie aber gleichermaßen unbefriedigend. Statt immer wieder aufs Neue entweder die Mängel oder den Nutzen des ökonomischen Verhaltensmodells für das Recht zu demonstrieren, erscheint es fruchtbarer, in eine neue Stufe der Diskussion einzutreten und das Augenmerk nunmehr stärker auf die Frage zu richten, wie die Rechtswissenschaft angesichts ihrer spezifischen Aufgaben mit den Grenzen des homo oeconomicus sachgerecht umgehen kann. Das gilt auch und gerade für Juristen, die vom Nutzen ökonomischer Theorie für das Recht grundsätzlich überzeugt sind.

In diesem Sinne fragt der folgende Beitrag zunächst nach wirklichen und bloß vermeintlichen Grenzen des homo oeconomicus (II.). Weil weder sorglose Rezeptionsfreude (III.) noch katego-rischer Verzicht (IV.) angemessene Reaktionen auf die Begrenztheit des ökonomischen Verhal-tensmodells darstellen, werden Möglichkeiten eines sachgerechten Umgangs mit den Grenzen diskutiert. Neben dem Bekenntnis für einen methodenpluralistischen Zugang erscheint für die Rechtswissenschaft dabei vor allem ein Ansatz sachgerecht, den man als anwendungsbezogene Entgrenzung bezeichnen kann (V.). Leisten kann ein solches Programm regelmäßig nur die Rechtswissenschaft, nicht aber die Rechtspraxis (VI.). Weil es an methodischen Reflexionen über diese und ähnliche Fragen der juristischen Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorie bis heute weitgehend mangelt, schließt der Beitrag mit kurzen Bemerkungen zur Notwendigkeit und den Aufgaben einer Rezeptionstheorie der Rechtswissenschaft (VII.).

∗ Dr. Anne van Aaken, Dr. Melanie Bitter, Prof. Dr. Christoph Engel, Dr. Stefan Magen, Andreas Remmel,

Dr. Karsten Schneider und Ingolf Schwarz danke ich herzlich für die Lektüre des Manuskripts und für hilf-reiche Kommentare.

1 Richard A. Posner, Texas Law Review 53 (1975), S. 757 (772), zitiert nach Klaus Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S. 206.

2 Aus dem reichen Schrifttum vgl. nur Cass Sunstein, American Law and Economics Review 1 (1999), S. 115 ff.; Christine Jolls/Cass Sunstein/Richard Thaler, Stanford Law Review 50 (1998), S. 1471 ff.; Cass Sunstein (Hrsg.), Behavioral Law and Economis. Einen ausführlichen Einblick in diese Forschung gibt der Beitrag von Markus Englerth, Behavioral Law and Economics – eine kritische Einführung (in diesem Band).

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II. Die Grenzen des homo oeconomicus

1. Die rechtswissenschaftliche Kritik

a) Einführung

Kaum eine rechtstheoretische Thematik wird in Deutschland mit einer solchen Leidenschaft diskutiert wie die juristische Rezeption ökonomischer Theorie.3 Auch wenn die Zahl der Rechtswissenschaftler, die sich für die Nachbarwissenschaft öffnen oder ihr doch zumindest mit Interesse begegnen, in den letzten Jahren fraglos zugenommen hat, sind die Vorbehalte gegen-über einer ökonomischen Analyse des Rechts noch immer deutlich spürbar. Das gilt in besonde-rer Weise für das Öffentliche Recht, namentlich das Verfassungsrecht. Wer sich als Staatsrecht-ler anschickt, die Institutionen des Grundgesetzes mit ökonomischem Instrumentarium zu analy-sieren,4 darf sich auch heute noch skeptischer Blicke aus der eigenen Zunft sicher sein.5

Man macht es sich zu leicht, die Gründe für diese Skepsis ausschließlich in den persönlichen Motiven der wissenschaftlichen Akteure zu suchen. Gewiss: Manche Juristen mögen eine Be-schäftigung mit der modernen Ökonomik ablehnen, weil ihnen die Methoden der Nachbarwis-senschaft fremd sind6 und sie die Mühe scheuen, sich in diese Wissenschaftsdisziplin einzuarbei-ten.7 Nicht unwahrscheinlich dürfte auch die Furcht mancher Kritiker vor der Entwertung eige-ner Wissensbestände sein.8 Und einzelne Rechtswissenschaftler scheinen angesichts des vielfach gescholtenen „ökonomischen Imperialismus“9 im Letzten gar um die Herrschaft über den eige-

3 Ähnlich Stefan Grundmann, RabelsZ 61 (1997), S. 423 (424): „eine Grundsatzkontroverse in den

Rechtswissenschaften, eine der wenigen, die heute noch mit Pathos und Erbitterung geführt werden“. Im Vergleich zur Debatte um die juristische Rezeption der Soziologie empfindet Martin Morlok sie aller-dings als „weniger martialisch“, ders. Vom Reiz und vom Nutzen, S. 1 f.

4 Vgl. vor allem die beiden Sammelbände von Christoph Engel/Martin Morlok (Hrsg.), Öffentliches Recht als ein Gegenstand ökonomischer Forschung; sowie Anne van Aaken/Stefanie Schmid-Lübbert (Hrsg.), Beiträge zur ökonomischen Theorie im öffentlichen Recht. Zu unterschiedlichen interdis-ziplinären Grundverständnissen jüngst Oliver Lepsius, JZ 2005, S. 1 ff.

5 Siehe aus jüngerer Zeit etwa die kritischen Anmerkungen von Bernd Grzeszick, JZ 2003, S. 647 ff. und Oliver Lepsius, Die Verwaltung 1999, S. 429 ff.; ders., Besitz und Sachherrschaft im Öffentlichen Recht, S. 409 ff. Christoph Möllers und Andreas Voßkuhle, Die Verwaltung 93 (2003), S. 321 (330) se-hen mittlerweile allerdings „zarte Annäherungsversuche“. Zum gegenwärtigen Methodenstreit um den Charakter der Verwaltungsrechtswissenschaft vgl. etwa Thomas Vesting, Nachbarwissenschaftlich in-formierte und reflektierte Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 253 ff.

6 Horst Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 7: „Es ist keineswegs ungewöhnlich, daß ein neuer Forschungsansatz deshalb abgelehnt wird, weil man ihn nicht oder nur unzureichend kennt.“ Ähnlich bereits Peter Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. VI: „Juristen neigen allzu leicht dazu, interdisziplinäre Theorieansätze zurückzuweisen, ohne die Zwischenstufe des Verstehens durch-laufen zu haben.“

7 Das ist schon deshalb nicht unwahrscheinlich, weil die externen Anreize für interdisziplinäres Arbeiten im universitären Wissenschaftsbetrieb zumindest für den Nachwuchswissenschaftler trotz anderslauten-der politischer Bekundungen nicht sonderlich hoch sind. Zu den Gründen eindringlich Katharina Hol-zinger, Interdisziplinarität als Gemeinschaftsgut, S. 55 ff.; Roland Czada, Disziplinäre Identität als Her-ausforderung von Interdisziplinarität?, S. 23 ff. (insbes. S. 37 ff.) und Dieter Ewringmann, Interdiszipli-narität – eine Herausforderung für Wissenschaft und Politik, S. 215 (232 ff.).

8 Dazu Claus Ott/Hans-Bernd Schäfer, JZ 1988, S. 213 (223) und Joachim Wieland, Die Bedeutung der Figur des homo oeconomicus für das Recht, S. 376. Aus ökonomischer Perspektive George Stigler, Journal of Political Economy 1983, S. 529 (538).

9 Dazu etwa Gebhard Kirchgässner, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 7 (1988), S. 128 ff.; Gerard Radnitzky/Peter Bernholz (Hrsg.), Economic Imperialism; Christian Kirchner, Jahrbuch für Neue Politi-

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nen Gegenstand zu bangen.10 Aber Unkenntnis, Trägheit und disziplinäres Besitzstandsdenken sind selbstverständlich nicht die einzigen und wohl auch nicht die wichtigsten Quellen, aus denen sich die Reserviertheit vieler Rechtswissenschaftler speist. Neben der im Selbstverständnis der Rechtswissenschaft als einer angewandten Geisteswissenschaft wurzelnden und noch immer weit verbreiteten Ansicht, die Jurisprudenz sei auf die Sozialwissenschaften nicht angewiesen, weil sie ihre dogmatisch-exegetischen Aufgaben mit dem überkommenen hermeneutischen Besteck adäquat allein verrichten könne,11 hinterfragen viele Juristen völlig zu Recht auch das spezifische Vorverständnis der nachbarwissenschaftlichen Theorieangebote.

Dabei bezieht sich das Gros der Einwände vor allem auf die normativen ökonomischen Ansätze, namentlich die wohlfahrtsökonomischen Effizienzvorstellungen.12 Auch wenn diese Kritik gelegentlich auf Missverständnissen beruht und nicht selten auch unnötig polemisch ausfällt, ist sie in einer Hinsicht überaus berechtigt. Die Rechtswissenschaft wäre in der Tat schlecht beraten, wenn sie zur Beurteilung von Rechtsregeln einseitig auf allokative Effizienz abstellen wollte.13 Denn trotz aller Leistungen wohlfahrtstheoretischer Partialanalysen darf sich das Recht aufgrund seiner weitergehenden Aufgaben nicht ausschließlich darauf kaprizieren. Effizienz ist kein Sur-rogat für Freiheitlichkeit und Rechtstaatlichkeit. Die Argumente gegen einen solchen Exklusivi-tätsanspruch sind ebenso wie die Vorbehalte gegenüber einer methodisch unvermittelten Imple-mentation normativer ökonomischer Ansätze in das Recht14 bereits eingehend dargelegt worden und sollen hier nicht noch einmal erneut ausgebreitet werden.15

Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich vielmehr auf den Bereich der positiven ökono-mischen Theorie, in dem die Kooperationsgewinne für Recht und Rechtswissenschaft insgesamt

sche Ökonomie 7 (1988), S. 192 ff.; George J. Stigler, Scandinavian Journal of Economics 1984, S. 301 ff.

10 Dazu Klaus F. Röhl, Auflösung des Rechts, S. 1170 f.: „Titel wie „Rechtswissenschaft als Sozialwis-senschaft“ oder „Soziologie vor den Toren der Jurisprudenz“ haben den Juristen Angst gemacht. Sie ha-ben etwa verstanden: Soziologen sind die besseren Richter und Gesetzgeber.“ Ähnlich auch Christoph Engel, Rechtswissenschaft als angewandte Sozialwissenschaft, S. 33, der in dieser Sorge den Kern der populären Polemik Karl-Heinz Fezers (JZ 1986, S. 817 ff.) sieht; sowie schließlich Ulfrid Neumann, Wissenschaftstheorie der Rechtswissenschaft, S. 422.

11 Dagegen etwa Werner Krawietz, Recht als Regelsystem, S. 29 et passim; Eberhard Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 27 f. Zu „interdisziplinärer Anschlussfähigkeit“ als einem Qualitätsmerkmal der Wissenschaft vom Öffentlichen Recht Helmuth Schulze-Fielitz, JöR 50 (2002), S. 1 (39 f. und 50 ff.).

12 Einen Überblick über die juristische Kritik gibt Horst Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip. 13 So aber der monistische Anspruch bei Richard A. Posner, in: Journal of Legal Studies 8 (1979), S. 103

(125). In der traditionellen neoklassischen Ökonomie bezieht sich das Effizienzprinzip auf die Ressour-cenallokation. Die Wohlfahrtsökonomik präzisiert Effizienz durch das sog. Pareto-Kriterium. Danach ist eine Allokation dann effizient, wenn es keine Möglichkeit gibt, eine Person besser zu stellen, ohne ir-gendeine andere schlechter zu stellen, vgl. nur Kenneth J. Arrow, American Economic Review 64 (1974), S. 253 ff.

14 Dazu Andreas Voßkuhle, Methode und Pragmatik im Öffentlichen Recht, S. 188 ff., der für ein „diffe-renziert integratives Methodenverständnis“ wirbt.

15 Umfassend Horst Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip; Anne van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, S. 192 ff.; Klaus Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?; Gunnar Janson, Ökonomi-sche Theorie im Recht, S. 115 ff. et passim. Vgl. auch Christian Kirchner, JbNPÖ 7 (1988), S. 192 (204); ders., Ökonomische Theorie des Rechts, S. 25 ff.; Martin Morlok, Vom Reiz und vom Nutzen, S. 20 et passim.

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noch deutlich größer ausfallen.16 Anders als die normativen Ansätze, die anhand bestimmter Kriterien Aussagen darüber treffen wollen, welche Normausgestaltung vorzugswürdig ist, be-schäftigt sich die positive Analyse mit der Prognose und Erklärung von Verhalten. Es geht also nicht darum, wie sich Menschen verhalten sollten, sondern wie sie es tun werden und warum. Auch wenn Interdependenzen zwischen normativen und positiven ökonomischen Ansätzen nicht zu leugnen sind,17 kann und muss man diese beiden Ebenen analytisch sauber trennen. Denn es ist selbstverständlich nicht das Gleiche, ob es um die Folgen des Rechts geht, oder ob postuliert wird, dass Rechtsregeln effizient sein sollten. Während Ersteres eine analytische Frage und somit Teil der positiven Analyse ist, geht es bei Letzterem um ein Werturteil und damit um eine nor-mative Aussage. Viele Missverständnisse im interdisziplinären Dialog rühren daher, dass zwi-schen diesen beiden Theorie-Ebenen nicht oder nicht hinreichend differenziert wird.18

b) Das Standardmodell

Obschon auch innerhalb der modernen Ökonomik über viele Detailfragen Dissens besteht, und verschiedene ökonomische Schulen auf der Suche nach immer besseren Erklärungsmustern sind,19 lässt sich im Unterschied zu anderen Sozialwissenschaften noch immer ein dominantes Forschungsparadigma ausmachen. In der angelsächsischen Literatur hat sich dafür der Terminus Rational Choice (Approach) etabliert. Vor allem im interdisziplinären Diskurs ist häufig auch vom homo oeconomicus die Rede. Man kann dieses Verhaltensmodell,20 das auch der ökonomi-sche Analyse des Rechts in aller Regel als Kerntheorie21 zugrunde liegt,22 vereinfacht gespro-chen als den Versuch bezeichnen, „menschliches Verhalten dadurch zu erklären, dass man unter-stellt, dass sich die einzelnen Individuen ,rational’ verhalten. Individuen handeln dadurch, dass sie aus den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eine rationale Auswahl treffen, wobei sie sich in ihrer Entscheidung an den (erwarteten) Konsequenzen ihres Handelns orientieren.“23

16 So auch die Einschätzung von Anne van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, S. 336 et

passim. Zur Bedeutung der positiven ökonomischen Theorie auch Gunnar Janson, Ökonomische Theo-rie im Recht.

17 Es wäre wissenschaftstheoretisch naiv zu meinen, den positiven Ansätzen lägen keine normativen Annahmen zugrunde. Vielmehr basiert jede sozialwissenschaftliche Reflexion auf einer spezifischen, der Theorie eingeprägten Normativitätsgrammatik. Vgl. auch Christoph Engel, Verhaltenswissenschaft-liche Analyse (in diesem Band).

18 Zur notwendigen Differenzierung Anne van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, S. 36 et passim; Gunnar Janson, Ökonomische Theorie im Recht; Eberhard Schmidt-Aßmann, Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 399; Jörn Lüdemann, RabelsZ 2005, S. 408 (409).

19 Vgl. zu den gegenwärtigen methodologischen Diskussionen nur Petros Gemtos, Methodologische Probleme der Kooperation von Rechts- und Wirtschaftswissenschaft, S. 4 f.

20 Mit beachtlichen Gründen sieht Karl Homann in der Ökonomik weniger eine allgemeine Verhaltensthe-orie als eine spezifische Situationstheorie in Dilemmastrukturen, vgl. dens., Sinn und Grenze der öko-nomischen Methode in der Wirtschaftsethik, S. 11 (20); dens./Andreas Suchanek, Ökonomik, S. 421 ff. et passim; dens./Christian Kirchner, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 14 (1995), 189 (197).

21 Die – je nach Fragestellung und Kontext – durch zusätzliche Annahmen erweitert werden kann. Zur Unterscheidung von Kerntheorie und spezifischen Annahmen vgl. Siegwart M. Lindenberg, Die Metho-de der abnehmenden Abstraktion.

22 Vgl. nur Robert Cooter/Thomas Ulen, Law and Economics; Richard A. Posner, Economic Analysis of Law; Wolfgang Weigel, Rechtsökonomik.

23 Gebhard Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 2 (Hervorhebungen im Original).

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Beleuchten wir die einzelnen Elemente etwas genauer.24 Weil Ressourcen knapp sind, müssen Menschen Wahlhandlungen vornehmen. Ihr Verhalten wird dabei im wesentlichen durch zwei Elemente konstituiert, die in der ökonomischen Analyse streng voneinander geschieden werden: von außen vorgegebene Restriktionen einerseits und die Präferenzen des Individuums anderer-seits. Die Restriktionen beschränken den Raum der möglichen Wahlhandlungen. Im Vorder-grund stehen „Preise“, worunter allerdings nicht allein monetäre Güterpreise zu verstehen sind, sondern alle Kosten, die mit einer Handlung verbunden sind, also auch Aufwand, Arbeit, Ärger, Zeitverlust und Ähnliches mehr. Innerhalb des von den Restriktionen begrenzten Möglichkeits-raumes liegen die Handlungsoptionen, aus denen das Individuum auswählen kann.25 Das ge-schieht anhand seiner Präferenzen, die als konstant unterstellt werden.26 Sie enthalten die Wün-sche und Vorlieben und bilden somit den Maßstab, nach dem das Individuum die Vor- und Nachteile der einzelnen Handlungsalternativen gegeneinander abwägt. Die Entscheidung fällt schließlich zugunsten derjenigen Handlungsmöglichkeit, die den Präferenzen des Individuums am nächsten kommt.

Das ökonomische Verhaltensmodell geht dabei von der Eigenständigkeit der Entscheidung aus. Eigenständig ist die Entscheidung des homo oeconomicus, weil er nicht im Hinblick auf die Präferenzen anderer, sondern allein anhand seiner eigenen Präferenzen entscheidet. Das ist ge-meint, wenn man von der Eigennutzannahme spricht.27 Außerdem trifft das Individuum seine Entscheidung rational, was vor allem bedeutet, dass es die Handlungsoptionen abschätzen und im Hinblick auf den eigenen Nutzen bewerten kann. Ändern sich die Restriktionen und damit der Raum der Handlungsoptionen, wird das Individuum darauf systematisch und nicht etwa zufällig oder willkürlich reagieren. Auf diese Weise werden Prognosen über Verhaltensänderungen durch Veränderung der Restriktionen möglich. Ändern sich die Rahmenbedingungen, so wird die Reaktion der Individuen zwar nicht immer, aber doch durchschnittlich eine Regelmäßigkeit zeigen, die sich aus dem individuellen Entscheidungskalkül erklären lässt.

c) Kritikpunkte

Auch wenn der homo oeconomicus nach dem Urteil zahlreicher Wissenschaftler aus ganz unter-schiedlichen Disziplinen das noch immer am weitesten entwickelte sozialwissenschaftliche Verhaltensmodell darstellt,28 steht er bei vielen deutschen Rechtswissenschaftlern nicht sonder-lich hoch im Kurs. Wenn die analytischen Elemente im juristischen Schrifttum überhaupt als

24 Zu weiteren Einzelheiten vgl. nur Gebhard Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 12-64 und den Über-

blick bei Anne van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, S. 73-82. 25 Voraussetzung ist allerdings nicht, dass das Individuum alle Handlungsmöglichkeiten kennt. Eine der

denkbaren Optionen besteht immer auch darin, sich noch nicht zu entscheiden und statt dessen nach weiteren Informationen hinsichtlich des Möglichkeitsraums zu suchen.

26 Man spricht auch von „stabilen“ Präferenzen. 27 Zur Unterscheidung der Eigennutzannahme vom Egoismus vgl. nur Gebhard Kirchgässner, Bedingun-

gen moralischen Handelns, S. 14 und Andreas Suchanek, Ökonomischer Ansatz und theoretische Integ-ration, S. 120.

28 Vgl. nur Karl-Dieter Opp, Methodologie der Sozialwissenschaften, S. 240; Horst Eidenmüller, Effi-zienz als Rechtsprinzip, S. 14; ders., JZ 2005, S. 216 (217); Edward O. Wilson, Consilience, S. 195; Ki-lian Bizer/Martin Führ, Responsive Regulierung, S. 1 f.

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solche in den Blick genommen werden, dann bestimmt regelmäßig die Kritik an der Realitätsar-mut oder -ferne des ökonomischen Modells die Stellungnahmen.29

Die wesentlichen Vorwürfe sind rasch zusammengetragen. Das so genannte neoklassische Ver-haltensmodell sei einerseits blind für zahlreiche Eigenschaften des Menschen und unterstelle andererseits Dispositionen, die niemand in der Wirklichkeit besitze. Der homo oeconomicus sei eine seltsame Kreatur, ein homunculus, der mit dem tatsächlichen Menschen wenig gemein habe, ja einen das Schaudern lehre.30 Das gelte insbesondere für das Eigennutztheorem und die Ratio-nalitätsannahme. Weil das Menschenbild der Ökonomie unterkomplex sei und der viel reicheren Rechtswirklichkeit nicht hinreichend Rechnung trage,31 sei es mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht kompatibel32 und führe das Recht letztlich in die Irre.33 Im übrigen verbiete sich die Anwendung der Ökonomik auf sämtliche Rechtsbereiche schon deshalb, weil das öko-nomische Verhaltensmodell ein Modell für Wirtschaftstransaktionen, nicht aber für andere Be-reiche menschlichen Zusammenlebens darstelle.34

d) Relativierungen der Kritik

Man kann diese skeptische Bewertung nicht in Bausch und Bogen zurückweisen. Wie die meiste Kritik hat auch sie einen durchaus berechtigten Kern. Die wirklichen Grenzen des homo oeco-nomicus sind allerdings von einem solchen Gestrüpp bloß vermeintlicher Grenzen überwuchert, dass diese den Blick auf die eigentliche Problematik zu verstellen drohen.

aa) Anwendungsbereich

Was zunächst den Anwendungsbereich des ökonomischen Verhaltensmodells betrifft, so scheint noch immer die Auffassung verbreitet zu sein, der Ökonomik gehe es in erster Linie um die Wirtschaft – oder noch enger: um Geld. Hinter dieser Einschätzung dürfte die wissenschaftstheo-retische Vorstellung stehen, die ausdifferenzierten Sozialwissenschaften unterschieden sich (auch heute noch) vor allem durch ihren Gegenstandsbereich.35 Wenn das so wäre, käme der

29 Legendär Karl-Heinz Fezer, JZ 1986, S. 814 (819); ders., JuS 1991, S. 889 ff., bei dem die normative

und die positive Ebene allerdings heillos durcheinander gehen. Aus neuester Zeit Fritz Rittner, JZ 2005, S. 668 ff.

30 Karl-Heinz Fezer, JZ 1986, S. 817 (822): „REMM nennen die Theoretiker der ökonomischen Effizienz den Menschen ihrer vorgestellten Welt, der mich als Juristen schaudern macht.“

31 Gerd Roellecke, Rechtstheorie 31 (2000), S. 1 (4). 32 Vgl. zu dieser Diskussion die Kontroverse zwischen Rolf Gröschner, Der homo oeconomicus und das

Menschenbild des Grundgesetzes, und Gebhard Kirchgässner, Es gibt keinen Gegensatz zwischen dem Menschenbild des Grundgesetzes und dem homo oeconomicus! Zur Parallelfrage der Vereinbarkeit der Systemtheorie mit dem Menschenbild des Grundgesetzes Oliver Lepsius, Steuerungsdiskussion, System-theorie, Parlamentarismuskritik, S. 52 ff.: „Systemtheoretische Modellannahmen contra Strukturent-scheidungen des Grundgesetzes.“

33 Karl-Heinz Fezer, JZ 1986, S. 817 (824). Jüngst auch Fritz Rittner, JZ 2005, S. 668 (669). 34 So ist wohl Fritz Rittner, JZ 2005, S. 668 (670) zu verstehen. Daneben wird vor allem auch die Ent-

scheidung der Ökonomik für den methodologischen Individualismus kritisiert; zu diesem und weiteren Einwänden vgl. Martin Morlok, Vom Reiz und vom Nutzen, S. 10 ff.

35 Zum heute vorherrschenden Verständnis, dass Wissenschaften sich weniger um einen Gegenstand als um eine bestimmte Fragestellung herum bilden vgl. nur Lorenz Krüger, Einheit der Welt, S. 111.

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homo oeconomicus in der Tat für weite Bereiche des Rechtslebens nicht als intellektuelles In-strument in Betracht.

Wenn hier von „Ökonomik“ die Rede ist, dann ist damit allerdings etwas ganz anderes gemeint. Auch wenn die Ökonomik ihre Wurzeln in der klassischen Nationalökonomie hat und dieser Herkunft ihren etwas missverständlichen Namen verdankt, bezeichnet man mit diesem Terminus in Abgrenzung zur „Ökonomie“ gerade keinen Forschungsbereich, sondern eine spezifische sozialwissenschaftliche Methode.36 Der homo oeconomicus stellt namentlich durch die Weiter-entwicklungen der neuen Institutionenökonomik37 mittlerweile ein allgemeines sozialwissen-schaftliches Verfahren dar, das nicht nur zur Analyse wirtschaftlicher Vorgänge, sondern prinzi-piell für jeden Bereich menschlichen Verhaltens nutzbar gemacht werden kann. Forschungs-zweige wie die Umweltökonomik, die Bildungsökonomik, die Kunstökonomik, die Familien- oder die Verfassungsökonomik illustrieren diese Universalität. Zugleich ist das ökonomische Verhaltensmodell längst auch in mehreren Nachbarwissenschaften wie etwa der Politologie oder der Soziologie zu einem selbstverständlichen analytischen Werkzeug avanciert.38 Ob die expli-kative und prognostische Kraft des homo oeconomicus in allen Bereichen menschlichen Lebens gleich groß ist, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt. Diese Frage wird uns später noch eingehender beschäftigen.39

bb) „Menschenbilder“

Von Missverständnissen geprägt ist häufig auch der Hinweis auf die vermeintliche Unvereinbar-keit des homo oeconomicus mit dem Menschenbild des Grundgesetzes. Wenn man aus unserer Verfassung im Wege systematischer Zusammenschau (namentlich der Menschenwürdegarantie und der Grundrechte) ein Menschenbild destillieren will,40 dann unterscheidet sich dieses – unabhängig davon, welchen Inhalt man ihm im einzelnen beimisst, ob man es als „offenes“ Menschenbild konzipiert oder nicht – in zentralen Aspekten von dem soeben skizzierten homo oeconomicus. Auch wenn diesem Menschenbild beispielsweise das Motiv der Nutzenmaximie-rung keineswegs fremd ist, so lässt es doch zugleich Raum für Fairness und Gemeinsinn. Und auch die Rationalitätsannahme hat wenig mit dem Menschenbild der Verfassung gemein, die den Menschen zwar als vernunftbegabtes Wesen, aber nicht als rationalen Herkules vor Augen hat.41

36 Siehe nur Gary S. Becker, The Economic Approach to Human Behaviour; Bruno S. Frey, Ökonomie ist

Sozialwissenschaft; ders., Economics as a Science of Human Behaviour. Toward a New Social Science Paradigm.

37 Vgl. die umfassenden Darstellungen von Rudolf Richter/Eirik Furobotn, Neue Institutionenökonomik; Mathias Erlei/Martin Leschke/Dirk Sauerland, Neue Institutionenökonomik; Stefan Voigt, Institutione-nökonomik.

38 Zur Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften grundlegend Gebhard Kirchgässner, Homo oeconomicus. Vgl. auch die Beiträge in Andreas Diekmann/Thomas Voss (Hrsg.), Rational-Choice-Theorie in den Sozialwissenschaften.

39 Dazu näher sub V 1. 40 Siehe aus der reichen Literatur nur Peter Häberle, Das Menschenbild im Verfassungsstaat; Karl Heinz

Auer, Das Menschenbild als rechtsethische Dimension. 41 Eine schöne Analyse der Differenzen findet sich bei Melanie Bitter, Spieltheorie und öffentliche Ver-

waltung, S. 183 ff.

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Dass unser Menschenbild fraglos reicher ist und auch normativ behaglicher anmutet als der seelen-lose homo oeconomicus, ist allein indes kein Grund, die beiden Konzepte gegeneinander in Front-stellung zu bringen. Denn der homo oeconomicus hat eine vollkommen andere Funktion als das Menschenbild des Rechts. Während das juristische Menschenbild vor allem in normativer, recht-anwendungsorientierter Absicht gezeichnet wird, dient der homo oeconomicus der positiven Erklä-rung und Prognose menschlichen Verhaltens. Zu diesem ganz anderen Zweck muss das ökonomi-sche Verhaltensmodell weder die Wirklichkeit 1:1 abbilden, noch braucht die Ökonomik eine vergleichbar elaborierte Theorie des Menschen wie die Theologie, Philosophie oder Jurispru-denz.42 Sie hat nicht die Aufgabe, das Wesen des Menschen zu beschreiben, sondern soll als Sozi-alwissenschaft mit einer hochselektiven Problemstellung Einsichten über Verhaltensregelmäßig-keiten generieren. Ganz zu Recht messen die meisten Ökonomen dem homo oeconomicus deshalb auch nicht den Status einer anthropologischen Hypothese, sondern einer bloßen Annahme zu.43 Zumindest dort, wo es um die positive Analyse geht, besteht mithin kein unüberbrückbarer Wider-spruch zwischen einer am Grundgesetz orientierten Rechtswissenschaft und einer Ökonomik, die sich mit heuristisch praktikablen Annahmen über das Verhalten der Menschen begnügt.44

Die sprachlich naheliegende, inhaltlich aber nicht selten irreführende Gegenüberstellung der beiden „Menschenbilder“ gemahnt in einer Hinsicht allerdings gleichwohl zur Vorsicht. Wie GUSTAV RADBRUCH in seiner Heidelberger Antrittsvorlesung zu Recht betont hat, prägt nichts den Stil eines Rechtszeitalters so sehr wie seine Vorstellung vom Menschen.45 Die positive Ökonomik will zwar an sich keine Aussagen darüber machen, wie der Mensch beschaffen ist oder beschaffen sein sollte. Aber auch die Filter, durch die wir die Wirklichkeit wahrnehmen, können unsere Einstellungen und damit gewissermaßen durch die Hintertür den Stil des Rechts prägen. In diese Richtung deuten auch empirische Versuche aus den U.S.A, in denen Ökonomie-studenten am Ende ihrer Ausbildung deutlich eigennützigere Verhaltensweisen an den Tag leg-ten als ihre Kommilitonen anderer Fachrichtungen.46 Es ist jedenfalls nicht von vornherein aus-zuschließen, dass die methodologische Annahme rationaler Nutzenmaximierung schließlich auch die Einstellungen der Menschen prägt, die mit diesem Modell arbeiten.47 Dieses normative Problem lässt sich mit dem Hinweis auf den bloßen Modellcharakter des homo oeconomicus nicht gleichermaßen eliminieren.

42 So auch Christian Kirchner, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 7 (1988), S. 192 (205); Uwe

Gerecke, Soziale Ordnung in der modernen Gesellschaft, S. 365 f. 43 Zu dieser Unterscheidung Milton Friedman, The Methodology of Positive Economics, S. 31 ff. Viele

Autoren sprechen auch treffend von einem Analysekonstrukt, etwa Ingo Pies, Normative Institutionenö-konomik, S. 94.

44 Statt vieler Steffen Wesche, Verhaltenstheorie und Verhaltenswissenschaft des Rechts, S. 60. 45 Gustav Radbruch, Der Mensch im Recht, S. 5. 46 Vgl. John R. Carter/Michael D. Irons, Journal of Economic Perspectives 5 (1991), S. 171 ff. Über die

Interpretation dieser Resultate wird in der Ökonomie lebhaft gestritten. So hat etwa Bruno S. Frey dar-auf hingewiesen, dass dieses Ergebnis weniger das Resultat eines Lernvorgangs als vielmehr einer Stu-dienfach-Selektion sei: Wer weniger altruistisch veranlagt sei, entscheide sich überproportional für das Studium der Ökonomie.

47 Darauf verweist zu Recht auch Christoph Engel, Rechtswissenschaft als angewandte Sozialwissen-schaft, S. 35. Möglicherweise lässt sich der Befund auch konstruktivistisch erklären. Es könnte nämlich sein, dass die Studenten durch die erlernte Geschicklichkeit im Umgang mit dem Rationalmodell ver-führt werden, die Welt vor allem durch die rationaltheoretische Brille zu sehen.

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cc) Unterkomplexität

Eng mit der Frage des Menschenbildes verbunden ist schließlich auch der Vorwurf der Unterkom-plexität. Fraglos ist das ökonomische Verhaltensmodell mit seinen minimalistischen Dispositionen an Schlichtheit kaum zu überbieten. Und man kann sich mit guten Gründen fragen, ob die in ihrer Rigorosität der mechanischen Physik ähnelnde Theoriebildung nicht all zu sehr von der Realität abstrahiert. Wie wir sogleich sehen werden, wird diese Frage auch von Ökonomen immer häufiger gestellt und bejaht.48 Die vornehmlich phänomenologisch gespeiste Kritik aus den Reihen der Rechtswissenschaft geht allerdings fehl, wenn und soweit sie jedwede Reduktion von Wirklichkeit als Manko deutet. Denn eine solche Kritik und wohlmeinende Aufrufe zur Ganzheitlichkeit ver-kennen die Aufgaben und Eigengesetzlichkeiten sozialwissenschaftlicher Modellbildung.

Die Komplexität der Lebenswirklichkeit ist nicht nur für Ökonomen, sondern für alle Sozialwis-senschaftler ein epistemologisches Problem. Weil alles mit allem (oder zumindest vieles mit vielem) zusammenhängt, ist die Realität immer überaus komplex; im Vergleich zu den Natur-wissenschaften ist diese Herausforderung für die Sozialwissenschaften sogar noch deutlich grö-ßer.49 Die unendliche Realität lässt sich wissenschaftlich überhaupt nur dann bewältigen, wenn man aus der Fülle der Lebenswirklichkeit bestimmte Details herausgreift, andere hingegen aus-blendet.50 Das gilt für den homo oeconomicus ebenso wie für den homo sociologicus oder jedes andere denkbare sozialwissenschaftliche Konstrukt. Diese Grundeinsicht der Erkenntnistheorie hat weitreichende Konsequenzen für die Methodologie der Sozialwissenschaften und damit zugleich für die juristische Kritik am homo oeconomicus. Denn die gezielte Vereinfachung ist demnach keine Unzulänglichkeit, sondern Sparsamkeit ist im Gegenteil unabdingbare Voraus-setzung jeder sozialwissenschaftlichen Modellbildung.51

Welche Teile der Wirklichkeit dabei im einzelnen ausgeblendet werden und welche nicht, richtet sich nach dem spezifischen „Erkenntnis-“ (ALBERT) beziehungsweise „Forschungsinteresse“ (LAKATOS) der einzelnen Wissenschaften. Man kann insoweit von pragmatischer Reduktion sprechen.52 Ob wir den Kauf eines Apfels zu einem bestimmten Preis auf psychologische, phy-siologische oder ökonomische Motive zurückführen, ist schließlich nicht ontologisch vorgege-ben, sondern einzig und allein eine Frage der Problemstellung: „Everything depends on the problem.“53 Oder um es mit einem populären Vergleich zu illustrieren: „Theorien sind Modelle des Phänomens, welches erklärt werden soll: eine Beschreibung des Phänomens, welches von allen nicht essentiellen Einzelheiten befreit ist – ungefähr so, wie ein Stadtplan eine Beschrei-bung einer Stadt ist, die einen führen soll. Je nach Zweck des Plans werden nur die Hauptstraßen eingezeichnet, manchmal alle Straßen, aber jedenfalls nicht Fußgängerüberwege und Ampeln.

48 Sogleich sub II 2. 49 Vgl. die Beschreibung der gegenüber den Naturwissenschaften bestehenden „zwiefachen Komplexität“

der Sozialwissenschaften bei Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, S. 10. Siehe auch Nico Stehr, Praktische Erkenntnis, S. 26 ff.

50 Ausführlich Hans Albert, Traktat über rationale Praxis. 51 Anne van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, S. 31 f.; Andreas Suchanek, Ökonomi-

scher Ansatz und theoretische Integration, S. 11 f. 52 Der Ausdruck stammt von Andreas Suchanek, Ökonomischer Ansatz und theoretische Integration. 53 Milton Friedman, The Methodology of Positive Economics, S. 3 (36).

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Andere Stadtpläne, etwa für eine Baufirma, die Kanalisationen baut, müssen dagegen Erhöhun-gen, Elektrizitätskabel etc. kennzeichnen.“54 Würde der Stadtplan die Wirklichkeit hingegen 1:1 abbilden, wäre er als Stadtplan wertlos.

Bei der Kritik an der selektiven Wahrnehmung von Realität sollte man im Übrigen nicht überse-hen, dass auch wir Juristen beständig Teile der Wirklichkeit ausblenden. So verlangen wir von einer Rechtsanwendung lege artis, dass zwischen Tat- und Rechtsfrage unterschieden wird, weil aus der Fülle der Phänomene nur interessieren darf, was im Hinblick auf die jeweils einschlägige Rechtsnorm relevant erscheint. Die Verkürzung des Alltagsgeschehens zu dem, was wir gemein-hin den „Sachverhalt“ nennen, ist ebenfalls eine Form der Reduktion von Komplexität. Natürlich gibt es Unterschiede in der Art und Weise, wie der Blick jeweils verengt wird. So wenden wir bei der Rechtsanwendung nicht einen einzigen allgemeinen Filter an, sondern nehmen unsere Umwelt durch die Brille ganz verschiedener Normen mit ihren je spezifischen Tatbestands-merkmalen wahr. Nur deshalb kann schließlich ein und derselbe Lebenssachverhalt zu völlig unterschiedlichen rechtlichen Wertungen gerinnen, je nachdem, ob wir ihn beispielsweise aus strafrechtlicher oder aus haftungsrechtlicher Perspektive in den Blick nehmen. Wenn man so will, ist unsere Wahrnehmung im Unterschied zu den Sozialwissenschaften also weniger theorie- als vielmehr normgesteuert. Das ändert im Ergebnis aber nichts daran, dass auch wir die Wirk-lichkeit nur mit Scheuklappen wahrnehmen.

Wenn aber die Differenz zwischen sozialwissenschaftlichem Modell und Wirklichkeit im Letz-ten nicht aufhebbar ist, sondern vielmehr immer ein Kompromiss, eine Gratwanderung zwischen Einfachheit und Präzision,55 dann lässt sich lediglich darüber streiten, ob die jeweils eingesetzten Filter angemessen sind oder nicht. Als Maßstab für die Modelle der Nachbarwissenschaften kommen normative juristische Kategorien wegen des spezifischen Erkenntnisinteresses der Sozialwissenschaften dabei von vornherein nicht in Betracht. Und ebenso wenig bemisst sich die Qualität nach wissenschaftstheoretisch fragwürdigen Kriterien wie etwa der Anschaulichkeit einer Theorie.56 So sind etwa psychologische Theorien nicht schon deshalb dem ökonomischen Modell vorzuziehen, weil die zugrunde liegenden Experimente eingängiger sind oder sich die theoretischen Umschreibungen mit unseren psychologischen Alltagserfahrungen besser decken als der abstrakte homo oeconomicus. Wäre Anschaulichkeit ein zuverlässiger wissenschaftstheo-retischer Maßstab, wäre EINSTEINS Relativitätstheorie eine akademische Eintagsfliege geblieben. Wenn und weil die eigentliche Aufgabe sozialwissenschaftlicher Theorie das Erklären und Prog-nostizieren ist, muss sie sich zuerst und vor allem daran messen lassen, wie gut sie gerade diese Funktion erfüllt.57 Legt man diese Messlatte an den homo oeconomicus an, so ist er nach dem Urteil zahlreicher Wissenschaftler noch immer ausgesprochen erfolgreich.58

54 Anne van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, S. 37. 55 Andreas Suchanek, Ökonomischer Ansatz und theoretische Integration, S. 76. 56 Am Beispiel der Theoriegeschichte der Physik Karl R. Popper, Objektive Erkenntnis, S. 373. 57 Statt vieler Gerhard Schwarz, Ein Recht auf Unvernunft, S. 107 (110). 58 Vgl. nur Karl-Dieter Opp, Methodologie der Sozialwissenschaften, S. 240; Horst Eidenmüller, Effi-

zienz als Rechtsprinzip, S. 14; ders., JZ 2005, S. 216 (217); Edward O. Wilson, Consilience, S. 195; Ki-lian Bizer/Martin Führ, Responsive Regulierung, S. 1 f.

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2. Die Grenzen aus der Sicht der Verhaltensökonomik59

Doch so leistungsstark das ökonomische Verhaltensmodell auch immer sein mag: Natürlich ist auch der homo oeconomicus nicht vollkommen und ist die juristische Kritik – wie bereits er-wähnt – zum Teil durchaus berechtigt. Auf die Grenzen des Modells weisen nicht nur Wissen-schaftstheoretiker und Sozialwissenschaftler verschiedenster Provenienz seit langem hin; populär geworden ist etwa HANS ALBERTS Vorwurf des „Modell-Platonismus“60 oder HERBERT SIMONS

Bounded Rationality61 als Gegenkonzept zur Modellannahme vollständiger Rationalität. Auch in der Ökonomie selbst mehren sich seit geraumer Zeit Stimmen, die den homo oeconomicus als Analyseinstrument systematisch hinterfragen. Vor allem durch die verstärkte Zusammenarbeit mit der Psychologie und durch eine Hinwendung vieler Ökonomen zu experimenteller For-schung seit Ende der 1970er Jahre62 stellen Forscher die Annahmen des homo oeconomicus konsequent auf den Prüfstand der Kritik.63 Besondere Bedeutung kommt diesen Arbeiten zu, weil sie sich nicht mit der phänomenologischen Feststellung begnügen, der Mensch sei ein viel reicheres Lebewesen als die ökonomische Kunstfigur. Ihr kritisches Potential verdankt die soge-nannte Verhaltensökonomik vielmehr ihren zahllosen empirischen Belegen dafür, dass die öko-nomischen Modellprognosen sich nicht mit dem beobachtbaren Verhalten decken; und zwar nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch. Das trifft den homo oeconomicus im Kern. Denn solche „Störungen der Erwartung“64, die in Anlehnung an die Wissenschaftstheorie der Natur-wissenschaften meist als „Anomalien“ bezeichnet werden,65 stellen die Leistungskraft des Mo-dells nachhaltig in Frage. Welche Bedeutung dieser Anomalienforschung mittlerweile zukommt, belegt die Fülle einschlägiger Publikationen in angesehenen ökonomischen Zeitschriften ebenso wie die wissenschaftlichen Auszeichnungen experimenteller Ökonomen66 und der internationale Konkurrenzkampf der Spitzenuniversitäten um die besten Forscher im Grenzbereich zwischen Ökonomie und Psychologie.

Die Verhaltensökonomik setzt ihre Fragezeichen sowohl hinter die Eigennutzannahme als auch hinter die Annahme vollständiger Rationalität. So weist sie etwa berechtigt darauf hin, dass sich in Dilemma-, Markt- und Verhandlungsexperimenten beobachten lässt, dass tatsächliches Ver-halten von ökonomischen Prognosen gar nicht selten abweicht, weil Menschen sich keineswegs ausschließlich an ihren eigenen Präferenzen orientieren, sondern sich ebenso von Fairnessmoti- 59 Angesichts der ausführlichen Zusammenstellung der Forschungsergebnisse in den beiden Beiträgen von

Markus Englerth, Behavioral Law and Economics – eine kritische Einführung; Stefan Magen, Eigen-nutz, Fairness und die Rolle des Rechts (in diesem Band) werden an dieser Stelle nur einige Kernaussa-gen skizziert.

60 Hans Albert, Modell-Platonismus, S. 331 ff. 61 Herbert Simon, Quarterly Journal of Economics 69 (1955), S. 69 ff.; ders. Models of Bounded Rationa-

lity. Anhänger hat dieses Konzept vor allem in der Institutionenökonomik gefunden. 62 Ein bedeutender Marktstein war etwa Daniel Kahneman/Amos Tversky, Econometrica 47 (1979),

S. 263 ff. Auch zuvor gab es freilich schon einzelne experimentelle Arbeiten, etwa aus der Feder des späteren Nobelpreisträgers Reinhard Selten, vgl. nur dens./Heinz Sauermann, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 115 (1959), S. 427 ff.

63 Einen Überblick gibt Alexander Ebering, Behavioral Economics. 64 Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, S. 11. 65 Vgl. etwa den Titel der Dissertation von Reinhard Eichenberger: Verhaltensanomalien und Wirt-

schaftswissenschaft. 66 In Deutschland jüngst etwa der Gottfried Wilhelm Leibnitz-Preis 2005 der DFG für Axel Ockenfels.

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ven und Reziprozitätsvorstellungen leiten lassen.67 Wir leisten häufig einen Beitrag zur Bereit-stellung von Gemeinschaftsgütern68, obwohl es für uns individuell vorteilhafter wäre, als Tritt-brettfahrer vom Engagement anderer zu profitieren. Und wir nehmen Kosten auf uns, um unfai-res Verhalten unserer Mitmenschen zu sanktionieren, obwohl wir selbst davon nicht profitieren.69

Neben der Einseitigkeit der Eigennutzannahme richtet die Verhaltensökonomik ihre Kritik vor allem gegen die Rationalitätsannahme, indem sie auf zahlreiche Rationalitätsdefizite bei der Informationsaufnahme und -Verarbeitung sowie beim Entscheidungsverhalten aufmerksam macht. Anders als es strikter Rationalitätsvorstellung entspräche, nehmen wir die Wirklichkeit meist nur selektiv wahr und verwenden bei der Auswahl fragwürdige Filter. Wir blenden gerade solche Informationen aus, die unseren persönlichen Einstellungen widersprechen könnten,70 oder bewerten Informationen systematisch über, die uns im Zeitpunkt der Entscheidung besonders präsent sind (availability bias/ Verfügbarkeitsheuristik).71 Daneben überschätzen wir regelmäßig unsere eigene Leistungsfähigkeit (over confidence bias).72 Wir berücksichtigen bei unseren Entscheidungen vergangene Aufwendungen, obwohl es rational wäre, sie nur an den zukünftigen Kosten und Nutzen auszurichten (sunk cost fallacy).73 Und ob wir etwas als Verlust oder Gewinn wahrnehmen, ist nicht konstant, sondern hängt davon ab, wie das Entscheidungsproblem jeweils eingekleidet ist (framing-Effekt).74

Das Schrifttum zu diesen und ähnlichen Anomalien ist in den letzten Jahren derart sprunghaft angewachsen, dass ihre Existenz mittlerweile auch in der Ökonomie zu einem Gemeinplatz geworden ist. Lebhafter Streit ist allerdings über die Frage entbrannt, wie die enorme Lawine, die diese Forschung losgetreten hat, in methodologisch sinnvolle Bahnen gelenkt werden kann. Wenn KARL POPPER mit seiner Warnung recht hat, dass die Entdeckung neuer Anomalien nicht mit einer steten Erhöhung des Komplexitätsgrades einhergehen darf, läge es nahe, angesichts der Anomalien den Kern der Theorie, also die grundlegenden Annahmen kritisch zu reflektieren. Das Ergebnis des Diskussionsprozesses kann heute freilich noch niemand voraussagen. Bislang ist es jedenfalls noch nicht gelungen, den homo oeconomicus durch ein alternatives Modell vergleichbarer Reichweite zu ersetzen. Zu unterschiedlich und facettenreich sind insbesondere die Erscheinungsformen beschränkter Rationalität, als dass sie sich auf einen gemeinsamen theoretischen Nenner bringen ließen.75

67 Vgl. etwa Armin Falk, Homo Oeconomicus versus Homo Reciprocans; Stefan Magen, Eigennutz,

Fairness und die Rolle des Rechts (in diesem Band). 68 Zum Begriff der Gemeinschaftsgüter Christoph Engel, Die Verwaltung 1997, S. 429 ff. 69 Ernst Fehr/Simon Gächter, American Economic Review 90 (2000), S. 980 ff.; Christine Jolls/Cass

Sunstein/Richard Thaler, Stanford Law Review 50 (1998), S. 1471 (1490 ff.) 70 Zur psychologischen Begründung Leon Festinger, A Theory of Cognitive Dissonance. 71 Amos Tversky/Daniel Kahneman, Cognitive Psychology 1973, S. 207 ff.; dies., Science 1974, S. 1124

(1127). 72 Shelley Taylor, Positive Illusions. 73 Hal R. Arkes/C. Blumer, Organizational Behavior and Human Decision Processes 35 (1985), S. 124 ff. 74 Vgl. nur Amos Tversky/Daniel Kahneman, Science 1981, S. 453 ff. 75 Am ehesten ist insoweit noch die Prospect Theory aus der Feder von Kahneman und Tversky zu nennen.

Sie stellt eine Theorie menschlichen Verhaltens unter Unsicherheit dar und hat sich in der verhaltens-theoretischen Ökonomik als deskriptive Entscheidungstheorie etabliert. Grundlegend Daniel Kahne-man/Amos Tversky, Econometrica 47 (1979), S. 263 ff. Weiterentwickelt zur sogenannten kumulativen

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III. Die Relevanz der Grenzen für das Recht

Anders als die eingangs erwähnte amerikanische Behavioral Law and Economics-Forschung, die diese verhaltenswissenschaftliche Kritik am homo oeconomicus konsequent auf juristische Fra-gen spiegelt, sucht man in vielen deutschsprachigen Beiträgen zur ökonomischen Analyse des Rechts vergeblich nach einer vergleichbaren Reflexion der Grenzen.76 Dafür mag es ganz unter-schiedliche Gründe geben. Manche Protagonisten der Rechtsökonomik mögen schlicht des ewi-gen Methodenstreits müde sein und schon deshalb kein Wort über Sinn und Grenzen des von ihnen verwendeten Instrumentariums verlieren. Wieder andere dürften von der Überzeugung geleitet sein, der homo oeconomicus stelle noch immer die am weitesten entwickelte Verhaltens-theorie dar, und sie halten deshalb solange (kritiklos) an ihr fest, bis eine wirkliche Alternative in Sicht ist.77 Unerfahrenen Verwendern des ökonomischen Instrumentariums wird häufig gar nicht erst bewusst sein, wie viel Reduktion in den Modellen angelegt ist, mit denen sie arbeiten. Und bei manchem Juristen dürften schließlich auch rhetorische Gründe den Ausschlag dafür geben, sich über die Grenzen auszuschweigen. Denn in der juristischen Diskussion werben Argumente bekanntlich um Anerkennung in der scientific community oder vor den Gerichten.78 In beiden Kontexten zählt der Rekurs auf die Ökonomik, zumindest in Deutschland, noch immer nicht zu den gängigen und allgemein anerkannten Argumentationsmustern. Wer dennoch auf die Nach-barwissenschaft zurückgreift und im gleichen Atemzug selbst Zweifel an der Aussagekraft der verwendeten Modelle äußert, der handelt zwar intellektuell redlich, setzt aber im konkreten Kontext zugleich die Überzeugungskraft seines Arguments aufs Spiel – und sei es nur, weil er dadurch die Grenzen der im rechtlichen Diskurs verarbeitbaren Komplexität sprengt.

Die wie auch immer motivierte Ausblendung der Grenzen des ökonomischen Verhaltensmodells ist für Recht und Rechtswissenschaft indes ein ernsthaftes Problem. Und das nicht nur, weil sie langfristig einer breiteren Akzeptanz der Rechtsökonomik in Deutschland im Wege stehen dürf-te. Die unzureichende Beschäftigung mit den Grenzen ist vor allem deshalb problematisch, weil sie zu irreführenden Prognosen über das Verhalten der Menschen, zu einer verkürzten Problem-sicht und damit letztlich zu unzureichenden oder sogar kontraproduktiven rechtspolitischen Gestaltungsempfehlungen und zu einer inadäquaten Rechtsanwendung führen kann. So müssen wir uns häufig gerade für solche Phänomene interessieren, die das ökonomische Verhaltensmo-dell bewusst abschneidet. Das gilt ganz offensichtlich etwa für die Bildung und Veränderungen menschlicher Präferenzen. Das Rationalmodell interessiert sich vor allem für die Wirkungen externer Anreize. Es unterscheidet daher, wie wir gesehen haben, streng zwischen internen Prä-ferenzen und externen Restriktionen. Die Präferenzen werden als konstant unterstellt, weil an-

Prospect-Theorie in Amos Tversky/Daniel Kahneman., Journal of Risk and Uncertainty 5 (1992), S. 297 ff.

76 Ausnahmen bestätigen freilich auch hier die Regel. Insbesondere sind hier zahlreiche Arbeiten aus der Feder von Christoph Engel zu nennen, etwa ders., JITE 1994, S. 145 ff.; ders., Die Grammatik des Rechts; ders., Abfallrecht und Abfallpolitik; ders., Marktabgrenzung als soziale Konstruktion; ders., JZ 60 (2005), S. 581 ff.; ders., Behavioral Law and Economics – Or Law and Psychology?; ders., Genera-ting Predictability. Vgl. ferner Horst Eidenmüller, JZ 2005, S. 216 ff. und Holger Fleischer, Behavioral Law and Economics im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht.

77 Vgl. dazu Karl Homann, Die Interdependenz von Zielen und Mitteln, S. 215 ff. 78 Wolfgang Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaften im Verwaltungsrecht, S. 99.

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sonsten jede Änderung des Verhaltens sowohl auf einen veränderten Möglichkeitsraum als auch auf gewandelte Präferenzen zurückgeführt werden könnte, was Prognosen unmöglich machen oder wesentlich erschweren würde.79 Die Modellannahme der Präferenzstabilität – die im übri-gen ein besonders plastisches Beispiel dafür ist, wie sich die Normativität der Sozialwissenschaf-ten in der Selektivität des Zugriffs auf die Realität Bahn bricht80 – grenzt allerdings zahlreiche Probleme aus, die die Rechtswissenschaft nicht einfach ignorieren kann.

Das gilt nicht zuletzt für den normativen Anspruch des Rechts selbst. Denn auch wenn es viel-fach hilfreich ist, Rechtsnormen mit der ökonomischen Analyse des Rechts als Restriktionen zu deuten, so sind sie im Rechtsstaat doch niemals nur Bepreisungs-Instrumente, sondern immer zugleich auch staatliche Verhaltenserwartungen.81 Und dieser normative Anspruch kann je nach Stellung und Bedeutung der Norm im Rechtsgefüge bei den Regeladressaten eine Veränderung der Präferenzen bewirken. Anders als durch internalisierte Normen ließe sich die Rechtstreue in manchen Bereichen, in denen Kontrolle gar nicht oder nur sehr unzureichend stattfindet, über-haupt nicht erklären.82 Daneben versucht der Staat seit geraumer Zeit auch ganz direkt, die Prä-ferenzen seiner Bürger durch Marketingkampagnen zu formen; etwa, wenn er in groß angelegten Werbekampagnen seine Bürger zu Umweltmoral erzieht,83 oder durch das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse84 bereits die Entstehung missliebiger Einstellungen zu verhindern versucht. Betrachtet man diese edukatorische Regulierungspraxis allein durch die rationaltheoretische Brille, lässt sich ihre eigentliche Wirkweise gar nicht sachgerecht erfassen und damit letztlich auch nicht adäquat verfassungsrechtlich disziplinieren.

Wer den homo oeconomicus verabsolutiert und sich seine Grenzen nicht bewusst macht, der bekommt aber nicht nur ein einseitiges oder verkürztes Bild von der Wirklichkeit. Er läuft auch Gefahr, auf dieser Grundlage fragwürdige, ja sogar kontraproduktive rechtspolitische Empfeh-lungen zu geben. Auch hierzu ein Beispiel: In der ökonomischen Modellwelt bewirkt eine Ver-änderung der Restriktionen keine Veränderung der Präferenzen.85 Wenn das auch in der Realität so wäre, bräuchte man sich um die Folgewirkungen monetärer Anreize nicht weiter zu sorgen. Die Motivationspsychologie macht indes seit langem darauf aufmerksam, dass zwischen innerer Motivation und äußeren Anreizen Interdependenzen bestehen. So können positive Außenanreize dazu führen, dass Menschen ihre so genannte intrinsische Motivation, das heißt die innere Be-

79 Vgl. nur Karl Homann/Andreas Suchanek, Analyse & Kritik 11 (1989), S. 78 und Tanja Ripperger,

Ökonomik des Vertrauens, S. 203. 80 Denn dass sich die Ökonomik auf die Veränderung der Restriktion konzentriert, gründet nicht zuletzt in

der so genannten subjektiven Wertlehre, die auf dem Respekt vor den gegebenen Wünschen der Indivi-duen beruht. Ökonomen sehen ihre Aufgabe nicht darin, Präferenzen zu ändern, sondern die gegebenen Präferenzen optimal zum Ausdruck zu bringen. Statt vieler Karen Ilse Horn, Moral und Wirtschaft, S. 82.

81 Vgl. nur Horst Eidenmüller, JZ 1999, S. 56; Matthias Herdegen, Gewissensfreiheit und Normativität, S. 1 et passim; Reinhold Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 153 f.

82 Vgl. Jörn Lüdemann, Gemeinsinnfördernde Güter. 83 Ausführlich zu dieser Form der Steuerung Jörn Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln. 84 Vgl. Richtlinie 2003/33/EG des Rates vom 26.5.2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungs-

vorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zu Gunsten von Tabakerzeugnissen, ABl. L 152 v. 20.6.2003, S. 16 ff.

85 Oben II 1 b.

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reitschaft, etwas freiwillig und ohne Belohnung zu tun, nach und nach abbauen.86 In zahlreichen Experimenten lässt sich beobachten, dass Personen, die für eine Leistung mehrmals hintereinan-der mit Geld belohnt worden sind, anschließend nicht mehr bereit sind, diese Tätigkeit, die sie früher aus innerem Antrieb erledigt haben, ohne Entlohnung zu verrichten. Belohnt man ein Kind beispielsweise für jedes Rasenmähen mit 5 €, so wird es diese Gartenarbeit später nicht mehr ohne ein entsprechendes Taschengeld übernehmen wollen. In der Psychologie bezeichnet man dieses Phänomen plastisch als die verborgenen Kosten der Belohnung.87 Rechtspraktische Relevanz kommt diesem motivationalen Zusammenhang etwa bei der Frage der Entlohnung freiwilliger Blutspenden zu.88

Aber nicht nur positive Verstärkung, auch wahrgenommene Kontrolle kann unbeabsichtigte Nebenwirkungen zeitigen. So birgt der Versuch, die Bereitstellung von Gemeinschaftsgütern durch Kontrollmechanismen so weit wie möglich gegen Trittbrettfahrer abzusichern, angesichts der Heterogenität der Bevölkerung durchaus Gefahren. Wer nämlich aus innerem Antrieb einen Beitrag zur Erstellung kollektiver Güter leistet, der fühlt sich nicht ernst genommen und kann darauf mit dem Abbau seiner freiwilligen Bereitschaft reagieren, wenn der Staat ihm dabei gleichwohl kontrollierend über die Schulter schaut.89 Aus einer rein steuerungstheoretischen Sicht90 kann es deshalb im Ergebnis manchmal klüger sein, einzelne Trittbrettfahrer auszuhalten, als durch flächendeckende Kontrollen den Bürgern insgesamt das Gefühl zu geben, der Staat traue ihnen nicht über den Weg.

Auch in genuin wirtschaftlichen Gefilden lassen sich die Grenzen der Rationaltheorie nicht leugnen. Nehmen wir den Finanzmarktsektor. Bei unbefangener Betrachtung sollte man erwar-ten, dass das Geschehen dort mit den Vorhersagen des ökonomischen Verhaltensmodells weit-gehend übereinstimmt. Wo sonst sollte sich der homo oeconomicus bewähren, wenn nicht auf dem anonymen Parkett internationaler Börsen? Doch selbst bei einer solchen Paraderolle kann das ökonomische Verhaltensmodell gewisse Schönheitsfehler nicht verbergen. Denn auch hier – wo es um die nüchterne Analyse von Zahlen und Fakten gehen sollte – lassen sich die Menschen bei ihren Entscheidungen deutlich stärker von Gefühlen und Intuitionen leiten, als es streng rationaltheoretischer Vorstellung entspricht. So führt ein übertriebenes Selbstvertrauen dazu, dass rund 85 % aller Privatanleger davon überzeugt sind, sie könnten den Aktienmarkt schlagen. Tatsächlich schneiden sie durchschnittlich rund zwei Prozent schlechter ab als der Markt. Auf-grund mentaler Anker wird die erste Einschätzung, die einem Anleger zu Ohren kommt, zu 86 Grundlegend Edward L. Deci, Journal of Personality and Social Psychologie 18 (1971), S. 105 ff.; ders.,

Intrinsic Motivation. Für die Ökonomik weist auf diesen Zusammenhang seit einigen Jahren insbeson-dere Bruno S. Frey hin, vgl. nur dens., Markt und Motivation.

87 Vgl. Mark R. Lepper/Davin Green (Hrsg.), The Hidden Costs of Reward. 88 Grundlegend Richard Titmuss, The Gift Relationship. 89 Ausführlich Bruno S. Frey, Markt und Motivation, S. 47 ff. Siehe auch die eindringliche Schilderung

bei Guy Kirsch, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 2 (1983), S. 102 (116). 90 Der Verzicht auf Kontrolle und die damit verbundene Inkaufnahme, dass einige Bürger ihren Beitrag

zur Bereitstellung von Gemeinschaftsgütern nicht leisten, findet eine äußerste rechtliche Grenze freilich in der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht des Staates, ein strukturelles Vollzugsdefizit seiner Normen zu vermeiden. Grundlegend BVerfGE 84, 239, LS 4. Allgemein zur verfassungsrechtlichen Be-urteilung von Vollzugsdefiziten jüngst Thomas Baehr, Verhaltenssteuerung durch Ordnungsrecht, S. 84 ff.

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Unrecht weit höher bewertet als alle weiteren Informationen. Und selektive Wahrnehmung führt dazu, dass er Informationen, die die eigene Sicht der Dinge bestärken, eher wahrnimmt und höher bewertet, als Hinweise, die seiner persönlichen Einschätzung widersprechen. Der Rechts-schutz des Kapitalanlegers wäre deshalb unvollkommen, wenn er sich auf den ökonomischen Standardansatz beschränken würde und nicht auch der begrenzten Rationalität der Anleger Rechnung trüge.91

Ein letztes Beispiel illustriert, dass die Grenzen der Rationalität selbstverständlich auch vor dem eigenen juristischen Alltag nicht halt machen. Bei einer streng rationaltheoretischen Betrachtung drängt sich in vielen Fällen eine haftungsrechtliche Lösung rechtspolitisch geradezu auf. Denn auf diese Weise lassen sich die Anreize so setzen, dass der Regelungsadressat von sich aus da-nach streben wird, ein sozial unerwünschtes Resultat zu vermeiden.92 Nicht ohne Grund gehört das Haftungsrecht zu den liebsten Gegenständen der Rechtsökonomik.93 Doch die auf den ersten Blick so elegante Lösung hat ihre geheime List, die die Rechtsanwendung und Rechtsdogmatik unruhig machen muss. Beim Haftungsrecht liegt die eigentliche Steuerungsleistung bekanntlich nicht beim Gesetzgeber, sondern in der Hand der Zivilgerichte. Das hat zur Folge, dass die Ge-richte im Unterschied zur Legislative nicht aus einer Regulierungsperspektive ex ante, sondern ex post entscheiden, und somit in einem Zeitpunkt, in dem der Schaden bereits eingetreten ist. Genau in dieser reaktiven Perspektive des Richters liegt aber ein gravierendes Problem, weil die Rückschau zu systematischen Verzerrungen bei der Urteilsbildung führen kann. Wie psychologi-sche Untersuchungen zeigen, tendieren die Richter im Angesicht des bereits eingetretenen Scha-dens nämlich dazu, die Schadensneigung eines Produkts oder einer Verhaltensweise regelmäßig deutlich höher einschätzen, als sie es tatsächlich ist (sog. hindsight bias).94 Vergleichbare Prob-leme finden sich im gesamten Bereich des öffentlichen Sicherheitsrechts. Denn die Einschätzung einer Gefahr ex ante durch die Verwaltung und deren Kontrolle durch die Gerichte ex post gehö-ren zu den Schlüsselfragen dieses Rechtsgebiets.

IV. Grenzen als Rezeptionshindernis?

1. Alternativen zur Rezeption rechtsexterner Theorie

So wichtig es einerseits ist, dass sich die Rechtswissenschaft die Grenzen des homo oeconomicus bewusst macht, so wenig taugt der Hinweis auf die Begrenztheit für einen vollständigen Verzicht auf das Modell. Denn was wäre die Alternative? Natürlich herrscht kein Mangel an theoretischen Konstrukten aus anderen Wissenschaften, die prinzipiell an die Stelle des homo oeconomicus

91 Einzelheiten bei Christian Schmies, Behavioral Finance und Finanzmarktregulierung. 92 Vgl. aus dem deutschen Schrifttum nur Michael Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 141 ff. 93 Siehe aus der überbordenden Literatur nur die Darstellungen von Michael Adams, Ökonomische Analy-

se der Gefährdungs- und Verschuldenshaftung und Jochen Taupitz, AcP 1996, S. 115 ff. 94 Speziell zur Bedeutung für die Rechtsprechung Jeffrey J. Rachlinsky, A Positive Psychological Theory

of Judging in Hindsight, S. 95 ff.

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treten könnten.95 Und die Rechtswissenschaft sollte die verschiedenen Rationalitäten der einzel-nen Sozialwissenschaften ernst nehmen, statt sich von vornherein auf eine Perspektive festlegen zu lassen. Darauf wird noch zurückzukommen sein.96 Aus den Überlegungen zur Methodologie der Sozialwissenschaften ist allerdings bereits deutlich geworden, dass die Rationaltheorie selbstverständlich nicht die einzige ist, die mit immanenten Grenzen leben muss. Auch wer sich insgeheim darüber freuen mag, wie die amerikanische Behavioral Law and Economics-Forschung oder die moderne Verhaltensökonomik dem homo oeconomicus am Zeug flickt, der wird doch keine Alternative finden, die über jeden Zweifel erhaben wäre. Mit einem schlichten Wechsel etwa von Law and Economics zu Law and Psychology97 oder Law and Biology98 wäre das Problem für die Rechtswissenschaft deshalb nicht behoben. Nichts anderes würde im Übri-gen auch für ein revidiertes ökonomisches Verhaltensmodell gelten. Denn auch wenn der homo oeconomicus aus den gegenwärtigen Diskussionen geläutert hervorgehen mag, so wird doch auch sein Nachfolgemodell unabweislich an (andere) Grenzen stoßen.

Weil sich die Problematik der Modellgrenzen nicht einfach durch einen bloßen Wechsel zu anderen Modellen vermeiden lässt, sondern die Vorteile sozialwissenschaftlicher Modellbildung stets nur um den Preis ihrer Begrenztheit zu haben sind, wird in der Rechtswissenschaft teilweise postuliert, das Fach sei letztlich besser beraten, insgesamt auf die Sozialwissenschaften zu ver-zichten. So hat FRITZ RITTNER jüngst in Erwiderung auf einen Aufsatz von HORST EIDENMÜL-

LER99 zu Protokoll gegeben: „Ein Konstrukt wie das des homo oeconomicus, das sich zwischen das wirkliche Leben und die Jurisprudenz schieben würde, brauchen wir nicht; es stört uns nur. […] Jede Modellkonstruktion behindert“ unser Geschäft.100 Wir sollten Konstrukte wie den homo oeconomicus „beiseite legen – zugunsten der Wirklichkeit“.101

Doch solch eine selbstverordnete Abstinenz wäre für die Rechtswissenschaft noch deutlich problematischer als der Rückgriff auf die limitierten Modelle der Nachbarwissenschaften. Weil die Rechtswissenschaft einerseits auf Wissen über menschliches Verhalten angewiesen ist,102 andererseits aber über keine eigene Verhaltenstheorie verfügt,103 blieben beim Verzicht auf sozialwissenschaftliche Theorie lediglich zwei ebenso radikale wie zweifelhafte Alternativen: 95 Auch wenn sie in ihrer Reichweite nicht immer mit dem homo oeconomicus übereinstimmen. Ähnlich

universell wie das ökonomische Verhaltensmodell ist etwa die sozialpsychologische Theorie geplanten Verhaltens von Icek Ajzen/Thomas J. Madden, vgl. nur dies., Journal of Experimental Social Psycholo-gy 22 (1986), S. 453 ff. Zur Reichweite von Theorien näher unter V 1 c.

96 Unten V 1. 97 In diese Richtung etwa Jeffrey J. Rachlinsky, Cornell Law Review 85 (2000), S. 763 ff. Vgl. auch

Christoph Engel, Behavioral Law and Economics – Or Law and Psychology? 98 Owen D. Jones, Journal of Contemporary Legal Issues 8 (1997), S. 167 ff. 99 Horst Eidenmüller, JZ 2005, S. 216 ff. 100 Fritz Rittner, JZ 2005, S. 668 (669). 101 Fritz Rittner, JZ 2005, S. 668 (669). 102 Vgl. für die Verwaltungsrechtswissenschaft nur Eberhard Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwal-

tungsrecht als Ordnungsidee, S. 18. Der Bedarf an Steuerungswissen nimmt durch den Funktionswandel des Rechts im übrigen beständig zu. Denn auch wenn die Normen des Rechts schon immer Wirklichkeit gestaltet haben und auch gestalten sollten, so wird diese Funktion doch zunehmend wichtiger; vgl. dazu nur Christoph Engel, Marktabgrenzung als soziale Konstruktion, S. 21.

103 Ausführliche Analyse bei Anne van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, S. 108 ff. Daran hat auch das neuerdings wieder entfachte Interesse an einer Gesetzgebungslehre nichts geändert, weil diese sich mehr für Kompetenz- und Verfahrensfragen als für Steuerungswissen interessiert.

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Weder kann und sollte das Recht seinen Wissensbedarf allein durch den Rückgriff auf Alltags-theorien decken (2.). Noch wäre etwas damit gewonnen, wenn sich die Rechtswissenschaft um die Entwicklung einer eigenen Verhaltenstheorie bemühte (3.).

2. Rückgriff auf Alltagstheorien

Analysen von gerichtlichen wie behördlichen Entscheidungen, aber auch von wissenschaftlichen Arbeiten offenbaren es immer wieder: Rechtspraxis und Rechtswissenschaft sind durchsetzt mit alltagstheoretischen Argumenten.104 Statt mit wissenschaftlichen Theorien, statistischen Befun-den oder zumindest theoretisch fundiertem Räsonnieren argumentieren wir mit unserer Lebens-erfahrung, vermeintlichem Allgemeinwissen und ad hoc postulierten Gesetzmäßigkeiten des Sozialen. Wir tun das freilich nicht ohne Grund. Die Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte und die Fülle der Entscheidungssituationen, vor die wir Juristen zum Teil gestellt sind, lässt uns manchmal gar keine andere Wahl. Aber man sollte aus dieser Not nicht vorschnell eine methodi-sche Tugend machen. Denn so geläufig uns der Umgang mit Alltagstheorien auch sein mag, und so unvermeidlich es in der Rechtsanwendung häufig ist, dass wir schlicht auf unseren gesunden Menschenverstand zurückgreifen,105 so begrenzt bleiben unsere alltagstheoretischen Krücken doch hinsichtlich ihrer Tragkraft und Belastbarkeit.106 Und das ist nicht allein ein erkenntnisthe-oretisches Problem. Weil es bei den Entscheidungen des Rechts um hoheitliche Entscheidungen über Menschen geht, sind die Mängel von Alltagstheorien, auf die wir unsere Ergebnisse stützen, auch normativ erheblich.

Wenn wir auf unsere „Lebenserfahrung“ verweisen, ist in aller Regel nicht nur völlig unklar, wie diese entstanden ist. Sie basiert häufig auch auf einseitigem Anschauungsmaterial, weil sie ü-berwiegend nur solche Fälle verarbeitet, die uns vor Gericht begegnen. Das ist aber weder eine repräsentative, noch eine gute Auswahl, weil auf diese Weise nur die pathologischen Konstella-tionen in den Blick geraten. Vor allem aber sind Alltagstheorien höchst subjektiv, da sie vom Vorverständnis des einzelnen Verwenders abhängen.107 Daneben liegt der Bereich des Ausge-blendeten – den es auch bei Alltagstheorien selbstverständlich gibt, weil auch sie die Realität nicht in ihrer Gesamtheit einfangen können – nicht offen zu Tage und lässt sich deshalb im Unterschied zu den Sozialwissenschaften auch nicht gezielt hinterfragen. Mangels systemati-scher Verarbeitung sind Alltagstheorien nicht zuletzt weit weniger lernfähig. Obschon Alltags-theorien häufig eine Vorstufe zu sozialwissenschaftlicher Theorie darstellen und im Rechtsalltag

104 Vgl. Jürgen Bürkle, Richterliche Alltagstheorien im Bereich des Zivilrechts; Andreas Heldrich, AcP

186 (1986), S. 74 ff.; Eva A. Maser, Psychologische richterliche Alltagstheorien im Strafrecht. 105 Ähnlich Wolfgang Hoffmann-Riem, Methoden einer anwendungsorientierten Verwaltungsrechtsrechts-

wissenschaft, S. 64 f. 106 Kritisch auch Hans Albert, Rechtswissenschaft als Realwissenschaft, S. 27; Andreas Heldrich, AcP

1986, S. 74 (80, 87); Karl Dieter Opp, Methodologie der Sozialwissenschaften, S. 241. 107 Josef Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung; Winfried Hassemer, Archiv der

Rechts- und Staatsphilosophie 72 (1986), S. 195 (210 ff.).

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zum Teil auch unvermeidlich sind – vollständig substituieren können sie fundierte sozialwissen-schaftliche Theorie aus all diesen Gründen nicht.108

3. Eine eigene Verhaltenstheorie der Rechtswissenschaft?

Ebenso wenig überzeugend wie theoretische Abstinenz wäre allerdings auch das genaue Gegen-teil, nämlich ein verhaltenstheoretischer Übereifer. Die Rechtswissenschaft würde sich schlicht verheben, wenn sie den Ehrgeiz entwickelte, eine eigene, auf die spezifischen Bedürfnisse der Rechtswissenschaft zugeschnittene Verhaltenstheorie zu generieren, um auf diese Weise den Grenzen des homo oeconomicus oder anderer sozialwissenschaftlicher Konstrukte zu entgehen. Eine solche hausgemachte Theorie vermöchte zwar vielleicht die Akzeptanz bei vielen Rechts-wissenschaftlern zu erhöhen, weil mit einer rechtsinternen Alternative die Autonomie des Fachs gesichert erschiene. Und möglicherweise gelänge es auch, eine Theorie zu formen, die dem Gros der Rechtswissenschaftler realitätsnäher109 oder zumindest sympathischer erschiene als das Rationalmodell der Ökonomen. Aber wenn es darum gehen soll, über die berechtigte und nützli-che Kritik sozialwissenschaftlicher Theorie hinaus ein überlegenes Verhaltensmodell zu entwi-ckeln – und sei es nur die Weiterentwicklung bestehender Modelle –, so kann einem solchen Vorhaben letztlich kein Erfolg beschieden sein. Denn warum sollte uns Juristen gelingen, was den Sozialwissenschaften nicht glückt?

Neben den allgemeinen wissenschaftstheoretischen Zweifeln, denen sich die Suche nach solchen Idealmodellen zwangsläufig ausgesetzt sieht, muss ein solches Projekt in näherer Zukunft auch schon deshalb scheitern, weil der Rechtswissenschaft bis heute das notwendige Handwerkszeug und die Erfahrung fehlt, über die Anwendung fremder Theorie hinaus eigene Modelle zu entwi-ckeln. Selbstverständlich ist es nicht ausgeschlossen, dass Teile der Rechtswissenschaft sich nach und nach die erforderliche sozialwissenschaftliche Methodenkompetenz aneignen. Da die Rechtswissenschaft aber immer zugleich dogmatische Wissenschaft von der Rechtsanwendung bleiben wird und bleiben sollte, kann sie diesem Forschungsfeld stets nur einen Teil ihrer Kraft widmen. Und selbst wenn sich einzelne Rechtswissenschaftler mit ihrer ganzen Forschungsleis-tung sozialwissenschaftlicher Theorie verschrieben, so dürften auch sie im Idealfall bestenfalls an das Niveau der Nachbarwissenschaften heranreichen.110 Worin sollte dann aber der Vorteil einer handgestrickten Verhaltenstheorie der Rechtswissenschaft liegen?

Auch insoweit dürfte vielmehr die alte Erkenntnis gelten, dass man nicht alles selbst können muss. Stattdessen liegt es näher, die Kräfte zu bündeln und auch in diesem Bereich von einer

108 Karl R. Popper, Logik der Forschung, S. XVIII; Jens-Peter Schneider, Die Verwaltung 34 (2001),

S. 317 (343) sieht in der Nutzung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse gegenüber Alltagstheorien zu Recht einen „beträchtlichen Rationalisierungsschub“. Mit Blick auf die ökonomische Analyse des Ver-waltungsverfahrens kritischer Andreas Voßkuhle, Die Verwaltung 34 (2001), S. 347 (367 f.).

109 Zur wissenschaftstheoretischen Fragwürdigkeit dieses Kriteriums siehe bereits oben II 1 c. 110 Dass Wissenschaftler, die ihre Laufbahn als Rechtswissenschaftler begonnen haben, später hervorra-

gende Sozialwissenschaftler werden können, soll damit keineswegs bestritten werden. Die akademi-schen Biographien von Niklas Luhmann und Fritz Scharpf sind zwei prominente Gegenbeispiele.

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wohlverstandenen Arbeitsteilung in der Wissenschaft zu profitieren.111 Unsere Aufgabe dürfte im Konzert der akademischen Disziplinen weniger in der Produktion oder Weiterentwicklung verhaltenstheoretischer Theorie liegen als vielmehr in der auf die Bedürfnisse des Rechts zuge-schnittenen Anwendung. Bereits dieses Verständnis der Rechtswissenschaft als einer anwenden-den Wissenschaft ist für das Fach Herausforderung genug.

Der Wunsch nach verhaltenstheoretischer Autarkie der Rechtswissenschaft lässt sich im Übrigen auch nicht mit dem Argument begründen, die spezifische Problemstellung der Rechtswissen-schaft erzwinge eine intradisziplinäre Theorie geradezu. Denn auch wenn die Rechtswissen-schaft, namentlich die dogmatische Jurisprudenz, letztlich einem anderen Erkenntnisinteresse verpflichtet ist als die Sozialwissenschaften, so ist doch ihr Interesse daran, wie sich Menschen verhalten, gerade kein spezifisches, sondern mit den Nachbarwissenschaften prinzipiell identi-sches. Eher schon könnte man einen Grund für die Entwicklung eigener Theorie darin erblicken, dass es nicht für jede einzelne Frage der Rechtswissenschaft auch ein passendes theoretisches Angebot der Nachbarwissenschaft geben mag. Aber auch dieser Umstand verlangt eher nach verstärkter Kooperation über die Disziplingrenzen hinweg als nach einem neuen Paradigma für die Rechtswissenschaft.

V. Vom Umgang mit den Grenzen

Wenn wir nach alledem zwar auf rechtsexterne Modelle wie den homo oeconomicus angewiesen sind, gleichzeitig aber jede sozialwissenschaftliche Theorie notwendig begrenzt ist, kann die eigentliche rechtstheoretische Frage nur sein, wie die Rechtswissenschaft bei der Rezeption mit diesen Grenzen umgeht. Zwei Teil-Antworten auf diese Frage sollen im Folgenden entwickelt werden. Ein wohlverstandener Theorienpluralismus legt die Rechtswissenschaft nicht auf ein Modell fest, sondern erschließt ihr den gesamten Reichtum sozialwissenschaftlicher Theorie (1.). Und eine anwendungsbezogene Entgrenzung zielt darauf ab, die Hypothesen, die mit einem Ausgangsmodell im konkreten Einzelfall gewonnen wurden, nachträglich durch die Reflexion der Modellgrenzen belastbarer zu machen beziehungsweise zu relativieren (2.).

1. Theorienpluralismus statt Theorienkonkurrenz

a) Die fragwürdige Suche nach „der“ richtigen Theorie

Die erste Reaktion betrifft das grundsätzliche Verhältnis der Rechtswissenschaft zu den Sozial-wissenschaften. Die vorangegangenen Überlegungen zur Problemabhängigkeit sozialwissen-schaftlicher Theorie und zur unvermeidlichen Selektivität des Zugriffs auf die Realität lässt einen Großteil der binnenjuristischen Diskussion beinahe bizarr erscheinen. Die rechtswissen- 111 In diese Richtung auch Wolfgang Hoffmann-Riem, Methoden einer anwendungsorientierten Verwal-

tungsrechtswissenschaft, S. 58: „Ziel der Rechtswissenschaft kann es nicht sein, auch noch verantwort-lich für die Methoden zur Erfassung von Erscheinungen sein, mit denen sich andere Wissenschaften schwergewichtig befassen.“

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schaftliche Rezeptionsdebatte wurde und wird noch immer über weite Strecken von der Suche nach dem richtigen Modell, nach einer dem Recht adäquaten Leitwissenschaft getrieben. Wel-ches sozialwissenschaftliche Modell, welche Verhaltenstheorie ist dem Recht angemessen? Sollte sich die Rechtswissenschaft einem systemtheoretischen Zugang verschreiben? Liegt grö-ßerer Segen darin, ökonomische Theorie zum Fundament einer realwissenschaftlich informierten Rechtswissenschaft zu machen? Sollte die Rechtswissenschaft stattdessen in ein neues, psycho-logisch informiertes Zeitalter aufbrechen? Oder verspricht im Gegenteil nur der Rekurs auf evolutionär-biologische Verhaltenstheorien Aussicht auf Erfolg? Mit beachtlichem Begrün-dungsaufwand wird unserer Zunft mal die eine, mal die andere sozialwissenschaftliche Welt nahe gelegt.

So gut solche Plädoyers auch immer gemeint sein mögen – Fragen dieser Art helfen der Rechts-wissenschaft nicht weiter, sondern sie führen uns letztlich in die interdisziplinäre Irre. Natürlich ist es richtig und notwendig, die Leistungskraft verschiedener sozialwissenschaftlicher Paradig-men kritisch zu analysieren und miteinander zu vergleichen. Und die Rechtswissenschaft sollte in diesem Zusammenhang durchaus zur Kenntnis nehmen, welche Theorien innerhalb der Sozi-alwissenschaften jeweils am weitesten entwickelt und am erfolgreichsten sind. Doch wer solche Überlegungen zum Anlass für einen interdisziplinären Glaubenskrieg nimmt, verkämpft sich (wie jeder Glaubenskämpfer) völlig umsonst. Theoretischer Fundamentalismus ist bei der Rezep-tion rechtsexterner Theorie schon deshalb fehl am Platze, weil jede Art der sozialwissenschaftli-chen Reflexion Vor- und Nachteile in sich vereint, ganz spezifische Elemente hervorhebt, andere hingegen ausblendet.112 Auch wenn sich eine Kunstfigur wie der homo oeconomicus im Wett-streit der Nachbarwissenschaften (vorläufig) als besonders leistungsfähig durchzusetzen vermag, wäre es ausgesprochen unklug, die Rationalität anderer theoretischer Ansätze aus diesem Grunde zu leugnen oder auch nur zu ignorieren. Es ist Ausdruck einer den epistemischen Herausforde-rungen nicht gewachsenen intellektuellen Mentalität zu meinen, man könne alle Aspekte der Realität mit einer einzigen theoretischen Elle messen. Weil eine einheitliche, ganzheitliche Sozi-alwissenschaft angesichts der Komplexität der Lebenswirklichkeit und der begrenzten Verarbei-tungskapazität von Theorien weder möglich noch sinnvoll ist,113 wird nicht Theorienkonkurrenz, sondern nur ein wohlverstandener Theorienpluralismus den wissenschaftlichen Herausforderun-gen der Gegenwart gerecht. Im Übrigen wird vielfach zu Unrecht auch dort von Theorienkonkur-renz gesprochen, wo überhaupt keine Konkurrenz im engeren Sinne herrscht, weil sich die in Rede stehenden Theorien auf ganz verschiedenen Ebenen bewegen.114

Für die Rechtswissenschaft gilt diese interdisziplinäre Klugheitsregel in ganz besonderer Weise. Denn während für die Sozialwissenschaften ein gewisses Konkurrenzdenken und disziplinäres Beharrungsvermögen aus wissenschaftstheoretischer Perspektive förderlich ist, um den Erkennt-nisfortschritt innerhalb der Sozialwissenschaften in Gang zu halten, braucht sich die Rechtswis-

112 Oben II 1 d cc. 113 So auch Uwe Gerecke, Soziale Ordnung in der modernen Gesellschaft, S. 362 et passim. 114 Dazu näher Uwe Gerecke, Soziale Ordnung in der modernen Gesellschaft, S. 362 f.

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senschaft als lediglich anwendende Disziplin115 in die Auseinandersetzung um das bessere Mo-dell nicht verstricken zu lassen. Weil sie selbst kein Modell hat, das es zu perfektionieren gilt, kann sie vielmehr aus dem gesamten Kanon rechtsexterner theoretischer Angebote nach ihren eigenen Bedürfnissen auswählen. Der von Sozialwissenschaftlern häufig zu hörende Hinweis, wir Juristen sollten uns doch bitte zu einer Wissenschaft bekennen und nicht zwischen den ver-schiedenen theoretischen Welten hin und her springen, ist aus diesem Grunde ebenso zurückzu-weisen wie entsprechende Forderungen aus den eigenen Reihen. Es gibt für die Rechtswissen-schaft kein wissenschaftstheoretisches Reinheitsgebot, das es ihr geböte, sich für die eine oder andere Modellwelt zu entscheiden.

Die prinzipielle Offenheit gegenüber den verschiedenen Angeboten der Nachbarwissenschaften, wirft zudem ein anderes Licht auf die soeben erörterte Frage, ob die Rechtswissenschaft ihr verhaltenstheoretisches Vakuum durch die Entwicklung eigener Verhaltenstheorie füllen soll-te.116 Weil jedem theoretischen Ansatz eine gewisse monopolistische Neigung inne wohnt, die einen theorienpluralistischen Zugang eher erschwert als befördert, erweist sich das Fehlen eines eigenen verhaltenstheoretischen Arsenals für die Rechtswissenschaft bei Lichte besehen eher als methodischer Segen denn als theoretisches Desiderat.

b) Die unvermeidliche Wahl eines Ausgangsmodells

Auch wenn sich die Rechtswissenschaft demnach nicht grundsätzlich für bestimmte Verhaltens-modelle entscheiden muss, sondern richtigerweise von einem wohlverstandenen Theorienplura-lismus profitieren kann, kommt der einzelne Wissenschaftler im konkreten Anwendungsfall freilich nicht um die Wahl eines Ausgangsmodells herum. Und diese Entscheidung ist keines-wegs folgenlos. Wer die Realität zunächst einmal durch die rationaltheoretische Brille betrachtet, wird in vielen Fällen zu einer anderen Einschätzung eines Problems kommen als ein Wissen-schaftler, der sich einem Lebenssachverhalt im ersten Zugriff mit soziologischem Besteck nä-hert. Es ist eben nicht das Gleiche, ob man menschliches Verhalten streng konsequentialistisch als Akt individueller Nutzenmaximierung modelliert oder als Frage sozialer Normen und sozialer Identitäten, von Rollen und Rollenkonflikten. Und das Problem wird durch eine Art Pfadabhän-gigkeit noch drängender. Selbst wenn man die Hypothese, die man mit Hilfe einer Theorie gene-riert hat, im Ergebnis verwirft, bleibt man in seiner Sichtweise doch von dieser Theorie angelei-tet.117 Aber bei allen offenkundigen Problemen – es gibt für den einzelnen Wissenschaftler zur Wahl eines theoretischen Ausgangspunkts nun einmal keine Alternative. Denn auch wenn es in vielen Fällen sinnvoll ist, ein Problem im Lichte ganz unterschiedlicher Paradigmen zu analysie-

115 Zur Unterscheidung von anwendenden und angewandten Wissenschaften Hermann Kantorowicz,

Rechtswissenschaft und Soziologie. 116 Oben IV 3. 117 Dazu am Beispiel der Marktabgrenzung im Kartellrecht anregend Christoph Engel, Marktabgrenzung

als soziale Konstruktion.

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ren, etwa im Sinne eines Paralleldiskurses (KARL HOMANN),118 so ist für den Einzelnen kognitiv schlicht ausgeschlossen, dies simultan zu tun.

So unumgänglich die Wahl eines Ausgangsmodells demnach ist, so schwierig ist die Frage zu beantworten, anhand welcher Kriterien wir diese Auswahlentscheidung treffen. Soll sie nicht allein dem Zufall überlassen bleiben oder ausschließlich von der akademischen Biographie des jeweiligen Rezipienten abhängen,119 bedarf es geeigneter Leitlinien, die die Entscheidung zwar nicht vollständig determinieren können (und sollen), den Juristen bei seiner Auswahl aber auch nicht völlig allein lassen. Hier ist die Rechtswissenschaft – nicht zuletzt aufgrund ihrer Zurück-haltung gegenüber der allgemeinen Wissenschaftstheorie120 und wegen ihres weitgehenden Desinteresses an der Methodologie der Sozialwissenschaften – noch ganz am Anfang.

Einige Schlaglichter müssen in unserem Kontext genügen. Um zunächst mit einer ungeeigneten Konzeption zu beginnen. Auch wenn der Wunsch nach windschnittigen Formeln allgegenwärtig ist und man dem Charme der Simplizität gerade bei interdisziplinären Grenzgängen besonders leicht erliegen mag, lässt sich das Auswahlproblem für die Rechtswissenschaft nicht bereits mit einer allzu schematischen, ausschließlich gegenstandsorientierten Bereichsspezifik bewältigen. Auf den ersten Blick mag es zwar nahe liegen, die Theorieauswahl an den jeweiligen Untersu-chungsgegenständen auszurichten; der homo oeconomicus käme etwa immer dann in Betracht, wenn es um die Verhaltensmodellierung auf Gütermärkten ginge, nicht aber, wenn beispielswei-se die Analyse familienrechtlicher Konstellationen auf der Agenda stünde. Doch so plausibel die Vorstellung auch erscheinen mag und so beharrlich sie sich im wissenschaftlichen Diskurs über Formen der Interdisziplinarität hält, so wenig kann sie angesichts des bereits erwähnten Umstan-des überzeugen, dass sich die Sozialwissenschaften nach modernem Wissenschaftsverständnis weniger über ihren Objektbereich als über ihre Problemstellung definieren.121 Denn dieses Selbstverständnis der Disziplinen führt unweigerlich zu zahlreichen Überschneidungen der Forschungsfelder, die eine saubere Parzellierung der wissenschaftlichen Zuständigkeiten nach dem Muster einer Schrebergartenkolonie von vornherein unmöglich machen.122

Ein deutlich tragfähigeres Auswahlkriterium ist hingegen die Leistungs- beziehungsweise Erklä-rungskraft einer Theorie.123 Auch wenn der homo oeconomicus in sämtlichen Bereichen des Lebens als analytisches Instrument zum Einsatz kommen kann, so variiert doch seine Prognose- und Erklärungskraft zum Teil erheblich. Geht es etwa um persönliche Beziehungen wie Freund-schaften oder Partnerschaften, so besitzt das ökonomische Verhaltensmodell zwar auch hier unbestreitbar analytisches Potential. Doch die radikalen Schnitte, denen es seine Leistungskraft verdankt, treten zugleich mit besonderer Deutlichkeit hervor. Als Gradmesser lässt sich vor 118 Zur Idee eines Paralleldiskurses ausführlich Uwe Gerecke, Soziale Ordnung in der modernen Gesell-

schaft, S. 362 ff. 119 So liegt es für Wissenschaftler, die neben der Rechtswissenschaft noch ein weiteres Fach studiert haben,

nahe, ihren theoretischen Wissensdurst in dieser Zweitwissenschaft zu stillen, vgl. Guido Kordel/Jörn Lüdemann, in RabelsZ 2006 (im Erscheinen).

120 Zu diesem Befund Ulfrid Neumann, Wissenschaftstheorie der Rechtswissenschaft, S. 385 f. 121 Oben II 1 d aa. 122 So zu Recht auch Karl Homann/Andreas Suchanek, Ökonomik, S. 393 f. 123 Eingehend Karl Popper, Logik der Forschung, 6. Kapitel.

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allem darauf abstellen, wie weit sich sozialwissenschaftliche Theorien empirisch bewährt ha-ben.124 Häufig korrespondiert die Erklärungskraft einer Theorie auch mit ihrer Reichweite.125 Ein weiteres, mit der Leistungskraft eng verbundenes Kriterium ist die spezifische Frage- bezie-hungsweise Problemstellung einer Theorie.126 Will man etwa wissen, wie sich eine staatliche Maßnahme auf die Einstellungen der Menschen auswirkt, bietet sich der Griff nach rationaltheo-retischen Modellen von vornherein weit weniger an als etwa die Rezeption psychologischer Einstellungs-127 oder Lerntheorien128. Für Fragen staatlicher Steuerung ist darüber hinaus auch der Informationsbedarf bei der Verwendung verschiedener Theorien für die Auswahl relevant. Denn angesichts der Vielzahl staatlicher Regelungsadressaten sind etwa der Berücksichtigung der verschiedenen kognitiven oder motivationalen Dispositionen einzelner Bürger enge Grenzen gesetzt.129 Ein letztes, hier zu erwähnendes Auswahlkriterium leitet zugleich zum nächsten Abschnitt über. Da selbst die leistungsstärkste Theorie an ihre Grenzen stößt, ist es für die Aus-wahlentscheidung schließlich nicht unerheblich, wie weit deren Grenzen bereits reflektiert und in unterschiedlichen Anwendungsbereichen empirisch getestet worden sind. Je mehr dies nämlich der Fall ist – etwa beim homo oeconomicus durch die erwähnten Arbeiten der Verhaltensökono-mik und der Behavioral Law and Economics-Forschung – desto leichter fällt der Rechtswissen-schaft der folgende methodische Schritt: die anwendungsbezogene Entgrenzung.

124 Karl-Dieter Opp, Methodologie der Sozialwissenschaften, S. 144. Wobei mit Bewährung an dieser

Stelle nicht der Beweis der Theorie gemeint ist (der nach Popper bekanntlich als positiver Beweis oh-nehin ausscheidet), sondern allein das Maß der praktischen Brauchbarkeit.

125 Zur Reichweite von Theorien Robert Merton, Social Theory and Social Structure, S. 5 f. Dieses Kriteri-um ist allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Zwar gilt, dass der Universalitätsanspruch eines Modells cum grano salis mit seiner Begrenztheit korreliert; je umfassender eine sozialwissen-schaftliche Theorie angelegt ist – und der homo oeconomicus ist von universaler Geltung, weil er den Anspruch erhebt, menschliches Verhalten unabhängig von Ort und Zeit zu erklären – desto mehr muss sie notgedrungen ausblenden. Und zweifelsohne gibt es Fragestellungen, bei denen speziellere Theorien ausgesprochen nützlich sein können, weil sie nur für einen kleinen Lebensausschnitt Gültigkeit bean-spruchen, somit passgenauer sind und weniger strikt ausblenden müssen. Gleichwohl können Partialthe-orien allgemeinere Theorien nicht immer substituieren. Im Gegenteil ist die Wissenschaftstheorie ihnen gegenüber mit Recht skeptisch, weil Partialtheorien ex post zwar vieles erklären mögen, ex ante jedoch für die Prognose menschlichen Verhaltens nur bedingt geeignet sind. Gerade die prognostische Leistung ist es indes, auf die die Rechtswissenschaft in besonderer Weise angewiesen ist. So mag man beispiels-weise mit Fairnesstheorien einzelne Phänomene trefflich erklären können. Für die Rechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft ist aber vor allem von Interesse, in welchem Verhältnis Fairness und Eigen-nutz zueinander stehen. Denn spannend ist ja nicht primär, ob es faires Verhalten gibt. Wer wollte das bestreiten? Die entscheidende Frage ist vielmehr, wann und unter welchen Umständen eher mit eigen-nützigem und wann eher mit fairem Verhalten zu rechnen ist. Für eine solche Perspektive bleibt ein all-gemeiner Bezugsrahmen unabdingbar. Das gilt gerade dann, wenn es – wie staatlichen Entscheidungen häufig – nicht um ein isoliertes Phänomen geht, sondern Interdependenzen zwischen ganz unterschiedli-chen Instrumenten und Regelungsbereichen in den Blick genommen werden müssen.

126 Vgl. oben II 1 c cc. Zur Abgrenzung der Problemstellungen verschiedener Wissenschaften auch Karl Homann/Andreas Suchanek, Ökonomik, S. 390.

127 Vgl. Jörn Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, S. 62 ff. 128 Etwa Christoph Engel, Learning the Law. 129 Hinsichtlich des Informationsbedarfs unterscheiden sich namentlich Ökonomik und Psychologie zum

Teil erheblich. Ein Großteil psychologischer Forschung hält in Laborexperimenten die Rahmenbedin-gungen konstant und interessiert sich dafür, wie verschiedene Personen darauf reagieren. Die Psycholo-gie schreibt Handlungsdivergenzen folgerichtig Persönlichkeitsmerkmalen zu. Die Ökonomik hingegen hält die Akteure durch den homo oeconomicus konstant und fragt danach, welche Folgen die Verände-rung von äußeren Restriktionen haben.

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2. Die anwendungsbezogene Entgrenzung

a) Notwendigkeit der Entgrenzung

Da sich durch die sachgerechte Auswahl eines Ausgangsmodells die Problematik der Modell-grenzen zwar entschärfen aber keineswegs vollständig ausräumen lässt, ist der gerade beschrie-bene theorienpluralistische Zugriff auf die theoretischen Angebote der Nachbarwissenschaften regelmäßig nur die halbe Antwort. Daneben bedarf es einer zusätzlichen methodischen Anstren-gung, die man als anwendungsbezogene Entgrenzung bezeichnen kann. Erst dieser zweite Schritt bietet eine hinreichende, wenn auch sicher keine vollständige Gewähr dafür, dass die Vorteile, die die Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorie für die Rechtswissenschaft mit sich bringt, nicht dadurch erkauft werden, dass relevante Aspekte der Wirklichkeit zu Unrecht aus dem Blick geraten. Die problembezogene Entgrenzung ist im Grunde also nichts anderes als die konsequen-te methodische Reaktion auf die unabänderlichen Grenzen sozialwissenschaftlicher Theorie.

Die dogmatische Rechtswissenschaft kommt an dieser Reflexion – die im übrigen auch die Sozialwissenschaften bei der praktischen Umsetzung theoretischer Resultate stets anstellen müssen130 – schon aus normativen Gründen nicht vorbei. Wenn die Rechtswissenschaft hoheitli-che Entscheidungen vorbereiten will, muss sie zumindest den Anspruch erheben, im konkreten Einzelfall keine rechtlich relevanten Details zu übersehen. Jedenfalls ist es ihr aber verwehrt, um der bloßen Modellstringenz oder einer besseren mathematischen Formalisierung sozialwissen-schaftlicher Modelle willen normativ erhebliche Details bewusst auszublenden. Dass auch wir selbstverständlich nie die ganze Wirklichkeit betrachten, haben wir bereits gesehen.131 Ein we-sentlicher und normativ erheblicher Unterschied zu den Sozialwissenschaften besteht allerdings darin, dass unsere Konstruktionen der Realität zum Teil materiellrechtlich durch Tatbestands-merkmale vorgegeben132 oder aber um der Entscheidung willen verfahrensrechtlich durch Stopp-regeln der Wirklichkeitserfassung133 determiniert sind.

So wie es bei der Auslegung der Gesetze ein ungeschriebenes Gebot der Vollständigkeit gibt,134 nach dem eine kunstgerechte Auslegung grundsätzlich alle canones der Auslegung durchzumus-tern hat, und sich nicht etwa auf die systematische oder die genetische Exegese beschränken kann, so gilt auch bei der Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorie eine Art Vollständigkeits-regel. Weil jede Theorie, jedes Modell lediglich bestimmte Aspekte der Wirklichkeit beleuchtet und andere ausblendet, die dogmatische Rechtswissenschaft als Vorentscheidungswissenschaft diese Schnitte aber nicht einfach zur Grundlage ihrer (Vor-)Entscheidungen machen kann, ist der Rückgriff auf sozialwissenschaftliche Theorie im Grunde erst dann wirklich überzeugend, wenn auch die Modellgrenzen und deren Bedeutung für den Einzelfall zur Sprache kommen. Nur unter dieser Voraussetzung genügt die Rezeption rechtsexterner Theorie den Anforderungen, die an juristisches Arbeiten seit jeher zu Recht gestellt wird: Dass alles Wesentliche gesagt worden ist.

130 Vgl. nur Karl Homann/Andreas Suchanek, Ökonomik, S. 341. 131 Oben II 1 d cc. 132 Oben II 1 d cc. 133 Zu ihnen sogleich sub VI 1. 134 Dazu Joachim Lege, Pragmatismus und Jurisprudenz, S. 599 f.

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Wir werden später sehen, dass diese anspruchsvolle Aufgabe in aller Regel nur von der Rechts-wissenschaft, nicht aber im Rahmen praktischer Rechtsanwendung zu leisten ist.135

b) Der Anwendungsbezug

Doch wie gehen wir mit den Grenzen der rezipierten Modelle um, beziehungsweise mit den Befunden, die auf diesen Modellen beruhen? Eine erste Teilantwort knüpft an Überlegungen an, die bereits oben entwickelt wurden. Wir haben gesehen, dass es wenig Sinn machte, wenn sich die Rechtswissenschaft selbst auf einer allgemeinen Ebene um die Überwindung der Grenzen sozialwissenschaftlicher Theorie bemühen wollte.136 Vielmehr muss sie sich der Grenzen regel-mäßig nur mit Blick auf die konkrete Anwendung annehmen.137 Genau das unterscheidet die Rechtswissenschaft als anwendende Wissenschaft von Sozialwissenschaften wie der Ökonomik. Der Anwendungsbezug bewahrt uns im Übrigen nicht nur davor, auf intellektuell reizvolle, aber endlose Entdeckungsreisen durch den Kosmos sämtlicher Nachbarwissenschaften zu gehen, die sich mit menschlichem Verhalten beschäftigen.138 Er hat auch noch zwei weitere pragmatische Vorzüge. Zum einen zwingt er uns, die Ebene theoretischer Erörterung irgendwann zu verlassen und uns zu konkreten Folgerungen durchzuringen. Das ist für die Zustimmungsfähigkeit von Entscheidungsvorschlägen von erheblicher Bedeutung, weil sich über Resultate in aller Regel weit eher Einmütigkeit herstellen lässt als über theoretische Entwürfe.139 Und zum anderen liefert der konkrete Anwendungsbezug gleichzeitig einen Maßstab dafür, wie weit wir das theo-retische Räsonnieren bei der Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorie letztlich treiben wollen. Da auch die Ressourcen der Rechtwissenschaft bekanntlich endlich sind und die Rechtspraxis mit ihren Entscheidungen nicht unbegrenzte Zeit auf die Hilfestellungen der Jurisprudenz warten kann, können nicht alle Fragen die gleiche Aufmerksamkeit finden, sondern jeder Gegenstand verdient letztlich das Maß an intellektuellem Aufwand, nach dem er verlangt.

c) Methodische Anforderungen

Die weitaus schwierigste Frage in diesem Kontext steht freilich noch aus: Wie kann man sich eine anwendungsbezogene Entgrenzung in der Praxis vorstellen? Beginnen wir die Überlegun-gen mit einem bereits bekannten Beispiel. Die ökonomische Theorie des Rechts interpretiert Gesetze als Preise. Das ist nicht falsch, aber doch grob verkürzt, weil Rechtsnormen im Recht-staat immer auch staatliche Verhaltenserwartungen transportieren, die von den Menschen teil-weise internalisiert werden und auf diese Weise auch ohne äußere Anreize zum gewünschten

135 Unten sub VI. 136 Oben IV 3. 137 Was freilich nicht ausschließt, dass die Rechtswissenschaft auf einer vermittelnden Ebene die verschie-

denen Theorien mit ihren jeweiligen Grenzen für das Fach erschließt. 138 Endlos, weil die Rechtswissenschaft im Grunde mit dem gesamten Spektrum menschlichen Verhaltens

konfrontiert ist, aber die Frage „Wie verhalten sich Menschen?“ mangels spezifischer Problemstellung wissenschaftstheoretisch weitgehend unergiebig ist. Häufig ist dies auch gar nicht erforderlich, weil die Grenzen, etwa des homo oeconomicus, gerade im konkreten Fall gar nicht zum Tragen kommen.

139 So auch die Erfahrungen von Armin von Bogdandy, Der Staat 40 (2001), S. 3 (4) und Christian Kirch-ner, „Das Öffentliche Recht als Gegenstand ökonomischer Forschung“, S. 317.

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Verhalten führen können. Um dieser Begrenztheit einer ausschließlich rationaltheoretischen Sicht zu entgehen, kann man die Steuerungsleistungen eines Gesetzes zunächst einmal dem Lackmus-Test der ökonomischen Analyse des Rechts unterziehen und das Resultat dann – je nach Bekanntheitsgrad und Stellung der Norm im Normgefüge – im zweiten Schritt relativie-ren.140 Erweist sich dabei, dass die Grenzen im konkreten Fall gar nicht oder nur marginal zu Buche schlagen, in unserem Beispiel etwa, weil die Norm in der Bevölkerung weithin unbekannt ist und deshalb von ihr auch keine normativen Wirkungen ausgehen können, ist die Aufgabe mangels erforderlicher Korrektur des Ausgangsbefundes trivial. Schwieriger wird es hingegen, wenn die nachträgliche Einbettung in den Kontext erweist, dass die Ergebnisse der Modellanaly-se der Relativierung bedürfen. Die Gretchenfrage ist dann: Wie kann man die verschiedenen Aspekte zusammenführen, vor allem, wenn sie unterschiedlichen wissenschaftlichen Welten entstammen? Wie lässt sich etwa eine ökonomische Ausgangsanalyse nachträglich um psycho-logische Einsichten und/oder empirische Befunde bereichern?

Die anspruchvollste Reaktion auf diese Problematik bestünde in einer Art theoretischer Überset-zung. Gerade methodenstrenge Ökonomen werden im interdisziplinären Gespräch nicht müde zu fordern, die Berücksichtigung fremder Theoriebausteine müsse stets im Lichte eines Paradigmas erfolgen.141 Statt bloßer Addition sei die theoretische Überführung der Erfahrungen und Einsich-ten fremder Theoriewelten in die Modellsprache eines integrierenden Paradigmas geboten. Für den Umgang mit den Grenzen des homo oeconomicus hieße das, theoretische Versatzstücke aus anderen Sozialwissenschaften dem ökonomischen Verhaltensmodell nicht lediglich hinzuzufü-gen, sondern sie vielmehr in die Semantik der Rationaltheorie zu übersetzen.142 Um es an einem Beispiel zu illustrieren: Menschen lassen sich in der Realität nicht allein von ihren eigenen Wün-schen oder Bedürfnissen leiten, sondern vielfach auch von ihren moralischen Überzeugungen. Verstößt ihr Handeln gegen diese Überzeugungen, entsteht bei ihnen das, was Psychologen als kognitive Dissonanz bezeichnen: Auf das Auseinanderklaffen von Verhalten und Einstellungen reagieren wir mit emotionalem Unbehagen.143 Für ein solches Phänomen ist im ökonomischen Standardmodell an sich kein Platz. Will man es in die Sprache der Ökonomik übersetzen, kann man Moral nicht einfach als zusätzliches Element in das Rationalmodell einführen, sondern man müsste die entsprechenden moralischen Dispositionen entweder als eine spezielle (übergeordne-te144) Präferenz deuten, oder – was methodologisch wohl vorzugswürdig wäre145 – als psychi-sche Kosten modellieren und damit auf der Seite der Restriktionen verorten.146

140 Am Beispiel abfallrechtlicher Normen Jörn Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, S. 38-42. 141 Vgl. vor allem Karl Homann/Andreas Suchanek, Ökonomik, S. 395 ff., die dieses Modell für die Öko-

nomik als „Modell des erweiterten Restriktionensets“ bezeichnen. 142 Umfassend Andreas Suchanek, Ökonomische Ansatz und theoretische Integration. 143 Grundlegend Leon Festinger, A Theory of Cognitive Dissonance. 144 Und damit zugleich das an sich eindimensionale Nutzenkonzept der Neoklassik durch eine mehrdimen-

sionale Präferenzordnung ablösen. Vgl. nur Amartya Sen, Choice, orderings and morality. 145 Zur Fruchtlosigkeit der Rückführung sozialer Phänomene auf Präferenzen vgl. nur Karl Homann/

Andreas Suchanek, Ökonomik, S. 448 et passim. 146 So etwa Uwe Mummert, Informelle Institutionen und ökonomische Analyse, S. 79 ff. Grundsätzlich zum

Modell des erweiterten Restriktionensets Karl Homann/Andreas Suchanek, Ökonomik, S. 395. Zum Vergleich verschiedener Konzeptualisierungen Birger P. Priddat, Unvollständige Akteure, S. 172 ff.

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In der Ökonomik wird solchen, bisweilen überaus anspruchsvollen Übersetzungsleistungen zu Recht besondere Bedeutung beigemessen, weil sie nicht nur die Voraussetzung für den An-schluss der Disziplin an die Erkenntnisse der Nachbarwissenschaften, sondern auch für den Fortschritt der eigenen Wissenschaft sind.147 Die Frage ist allerdings, ob das, was für die Öko-nomik gut und richtig ist, auch für die Rechtswissenschaft eine methodische Tugend darstellt. Müssen Juristen also, wenn sie sich auf den homo oeconomicus einlassen, grundsätzlich bei diesem Ansatz bleiben und mögliche Erweiterungen oder Relativierungen durch entsprechende Abbildung im Rationalmodell einfangen? Die Frage so zu stellen, heißt sie verneinen zu wollen. Zwar könnte die Strenge einer solchen methodischen Leitregel eine wohltuend disziplinierende Kraft entfalten, weil sie es erschweren würde, aus bloßem akademischen Imponiergehabe sozi-alwissenschaftliche Versatzstücke unvermittelt nebeneinander zu stellen. Und weil die Verknüp-fung von Einsichten aus ganz verschiedenen paradigmatischen Zusammenhängen ein tiefes Verständnis der sozialwissenschaftlichen Modellwelten voraussetzt, vermöchte ein entsprechen-des Gebot auch der beobachtbaren Trivialisierung sozialwissenschaftlicher Theorie im Rezepti-onsprozess148 entgegenwirken. Gleichwohl kann es für die Rechtswissenschaft mit ihrer spezifi-schen Aufgabenstellung kein methodisches Gebot geben, das es ihr auferlegen würde, die Reali-tät immer nur in der Semantik eines Paradigmas aufzunehmen. Im Gegenteil streitet eine ganze Reihe von Argumenten gegen eine solche Forderung.

Zunächst einmal will die vorgestellte methodische Regel schon deshalb nicht richtig passen, weil die Rechtswissenschaft im Unterschied zu den Sozialwissenschaften kein eigenes analytisches Paradigma hat, in dessen Theoriesprache die Übersetzung zusätzlicher Befunde nahe läge. Wäh-rend es für die Ökonomik selbstverständlich ist, dass dies nur das rationaltheoretische Paradigma sein kann, könnte der Rechtswissenschaftler insoweit allenfalls auf das jeweils gewählte Aus-gangsmodell abstellen, mit dem er seine Analyse begonnen hat. Aber abgesehen davon, dass sich nicht jedes Modell gleichermaßen zur Integration fremder Theoriebausteine eignet wie der homo oeconomicus,149 erscheint die Übersetzung angesichts der hohen Anforderungen für die Rechts-wissenschaft auch mit Blick auf einen gesunden Methodenrealismus letztlich deutlich überzogen. Wenn Wissenschaftstheoretiker bemängeln, dass selbst das Gros gestandener Sozialwissen-schaftler sich nicht an diese Regel hält, sondern die verschiedenen Aspekte in einer Art Gesamt-schau in den Blick nimmt:150 Wie sollte diese Regel dann die Arbeit einer Rechtswissenschaft anleiten, die als anwendende Wissenschaft gleichsam nebenbei zwei fremde gedankliche Welten zueinander führen muss? Darüber hinaus ist die methodische Forderung nach paradigmatischer Reinheit vor allem auch vor dem Hintergrund sozialwissenschaftlicher Theorieentwicklung und Modellbildung zu sehen. Es ist eine Regel für die Herstellung sozialwissenschaftlicher Theorien und Modelle, während die Rechtswissenschaft nach dem hier zugrunde liegenden Interdisziplina-

147 Allgemein Andreas Suchanek, Ökonomischer Ansatz und theoretische Integration, S. 12 et passim. 148 Trivialisierungstendenzen bei der juristischen Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorie konstatiert

auch Wolfgang Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaften im Verwaltungsrecht, S. 99. 149 Umfassend Andreas Suchanek, Ökonomischer Ansatz und theoretische Integration. 150 Karl Homann/Andreas Suchanek, Ökonomik, S. 394 f. bezeichnen solch ein Vorgehen als „Flickentep-

pich“.

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ritätsverständnis151 als anwendende Wissenschaft sozialwissenschaftliche Theorie und darauf aufbauende Modelle nicht selbst generiert, sondern vielmehr aus den dafür weitaus berufeneren Sozialwissenschaften rezipiert.152

Aber selbst wenn man dies anders sähe und die Rechtswissenschaft auch für die Entwicklung von Theorien und Modellen geeignet und zuständig hielte, spräche gegen den Zwang zur theore-tischen Übersetzung noch ein ganz anderer Gesichtspunkt, der die binnenjuristische Kommuni-kation betrifft. Die Übersetzung in die Sprache eines sozialwissenschaftlichen Paradigmas wäre für die Rechtswissenschaft mit erheblichen Kosten verbunden, weil der Zwang, sämtliche le-bensweltlichen Phänomene auf einen, etwa den rationaltheoretischen Leisten zu spannen, im eigenen Fach unnötige Missverständnisse und Auseinandersetzungen provozieren würde. So ist zwar beispielsweise die Übersetzung moralischer Dispositionen in terms of economics lediglich die Transformation in eine andere Modellsprache und nicht etwa die Behauptung, dass es in der Realität nur eigennützige Motive gebe. Aber wie soll es auf den Großteil der Rechtswissenschaft wirken, für die die Rationaltheorie eben nur eine von vielen sozialwissenschaftlichen Fremd-sprachen ist, wenn man Moral als eine Restriktion bezeichnet, die bei abweichendem Verhalten psychische Kosten verursacht und deshalb von rationalen Akteuren befolgt wird? Daran schließt sich noch ein weiteres Argument an. Wenn die Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorie der gemeinsamen wissenschaftlichen Diskussion und Nachprüfbarkeit dienen soll, dann sollte man bereitwillige Diskussionsteilnehmer durch die methodenstrenge Übersetzung in eine einzige Modellsprache nicht vorsätzlich ausgrenzen. Verständlichkeit und die prinzipiell mögliche Teil-nahme aller ist im juristischen Diskurs zu Recht ein hohes Gut.

Insgesamt entspricht es daher nicht nur einem gesunden Methodenrealismus, sondern auch den Funktionsbedingungen der Rechtswissenschaft, die Anforderungen an die Kombination ver-schiedener Einsichten nicht zu hoch zu stecken. Vielmehr muss es ausreichen, wenn die ver-schiedenen Gesichtspunkte im Rahmen der anwendungsbezogenen Entgrenzung zusammenge-stellt und gegeneinander abgewogen werden. Fraglos sind bei einer solchen Gesamtschau der relevanten Einsichten gewisse Verzerrungen nicht auszuschließen. So besteht etwa die Gefahr, dass man die Abweichungen, die man nachträglich zur Geltung bringt, aufgrund ihres exzeptio-nellen Charakters überbewertet. Allerdings ist auch das genaue Gegenteil denkbar, dass man nämlich die Phänomene, die bei der nachträglichen Entgrenzung in den Blick genommen wer-den, im Ergebnis vernachlässigt, weil man sie nicht gleichermaßen sauber fassen und benennen kann, wie dies im Ausgangsmodell möglich war. Doch trotz aller Probleme gilt auch hier, dass die Rechtswissenschaft nicht lediglich über relevante Gesichtspunkte theoretisieren kann, son-dern dass sie sich am Ende zu einem Urteil durchringen sollte. Dabei mag ihr einerseits die Einsicht helfen, dass mit der Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorie nicht volle Rationalität angestrebt werden kann, sondern dass das Ziel vernünftigerweise immer nur mehr Rationalität

151 Zu verschiedenen interdisziplinären Grundverständnissen Oliver Lepsius, JZ 60 (2005), S. 1 (insbes.

3 f.) 152 Deutlich weitergehend Christoph Engel, vgl. nur ders., Corporate Design for Regulability. A Principal-

Agent-Supervisor Model.

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sein kann.153 Und anderseits ist die Rechtswissenschaft bei der Entgrenzung auch nicht auf sich allein gestellt, sondern sie kann auch hier auf zahlreiche theoretische Arbeiten und empirische Befunde in den Verhaltenswissenschaften rekurrieren.

VI. Rechtsanwendung und Rechtswissenschaft

Unsere Überlegungen zum Umgang mit den Grenzen sozialwissenschaftlicher Theorie werfen schließlich auch noch einmal ein anderes Licht auf die alte Streitfrage, wer (neben der Rechtspo-litik) eigentlich Rezipient rechtsexterner Theorie sein kann: Nur die Rechtswissenschaft (2.) oder auch die praktische Rechtsanwendung (1.)?

1. Praktische Rechtsanwendung

Zunächst einmal scheidet der Rechtsanwender nicht bereits deshalb als Nachfrager sozialwissen-schaftlicher Theorie aus, weil es bei ihm an Gelegenheit fehlen würde, von realwissenschaftli-chen Einsichten Gebrauch zu machen.154 Erwähnt sei nur die Folgenabschätzung einer Norm, die Rekonstruktion ihrer Teleologie, die richterliche Rechtsfortbildung oder die Suche nach gleich geeigneten Maßnahmen im Rahmen des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots. Sie alle stehen ohne steuerungstheoretisches Wissen auf tönernen Füßen. Angesichts der zunehmenden Unmög-lichkeit konditionaler Programmierung der Rechtsanwender dürfte der Bedarf in Zukunft sogar noch weiter steigen.

Auf einem völlig anderen Blatt steht hingegen die Frage, ob aus diesem Bedarf an sozialwissen-schaftlichem Wissen auch folgt, dass der Rechtsanwender dieses selbst zu generieren hat. Neben normativen Bedenken wird dagegen seit langem eingewandt, dass der Rechtsanwender damit schlichtweg überfordert sei. Dieses Diktum mag man zwar insoweit relativieren, als Ausnahmen aufgrund besonderer personeller Ausstattung einzelner Rechtsanwender (etwa des Bundesverfas-sungsgerichts) oder aufgrund besonderer Spezialisierungsmöglichkeiten (etwa internationaler Rechtsanwaltskanzleien) durchaus möglich erscheinen. Hinsichtlich des Gros der Rechtsanwen-der haben die Kritiker mit ihrer Skepsis aber fraglos Recht. Zwei Gründe dafür liegen auf der Hand. Den meisten Rechtsanwendern mangelt es nicht nur an der Zeit, um sich auf eine voraus-setzungsvolle theoretische Auseinandersetzung einzulassen;155 ihnen fehlt regelmäßig auch die notwendige Vertrautheit mit den Angeboten der Nachbarwissenschaften.

Doch damit genug. Wenn die Thesen dieses Beitrags zutreffen, besteht ein weiteres und noch wesentlich größeres Problem in den beschriebenen methodischen Herausforderungen. Denn in vielen Fällen wäre es ja gar nicht damit getan, dass sich der Rechtsanwender einfach neugierig in 153 Vgl. Christoph Engel, Rechtswissenschaft als angewandte Sozialwissenschaft, S. 27 154 Systematisierend jüngst Wolfgang Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaftlich belebte Rechtsanwendung,

S. 515 (519 ff.). 155 Zur zeitlichen Restriktion rechtlicher Entscheidungen siehe nur Christoph Engel, Rechtswissenschaft als

angewandte Sozialwissenschaft, S. 24.

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das Reich der Nachbarwissenschaften begäbe. Wenn er auf seiner Suche fündig geworden und eine sachgerechte Theorieauswahl getroffen hätte, müsste er anschließend auch noch die Gren-zen der fraglichen Theorie reflektieren, bevor er sie überhaupt in seine Entscheidung einfließen lassen könnte. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass die Rezeption sozialwissenschaftli-cher Theorie für die meisten Bereiche der Rechtsanwendung von vornherein schlicht eine unrea-listische Forderung darstellt. Wie WOLFGANG HOFFMANN-RIEM einmal so trefflich formuliert hat: „Auch die Anwendung methodischer Regeln steht unter dem Vorbehalt, dass Sollen Können voraussetzt.“156

Aber selbst wenn man dies anders sähe, etwa weil man die von sozialwissenschaftlicher Bildung weitgehend freie Juristenausbildung für den Quell allen Übels hält, so bliebe gleichwohl fraglich, ob es überhaupt klug wäre, von den Rechtsanwendern eine vermehrte Rezeption realwissenschaft-licher Theorie einzufordern. Die Zweifel gründen in einem Phänomen, das man als Paradoxie rationalen Entscheidens bezeichnen kann.157 Was ist damit gemeint? Rechtsanwendung zielt be-kanntlich nicht zuerst auf das Erkennen unserer Welt, sondern auf das Entscheiden konkreter Rechtsfragen.158 Das Erkennen dient der Rechtsanwendung lediglich als Mittel zum Zweck. Dabei wird auf der einen Seite die Entscheidung an sich umso besser, je tiefer der Rechtsanwender ein Problem durchdringt. Auf der anderen Seite kommt der Erkenntnisprozess aber auch zu keinem natürlichen Ende, weil jede neue Einsicht ihrerseits immer wieder neue Fragen aufwirft. Das gilt in unserem Kontext ganz besonders. Wer anfängt, rechtsexterne Theorie nicht einfach nur zu „glau-ben“, sondern zugleich nach ihren Grenzen zu fragen, der muss zunächst einmal versuchen, die in den jeweiligen Annahmen ausgeblendeten Aspekte nachträglich ins rechte Licht zu setzen. Damit fangen die Fragen aber erst an. Denn hat der Rechtsanwender alle Grenzen bedacht? Und in wel-chem Verhältnis stehen Modellprognose und Relativierung? Vielleicht beschleichen den Rechts-anwender auch noch Zweifel an seiner Modellauswahl: Was würde sich wohl ändern, wenn man nicht das ökonomische Verhaltensmodell an den Anfang der Überlegungen gesetzt hätte, sondern sich der Frage mit Hilfe psychologischer Theorie genähert hätte? Wie sähe es aus, wenn man das Problem nicht aus der Perspektive des methodologischen Individualismus, sondern von einer holistischen Warte aus betrachtete? Je mehr sich der Rechtsanwender über die Grenzen der von ihm verwendeten Modelle bewusst wird, desto größer wird zugleich der gewusste Bereich des Ungewussten. Wenn sich aber mit jeder neuen Antwort nur immer neue Fragen auftun, dann droht die beabsichtigte Rationalisierung letztlich nicht die Entscheidung zu verbessern, sondern im Gegenteil in die Entscheidungsunfähigkeit zu führen.

Dass die Berücksichtigung unendlicher Alternativen das Entscheiden erschwert,159 hat die Rechtswissenschaft schon immer gewusst und deshalb zu Recht den Wert von Stoppregeln be-tont, die den Rechtsanwender von immer weiterem Hinterfragen abhalten.160 Die hier aufgestell- 156 Wolfgang Hoffmann-Riem, Methoden einer anwendungsorientierten Verwaltungsrechtswissenschaft,

S. 67. 157 Vgl. Klaus F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 608. 158 Werner Krawietz, Juristische Entscheidung und wissenschaftliche Erkenntnis. 159 Siehe auch Niklas Luhmann, AöR 94 (1969), S. 1 (19). 160 Wolfgang Hoffmann-Riem, Methoden einer anwendungsorientierten Verwaltungsrechtswissenschaft,

S. 63 ff.; ders., AöR 2005, S. 5 (48).; ders., Die Verwaltung 38 (2005), S. 145 ff.

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ten Regeln für einen theorienpluralistischen Zugriff auf die Nachbarwissenschaft und für eine anwendungsbezogene Entgrenzung einzelner sozialwissenschaftlicher Theorien fordern hinge-gen das genaue Gegenteil. Und das auf einem Felde, auf dem der Rechtsanwender ohnehin nicht zuhause ist, so dass ihm auch seine professionelle Erfahrung insoweit nicht weiter hilft. Beide Regeln verlangen Rundumsicht, obwohl die Praxis ohne eine gewisse Betriebsblindheit nicht funktionieren kann. So richtig die Forderungen nach einem methodenpluralistischen Zugang und nach anwendungsbezogener Entgrenzung sozialwissenschaftlicher Modelle rechtswissenschafts-theoretisch ist: Zumindest für das Gros der Rechtsanwendung sind sie nicht nur unrealistisch, sondern sie wären auch dysfunktional und damit aus Sicht einer funktionalen Methodologie noch nicht einmal ratsam.

2. Rechtswissenschaft

Ganz anders stellt sich die Situation bei der dogmatischen Rechtswissenschaft dar. Auch wenn die Jurisprudenz die Entscheidungen der Rechtsanwender vorbereiten will, und in diesem Sinne Entscheidungsvorbereitungswissenschaft ist,161 so steht sie doch nicht selbst unter vergleichba-rem Entscheidungsdruck. Vielmehr ist sie als Wissenschaft institutionell von Handlungszwang bewusst entlastet und aufgrund ihrer Möglichkeit zur Konzentration auf bestimmte Fragen zu weitergehender Reflexion in der Lage. Sie kann aus der Fülle der Rechtsfragen die für eine vertiefte sozialwissenschaftliche Analyse geeigneten Fälle auswählen und die jeweiligen Mo-dellgrenzen und deren Bedeutung für das Recht im wissenschaftlichen Gespräch gemeinsam reflektieren. Den Rechtsanwender wird die dogmatische Rechtswissenschaft dabei freilich nur dann erreichen, wenn sie die Bedürfnisse der Praxis nicht vollständig ignoriert. Und weil die Praxis selbst zur Rezeption regelmäßig nicht in der Lage ist, steht die Rechtswissenschaft hier als Mittler auch ganz besonders in der Pflicht. Sie gibt dem Rechtsanwender aber freilich eher Stei-ne statt Brot, wenn sie ihm das sozialwissenschaftliche Wissen lediglich unverdaut oder besten-falls vorsortiert weiterreicht, auf dass dieser sich aus dem Theoriebaukasten selbst nach Bedarf bediene. Sozialwissenschaftliche Theorie kann unter den Bedingungen der Rechtspraxis nur dann entscheidungserheblich werden, wenn die Jurisprudenz sich auch der anspruchsvollen Aufgabe unterzieht, ihre Lernerfahrungen aus den Nachbarwissenschaften hinreichend konden-siert weiterzugeben. Im Idealfall geht es also darum, das theoretische Wissen der Nachbarwis-senschaften in Dogmatik oder zumindest in Argumentationsbausteinen einzufangen und auf diese Weise für den Rechtsanwender zu erschließen.162 Natürlich braucht – wie in der arbeitstei-ligen Wissenschaft auch ansonsten üblich – nicht jeder Wissenschaftler alles auf einmal zu leis-ten; auch bei uns hat Grundlagenforschung selbstverständlich ihre Berechtigung, etwa wenn einzelne Wissenschaftler zunächst einmal das verhaltenstheoretische Arsenal der Nachbarwis-senschaften erschließen. Aber wenn sich am Schluss keiner findet, der das dabei erlangte, abs-

161 Daneben hat sie natürlich auch noch andere Funktionen. So besteht eine weitere wichtige Aufgabe etwa

in der Aufdeckung von Rechtsproblemen, die von der gegenwärtigen Rechtsordnung noch nicht erfasst und gelöst sind.

162 Dazu allgemein Stephan Tontrup, Ökonomik in der dogmatischen Jurisprudenz, S. 117 ff.

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trakte Wissen auch auf die konkreten Bedürfnisse der Rechtspraxis herunterbricht – und eine gewisse Tendenz dazu ist nicht von der Hand zu weisen – , wird das mit der Rezeption sozial-wissenschaftlicher Theorie anvisierte Ziel einer Verbesserung juristischer Entscheidung ver-schenkt. Dogmatisch nicht geerdete sozialwissenschaftliche Theorie ist für eine anwendungsbe-zogene Rechtswissenschaft auf Dauer ebenso unbefriedigend wie eine reflexionslose Praxis.163 Nichts anderes gilt im Grunde, soweit sich die Rechtswissenschaft als Gesetzgebungswissen-schaft versteht.164 Auch auf diesem Feld wird sie ihre Adressaten, in diesem Fall also Gesetzge-ber und Ministerialbürokratie, nur dann erreichen, wenn sie diese nicht lediglich mit einem gut sortierten Theoriebaukasten konfrontiert, sondern deren Entscheidungen durch das Angebot konkreter Entscheidungsvorschläge vorbereitet.165

VII. Von einer Rezeptionstheorie der Rechtswissenschaft

Während man mit Büchern über die klassische juristische Methodenlehre Bibliotheken füllen kann, und die Rechtstheorie immer wieder aufs Neue nach angemessenen Konzeptualisierungen unseres Tuns fragt, ist die Rechtswissenschaft trotz jahrzehntelanger Forderung nach und einiger Erfahrung mit interdisziplinärer Forschung noch immer erstaunlich arm an methodologischer Reflexion der Rezeption rechtsexterner Theorie.166 Zwar fehlt es, wie eingangs bereits erwähnt, nicht an rechtstheoretischer Literatur über Nutzen und Frommen sozialwissenschaftlicher Theo-rie für das Recht im Allgemeinen; sie bildet beinahe eine eigene Literaturgattung. Doch wenn es

163 Christoph Möllers, VerwArch 93 (2002), S. 22 (30); Andreas Voßkuhle, Methode und Pragmatik im

öffentlichen Recht, S. 175.; ders., Das Kompensationsprinzip, S. 86 ff. 164 Zu den Möglichkeiten und Grenzen rationaler Rechtspolitik Christoph Engel, JZ 2005, 581 ff. Zur

Umstellung der Perspektive der Methodenlehre von der Rechtsanwendung auf die Gesetzgebung Andre-as Voßkuhle, Methode und Pragmatik im öffentlichen Recht, S. 171 ff.

165 Von der dogmatischen Rechtswissenschaft unterscheidet sich diese Aufgabe freilich insoweit, als die Rechtswissenschaft dabei nicht allein gelassen ist, sondern sich das Feld rationaler Rechtspolitik mit anderen Wissenschaften teilt. Gerade das hat allerdings Folgen für den methodischen Anspruch. Wenn die Rechtswissenschaft insoweit in Konkurrenz zu den Nachbarwissenschaften tritt, dann liegt es nahe, an sie die gleichen methodischen Standards anzulegen wie an die Sozialwissenschaften. Das ist ebenso konsequent wie folgenreich. Denn das Ergebnis einer solchen Methodenangleichung könnte durchaus sein, dass die Rechtswissenschaft eine ganz ähnliche Entwicklung durchmacht, wie sie bei den Sozial-wissenschaften in der Vergangenheit zu beobachten war: sie werden im rechtspolitischen Diskurs immer schweigsamer. So hat sich etwa die Ökonomie ihre beachtlichen Erkenntnisse, die sie ihrer zunehmen-den Mathematisierung und Formalisierung zu verdanken hat, durch immer begrenztere Aussagen über die Wirklichkeit erkauft (eindringlich jüngst Ian Shapiro, The Flight from Reality in the Human Scien-ces). Das mangelnde Interesse der Praxis an den Erkenntnissen der US-amerikanischen, wesentlich so-zialwissenschaftlicher geprägten Rechtswissenschaft lässt diese Sorge nicht ganz unbegründet erschei-nen. Wer die Tätigkeit der Juristen in der wissenschaftlichen Rechtsberatung damit begründet, dass die anderen Wissenschaften immer zurückhaltender werden, muss sich bewusst sein, dass auch das eigene Fach dieses Schicksal ereilen dürfte, wenn es sich selbst zur Sozialwissenschaft entwickelt. In der Ver-gangenheit dürfte unser Einfluss in der Rechtspolitik neben unserer traditionellen Nähe zur Macht vor allem auf eine gewisse sozialwissenschaftliche Unschuld zurückzuführen gewesen sein. Man muss das keineswegs adeln. Aber wer der Rechtswissenschaft als Gesetzgebungswissenschaft eine sozialwissen-schaftlichere Richtung weisen möchte, muss sich fragen lassen, wie viel Szientismus sie verträgt. Denn auch hier sind wir zwischen Erkennen und Entscheiden gefangen. Im Unterschied zur Rechtsanwendung können wir uns aber eben nicht darauf zurückziehen, zum Entscheiden institutionell berufen zu sein. Die Rechtswissenschaft muss ihre Rolle hier wohl erst noch finden.

166 So auch Wolfgang Hoffmann-Riem, Methoden einer anwendungsorientierten Verwaltungsrechtswissen-schaft, S. 60.

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um den Rezeptionsvorgang als solchen geht, greift nicht selten Wahllosigkeit und Willkürlich-keit Platz.167 In den Nachbarwissenschaften geerntete Lesefrüchte werden theoretisch unzuberei-tet als juristisches Argument serviert. Inkompatible Versatzstücke aus ganz verschiedenen para-digmatischen Kontexten werden rhetorisch gewaltsam zusammengeleimt. Und die Grenzen der verwendeten Modelle werden nicht reflektiert, sondern kaschiert oder systematisch ignoriert. Eine solche Methodenvergessenheit genügt nicht nur keinem wissenschaftlichen Maßstab. Sie gefährdet auch den mit der Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorie erstrebten „Rationalitäts-schub“.168 Und sie wird schließlich auch dem Wesen der Jurisprudenz als einer Entscheidungs-vorbereitungswissenschaft nicht gerecht, weil der Rechtsanwender sich den Ergebnissen einer Wissenschaft, die derart theoretisch sorglos agiert, zu Recht nicht anvertrauen kann. Soll das Verlassen der eigenen Disziplin nicht zur Disziplinlosigkeit führen,169 kommt die Rechtswissen-schaft nicht um eine angemessene Reflexion ihres Zugriffs auf die Erkenntnisse und Methoden der Sozialwissenschaften herum.170 Woran es fehlt ist mit anderen Worten eine tragfähige Re-zeptionstheorie der Rechtswissenschaft.

Wie wir gesehen haben, kann die Aufgabe einer solchen Rezeptionstheorie nicht in der Erarbei-tung naiver Zugriffsschemata auf die Nachbarwissenschaften bestehen.171 Noch weniger soll sie die anmaßende Funktion einer Einlasskontrolle haben, die darüber wacht, welche sozialwissen-schaftliche Theorie ins Reich des Rechts vordringen darf und welche nicht. Als Türsteher172 macht die Rechtswissenschaft nicht nur eine komische Figur; es gibt auch keine positive Theo-rie, der sie den Einlass von vornherein verwehren müsste.173 Die Aufgabe einer Rezeptionstheo-rie besteht vielmehr zunächst darin, die unbestreitbaren theoretischen Verwerfungen zwischen den Rechts- und Sozialwissenschaften bewusst zu machen und diese im Hinblick auf das spezifi-sche Erkenntnisinteresse der Rechtswissenschaft zu reflektieren. Vor allem aber muss sie metho-dische Antworten auf das Problem finden, dass das Wissen der Nachbarwissenschaften kein fertiger Bestand ist, aus dem man nach Bedarf einfach Versatzstücke herausgreifen kann.174 Sozialwissenschaftliche Modelle sind schon von ihrem eigenen Anspruch her nicht auf eine unmittelbare Umsetzung in konkrete Gestaltungsempfehlungen angelegt. Weil sie auf einer 167 Kritisch auch Wolfram Höfling, Ökonomische Theorie der Staatsverschuldung in rechtswissenschaftli-

cher Perspektive, S. 85; Christian Bumke, Die Entwicklung der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Methodik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 124 f.

168 Jens-Peter Schneider, Die Verwaltung 34 (2001), S. 317 (343). 169 So auch die Sorge von Andreas Voßkuhle, Der Staat 40 (2001), S. 485 (504 f.). 170 In diese Richtung auch Eberhard Schmidt-Aßmann, S. 398; Andreas Voßkuhle, Methode und Pragmatik

im Öffentlichen Recht, S. 182 ff.; Christian Bumke, Die Entwicklung der verwaltungsrechtswissen-schaftlichen Methodik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 101; Klaus F. Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 24. Thomas Vesting spricht plastisch von „Verkehrsregeln“, vgl. dens., Nachbarwissenschaftlich informierte und reflektierte Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 253 (insbes. S. 280 f.). Ähnlich, allerdings vor allem normativ orientiert Oliver Lepsius, 2005, S. 1 (12): „Die Ver-wertung interdisziplinärer Erträge setzt eine innerjuristische, eine intradisziplinäre Klärung voraus.“

171 Oben V 1 b. 172 Das schöne Bild stammt von Stefan Magen. 173 Größere Vorsicht ist hingegen bei der Rezeption normativer Theorie angezeigt. Hier dürfte mit den

Worten Martin Morloks eine „von den eigenen Kriterien der Rechtswissenschaft gebotenen selektiven Rezeption“ geboten sein, vgl. dens., Vom Reiz und Nutzen, S. 25.

174 So auch Udo Di Fabio, Die Staatsrechtslehre und der Staat, S. 79: „Anregungen können und müssen aus anderen Disziplinen übernommen werden, aber Fertigwaren und terminologische Versatzstücke der Sozial-wissenschaften sollten nicht leichthängig übernommen werden.“

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ungeheuren Reduktion von Komplexität beruhen und einem spezifischen sozialwissenschaftli-chen Paradigma geschuldet sind, müssen sie vor der Umsetzung deshalb regelmäßig mit derjeni-gen Komplexität angereichert werden, die zuvor ausblendet worden ist.175

Diese Anreicherung mit Komplexität, die auch die Rechtswissenschaft im Rahmen der anwen-dungsbezogenen Entgrenzung leisten muss, setzt freilich voraus, dass sie sich zumindest in Grundzügen mit der Methodologie der Sozialwissenschaften vertraut macht. Nur so ist ihr ein Verständnis für die Architektonik sozialwissenschaftlicher Theorie, ihre verständige Würdigung und damit letztlich eine angemessene Berücksichtigung bei der Auslegung und Weiterentwick-lung des Rechts möglich. Eine weitere Aufgabe einer Rezeptionstheorie kann in der Anleitung des Auswahlprozesses bei der Suche nach geeigneter sozialwissenschaftlicher Theorie beste-hen.176 Schließlich mag sie auch der Ort sein, an dem die zentralen Angebote der Nachbarwis-senschaften systematisch erschlossen und zusammengeführt werden – etwa in der Form einer vergleichenden Sozialwissenschaft.177 Doch wie auch immer man die Aufgaben einer solchen Theorie schließlich absteckt: Bei aller Offenheit für die Methoden und Theorien der Nachbar-wissenschaften muss die Rezeptionstheorie stets die Eigengesetzlichkeiten der Rechtswissen-schaft im Blick behalten. Sie kann deshalb weder die methodologischen Standards der Sozial-wissenschaften unbesehen übernehmen, noch sich in einem bloßen Abziehbild sozialwissen-schaftlicher Interdisziplinaritätsdiskurse erschöpfen. Die Vorteile sozialwissenschaftlicher Theo-rie kommen nur dann zum Tragen, wenn einerseits das Potential der Nachbarwissenschaften genutzt, andererseits aber zugleich der spezifischen Aufgabe der Rechtswissenschaft methodisch Rechnung getragen wird.178 Interdisziplinarität ist mit anderen Worten dann besonders fruchtbar, wenn sich die eigene disziplinäre Identität dabei nicht auflöst. Wenn wir die Grenzen sozialwis-senschaftlicher Modelle ebenso reflektieren wie unseren eigenen Umgang mit ihnen, dann ver-spricht die Rezeption der verhaltenstheoretischen Angebote der Nachbarwissenschaften reichen Ertrag. Das gilt auch und gerade für den homo oeconomicus.

175 Vgl. nur Karl Homann/Andreas Suchanek, Ökonomik, S. 341. 176 Siehe oben V 1 a. 177 Zur Idee einer solchen vergleichenden Sozialwissenschaft vgl. bereits Richard M. Buxbaum, RabelsZ 60

(1996), S. 201 (216). 178 Eberhard Schmidt-Aßmann, Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 398: „Die Positionsbe-

stimmung hat sich auf Erkenntnisfortschritte in anderen Wissenschaften einzustellen, aber das Proprium der rechtswissenschaftlichen Fragestellungen herauszuarbeiten.“

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Preprints 2006

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Preprints 2005

126. Martin Hellwig, The Undesirability of Randomized Income Taxation under Decreasing Risk Aversion. 2005/27.

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123. Frank P. Maier-Rigaud / Peter Martinsson / Gianandrea Staffiero: Ostracism and the Provision of a Public Good. Experimental Evidence. 2005/24.

122. Martin Hellwig, A Contribution to the Theory of Optimal Utilitarian Income Taxation. 2005/23.

121. Stefan Magen, Fairness, Eigennutz und die Rolle des Rechts. Eine Analyse auf Grundlage der Verhaltensökonomik. 2005/22.

forthcoming in: Christoph Engel/Markus Englerth/Jörn Lüdemann/Indra Spiecker gen. Döhmann (Eds.), Recht und Verhalten, 2006

120. Christoph Engel, Verhaltenswissenschaftliche Analyse: eine Gebrauchsanweisung für Juristen. 2005/21.

forthcoming in: Christoph Engel/Markus Englerth/Jörn Lüdemann/Indra Spiecker gen. Döhmann (Eds.), Recht und Verhalten, 2006

119. Stefan Bechtold, Trusted Computing: rechtliche Probleme einer entstehenden Technologie. 2005/20.

published in: Computer und Recht, 2005, p. 393-404

118. Martin Hellwig: Market Discipline, Information Processing, and Corporate Governance. 2005/19.

117. Ingolf Schwarz / Jinhui H. Bai: Monetary Equilibria in a Cash-in-Advance Economy with Incomplete Financial Markets. 2005/18.

116. Felix Höffler: Why humans care about sunk costs while animals don’t. An evolutionary explanation. 2005/17.

115. Anne van Aaken: Making International Human Rights Protection More Effective: A Rational-Choice Approach to the Effectiveness of Ius Standi Provisions. 2005/16.

114. Christoph Engel: Corporate Design for Regulability. A Principal-Agent-Supervisor Model. 2005/15.

forthcoming in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 2006

113. Tilman Börgers / Peter Norman: A Note on Budget Balance under Interim Participation Constraints: The Case of Inde-pendent Types. 2005/14.

112. Indra Spiecker gen. Döhmann: Staatliche Informationsgewinnung im Mehrebenensystem – ein Überblick. 2005/13.

published in: Oebbecke, Janbernd (Hrsg.), Nicht-Normative Steuerung in dezentralen Systemen, S. 253-284

111. Dorothee Schmidt: Morality and Conflict. 2005/12.

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110. C. Christian von Weizsäcker: The Welfare Economics of Adaptive Preferences. 2005/11.

109. Indra Spiecker gen. Döhmann / Stephanie Kurzenhäuser: Das Juristische Darstellungsgebot: Zum Umgang mit Risikoin-formation am Beispiel der Datenerhebung im Bundesinfektionsschutzgesetz (BInfSchG). 2005/10.

108. Thomas Gaube, Second-Best Pollution Taxation and Environmental Quality. 2005/9.

published in: Frontiers of Economic Analysis & Policy 1, 2005, No. 1, Article 1. (http://www.bepress.com/bejeap).

107. Thomas Gaube, Altruism and charitable giving in a fully replicated economy. 2005/8.

106. Felix Höffler, Monopoly Prices versus Ramsey-Boiteux Prices: Are they "similar", and: Does it matter? 2005/7.

105. Hendrik Hakenes/Isabel Schnabel, Bank Size and Risk-Taking under Basel II. 2005/6.

104. Isabel Schnabel, The Role of Liquidity and Implicit Guarantees in the German Twin Crisis of 1931. 2005/5.

103. Christoph Engel, Rationale Rechtspolitik und ihre Grenzen. 2005/4.

published in: Juristenzeitung 60 (2005) 581-590.

102. Frank P. Maier-Rigaud, Switching Costs in Retroactive Rebates – What’s time got to do with it? 2005/3.

published in: European Competition Law Review (2005) – volume 26 – issue 5, p. 272-276.

101. Christoph Engel, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung. 2005/2.

forthcoming in: Josef Isensee / Paul Kirchhof: Handbuch des Staatsrechts IV

100. Felix Höffler, Cost and Benefits from Infrastructure Competition. Estimating Welfare Effects from Broadband Access Competition. 2005/1.