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Page 1: Wort 28 NOV 2008

Helle Begeisterung für Deutsch und Moselfränkisch

Kéiseker a KuddelfleckAmira Ouardalitou erforscht die luxemburgischen Sprachinseln in der Neuen Welt

Das „Luxembourg American Cultural Center“ in Belgium/Wisconsin wurde mit den Steinen einer 1872 vonluxemburgischen Auswandern errichteten Scheune erbaut. (FOTO: JEAN ENSCH)

„Jeder Student sollte eigenständig re-cherchieren ...“ (FOTO: ANOUK ANTONY)

VON ANDRÉ L INK

Unter Luxemburgisch-Spezialistenversteht man gewöhnlich in Ehrenergraute, von Weisheit und Erfah-rung triefende „Sproochmaates-sen“. Wenn sich bereits internatio-nale Hochschulen wie Trier oderSheffield mit unserer Sprache be-schäftigen, dann gibt es aber auchjunge Menschen, die sich dafür be-geistern. Eine Paradebeispiel istAmira Ouardalitou, die für ihre Di-plomarbeit an der Universität Biele-feld die luxemburgischen Sprachin-seln in den USA erforscht.

Amira Ouardalitou hat einen tune-sischen Vater und eine luxembur-gische Mutter. Die besten Voraus-setzungen, um sich für ein Roma-nistik-Studium zu entschließen?Falsch getippt, denn die in Echter-nach Aufgewachsene schwärmtebereits als Kind für das Englische.Dass sie sich dann doch für Ger-manistik entschied, lag an ihremDeutschlehrer Pol Even, der sie inihren Gymnasiumsjahren fürSchönheit und Reichtum der Spra-che Goethes zu begeistern wusste.Eins stand fest: Sie wollte unter-richten, da sie unbedingt ihr er-worbenes Wissen an andere wei-tergebeben will.

Wenn etwas die junge Dameauszeichnet, dann ist es ihr Taten-drang. Nicht in sechs, in fünf Se-mestern wollte sie ihren Bachelormachen. Und bereits im drittenSemester an der Uni Bielefeldsagte ihr Dozent Professor JanWirrer zu ihr: „Morgen gibst dueine Luxemburg-Vorlesung vor180 Studenten!“

Die obligate Springprozession

Seitdem referiert Amira regelmä-ßig vor staunenden Mitstudieren-den über das kleine Großherzog-tum und seine kuriose Sprache.Dass sie als Echternacherin auchdie Springprozession mit ein-bringt, muss wohl nicht eigensbetont werden. Die Frage, ob Lu-xemburgisch international als ei-genständige Sprache anerkanntist, kann sie vom sprachwissen-schaftlichen Standpunkt natürlichnicht bejahen. Interesse weckt dasmoselfränkische Idiom, das eszum Status einer Nationalsprachegebracht hat, jedoch allemal. Lu-xemburg, so Amira, sei vor allemwegen des Multikulturellen be-kannt. Ob zu Recht oder nicht - imeuropäischen Ozean überwiegen-der Monoglossie gilt unser Landirgendwie als Insel der Vielspra-chigkeit. Und auch die Leichtig-keit, mit der die meisten Luxem-burger von einer in die andereSprache wechseln, ruft Staunenhervor.

Nachdem Amira in Bielefelddas Seminar über deutscheSprachinseln in den VereinigtenStaaten belegt hatte, entschloss siesich, als Thema für ihre Diplomar-beit die luxemburgischsprachigenGemeinschaften in der NeuenWelt zu wählen.

Mit achtzehn Jahren war siezum ersten Mal in den States ge-wesen, jetzt, ohne sich völlig imKlaren zu sein, worauf siesich einließ, wagte sie erneut

den Sprung über den GroßenTeich.

Die Reise im August dieses Jah-res hat einen Monat gedauert.Zweck war, die Nachfahren lu-xemburgischstämmiger Emigran-ten aufsuchen, um herauszufin-den, ob und in welcher Form sienoch das Luxemburgische spre-chen. Flug und Mietauto hatte dieStudentin aus eigener Tasche be-zahlt, sie konnte auch auf denKorpus des „Institut grand-ducal“sowie des Ahnen- und Emigrati-onsforschers Jean Ensch zurück-greifen und die Veröffentlichun-gen des Auswanderers und Publi-zisten Nicolas Gonner, der auch inder neuen Heimat die Öslinger„Prärieblummen“ so schwärme-risch besang. Ansonsten lag in Sa-chen Forschung Neuland vor dertatenfreudigen Sprach-Pionierin.

Herzliche Aufnahme

Unterstützung bekam Amira vonder luxemburgischen Botschaft inden USA und Vereinigungen wieder „Luxembourg American Cul-tural Society“. Auch auch die Alt-luxemburger, die sie in Chicago,Morton Grove, Skokie (Illinois),Bellevue, City of Dubuque, St. Do-natus (Iowa), Belgium, Fredonia,La Crosse, Mineral Point Port Wa-shington, Ozaukee Countee undSheboyggan County (Wisconsin)aufsuchte, nahmen sie gastfreund-lich auf und standen ihr bereitwil-lig Rede und Antwort. Besondersherzliche Kontakte kamen bei dem„Lëtzebuerger Heritage Festival“zustande, bei dem auch die HerrenJean Ensch, Guy Thomas, Guy Do-ckendorf und Georges Calteux zu-gegen waren. Hier lernte AmiraOuardalitou Eigentümlichkeitenkennen, auf die sie als Halbtune-sierin wohl nicht vorbereitet war,so den allseits gerühmten, abernicht unbedingt jeden anspre-chenden „Kuddelfleck“.

Was haben nun die Gesprächeund Tonaufnahmen mit den in denvorgenannten Staaten ansässigen

Testpersonen ergeben? Nun, diesprechen, sofern sie nicht zu derjüngeren Generation gehören,wohl noch ihre alte Heimatspra-che, wenn auch in einer archai-schen Form. Anders als Abkömm-linge deutscher Einwanderer be-nennen sie die Ortschaften, in de-nen sie leben, mit der luxemburgi-schen, nicht der englischen Be-zeichnung. Vor allem sind ihnenlandwirtschaftliche Ausdrücke be-kannt, sobald es aber zum Beispielum Kommerzielles geht, wechselnsie lieber ins Englische über.

Das in der neuen Welt gespro-chene Luxemburgisch kennt kaumfranzösische Lehnwörter, dafür istdie Interferenz mit dem Engli-schen natürlich größer (im Fach-jargon: „Die Diglossie ist insta-bil.“) Wenn zum Beispiel ein Far-mer in Belgium oder St. Donatuseinem das Kompliment macht:„Du kucks schéin haut“, dann hater dies natürlich wörtlich aus demEnglischen übersetzt.

Ansonsten sagt das US-Luxem-burgisch schon etwas über die un-terschiedliche regionale Herkunftseiner Sprecher aus. Etwas ver-blüfft war die Sprachforscherin

nur, als die Probanden auf ihreBitte, den Satz „Is there a hedge-hog?“ keine Antwort geben konn-ten, denn ob Igel oder „Kéiseker“,dieses Tier war ihnen unbekannt.Im Zweiten Weltkrieg war denUS-Behörden das Luxemburgi-sche wegen seiner Nähe zumDeutschen verdächtig, weshalb esaußerhalb des Familienkreises nurnoch wenig gebraucht wurde.Heute hat auch die jüngere Gene-ration Gelegenheit, die Spracheihrer Vorfahren in Kursen zu ler-nen, so dass die Hoffnung besteht,dass dieser sprachliche Import alsKulturerbe nicht ganz verlorengeht. Ein Erbe, das allein schon die„Cultural Society“ in ihrem Doku-mentationszentrum in Belgiumwie einen kostbaren Schatz hütet.

Wechsel nach Freiburg

Die Forschungsergebnisse werdensich für Amira Ouardalita in einerDiplomarbeit und gegebenenfallsin Buchform niederschlagen. Am14. Januar hält sie ihre erste Vorle-sung über das amerikanische Lu-xemburgische an der BielefelderHochschule, und ab Februar wirdsie ihr Studium an einer anderenUniversität, Freiburg im Breisgau,mit einem anderen Professor, Pro-fessor Dr. Mark Louden, fort-setzen.

Wenn auch ihre zweite Hälfte,die tunesische Identität, in denletzten Jahren etwas in den Hin-tergrund gerückt ist, so ist Amiradoch hell begeistert von der For-schungsarbeit in den USA und denmenschlichen Kontakten, die da-mit verbunden waren. Dass siediese aufwändige Erhebung bzw.Auswertung auf sich genommenhat, bereut sie keinen Augenblick.„Forschen hat nichts mit dem Al-ter zu tun“, schlussfolgert die sym-pathische Studentin, und somöchte sie alle Studierenden er-mutigen, nicht in ihren Hörsälensitzen zu bleiben, sondern uner-schrocken vor Ort zu recher-chieren.

Etudier en Europe La Commission européenne alancé un portail internet intitulé«Study in Europe». Ce site four-nit de nombreuses informationssur l’ensemble des cours dispen-sés par les établissements d’en-seignement supérieur européens,sur les procédures d’admission,les coûts et les bourses d’étudesdisponibles. www.study-in-europe.org

Kontaktmesse auch für GehörloseVom 1. bis zum 3. Dezember ver-anstaltet die bonding-studenten-initiative e.V. zum nunmehr 21.Mal die bonding Firmenkontakt-messe in Aachen, in diesem Jahrerstmalig auf dem Bendplatz. Mitinsgesamt 255 Firmen ist sie diegrößte studentisch organisierteKontaktmesse dieser Art inDeutschland. Es werden 15 000Besucher erwartet. Als erste Fir-menkontaktmesse ist die bondingAachen auch für Gehörlose kon-zipiert worden. In dem Rahmenwerden z.B. Behindertenvertretervon Unternehmen auf der bon-ding Messe anwesend sein undDolmetscher für die Gebärden-sprache die gehörlosen Besucherunterstützen.www.firmenkontaktmesse.de

Master in Optics and PhotonicsDie Karlsruhe School of Opticsand Photonics (KSOP) am Insti-tut für Technologie (KIT) bautihren internationalen Master-studiengang aus. Mit zusätzlichenöffentlichen und privaten Mittelnerhöht die KSOP die Zahl derStudienplätze um 50 Prozent,verbessert die Ausstattung derLabors und stockt das Personalauf, das die Studierenden betreut.Die Private-Public-Förderung giltbesonders zwei internationalenMasterstudiengängen: Photonicsin Jena sowie Optics and Photo-nics in Karlsruhe. www.kit.edu

Uni und FH Trier kooperierenRund 15 Aktivitäten und Koope-rationen haben die Trierer Hoch-schulen in der Vergangenheitrealisiert. Das ergab die zweitegemeinsame Sitzung der Hoch-schulkuratorien von FH und UniTrier zu Beginn des Winter-semesters 2008/2009. Gemein-same Projekte sind u.a. die Reali-sierung eines E-Learning-Projektsfür beide Hochschulen; ein Pro-jekt zur Verkehrstechnik undVerkehrssicherheit, kombiniertmit psychologischen Gesichts-punkten sowie die Promotion für FH-Absolventen/innen, die inTrier oder an anderen Universi-täten möglich ist.

Gerhard-Fürst-Preis nach TrierDie Diplomarbeit von MartinVogt wurde am 20. Novembermit dem Gerhard-Fürst-Preis aus-gezeichnet. Das deutsche Statis-tische Bundesamt prämiert mitdem Gerhard-Fürst-Preis heraus-ragende Dissertationen und Diplomarbeiten mit engem Bezugzur amtlichen Statistik. In seiner Arbeit beschäftigte sich MartinVogt mit statistischen Methoden,die eine Disaggregation von In-formationen auf kleine Nach-weisgruppen ermöglichen sollen.Diese sogenannten Small Area-Verfahren sollen im deutschenZensus 2011 zum Einsatz kom-men. Die Diplomarbeit war imFach Mathematik eingereichtworden. Der Preis ist mit 2 500Euro dotiert.

Luxemburger WortFreitag, den 28. November 2008CAMPUS18