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Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung – REM steht für „rapid eye move-ment“ – wurde erstmals in den 1980er-Jahren beschrieben, später dann auch in Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankun-gen gebracht. Die Kriterien für eine REM-Schlaf-Verhaltensstö-rung sind nach der internationalen Klassifikation von Schlafstörungen („International Classifications of Sleep Disorders“; ICSD) definiert und erfordern zur eindeutigen Di-agnose einer REM-Schlaf-Verhal-tensstörung auch eine schlafpoly-grafische Ableitung.

Heftige Bewegungen im Schlaf mit VerletzungsgefahrWährend im normalen REM-Schlaf eine Muskelatonie vorliegt, der Körper also völlig unbeweglich den Trauminhalten folgt, geht diese Skelettmuskelatonie bei Pati-enten mit einer REM-Schlaf-Ver-haltensstörung verloren. Charak-teristischerweise lässt sich dies über die polysomnografische Ab-leitung an einem erhöhten Tonus der Kinnmuskulatur messen.Darüber hinaus sind jedoch auch heftige Bewegungen zu beobach-ten – meist sind die Extremitäten betroffen, manchmal aber auch der gesamte Körper. Dies kann Selbstverletzungen nach sich zie-hen oder im Rahmen von bedroh-lichen Alpträumen auch zu Verlet-zungen des Bettnachbarn führen. Meist unterbricht diese Muskelak-tivität zwar den Traumschlaf, und die Patienten wachen auf. Manch-mal bewegen sich die Betroffenen aber auch im Schlaf und sprechen, schreien oder lachen – und kön-nen sich am Morgen nicht daran erinnern.

Unterschiedliche Lokalisationen – mehrere Ätiologien?Die REM-Schlaf-Verhaltensstö-rung entspricht wahrscheinlich einer Dysfunktion im Hirnstamm und insbesondere im dorsolate-ralen pontinen Tegmentum, da der REM-Schlaf ohne Atonie in diesen Bereichen tierexperimen-tell erzeugt werden kann. Zahl-reiche tierexperimentelle Stu-dien haben jedoch auch unter-schiedliche Lokalisationen für die „REM behaviour disorder“ (RBD) festgestellt, eine eindeu-

tige Ätiologie kann derzeit nicht angegeben werden.

Assoziation mit Neurodegeneration ist nachgewiesenEin Zusammenhang mit der Neu-rodegeneration ist bereits seit den 1990er-Jahren bekannt. Die be-richteten Häufigkeiten klinisch di-agnostizierter REM-Schlaf-Verhal-tensstörungen schwanken zwi-schen 15 % bei Parkinsonpatienten [1] und 33 % bei einer polysomno-grafisch nachgewiesenen RBD bei einer unselektierten Population von Parkinsonpatienten [2]. Nur 50 % dieser Patienten wären allein durch die Anamnese entdeckt worden.Bei RBD-Patienten besteht nach-gewiesenermaßen eine reduzierte DaTSCAN-Bindung, die auf eine frühe oder beginnende Neurode-generation und damit auf eine Parkinsonerkrankung oder eine Multisystematrophie hindeutet. Auch eine Kombination mit ande-ren frühen Parkinsonzeichen wie Riechstörungen, Beeinträchtigun-gen der Kognition und anderen Schlafstörungen sind bekannt. So entwickelten innerhalb eines Be-obachtungszeitraums von 12 Jah-ren 50 % der Patienten aus einer Gruppe von idiopathischen RBD-Patienten eine Neurodegeneration [3].

Assoziation mit dem Alter und der ErkrankungsdauerIn unserer Population mit über 450 Parkinsonpatienten beträgt die Häufigkeit einer RBD nach ei-ner polysomnografischen Unter-suchung 46 %. Nicht alle dieser Pa-tienten bewegen sich heftig und teilweise auch verletzend, alle je-doch haben auch Schlafstörungen. Manchmal sind nur kleine inter-mittierende Bewegungen oder Vo-kalisationen zu beobachten. Da die Variabilität von Nacht zu Nacht sehr groß ist, scheinen Patienten mit einer schweren RBD-Schlaf-störung diese nicht jede Nacht in gleicher Ausprägung zu zeigen.Anders als in anderen Populatio-nen ergab sich allerdings in dieser größten Gruppe von Parkinsonpa-tienten, die jemals bezüglich ei-ner RBD-Schlafstörung polysom-nografisch untersucht wurde, keine Geschlechtspräferenz [4].

Jedoch bestand eine deutliche As-soziation• zum Alter,• zur Dauer der Erkrankung,• zu häufigeren Stürzen und • zu einer höheren psychiatri-

schen Komorbidität.

Im Schlaf waren Patienten mit RBD unruhiger und zeigten mehr perio-dische Beinbewegungen.

Therapie der RBD-Schlafstörung – dürftige StudienlageTherapiestudien zur RBD-Schlaf-störung liegen leider nicht vor. Wenige Fallberichte und offene Studien belegen eine Besserung ei-ner idiopathischen RBD unter ei-ner Therapie mit Clonazepam in einer Dosierung von 0,5–1,0 mg, möglicherweise auch unter Mela-tonin.Therapiestudien für Patienten, die bereits eine Neurodegeneration aufweisen, gibt es bisher nicht. Eine Veränderung der dopaminer-gen Dosis scheint keinen relevan-ten Einfluss auf das Auftreten der RBD-Schlafstörung zu haben, möglicherweise ändert sich je-doch die Ausprägung und Schwere der Schlafstörung im Rahmen der Erkrankung.

Prof. Dr. Claudia Trenkwalder und Dr. Friederike Sixel-Döring, Zentrum für Parkinson und Bewegungsstörungen, Paracelsus-Elena-Klinik, Kassel

Literatur1 American Sleep Disorders Associa-

tion: International classification of sleep disorders, 2nd revision: diag-nostic and coding manual. Roches-ter: American Sleep Disorders Asso-ciation, 2005

2 Comella CL, Nardine TM, Diederich NJ et al. Sleep related violence, inju-ry, and REM sleep behaviour disor-der in Parkinson’ disease. Neurology 1998; 51: 526–529

3 Gagnon JF, Bedard MA, Fantini ML et al. REM sleep behaviour disor-der and REM sleep without atonia in Parkinson’s disease. Neurology 2002; 59: 585–589

4 Postuma RB, Gagnon, JF, Vendette M, Montplaisir JY. Markers of neuro-degeneration in idiopathic rapid eye movement sleep behaviour disorder and Parkinson’s disease. Brain 2009; 132: 3298–3307

5 Sixel-Döring F, Trautmann E, Mollen-hauer B, Trenkwalder C. Associated factors for REM sleep behavior disor-der in Parkinson disease. Neurology 2011; 77: 1048–1054

Die „REM behaviour disorder“ (RBD) – die REM-Schlaf-Verhaltensstörung – ist ein häufiges und klinisch relevantes nächtliches Symptom aller Stadien einer Parkinsonerkrankung. Mit steigen-dem Alter und steigender Erkrankungsdauer tritt es häufiger auf und kann sowohl für die Patienten selbst als auch für ihre Bettpart-ner oder Betreuer nachts ausgeprägt stö-rend sein. Darüber hinaus ist eine solche Schlafverhaltensstörung aber auch ein Prädiktor für eine sich entwickelnde

neurodegenerative Erkrankung, wahrscheinlich am ehesten aus dem Bereich der Alphasynukleinopathien. Unklar ist bis-her jedoch noch, inwieweit pharmakologische Veränderungen im frühen Parkinsonstadium hier einen Einfluss zeigen, konstatieren Prof. Claudia Trenkwalder und Dr. Friederike Sixel-Döring, Kassel.

Freitag, 28. September 2012

Schlafstörungen bei neurologischen Erkrankungen 14:30–17:30 Uhr, Saal A (1. OG) (14:35–14:55: REM-Schlaf-Verhal-tensstörungen beim idiopathischen Parkinsonsyndrom)

C. Trenkwalder

REM-Schlaf-Verhaltensstörungen beim idiopathischen ParkinsonsyndromPrädiktor und klinisch relevantes Syndrom

REM-Schlaf-Verhaltensstörungen beim idiopathischen ParkinsonsyndromPrädiktor und klinisch relevantes Syndrom

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