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Luxemburger Wort Donnerstag, den 3. Juni 2010 Luxemburger Wort Donnerstag, den 3. Juni 2010 LUXEMBOURG FINANCIAL FORUM LUXEMBOURG FINANCIAL FORUM 80 81 It’s not about doing different things … ... it’s about doing things differently © 2010 KPMG S.à r.l., a Luxembourg private limited company, is a subsidiary of KPMG Europe LLP and a member of the KPMG network of independent member firms affiliated with KPMG International Cooperative (“KPMG International”), a Swiss entity. All rights reserved. KPMG and the KPMG logo are registered trademarks of KPMG International. Printed in Luxembourg. Alle Branchen der Wirtschaft betroffen / Nachhaltigkeit Thema des Luxembourg Financial Forum Wer nachhaltig sät, wird langfristig ernten Was als Nische begann, rettet heute viele Unternehmen, die sich als krisenresistenter erweisen BP-Ölpest: Tausende von Tieren gefährdet. (FOTO: AP) Zipingpu-Staudamm in China: massive Eingriffe in die Natur. (FOTO: REUTERS) Monsanto-Mais: Test kit. (FOTO: AFP) Dexia BIL: Grün läuft. (FOTO: Y. WELTER) Solaranlage groß wie 210 Fußballfelder in Deutschland. (FOTO: AFP) Etika-Koordinator Jean-Sébastian Zippert: starkes Wachstum. (FOTO: M. WILWERT) VON CORDELIA CHATON Kaum ein Finanzinstitut kommt heute noch ohne nachhaltige Pro- dukte aus. Zwar machen sie nicht den Löwenanteil aus, aber werden von der Avantgarde der Käufer zu- nehmend verlangt. Diese Produkte erweisen sich als krisensicherer. Mit Theorien heftigen Wachstums sind sie jedoch nur bedingt vereinbar. Für die globale Nachhaltigkeit sind alle Unternehmen gefordert. Die Dexia BIL bietet privaten und öffentlichen Kunden Vorteile bei der Finanzierung energieorientier- ter Projekte. Das reicht vom güns- tigen Kredit für ein Passiv- oder Niedrigenergiehaus bis hin zu Großprojekten wie Biogas oder Windenergie, die die Luxemburger Bank gemeinsam mit der Europäi- schen Investitionsbank finanziert. Natürlich gibt es auch grüne Fonds. Damit kann auch die Deka punkten. Neben dem Dachfonds Deka Select und einem Umwelt- investmentfonds gibt es bei der deutschen Banktochter auch ein Angebot für institutionelle Investo- ren mit ethischen Auflagen wie ge- meinnützige oder kirchliche Ein- richtungen. Etika schließlich interessiert im- mer mehr Kunden für seine ethisch einwandfreien Produkte, die der 1996 gegründete Verein gemeinsam mit der Banque et Caisse d'Epargne de l'Etat anbietet. Sie reichen vom alternativen Sparkonto bis hin zum zinsvergünstigten Kredit für Reno- vierungen. Von 2008 bis 2009 stieg die Zahl der alternativen Sparkon- ten um 18 Prozent an und hat seit- her nochmals zugelegt auf nunmehr 765 Konten. Die Einlagesumme schnellte um 28 Prozent in die Höhe auf über 32 Millionen Euro. Keine Frage: Die Krise fördert Nachhaltigkeit. Je mehr die Ölvor- räte sinken, je mehr Gletscher schmelzen, je mehr Staaten vor dem Ruin stehen, desto klarer wird den Individuen: So kann es nicht weitergehen. Alternative Produkte haben Hochkonjunktur; Nachhal- tigkeit ist längst aus der grünen Ecke heraus. „Heute kommt kein Geldinstitut mehr an solchen Produkten vor- bei“, bestätigt Stefan Poss, bei der Deka Luxemburg zuständig für in- terne Kommunikation und Medien. Ob die DZ Bank, die Banque de Luxembourg oder die Raiffeisen: Alle haben im Portfolio mehr oder weniger nachhaltige Produkte. Häufig wenden sie dabei internatio- nale Standards an. Denn längst hat die Weltbank sogenannte Äquator-Prinzipien festgelegt. Das freiwillige Regel- werk bezieht sich auf Umwelt- und Sozialstandards bei der Projekt- finanzierung ab einem Volumen von zehn Millionen US-Dollar. Der Name symbolisiert den globalen Anspruch. Nach solchen Prinzipien arbeiten viele Banken; auch in Lu- xemburg. Produkte dieser Art kön- nen sich beispielsweise auf Trink- wasserversorgung in der dritten Welt, Klimaschutz oder Umwelt- technik beziehen. Hinzu kommen beim ethischen Finanzwesen noch soziale oder immaterielle Faktoren wie Verantwortung für Mitarbeiter, Markenmanagement oder Werte. Andreas Neugebauer, Vorsitzen- der der DZ Bank International-Ge- schäftsleitung, betont beispielswei- se: „Nachhaltigkeit in der Kunden- betreuung gehört als genossen- schaftliche Bank ebenso zu unse- rem Anspruch wie in unseren Dienstleistungs- und Produktport- folio. Auch Themen wie Mikro- finanzfonds und andere nachhaltige Investments gehören selbstver- ständlich zu unserem Erfahrungs- schatz.“ Wer will, kann sich sogar im Rahmen des Unesco-Projekts „Nachhaltigkeit lernen“ als Eco-Be- rater zertifizieren lassen. Zora Back von Finadvice hat das aus Überzeugung getan. „Während die klassischen Bankanlagen durch die Krise massiv verloren haben, verzeichnen ethische Investments einen Zuwachs von 20 Prozent“, beobachtet die Fachfrau. Bei ihren Kunden kommt das zunehmend an. Nachhaltigkeit ist ein Gummi- Begriff, der sich im Zeitgeist gut macht. Wie in er ist, zeigt nicht nur das diesjährige Financial Forum. Es gibt in Luxemburg auch eine Vielzahl von Veranstaltungen dazu. So sprach Ende Mai Thierry López, Direktor und Bereichsleiter für Ri- sikomanagement bei Pricewater- houseCoopers (PwC), über die „Rolle des Finanzwesens beim Auf- bau einer nachhaltigeren Welt“. Seine Zuhörer waren Mitglieder des Institut pour le Mouvement Sociétal au Luxembourg (IMS Lu- xembourg), das Unternehmen ganz unterschiedlicher Branchen eine Austauschplattform bietet. Auch die diesjährige deutsch-lu- xemburgische Wirtschaftskonfe- renz Mitte Mai fand unter dem Titel „Wachstum mit begrenzten Ressourcen statt“. Im Rahmen die- ses Forums forderte der saarlän- dische Wirtschaftsminister Chris- toph Hartmann „Wohlstand mit qualitativem Wachstum“. Noch besetzen Ethikbanken und nachhaltige Produkte eine Nische. Ihre Bilanzsumme ist gering. Zora Back schätzt, dass von „rund 5 000 Fonds etwa 350 nachhaltig korrekt sind“. Doch immer mehr Anleger und institutionelle Kunden achten auf solche Produkte. Vorteile haben natürlich jene, die sich einen Na- men gemacht haben, als der Ansatz noch belächelt wurde. Zu den Stars am Öko-Finanzhim- mel zählt die niederländische Trio- dos, die als Europas führende Nach- haltigkeitsbank gilt. Im vergange- nen Jahr legte das Portfolio um dreißig Prozent zu; in diesem Jahr sollen es vierzig Prozent werden. Längst sucht sich Triodos interna- tional Verbündete. Im März 2010 fand die zweite „Global Alliance for Banking on Values“ (GABV) in Bangladesh statt, an der elf füh- rende Nachhaltigkeitsbanken teil- nahmen. „Wir glauben, dass das nachhaltige Bankwesen – das auf sich auf die Kunden und die Um- welt fokussiert – bis 2020 eine Mil- liarde Menschen erreichen wird, wenn einige internationale Schlüs- selziele zusammenfließen“, sagt sich Triodos-Chef und GABV-Mit- begründer Peter Blom. Positiv-Liste für Anlageentscheidungen Auch bei der Bochumer GLS Bank, ebenfalls GABV-Mitglied, freut sich der Vorstand Thomas Jorberg über 33 Prozent Wachstum. Die will er noch – Krise sei Dank – in diesem Jahr toppen. Nachhaltigkeit ist ein Erfolgsrezept. „Immer mehr Kun- den wollen ihre ökonomischen, so- zialen und ökologischen Bedürf- nisse in Einklang bringen“, ist Jo- berg sicher. „Geld sinnvoll und si- cher anzulegen ist für viele das wichtigste Kriterium.“ Niemand will Kinderarbeit Vor- schub leisten, keiner hält gern Ak- tien eines Petroleumkonzerns, der eine gigantische Ölpest auslöst, oder gar Lungenkrebsverursacher finanzieren. Aber wer kontrolliert das? Neben Produktvergleichen hat die zeitgeistige Nachhaltigkeit auch ihren Weg in die Pensionsfonds gefunden. Einer der größten welt- weit und der größte in Europa ist der Norwegische Pensionsfonds, in den erhebliche Mittel aus der Erd- ölförderung des skandinavischen Landes fließen. Mit über 443 Mil- liarden Dollar hat er Marktmacht. Der von der norwegischen Zentral- bank und dem Finanzministerium gemanagte Fonds zog sich am 19. Januar diesen Jahres aus 17 Tabak- Unternehmen zurück. Die über zwei Milliarden zurückgezogene Dollar stellen das größte Des- investment aufgrund ethischer Überlegungen an, das es bislang gab. Auch den Chef des Metro-Kon- zerns bat der Pensionsfonds un- längst zum Gespräch über Kinder- arbeit und soziale Aspekte. Die DZ Bank International geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie formuliert für ihren Öko-Aktien- fonds nicht nur eine Negativliste mit Ausschlusskriterien wie Rüs- tung/Waffen, Kernenergie, Tabak, Alkohol, Gentechnologie in der Landwirtschaft, Kinderarbeit, Glücksspiel, Pornographie, Prosti- tution und Tierversuchen. Zusätz- lich gibt es eine Positiv-Liste für Anlageentscheidungen. „Hier sind Entwicklung, Herstellung, Vertrieb oder Verwertung umweltschonen- der Produkte oder die Umstellung von umweltschädlichen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen auf um- weltverträgliche Alternativen, För- derung naturnaher Verfahren im Gesundheits- und Ernährungs- wesen, umweltfreundliche Energie- gewinnung, Technologien zur Ver- ringerung und Beseitigung von Schadstoffbelastungen in der Um- welt, Führende Stellung unter öko- logischen und/oder ethischen Ge- sichtspunkten in ihrer Branche und soziale Positivkriterien zu nennen“, erklärt Neugebauer. Die Formel „Nur wer nachhaltig sät, wird lang- fristig ernten“ wird mit einem Mal sehr konkret. Ohne Änderungen drohen Mangel und soziale Spannungen Zu Recht: Laut einer Studie von AT Kearney legten nachhaltige Kon- zerne in der Krise von Sommer 2008 bis Juli 2009 sieben Prozent- punkte zu, während andere börsen- notierte Unternehmen bis zu Hälfte ihres Wertes einbüßten. Längst betrifft Nachhaltigkeit nicht nur den Finanzsektor, sondern alle Bereiche des Lebens. Kein Dis- counter, der heute keine Bio-Pro- dukte führt. Keine Modekette – von H&M über Otto bis C&A – die heute nicht Ökobaumwolle im Sor- timent hätte. Automobilhersteller fahren mit alternativen Antrieben besser, selbst Teppichhersteller wie Interface reduzieren Kosten und legen an Wert zu. Die Nachhaltigkeit wird bislang jedoch häufig durch eine euro- päische Wohlstandsbrille gesehen. Dann hat sie eine persönliche Di- mension von Umstellung und Ge- wohnheitsveränderung, eine kol- lektive Dimension durch neue Re- geln oder Produkte und eine öko- nomische Dimension, die beim norwegischen Pensionsfonds und bestimmten Steuern schon ank- lingt. Unklar ist allerdings, wie solche Ideen in stark wachsende Schwel- lenländer zu transportieren sind, wo Nachhaltigkeit oft als Verzicht verstanden wird – auf gerade jenen Reichtum, über den die Industrie- länder schon lange verfügen. Bleiben dann tatsächlich nur Zwi- schenlösungen? Wie gut ist ein Gen- produkt, wie es die EU gerade zuge- lassen hat, wenn die Landwirtschaft dabei total abhängig wird? Wie sinnvoll sind Palmöl-Plantagen, wenn die Artenvielfalt leidet? Kön- nen wir von Brasilien den Schutz des Regenwaldes ohne Gegenleis- tung erwarten? Wie verständlich können Umweltschutz-Ziele sein, wenn es für viele Menschen nur ums Überleben geht? Wie groß ist die Einsicht, dass wir nur einen Planeten haben, bei uns selbst? Diese Fragen, die weit über die Finanzwelt hinausgehen, konnten bislang politisch noch nicht zufrie- denstellend gelöst werden, wie in Heiligendamm klar wurde. Aber es gibt Hoffnung. Der „World Business Council for Sustai- nable Development, dem 29 Unter- nehmen angehören, hat sich gefragt, wie neun Milliarden Menschen friedlich mit den vorhandenen Res- sourcen leben können. In einer 2010 veröffentlichten Studie namens ,Vision 2050‘ unter- suchten diese Unternehmen unter der Leitung von Alcoa, Pricewater- houseCoopers, Storebrand and Syn- genta notwendige Anpassungen. „Die Veränderungen im Hinblick auf Führung, Verhalten und Wirt- schaftsstruktur aller Marktteilneh- mer sind fundamental“, sagt PwC- Direktor Thierry López. 2050 wird das Gros der Welt- bevölkerung in den Schwellenlän- dern leben. Ohne Änderungen drohen Man- gel und soziale Spannungen. Nach- haltigkeit wird überlebensnotwen- dig. Und das Finanzwesen hat darin seinen Platz. „Nachhaltiges Finanzwesen kann die unerwünschten Ineffizienzen der Märkte vermeiden und Innova- tion im Finanzbereich vorantrei- ben“, erklärt López. „Dadurch er- möglicht es den Finanzmärkten, auf die Bedürfnisse der Weltwirtschaft zu reagieren, ohne jene zukünftiger Generationen einzuschränken.“ „Kein Weg vorbei am Thema Nachhaltigkeit“ Erneuerbare Energien sind ein erfolgversprechendes Investmentthema Nachhaltigkeit kann in so gut wie allen Branchen zu einem wichtigen Aspekt werden. Schon sehr beacht- lich ist die Verbreitung im Energie- bereich. Ob Solarenergie, Wind- oder Wasserkraft – sie avancieren zu großen Konkurrenten der tradi- tionellen Energien aus Kohle, Öl, Gas oder Kernkraft. Nach Einschätzung von Swiss- canto bleiben erneuerbare Ener- gien ein interessantes und erfolg- versprechendes Investmentthema. In der Solarenergiebranche sind jene Unternehmen sehr gefragt, die einen Beitrag zur Kostensenkung in der Produktion von Solaranlagen leisten können und damit die Solar- energie insgesamt noch konkur- renzfähiger machen. Asiatische, insbesondere chinesische Unter- nehmen zählen aufgrund ihrer günstigeren Kostenstrukturen da- bei zu den Favoriten. Höhere Wachstumsraten als bisher werden vom Segment Windkraft erwartet. Hier besteht im Vergleich zur So- larenergie ein immenser Nachhol- bedarf, von dem Anleger profitie- ren können. Wichtige Verbesserungen im Be- reich Energie-Verbrauch lassen sich mit intelligenten Stromnetzen, den Smart Grids, erzielen. Die neuen Systeme sind stets infor- miert über den Strombedarf eines jeden Abnehmers im Netz – von Kühlschränken in Privathaushalten bis zu Großverbrauchern in der Industrie. Das Stromnetzwerk wird so zu einem Informationsnetzwerk und soll zu einer Senkung des indi- viduellen Stromverbrauchs führen. Denn neben Erzeugung von Ener- gie ist Energieeffizienz ein wichti- ger Baustein der Nachhaltigkeit und ein attraktives Investmentthema. Das gilt auch für die Elektrifizierung des Automobils, auch E-Mobilität genannt. Bei entsprechenden Fort- schritten der Stromverteilungs- netze und einer gesteigerten Leis- tungsfähigkeit der Akkus von Elek- tro-Autos wächst hier ein Markt mit riesigem Potenzial. „Auch das Abfallmanagement ist ein Geschäftszweig, der zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beiträgt. So gibt es Firmen, welche die Mög- lichkeiten des Recycling immer bes- ser ausschöpfen. Und dort, wo dies nicht möglich ist, sind modernste Technologien für die Verbrennung oder die Umwandlung von Abfäl- len, etwa in Biogas, gefragt. Die genannten Beispiele zeigen die große Themenvielfalt im Bereich Nachhaltigkeit und die immense Bandbreite an Investitionsmöglich- keiten. Anleger sollten die Chance ergreifen und durch die Wahl einer nachhaltigen Geldanlage Verant- wortung für die eigene Zukunft und die der kommenden Generationen ergreifen“, so Bernhard Engl, Nach- haltigkeitsexperte und Mitglied der Direktion von Swisscanto. Es ist der unaufhaltsam wachsen- den Popularität der Nachhaltigkeit auf vielen verschiedenen Ebenen zu verdanken, dass sich auch der Fi- nanzsektor immer intensiver damit befasst. Und die Ergebnisse unter- streichen regelmäßig das große In- teresse von Anlegern. 72 Prozent von mehr als 1.000 befragten Privat- kunden sehen das Thema Klima- schutz als sehr wichtig an, wie das Sustainable Business Institute er- mittelte. (fundresearch)

Wer nachhaltig sät, wird langfristig ernten - etika.lu fileEtika schließlich interessiert im-mer mehr Kunden für seine ethisch einwandfreien Produkte, die der 1996 gegründete Verein

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Luxemburger WortDonnerstag, den 3. Juni 2010

Luxemburger WortDonnerstag, den 3. Juni 2010LUXEMBOURG FINANCIAL FORUM LUXEMBOURG FINANCIAL FORUM80 81

It’s not about doing different things …

... it’s about doing things differently

© 2010 KPMG S.à r.l., a Luxembourg private limited company, is a subsidiary of KPMG Europe LLP and a member of the KPMG network of independentmember firms affiliated with KPMG International Cooperative (“KPMG International”), a Swiss entity. All rights reserved. KPMG and the KPMG logo areregistered trademarks of KPMG International. Printed in Luxembourg.

Alle Branchen der Wirtschaft betroffen / Nachhaltigkeit Thema des Luxembourg Financial Forum

Wer nachhaltig sät, wird langfristig erntenWas als Nische begann, rettet heute viele Unternehmen, die sich als krisenresistenter erweisen

BP-Ölpest: Tausende von Tieren gefährdet. (FOTO: AP) Zipingpu-Staudamm in China: massive Eingriffe in die Natur. (FOTO: REUTERS) Monsanto-Mais: Test kit. (FOTO: AFP)

Dexia BIL: Grün läuft. (FOTO: Y. WELTER)Solaranlage groß wie 210 Fußballfelder in Deutschland. (FOTO: AFP) Etika-Koordinator Jean-Sébastian Zippert: starkes Wachstum. (FOTO: M. WILWERT)

V O N C O R D E L I A C H A T O N

Kaum ein Finanzinstitut kommtheute noch ohne nachhaltige Pro-dukte aus. Zwar machen sie nichtden Löwenanteil aus, aber werdenvon der Avantgarde der Käufer zu-nehmend verlangt. Diese Produkteerweisen sich als krisensicherer. MitTheorien heftigen Wachstums sindsie jedoch nur bedingt vereinbar.Für die globale Nachhaltigkeit sindalle Unternehmen gefordert.

Die Dexia BIL bietet privaten undöffentlichen Kunden Vorteile beider Finanzierung energieorientier-ter Projekte. Das reicht vom güns-tigen Kredit für ein Passiv- oderNiedrigenergiehaus bis hin zuGroßprojekten wie Biogas oderWindenergie, die die LuxemburgerBank gemeinsam mit der Europäi-schen Investitionsbank finanziert.

Natürlich gibt es auch grüneFonds. Damit kann auch die Dekapunkten. Neben dem DachfondsDeka Select und einem Umwelt-investmentfonds gibt es bei derdeutschen Banktochter auch einAngebot für institutionelle Investo-ren mit ethischen Auflagen wie ge-meinnützige oder kirchliche Ein-richtungen.

Etika schließlich interessiert im-mer mehr Kunden für seine ethischeinwandfreien Produkte, die der1996 gegründete Verein gemeinsammit der Banque et Caisse d'Epargnede l'Etat anbietet. Sie reichen vomalternativen Sparkonto bis hin zumzinsvergünstigten Kredit für Reno-vierungen. Von 2008 bis 2009 stiegdie Zahl der alternativen Sparkon-ten um 18 Prozent an und hat seit-her nochmals zugelegt auf nunmehr765 Konten. Die Einlagesummeschnellte um 28 Prozent in dieHöhe auf über 32 Millionen Euro.

Keine Frage: Die Krise fördertNachhaltigkeit. Je mehr die Ölvor-räte sinken, je mehr Gletscherschmelzen, je mehr Staaten vordem Ruin stehen, desto klarer wirdden Individuen: So kann es nichtweitergehen. Alternative Produktehaben Hochkonjunktur; Nachhal-tigkeit ist längst aus der grünenEcke heraus.

„Heute kommt kein Geldinstitutmehr an solchen Produkten vor-bei“, bestätigt Stefan Poss, bei derDeka Luxemburg zuständig für in-terne Kommunikation und Medien.

Ob die DZ Bank, die Banque de

Luxembourg oder die Raiffeisen:Alle haben im Portfolio mehr oderweniger nachhaltige Produkte.Häufig wenden sie dabei internatio-nale Standards an.

Denn längst hat die Weltbanksogenannte Äquator-Prinzipienfestgelegt. Das freiwillige Regel-werk bezieht sich auf Umwelt- undSozialstandards bei der Projekt-finanzierung ab einem Volumenvon zehn Millionen US-Dollar. DerName symbolisiert den globalenAnspruch. Nach solchen Prinzipienarbeiten viele Banken; auch in Lu-xemburg. Produkte dieser Art kön-nen sich beispielsweise auf Trink-wasserversorgung in der drittenWelt, Klimaschutz oder Umwelt-technik beziehen. Hinzu kommenbeim ethischen Finanzwesen nochsoziale oder immaterielle Faktorenwie Verantwortung für Mitarbeiter,Markenmanagement oder Werte.

Andreas Neugebauer, Vorsitzen-der der DZ Bank International-Ge-schäftsleitung, betont beispielswei-se: „Nachhaltigkeit in der Kunden-betreuung gehört als genossen-schaftliche Bank ebenso zu unse-rem Anspruch wie in unserenDienstleistungs- und Produktport-folio. Auch Themen wie Mikro-finanzfonds und andere nachhaltigeInvestments gehören selbstver-ständlich zu unserem Erfahrungs-schatz.“

Wer will, kann sich sogar imRahmen des Unesco-Projekts„Nachhaltigkeit lernen“ als Eco-Be-rater zertifizieren lassen.

Zora Back von Finadvice hat dasaus Überzeugung getan. „Währenddie klassischen Bankanlagen durchdie Krise massiv verloren haben,verzeichnen ethische Investmentseinen Zuwachs von 20 Prozent“,beobachtet die Fachfrau. Bei ihrenKunden kommt das zunehmend an.

Nachhaltigkeit ist ein Gummi-Begriff, der sich im Zeitgeist gutmacht.

Wie in er ist, zeigt nicht nur dasdiesjährige Financial Forum. Es gibtin Luxemburg auch eine Vielzahlvon Veranstaltungen dazu. Sosprach Ende Mai Thierry López,Direktor und Bereichsleiter für Ri-sikomanagement bei Pricewater-houseCoopers (PwC), über die„Rolle des Finanzwesens beim Auf-bau einer nachhaltigeren Welt“.Seine Zuhörer waren Mitgliederdes Institut pour le MouvementSociétal au Luxembourg (IMS Lu-

xembourg), das Unternehmen ganzunterschiedlicher Branchen eineAustauschplattform bietet.

Auch die diesjährige deutsch-lu-xemburgische Wirtschaftskonfe-renz Mitte Mai fand unter demTitel „Wachstum mit begrenztenRessourcen statt“. Im Rahmen die-ses Forums forderte der saarlän-dische Wirtschaftsminister Chris-toph Hartmann „Wohlstand mitqualitativem Wachstum“.

Noch besetzen Ethikbanken undnachhaltige Produkte eine Nische.Ihre Bilanzsumme ist gering. ZoraBack schätzt, dass von „rund 5 000Fonds etwa 350 nachhaltig korrektsind“. Doch immer mehr Anlegerund institutionelle Kunden achtenauf solche Produkte. Vorteile habennatürlich jene, die sich einen Na-men gemacht haben, als der Ansatznoch belächelt wurde.

Zu den Stars am Öko-Finanzhim-mel zählt die niederländische Trio-dos, die als Europas führende Nach-haltigkeitsbank gilt. Im vergange-nen Jahr legte das Portfolio umdreißig Prozent zu; in diesem Jahrsollen es vierzig Prozent werden.Längst sucht sich Triodos interna-tional Verbündete. Im März 2010fand die zweite „Global Alliance forBanking on Values“ (GABV) inBangladesh statt, an der elf füh-

rende Nachhaltigkeitsbanken teil-nahmen. „Wir glauben, dass dasnachhaltige Bankwesen – das aufsich auf die Kunden und die Um-welt fokussiert – bis 2020 eine Mil-liarde Menschen erreichen wird,wenn einige internationale Schlüs-selziele zusammenfließen“, sagtsich Triodos-Chef und GABV-Mit-begründer Peter Blom.

Positiv-Liste fürAnlageentscheidungen

Auch bei der Bochumer GLS Bank,ebenfalls GABV-Mitglied, freutsich der Vorstand Thomas Jorbergüber 33 Prozent Wachstum. Die willer noch – Krise sei Dank – in diesemJahr toppen. Nachhaltigkeit ist einErfolgsrezept. „Immer mehr Kun-den wollen ihre ökonomischen, so-zialen und ökologischen Bedürf-nisse in Einklang bringen“, ist Jo-berg sicher. „Geld sinnvoll und si-cher anzulegen ist für viele daswichtigste Kriterium.“

Niemand will Kinderarbeit Vor-schub leisten, keiner hält gern Ak-tien eines Petroleumkonzerns, dereine gigantische Ölpest auslöst,oder gar Lungenkrebsverursacherfinanzieren. Aber wer kontrolliertdas?

Neben Produktvergleichen hatdie zeitgeistige Nachhaltigkeit auch

ihren Weg in die Pensionsfondsgefunden. Einer der größten welt-weit und der größte in Europa istder Norwegische Pensionsfonds, inden erhebliche Mittel aus der Erd-ölförderung des skandinavischenLandes fließen. Mit über 443 Mil-liarden Dollar hat er Marktmacht.Der von der norwegischen Zentral-bank und dem Finanzministeriumgemanagte Fonds zog sich am 19.Januar diesen Jahres aus 17 Tabak-Unternehmen zurück. Die überzwei Milliarden zurückgezogeneDollar stellen das größte Des-investment aufgrund ethischerÜberlegungen an, das es bislanggab. Auch den Chef des Metro-Kon-zerns bat der Pensionsfonds un-längst zum Gespräch über Kinder-arbeit und soziale Aspekte.

Die DZ Bank International gehtsogar noch einen Schritt weiter. Sieformuliert für ihren Öko-Aktien-fonds nicht nur eine Negativlistemit Ausschlusskriterien wie Rüs-tung/Waffen, Kernenergie, Tabak,Alkohol, Gentechnologie in derLandwirtschaft, Kinderarbeit,Glücksspiel, Pornographie, Prosti-tution und Tierversuchen. Zusätz-lich gibt es eine Positiv-Liste fürAnlageentscheidungen. „Hier sindEntwicklung, Herstellung, Vertrieboder Verwertung umweltschonen-

der Produkte oder die Umstellungvon umweltschädlichen Roh-,Hilfs- und Betriebsstoffen auf um-weltverträgliche Alternativen, För-derung naturnaher Verfahren imGesundheits- und Ernährungs-wesen, umweltfreundliche Energie-gewinnung, Technologien zur Ver-ringerung und Beseitigung vonSchadstoffbelastungen in der Um-welt, Führende Stellung unter öko-logischen und/oder ethischen Ge-sichtspunkten in ihrer Branche undsoziale Positivkriterien zu nennen“,erklärt Neugebauer. Die Formel„Nur wer nachhaltig sät, wird lang-fristig ernten“ wird mit einem Malsehr konkret.

Ohne Änderungen drohenMangel und soziale Spannungen

Zu Recht: Laut einer Studie von ATKearney legten nachhaltige Kon-zerne in der Krise von Sommer2008 bis Juli 2009 sieben Prozent-punkte zu, während andere börsen-notierte Unternehmen bis zuHälfte ihres Wertes einbüßten.Längst betrifft Nachhaltigkeit nichtnur den Finanzsektor, sondern alleBereiche des Lebens. Kein Dis-counter, der heute keine Bio-Pro-dukte führt. Keine Modekette – vonH&M über Otto bis C&A – dieheute nicht Ökobaumwolle im Sor-timent hätte. Automobilherstellerfahren mit alternativen Antriebenbesser, selbst Teppichherstellerwie Interface reduzieren Kostenund legen an Wert zu.

Die Nachhaltigkeit wird bislangjedoch häufig durch eine euro-päische Wohlstandsbrille gesehen.Dann hat sie eine persönliche Di-mension von Umstellung und Ge-wohnheitsveränderung, eine kol-lektive Dimension durch neue Re-geln oder Produkte und eine öko-nomische Dimension, die beimnorwegischen Pensionsfonds undbestimmten Steuern schon ank-lingt.

Unklar ist allerdings, wie solcheIdeen in stark wachsende Schwel-lenländer zu transportieren sind,wo Nachhaltigkeit oft als Verzichtverstanden wird – auf gerade jenen

Reichtum, über den die Industrie-länder schon lange verfügen.

Bleiben dann tatsächlich nur Zwi-schenlösungen? Wie gut ist ein Gen-produkt, wie es die EU gerade zuge-lassen hat, wenn die Landwirtschaftdabei total abhängig wird? Wiesinnvoll sind Palmöl-Plantagen,wenn die Artenvielfalt leidet? Kön-nen wir von Brasilien den Schutzdes Regenwaldes ohne Gegenleis-tung erwarten? Wie verständlichkönnen Umweltschutz-Ziele sein,wenn es für viele Menschen nurums Überleben geht? Wie groß istdie Einsicht, dass wir nur einenPlaneten haben, bei uns selbst?Diese Fragen, die weit über dieFinanzwelt hinausgehen, konntenbislang politisch noch nicht zufrie-denstellend gelöst werden, wie inHeiligendamm klar wurde.

Aber es gibt Hoffnung. Der„World Business Council for Sustai-nable Development, dem 29 Unter-nehmen angehören, hat sich gefragt,wie neun Milliarden Menschenfriedlich mit den vorhandenen Res-sourcen leben können.

In einer 2010 veröffentlichtenStudie namens ,Vision 2050‘ unter-suchten diese Unternehmen unterder Leitung von Alcoa, Pricewater-houseCoopers, Storebrand and Syn-genta notwendige Anpassungen.„Die Veränderungen im Hinblickauf Führung, Verhalten und Wirt-schaftsstruktur aller Marktteilneh-mer sind fundamental“, sagt PwC-Direktor Thierry López.

2050 wird das Gros der Welt-bevölkerung in den Schwellenlän-dern leben.

Ohne Änderungen drohen Man-gel und soziale Spannungen. Nach-haltigkeit wird überlebensnotwen-dig. Und das Finanzwesen hat darinseinen Platz.

„Nachhaltiges Finanzwesen kanndie unerwünschten Ineffizienzender Märkte vermeiden und Innova-tion im Finanzbereich vorantrei-ben“, erklärt López. „Dadurch er-möglicht es den Finanzmärkten, aufdie Bedürfnisse der Weltwirtschaftzu reagieren, ohne jene zukünftigerGenerationen einzuschränken.“

„Kein Weg vorbei am Thema Nachhaltigkeit“Erneuerbare Energien sind ein erfolgversprechendes Investmentthema

Nachhaltigkeit kann in so gut wieallen Branchen zu einem wichtigenAspekt werden. Schon sehr beacht-lich ist die Verbreitung im Energie-bereich. Ob Solarenergie, Wind-oder Wasserkraft – sie avancierenzu großen Konkurrenten der tradi-tionellen Energien aus Kohle, Öl,Gas oder Kernkraft.

Nach Einschätzung von Swiss-canto bleiben erneuerbare Ener-gien ein interessantes und erfolg-versprechendes Investmentthema.In der Solarenergiebranche sindjene Unternehmen sehr gefragt, dieeinen Beitrag zur Kostensenkung inder Produktion von Solaranlagenleisten können und damit die Solar-energie insgesamt noch konkur-renzfähiger machen. Asiatische,insbesondere chinesische Unter-nehmen zählen aufgrund ihrergünstigeren Kostenstrukturen da-bei zu den Favoriten. HöhereWachstumsraten als bisher werdenvom Segment Windkraft erwartet.Hier besteht im Vergleich zur So-larenergie ein immenser Nachhol-bedarf, von dem Anleger profitie-ren können.

Wichtige Verbesserungen im Be-reich Energie-Verbrauch lassensich mit intelligenten Stromnetzen,den Smart Grids, erzielen. Dieneuen Systeme sind stets infor-miert über den Strombedarf einesjeden Abnehmers im Netz – vonKühlschränken in Privathaushaltenbis zu Großverbrauchern in derIndustrie. Das Stromnetzwerk wirdso zu einem Informationsnetzwerkund soll zu einer Senkung des indi-viduellen Stromverbrauchs führen.

Denn neben Erzeugung von Ener-gie ist Energieeffizienz ein wichti-ger Baustein der Nachhaltigkeit undein attraktives Investmentthema.Das gilt auch für die Elektrifizierungdes Automobils, auch E-Mobilitätgenannt. Bei entsprechenden Fort-schritten der Stromverteilungs-netze und einer gesteigerten Leis-tungsfähigkeit der Akkus von Elek-tro-Autos wächst hier ein Markt mitriesigem Potenzial.

„Auch das Abfallmanagement istein Geschäftszweig, der zu einernachhaltigeren Wirtschaft beiträgt.So gibt es Firmen, welche die Mög-lichkeiten des Recycling immer bes-

ser ausschöpfen. Und dort, wo diesnicht möglich ist, sind modernsteTechnologien für die Verbrennungoder die Umwandlung von Abfäl-len, etwa in Biogas, gefragt. Diegenannten Beispiele zeigen diegroße Themenvielfalt im BereichNachhaltigkeit und die immenseBandbreite an Investitionsmöglich-keiten. Anleger sollten die Chanceergreifen und durch die Wahl einernachhaltigen Geldanlage Verant-wortung für die eigene Zukunft unddie der kommenden Generationenergreifen“, so Bernhard Engl, Nach-haltigkeitsexperte und Mitglied derDirektion von Swisscanto.

Es ist der unaufhaltsam wachsen-den Popularität der Nachhaltigkeitauf vielen verschiedenen Ebenen zuverdanken, dass sich auch der Fi-nanzsektor immer intensiver damitbefasst. Und die Ergebnisse unter-streichen regelmäßig das große In-teresse von Anlegern. 72 Prozentvon mehr als 1.000 befragten Privat-kunden sehen das Thema Klima-schutz als sehr wichtig an, wie dasSustainable Business Institute er-mittelte. (fundresearch)