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Paper-ID: VGI 200503 Wasser f ¨ ur Rom – Techniken der Wasserversorgung im Imperium Romanum Klaus Grewe 1 1 Landschaftsverband Rheinland / Rheinisches Amt f ¨ ur Bodendenkmalpflege; Endenicher Str. 133; D-53115 Bonn VGI – ¨ Osterreichische Zeitschrift f ¨ ur Vermessung und Geoinformation 93 (1), S. 22–44 2005 BibT E X: @ARTICLE{Grewe_VGI_200503, Title = {Wasser f{\"u}r Rom -- Techniken der Wasserversorgung im Imperium Romanum}, Author = {Grewe, Klaus}, Journal = {VGI -- {\"O}sterreichische Zeitschrift f{\"u}r Vermessung und Geoinformation}, Pages = {22--44}, Number = {1}, Year = {2005}, Volume = {93} }

Wasser für Rom - Techniken der Wasserversorgung im … · descriptions from the times, when they were constructed, it is an exciting task to reconstruct the building code of antiquity

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Page 1: Wasser für Rom - Techniken der Wasserversorgung im … · descriptions from the times, when they were constructed, it is an exciting task to reconstruct the building code of antiquity

Paper-ID: VGI 200503

Wasser fur Rom – Techniken der Wasserversorgung im ImperiumRomanum

Klaus Grewe1

1 Landschaftsverband Rheinland / Rheinisches Amt fur Bodendenkmalpflege;Endenicher Str. 133; D-53115 Bonn

VGI – Osterreichische Zeitschrift fur Vermessung und Geoinformation 93 (1), S. 22–44

2005

BibTEX:

@ARTICLE{Grewe_VGI_200503,

Title = {Wasser f{\"u}r Rom -- Techniken der Wasserversorgung im Imperium

Romanum},

Author = {Grewe, Klaus},

Journal = {VGI -- {\"O}sterreichische Zeitschrift f{\"u}r Vermessung und

Geoinformation},

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Year = {2005},

Volume = {93}

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Wasser fur Rom

Techniken der Wasserversorgung im

Imperium Romanum

Klaus Grewe, Bonn

Zusammenfassung

Um die in romischer Zeit bestehenden hohen Anspruche an eine ausreichende und dabei qualitatvolle Trink-wasserversorgung zu erfullen, waren Maßnahmen erforderlich, die selbst mit modernen Maßstaben gemessen alshochtechnisch zu bezeichnen sind. Die Leistungen der antiken Ingenieure auf diesem Gebiet sind in allen Teilen desImperium Romanum aus den Resten der Aquadukte ablesbar. Da Plane und Beschreibungen der Erbauungszeit nichterhalten sind, ist es eine spannendeAufgabe unserer Zeit, denBauwerkscode der Antike aus denBauwerken selbst zuentschlusseln. Die in den antiken Aquadukten, Brucken und Tunneln sichtbar werdende Technik zeugt vonbewundernswerten Leistungen der romischen Baumeister. Nicht minder einzuschatzen sind allerdings die Resultateder antiken Fachkollegen auf dem Gebiet der Planung und Trassierung.

Abstract

Tomeet the high demands of Roman times on sufficient and high quality drinkingwater, measureswere necessary, thathave to be called sophisticated even compared with modern standards. The achievements of the antique engineers inthis field are visible from the remnants of the aqueducts in all parts of the Roman Empire. As there exist no plans ordescriptions from the times, when they were constructed, it is an exciting task to reconstruct the building code ofantiquity from the buildings themselves. The technique of the antique aqueducts, bridges and tunnels is an admirableexample of the achievements of the Roman master builders. Even more so we have to admire the achievements of theantique colleagues in the field of planning and line routing.

Einleitung

Straßen und Wege, Aquadukte und Entwasse-rungskanale waren auch in der Fruhzeit unsererkulturellen Entwicklung nicht ohne Planung undTrassierung zu erbauen. Deshalb kann man dieseBauwerke treffend einem Bautyp zurechnen, denwir heute mit dem Sammelbegriff „Ingenieurbau“beschreiben. Straßen, Aquadukte und Kanalehaben gemeinsam, dass sie sich uber einelangere Strecke durch die Landschaft ziehen unddabei oftmals Gelandehindernisse uberwindenmussen. Von den Kunstbauten, die im Zugedieser Bauwerke zu errichten gewesen waren,sind die Taluberquerungen augenfallig und teil-weise sogar spektakular. Die 50m hohen Brucken,wie die Straßenbrucke uber den Tajo bei Alcantarain Spanien und die Aquaduktbrucke Pont du Gardbei Nımes in Frankreich, zeugen von einer Blutedes Ingenieurbaus in romischer Zeit.

Wenn aber der Planung statt eines Tales einbergiges Hindernis im Wege lag, gab es oftmalsnur die Moglichkeit, mittels eines Tunnelbaus diePassage zu ermoglichen. Da Tunnelbautennaturgemaß nicht in der Weise ins Auge fallenkonnten wie die Brucken, standen sie in derbisherigen technikgeschichtlichen Betrachtungimmer ein wenig im Hintergrund. Die großetechnische Leistung, die in den von Eupalinos auf

Samos bis Nonius Datus in Saldae gebautenTunneln steckt, war dabei allerdings nie in Fragegestellt: man bewunderte das Gelingen solcherTunnelbauten schlechthin.

Es ware verlockend, einen bis in unsere Tageerhaltenen Aquadukt mit seinem ursprunglichenBauplan vergleichen zu konnen. Auf diese Weisewaren die antiken Planungsgedanken und Ar-beitsmethoden am ehesten nachzuvollziehen.Leider hat keiner dieser Originalplane bis heuteuberlebt. Auch zeitgenossische Beschreibungengeben nur wenig Auskunft uber das in denBauwerken steckende Maß an Technik; dieseQuellen beziehen sich eher auf die Umstande, diezumBau eines Aquaduktes gefuhrt haben und aufdie Auftraggeber eines Bauwerks und derenBeweggrunde, den Auftrag zu erteilen undschließlich auch die Kosten dafur zu tragen.

Der Bau von Tunneln, Druckleitungen und auchder großen Aquaduktbrucken wurde zwar vollbeherrscht, aber allein schon aus Kostengrundennur dann in Planung genommen, wenn es sinnvollund wirtschaftlich war. In diesen Elementenromischen Wasserleitungsbaus zeigt sich abernicht nur die Spannbreite des technisch Mach-baren, auch romische Geisteshaltung wird inihnen sichtbar.

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Abb. 1: Langsprofil durch eine romische Fernwasserleitung: In dieser schematisierten Trasse sind alle Elemente desromischen Aquaduktbaus von der Quellfassung uber Brucken, Tunnel und Druckleitungen bis zum Wasserverteileruntergebracht.

Schon die erhalten gebliebenen Reste derKunstbauten aus dem Sektor des Ingenieurbauszeugen von einer bewusst geplanten Wirkungnach außen. Wenn diese Bauwerke uns selbstheute noch so stark beeindrucken, wie großmuss ihre Wirkung erst auf die Urbevolkerung inden von Romern besetzten Gebieten in ihremWeltreich gewesen sein. Dass derartige Bau-werke auch ganz gezielt in der Absicht zuimponieren errichtet worden sind, zeigt sichschon daran, dass die großen Nymphaen mitihren prachtigen Prospekten nur in den sudlichenStadten des Imperiums zu finden sind – wenwollte man mit solchen Objekten der Wasser-verschwendung im Norden, wo das Wasser dochim Uberfluss vorhanden war, denn auch beein-drucken? Wie dem auch sei, gerade im Wasser-leitungsbau der Romerzeit zeigt sich ein un-glaublich großes Spektrum technischer Moglich-keiten.

Im Anschluss soll nun eine Ubersicht uber dastechnisch Machbare im romischen Wasserlei-tungsbau gegeben werden. Auch die hierzusammengestellten technischen Verfahren imromischen Ingenieurbau waren ganz prazise undpunktuell eingesetzt worden, um jeweils ein ganzspezielles Problem losen zu konnen. Zusammen-gefugt ergeben sie das Bild einer großartigenMusterleitung – ausgereifte Technik einer langstvergangenen Zeit.

Wasserfassungen(Brunnenstuben, Flussableitungen,Talsperren)

Am Kopf einer jeden Wasserleitung war durcheinen kunstlichen Eingriff in das Gelande dernaturliche Abfluss des Wassers zu sperren unddieses in eine Leitung einzuspeisen. Das konntedurchein kleinesWehrbewerkstelligt werdenoderdurcheinegroßartige Talsperre, imGrunde kommtaber auch in jeder Quellfassung dieses Prinzip zurAnwendung. Damit sind aber auch schon diebeiden wichtigsten Moglichkeiten der Wasserge-winnung angezeigt, namlich die aus Quellen oderunterirdischen Wasservorkommen und die ausoffenen Gewassern, wie Flussen und Seen. Amliebsten war den Romern das saubere Quell-wasser.Wodie hydrologischenGegebenheiten eszugelassen haben, hat man Quellwasser fur dieVersorgung der Stadte herangezogen. Und wenndaruber hinaus noch die Moglichkeit bestandenhat, Quellen mit kalkhaltigem Trinkwasser fur dieVersorgung heranzuziehen, so hat man es gar inKauf genommen, kilometerlange Fernleitungen zubauen, nur um an das nach dem Geschmack derRomer beste aller Wasser heranzukommen(Abb. 1 bis 4). Dem Ausbau jeder stadtischenWasserversorgung hatte also die genaue Er-kundung der Quellen der Umgebung vorauszu-gehen, wobei der Radius des in Frage kommen-den Gebietes gar nicht so eng anzusetzen ist.

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Abb. 2: Eifelwasserleitung nach Koln, Freigelegte Trassebei Mechernich-Breitenbenden.

Abb. 3: Eifelwasserleitung nach Koln, Leitungsquer-schnitt bei Euskirchen-Kreuzweingarten mit 30 cmstarken Kalkablagerungen.

Die schließlich genutzten Quellen konnten inder Luftlinie durchaus mehr als 50 Kilometer vomVersorgungsgebiet entfernt liegen; wenn daszwischen beiden Orten liegende Gelande eszuließ, so hat man diese Entfernung eben durcheine Fernwasserleitung uberbruckt. Die Metho-den zur Auffindung von Quellen mit gesundemund schmackhaftem Trinkwasser sind uns schonin demantiken Fachbuch der Baukunst, das Vitruvim 1. Jahrhundert v. Chr. verfasst hat, beschrie-ben. Vitruv empfiehlt, sich bei der Suche nicht nurvom eigenen Geschmack leiten zu lassen,sondern auch die Pflanzenwelt in der Umgebungder Quellen und vor allen Dingen die Menschen,die sich bisher aus der betreffenden Quelleversorgt haben, zu begutachten. „Triefaugen“ beiden Menschen seien durchaus auch als einHinweis auf die schlechte Qualitat des verbrauch-ten Trinkwassers zu werten.

War die Entscheidung fur die Ausnutzungeines Wasserdargebotes gefallen, so war es nundie Sache des antiken Wasserbauers, uber einezweckmaßige Methode der Wassergewinnung

nachzudenken. Am einfachsten war dies bei denQuellen, denn diese waren auf einfache Art durcheinen Mauerkranz zu fassen (Abb. 4). In diesemBecken sammelte sich das Wasser, und eineUberlaufvorrichtung ermoglichte das Abfließen indie Leitung. Schwieriger war es, wenn dieseQuellen nicht offen zutage traten, sondern wennes galt, einen unterirdischen Quellhorizont anzu-zapfen.

Abb. 4: Eifelwasserleitung nach Koln, Quellfassung beiMechernich-Kallmuth.

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Abb. 5: Segovia (Spanien), Flußableitung am Rio de la Acebeda.

Standen Quellen mit ausreichenden Schutt-mengen nicht zur Verfugung, so hat man auchFlusswasser fur die Versorgung herangezogen,dabei dann aber Wert darauf gelegt, die Wasser-entnahmestelle moglichst weit flussaufwarts zulegen, um auch auf diese Weise reines Wasser zugewinnen.

In Deutschland war fur das romische Trier eineFernwasserleitung in das Ruwertal gebaut wor-den, um deren Wasser in die Stadt zu leiten.Schonstes Beispiel fur eine antike Flussableitungist das kleine Wehr am Oberlauf des Rio de laAcebeda,mit dessenHilfemandasWasser fur dieVersorgung des romischen Segovia (Spanien)aufstaute (Abb. 5). Diese Anlage erhalt ihrebesondere Bedeutung durch die Tatsache, dasswir in ihr das einzige noch funktionierendeBauwerk dieser Art sehen mussen, das uns ausantiker Zeit uberkommen ist.

Nun werden nicht samtliche Teile des Wehresnoch romischen Ursprungs sein, dennoch istanzunehmen, dass zumindest die machtigenSteinquader auch bei Renovierungsarbeitenimmer wieder benutzt worden sind. Auch in derAusfuhrung der mit Blei vergossenen Eisenklam-mern, die die einzelnen Blocke zusammenhalten,

bietet sich dem Betrachter heute noch ein Bildromischer Bautechnik (Abb. 6).

Abb. 6: Segovia (Spanien), die Steinquader des Wehreswerden mit verbleiten Eisenklammern zusammengehalten.

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Die großere Schwester eines solchen Wehresist die Talsperre. Ihre Aufgabe umfasst aber nichtnur das Aufstauen und Ableiten eines fließendenGewassers, sie hat vielmehr zusatzlich noch dieAufgabe des Wasserspeicherns ubernommen.Der Bau von aufwandigen Talsperren ist nicht zuvermeiden, wenn der aufzustauende Fluss nichtdas ganze Jahr uber gleichmaßig und aus-reichend Wasser fuhrt, und dieses mengenmaßigwechselnde Wasserdargebot auch fur wasser-arme Jahreszeiten gespeichert werden soll.

Baulich gibt es mehrere Moglichkeiten, einwasserfuhrendes Tal zu sperren, das jeweilsangewendete Konstruktionsprinzip hangt mit dervorgegebenen Gelandebeschaffenheit, dem Un-tergrund und mit den zur Verfugung stehendenBaumaterialien zusammen. Letzteres spieltebesonders in fruheren Zeiten eine Rolle, als sichdie Transportprobleme noch anders als heutestellten.

Man unterscheidet zwei Grundtypen vonStauanlagen. Den einen finden wir in derGewichtsstaumauer und dem Erddamm wieder,hierbei wird die gesamte Bauwerksmasse demWasserdruck entgegengesetzt; im anderen Fallewird die Festigkeit des Baumaterials ausgenutzt,so bei der Pfeiler- und Bogenstaumauer. Diealteste Gewichtsstaumauer ist zwar schon ausdem 4. Jahrtausend v. Chr. bekannt, aber dieRomer, die in ihrem Einflussgebiet keine direktenVorbilder fur den Bau von Staudammen hatten,mussen diese Technologie also selbststandigentwickelt haben.

Von den ungezahlten Fernwasserleitungen imImperium Romanum wurden nicht wenige ausgroßen Stauseen gespeist, die sudlichen wasser-armen Lander sind in einer solchen Liste naturge-maß besonders haufig vertreten.

Reste romischer Talsperren finden sich heutenoch im Vorderen Orient und in Nordafrika, vondenen die kleine Staumauer in Gabes (Tunesien)ein beliebtes Touristenziel dieser Oasenstadt ist.In Europa sind die Talsperren dunner gesat: InFrankreich und Italien finden wir jeweils nur einExemplar im Vallon de Baume und oberhalb vonSubiaco. Letztere staute das Wasser des Aniowenig oberhalb der „Villa des Nero“ fur die38 n. Chr. gebaute Wasserleitung Anio Novus auf,die zu den neun bei Frontinus genannten stadt-romischen Wasserleitungen gehorte. Rund 40Meter hoch, zahlte sie zu den großen Staumauernder Antike, und vor ihr staute sich ehemals eingewaltiger See auf. Nach dem Bruch dieser

Staumauer im Jahre 1305 sind heute noch in denbeiden Seitenhangen des Anio-Tales Baurestevon einst zu sehen.

In Spanien finden sich heute die Restemehrerer romischer Stauanlagen. Neben denRuinen von Alcantarilla und Consuegra sindbesonders die heute noch in Funktion befindli-chen Anlagen nahe Merida, dem antiken EmeritaAugusta, von Interesse. Die beiden StauseenProserpina und Cornalvo, die das Wasser fur dieVersorgung des antiken Merida aufbrachten, sindheute allerdings nur noch fur die Versorgungeiniger umliegender kleinerer Ortschaften inBetrieb. Beide Anlagen sind fruhestens nachder Stadtgrundung unter Kaiser Augustus imJahre 25 v. Chr. errichtet worden, moglicherweiseaber auch erst unter Kaiser Trajan, der von 98 bis117 n. Chr. regierte.

Der nordlich von Merida liegende Proserpina-Staudamm (Abb. 7) erfahrt in seiner gesamtenAusdehnung zwei deutliche Knicke, so dass sichseine Gesamtlange von 427 Metern aus dreigeraden Stucken zusammensetzt. Die sichdaraus ergebende leichte Bogenform lehnt sichflussaufwarts konvex gegen den Druck desWassers. Die zwolf Meter hohe Stauwand fallt inschmalen Stufen, aber nahezu senkrecht zum Fußhin ab. Sie besteht aus einem sorgfaltig gearbei-tetenQuadermauerwerk, demzurWasserseite hinneun Stutzpfeiler vorgelagert sind. Auf derLuftseite schließt eine Bruchsteinmauer dieStauwand ab. Der Zwischenraum zwischendiesen beiden Mauern ist mit Beton verfullt,wodurch eine Stauwand von 2,30 Meter Starkegebildet wird, die ihre Stabilitat aber erst durchden gewaltigen Erddamm erhalt, der hinter ihrangeschuttet worden ist. Der Wasserentnahmedienen zwei Turme, die sich innerhalb desErddammes an die Staumauer anlehnen. Andersbeim Cornalvo-Staudamm (Abb. 8), der ehemalsebenfalls der Wasserversorgung Meridas gedienthat, hier ist der Entnahmeturm dem Staudammvorgelagert und hielt mit diesem eine Verbindunguber einen Bruckenbogen. Von dieser antikenBedienungsbrucke ist heute am Turm nur nochder Bogenansatz zu sehen, ansonsten ist diesesBauteil durch eine Stahlbrucke ersetzt. DerStaudamm selbst ist auf seiner Krone 194 Meterlang und sperrt das Tal in einer Hohe von bis zu 20Meter. Auch hier ist hinter der steinernenStaumauer einmachtiger Erddammangeschuttet,der auf der Krone eine Breite von acht Meter hatund zur Luftseite hin schrag abgeboscht ist.

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Abb. 7: Merida (Spanien), Proserpina-Talsperre.

Abb. 8: Merida (Spanien), Cornalvo-Talsperre.

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Rinnen und Rohre

Die einfachste Form der Wasserleitung war auchin romischer Zeit die Gefalle- oder Freispiegellei-tung. Das Wasser wird dabei in einem – beigroßeren Leitungen meist gemauerten U-formi-gen – Gerinne talwarts gefuhrt, wobei die Trassemit mehr oder minder starkem Gefalle dem Hangaugenscheinlich isohypsenparallel folgt, tatsach-lich aber stetig an Hohe verliert. Aus Grunden derSicherheit, in den nordlichen Provinzen aber auch,um ein Einfrieren des Wassers zu verhindern, sinddie Leitungen, wo es ging, unterirdisch verlegtworden. In die Baugrube wurde als erstes eineStickung aus losen Steinen eingebracht unddarauf die Sohle aus Gussbeton gegossen. DerBeton (Opus cementicium) besteht aus einemsehr festen Mortel, dem man die verschiedenstenMaterialien wie Kies, Grauwacke, Basalt oder einanderes Kleinschlagmaterial beigemengt hat. DieKanalwangen sind entweder aus dem gleichenMaterial in einer Schalung gegossen worden oderaufgemauert. Es kommt aber auch haufig vor,dass die Innenseiten der Wangen aus behauenenHandquadersteinen als verlorene Schalung ge-mauert worden sind und der Freiraum zwischendieser Schalung und der Baugrubenwand ausGussbeton gefertigt worden ist.

Interessant ist in diesem Zusammenhang dasErgebnis einer Untersuchung auf die Druck-festigkeit des romischen Betons. Die dabeiermittelten Werte lagen in den meisten Fallenum 10� 15N=mm2, im Falle der alteren Vorge-birgswasserleitung nach Koln aber sogar bei demgeradezu phantastischen Wert von35� 40N=mm2.

Der Innenraum der Kanalrinne wurde mit einerSchicht hydraulischen Putzes (Opus signinum)bestrichen, um die gewunschte Dichtigkeit zuerreichen. Dieser Putz war zumeist von rotlicherFarbung, da er unter Verwendung von Ziegelmehlhergestellt worden ist. Bei Verwendung einesanderen Beischlagmaterials zur Herstellung desOpus signinum konnte dieser aber auch eineandere dementsprechende Farbe annehmen.

Diese Schicht bedeckte die Sohle und dieWangen; meist wurde in den unteren Ecken einmehrere Zentimeter starker Viertelrundstab aus-geformt, um diese bruchgefahrdeten Stellenbesonders zu schutzen. An den Oberkantender Wangen zog die Opus signinum-Schichtzumeist noch einige Zentimeter ein; hierauflagerte dann das aus Bruchsteinen uber einemLehrgerust gesetzte Gewolbe oder einfach einePlattenabdeckung. Auf den Gewolbeinnenseiten

ist in vielen Fallen heute noch der Abdruck derBretter des Lehrgerustes im Beton zu sehen.

Wenn das Gelande es erforderte, hat man inden Bergstrecken dem Kanal hangseitig nocheine Begleitdranage außen beigegeben. Diesebesteht aus lose aufgeschichtete Bruchsteinen,die bis zur Gelandeoberflache hinaufreichen undvom Hang kommendes Regen- und Sickerwasservor demKanalbauwerk nach unten bis zu einem inStickungshohe installierten Dranagekanalchenableiten. Auf diese Weise hat man Fremdwasservom Kanal ferngehalten.

Besonders bei den großen Fernwasserleitun-gen sind die Kanalrinnen in ihrem Querschnitthaufig stark uberdimensioniert gebaut worden:das Querprofil hatte ein Vielfaches der tatsachlichtransportierten Wassermenge bewaltigen konnen.Auf diese Weise hat man nicht nur eine Vorsorge-maßnahme gegen das Zuwachsen der Leitungdurch Versinterung (Verkalkung) getroffen, invielen Fallen wurde der Kanal sogar mit einemgebuckt begehbaren Querschnitt ausgestattet,wodurch eine Inspektion des Leitungssystemsmoglich wurde.

Dem Einstieg in den Kanal dienten besondereSchachte, die in unterschiedlichen Abstandeninstalliert waren. Waren die großen Fernwasser-leitungen in denmeisten Fallen in einer der obigenBeschreibung entsprechenden Bauweise errich-tet worden, so sind bei kleineren Leitungen auchandere Materialien verwendet worden; auch hierkommt wieder das auf Zweckmaßigkeit gerichteteDenken des romischen Ingenieurs zum Tragen.Bei archaologischenUntersuchungen fanden sichdie verschiedenartigsten Rinnen und Rohre inVerwendung: offene und abgedeckte Holzrinnenebenso wie aufgebohrte Holzstamme als Rohre,bearbeitete Steinrinnen aus Naturstein ebensowie Fertigrohre aus Gussbeton, weiterhin auchTon- und Metallrohre der verschiedensten Kaliber.Letztere sind besonders aus Blei gegossen odergebogen worden und fanden hauptsachlich iminnerstadtischen Netz Verwendung.

Aquaduktbrucken

Die imposantesten Reste der antiken Wasser-leitungen stellen sich demBetrachter heute in denoftmals hervorragend erhaltenen Aquaduktbruk-ken dar. Die zweifellos schonste Brucke dieser Artfindet sich im Zuge der romischen WasserleitungnachNımes. In knapp 50Meter Hohewird hier dasWasser auf einer dreigeschossigen Brucke uberden Fluss Gardon gefuhrt, der schließlich auchdieser Brucke ihren Namen gegeben hat. Nicht

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nur die technische Perfektion, auch die selbst indieser Monumentalitat noch zum Ausdruckkommende Asthetik und Schonheit dieses Zweck-baues geben dem Pont du Gard (Abb. 9) eineSonderstellung, der seine Besichtigung zumPflichtprogramm eines jeden Provence-Besu-chers werden lasst.

In Deutschland sind es vor allen Dingen dieBruckenreste der Leitungen nachMainz und Koln,die optisch noch befriedigen konnen, wenngleichsie auch mit den Resten derartiger Bauwerke vorallem in den sudlichen Provinzen des romischenWeltreiches nicht mithalten konnen. Die imMainzer Zahlbachtal noch aufrecht stehendenPfeilerkerne geben einen guten Einblick in dasantike Bauverfahren. Der Gussbeton zeigt deut-lich die Abdrucke von sorgfaltig zubehauenenQuadersteinen, die ehemals die Außenhaut derPfeiler gebildet haben und dereinst beim Bau als„verlorene“ Schalung errichtet worden sind. DieSteine dieser Schalung sind entweder im Laufeder Zeit abgesprungen oder ein Opfer nach-romischer Steinrauber geworden, die diesesqualitatsvoll bearbeitete Material gern fur andereBauzwecke wiederbenutzt haben.

Beispiele fur einen derartigen Steinraub anantiken Aquaduktbrucken finden wir an den

verschiedensten Orten und zu allen Zeiten. DieTuffsteinverblendung der großen Swistbach-brucke aus dem Verlauf der Eifelleitung findenwir heute im Mauerwerk eines mittelalterlichenKlosters wieder – und auch am anderen Ende derromischen Welt finden wir im Zuge der Leitungnach Karthago, die uber ein Viertel ihrer Gesamt-strecke auf Bogenstellungen gefuhrt worden ist,viele der riesigen Pfeiler ihrer Schale beraubt. Hierhat man dafur sogar einen Ersatz zu schaffenversucht, indem man die stehengebliebenenharten Betonkerne nach dem Abbruch derQuadersteine mit einem Stampfmauerwerk ausErde ummantelt hat. So war die Optik – fast –wiederhergestellt.

Wir haben dadurch aber einen deutlichenBeweis dafur, dass dem Schalenmauerwerk zukeiner Zeit uberhaupt eine statische Funktionzugekommen ist, sondern der Betonkern die Lastder Brucke allein zu tragen hatte. Diese Verfah-rensweise zeigt noch einmal deutlich dasempirische Vorgehen der romischen Ingenieure;die daraus resultierende Uberdimensionierungder Bauten in Material und Maßen ist aberandererseits ein wesentlicher Grund fur dasUberdauern manches dieser Bauwerke bis inunsere Zeit.

Abb. 9: Nımes (Frankreich), Pont du Gard.

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Zwei wesentlich unterschiedliche Gelandebe-dingungen waren es, die den Bau von Bogen-stellungen im Verlauf von Aquadukten erforderlichgemacht haben. Einmal die ungezahlten Bache,Flusse und Seitentaler, die von den Leitungen zuqueren waren; dann aber auch noch die Erfullungeiner wesentlichen hydraulischen Voraussetzungfur die innerstadtische Wasserversorgung, denndort musste das Wasser ja in einer Hohenlageankommen, die eine Verteilung uber Drucklei-tungen auch in hoher gelegenen Stadtteilen oderin die oberen Stockwerke von Gebauden gewahr-leistete.

Die gleiche Erfordernis konnte durch einetopographische Vorgabe entstehen, wenn nam-lich die Stadte – sei es aus fortifikatorischenGrunden oder zum Schutz vor Hochwasser – aufAnhohen angesiedelt waren, das Umland alsotiefer lag. Zur Uberwindung derartiger Senkenmussten die Aquadukte in vielen Fallen alsHochleitungen errichtet werden, damit dasWasser den Stadtberg uberhaupt erreichenkonnte. Die Bogenstellungen solcher Hochleitun-gen unterscheiden sich in keinerWeise von denender Bruckenbauwerke, sie konnten auch genauwie diese ganz beeindruckende Ausmaße an-nehmen.

Die Hochleitungen fur das antike Rom selbstsind bis zu acht Kilometer lang geworden, um dieCampagna vor der Stadt zu durchqueren. DieHochleitung vor den Toren Kolns (Abb. 10)erreichte ca. 8,6 Kilometer Lange, und selbstdie grandiose Aquaduktbrucke in Segovia(Abb. 11) gehort in diese Kategorie romischerKunstbauten.

Abb. 10: Eifelwasserleitung nach Koln, Aquaduktbruckebei Mechernich-Vussem.

Abb. 11: Segovia (Spanien), Aquaduktbrucke.

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Konnen wir auch von der Bogenkonstruktionher zwischen den verschiedenen romischenAquaduktbrucken kaum einen Unterschied fest-stellen, so mussen wir bei unserer Betrachtungdoch die vielen kleinen Bruckchen von denBauwerken mit großer Spannweite trennen. NachDIN 1076 hatte eine der kleinen Aquaduktbruckenheute nicht einmal mehr das Recht, sich „Brucke“zu nennen, damanBauwerkemit weniger als zweiMeter Offnungsweite heute nur noch als Durch-lass bezeichnet.

Klassifizieren wir die Aquaduktbrucken nachihrerGroße indreiKategorien, sowirddieser kleineBautyp am haufigsten anzutreffen sein, da dieAquadukte in ihrem gewundenen, dem Gelandeangepassten Verlauf im Scheitelpunkt einer jedenTalausfahrung ein solches Bauwerk haben muss-ten. Unzahlige solcher Durchlasse sind ausdiesem Grund zur Uberquerung von Bachlaufenoder kleinen Trockentalern, die nur nach Regen-fallen Wasser fuhrten, zu errichten gewesen.

Der nachst großeren Klasse mochte man dieAquaduktbrucken zurechnen, mit deren Hilfe diezuvor beschriebenen Trassenschlingen vermie-den werden konnten und die somit zur Abkurzungder auszubauenden Linie dienten. Durch den Baudieser Brucken wurde aber nicht nur eine Verkur-zung der Trasse mit der damit verbundenenEinsparung von Baumaterial erreicht, sondern alsweiterer Effekt auchnochdasMaßanEnergiehoheeingespart, das zur Uberwindung des nachstenBergruckens zur Verfugung stehen musste.

Von dieser Mittelklasse heben sich dann nocheinmal jene Brucken ab, die durch ihre Monumen-talitat bestechen. Dazu sind ganz sicher diegroßartigen Bauten im Zuge der Wasserleitungennach Metz, Nımes , Tarragona, Segovia, Karthagound Rom selbst zu nennen.

Aber auch die durch Aneinanderreihung vonfast 300 bis zu elf Meter hohen Bogen uber dasSwisttal im Zuge der Eifelleitung errichtete Bruckevon 1,4 Kilometer Lange wollen wir dieser hoherenKlasse noch zurechnen.

Tunnelbauten

Neben den Talern zahlen die quer zur Trasseliegenden Bergrucken zu den großen Hindernis-sen beim Bau der romischen Fernwasserleitun-gen. Dort, wo es moglich war, hat man dieseGelandehindernisse umfahren; war dies nichtmoglich oder nicht rationell, musste der Bergdurchtunnelt werden. Nun sind Tunnelbauwerkenicht nur fur den Bau von Wasserleitungen

notwendig geworden, es sind in der Antikeauch Ableitungstunnel zum Zwecke einer Wasser-spiegelabsenkung, z. B. bei der Trockenlegungvon Kraterseen, oder auch Straßentunnel gebautworden.

Ein Sonderfall derartiger Bauwerke ergab sichdurch die geologische Schichtung im NeuwiederBecken. Hier im Laacher Vulkangebiet waren beiden letzten großeren Vulkanausbruchen inDeutschland 9000 v. Chr. mit der Landschaftauch dieQuellen durchmeterhohe Bimsschichtenverschuttet worden. Die in diesem Gebietsiedelnden Romer mussten deshalb zur Wasser-gewinnung unterirdische Stollen vortreiben, umdiese Quellen zu fassen und abzuleiten. Die mitbegehbarem Querschnitt ausgestatteten Stollendienten der Aufnahme der eigentlichen wasser-fuhrendenRinnen, die auf der Stollensohle in Formder ublichen Steinkanale installiert worden sind.

Im Gegensatz zu solchen relativ kleinenStollenvortrieben sind die echten Bergdurch-tunnelungen unter den Ingenieurbauten derschwierigsten Kategorie zuzurechnen. Bis zumTage des Durchschlags liegt selbst noch heuteuber den Tunnelbaustellen ein Hauch von Unge-wissheit, und die Ingenieure der Antike werdendiesem alles entscheidenden Tag mit nochwesentlich großererUngeduld entgegengefieberthaben, da ihnenausheutiger Sicht nureinfachstesGerat sowohl fur die Vermessung als auch fur denBaubetrieb zur Verfugung gestanden hat.

Den antiken Bauwerken kann man in vielenFallen die Schwierigkeit, eine projektierte Linienach unter Tage zu ubertragen und dann aucheinzuhalten, heute noch ablesen. Es nimmtdeshalb nicht wunder, dass man auf manchenBaustellen der Treffsicherheit im Durchstich einenVorrang vor einer rationellen Bauweise einge-raumt hat. Aus diesemGrund findenwir im antikenTunnelbau neben dem so genannten Gegenort-Verfahren, also dem Vortrieb von zwei Seiten aus,auch das bezuglich der zu bewegenden Erd-massen aufwandigere Qanat-Verfahren (Licht-loch-Verfahren) angewendet.

Die altesten Tunnelbauten der Geschichtehaben der Wasserversorgung gedient, und so-wohl bei dem unter Konig Hezekiah (725–696v.Chr.) im Zuge des Siloah-Kanals fur Jerusalemerrichteten Tunnels, als auch bei dem im 6.Jahrhundert v. Chr. durch Eupalinos fur Polykratesgebauten Tunnel auf Samos hat das Gegenort-Verfahren seine Anwendung gefunden. BeideBauwerke sind erfolgreich beendet worden, aberdie Betrachtung der Linienfuhrung durch den

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Berg zeigt, dass nur nach mehrmaligen Rich-tungsanderungen im Berg ein Durchschlagerfolgen konnte.

Ein wesentliches Merkmal dieser Linienfuhrun-gen ist, dass man im Vortrieb jeweils einesStollens dieser Tunnel einen sichelformigenBogen beschrieben hat, der dann vomgeradeausvorgetriebenen jeweiligen Gegenstollen zwangs-laufig getroffen werden musste. Mit Tunnellangenvon 537 Meter (Hezekiah) und 1036 Meter(Eupalinos) zahlen diese Bauwerke zu denGroßtaten der Technikgeschichte, und ihrenBaumeistern ist ein hohes Maß an Genialitat zubescheinigen.

Ebenfalls im Gegenort ist um 150 n. Chr. einTunnel fur die Wasserversorgung des romischenSaldae (heute Bejaıa/Algerien) gebaut worden.Der mit der Trassierung beauftragte libratorNonius Datus hat einen Bericht uber seineArbeiten angefertigt und in Stein hauen lassen(Abb. 12). Wir besitzen deshalb ein hochkaratigeszeitgenossischesDokument zu diesemSektor derantiken Ingenieurvermessung.

Abb. 12: Stein des Nonius Datus mit der Beschreibungeines Tunnelbaus um 150 n. Chr.

Der Inschrift zufolge war der von Nonius Datusuber den Berg abgesteckte Tunnelverlauf von denBauleuten unter Tage nicht eingehalten worden,und die Burger Saldaes „klagten (deshalb)verzweifelt, den Tunnelbau dieses mißlungenenBauwerkes aufgeben zumussen, weil der Vortriebder beiden Stollen bereits langer ausgefuhrt war,als der Berg breit war“.

Der versierte Praktiker Nonius Datus stellte beieinem zweiten Aufenthalt in Saldae den imVortrieb gemachten Fehler fest, glich ihn durcheine bauliche Korrektur aus, und die Wasser-versorgung Saldaes konnte in Betrieb genommenwerden.

Die vorgenannten Beispiele legen die Schwie-rigkeiten des Tunnelbaues im Gegenort offen undzeigen, dass nur die besten Ingenieure in derLage waren, derartige Bauwerke zu planen undzu bauen. Nonius Datus nennt in seiner Inschriftnoch die Tugenden, die den antiken Tunnelbauernabverlangt wurden, denn er hat seine Inschriftunter die Schlagworte „Patientia – Virtus – Spes“(Geduld, Tatkraft und Zuversicht) gestellt.

Andere Baumeister haben derartige Problemedurch die Anwendung eines zweiten Bauverfah-rens weitgehend vermieden. Aus dem altenPersien kannte man das im Qanatbau angewen-dete Verfahren des Stollenvortriebs von senk-rechten Schachten aus. Dieses Verfahren wurde(und wird mancherorten auch heute noch) zurWasserversorgung der Oasen angewendet, wennes namlich galt, von den Siedlungsplatzenentfernt liegende unterirdische Wasservorkom-men anzuzapfen. Diese wurden durch einenVersuchsschacht erst einmal festgestellt, wonachein Tunnel in seine Richtung vorzutreiben war.Dieser Tunnel wurde von einer Kette eng beiein-anderliegender Schachte, die man bis zu einernotwendigen Tiefe abgeteuft hatte, abschnitts-weise unterirdisch miteinander verbunden, indemman sich jeweils bis zu den benachbartenSchachten vorarbeitete.

Bei diesem Verfahren wurden also kleineTunnelbaulose miteinander verbunden, wobeies der wesentlichste Faktor war, dass man dieGeneralrichtung des Qanats auf nur kurze Teil-strecken nach unter Tage ubertragen und ein-halten musste. Dieses Qanat-Verfahren ist dannauch von den Etruskern ubernommenworden, dieum 500 v. Chr. den Tunnel zur Entwasserung desAriccia-Kessels in den Albaner Bergen nachdiesem Vorbild gebaut haben.

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Etruskische Baumeister waren spater diePaten der romischen Ingenieure, die am AlbanerSee, am Nemi-See und vor allen Dingen amFuciner See zwecks Absenkung der Wasser-spiegel noch weitere großartige Tunnel gebauthaben.

Die Tunnelbauten der romische Zeitstellung inDeutschland haben samtlich der Wasserversor-gung gedient und sind nach dem Qanat-Verfahren gebaut worden. Dabei nahmen dieStollen im Laacher Gebiet die anfangs beschrie-bene Sonderstellung ein. Großere Bauwerke sindbekannt aus Saarbrucken (Halberg-Tunnel) undBrey bei Koblenz.

In Brey (Abb. 13) ist ein Teilstuck des Tunnelsdurch einen der antiken Bauschachte heutezuganglich gemacht und zu besichtigen. Dieauf der Sohle verlegte Wasserleitung fuhrt heutenochWasser, ohne dass festzustellen ware, woherund wohin das Wasser fließt; lediglich die

Fließrichtung und die Fließgeschwindigkeit sindim Tunnel festzustellen.

Der Tunnel durch den Drover Berg (Abb. 14)zwischen dem Heiligen Putz bei Drove und Soller(Kreis Duren/Rheinland) diente vermutlich derWasserversorgung einer reichen romischen Villa.Der 1660 Meter lange Tunnel liegt unter einemTruppenubungsplatz bis zu 26 Meter tief. SeinVerlauf ist anhand der von den Romern wieder-verfullten Bauschachte zu verfolgen, da dasFullmaterial zusammengesackt ist und an derErdoberflache trichterformige Locher zuruckge-blieben sind (Abb. 15). Wie an einer Schnuraufgereihter Perlen zieht sich im Luftbild die Liniedieser Trichter uber den Berg, allerdings sindinzwischen die meisten von ihnen durch denBetrieb von Kettenfahrzeugen zerstort worden;ihre Restbestande sind im Zuge der archaologi-schen Untersuchung von 1981 topographischaufgenommen worden.

Abb. 13: Brey bei Koblenz, Aquadukttunnel. Abb. 14:Duren,Wasserleitung im Aquadukttunnel durchden Drover Berg.

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Abb. 15:Duren,Mit Ton verfullter Bauschacht desDroverBerg-Tunnels.

Dabei zeigte sich der Pragmatismus romischerIngenieure noch einmal sehr deutlich. Schon ausder Nonius Datus-Inschrift wissen wir, dassSpezialisten fur den Tunnelbau beim Militarentliehen werden mussten, da diese Bauformviel zu selten angewendet wurde, um auch imZivilbereich die notwendigen Fachingenieurebereitzuhalten. Deshalb ersannen sich die Fach-leute eine Trassierungsmethode, die es ihnenerlaubte, nach der Absteckung der Festpunkte furdie Anlage der Bauschachte die Aufsicht uberden weiteren Baubetrieb den ortlichen „Polieren“zu uberlassen. Sie steckten dazu den Abstandder Bauschachte genau so weit auseinander ab,wie die jeweiligen Bauschachte tief werdensollten. Damit waren die Maßvorgaben klarvorgegeben und großere Fehlerquellen vonvorneherein ausgeschaltet. Beim Drover Berg-Tunnel ließ sich dieses Verfahren nachweisen: dieSchachtabstande nahmen im ansteigenden Berg-hang zu und erreichten auf der Hohe ihre großtenWerte, um dann in der absteigenden Hanglagehinter dem Berg zum Tunnelausgang wiederabzunehmen. Demzufolge liegen die Abstandeauf des Hohe des Drover Berges 26 m ausein-ander – genau so weit wie die Teufe derTunnelbauschachte an dieser Stelle errechnetwurde.

Mit Fug und Recht kann man die Tunnelbautenzu den großartigsten Ingenieurleistungen derAntike zahlen. In nachromischer Zeit sollte es erstmit dem Aufbluhen der Bergbautatigkeit im hohenMittelalter wieder moglich werden, an dieLeistungen der Antike anzuschließen. Ein Tunnel-bauwerk des Mittelalters in Deutschland ist derMitte des 12. Jahrhunderts am Laacher Seegebaute 880 Meter lange „Fulbert-Stollen“. Erst1997 wurde ein weiterer mittelalterlicher Tunnelwiederentdeckt, der der Wasserversorgung derBurg Blankenheim in der Eifel gedient hat.

Druckleitungsstrecken

Abgesehen von den Druckleitungen im inner-stadtischen Versorgungsnetz konnte es auch imVerlauf einer Fernwasserleitung durchaus zweck-maßig sein, ein Teilstuck der Trasse als Siphon(Duker) anzulegen. Betrachten wir die bekanntenDruckleitungsstrecken bei Pergamon, Aspendosund Patara (Turkei), Lyon (Frankreich) undAlmunecar (Spanien), dann wird deutlich, dasseine solche Einrichtung ab einer bestimmten Tiefeund Breite des zu durchquerenden Taleinschnit-tes wirtschaftlich war. Diese Grenze der Wirt-schaftlichkeit von Aquaduktbrucken war imHohenbereich von 40 bis 50 Meter erreicht undbei einer Talbreite, die etwa im Kilometerbereichlag.

Vitruv beschreibt auch dieses Spezialproblemim Wasserleitungsbau im achten seiner zehnBucher uber Architektur schon recht anschau-lich: „Sind aber ausgedehnte Taler da, dann wirdman die Leitung am Abhang entlang herab-fuhren. Wenn man ins Tal gekommen ist, wird einso hoher Unterbau aufgefuhrt, dass die Leitungeine moglichst lange Strecke die gleicheNiveauhohe hat. Dies aber wird der ‘Bauch’sein, den die Griechen Koilia nennen. Kommtdann die Leitung an die andere ansteigendeSeite, dann schwillt das Wasser infolge deslangen Zwischenraumes, den der Bauch bildet,leicht an und durfte wohl zum Kamm der Hohehinaufgedruckt werden.“

Die bei Vitruv schon im 1. Jahrhundert v. Chr.nachzulesende Beschreibung konnen wir in denoben angefuhrten Bauwerken detailgetreu wie-derfinden. Einfach gesagt wird bei diesemVerfahren die Hohenlage der Taluberquerungweitmoglichst talwarts verlegt und dort alsBruckenbauwerk ublichen Zuschnitts errichtet.Zu einer solcher Siphonbrucke fuhrt von der aufder bergseitigen Talkante ankommenden Frei-spiegelleitung eine Rampe hinunter, und jenseitsdes Tales steigt nach dem Ende der Siphon-brucke eine Rampe wieder bergan, um imGegenhang wieder knapp die Ausgangshohezu erreichen. Dieses Bauwerk ist die Substruktionfur die eigentliche Druckleitung, die auf diesemBaukorper in Form vonStein-, Blei- oder Tonrohrenverlegt wird. Am Beginn und am Ende desSiphons waren Freispiegelbecken installiert, indenen der Ubergang von der Rinne in dieRohrstrecke und umgekehrt stattfand.

Betrachten wir drei nach dem verwendetenRohrmaterial unterschiedliche Druckleitungs-strecken naher, so wird beim Beispiel der Leitung

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fur Aspendos noch ein zusatzliches Problemoffenbar: Hier finden wir nicht nur die technischeEinrichtung von Rampen und „Bauch“, sondernein zusatzliches Bauelement an zwei Stellen in derDruckleitungsstrecke, in denen die Trasse auchnoch seitlich abknickt. In diesen horizontalenKnickpunkten sah man offenbar die gleicheGefahr wie in dem von Vitruv beschriebenen„Knie“ und hat an diesen Stellen zur Druck-minderung Leitungsturme (Colliquiariae) ange-legt:

„Wenn aber kein Bauch in den Talniederungenangelegt und kein waagerechter Unterbau her-gestellt ist, sondern ein Knie, dann wird dasWasser durchbrechen und die Verbindungsfugender Rohren sprengen. Auch muß man in demBauch Kolliquiarien anlegen, damit durch sie derLuftdruck gemindert wird.“

In Aspendos setzen zwei solcher Leitungs-turme noch heute ganz besondere Akzente inder Landschaft (Abb. 16). Die aus den Bergenkommende Wasserleitung quert die breite Tal-senke vor dem Erreichen des Stadtberges alsDruckleitung, und in den beiden Knickpunktenim Verlauf dieser Strecke wird das Wasser aufRampen zu einem Freispiegelbecken hinauf –und danach in den nachsten Abschnitt desSiphons wieder hinabgefuhrt. Anschließend anden ersten Leitungsturm verlauft die Drucklei-tung auf einer niedrigen horizontalen Brucke,eben dem Vitruvschen „Bauch“, um im nachstenKnickpunkt wieder auf einen solchen Turmgefuhrt zu werden. Der dritte tiefliegende Druck-leitungsabschnitt fuhrt dann wiederum zum Endeeiner Rampe, die nun in Versorgungshohe amStadtrand liegt.

Von der eigentlichen wasserfuhrenden Druck-leitung ist in Aspendos in situ nichts mehr zufinden, die ehemals verwendeten Steinrohreliegen in der Umgebung verstreut oder sind ineiner mittelalterlichen Straßenbrucke als Bau-material wiederverwendet worden. Es handeltsich um aus Steinblocken mit quadratischemQuerschnitt herausgearbeitete Rohre, die mitMuffen zur gegenseitigen Verbindung versehenwaren. In den Bergen bei Patara, ebenfalls in derTurkei gelegen, ist eine solche Stein-Druckrohr-leitung noch in ihrer ursprunglichen Lage zufinden (Abb. 17).

Die vier auf das antike Lugdunum/Lyon(Frankreich) zufuhrenden Leitungen besitzen

alle jeweils mindestens eine große Siphonstreckein ihrem Verlauf, eine davon sogar wie inAspendos durch einen Leitungsturm (Les Touril-lons) unterbrochen. Anders aber die verwendetenMaterialien: hier fuhren von den Einlaufbeckennebeneinander verlegte Bleirohre auf den Ram-pen durch das Tal.

Im Beispiel der Gier-Leitung durch das Yzeron-Tal waren zehn solcher Rohrleitungen nebenein-ander in einem starken Mortelpaket verlegt.Beeindruckend sind auch die technischen Datendieser Taluberquerung: Lange der verrohrtenStrecke: 2600 Meter, Tiefgang: 123 Meter; derAuslauf liegt 9,20Meter tiefer als der Einlauf. Auchdie Lyoner Duker weisen die von Vitruv geforder-ten horizontalen Strecken zwischen den Fußpunk-ten der jeweiligen Rampen auf, sie bilden imTalgrund die eigentlichen Brucken uber denGewassern. Die Yzeron-Siphonbrucke ist immer-hin noch 269 Meter lang und fuhrt auf 30Bogenstellungen in 17,40Meter Hohe dasWasseruber den Fluss.

Auf die in Lyon ehemals verwendeten Bleirohrekann allerdings nur noch aus dem restlichenBaubefund geschlossen werden, denn auchdieses Material war in nachromischer Zeit einbegehrter Grundstoff fur eine sekundare Verwen-dung. Rechnen wir das fur den Yzeron- Siphonverwendete Blei einmal zusammen, so kommenwir bei 10 � 2,6 Kilometer auf eine Gesamtlangevon 26 Kilometer Bleirohr, was einer Menge von2000 Tonnen Blei entspricht.

Wegen der Verschiedenheit im verwendetenMaterial sei noch eine weitere Druckrohrleitungaus romischer Zeit angefuhrt. NachVitruvwar diesdas preiswerteste Verfahren, einen Duker zubauen: „Will man aber mit weniger Kosten (eineWasserleitung anlegen), muß man folgenderma-ßen verfahren: Man stelle Rohren aus dichtem Tonher, nicht weniger als zwei Zoll stark, aber so, dasssich diese Rohren an einem Ende zu einer Zungeverjungen, so dass die eine Rohre in die anderehineingehen und hineinpassen kann. Ihre Fugenaber sind mit ungeloschtem Kalk, der mit Olunterzoqen ist, zu verstreichen.“

Reste einer solchen Druckrohrleitung findenwir in Almunecar, sudlich von Granada (Spanien).Die Technik der Anlage entspricht der zuvorbeschriebenen, lediglich das Material der Rohrebesteht in diesem Falle aus Ton.

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Abb. 16: Aspendos (Turkei), 40 m hoher Turm zur Druckentlastung einer Druckleitung.

Abb. 17: Patara (Turkei), Steinrohre einer Druckleitung.

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Kleinbauwerke(Einstiegschachte, Sammelbecken,Tosbecken, Absetzbecken)

Zum Betrieb einer großen Fernwasserleitungwaren zwischen der Wasserfassung und derinnerstadtischen Wasserverteilung einige tech-nische Einrichtungen erforderlich, die neben dengroßen Brucken und Tunneln durchaus auchErwahnung finden mussen: die Kleinbauwerke.Der mit begehbarem Querschnitt ausgestatteteKanal musste zum Zwecke der Revision naturlichnicht von einem Ende bis zum anderenbegangen werden, sondern dazu waren inbestimmten Streckenabschnitten Einstiegmog-lichkeiten angelegt worden. Im Verlauf derEifelwasserleitung nach Koln sind rund einDutzend solcher Einstiegschachte gefundenworden, die in manchen Abschnitten dichtbeieinanderliegen, woanders aber nur vereinzeltangetroffen worden sind.

Abb. 18 Eifelwasserleitung nach Koln, Tosbeckenzum Hohenausgleich in einer Baulosgrenze einerFernwasserleitung bei Mechernich-Lessenich.

Abb. 19: Eifelwasserleitungnach Koln, Tosbecken zumHohenausgleich in einer Bau-losgrenze einer Fernwasserlei-tung bei Mechernich-Lesse-nich.

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Die Schachte haben als Querschnitt die lichteWeite des unterirdischen Kanals, denn dessenSeitenwangen sind im Schacht bundig hoch-gezogen. Die Aussparung im Gewolbe ist saubergesetzt, darauf sitzen die beiden quer zumLeitungsverlauf angeordneten Schachtwande.Dieser kaminartige Aufsatz des Kanals reichteauch nach der Abdeckung der Leitung noch uberdas Erdreich hinaus. Ein vollstandiger Einstieg-schacht ist zwar nirgends gefunden worden, aberanzunehmen ist, dass sie ehemals bis in Brust-hohe aufrecht standen und mit Steinplattenabgedeckt waren. Durch derartige Einstiegewar also die Moglichkeit zur Revision desLeitungsinnern gegeben. Ein Mann des War-tungspersonals konnte in bestimmten zeitlichenAbstanden einsteigen und im Kanalinnern desseneinwandfreien Zustand uberprufen. Storungsmog-lichkeiten waren durchaus gegeben, denn durchErdrutsche oder kleine Beben konnte das Mauer-werk geborsten sein, ohne dass der Schaden sichobertagig angezeigt hat. Es konnten aber auchFremdkorper in die Rinne gelangt sein: InEuskirchen-Kreuzweingarten fanden sich beieiner Ausgrabung im Kanal stark versinterteBaumwurzeln, die den Abfluss des Wassersnaturlich behindert hatten.

Ein Problem fur sich war die Versinterung desKanalgerinnes. Die Vorliebe der Romer furkalkhaltiges Wasser hatte zwangslaufig denNachteil, dass sich ein Teil des KalkgehalteswahrenddesTransportesaufderSohleundandenWangen niederschlug. Im Laufe der Zeit bildetesich eine dicke Schicht von Kalksinter, die denQuerschnitt der Leitungen immer mehr einengte.

Beispiele fur die Leitungsversinterung findensich uberall dort, wo kalkhaltiges Wasser trans-portiert worden ist. Wer beispielsweis den Pont duGard bei Nımes (Frankreich) einmal besucht undin der Kanalrinne die Brucke passiert hat, der istdort auf einer machtigen Sinterschicht gegangen,die auch die Wangen noch hoch bedeckt.

In Punkten der Zusammenfuhrung zweierLeitungsstrange hatte es zu hydraulischenProblemen kommen konnen. Um einen Ruckstauin einem der Kanale zu vermeiden, ließ manentweder beide Trassen nicht hohengleich auf-einanderstoßen oder baute ein regelrechtesSammelbecken. Ein solches wurde 1960 inMechernich-Eiserfey ausgegraben und ist seit2005 wieder zuganglich (Abb. 20).

Ein wichtiges Element imZuge einer romischenFernwasserleitung war die Reinigung des Was-sers auch von den darin befindlichen Schweb-

stoffen. Dieser Wasserklarung dienten kurz vorden Stadten im Leitungsverlauf installierte Ab-setzbecken. Das Funktionsprinzip ist einfach,denn in einem solchen Absetzbecken wird derDurchfluss verlangsamt, das Wasser kann sichetwas beruhigen, und Fremdkorper konnen sichabsetzen.

An verschiedenen Orten haben sich Absetz-becken noch hervorragend erhalten, so bei Metzund Segovia (Spanien). Diese Bauwerke hatten inder Regel noch eine zweite Funktion zu erfullen,namlich die eines Ableitungsbeckens vor einemobertagigen Bauwerk. In Metz liegt das Absetz-becken im Hang direkt vor der großen Aquadukt-brucke uber die Mosel und in Koln am Anfang derehemaligen Hochleitung im Verlauf der erstenFernwasserleitung der Romerstadt aus demVorgebirge (Abb. 21). In beiden Fallen war durcheinen seitlichen Uberlauf im Becken neben derKlarfunktion zusatzlich noch die Moglichkeitgegeben, das Wasser vor den Brucken abzu-leiten, um diese anfalligen Bauwerke fur Repara-turarbeiten trockenlegen zu konnen.

Auch in Segovia hat es einer solchen Ein-richtung bedurft, sie ist dort aber nicht imAbsetzbecken untergebracht, sondern als eigen-standigesAbleitungsbecken direkt vor der großenAquaduktbrucke.

Abb. 20: Eifelwasserleitung nach Koln, Sammelbeckenim Schnittpunkt zwei Leitungsarme bei Mechernich-Eiserfey.

Abb. 21: Eifelwasserleitung nach Koln, Absetzbeckenzur Klarung des Wassers vor der Stadt im KolnerGrungurtel.

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Innerstadtische Wasserverteilung undAbwasserentsorgung

Mit dem Erreichen der Stadtmauer begann einneuer Abschnitt in der Wasserversorgung einerromischen Stadt. Hier musste das Wassergesammelt, notfalls auch gespeichert werden.Dann musste es auf die verschiedenen Stadtteileverteilt werden und dort unterverteilt werden zuden stadtischen Laufbrunnen, den offentlichenBade- und Toilettenanlagen sowie an die Haus-haltungen, die sich einen privaten Wasseran-schluss leisten konnten.

Wo anders ließe sich die Technik einerinnerstadtischen Wasserverteilung besser nach-vollziehen als in einer Stadt, deren antiker Zustandgleichsam in einer Momentaufnahme versiegeltworden ist – so wie es beim Ausbruch des Vesuvsam 24. August 79 n. Chr. mit der zu seinen Fußenliegenden Stadt Pompeji geschah. Die Aus-grabungen der letzten Jahrzehnte brachtenauch die komplette Wasserversorgung der Stadtwieder an das Tageslicht.

Wasserspeicher

Im Normalfall durchstieß die Wasserleitung dieStadtmauer in einer Hohe, die innerhalb der Stadteinen ausreichenden Druck fur die Weitervertei-lung in einemDrucknetz bereitstellen ließ. Dort, woes notwendig war, fullte sie einen Behalter,wodurch eine gewisse Wasserbevorratung auchin wasserarmen Zeiten moglich war. DerartigeEndspeicher konnen Großen aufweisen, die unsallein von ihren Dimensionen her heute noch starkbeeindrucken.

Der Speicher am Endpunkt der 132 KilometerlangenWasserleitung vomDjebel Zaghouan nachKarthago (Tunesien) hatte bei einer Grundflachevon 39 � 155 Metern ein Fassungsvermogen vonrund 30 000 Kubikmetern. Das dokumentiertnaturlich einmal mehr die besonderen Verhalt-nisse der Wasserversorgung in den sudlichenProvinzen des romischen Weltreiches. Eine ein-zigartige Zweckentfremdung hat ubrigens derantike Wasserbehalter von Tabarka (Tunesien)erfahren: Er wurde nach seiner Außerbetrieb-nahme zur Kirche umfunktioniert. Und wenn mansich das Innere dieses Bauwerkes anschaut, wirdman feststellen, dass dazu kaum bauliche Veran-derungen vorzunehmen waren.

Ein solcher Eindruck ist in vortrefflicher Weiseauch im gerade restaurierten Wasserbehalter„PiscinaMirabilis“ in Bacoli amKapMisenum (Golfvon Neapel) zu gewinnen. 48 Pfeiler tragen die

Gewolbe der funf Langs- und 13 Querschiffedieser 72 � 26 Meter messenden Halle.

Wasserverteiler und Wassernutzung

Innerhalb der Stadte war das Wasser dann ineinem Drucknetz zu verteilen. Vitruv spricht zwarauch dieses Problem an, aber sein Vorschlag voneiner „sozialen“ Wasserverteilung, die im Falle derWasserknappheit nacheinander die privatenHaushalte, dann die Thermen und zuletzt dieoffentlichenBrunnen trockenlegenwurde, hat sichbisher an keinem Ort nachweisen lassen. So sindwir fur die Rekonstruktion dieses Verfahrens auchhier auf die archaologische Befundlage ange-wiesen.

Der Hauptverteiler von Nımes (Frankreich) gibtuns einen anschaulichen Einblick in das Verteiler-system dieser Stadt (Abb. 22). Das aus derFernwasserleitung von Uzes kommende Wasserfließt in ein kreisrundes Becken von etwa 6 MeterDurchmesser, von dem drei Leitungen im Bodenund zehn im Beckenrand abzweigen

Abb. 22: Nımes (Frankreich), Wasserverteiler.

In Pompeji konnen vom Hauptverteiler aus dreiverschiedene Druckleitungsnetze gespeist wer-den. Die Wasserleitung erreicht am Vesuv-Tor dieStadt, also an ihrer hochsten Erhebung, dadurchwar ein ausreichender Druck fur die Verteilungvorhanden. Im Hauptverteiler war der Zufluss zuden einzelnen Druckleitungsstrangen mittelsSchutzen abzusperren; davor angeordnete Re-chen hielten Fremdkorper zuruck, die dasRohrennetz hatten verstopfen konnen.

Die von hier ausgehenden drei Hauptleitungenverteilten das Wasser uber die Stadt, wobei abernoch einmal Verteilerturme zwischengeschaltetwaren. Diese Turme waren ein ganz wesentlichesElement im Stadtbild einer antiken Stadt. InPompeji findet man sie heute noch an vielen

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Straßenkreuzungen sinnvoll uber das Stadtgebietverteilt. Es handelt sich um rund 5 Meter hohe,aufgemauerte Pfeiler, die auf ihrer Krone einkleines Freispiegelbecken ragen. Diesem wurdevon einem der drei Hauptstrange uber eineSteigleitung das Wasser zugefuhrt. Die von hierabgehenden, kleiner dimensionierten Leitungs-rohre verteilten das Wasser im angeschlossenenStadtbezirk weiter. Der nachste Laufbrunnen lagmeist direkt zu Fußen eines Verteilerturmes. InPompeji sind die bisher gefundenen 40 Lauf-brunnen in einer Dichte uber das Stadtgebietverteilt, dass jeder Bewohner nicht mehr als 50Meter zu einer offentlichen Wasserstelle zu gehenhatte.

Da offentliche Brunnen nicht abzusperrenwaren, also standig Wasser uberfloss, warendiese Brunnen auch ein wesentlicher Faktor furdas Klima der Stadt: Das Uberlaufwasser sorgtefur eine stetige Durchspulung der Straßen undKanale, wodurch die Straßen vom Kehrichtsaubergehalten und die Luft von ublen Geruchenfreigehalten wurden.

Zu den Hauptwasserverbrauchern zahlten dieThermen. Diese großen Badeanlagen, die selbstin den entlegensten Provinzen zum taglichenLeben der Romer gehorten, benotigten einenstandigen Wasserzufluss zum Betrieb der kaltenundwarmenBader. Auch die Abortanlagen hatteneine dauernde Durchspulung eine Form derHygiene, die manchen Krankheitsherd von vorn-herein ausschaltete und die in nachromischer Zeiterst in unseren Tagen wieder erreicht worden ist.Dass es sich bei den Toiletten um gemeinschaft-liche Anlagen gehandelt hat, die gleichzeitig vonmehreren Personen benutzt werden konnten,magman durchaus noch der positiven Seite derromischen Lebensweise zurechnen; in fernseh-loser Zeit konnte hier jedenfalls ein wesentlicherTeil der taglichen Kommunikation stattfinden.

Die reichen Haushalte hatten in Pompeji einenprivaten Wasseranschluss. Eindrucksvolle Restedavon sind im so genannten „Haus der Vettier“und an einigen Nachbarhausern zu sehen. Hierwird die komplette Arbeit eines antiken Installa-teurs offenbar. In den freiliegenden Bleileitungen,die die Brunnen im Peristyl, aber auch dieHausanschlusse im Obergeschoss versorgten,sind die Hausverteiler ebenso zu sehen wie dieverschiedenen Armaturen, um einzelne Zapf-stellen zu- oder abschalten zu konnen.

Abwasser

Mit dem regen Verbrauch des Wassers war dasLeben zwar wesentlich angenehmer zu gestaltengewesen, aber da das Wasser dabei nichtvernichtet wurde, trat als Folgeerscheinungzwangslaufig das nachste Problem auf: dieAbwasserbeseitigung. Im romischen Koln lasstsich nachvollziehen, dass dieses Problem bereitsin der Konzeption zur Anlage der Stadt beruck-sichtigt wordenwar. Zugleichmit demAusbaudesStraßennetzes der im Jahre 50 n. Chr. gegrun-deten COLONIA CLAUDIA ARA AGRIPPINENSIUM (CCAA)ist auch das Kanalnetz gebaut worden.

Auch in Rom ist ein solcher Einblick in dieantike „Unterwelt“ heute noch moglich. Nahe derTiberinsel mundet die Cloaca maxima, derHauptkanal der romischen Stadtentwasserung,in den Fluss. Dieser Kanal ist zudem einMosaikstein bei der Betrachtung der Entwicklungdieser antiken Weltstadt. Seine Anfange liegenvermutlich unter Konig Tarquinius Priscus um 500v. Chr., als man damit beginnt, die Sumpfezwischen den Hugeln der Stadt trockenzulegen.Vermutlich liegen diesem Kanal etruskischeVorbilder zugrunde. Der offen gefuhrte Entwas-serungsgraben folgte der Tallinie zum Tiber, wirdspater ausgebaut und uberbaut und hat wegendieser Entwicklung heute noch seinen windungs-reichen Verlauf.

Diese zwei prachtigen Beispiele fur stadtischeKanalisationen mogen genugen, um aufzuzeigen,dass mit dem Ausbau einer Wasserversorgungzwangslaufig eine Entsorgung einhergehenmusste. Es gehorte zum Standard des urbanenLebens der romischen Epoche, mit gutem Trink-wasser versorgt zu sein – und auch von denAbwassern wieder befreit zu werden.

Vermessungsmethoden beim Bau vonFernwasserleitungen

Wir wissen von der Tunnelbaustelle im Zuge derromischen Wasserleitung nach Saldae/Bejaıa(Algerien), dass die Hauptrichtungsabsteckungvon dem eigens von der Legion angefordertenLibrator Nonius Datus durchgefuhrt worden ist.Nach seiner Abreise von der Baustelle habennamlich die mit der Feinabsteckung wahrend desBaubetriebes beauftragten Bauleute „Fehler uberFehler“ gemacht, fur deren Ausgleichung derIngenieur eigens noch einmal anreisen musste.Eine derartige Arbeitsteilung im Verlauf derErrichtung eines Wasserleitungstunnels legt dieVermutung nahe, auch bei der Trassierung einerFernwasserleitung habe ein mit entsprechendem

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Gerat ausgerusteter und speziell fur derartigeArbeiten ausgebildeter Fachmann die Haupt-absteckung der Trasse mit dem Generalnivelle-ment durchgefuhrt, wobei dann sicherlich auch ineinem Zuge die Baulose eingeteilt worden sind.Dieses Generalnivellement wird mit dem genaue-sten zur Verfugung stehenden, also dem zeit-genossisch modernsten Instrumentarium durch-gefuhrt worden sein – etwa dem bei Vitruvbeschriebenen Chorobat (Abb. 23).

Der absteckende Ingenieur war naturlich dar-uber hinaus in der Lage, am Beginn eines jedenBaulosesdasfurdiesenAbschnittgeplanteGefalleanzugeben, gegebenenfalls mittels zweier Mess-pflocke zu vermarken. Mit einer solchen Vorgabewar es dann durchausmoglich, dass die Bauleutedas Gefalle der Kanalsohle innerhalb ihrer Bau-stelle selbststandig abgesteckt haben. Dazu warein spezielles Gerat uberhaupt nicht mehr er-

forderlich,denndasnunmehrgleichmaßigeGefalleinnerhalb des Bauloses war auf einfachste Weisemittels „Austafeln“ abzustecken. Das „Austafeln“ist imKanalbauheutenurnochseltengebrauchlichund wird nach und nach durch mit Laserstrahlenausgerustete Instrumente abgelost. Es werdendafur drei T-formige Tafeln benutzt, deren Quer-balken etwa in Brusthohe angebracht sind. Zweidieser Tafeln werden auf Holzpfahlen aufgestellt,die als Festpunkte mit einem das geplante Gefallebildenden Hohenunterschied vermarkt wordensind. Durch Peilung mit bloßem Auge werden nundieOberkantenderbeidenTverlangert,undaufdersich daraus ergebenden Gefallelinie wird dieOberkante des dritten T eingerichtet. Liegen alsoalle drei Tauf einer optischen Gefallelinie, so kannam Fuß des dritten Tein Holzpfahl eingeschlagenwerden, wodurch das Gefalle fur einen weiterenPunkt der Trasse abgesteckt ist.

Abb. 23: Chorobates, romisches Nivelliergerat nach Vitruv, Rekonstruktionsversuch von W. Ryff.

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Auf diese Weise fahrt man mit fortschreiten-dem Baubetrieb auf der Trassenlinie einesBauloses fort und kommt irgendwann zumBaulosende oder zum nachsten Festpunkt desHauptnivellements. Diese fortschreitende Abstek-kung hatte aber genau das zur Folge, was unsheute an den Stoßstellen zweier Nivellements-abschnitte auffallt: Hier wurde namlich die Summeder vielen kleinen, sich beim Austafeln fort-pflanzenden (systematischen) Fehler offenkun-dig. DenBauleutenmuss dabei klar gewesen sein,dass sie im Anschlusspunkt keinesfalls zu tiefankommen durften; entsprechend vorsichtig, d. h.nach oben orientiert, werden sie sich beimAustafeln vorgearbeitet haben.

Die archaologischen Ergebnisse von Siga(Algerien) und Mechernich-Lessenich machendiese Vorgehensweise deutlich. In Siga ist dasAustafeln des Gefalles im ersten von dreiuntersuchten Abschnitten offensichtlich gut ge-lungen, denn der Anschlusspunkt wurde hohen-gleich getroffen, und es konnte ohne Korrektur inden nachsten Abschnitt ubergegangen werden.Beim Austafeln des zweiten Abschnitts hat sichdann ein Hohenfehler von 0,93 Meter summiert,der im Anschlusspunkt zum dritten Abschnittoffenkundig geworden ist. Eine Korrektur dieserAbweichung vom Sollwert hatte nun bedeutet,dass die Grabensohle des gesamten zweitenAbschnittes kontinuierlich tiefer zu legen gewesenware. Diese aufwandige Baukorrektur war abernicht zwingend notwendig, da auch die feh-lerhafte Absteckung noch mit einem genugendgroßen Gefalle versehen war. Man hat die zu einerbaulichen Korrektur eigentlich notwendigen Erd-arbeiten vermieden und statt dessen den drittenAbschnitt in der neu vorgegebenen Hohenlagebegonnen. Fur diesen Abschnitt war nun aber einentsprechend verstarktes Gefalle abzustecken,um nach Moglichkeit den vorgegebenen Zwangs-punkt am Ende dieses dritten Abschnittes wiederzu erreichen.

Es sei noch einmal erwahnt, dass diese Art derFeinabsteckung nicht unbedingt der Anwesenheitdes Ingenieurs auf der Baustelle bedurft hat,sondern durchaus vom „Polier“ in eigener Verant-wortung betrieben werden konnte. Siga ist nun einBeispiel dafur, wie der am Ende der Austafelungs-strecke aufgetretene Fehler im anschließendenGefalleabschnitt ausgeglichen werden konnte, dadie gesamte Leitung von einem Bautrupp gebautworden ist. Anders bei der EifelwasserleitungnachKoln. Durchdie Aufteilung derGesamttrassein verschiedene Baulose traf ein Bautrupp amEnde seines Leitungsabschnittes auf den Anfang

des jeweils nachsten Bauloses. Und da dieAbschnitte immer von ihrem hochsten Punktausgehend ausgebaut worden sein mussen, trafman an der Abschnittsgrenze in manchem Fallewahrscheinlich auf den schon fertig errichtetenKanal des nachsten Bauloses. Ein Hohenfehlerwar also im Anschlussgefalle nicht mehr auszug-leichen; statt dessen musste ein Hohenubergangaus dem zu hoch liegenden Kanal in den tieferliegenden Anschluss des nachsten Bauloseseingebaut werden.

In Mechernich-Lessenich haben wir offensicht-lich eine genau diesem Zweck dienende Ein-richtung in Form eines kleinen Tosbeckens voruns. Dieses Becken, an Stelle einer einfachenHohenstufe in den Kanalverlauf eingeschaltet,bewirkte den Uberlauf des Wassers von einemAbschnitt in den anderen, ohne dabei hydrauli-sche Probleme zu verursachen (Abb. 18 und 19).

Neben einer exakten Feinabsteckung desGefalles fur den zu errichtenden Baugraben,bei der der Anschlusspunkt zum nachstenAbschnitt hohengleich getroffen werden musste,war im romischen Wasserleitungsbau nachunserer Erkenntnis also nur eine Art von Fehlerzulassig: dann namlich, wennder Anschlusspunktzu hoch erreicht wurde, das Gefalle also zu flachabgesteckt worden war. Lag dieser Fehler inner-halb einer noch akzeptablen Toleranzgrenze, sohat man es vermieden, die Grabensohle imgesamten Bauabschnitt noch einmal nachzuar-beiten, sondern hat den Fehler entweder durchBerucksichtigung im Anschlussgefalle ausgegli-chen oder das Wasser mittels eines kleinenKunstbauwerks in den tiefer gelegenen An-schlusskanal ubergeleitet.

Wir sollten uns dabei auch die auf diese Weiseeingesparte Menge von Erdreich und Fels vorAugen halten, die bei einem Nacharbeiten derGrabensohle noch zu bewegen gewesen ware:Auf 1480 Metern hatte in einem 1,5 Meter breitenGraben ein Fehler von 0,93 Meter einen weiterenAushub von rund 1000 Kubikmeter erforderlichgemacht. Diese gewaltige Zusatzarbeit erklartvielleicht, warum man es vorgezogen hat, stattdessen nach Ersatzmaßnahmen zu suchen, dieweniger Aufwand erfordert haben.

Nun haben die weiteren Forschungen derletzten Jahre auch bezuglich der Planung undTrassierung romischer Wasserleitungen neueForschungsergebnisse gebracht. Dabei hat sichbestatigt, dass das Gefalle der Eifelwasserleitungnach der Methode des Austafelns abgestecktworden sein muss. Mit dem Austafeln stand den

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romischen Baumeistern zwar eine probate Me-thode der Gefalleabsteckung zur Verfugung(Abb. 24), diese hatte jedoch einen Nachteil.Beim Austafeln bewegt man sich namlich nicht –wie beim geometrischen Nivellement – auf derErdkrummung, sondern auf der Tangente zurErdkrummung, und mit der Lange der aus-getafelten Strecke nahm die Auswirkung derErdkrummung auf die abgesteckte Hohe uber-proportional zu.

Abb. 24: Bei der Gefalleabsteckung nach der Methodedes Austafelns werden die Einflusse der Erdkrummungnicht eliminiert.

Man musste also beim Zusammentreffenzweier Baulose mit dem Ende des oberenBauloses zwanglaufig zu hoch auf das Anschluss-baulos treffen. Da im Falle der Eifelwasserleitungnun auch Streckenabschnitte ermittelt werdenkonnten, uber die ein gleiches Gefalle angelegtwurde, kann auch die Auswirkung des Austafelnsauf die Hohenabsteckung im Bereich der Bauloseprazisiert werden.

Fur das Baulos oberhalb des LessenicherTosbeckens lassen sich rund 30 cm Hohen-abweichung errechnen, die durch die Auswirkungder Erdkrummung auf das Absteckverfahrenverursacht sind. Da wir in der Baulosgrenze vonMechernich- Lessenich einen Hohenversprungvon 38 cm vorgefunden haben, sind diese 30 cmbei einer Fehlerbetrachtung folglich in Abzug zubringen. Es bleibt also ein wesentlich kleinererMessfehler festzustellen, als es der erste An-schein vermuten ließ. Dem romischen Baumeisterist also eine großtmogliche Prazision bei derAusfuhrung seines Bauwerkes zu bescheinigen.

Fassen wir zusammen: Der Absteckung vonHauptpunkten nach Lage und Hohe im Verlaufeiner Wasserleitungstrasse hatten der Ausbau

einer Arbeitsterrasse und die Installation desSteinkanals zu folgen. Wir unterscheiden dabeizwei Arten des Trassenausbaus. Bei relativ kurzenFernwasserleitungen wurde der Kanal an derWasserfassung beginnend in einem Zuge er-richtet; das Gefalle errechnete sich in diesemFalle aus der Energiehohe und der Trassenlange.

Langere Leitungstrassen wurden aus baube-trieblichen Grunden in mehrere Baulose eingeteilt.Der Ausbau begann in jedem Baulos an dessenoberem Ende und folgte der Feinabsteckung desfur den jeweiligen Gefalleabschnitt geplantenGefalles. Dieses Sollgefalle hat zumeist einrundes Maß betragen (etwa 0,3 Prozent = 3romische Fuß auf 1000), welches am Anfang desjeweiligen Gefalleabschnittes sorgfaltig in Fest-punkten abgesteckt und vermarkt war. Diefortschreitende Gefalleubertragung erfolgte inbeiden Fallen proportional, moglicherweise durcheine Methode, die man im Kanalbau mancherortsheute noch anwendet: das „Austafeln“. Einevorsichtige Vorgehensweise bei dieser Art vonHohenubertragung hat dann verschiedentlich zueinem fehlerhaften (zu hohen) Hohenanschlussim nachsten Hohenfestpunkt der Trasse gefuhrt.Ein Nacharbeiten der Baugrube war nicht nurunwirtschaftlich, sondern wegen eines fortge-schrittenen Baubetriebes in manchem Falle auchnicht mehr moglich; der Hohenausgleich musstealso im Bereich der Stoßstelle vorgenommenwerden.

Beim Trassenausbau in einem Zuge war dasinsofern unproblematisch, als man den Fehlerermitteln und im anschließenden Gefalleabschnittberucksichtigen konnte. Fur diese Vorgehens-weise gibt uns die romische Wasserleitung vonSiga (Algerien) ein Beispiel, denn ein in einemHohenfestpunkt aufgetretener Fehler wurdedurch ein vom Sollwert abweichendes Anschluss-gefalle wieder ausgeglichen. War die gesamteWasserleitungstrasse allerdings in mehrere Bau-lose aufgeteilt, so traf man am Ende einesBauloses zwangslaufig auf den bereits fertigge-stellten Anfang des anschließenden Bauloses. Beider zuvor beschriebenen Art der Gefalleabstek-kung hatte das zur Folge, dass wegen derAuswirkungen der Erdkrummung auf dieseAbsteckmethode nicht zu vermeidenden Hohen-differenzen nur noch durch den Einbau einerHohenstufe, bei großeren Abweichungen einesregelrechten Tosbeckens aufgehoben werdenkonnten. Beide Moglichkeiten sind im Zuge derEifelwasserleitung zur Anwendung gekommen.

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Bildnachweis: Alle Abbildungen vom Verfasser

Anschrift des Verfassers

Dipl.-Ing. Dr. Klaus Grewe: Landschaftsverband Rheinland /Rheinisches Amt fur Bodendenkmalpflege; EndenicherStr. 133; D-53115 Bonn; e-mail: [email protected];www.klaus-grewe.de

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