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– 1 – Kamran Barin, PhD Assistant Professor Emeritus The Ohio State University Medical Center Wendy Crumley-Welsh Otometrics Produktmanagerin – Balance Products VERLAUFSKONTROLLE EINER VESTIBULOPATHIE Bildmaterial gestellt von Dr. Jorge Kattah und Dr. Nicolas Perez Symptome nach einer Vestibulopathie Einseitige zentrale und periphere Vestibulopathien verursachen zwei Arten von Symptomen und Anzeichen, die im Laufe der Zeit aktiv kompensiert werden: Statische Symptome zeigen sich, wenn der Kopf nicht bewegt wird, und sie treten meist während der akuten Phase der Läsion auf. Durch den Prozess der statischen Kompensation gehen die Symptome nach einigen Tagen zurück. • Schwindel • Spontannystagmus • Gleichgewichtsstörungen/Standunsicherheit • Übelkeit • Erbrechen Dynamische Symptome zeigen sich bei Bewegungen des Kopfes und machen sich meist nach Abklingen der statischen Symptome be- merkbar. Im Zuge des Prozesses der dynamischen Kompensation verringern sich die dynamischen Symptome in der Regel innerhalb von einigen Tagen oder Wochen. Die Wiederherstellung der vestibulären Funktion erfolgt anhand des neurophysiologischen Prozesses der vestibulären Kompensation. Bei rund 20-30 Prozent der Patienten mit einer einseitigen vestibulären Störung dauern die Symptome an. 6 • verminderter vestibulo-okulärer Gain bei Drehen des Kopfes hin zur betroffenen Seite • Verlust von Sehschärfe bei Kopfbewegungen • Gleichgewichtsstörungen/Gangunsicherheit • Kopfschüttelnystagmus Veränderungen bei vestibulären Testergebnissen infolge von Kompensation Die allgemeine, im Laufe der Zeit erfolgende und mit zentralen Veränderungen einhergehende Wiederherstellung der vestibulären Funktion wird als vestibuläre Kompensation bezeichnet. Für das Management von Patienten mit vestibulären Störungen ist es wichtig, Informationen über den Status ihrer vestibulären Kompensation zu bekommen. Im Folgenden werden Ergebnisse von vestibulären Tests vorgestellt, die sich mit fortschreitender Kompensation ändern. Spontannystagmus: Die Intensität des vestibulären Nystagmus geht mit fortschreitender Kompensation zurück. Tag 1: Patient sitzend, ohne Fixation, Spontannystagmus 7 Grad/Sekunde nach links und 5 Grad/Sekunde nach unten (Z.n. Neuritis vestibularis) HR = Horizontal Rechts, VR = Vertikal Rechts Vestibuläre Rehabilitation

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Kamran Barin, PhDAssistant Professor Emeritus The Ohio State University Medical Center

Wendy Crumley-WelshOtometrics Produktmanagerin – Balance Products

VERLAUFSKONTROLLE EINER VESTIBULOPATHIE

Bildmaterial gestellt von Dr. Jorge Kattah und Dr. Nicolas Perez

Symptome nach einer VestibulopathieEinseitige zentrale und periphere Vestibulopathien verursachen zwei Arten von Symptomen und Anzeichen, die im Laufe der Zeit aktiv kompensiert werden: Statische Symptome zeigen sich, wenn der Kopf nicht bewegt wird, und sie treten meist während der akuten Phase der Läsion auf. Durch den Prozess der statischen Kompensation gehen die Symptome nach einigen Tagen zurück.

• Schwindel• Spontannystagmus• Gleichgewichtsstörungen/Standunsicherheit• Übelkeit• Erbrechen

Dynamische Symptome zeigen sich bei Bewegungen des Kopfes und machen sich meist nach Abklingen der statischen Symptome be-merkbar. Im Zuge des Prozesses der dynamischen Kompensation verringern sich die dynamischen Symptome in der Regel innerhalb von einigen Tagen oder Wochen. Die Wiederherstellung der vestibulären Funktion erfolgt anhand des neurophysiologischen Prozesses der vestibulären Kompensation. Bei rund 20-30 Prozent der Patienten mit einer einseitigen vestibulären Störung dauern die Symptome an.6

• verminderter vestibulo-okulärer Gain bei Drehen des Kopfes hin zur betroffenen Seite• Verlust von Sehschärfe bei Kopfbewegungen• Gleichgewichtsstörungen/Gangunsicherheit• Kopfschüttelnystagmus

Veränderungen bei vestibulären Testergebnissen infolge von KompensationDie allgemeine, im Laufe der Zeit erfolgende und mit zentralen Veränderungen einhergehende Wiederherstellung der vestibulären Funktion wird als vestibuläre Kompensation bezeichnet. Für das Management von Patienten mit vestibulären Störungen ist es wichtig, Informationen über den Status ihrer vestibulären Kompensation zu bekommen. Im Folgenden werden Ergebnisse von vestibulären Tests vorgestellt, die sich mit fortschreitender Kompensation ändern.

Spontannystagmus: Die Intensität des vestibulären Nystagmus geht mit fortschreitender Kompensation zurück.

Tag 1: Patient sitzend, ohne Fixation, Spontannystagmus 7 Grad/Sekunde nach links und 5 Grad/Sekunde nach unten (Z.n. Neuritis vestibularis) HR = Horizontal Rechts, VR = Vertikal Rechts

Vestibuläre Rehabilitation

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Tag 3: Patient sitzend, ohne Fixation, kein Nystagmus vorhanden

Tag 1: Blick geradeaus, sitzend, mit Fixation, Spontannystagmus 9 Grad/Sekunde linksschlagend und 36 Grad/Sekunde aufwärts schlagend (Z.n. zentraler Störung)

Tag 3: Blick geradeaus, sitzend, mit Fixation, Spontannystagmus 5 Grad/Sekunde linksschlagend und 7 Grad/Sekunde aufwärts schlagend

Tag 7: Blick geradeaus, sitzend, mit Fixation, Spontannystagmus 0 Grad/Sekunde linksschlagend und 3 Grad/Sekunde aufwärts schlagend

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Skew-Deviation: Die durchschnittliche Verschiebung der Augenposition geht mit fortschreitender Kompensation zurück. Tag 1 & Tag 3: Bei zugedecktem Auge erfolgt eine Verschiebung der Augenposition um 4 Grad horizontal nach rechts (Hypotropie rechts) und 6,8 Grad nach unten.

Tag 7: Blick geradeaus, sitzend, mit Fixation, Spontannystagmus 0 Grad/Sekunde linksschlagend und 3 Grad/Sekunde aufwärts schlagend

Aufholsakkaden beim Videokopfimpulstest (vKIT): Vestibuläre Erholung bezeichnet die vollständige Wiederherstellung des VOR. Der ipsiläsionale Kopf-Impuls-Test zeigt einen Gain im Normbereich und es finden sich keine Aufholsakkaden. Dies ist bei Patienten mit Neuritis vestibularis berichtet worden (Manzari et al. 201111). Eine vestibuläre Kompensation kann auch dann erfolgen, wenn die Funktionsfähigkeit des vestibulären Systems nicht wiederhergestellt ist. Die Latenz der Aufholsakkaden geht zurück und die Sakkaden wechseln bei fortschrei-tender Kompensation zunehmend von der overten zur coverten Form. Es sind Fälle beobachtet worden, in denen der Gain wieder auf normale Werte zurückgeht, während Overt-Sakkaden noch gut beobachtbar sind. „Die Covert-Sakkade hat den Effekt, die Auswirkung des unilateralen vestibulären Ausfalls auf den permanenten dynamischen vestibulo-okulären Reflexdefizit zu minimieren, da die Sakkade den Retinal-Smear minimiert und die sakkadische Suppression die Perzeptionserfahrung weiter reduziert” (MacDougall & Curthoys, 201210). Patienten mit „schlechter Kompensation” produzieren in der Regel weniger Covert-Sakkaden beim Videokopfimpulstest. Batuecas-Caletrio et al. berichten, dass in einer langfristigen Studie bei 22 Prozent der Patienten nach operativer Entfernung eines vestibulären Schwannoms eine bestimmte Abnormität des VOR zu beobachten war, da nach einer Auslösung des Reflexes im KIT zufällige Refixationssakkaden auftra-ten. Diese Patienten litten stärker unter einer vestibulären Beeinträchtigung und Behinderung.2

Wie Schubert et al.14 berichteten: „Covert- (oder kompensatorische) Sakkaden wirkten sich stark reduzierend auf mit aktiven und passi-ven Kopfimpulsen einhergehende Augenpositionsfehler aus.“ N.B. Bei einem aktiven Kopfimpuls bewegt der Patient den Kopf selber; bei einem passiven Kopfimpuls wird der Kopf des Patienten vom Untersucher bewegt.

Videokopfimpulstest (vKIT): Mögliche Verschiebung bei Aufholsakkaden von Overt- zu Covert-Sakkaden

Frühe Neuritis vestibularis: Die Untersuchung des rechten lateralen Bogengangs ergab einzelne Overt- und Covert-Sakkaden bei 200-400 Millisekunden. Die Untersuchung des linken lateralen Bogengangs ergab Overt-Sakkaden, welche auf der kontraläsionalen Seite auftreten können. Es ist nicht ungewöhnlich, einen Rückgang im kontraläsionalen VOR-Gain von rund 10 Prozent zu beobachten.

Späte Neuritis vestibularis: Die Untersuchung des rechten lateralen Bogengangs ergab gehäufte Overt- und Covert-Aufholsakkaden mit Covert-Sakkaden bei 90-140 Millisekunden.msec

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5. Curthoys IS und Halmagyi GM (1999) Vestibular compensation. Adv Otorhinolaryngol. 55, 82–110.

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9. MacDougall HG, Weber KP, McGarvie LA, Halmagyi GM und Curthoys IS (2009) The video head impulse test: diagnostic accuracy in peripheral vestibulopathy. Neurology 73, 1134–1141.

10. MacDougall HG und Curthoys IS (2012) Plasticity during vestibular compensation: the role of saccades. Front Neur. 3:21. doi: 10.3389/fneur.2012.00021

11. Manzari L, Burgess AM, MacDougall HG und Curthoys IS (2011) Objective verification of full recovery of dynamic vestibular function after superior vestibular neuritis. Laryngoscope 121, 2496–2500.

12. Palla A und Straumann D (2004) Recovery of the High-Acceleration Vestibulo-ocular Reflex After Vestibular Neuritis. J Assoc Res Otolaryngol. 5, 427–435 DOI: 10.1007/s10162-004-4035-4.

13. Schubert MC et al. Mechanism of dynamic visual acuity recovery with vestibular rehabilitation. Arch Phys Med Rehabil. 2008; 89 D3:500–7.

14. Schubert MC et al. Oculomotor strategies and their effect on reducing gaze position error. Otol Neurotol. 2010; 31 (2):228–31.

15. Scherer M, Migliaccio AA und Schubert MC. Effect of vestibular rehabilitation on passive dynamic visual acuity. J Vestib Res. 2008;18(2–3):147–57.

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17. Weber KP, Aw ST, Todd MJ, McGarvie LA, Curthoys IS und Halmagyi GM (2009) Horizontal head impulse test detects gentamicin vestibulotoxicity. Neurology 72, 1417–1424.

Diese Tabelle zeigt den Augenpositionsfehler (gaze-position error, GPE), ein Maß für die Differenz zwischen der tatsächlichen Augenposition und der Zielposition nach Anhalten des Kopfes, an. Je kleiner die Zahl, desto kleiner der Augenpositionsfehler; 0 bedeutet fehlerfrei. VOR mit/ohne Covert-Sakkaden bezieht sich auf die Beteiligung des VOR und etwaiger Covert-Sakkaden an der Augenbewegung und damit an der Fehlerkorrektur. Bei einseitiger vestibulärer Unterfunktion ist der Augenpositionsfehler bei Ausbleiben von Covert-Sakkaden größer (schlimmer), sowohl beim aktiven als auch beim passiven Kopfimpulstest. Bei der beidseitigen vestibulären Unterfunktion besteht nur bei VOR mit Covert-Sakkaden ein signifikanter Unterschied zwischen aktiven und passiven Kopfimpulsen.

Rehabilitierung: Im Rahmen der vestibulären Physiotherapie erlernen Patienten Übungen für zu Hause, die die Blickinstabilität (und posturale Instabilität) verbessern sollen. Die Blickstabilitätsübungen sollen das Gehirn dazu herausfordern, während der Rotation des Kopfes

die Augen still zu halten, wenn der vestibulo-okuläre Reflex (VOR) das nur ungenügend schafft. Es deutet einiges darauf hin, dass dies auf zweierlei Weise geschieht: einmal durch eine Zunahme der vestibulär generierten Geschwindigkeit der langsamen Phase (VOR-Gain) und zum anderen durch eine Zunahme der Co-vert-Sakkaden.

Mehr Forschung benötigtIm Zuge der Entwicklung und Verbreitung des Videokopfimpul-stests hoffen wir, mehr über die kritische Rolle von Sakkaden und vom vestibulo-okularen Gain bei der vestibulären Kompen-sation zu erfahren. Was löst beim Patienten Covert-Sakkaden aus? Warum produzieren manche Patienten diese Sakkaden und kompensieren ohne Schwierigkeiten, während andere das nicht tun und weiterhin unter ihrer Störung leiden? Wie kann Patienten im Rahmen der vestibulären Rehabilitation geholfen werden, Covert-Sakkaden zu produzieren? Gelingt es allen Patienten, die Covert-Sakkaden produzieren, ihre Störung gut zu kompensieren?

Augenpositionsfehler am Ende des ipsiläsionalen aktiven und passiven Kopfimpulses

VOR mit Covert-Sakkaden VOR ohne Covert-Sakkaden

Einseitige vestibuläre Unterfunktion

Aktiv 3.4 +/- 1.6 9.3 +/- 4.1

Passiv 5.9 +/-2.7 9.1 +/-2.4

Beidseitige vestibuläre Unterfunktion

Aktiv 4.3 +/-1.9 keine Angaben (weniger als 2 Durchläufe)

Passiv 7.1 +/-3.0 6.7 +/- 1.1

Diese Tabelle wurde mit Genehmigung von Dr. Schubert reproduziert.14

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