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STEVEN JOHNSON WO GUTE IDEEN HERKOMMEN

Steven JohnSon Wo gute Ideen herkommen - Penguin Random … · Irrtum VI. eXAPtAtIon VII. PlAttformen Schlussbemerkung der vIerte QuAdrAnt danksagung ... Doch Darwins eigentliches

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Steven JohnSonWo gute Ideen herkommen

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Steven JohnSon

eine kurze geschichte der Innovation

Wo gute

IDEENherkommen

Aus dem Amerikanischen von mIchAel PfIngStl

ANACONDA

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Genehmigte Lizenzausgabe für Anaconda Verlag GmbHCopyright ©Originaltitel: Where good Ideas come from. The Seven Patterns of InnovationOriginalverlag: This edition published by arrangement with Riverhead Books a member of Penguin Group (USA) Inc. Copyright © Steven Johnson, 2010Deutsche Erstausgabe: SCOVENTA Verlagsgesellschaft mbH

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe 2017 Anaconda Verlag GmbH, KölnAlle Rechte vorbehalten.Umschlagmotiv und -gestaltung: Anja FuchsSatz und Layout: Anja Fuchs, www.anjafuchs.comPrinted in Czech Republic 2017ISBN [email protected]

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Für Peter

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vorwort von Jürgen kaube

Einleitung

rIff, StAdt, netz

I.

dAS nächStmöglIche

II.

flÜSSIge netzWerke

III.

dIe lAngSAme Ahnung

IV.

SerendIPItät

V.

Irrtum

VI. eXAPtAtIon

VII. PlAttformen

Schlussbemerkung

der vIerte QuAdrAnt

danksagungChronologie der wichtigsten Innovationen, 1400 – 2000Wenn Sie weiterlesen möchten

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InhAltSverzeIchnIS

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Einleitung

rIff, StAdt, netz

… Und wie die schwangre Phantasie Gebilde

Von unbekannten Dingen ausgebiert,

Gestaltet sie des Dichters Kiel, benennt

Das luftge Nichts und gibt ihm festen Wohnsitz.

—William Shakespeare, Ein Sommernachtstraum, Akt V, Szene 1

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darwins Paradoxon

4. April 1836. Der während der Regenzeit beständig über dem östlichen Indischen Ozean wehende Monsun lässt allmählich nach, und an seine Stelle treten ruhig-heitere Sonnentage. Das smaragdgrüne Wasser um die Kokosinseln, eine Inselgruppe etwa eintausend Kilometer westlich von Sumatra, die aus zwei kleinen Atollen und siebenundzwanzig Koralleninseln besteht, ist einladend ruhig und warm. Der weiße Korallensand lässt das Meer leuchten, und an einer Stelle ist die sonst oft harsche Brandung so niedrig, dass Charles Darwin unter dem weiten, blauen Tropenhimmel unbeschwert zum Rand des Korallenriffs waten kann, das die Insel wie ein Ring umgibt.

Stunde um Stunde verbringt er mal stehend, mal schwimmend auf dem vor Leben nur so wimmelnden Riff. Darwin ist zu diesem Zeitpunkt siebenundzwanzig Jahre alt und elftausend Kilometer von London entfernt. Inmitten des unergründlichen Ozeans, auf der Spitze eines unterseeischen Berges stehend, beginnt er, eine Theorie zu entwickeln, welche Kräfte diese Erhebung geschaffen haben könnten. Das Ergebnis dieser Überlegungen wird sich später als die erste große Entdeckung seiner wissenschaftlichen Karriere

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erweisen. Doch er geht auch anderen Gedanken nach, Ideen eher, noch vage und ohne Form, die sich schließlich zur größten intellek-tuellen Leistung des 19. Jahrhunderts herauskristallisieren werden.

Um ihn herum schimmert das Korallenriff, dazwischen hu-schen seine unzähligen Bewohner umher. Die Vielfalt ist überwälti-gend: Falterfische, Preußenfische, Papageienfische, Napoleonfische, Kaiserfische, golden schimmernde Fahnenbarsche, die über den brokkoliartigen Korallen Plankton fressen, Seeigel und Anemo-nen, die ihre Stacheln und Tentakel ins tropische Wasser strecken. Darwin ist entzückt von dem Anblick, aber sein Geist versucht bereits, das hinter der schillernden Fassade liegende Geheimnis zu ergründen. In dem vier Jahre später veröffentlichten Bericht über die Fahrt mit der Beagle wird Darwin schreiben: »Es mag einem Betrachter verziehen werden, wenn er schier überwältigt ist von der unendlichen Zahl organischer Lebewesen in der tropischen See, doch wie ich finde, ließen jene Naturforscher, die mit wohl-bekannten Worten die mannigfaltige Schönheit der unterseeischen Grotten beschrieben haben, sich zu einer allzu überschwänglichen Sprache hinreißen.«

Was Darwin die darauffolgenden Tage und Wochen beschäfti-gen wird, ist nicht »die mannigfaltige Schönheit der unterseeischen Grotten«, sondern die »unendliche Zahl organischer Lebewesen«. Flora und Fauna der Kokosinseln selbst sind äußerst karg. Außer Kokospalmen, Flechten und ein paar Gräsern gibt es fast nichts. »Die Liste der an Land lebenden Tiere«, so Darwin, »nimmt sich sogar noch kläglicher aus als die der Pflanzen.« Ein paar Ei-dechsen, nur sehr wenige echte Landvögel und die erst kürzlich hinzugekommenen Ratten, die mit den Schiffen der Europäer eingeschleppt wurden. »Der einzig dort heimische Vierfüßer ist das Schwein«, notiert er geringschätzig. Doch nur wenige Meter von diesem trostlosen Habitat entfernt blüht das Leben zwischen

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den Korallenriffen in einer gewaltigen Vielfalt, wie sie sonst nur in den tropischen Regenwäldern zu finden ist. Und das ist das eigentliche Mysterium: Wie kann das Wasser rund um die Atolle Grundlage für so viele verschiedene Lebensformen sein? Nimmt man an einer beliebigen Stelle im Indischen Ozean eine Probe von, sagen wir, dreißigtausend Litern Wasser und analysiert sie auf vorhandenes Leben, wird man kaum mehr finden als Darwin auf dem Festland der Kokosinseln. Mit etwas Glück vielleicht ein Dutzend Fische –im Bereich des Riffs hingegen wären es mindes-tens tausend. Darwin vergleicht die Reichhaltigkeit des Ökosystems auf dem Korallenriff mit einer blühenden Oase in einer Wüste. Dieses Phänomen wird auch das »darwinsche Paradoxon« genannt. Damit ist der Widerspruch gemeint, wie in derart nährstoffarmem Wasser so viele ökologische Nischen als Existenzgrundlage für so reichhaltiges Leben vorhanden sein können. In etwa ein Promille der Erdoberfläche ist von Korallenriffen bedeckt, und doch be-herbergen sie ungefähr ein Viertel aller bekannten im Meer vor-kommenden Lebensformen. Als Darwin 1836 dort in der Lagune steht, kennt noch niemand diese Zahlen, doch hat er auf seiner mittlerweile vierjährigen Reise mit der Beagle genug gesehen, um zu wissen, dass etwas ganz Besonderes an diesen vor Leben nur so strotzenden Gewässern ist.

Am nächsten Tag wagt sich Darwin mit dem Kapitän der Beagle, Vizeadmiral James Fitz Roy, auf die dem Wind zugewandte Seite des Atolls. Dort beobachten sie, wie gewaltige Wellen gegen die weißen Korallen krachen. Als Europäer ist Darwin eher die ruhigeren Gewässer des Ärmelkanals gewohnt und entsprechend beeindruckt von den hohen Wellen. In Die Fahrt der Beagle schreibt er: »Die Brecher haben beinahe die gleiche Kraft wie die während eines Sturms in den gemäßigten Zonen, und sie rollen ohne Un-terlass.« Doch Darwins eigentliches Interesse gilt etwas anderem,

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nämlich nicht der Gewalt des anstürmenden Wassers, sondern dem Riff und den winzigen Organismen, die es gebaut haben und der Gewalt der Brecher widerstehen.

»Der Ozean, der unablässig seine Wellen gegen das breite Riff schleudert, scheint ein unbesiegbarer, allmächtiger Feind, und doch sehen wir, wie eine andere Kraft ihm widersteht, ihn sogar besiegt, und das mit Mitteln, die zunächst schwach und unge-eignet erscheinen. Der Ozean verschont die Korallenfelsen nicht: Die großen Bruchstücke, die über das Riff verteilt liegen und sich am Strand anhäufen, sind deutliche Belege für die unerbittliche Kraft der Wellen … und doch halten die flachen und unschein-baren Koralleninseln stand, tragen gar den Sieg davon, denn eine weitere Macht steht ihnen zur Seite: Organische Kräfte trennen Stück für Stück die Kalziumkarbonatatome aus den schäumenden Brechern und verbinden sie zu symmetrischen Strukturen. Mag der Hurrikan sie auch in tausend Stücke zerschlagen, was kann er schon ausrichten gegen das gemeinschaftliche Werk von Myriaden Architekten, die Monat für Monat, Tag und Nacht daran arbeiten?«

Darwin interessiert sich für diese mikroskopisch kleinen Archi-tekten, weil er glaubt, dass sie der Schlüssel sind zu dem Geheimnis, das zu lösen die Beagle zu den Kokosinseln aufgebrochen ist. In dem Memorandum der Admiralität, das die fünfjährige Reise autorisiert, steht die Erforschung der Entstehung von Atollen ganz oben auf der Liste. Darwins Mentor, der brillante Geologe Charles Lyell, hatte kurz zuvor die Theorie aufgestellt, Atolle wären unter-seeische Vulkane, die durch Bewegungen der Erdkruste nach oben gedrückt wurden. Nach Lyells Theorie kommt die charakteristische kreisrunde Form eines Atolls von Korallenkolonien, die auf dem Rand des Vulkankraters Riffe ausbilden. Darwin wurde in seinem Denken stark von Lyells Verständnis der geologischen Tiefenzeit geprägt, aber jetzt, da er vom Strand aus die Brecher beobachtet,

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die gegen die Korallen schlagen, weiß er, dass sein Mentor bei der Entstehung von Atollen unrecht hat. Es ist kein rein geologisches Phänomen, sondern hat mit der innovativen Beharrlichkeit des Lebens auf der Erde zu tun. Und während Darwin über dieser Frage brütet, rührt sich in ihm noch ein anderer Gedanke: eine größere, umfassendere Theorie, mit der sich die unglaubliche Viel-falt biologischer Innovation auf der Erde erklären ließe. Das »luftge Nichts« nimmt ganz allmählich Gestalt an.

Als er sich Tage später wieder an Bord der Beagle befindet, holt Darwin sein Notizbuch hervor und schreibt seine Gedanken zu dem faszinierenden Kampf zwischen Brandung und Korallen nieder. Wie als Vorausahnung auf die berühmteste Passage der Entstehung der Arten, die er dreißig Jahre später veröffentlichen würde, schreibt Darwin: »Ich weiß nicht, weshalb, aber es liegt etwas Erhabenes im Anblick der äußeren Ufer dieser Lagunenin-seln.« Es sollte zwar noch etwas dauern, aber es kam der Tag, da wusste Darwin, weshalb.

die superlineare Stadt

Der Schweizer Biologe Max Kleiber war schon immer etwas un-konventionell. Als Student schlenderte er in den 1910er Jahren mit offenem Hemdkragen und Sandalen durch die Straßen Zürichs und stieß so die braven Mitbürger vor den Kopf. Während seiner Dienstzeit in der Armee erfuhr er, dass seine Vorgesetzten die Deutschen mit Informationen versorgten, obwohl die Schweiz im Ersten Weltkrieg offiziell neutral war. Aus Protest erschien er einfach nicht zum nächsten Appell, was ihm eine siebenmonatige Haftstrafe einbrachte. Als arrivierter Biologe hatte Max Kleiber schließlich genug von den Restriktionen der Züricher Gesellschaft