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Seminar Mikrosoziologische Theorien Thema: Menschliche Intersubjektivität HS 09 Prof. Dr. Jörg Rössel Referat von Silvana Treichler & Bianca Zeuner 28. September 2009

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SeminarMikrosoziologische TheorienThema: Menschliche Intersubjektivität

HS 09Prof. Dr. Jörg Rössel

Referat von Silvana Treichler & Bianca Zeuner28. September 2009

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Menschliche IntersubjektivitätAblaufErster Teil1. George Herbert Mead2. Taking the role or attitude of the other3. Gestenkonverstation4. Gesten als signifikante Symbole

Zweiter Teil5. Theory of Mind / Intentionalität6. Intentionales Handeln

6.1 Entwicklung 6.2 Individuelle Intentionalität bei Tieren?

7. Kollektive Intentionalität 7.1 Entwicklung7.2 Kinder mit Autismus und Affen

8. Verbindung zwischen den Autoren

Dritter Teil9. “A unifying view of the basis of social cognition”

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1. George Herbert Mead• Zur Person: Sozialpsychologe und Sozialphilosoph

• Vertreter des sozialen Behaviorismus

• Kritik am klassischen Behaviorismus

• Stimulus Response

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2. Taking the role or attitude of the other • Übersetzung:

attitude = Haltung oder Einstellung: Bereitschaft zu Handeln

• „put oneself in the place of the other“ oder „take the perspective of the other“=Perspektivenübernahme

• Begriff der „Rolle“

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3. Gestenkonversation• Szene 1: Zwei Hunde begegnen sich auf dem

Spaziergang. Hund Aragon knurrt, Hund Bello duckt sich. Daraufhin beschnuppert Aragon den Hintern von Bello.

Ein Beispiel für die Gestenkonverstion aus dem tierischen Alltag.

• Aragon beginnt Handlung A mit Geste a (Knurren)• Bello reagiert auf a mit Geste b (Ducken)• Aragon reagiert auf b mit Geste c (Beschnuppern)

• instinktiv-gesteuerter Interaktionsprozess• frühkindliche Interaktion

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4. Gesten als signifikante Symbole

• Szene 2: Ein Kind geht an die Kekspackung. Die Mutter ertappt es dabei und ermahnt es laut. Das Kind rennt erschrocken davon und weint. Plötzlich jedoch bleibt es stehen, schaut erwartungsvoll zur Mutter und ermahnt sich selbst „nein nein nein!“. Die Mutter kommt dazu und schimpft weiter mit dem Kind.

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4. Gesten als signifikante Symbole• Mutter beginnt die Handlung A mit der Geste a

(Ermahnung)

• Das Kind reagiert auf a mit der Geste b (wegrennen und weinen)

• Geste b ruft aber im Kind selbst eine weitere Geste hervor

• Kind reagiert mit Geste r(Stehenbleiben und Schimpfen)

• Mutter reagiert auf b mit der Geste r (weiterschimpfen)

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4. Gesten als signifikante Symbole

• Das Kind stimuliert sich selbst

• „The very sound, gestures, especially vocal gestures, which man makes in addressing others, call out or tend to call out responses for himself. He cannot hear himself speak without assuming in a measure the attitude which he would have assumed if he had been addressed in the same words by others.“ (Cook, S. 82)

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3 Voraussetzungen:

• Ein Individuum kann sich nur durch seine eigene Gestik stimulieren, wenn es die Impulse spürt und besitzt, die es durch seine Stimulation freigibt.

• Selbststimulation kann nur erfolgreich sein, wenn die Geste die gleiche Antwort beim Individuum selbst, wie bei den verschiedenen Interaktionspartnern hervorruft.

• Alle in einem „social act“ beteiligten Seiten müssen über im wesentlichen ähnliche Gesten verfügen und diese müssen ebenfalls beiden Seiten vertraut sein.

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Weitere Anwendungen diese Konzeptes:

• Innerer Dialog

• Entwicklung des individuellen Selbstvertrauens

• Entwicklung sozialer Strukturen

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5. Theory of Mind / IntentionalitätIntentionalität: Fähigkeit, sich gehaltvoll auf Gegenstände undSachverhalte in der Welt zu beziehen, diese zu repräsentieren• Individuelle Intentionalität 1. Ordnung

– Fähigkeit die Welt zu repräsentieren wie sie ist (Wahrnehmung und Gedächtnis)

– Fähigkeit zu repräsentieren, wie die Welt sein soll (absichtliches, planvolles Handeln)

• Individuelle Intentionalität 2. Ordnung– Sich selber und andere als intentionale Wesen wahrnehmen

• Kollektive Intentionalität: Intentionale Einstellungen mit anderen teilen zu können, also über eine gemeinsame Intentionalität zu verfügen („Wir- Intentionalität“)

• Aus diesen Vermutungen über dem Geist (Intentionalität) entstand das Forschungsfeld der „Theory of Mind“ in der Entwicklungspsychologie.

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6. Intentionales HandelnWie funktioniert intentionales Handeln?

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Intentionales Handeln ist der Plan einer Handlung, den wir uns aussuchen um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Hier--> 1. Ziel: offene Box2. Handlungsplan: Mit dem Schlüssel die Box öffnen

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6.1 EntwicklungDie Neun-Monatsrevolution (Rakoczy) (vgl. „play“ bei Mead)

Frühe sozial-kognitive Revolution gegen Ende des ersten Lebensjahres --> Entstehen einfacher Formen von Intentionalität zweiter Ordnung: Kinder nehmen andere als Subjekte war, die die Welt wahrnehmen und die in ihr intentional handeln

Triadische Interaktion: Es wird nicht mehr nur ein Objekt oder ein Mensch angeschaut, sondern auch dem Blick einer Person auf ein bestimmtes Objekt gefolgt (Folgen eines Blickes oder Zeigegeste)

Sie folgen desweiteren den Handlungen anderer mit Gegenständen und lernen diese durch Imitation.

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Im ersten Lebensjahr können Kinder schon zwischen 3 Stufen von Handlungen unterscheiden (vgl. „play“ bei Mead):

A) lebendinges Handeln: Der Beobachter erkennt, dass eine Handlung aus Eigeninitiative entsteht. Lernen was ein Handelnder in typischen Situationen macht.

B) Ziele verfolgen: Der Beobachter versteht, dass der Handlende ein Ziel (der Handlung) hat und dieses erreichen möchte

C) Pläne auswählen: Der Beobachter versteht, dass der Handelnde Handlungspläne hat & Entscheidungen trifft um Ziele zu erreichen.

Hinzu kommt: Cultural learning, speziell „imitative learning“: Das Verhalten des Akteurs wird analysiert und dann wird geschlussfolgert: --> „When i have the same goal i can use this action plan“.

Haupterkenntnis: 1 Jahr alte Kinder lernen also zusätzlich auch, wie man Dinge in ihrer Kultur macht.

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6.2 Individuelle Intentionalität bei Tieren?Frühere Studien liessen bei Menschenaffen auf keine Hinweise

individueller Intentionalität 2. Ordnung (das verstehen von anderen und sich als intentional handelnden Subjekten) schliessen --> Erklärung: Sprache & Kultur beim Menschen sind der Grund warum Primaten darüber nicht verfügen.

Neuere Studien zeigen jedoch: • Primaten sind in stark kompetitiven Situationen zum

Perspektivenwechsel fähig (verstehen, dass andere und sie selbst zu einem Zeitpunkt unterschiedliche Dinge sehen können)

• Fähigkeiten systematischer und rationaler Imitation• Verstehen und differenzieren intentionaler Strukturen von

Handlungen--> auch Affen verfügen über individuelle Intentionalität 2.

Ordnung

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7. Kollektive Intentionalität• Zwei oder mehr Personen teilen eine intentionale

Einstellung: „Wir glauben, wir beabsichtigen..“

• ist nicht die Summe einzelner Ich-Einstellungen

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Wie funktioniert gemeinsame Intentionalität?

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Zwei Handelnde besitzen ein gemeinsames Ziel (Box öffnen) und eine gemeinsame Intention. Beide Handelnde wählen ihren individuellen Handlungsplan (einer hält die Box, der andere schneidet), wobei sie auch den ihres Partners kennen.

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7.1 Entwicklung

Ab dem 1. Lebensjahr sind Kinder in soziale Interaktionen verschiedenster Weise involviert, je nach dem mit mehr oder weniger Beteiligung an den Aktivitäten.

A) Dyadisches Beziehungsmuster: Verhalten & Emotionen teilen

B) Triadisches Beziehungsmuster : 9-12 Monate --> Ziele mit einem Partner teilen (vgl. Stufe „play“ bei Mead)

C) Kollaboratives Beziehungsmuster: 12-15 Monate --> gemeinsame Intention und Aufmerksamkeit

Hinzu kommt: cultural creation --> Kinder partizipieren nicht nur am cultural learning, sie formulieren auch gemeinsame Ziele und Intentionen --> Sie beteiligen sich in aktiver kultureller Kreation (cultural creation)

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Die Vier-Jahres Revolution (Rakoczy) (vgl. „game“bei Mead)

Kinder können ab dem 4. Lebensjahr versch. intentionale Aufgaben erstmals lösen

Es gibt Tests, welche die verschiedenen Verständnisleistungen untersuchen, hier 2 Beispiele:

“Unexpected Content“ False Belief Aufgabe:http://www.youtube.com/watch?v=MapnGqrY_jw

„Perspektivenwechsel“ Aufgabe:http://www.youtube.com/watch?

v=OinqFgsIbh0&feature=related

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7.2 Kinder mit Autismus & Affen• Inwiefern verstehen autistische Kinder (die andere Menschen

nicht verstehen/mit ihnen interagieren) gemeinsame Intentionalität?

• Inwiefern verstehen Primaten (unsere nahesten Verwandten) gemeinsame Intentionalität?

--> Autistische Kinder sowie Affen verstehen Handlungen als zielorientiert, was einen sozialen Lernprozess beweist, jedoch ist er nicht so weit entwickelt wie bei 1-2 Jahre alten Kindern.

--> Keiner der beiden Spezialfälle folgt einem der 3 verschiedenen Beziehungsmuster gemeinsamer Intentionalität

--> keine Motivation Aufmerksamkeit mit anderen zu teilen--> keine Motivation / Kapazität Dinge auf kognitiver Ebene mit

anderen zu teilen--> daraus folgt eine sehr limitierte Fertigkeit Kulturelles

mit anderen zu kreieren

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8. Verbindung zwischen den AutorenA) Rakoczystützt seinen Text sehr auf Tomasello: starke Gemeinsamkeiten

B) Tomasellobetont im Gegensatz zu Mead • mehr kulturelle Aspekte: „cultural learning“ & „cultural creation“• das Konzept Intentionalität stärker

C) Meadhingegen thematisiert• vor allem Einstellungs- und Rollenübernahme --> Verhaltenskontrolle im

Spiegel des Gegenübers• Selbststimulation

Gemeinsamkeiten: Betonung der Veränderungen in den sozialkognitiven Fähigkeiten von Kindern!

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9.“A unifying view of the basis of social cognition”• Forschungsfrage: Wie verstehen Individuen die

Handlungen und Emotionen von anderen Menschen?

• Wie wird geforscht? Welche Experimente? Ergebnisse

• Vorgehen:– Experimente mit Affen und Menschen – Messung der Gehirnaktivitäten in verschiedenen

Situationen mit Hilfe eines MRI

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1. Selbst Handlungen ausführen

2. Einer anderen Person bei derselben Handlung zuschauen

Gleiche Hirnaktivität!

„the observer understands the actions because he knows its outcomes when he does it.” (Gallese, S. 396)

Handlungen und Emotionen verstehen

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Danke für Eure Aufmerksamkeit!

• ??Fragen??

• Diskussion:– 1. Aggressionen und Gewalt: Lässt sich Meads Konzept der

Perspektivenübernahme auch auf Streit, Missverständnisse und Aggressionen ausdehnen?

– 2. Religionspsychologie: Das Gebet ist eine Geste, gerichtet an ein als allmächtig gedachtes Gegenüber. Im Grunde geht es dabei nur um die Selbststimulation des Betenden.

– 3. Interpersonales Handeln: Von der erklärenden Soziologie zur Entwicklungspsychologie --> gehört dieses Themengebiet überhaupt noch zur Soziologie, wenn alle neuen Entwicklungen nicht innerhalb unserer Disziplin stattfinden?

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