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Research Collection
Doctoral Thesis
Beitrag zur Kenntnis des Fixierungsmechanismus vonReaktivfarbstoffen auf Cellulose
Author(s): Henzi, Hans Beat Rudolf
Publication Date: 1964
Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000105026
Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted
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ETH Library
https://doi.org/10.3929/ethz-a-000105026http://rightsstatements.org/page/InC-NC/1.0/https://www.research-collection.ethz.chhttps://www.research-collection.ethz.ch/terms-of-use
Prom. Nr. 3546
Beitrag
zur Kenntnis des Fixierungsmechanismus
von Reaktivfarbstoffen auf Cellulose
Von der
EIDGENÖSSISCHEN TECHNISCHEN
HOCHSCHULE IN ZÜRICH
zur Erlangung
der Würde eines Doktors der technischen Wissenschaften
genehmigte
PROMOTIONSARBEIT
vorgelegt von
HANS BEAT RUDOLF HENZI
dipl. Ing.-Chem. ETH
von Bern
Referent: Herr Prof. Dr. H. ZollingerKorreferent: Herr Prof. Dr. H. Hopff
Juris -Verlag Zürich
1964
Meinen lieben Eltern in
Dankbarkeit gevidmet
Meinem verehrten Lehrer
Herrn Prof. Dr. H. Zollinger
möchte ich für das mir und meiner Ar¬
beit stets entgegengebrachte Interesse
meinen aufrichtigen Dank aussprechen.
INHALTSVERZEI CHNIS
Seite
EINLEITUNG 1
THEORETISCHER TEIL 3
I. REAKTIVSYSTEME 3
1.1. Eigenschaften von Reaktivfarbstoffen 3
1.2. Färberisches Verhalten von Reaktivfarbstoffen 5
II. UEBER DEN FIXIERUNGSMECHANISMUS VON REAKTIVFARBSTOF¬
FEN AUF CELLULOSE 8
11.1. Kinetische Untersuchungen an Reaktivfarbstoffen
im homogenen Medium 8
11.1.1. Einleitung 8
11.1.2. Hydrolyse und Alkoholyse von Farbstoffen
mit halogenhaltigen heterocyclischen
Reaktivsystemen 8
11.2. Reaktionen von Reaktivfarbstoffen mit Cellulose-
modellen im homogenen Medium 15
11.3. Reaktionen von Reaktivfarbstoffen mit Cellulose
im heterogenen Medium 17
11.4. Die Fixierungsreaktion von Reaktivfarbstoffenmit Gelenkanordnung 21
11.5. Der Einfluss der Assoziation bei Substantiven
Farbstoffen 28
III. DARSTELLUNG DER MODELLFARBSTOFFE 37
111.1. Herstellung der Zwischenprodukte 37
111.1.1. Synthese der (u-(p-Aminophenyl)-fett-säure-amine 37
111.1.2. Synthese der (»-(p-Aminophenoxy)-fett¬säure-amine 39
111.2. Herstellung der Grundfarbstoffe 41
111.3. Einführung der reaktiven Trägergruppe in denGrundfarbstoff 43
EXPERIMENTELLER TEIL 46
Allgemeines 46
Seite
I. SYNTHESE DER ZWISCHENPRODUKTE (GRUPPE 2) 47
1.1. l-(p-Nitrophenoxy)-8-brom-octan (IIa) 47
1.2. l-(p-Nitrophenoxy)-8-phtalimido-octan (ill) 48
1.2.1. l-Phtalimido-5-brom-pentan (lib) 50
1.2.2. l-(p-Nitrophenoxy)-5-phtalimido-pentan 51
1.3. 1—(p-Nitrophenoxy)-8-amino-octan-hydrochlorid(IV) 51
1.4. l-(p-Aminophenoxy)-8-amino-octan-dihydrochlorid(V) 53
II. HERSTELIUNG DER GRUNDFARBSTOFFE 56
11.1. Farbstoff 0 (VII) 56
11.2. Farbstoffe B,C,E,T,P,D 57o' o' o' o' o' o
11.3. Farbstoff A 59o
II.3.1. Farbstoff A 59oo
III. HERSTELIUNG DER REAKTIVFARBSTOFFE 61
111.1. Farbstoff 0* 61
111.2. Farbstoffe B*, C*, E*, T*, P», D* 63
111.3. Farbstoff A* 65
IV. CHROMATOGRAPHISCHE REINIGUNG DER REAKTIVFARBSTOFFE 66
V. PAPIERCHROMATOGRAPHIE 68
VI. FAERBEVERSUCHE 70
VT.l. Allgemeine Methode 70
VI.2. Eichkurven und Fixierungsquote des Farb¬
stoffs C* 72
VI.3. Färbeversuche und Fixierungsquoten der Farb¬
stoffe A* - D* 74
VII. SPEKTROSKOPISCHE UNTERSUCHUNGEN 76
VII.1. Aufnahme und Auswertung der Absorptionsspektren76
VII.2. Bestimmung der Grenzkonzentration c* 76
VIII. BESTIMMUNG DER pK -WERTE DER FARBSTOFFE A* - P* 84
ZUSAMMENFASSUNG 89
- 1 -
EINLEITUNG
Seit der Einführung der Reaktivfarbstoffe im Jahre 1956 stand
im Vordergrund des Interessens die für die Theorie und Praxis
gleich wichtige Frage, warum die Reaktion der Reaktivgruppen mit
dem heterogenen Substrat der Cellulose bevorzugt und rascher ver¬
läuft als die Konkurrenzreaktion der Hydrolyse. Eine Erklärung
für die Bevorzugung der Cellulose wurde Ende der fünfziger Jahre
von Zollinger (l) gegeben. In vereinfachter Form ausgedrückt
nimmt er an, dass der Substantiv auf der Faser befindliche Farb¬
stoff nicht ohne weiteres mit dem Wasser reagieren kann, da im
Fall eines Chlortriazinfarbstoffs das austretende Chlorid-Ion in
Richtung auf die Faser ausweichen müsste und daran aus räumlichen
Gründen behindert wird. Die Hydrolyse dieses Farbstoffs ist ste-
risch gehindert, infolgedessen findet die Umsetzung überwiegend
mit der Cellulose statt. Sie Hypothese liess sich durch die Un¬
tersuchungen von Krazer (2) stützen. In seiner Dissertation über
den Fixierungsmechanismus von Reaktivfarbstoffen des Cibacron-
und Prociontyps auf Cellulose konnte er zeigen, dass durch den
Einbau von "Gelenken" in Form einer resp. zweier Methylengruppen
zwischen den chromogenen Teil und die reaktive Trägergruppe die
Fixierungsquote, d.h. das Verhältnis von total fixiertem Farb¬
stoff zu während der ganzen Färbezeit Substantiv aufgezogenem
Farbstoff, merklich erhöht wird. Nach Zollinger (l) ist zu erwar¬
ten, dass durch Verlängerung der aliphatischen Kette, bzw. mit
der Erhöhung der Anzahl Methylenglieder, die Fixierungsquote ein
Optimum durchläuft. Mit steigender Kettenlänge wird die Wahr¬
scheinlichkeit geringer, dass sich der Reaktivteil auf der Cel-
luloseoberflache befindet.
(1) H. Zollinger, Teitilrundschau 14, 112 (1959)f Chimia 15, 186~Tl96l)
(2) B. Krazer, Dissertation Universität Basel (i960)
- 2 -
In Anlehnung an die Arbeit von Krazer (2) besteht der Zweck
der vorliegenden Arbeit darin, die obige Hypothese mit Hilfe von
geeigneten Modellfarbstoffen, die nur in der Anzahl der Methylen¬
glieder variieren, neu zu überprüfen und die Fixierungsquote in
Abhängigkeit der Anzahl Methylengruppen zu bestimmen.
- 3 -
THEORETISCHER TEIL
I. REAKTIVSÏSTEME
1.1. Eigenschaften von Reaktivfarbstoffen
Ueher die geschichtliche Entwicklung der Reaktivfarbstoffe,
die sich als die wichtigste Entdeckung der letzten Jahre auf dem
Gebiet der FarbstoffChemie erwiesen haben, ist bereits in mehre¬
ren Publikationen ausführlich berichtet worden (2)(3)(4)(5). Wir
möchten daher auf eine weitere Darstellung dieses an und für sich
interessanten und wechselreichen Abschnitts in der Geschichte der
Reaktivfarbstoffe verzichten.
Als Reaktivfarbstoffe kommen prinzipiell sämtliche Verbin¬
dungen in Frage, die befähigt sind, mit alkoholischen Hydroxyl¬
gruppen unter Ausbildung einer kovalenten Bindung zu reagieren.
Aus diesem Grund würde man bei der grossen Anzahl solcher zur
Verfügung stehender Verbindungen erwarten, dass die technischen
Farbstoffe die verschiedenartigsten Reaktivsysteme enthalten wür¬
den. Es ist deshalb auf den ersten Blick erstaunlich, dass sich
nur ein paar wenige Reaktivgruppen in der Praxis durchsetzen konn¬
ten. Diese Tatsache lässt sich wohl damit erklären, dass die Reak—
tivsysteme über einige spezifische Eigenschaften verfügen müssen,
um den technischen Ansprüchen zu genügen. Auf der einen Seite
sollen solche Verbindungen genügend hydrolysenbeständig sein, um
sie aus wässrigen Lösungen zu applizieren, anderseits muss ihre
(3) I.D. Rattee, Das Färben von Textilien mit Procionfarbstoffen(I.C.I.) Kap. I, 1 (1963)
(4) T. Vickerstaff, J. Soc. Dyers Colourists 73.» 237 (1957)
(5) H. Zollinger, Angew. Chem. 73_, 125 (1961)
- 4 -
Reaktionsfähigkeit genügend gross sein, um zu energische Fixie-
rungsbedingungen, die zu einer Faserschädigung führten, vermei¬
den zu können. Gleichzeitig soll die Farbstoff-Faserbindung mög¬
lichst stabil sein. Die kovalente Bindung zwischen Farbstoff und
Faser muss veitgehend säure- und alkalibeständig sein, um die ge¬
bräuchlichen Nachbehandlungsoperationen zu ermöglichen. Schliess¬
lich sollen solche Systeme aus kommerziellen Erwägungen leicht
zugänglich und preiswert sein. Diese Forderungen an die Eigen¬
schaften von guten Reaktivsystemen schränken natürlich die Zahl
der technisch brauchbaren Gruppen gewaltig ein.
Es ist nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit, alle möglichen,
bis heute bekannten Reaktivsysteme aufzuzählen und zu besprechen.
Eine eingehende und umfassende Darstellung über die konstitutio¬
nellen Uerkmale der wichtigsten Reaktivgruppen geben Zollinger (5)
und Stamm (6). Im übrigen muss auf die Patentliteratur verwiesen
werden.
Die technisch bedeutsam gewordenen Reaktivsysteme lassen
sich auf Grund ihres Reaktionsmechanismus in zwei Hauptgruppen
einteilen. Man unterscheidet dabei zwischen reaktiven Träger¬
gruppen, die eine basische Abgangsgruppe (z.B. Chlor als Chlorid-
Ion) gegen ein Cellulose-Anion bzw. eine Aminogruppe bei der Wol¬
le, Seide und den Polyamiden nucleophil austauschen (Gruppe A)
und solchen Gruppen, die ein Cellulose-Anion und ein Proton (aus
dem Wasser) addieren (Gruppe B).
Zur Gruppe A gehören die Dichlortriazine (Procionfarbstoffe,
I.C.I.), die Monochlortriazine (Cibacronfarbstoffe, CIBA) und die
Dichlor- und Trichlorpyrimidine (Drimaren-, SANDOZ, bzw. Reakton-
farbstoffe, GEIGY).
Zur Gruppe B gehören die Vinylsulfone bzw. die Schwefelsäure¬
ester von ß-Hydroxyaethylsulfonen (Remazolfarbstoffe, HOECHST),
die Aethylenimine bzw. ß-substituierten Aethylamine (Levai*ixfarb-
stoffe, BAYER) und die Acrylamide (Primazinfarbstoffe, BASF).
(6) O.A. Stamm, Habilitationsarbeit E.T.H., Zürich (1963)
- 5 -
1.2. Färberisches Verhalten von Reaktivfarbstoffen
Wie schon im vorangehenden Abschnitt angetönt wurde, ist der
Charakter der Trägergruppe massgebend für das Verhältnis von Reak¬
tivität und Stabilität, vas sich implizite auch im färberischen
Verhalten offenbart und -wonach sich auch die zur Verfügung stehen¬
den Färbeverfahren richten müssen. So erfolgt bei den Procionfarb-
stoffen die Substitution der Chloratome bereits bei Zimmertempera¬
tur in Gegenwart von Soda, -während bei den Cibacronfarbstoffen
die nucleophile Substitution des Chloratoms energischere Bedingun¬
gen erfordert, z.B. erhöhte Temperatur und Alkalinität. Auch der
chromogene Teil beeinflusst, venn auch in viel geringerem liass,
das Reaktionsvermögen und die Stabilität eines Reaktivfarbstoffs,
wie das Vickerstaff (7) bei Procionfarbstoffen nachweisen konnte.
Analoge Verhältnisse wurden auch bei Farbstoffen des Vinylsulfon-
typus gefunden, die von Bohnert und Weingarten (8) näher unter¬
sucht wurden.
Eine erhebliche praktische Bedeutung besitzt die Beständig¬
keit von Reaktivfärbungen gegen alkalische und saure Hydrolyse.
Von einem brauchbaren Reaktivsystem wird ja verlangt, dass die
Verseifungsgeschwindigkeit der Färbung unter den Bedingungen der
Fixierung gering ist. Da Kunstharzausrüstungen gefärbter Cellu¬
lose meist mit sauren Katalysatoren durchgeführt werden, sollten
Reaktivfärbungen auch im sauren Gebiet weitgehend hydrolysebe—
ständig sein. Thumm und Benz (9) haben bei Untersuchungen an Di¬
chlor- und Trichlorpyrimidinen festgestellt, dass mit steigender
(7) T. Vickerstaff, Hexagon Digest 2J_, 3 (1958); Textilrundschau
23, 267 (1958)
(8) E. Bohnert u. R. Weingarten, Melliand Textilber. 40, 1036(1959)
(9) 0. Thumm u. J. Benz, Angew. Chem. 74, 712 (1962)
- 6 -
Reaktivität des Reaktivsystems die Stabilität der Färbungen ge¬
gen saure und besonders gegen alkalische Hydrolyse relativ stark
abnimmt, wobei der Wahl des Brückengliedes zwischen chromogenem
Teil und Reaktivgruppe eine spezifische Bedeutung zukommt. Unter¬
suchungen von Senn (lO) haben gezeigt, dass die Hydrolysenbestän¬
digkeit der Farbstoff-Faserbindung proportional zur Stabilität
der Farbstoffe in irässriger Lösung ist und dass die verschiede¬
nen Reaktivsysteme in Abhängigkeit des pH-Wertes ein deutlich er¬
kennbares, charakteristisches Stabilitätsmaximum erreichen.
Auf Grund des verschieden ausgeprägten Reaktionsvermögens
irerden die heute bekannten Sortimente von Reaktivfarbstoffen in
3 Gruppen eingeteilt:
1) Sehr reaktionsfähige Verbindungen! Procionfarbstoffe
2) Verbindungen mittlerer Reaktionsfähigkeit: Cibacron-,
Procion H-, Remazol- und Primazinfarbstoffe
3) Verbindungen mit geringem Reaktionsvermögen: Drimaren-,
Reakton- und levafixfarbstoffe
Wie bei den Küpenfarbstoffen spricht man ebenfalls von Kalt¬
färbertypen (Gruppe l) und Warmfärbertypen (Gruppen 2 und 3).
Die Gruppen 1 und 2 lassen sich auf Cellulosefasern nach dem nor¬
malen Ausziehverfahren färben, die erste bei 20 C und mit Soda
als Alkali, die letzte bei Temperaturen von 60—80 C mit Soda
und Natronlauge oder Trinatriuuphosphat. Mit Ausnahme der Drima¬
ren X-Farbstoffe können die Vertreter der Gruppe 3 nur schlecht
nach diesem Verfahren gefärbt »erden. Die Farbstoffe dieser Grup¬
pe eignen sich in besonderem Mass für das Klotz-Verweil-Verfahren
(Pad-Ro11-Verfahren) (ll) oder das Thermofixier-Verfahren. Neben
(10) Ch. Senn, O.A. Stamm u. H. Zollinger, Melliand Textilber. 44,261 (1963)
(11) vgl. M. Capponi u. A. Barthoid, Textil Praxis, 155/62 (1962)
- 1 -
dem apparativ sehr einfachen Ausziehverfahren (Färben auf der
Haspelkufe oder Jigger) stehen der Textilindustrie mehrere kon¬
tinuierliche Färbeverfahren zur Verfügung, auf die irir aber im
weiteren nicht eingehen möchten. Eine Zusammenfassung der ein¬
zelnen Verfahren mit den -«richtigsten Literaturangaben geben
Zenhäusern und Zollinger (12). Bei sämtlichen Reaktivfärbungen
ist das Auswaschen nach der alkalischen Fixierung von entschei¬
dender Bedeutung, da stets ein gewisser Prozentsatz des aufge¬
zogenen Farbstoffs nicht chemisch fixiert, sondern hvdrolvsiert
wird. Dieser nur Substantiv gebundene Farbstoffanteil besitzt
aber nur eine geringe Nassechtheit und muss deshalb, um ein spä¬
teres Ausbluten zu verhindern, entfernt werden. Dies lässt sich
in den meisten Fällen durch mehrfaches gründliches Seifen errei¬
chen. Es ist daher verständlich, dass stark substantive Reaktiv¬
farbstoffe ungeeignet sind, da sich der hydrolysierte Anteil
nicht mehr vollständig beseitigen lässt.
(12) A. Zenhäusern u. H. Zollinger, Ulimanns Encyklopädie dertechnischen Chemie Bd. J4, 623 ff (1963)
- 8 -
II. ÜEBER DEN FIXIERUNGSMECHANISMJS VON REAKTIVFARBSTOPFEN
AUF CELLULOSE
II.1. Kinetische Untersuchungen an Reaktivfarbstoffen im
homogenen Medium
II.1.1. Einleitung
Wie schon in der Einleitung angedeutet -wurde, sind in den
letzten Jahren zahlreiche Arbeiten erschienen, die sich mit der
Frage nach den Ursachen der bevorzugten Reaktion der Reaktiv¬
gruppen mit der Cellulose beschäftigen. Eine Voraussetzung zum
Verständnis dieses Phänomens, das bis zum heutigen Zeitpunkt
keine eindeutige und generell gültige Abklärung gefunden hat,
ist sicher, dass man die Kinetik der unter Färbebedingungen
stattfindenden Umsetzungen kennt. Daraus sollten sich dann Rück¬
schlüsse auf die Reaktionsmechanismen ergeben. Im folgenden soll
deshalb von den in der Literatur erschienenen kinetischen Arbei¬
ten über die Hydrolyse bzw. Alkoholyse von Reaktivfarbstoffen
berichtet werden, da sie mit unseren eigenen Untersuchungen in,
allerdings nur indirektem, Zusammenhang stehen. Wir sprechen des¬
halb von einem indirekten Zusammenhang, weil sich die vorliegen¬
de Arbeit nicht mit der quantitativen Beschreibung der beiden
Konkurrenzreaktionen befasst.
II.1.2. Hydrolyse und Alkoholyse von Farbstoffen mit halogen-
haltigen heterocyclischen Reaktivsystemen
Es wird allgemein angenommen, dass die Substitutionsvorgänge
bei den aromatischen Heterocyclen, wie z.B. den Dichlor- und Mo-
- 9 -
nochlortriazinen, in polaren Lösungsmitteln mechanistisch den nuc¬
leophilen Substitutionen in der Benzolreihe entsprechen, die dem
additiven Mechanismus (nach Huisgen (13)) folgen (14). Untersu¬
chungen von Bitter und Zollinger (15) über den Mechanismus der
Triazinsubstitution durch Arylamine in unpolaren Lösungsmitteln
haben den obigen Mechanismus bestätigt.
Für den Fall eines Reaktivfarbstoffs vom Typus der Dichlor-
triazine läuft der Substitutionsvorgang über ein Zwischenprodukt
(II) des Meisenheimertypus ab:
ci a ci
N^N Nr*N Nr NF-NJ-kN>Cl+Y® —* F-NI-^Ç,1 —* F-fsl-^JW+Cl® (1)H H H
F-Farbstoffrest
Die angreifende nucleophile Partikel Y kann prinzipiell ein
Anion oder ein neutrales Teilchen sein, muss aber ein einsames
Elektronenpaar tragen, also eine Base sein. Bei der Hydrolyse
resp. Alkoholyse einer Dichlor-s-triazinylverbindung in wässri-
ger Lösung stehen theoretisch zwei Arten von nucleophilen Agen-
tien zum Angriff auf die reaktiven Zentren des Moleküls zur Ver¬
fügung, nämlich die Hydroxyl-Ionen bzw. Alkoxy-Ionen und, in Form
der konjugaten Säure, das Wasser und der freie Alkohol. Es stellt
sich nun die Frage, welche der nucleophilen Partikeln im geschwin-
(13) J. Sauer u. R. Huisgen, Angew. Chem. 7£, 294 (i960)
(14) J.F. Bunnett, Quart. Rev. J£, 1 (1958)
(15) B. Bitter u. H. Zollinger, Helv. 44, 812 (1961)
- 10 -
digkeitsbestimmenden Schritt reagieren. Preston und Fern (16) so¬
wie Ingamells, Sumner und Williams (17) bestimmten die Reaktions¬
geschwindigkeiten verschiedener Dichlor- und Monochlortriazine
mit Wasser und den Hexiten Mannitol und Sorbitol als Vertreter nie¬
dermolekularer wasserlöslicher Kohlenhydrate und stellten dabei
fest, dass das Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten
(RG-Konstanten) nur dann pH-unabhängig -wird, wenn man als nucleo-
phile Partner nicht die Konzentration der genannten Verbindungen
selbst, sondern die ihrer einbasischer Ionen einsetzt. Ackermann
und Dussy (18) (19) erhielten bei der Hydrolyse bzw. Alkoholyse
von Dichlor- und Trichlorpyrimidinen analoge Ergebnisse. Aus ih¬
ren Messungen konnte ebenfalls geschlossen werden, dass die Reak¬
tionspartner der Farbstoffe die Hydroxyl- bzw. Alkoholat-Ionen
sind. Für den Fall einer aromatischen nucleophilen Reaktion lässt
sich die Hydrolyse bzw. Alkoholyse folgendermassen formulieren:
Hydrolyse: v - k"e [ FCl] [OH®] (2)
©Alkoholyse; vR()H
= kQRe [ FCl] [0RÖ] (3)
wobei [FCl] die Konzentration des betreffenden Farbstoffs bedeu¬
tet.
Arbeitet man bei einer konstanten Hydroxyl-Ionenkonzentra-
tion, d.h. in einem gepufferten System, sollte sich eine Reaktion
pseudoerster Ordnung ergeben. Für die.Hydrolyse reduziert sich
dann Gleichung (2) zui
(16) C. Preston u. A.S. Fern, Chimia JL£, 177 (1961)
(17) W. Ingamells, H.H. Sumner u. G. Williams, J. Soc. DyersColourists 7£, 274 (1962)
(18) H. Ackermann u. P. Dussy, Melliand Textilber. 4£, 1167 (1961)
(19) H. Ackermann u. P. Dussy, Helv. 45, 1684 (1962)
- 11 -
HÖHk [FC1 ]ps
L J(4) Tobei k* - kJJetOH9] (4a)
ps
Für die Alkoholyse gelten die analogen Beziehungen. Die gra¬
phische Darstellung der RG-Konstanten für eine Reaktion pseudoer-
ster Ordnung als Funktion der Hydroxyl-Ionenkonzentration, resp.
in Form ihrer Logarithmen aufgetragen, müsste eine lineare Abhän¬
gigkeit, d.h. eine Gerade liefern (Kurve A in Fig. l).
Fig- 1
g -6
-7
/ y?'.--EL / #
-8
-9
-m
S X-—"/"/
B
' //. 1 1 11 1 1
-7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0
log 0He
Durch Transformation der RG-Konstanten pseudoerster Ordnung
in die entsprechenden bimolekularen RG-Konstanten, sollte k ©,OH
wiederum logarithmisch als Funktion der Hydroxyl-Ionenkonzentra—
tion aufgetragen, über den ganzen pH-Bereich einen konstanten
Wert annehmen (vgl. Kurve A' in Fig. 2).
Bei Gültigkeit dieser Beziehung müsste auch das Verhältnis
k © / k © selbst pH^unabhängig -werden, -wie es Sumner und
- 12 -
Fig. 2
_ß| , 1 , , , ,-7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0
log 0H°
Vickerstaff (20) für eine Reihe von Procionfarbstoffen mit den He-
xiten Mannitol und Sorbitol fanden. Trägt man die in der Literatur
(16)(17)(19)(21) experimentell ermittelten RG-Konstanten pseudoer-
ster Ordnung vie oben beschrieben logarithmisch als Funktion der
Hydroxyl-Ionenkonzentration auf, erhält man statt der theoretisch
zu erwartenden linearen Abhängigkeit die 3 Kurventypen B, C, D
bzw. B', C, D' (vgl. Fig. 1 und 2).
Ackermann und Pussy (19) sowie Horrobin (22) führen diese
Abweichung vom linearen Bereich auf ein vorgelagertes Säure—Basen¬
gleichgewicht zurück. Dieses ist bedingt durch den sauren Charak¬
ter des Protons an der Iminobrücke zwischen chromogenem Teil und
(20) H.H. Sumner u. T. Vickerstaff, Melliand Textilber. 42, 1161(1961)
(21) T.L. Dawson, A.S. Fern u. C. Preston, J. Soc. Dyers Colourists
JJ5, 210 (1960)
(22) S. Horrobin, J. ehem. Soc, 4130 (1963)
- 13 -
Reaktivgruppe (23), vie es in Gleichung (6) zum Ausdruck kommti
ci Cl
H
Dabei ist natürlich die Reaktionsfähigkeit der anionischen
Gleichgewichtsform gegenüber einem nucleophilen Reagens stark ver¬
mindert. Durch Alkylierung des Brückenstickstoffs ist ein solches
Gleichgewicht nicht mehr vorhanden. Tatsächlich beobachteten Acker¬
mann und Dussy (19) einen linearen Kurvenverlauf (A). Ihre Inter¬
pretation erlaubt zwar, den Verlauf der Kurven B und C befriedigend
zu erklären, lässt sich aber nicht mehr mit der Kurve D in Einklang
bringen, in der das anormale Verhalten zum Ausdruck kommt, dass in
einem gewissen pH-Bereich die Reaktionsgeschirindigkeitskonstante
k kleiner wird,ps
Dem Hydrolysenmechanismus von Ackermann und Dussy (19) mit
einem vorgelagerten Säure-Basengleichgewicht stellten Beckmann et
al. (24) ein Reaktionsschema entgegen, das auf einer allgemeinen
Basenkatalyse beruht. Sie nehmen als primären Schritt die in einem
reversiblen Gleichgewicht stehende Anlagerung von Wassermolekülen
an. Durch Abspaltung von Salzsäure mit einer Base gemäss Gleichung
(T) wird das gleiche Zwischenprodukt des Meisenheimertyps wie in
(23) Ackermann und Dussy (19) bestimmten für eine Reihe von Dichlor-und Trichlorpyrimidinen sowie für Dichlor- und Monochlortria—zine den pK-Wert der Iminogruppe und fanden, dass dieser starkdurch die Konstitution, d.h. durch die Anwesenheit basifizie-render oder acidifizierender Substituenten an der Reaktiv¬
gruppe beeinflusst wird.
(24) W. Beckmann, D. Hildebrand u. H. Pesenecker, Melliand Textil-ber. 43, 1304 (1962)
- 14 -
Gleichung (l) erhalten, das in einem schnellen Schritt ein Chlorid-
Ion abspaltet.
ci ci ci Cl
i II III IV
Die Schlüsse, die Beckmann et al. (24) aus der formalen Kine¬
tik ziehen, sind unseres Erachtens keineswegs zwingend, betrachten
sie doch bei der Ableitung der Gleichungen die beiden analogen nuc-
leophilen Substitutionen, wiedergegeben in den Gleichungen (l) bzw.
(T), einmal als Einschritt- (l) und das andere Mal als Zweischritt-
mechanisraus (7). Der Hydrolysenmechanismus von Beckmann et al. (24)
kann aber auch nicht die Widersprüche der Kurven A und D erklären.
Die Arbeiten von Baumgarte und Feichtmayr (25) über die Hyd¬
rolysenkinetik von Reaktivfarbstoffen mit gleichem chromogenem
Teil, aber verschiedenen Reaktivsystemen lassen ebenfalls erken¬
nen, dass die abgeleiteten quantitativen Beziehungen und die aus
den bisher veröffentlichten kinetischen Untersuchungen gewonnenen
Vorstellungen über den Hydrolysenmechanismus nicht genügen, um al¬
le experimentell beobachteten Tatsachen zu erklären.
(25) U. Baumgarte u. F. Feichtmayr, Melliand Textilber. 44, 163,267 (1963)
- 15 -
II.2. Reaktionen von Reaktivfarbstoffen mit Cellulosemodellen
im homogenen Medium
In mehreren Arbeiten (16)(17)(19)(20)(2l)(24) wurde generell
festgestellt, dass die Umsetzung von Reaktivfarbstoffen mit den
verschiedenen Cellulosemodellsubstanzen unter den gewählten Be¬
dingungen rascher verläuft als mit Wasser. Eine Ausnahme bildet
die entsprechende Reaktion mit Isopropanol, wie Dawson et al. (21)
fanden. Die Reaktion erfolgt auch bevorzugt mit einfachen Alkoho¬
len, deren pK-Wert wesentlich höher als derjenige von Wasser liegt
(26), ein Faktum, das sich nur schwer mit den Ableitungen in Glei¬
chung (2) und (3) im Kapitel II.1.2. erklären lässt (28). Von be¬
sonderem Interesse sind die Untersuchungen von Baumgarte und
Feichtmayr (29) über die Zusammenhänge zwischen Farbstoffkonsti—
tution und Struktur der Modellverbindungen, die sich aus dem Stu¬
dium des zeitlichen Verlaufs der Umsetzung bei zwei verschiedenen
Temperaturen und einer gegebenen Alkalikonzentration ergaben. Als
neuartige interessante Modellverbindungen wählten sie neben a—Me—
thylglucosid und n-Butanol das (X- und ß-Dextrin, die sich durch
enzymatischen Abbau von Stärke als chemisch einheitliche Produk¬
te isolieren lassen. Es sind ringförmige Verbindungen von sechs
(a-Dextrin) bzw. sieben (ß-Dextrin) Glucoseeinheiten, die in Mal-
(26) vgl. Dissoziationskonstante von Methanol s K = 8,1.10(17)(27)
(27) in der Literatur (39) findet sich aber auch eine höhere Aci-ditätskonstante K = 10-1^
(28) Damit v > t , sollte nach Gleichung (2) und (3) auch dasROH nun __ __ — —
Produkt der beiden Quotienten K.tß / k^Jj© «nd [oR J/LoH Jgrösser als 1 sein. Wenn nun aber [OR ]« LOH J , muss
k © » k«n© werden} dies ist aber unwahrscheinlich.
(29) U. Baumgarte u. F. Feichtmayr, Melliand Textilber. 44, 600,716 (1963)
- 16 -
tosebindung verknüpft sind. Aus Arbeiten von Broser und Lautseh
(30) geht hervor, dass die beiden Dextrine wegen ihres Hohlraums
in der Molekülmitte befähigt sind, Azofarbstoffe wie Methylorange
einzulagern. Die Resultate von Baumgarte und Feichtmayr (29) sind
besonders augenscheinlich bezüglich der oben erwähnten Einflüsse
der Konstitution der Farbstoffe und Struktur der Cellulosemodelle
bei Reaktivfarbstoffen, die nach dem S.-1-Mechanismus reagieren,
wie beispielsweise bei der Chlorbutingruppe (31). Bei einem sol¬
chen Farbstoff ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der
© 6Zerfall des Moleküls R-CH -X in ein Kation R-CH und ein Anion X .
©Das sehr reaktive Carbonium-Ion R-CH„ kann dann in einem schnel¬
len Schritt mit dem vorhandenen Wasser, den Hydroxyl-Ionen und den
Hydroxylgruppen der Cellulosemodelle bzw. ihrer Anionen reagieren.
Auf Grund der Konzentrationsverhältnisse ist zu erwarten, dass
die gebildeten Carbonium-Ionen vorwiegend mit Wasser resp. den
Hydroxyl-Ionen reagieren, sodass die Hydrolyse stark überwiegen
sollte. Die experimentellen Versuche zeigten nun, dass in Gegen¬
wart von a-Methylglucosid die Hydrolyse, wie erwartet, im ganzen
Temperaturbereich (20 und 80 C) stark im Vordergrund steht. Mit
n-Butanol wurde überhaupt keine Umsetzung beobachtet. Im Falle
vonß-Dextrin dagegen liess sich selbst bei hohen Temperaturen
kein Hydrolysenprodukt nachweisen. Wie sehr die Struktur "der Farb¬
stoffe für die Geschwindigkeit der einzelnen Umsetzungen verant¬
wortlich sein kann, liess sich durch Vergleich mit einem konsti¬
tutionell sehr ähnlichen Farbstoff (32) zeigen, bei dem die Reak¬
tion mit dem ß-Dextrin weniger überwiegt, obwohl beide Farbstoffe.
(30) R.W. Broser u. W. Lautsch, Z. Naturforsch. 8b, 711 (1953)
(31) F -S02NH-CH2-CS C-CHg-Clj allg. Typus R-CHg-X
(32) F -S02NH-CH„-CH = C(Cl)-CHg-Cl| bei diesem Farbstoff rea¬giert nur das Chloratom an der Methylengruppe (29)
- 17 -
ein annähernd gleiches Hydrolysenverhalten (33) aufweisen. Bei
den Farbstoffen, die nach einem SM2-Mechanismus reagieren, vie den
Monochlortriazinen und Trichlorpyrimidinen, wurden ähnliche Resul¬
tate erhalten, wenn auch weniger ausgeprägt und eindeutig, wobei
allgemein bei höheren Temperaturen die Hydrolyse mehr in den Vor¬
dergrund tritt.
Die Ergebnisse werden-von Baumgarte und Feichtmayr (29) so
gedeutet, dass in der Lösung Additionsverbindungen zwischen den
Cellulosemodellen und den Farbstoffmolekeln vorliegen, eine Art
von Assoziaten, bei denen vorwiegend die hydrophoben Teile der
Reaktionspartner in Wechselwirkung treten. Da bei diesen Assozia¬
ten die Reaktionszentren der Partner eine für die Reaktion günsti¬
gere Ausgangsposition haben, lässt sich, besonders für den Fall
der Dextrine, verstehen, dass die Reaktion mit den Cellulosemo¬
dellen bevorzugt verläuft. Dieses postulierte Assoziationsgleich¬
gewicht verschiebt sich natürlich bei höheren Temperaturen auf
die Seite der Edukte. Nach Baumgarte und Feichtmayr (29) bestehen,
vorsichtig ausgedrückt, gewisse Hinweise, dass die Umsetzungen
von Reaktivsystemen mit Cellulosemodellen im homogenen Medium
durch "sterische Faktoren" beeinflusst werden. Ihre Versuche haben
gezeigt, dass die Struktur der einzelnen Cellulosemodelle auf die
Kinetik der konkurrierenden Reaktionen einen wesentlichen Einfluss
hat und dass Ergebnisse, die an einer bestimmten Mode11Substanz
gewonnen wurden, keinesfalls generelle Gültigkeit besitzen.
II.3. Reaktionen von Reaktivfarbstoffen mit Cellulose im
heterogenen Medium
Wie die Untersuchungen von Baumgarte und Feichtmayr (29) er¬
kennen lassen, ist eine Uebertragung der an Modellreaktionen ge-
(33) gemeint ist die Hydrolyse der Farbstoffe ohne Zusatz der Mo¬dellSubstanzen
- 18 -
Tonnenen Vorstellungen auf die Umsetzung von Farbstoffen mit dem
heterogenen Substrat der Cellulose nur mit gewissen Vorbehalten
möglich. Die bevorzugte Reaktion der Reaktivfarbstoffe mit der
Cellulose wurde noch von Wegmann (34) mit "einer ungleich grösse¬
ren Reaktionsfähigkeit infolge geringerer Assoziation der Hydro¬
xylgruppen der Cellulose" begründet. Später wurde von Vicker-
staff (35), Bohnert (18) und anderen (36)(37) auf Grund der Don-
nan'sehen Membrangleichgewichte angenommen, dass der pH-Wert im
Innern der Faser um eine pH-Einheit-höher sei als in der Lösung,
bzw. Färbebad, und da die Reaktionsgeschwindigkeit mit steigendem
pH-Wert grösser wird, glaubte man daraus die bevorzugte Reaktion
mit der Cellulose erklärt zu haben. Sumner (38) konnte in seiner
Untersuchung über die Alkaliadsorption von Cellulose zeigen, dass
die Verhältnisse umgekehrt liegen. Vergleicht man die Aciditäts-
konstanten der Cellulosemodelle wie a-Methylglucosid, Sorbitol,
Mannitol etc. und diejenige der Cellulose, die von Sumner (38)
unter Annahme verschiedener Parameter wie Zugänglichkeitsbereich,
innerem Oberflächenvolumen bestimmt wurde, mit derjenigen von Was¬
ser, so sieht man, dass die ersteren stärkere Säuren sind als Was¬
ser. Nach Sumner (38) ist die Konzentration an Cellulose-Anionen
im pH-Bereich 7 - 12 um den Faktor 22 - 30 grösser als die Hydro¬
xy1-Ionenkonzentration. In Tab. 1 sind die Aciditätskonstanten
der oben erwähnten Kohlenhydrate (39) angegeben.
(34) J. Wegmann, Melliand Textilber. j39_, 1006 (1958)
(35) T. Vickerstaff, J. Soc. Dyers Colourists 7J3, 237 (1957)
(36) CD. Weston, Hexagon Digest 25_, 3 (1957)
(37) A.M. Wooler, Hexagon Digest 26_, 3 (1958)
(38) H.H. Sumner, J. Soc. Dyers Colourists 7£, 672 (i960)
(39) vgl. G. Kortüm, W. Vogel u. K. Andrussow, Dissoziationskon¬stanten von organischen Säuren in wässrigen Lösungen, Lon¬
don, 1961} Landolt-Börnstein Bd. II, 1_, 847 ff. (i960) 6. Aufl.
- 19 -
Tab. 1
Kohlenhydrate K = Dissoziationskonstante
Glucose
Rhamnose
Sorbitol
Mannitol
Wasser
—1T
3,72.10 (40)
6,00.10~13 (39)2,69.10~14 (40)3,20.10~14 (40)1,45.10-14 (39)
Es wird für die heterogene Umsetzung mit der Cellulose,
entsprechend den Reaktionen im homogenen Medium,angenommen, dass
die Cellulose-Anionen die Reaktionspartner der Farbstoffe sind.
Sumner und Vickerstaff (20) sowie Preston und Fern (16) bestimm¬
ten das Verhältnis der RG-Konstanten k„ ,,„©/ k„„© bei einerCellO ' 0H
Reihe von Procionfarbstoffen. Diffusaonskoeffizient und Substan-
tivität der Reaktivfarbstoffe unter Anwendungsbedingungen irurden
nach der Gleichung von Danckwerts (4l) durch Extrapolation aus
Daten für pH 6 - 7 bestimmt, was natürlich zu beträchtlichen Un-
genauigkeiten führen kann. Bei den untersuchten Dichlortriazinen
variierten die Werte für das RG-Konstantenverhältnis zwischen
0,1 - 0,75. Dieses Resultat widerspricht aber den theoretischen
Vorstellungen, da sich bei diesem Verfahren die spezifische Reak¬
tivität des Farbstoffs im Verhältnis der Reaktionsgeschwindig¬
keitskenstanten herausheben müsste. Man würde deshalb einen von
der Farbstoffart unabhängigen, konstanten Wert erwarten. Es ist
auch überraschend, dass das Geschwindigkeitsverhältnis zwischen
einer homogenen und einer heterogenen nucleophilen Substitution
(40) J. Thamsen, Acta Chem. Scand. £, 270 (1952)
(41) P.V. Danckwerts, Trans.Farad. Soc. 46, 300 (1950)
- 20 -
nicht viel stärker zugunsten der Hydrolyse verschoben ist. Man
würde vermuten, dass der Quotient k„ ,,„G / k„„0 nicht, wie von' CellO ' OH
den oben erwähnten Autoren (20)(16) gemessen, 0,1 - 0,75, son¬
dern 0,001 oder noch kleiner wäre. Beckmann et al. (24), die als
nucleophile Partner nicht die ionisierten Partikeln vermuten (42),
führen die bevorzugte Reaktion mit der Cellulose auf den stärker
nucleophilen Charakter der Cellulosehydroxylgruppen gegenüber dem
Wasser zurück.
Eine prinzipiell andere Erklärung 'wurde von Zollinger (l)
gegeben, der sterische Faktoren für die Bevorzugung der Cellulo¬
se verantwortlich macht. Die Hypothese stützt sich hauptsächlich
auf den Reaktionsmechanismus, der für die nucleophile Substitu¬
tion aromatischer Heterocyclen gefunden wurde und bei denen im
Zwischenprodukt des Meisenheimertypus das reagierende Kohlenstoff-2 3
atom nicht wie im Ausgangs- bzw. Endprodukt sp -, sondern sp —
hybridisiert ist. Dabei liegen die nucleophil angreifende Parti¬
kel und die basische Abgangsgruppe nicht mehr in der Ebene des
Triazinrings, sondern ober- bzw. unterhalb der Ringebene. Beim
Färbeprozess, d.h. beim Substantiven Aufziehen des Farbstoffs
aus wässrigem Bad, wie dies beim diskontinuierlichen Färben er¬
folgt, wird der Farbstoff analog den Direktfarbstoffen parallel
zur Oberfläche einer Cellulosekette adsorbiert und durch die van
der Waals*sehen Kräfte daran gebunden. Erfolgt nach der Alkali¬
zugabe der Angriff eines Hydroxyl-Ions von der Lösungsmittelseite,
also aus der wässrigen Phase, so müsste das Chlorid-Ion in Rich¬
tung der Celluloseoberflache entweichen, was aus räumlichen Grün¬
den ungünstig ist. Im Fall eines Angriffs durch ein Cellulose-
Anion kann das Chloratom bereits im Zwischenprodukt und endgül¬
tig bei der Abspaltung als Chlorid-Ion in Richtung der wässrigen
Phase ungehindert ausweichen. Die Hydrolyse dieses Farbstoffs
ist also sterisch gehindert, infolgedessen findet die Reaktion
(42) vgl. Kapitel II.1.2., S. 8
-21 -
überwiegend mit der Cellulose statt. Dieser Mechanismus setzt un¬
ter anderem voraus, dass primär eine Adsorption des Reaktivfarb—
Stoffs an die intermicellare Oberfläche stattfindet. Dies bedingt,
dass die Farbstoffe eine gewisse Affinität zur Cellulose besitzen
müssen. Eine weitere Voraussetzung ist die, dass die Farbstoffe
molekulardispers und monomolekular an der Celluloseoberflache ad¬
sorbiert werden. Bei einer Bildung von multimolekularen Schicht-
assoziaten -wäre natürlich nur das unterste Farbstoffmolekül in der
Lage zu reagieren (43). Die Hypothese von Zollinger (l) liess sich
indirekt durch Fixierungsversuche von Krazer (2) mit Farbstoffen
stützen, die zwischen chromogenem Teil und Reaktivgruppe eine fle¬
xible aliphatische Kette tragen.
II.4. Die Fixierungsreaktion von Reaktivfarbstoffen mit
Gelenkanordnung
Bei Farbstoffen, deren Reaktivgruppe starr über ein aromati¬
sches Zwischenglied mit einer Amino-, Sulfamino— oder Aetherbrük—
ke an den chromogenen Teil gebunden ist, wie es allgemein bei han¬
delsüblichen Reaktivfarbstoffen (44) der Fall ist, wird nach Kra¬
zer (2) im oben beschriebenen Zwischenprodukt des Meisenheimer—
typus die Bindung über den Sauerstoff zur Cellulose gespannt sein.
Der Farbstoff müsste sich leicht von der Celluloseoberflache ab-
(43) vgl. H. Zollinger, Chimia 15, (1961), S. 189
(44) Bei Dichlor- und Monochlortriazinen sowie Dichlor- und Tri—chlorpyrimidinen sind aromatische Zwischenglieder wie p-Phe-nylendiamin, Arylazonaphtylamine etc. allgemein verwendet.Eine Ausnahme bilden die aliphatischen Verbindungsstücke
1,2-Aethylendiamin und 1,3-Diaminopropan (z.B. bei Phtalo—cyaninderivaten)
- 22 -
heben, um in einen spannungsfreien Zustand überzugehen. Diesem
Vorgang wirken jedoch die van der Waals1sehen Kräfte entgegen. Im
weiteren hat er wegen seines starren Baus nicht die Möglichkeit,
die reaktive Gruppe in die optimale Lage zu einer potentiellen
Hydroxylgruppe der Cellulose zu dirigieren. Ein "Gleiten" des
Farbstoffmoleküls dürfte nach einer rein statistisch erfolgten
Adsorption nur noch beschränkt möglich sein. Schliesslich ist
auch nach der Abspaltung des Chlorid-Ions die Bindung zwischen
Triazinring und Cellulose gespannt. Semgegenüber sollten durch
Einbau eines flexiblen Zwischenstücks in Form von Methylengrup¬
pen zwischen chromogenem Teil und Reaktivgruppe die Bedingungen
für eine sterisch kontrollierte Fixierung günstiger liegen. Als
Mass für die Fixierung wurde von Krazer (2) eine vom Primärschritt
d.h. dem Substantiven Aufziehen des Farbstoffs, unabhängige Grös¬
se, die sogenannte Fixierungsquote eingeführt. Darunter versteht
man den Prozentsatz an kochecht fixiertem Farbstoff, bezogen auf
den im Verlauf der gesamten Färbung Substantiv aufgezogenen Farb¬
stoffanteil. Mit anderen Worten bedeutet eine Fixierungsquote von
100 fot dass sämtlicher während der Färbedauer Substantiv aufgezo¬
gene Farbstoff kochecht fixiert wurde. Anderseits bezeichnet man,
wie es in der Praxis üblich ist, denjenigen Prozentsatz an Farb¬
stoff als fixierten Farbstoff der von dem total anfangs im Bad
vorhandenen Farbstoff am Ende kochecht an die Faser gebunden ist.
Krazer (2) bestimmte experimentell die Fixierungsquote von
Farbstoffen, bei denen chromogener Teil und reaktive Gruppe direkt
(x = 0), durch eine oder durch zwei Methylenreste (x = 1 bzw. 2)
verbunden sind. Untersucht wurden Farbstoffe, die als Reaktiv¬
gruppe einen Dichlortriazin- und einen Monochlor-p'-sulfo-anilino-
triazinrest enthalten.
- 23 -
Die Farbstoffe von Krazer (2) haben die folgenden Konstitutionen!
(CH2)x-lvl-Z
OH y
A
j^y^vY
xxicso3h
Y-S03H;H
Cl ^-O"S03HH
Die Resultate der Färbeversuche für je eine Dreiergruppe des Di¬
chlor- und Monochlortriazintypus sind in der Tab. 2 zusammenge¬
stellt.
Tab. 2
Resultate von Fixierungsversuchen
FarbstoffkonstitutionFärbung (in % der
Einwaage)
Fixie¬
rungs-
quote
Y X Xsubst. aufgezogenwährend 2 Std.
fixiert
S03H11
«
Dichlortriazin
it
n
0
1
2
94,8
68,5
71,5
76,5
60,4
66,8
81
88
93
H
n
h
Monochlor-p'-sulfo-anilinotriazin
it
11
0
1
2
90,5
41,2
60,0
35,5
18,8
32,5
39
46
54
- 24 -
Aus den beiden Reihen der Tabelle 2 ist ersichtlich, wie die Fi¬
xierungsquote unter den gewählten Bedingungen durch den Einbau
solcher Gelenke merklich erhöht wird. Bei den Farbstoffen mit
einer oder zwei Methylengruppen hat die reaktive Gruppe die Mög¬
lichkeit, sich in die für den nucleophilen Angriff günstigste Po¬
sition zu bringen. Die höheren Fixierungsquoten der Dichlortriazi-
ne werden durch die grössere Wahrscheinlichkeit erklärt, dass eines
der zwei an sich gleichwertigen reaktiven Kohlenstoffatome in op¬
timaler topochemischer Stellung zu einem Cellulose-Anion steht.
Auf Grund der von Zollinger (l) entwickelten Hypothese soll¬
te durch Verlängerung der aliphatischen Kette, d.h. Erhöhung der
Methylengliederzahl, die Fixierungsquote beeinflusst werden. Es
kommen prinzipiell zwei Möglichkeiten in Frage: Die Fixierungs¬
quote nimmt mit wachsender Kettenlänge stetig zu und erreicht as-
symptotisch einen Grenzwert oder wird, was eher verständlich wä¬
re, ein Optimum durchlaufen. Mit steigender Methylengliederzahl
wird die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sich der Reaktivteil
auf der Celluloseoberflache befindet. Wir haben nun zur Abklärung
dieser Frage 8 Farbstoffe vom Monochlortriazintypus mit variabler
Methylengliederzahl synthetisiert und die Fixierungsquoten unter
Standardbedingungen bestimmt. Die Farbstoffe haben die folgenden
Konstitutionen!
A) GRUPPE 1
H03S\ x = 0 »-A*
HO3S
\ r\ x" x —*B*
J * /"~V Sr\ x - 2 —•" °*
4 -OcHA-ft^
- 25 -
GRUPPE 2
E*
N-°SN-^~Vo-(CH9)-N-f ~^J
X = 4 * T*
X = 5 P*
X = 8 0*
X = 10 » D*soSie Synthese der Modellfarbstoffe ist im Kapitel III be¬
schrieben. Aus präparativen Gründen, d.h. wegen der besseren Zu—
gänglichkeit der entsprechenden Zwischenprodukte -wurde der Farb¬
stofftypus der Gruppe 2 gewählt, bei dem die Methylenkette über
eine Aetherbrücke mit dem Fhenylkern verbunden ist. Aus Modell—
betrachtungen ist ersichtlich, dass das Einschieben eines Sauer¬
stoffatoms für x-Werte >2 die sterische Anordnung der Methylen—
kette und somit der Reaktivgruppe selbst nicht wesentlich beein¬
flussen sollte und in erster Näherung einer potentiellen Methylen-
gruppe gleichgesetzt werden kann (45). Für die weiteren Betrach¬
tungen wurde bei- den Farbstoffen der Gruppe 2 die Sauerstoffunk-
tion als Methylengruppe'eingesetzt, um sämtliche Farbstoffe ver¬
gleichen zu können. Man führte deshalb eine neue Grösse, die ef¬
fektive Methylengliederzahl y, ein, die folgendermassen definiert
istt
y = x + n wobei n = Anzahl Sauerstoffatome zwischen Methy¬
lenkette und Phenylkern (vgl. Konsti¬
tution der Farbstoffe S. 24/25)
x *= Anzahl der Methylengruppen
Laut Definition ist bei der Gruppe 1 n = 0, bei der Gruppe 2
n - 1.
(45) Durch die Phenolaethergruppe wird allerdings das n-Elektronen-
system verlängert, was sich in einer bathoehromen Verschiebung
zeigt.
- 26 -
Die experimentelle Durchführung der Färbeversuche erfolgte
weitgehend analog derjenigen von Krazer (2). Wegen der relativ ge¬
ringen Wasserlöslichkeit der Farbstoffe mit höherer Methylenglie¬
derzahl in Gruppe 2 wurde eine niedrigere Badkonzentration (c =—4
1,6.10 Mol/lit) (46) gewählt. Aus apparativen Gründen arbeite¬
te man auch bei einem grösseren Flottenverhältnis (l t 100) (46).
Die Resultate der Färbeversuche für die 8 Modellfarbstoffe
des Monochlortriazintyps sind in der Tabelle 3 zusammengestellt.
Tab. 3
Bestimmung der Fixierungsquoten
Gruppe
Farbstoff¬
bezeich¬
nung
Methylen¬
glieder¬zahl X
Effektive
Methylen¬
glieder¬zahl y
a\Färbung
'
subst.auf¬
gezogen
während
2 Std.
fixiert
Fixie¬
rungs-
quote")
1.
A*
B*
C*
0
1
2
0
1
2
59,0
21,3
30,0
20,9
9,8
16,4
35
46
54
2.
E*
T*
P*
0*
D*
2
4
5
8
10
3
5
6
9
11
26,9
23,6
25,8
23,6
21,3
12,3
9,3
9,5
8,0
7,0
46
39
37
34
33
a) in Prozent der Einwaage b) Durchschnittswert aus mindestens3 Messungen
Trägt man graphisch die ermittelten Fixierungsquoten als Funk¬
tion der effektiven Methylengliederzahl y auf, erhält man die in
Fig. 3 eingezeichnete Kurve:
(46) Die Versuche von Krazer (2) wurden bei einer Badkonzentratienvon c = 5.10-* Mol/lit. und einem Flottenverhältnis 1 t 30
durchgeführt.
- 27 -
Fig. 3
Fixierungsquote als Funktion der effektiven Methylengliederzahl y
34 33
01 23456789 10 11
A* B* C* E* T* P* 0* D*
EFF. METHYLENGLIEDERZAHL Y
Wie aus Fig. 3 hervorgeht, erreicht beim Farbstoff C* (y = 2)
die Fixierungsquote ein Maximum. Der fast lineare Anstieg der Fi—
xierungsquote vom Farbstoff A* zum Farbstoff C* wurde in den Unter¬
suchungen von Krazer (2) ebenfalls beobachtet (vgl. Tab. 2). Be¬
trachtet man den Kurvenverlauf vom Scheitelwert beim Farbstoff C*
zum Farbstoff D*, kann man feststellen, dass sich nach einem an¬
fänglich starken Abfall die Fixierungsquote schon für y>7 nicht
mehr signifikant ändert und einem konstanten Wert zustrebt. Es
ist interessant, dass das Optimum bereits bei y = 2 und nicht erst
bei einer höheren Methylengruppenzahl (y = 3 oder 4) erreicht wird.
Ueberraschend ist dagegen, dass ein derart scharf ausgeprägtes Ma¬
ximum beobachtet wird. Man würde eher ein "flaches" Maximum erwar¬
ten, das sich über ein Intervall von 3-4 Methylengruppen er-
- 28 -
streckt. Offenbar bewirkt aber bereits eine zusätzliche Methylen¬
gruppe (C* > E*) eine solche Beweglichkeit der Reaktivgruppe,
dass sich diese nicht mehr in der optimalen Nähe der Cellulose-
oberflache befindet. Wie bereits erwähnt, wurde der durch den
Einbau von "Gelenken" beobachtete Anstieg der Fixierungsquoten
von Krazer (2) nur mit einer sterisch günstigeren Anordnung der
Reaktivgruppe interpretiert. Seine Schlussfolgerungen lassen sich
aber nur korrekt unter der Voraussetzung interpretieren, dass die
Farbstoffe monomolekular auf der intermice Haren Oberfläche ad¬
sorbiert sind. Bei einer polymolekularen Adsorption hätte das un¬
terste Farbstoffmolekiil allein die Möglichkeit zu reagieren (47).
Es wurde deshalb vermutet, dass neben sterischen Gründen noch an¬
dere, bisher nicht genannte Ursachen, auf die wir im folgenden Ab¬
schnitt näher eingehen werden, für den Kurvenverlauf in Fig. 3
verantwortlich sind.
II.5. Der Einfluss der Assoziation bei Substantiven Farbstoffen
Es ist aus der Literatur (48) (49) (50) (51) (52) (53) bekannt,
dass substantive Farbstoffe in wässriger Lösung meist in mehr oder
weniger stark aggregierter Form vorliegen. Nach Kortüm (48) gehor-
(47) vgl. Kapitel II.3., S. 17
(48) G. Kortüm, Z. physik. Chenu, Abt. B 34, 255 (1936)
(49) T. Vickerstaff, The Physical Chemistry of Dyeing, London,1954, Kap. Ill, S. 59
(50) E. Valko, J. Soc. Dyers Colourists 55, 173 (1939)
(51) R. Lenin u. T. Vickerstaff, Trans. Far. Soc. 43_, 491 (1947)
(52) H. Bach, E. Pfeil, W. Philippar u. M. Reich, Angew. Chem. j[5.>407 (1963)
(53) C.H. Giles u. S.M.K. Rahman, J. chem. Soc., 1209 (1961)
- 29 -
chen die wässrigen Lösungen solcher Farbstoffe nur in sehr hohen
Verdünnungen dem Lambert-Beer*sehen Gesetz. Bereits oberhalb Kon¬
zentrationen von 10 Mol/lit. treten Abweichungen auf, die durch
Wechselwirkungen (London*sehe Dispersionskräfte) zwischen den gros¬
sen Farbstoffionen gedeutet werden. Die Konzentrationsabhängigkeit
der Absorptionsspektren wird auf die Bildung von Dimeren und hö¬
heren Assoziaten zurückgeführt. Praktisch beobachtet man mit stei¬
gender Konzentration eine mehr oder weniger starke Abnahme der Ex¬
tinktion, in vielen Fällen begleitet von einer hypso- oder batho—
chromen Verschiebung des Absorptionsmaximums oder einer Aufspal¬
tung in zwei oder drei Maxima (54). Die Bildung von Farbstoff-
Farbstoff-Assoziaten lässt sich am einfachsten durch Untersuchun¬
gen der Absorptionsspektren bei verschiedenen Konzentrationen und
dazu umgekehrt proportionalen Schichtdicken nachweisen. Liegt .der
Farbstoff molekulardispers vor, so erhält man bei allen Konzen¬
trationen identische Spektren, d.h. einen konzentrationsunabhän¬
gigen Extinktionskoeffizienten. Werden jedoch Aggregate gebildet,
so liegt das Gleichgewicht zwischen Monomerem und Assoziat bei zu¬
nehmender Konzentration auf Seite des letzteren. Dessen Absorp¬
tionsspektrum ist aber nicht identisch mit dem Monomeren. Das As¬
soziationsgleichgewicht ist stark temperaturabhängig und ver¬
schiebt sich bei höheren Temperaturen auf die Seite der Monomeren.
Elektrolytzusätze bewirken im allgemeinen eine Steigerung der
Aggregation (48)(55), während hydrotrope Salze (55) wie Na-Benzoat
sowie kationen- und anionenaktive Substanzen (56) eine Aggrega¬
tionsverminderung ergeben.
Zollinger et al. (57) machten die Feststellung, dass bereits
(54) vgl. Th. Förster, Z. Elektro ehem. J$^, 344 (1957)
(55) W. Weltzien u. A. Bull, Melliand Textilber. 44, 605 (1963)
(56) W. Luck, Melliand Textilber. 41^, 315 (i960)
(57) H. Zollinger, O.A. Stamm, A.N. Roseira u. A. Zenhäusern,Chimia _13, 366 (1959)
- 30 -
einfache Monoazofarbstoffe vom Typus der Phenylazonaphtolsulfon--4 -6 ,
säuren wie Orange II in Konzentrationen von 10 - 10 Mol/lit.
als Dimere und höhere Assoziate vorliegen. Zu analogen Ergebnis¬
sen führten die Untersuchungen von Syz (58) an Arylazonaphtolsul-
fonsäuren.
Wir haben auch unsere 8 Modellfarbstoffe nach der spektrosko¬
pischen Methode auf eine mögliche Bildung von Assoziaten geprüft
und dabei die Feststellung gemacht, dass sämtliche Farbstoffe im
Konzentrationsbereich von 10 - 10 Mol/lit. in mehr oder weni¬
ger stark aggregierter Form vorliegen. In allen Fällen beobachtet
man ein deutliches Absinken der Extinktion mit steigender Konzent¬
ration. Bei allen Farbstoffen mit Ausnahme von B* trat zusätzlich
eine minime batho- oder hypsochrome Verschiebung des Absorptions¬
maximums auf. In Tab. 4 ist für die einzelnen Farbstoffe die so¬
genannte "Grenzkonzentration" c* angeführt. Die Grösse c* wurde
als diejenige Konzentration definiert, bei der die erste signifi¬
kante Abweichung vom Lambert-Beer1sehen Gesetz auftritt. Diese
"Grenzkonzentrationen" wurden graphisch bestimmt, indem man die
molaren Extinktionskoeffizienten c als Funktion der Konzentration
aufträgt (59). Die Grösse c* ist natürlich mit einer gewissen
Ungenauigkeit Ac behaftet, da diese Abweichungen vom linearen
abzissenparallelen Verlauf nicht scharf, d.h. bei einer genau
definierten Konzentration, sondern innerhalb eines kleinen Kon¬
zentrationsbereiches erfolgt.
(58) M. Syz, Dissertation E.T.H. Zürich (1964), unveröffentlicht
(59) vgl. experimentellen Teil, S. T6
- 31 -
Tab. 4
Farbstoff
"Grenzkonzentra¬
tion" c*a) fürI = Ob)
Ac
x 10"6a)
"Grenzkonzentra¬
tion" c*a) fürI = 0,07°) *
îoC"®*>
A*
B*
C*
E*
T*
P*
0*
D*
7,0.10~®12,5.lO"®55,0.10~®31,0.10~®
-69,2.10
7,9.10~®3,9.10"®3,6.10~
± 0,9
± 3,5
+ n,o
± 10,0
± l»3
± 0,9
+ 0,7
± 0,9
6,2.10~®9,6.10"®13,0.10~
9,6.10"®7,8.10~®6,8.10"®3,4.10"®3,1.10"®
± 0,5
± x»4
± 4,0
+ l»4
± 0,9
± 0,7
± 0,7
± 0,8
a) Mol/lit. b) ohne Fremdelektrolyt
c) mit Zusatz von Kochsalz, I = Ionenstärke
Trägt man graphisch die "Grenzkonzentration" c* der einzel¬
nen Farbstoffe als Funktion der effektiven Methylengruppenzahl y
auf, erhält man die in Fig. 4 abgebildeten Kurven.
Man findet ein ganz analoges Kurvenbild wie für die Abhängig¬
keit der Fixierungsquote von der Methylengruppenzahl. Wiederum
durchschreitet die Kurve beim Farbstoff C* ein Maximum. Einem ho¬
hen c*-Wert entspricht aber eine kleine Assoziationstendenz. Mit
anderen Worten ausgedrückt, weist der Farbstoff C* die geringste
Neigung zur Aggregation auf. Die von uns eingeführte Grösse c*
ist ein direktes Mass für die Aggregationsneigung der einzelnen
Farbstoffe. Die Kurve in Fig. 4 erlaubt es zwar nicht, eine abso¬
lute, quantitative Aussage über die Assoziation der Farbstoffe zu
machen, ist jedoch in unserem Fall für einen qualitativen Ver¬
gleich geeignet.
Es stellt sich nun die Frage, welche allgemeinen konstitu¬
tionellen Faktoren für den unterschiedlichen Assoziationsgrad der
- 32 -
"Grenzkonzentration" c* als Punktion der effektiven
Methylengliederzahl y
1-0
1-007
01 23456789 10 H 12
A* B* C* E* T* P* 0* D*
METHYLENGLIEDERZAHL Y
.Modellfarbstoffe verantwortlich sind. Die relativ starke Assozia¬
tion des Farbstoffs A* lässt sich zwangslos aus dem planaren Mo¬
lekülbau erklären. Die in der Literatur (49)(52) beschriebenen
Untersuchungen an verschieden substituierten Benzidinfarbstoffen
führen alle zun Ergebnis, dass die Aggregationstendenz bei kopla-
naren Verbindungen wie Benzopurpurin 4B (60) sehr viel ausgepräg—
(60) vgl. C. Robinson u. H.A.T. Mills, Proc. Roy. Soc. A 131,576 (1931)
- 33 -
ter ist als bei den entsprechenden Farbstoffen mit nicht kopla-
narem Aufbau (2,2'-substituierten Benzidinen, z.B. meta-Benzopur—
purin (60))i Dieses unterschiedliche Verhalten führt man darauf zu¬
rück, dass bei nicht koplanarer Struktur die London'sehen Kräfte,
die die Aggregation der Farbstoffmoleküle in Lösung bewirken, ge¬
schwächt sind. Bei den Farbstoffen B* und C* liegt im Gegensatz
zu A* die Reaktivgruppe nicht mehr in der Ebene des chromogenen
Restes. Die gefundene Aggregationsverminderung gegenüber dem Farb¬
stoff A* ist deshalb leicht zu verstehen. Die Aggregationszunahme
mit steigender Kettenlänge, die man am Kurvenverlauf vom Farbstoff
E* zum Farbstoff D* beobachtet, kann natürlich nicht mehr in glei¬
cher Weise erklärt -werden. Sie dürfte wahrscheinlich auf den sel¬
ben Ursachen basieren, die für die Aggregation und die Micellbil—
dung von Fettsäuren und Alkylsulfonaten verantwortlich gemacht
werden (61)(62), Lottermoser und Püschel (63) konnten beispiels¬
weise bei Alkylsulfonaten zeigen, dass die Aggregationstendenz
mit steigender C-Atomzahl wächst. Es ist naheliegend, einen gewis¬
sen Zusammenhang zwischen der Aggregation der Farbstoffe und ihrer
Fixierungsquote zu vermuten. Giles und Mitarbeiter (64)(65) haben
in eingehenden Untersuchungen über die Zusammenhänge zwischen der
Lichtechtheit und dem physikalischen Zustand der Farbstoffe auf
dem festen, trockenen Substrat sowie aus spektroskopischen Befun¬
den an Cellophanfolien (66) gezeigt, dass neben den Direktfarb¬
stoffen auch Reaktivfarbstoffe (Monochlor- und Dichlortriazine)
(61) P.E. Ekwall, Z. Kolloid. Chem. 136, 37 (1954)
(62) J. Stauff, Z. Elektrochem. 5£, 245 (1955)
(63) A. Lottermoser u. F. Püschel, Z. Kolloid. Chem. 63_, 175 (1933)
(64) C.H. Giles, J. Soc. Dyers Colourists 73, 127 (1957)f C.H. Gi¬les u. J. Lewington, J. Soc. Dyers Colourists 73, 386 (1957)
(65) C.H. Giles, G. Baxter, W.A. Black, N. Macaulay u. S.U.K. Rah¬
man, Text. Res. J. j30_, 934 (i960) } C.H. Giles, G. Baxter u.S.M.K. Rahman, Text. Res. J. 31^, 381 (1961)
(66) C.H. Giles u. S.M.K. Rahman, J. chem. Soc., 1209 (1961)
- 34 -
in der Cellulosefaser aggregiert vorliegen. Es sei dahin gestellt,
ob man soweit gehen kann wie Pfeil (52), der auf Grund spektros¬
kopischer Untersuchungen von Benzidinfarbstoffen an Cellophan-
und Polyvinylalkoholfolien annimmt, dass substantive Farbstoffe
weder durch Wasserstoffbrücken noch ganz allgemein durch van der
Waals'sche Kräfte in der Faser haften. Nach seiner Hypothese soll
die Haftung innerhalb der Micellhohlräume nur durch das individuel¬
le Aggregationsvermögen dieser Farbstoffe zu Stande kommen, wobei
die Haftung umso grösser ist, je stärker eine Verbindung aggre¬
giert ist. Die Argumente von Pfeil (52) sind in mancher Beziehung
zweifelhaft, werden doch Effekte verglichen, die unter verschiede¬
nen Versuchsbedingungen gemessen wurden. Giles (65) hat an sulfo-
gruppenhaltigen wasserlöslichen Farbstoffen mit verschieden langer
aliphatischer Seitehkette, die oberflächenaktive Eigenschaften auf¬
weisen, deren Lichtechtheit in Abhängigkeit der Kohlenstoffzahl be¬
stimmt. Er fand, dass diese mit steigender Kettenlänge allgemein
bis etwa zu einer C-Atomzahl 4 zunimmt und dort ein Optimum durch¬
schreitet. Er interpretiert den Kurvenverlauf mit einer Aenderung
des Verhältnisses von molekulardispersem zu aggregiertem Farbstoff.
In Uebertragung der von Giles (64)(65)(66) gewonnenen Erkennt¬
nisse nehmen wir an, dass die Farbstoffe mit geringer Assoziations¬
neigung wie B*, C* und E* weitgehend monomolekular, die übrigen
weitgehend polymolekular auf der intermiceHaren Oberfläche adsor¬
biert werden. Ob der TJebergang von einer monomolekularen zu einer
multimolekularen Beschichtung nach dem gleichen Mechanismus er¬
folgt, wie es bei der Adsorption gewisser Cyaninfarbstoffe an Sil¬
berhalogenkeimen gefunden wurde (67), also "schlagartig", bei einer
bestimmten kritischen Konzentration einsetzend, lässt sich mit dem
vorliegenden experimentellen Tatsachenmaterial nicht beantworten,
(67) S.E. Sheppard, R.H. Lambert u. R.D. Walker, J. ehem. Phys. 7_,245 (1938)* S.E. Sheppard, Rev. Modern Phys. 1±, 303 (1942)
- 35 -
dürfte aber eher unwahrscheinlich sein. In unserem Fall wird man
einen kontinuierlichen Uebergang zwischen diesen beiden Adsorp—
tionszuständen annehmen müssen. Bei der polymolekularen Adsorp¬
tion dieser Farbstoffe, bedingt durch die Aggregation in der Fa¬
ser, wäre die Reaktion des Reaktivsystems mit der Cellulose im
alkalischen Fixierungsschritt nur für die unterste Schicht möglich,
wie wir dies bereits im Kapitel II.3. darlegten. Biese Annahme er¬
klärt unserer Ansicht nach zwangsloser den Kurvenverlauf der Fi¬
xierungsquoten in Fig. 3. Fasst man die Ergebnisse zusammen, so
hätte der Einbau dieser "Gelenke" keine sterisch günstigere An¬
ordnung der Reaktivgruppe gebracht, wie es von Krazer (2) inter¬
pretiert wird, sondern lediglich eine Aggregationsverminderung
und implizite einen Uebergang von der polymolekularen zur monomo¬
lekularen Adsorption bewirkt. Es kann auf Grund unserer Versuchs¬
ergebnisse nicht eindeutig entschieden werden, welchem dieser bei¬
den Effekte für den Fixierungsvorgang die verantwortliche Rolle
zukommt. Eine gewisse Bestätigung unserer Ergebnisse bringen die
kinetischen Untersuchungen von Rys (68) am Farbstoff A* und zwei
weiteren, konstitutionsmässig sehr ähnlichen Verbindungen, die
sich aber in ihrem Aggregationsgrad deutlich unterscheiden. Wer¬
den beim Farbstoff A* die sauren Protonen an den beiden Brücken¬
stickstoffatomen zwischen Triazinring und Anilinogruppe einerseits
(A**) und zusätzlich zwischen Triazinring und chromogenem Teil
(A***) durch Methylgruppen ersetzt, beobachtet man eine deutlich
verminderte Aggregationstendenz, d.h. eine Verschiebung der Grenz¬
konzentration c* nach höheren Konzentrationen.
(68) P. Rys, Dissertation E.T.H. Zürich (1964), unveröffentlicht
- 36 -
Konstitution der Farbstoffe A** und A***
K**
HO3S
HO3S OH
CH3
\***
HO3S.
J&OjstfsoCHo
Rtb (68) konnte zeigen, dass die Hydrolysengesclwindigkeit
dieser drei Farbstoffe massgeblich von ihrem Aggregationsrermö—
gen abhängt.
- 37 -
III. DARSTELLUNG DER MODELLFARBSTOFFE
III.l. Herstellung der Zwischenprodukte
Zum Aufbau unserer Modellfarbstoffe des Cibacrontypus (69),
die durch die allgemeine Formel
Gruppe 1: R-N-N-^^-(CH2)x-NH-X x-0,1,2,.
Gruppe 2: R-N-N-£^-0-(CH2)x-NH-X x- 2,4,5,..
R - 2-Naphtol-3,6-disulfonsäure (R-Säure)
X- 1-Anilino-dichlortriazin
charakterisiert werden, benötigt man als "Schlüssel"-Verbindungen
die (B-(p-Aminophenyl)-alkylamine (Gruppe l) bzw. die «D-(p-Amino-
phenoxy)-alkylamine (Gruppe 2).
III.1.1. Synthese der
- 38 -
beschrieben sind, -vurden verschiedene, unabhängige Wege eingeschla¬
gen, die aber alle aus teilweise unerklärlichen Gründen nicht zum
Ziel führten und jeweilen an einer Zwischenstufe scheiterten. Es
sei nur knapp angedeutet, welche Anstrengungen unternommen wurden,
höhere Homologe dieser Diamine (x>10) zu synthetisieren. Am ein¬
fachsten und meisten Erfolg versprechend schien uns zuerst der
Weg über die -Phenyl-fettsäuren (z.B. 10-Phenyl-decansäure) führ¬
te trotz Variation der Nitrierbedingungen und -agentien (73) ent¬
weder zur Dinitroverbindung oder zu einem Gemisch der 3 isomeren,
monosubstituierten Produkte, die sich aber an Kieselgel- oder Alox-
säulen nicht mehr trennen liessen (74). Erfolglos blieben auch die
Versuche, mit Hilfe von Grignardreaktionen (75) oder nach der Me-
(71) In Frage kommen Verbindungen mit + M-Substituenten, wie Halo¬genbenzole und Anisol. Anilin, auch durch Acetylierung ge¬schützt, eignet sich für Friedel-Craftsreaktionen jedoch nicht.
(72) D. Papa, E. Schwenk u. H. Hankin, J. Amer. ehem. Soc. 69,3018 (1947); E. Berliner u. F.J. Bondhus, J. Amer. ehem.Soc. 7£, 3197 (1948) } M. Paulshock u. CM. Moser, J. Amer.
ehem. Soc 7£, 5073 (1950)
(73) vgl. A.V. Topeliev, Nitration of Hydrocarbons, London, (1959),53; P.B.D. De la Mare u. J,H. Ridd, Aromatic Substitution,
London, (1959), 79
(74) vgl. Nitrierung von e-Phenylcapronsäurei J. Van der Scheer,J. Amer. ehem. Soc. 56, 744 (1934)
(75) K.W. Sterk, M.V. Augur u. M.D. Soffer, J. Amer. ehem. Soc. 69_,1684 (1947)| R. Huisgen, W. Rapp, I. Ugi u. H. Walz, Ann. 586,1 (1954)j H. Oura u. J. Hase, Pharm. Bull. Japan. £, 368 (1954)
- 39 -
thode von Wittig und Schöllkopf (76) durch Kondensation geeigne¬
ter Triphenylphosphoniumsalze (77) mit p-Nitrobenzaldehyd linea¬
re unsymmetrisch substituierte Kohlenwasserstoffe aufzubauen.
Neuerdings sind die Herstellung und die Reaktionen von Triphenyl-
phosphoniumsalzen tu -substituierter Halogen-fettsäuren in der Li¬
teratur (78) beschrieben worden.
p-Aminobenzylamin (79) und ß-(p-Aminophenyl)-aethylamin (80)
wurden nach Literaturvorschriften hergestellt.
III.1.2. Synthese der u)-(p-Aminophenoxy)-fettsäure-amine
Schiebt man zwischen Phenylkern und Methylenkette bei den Zwi¬
schenprodukten der Gruppe 1 ein Sauerstoffatom ein, so erhält man
formal die entsprechenden (D-(p-Aminophenoxy)-alkylamine, die syn¬
thetisch leichter zugänglich sind und deren Synthese teilweise in
der Literatur (8l) beschrieben ist.
(76) U. Schöllkopf, Neue Methoden der präp. org. Chemie, Weinheim,Bd. III, 72 ff. (1960)
(77) In Frage kommen beispielsweise Monophosphoniumsalze vona,u) -Dihalogenalkanen und »-substituierten Halogen-alkylnit-
rilenj vgl. A. Mondon, Ann. 603, 115 (1957); S. Tripett u.D.M. Walker, J. chem. Soc, 1266 (1961)
(78) M.M. Schemjakin u. L.D. Bergelson, Angew. Chem. 7_6, 113 (1964)
(79) A. Einhorn u. Th. Mauermayer, Ann. 343, 282 (1905)
(80) J. v. Braun u. G. Blessing, Ber. 56_, 2157 (1923) f vgl. auch (2)
(81) J.N. Ashley, R.F. Collins, M. Davis u. N.E. Sirett, J. chem.Soc, 3880 (1959); J.N. Ashley, R.F. Collins, M. Davis u.
N.E. Sirett, J. chem. Soc, 3298 (1958)
-40 -
Der allgemeine Syntheseweg ist im folgenden Reactionsschema -wie¬
dergegeben.
a) Br-(CH2)X-Br —02N-Q-0-(CH2)x-BrI ïïa
o2nhQo-(ch2)x-n:^m
b) Br-(CH2)X-Br— BMCH2>X-NC£®]^)I üb
Sfi3N-CCH2)x-0-^-NH3?l -— Clf13N-(CH2)x-0-^yNO;w 2
Wie ans dem Reaktionsschema hervorgeht, besteht die Synthese
aus bekannten Reaktionen der präparativen organischen Chemie. Bis
zur Verbindung (ill), dem (B-(p-Nitrophenoxy)-alkyl-phtalimid, die
nach zwei Varianten zugänglich ist, wurde weitgehend nach den Vor¬
schriften von Ashley et al» (81) gearbeitet. Die Kondensation von
p-Nitrophenol mit einem aliphatischen Dihalogenid (i), vorzugswei¬
se mit der Dibromverbindung, erfolgte unter Zugabe von methanoli-
- 41 -
scher Kalilauge in alkoholischer oder acetonischer Lösung. Um das
monosubstituierte Produkt zu erhalten, empfiehlt sich ein grosser
Ueberschuss an Dihalogenverbindung (2 — 2jfache Menge). Die Mono-
aetherverbindung (lia) konnte nur durch anschliessende Chromato¬
graphie an Aloxsäulen bei massigen Ausbeuten rein gewonnen werden.
Die Einführung der aliphatischen Aminogruppe erfolgte nach der
Gabrielmethode und zwar nach einer Modifizierung von Wood (82) in
Lösung mit Dimethylformamid als Lösungsmittel. Kondensiert man da¬
gegen zuerst die aliphatische Dihalogenverbindung (i) mit Kalium-
phtalimid zum Phtalimidderivat (IIb) und setzt dieses mit Kalium-
Nitrophenolat um, erhält man ebenfalls die Verbindung (ill). Nach
bekannter Methode (83) wurde die Phtalimidverbindung (ill) mit
Hydrazin und Salzsäure zum Aminhydrochlorid (IV) verseift. Durch
katalytische Hydrierung mit einem Palladium-Bariumsulfat-Kataly¬
sator erhielt man die entsprechenden Diamine, die als die Dihydro—
Chloride (V) isoliert und identifiziert wurden.
III.2. Herstellung der Grundfarbstoffe
Nach Kornblum (70) lassen sich Verbindungen mit einer aroma¬
tischen und aliphatischen Aminogruppe im Molekül auf Grund der
pK-4Jnterschiede selektiv an der aromatischen Aminogruppe diazo-
tieren, sofern die Diazotierung genügend sauer (pH
- 42 -
den Reaktionsschema:
aH3N-^yo-(CH2)x-NH3Cl — CtN2"{3"0"(CH2)x"N*3^
HO3S
SE
xNH;0O3^bH*NO°"(CH2):
Die im vorangehenden Abschnitt III.1.1. und III.102. synthe¬
tisierten Diamine (V) -wurden analog den Vorschriften von Korn-
blum (70) in -wässriger Lösung diazotiert und alkalisch auf R-Salz
(84) gekuppelt. Durch Aussalzen erhielt man die entsprechenden
Grundfarbstoffe (86), die alle noch die aliphatische Aminogruppe
enthalten. Nach ein- bis zveimaligem Umkristallisieren aus Aetha-
(84) Die Farbstoffe von Krazer (2) sind Kupplungsprodukte der 1-Naphtol-3-sulfonsäure. Diese lässt sich in ortho- und para¬
Stellung kuppeln. Bei der sauren Kupplung entsteht hauptsäch¬lich der ortho-Farbstoff (85). Um der zusätzlichen Schwierig¬keit einer Trennung der Farbstoffisomeren zu entgehen, wurdeeine Sulfonsäure des ß-Naphtols gewählt.
(85) O.A. Stamm u. H. Zollinger, Helv. 40_, 1105 (1957)
(86) Die Grundfarbstoffe -wurden mit den gleichen Buchstaben, aberanderem Index wie die Reaktivfarbstoffe abgekürzt. A ,B ,C ,.
- 43 -
nol/Wasser bzw. Isopropanol/Wasser waren die Farbstoffe in der Re-
gel für die Umsetzung zum Reaktivfarbstoff genügend rein.
III.3. Einführung der reaktiven Trägergruppe in den
Grundfarbstoff
Die Umsetzung der Grundfarbstoffe mit der Trägergruppe zum
eigentlichen Reaktivfarbstoff lässt sich folgendermassen formu¬
lieren«
H03S
VII — (_>U M^Cl
VIII
Für sämtliche Farbstoffe -wurde aus naheliegenden Gründen das
gleiche Reaktivsystem gewählt. Die entsprechenden Farbstoffe von
Krazer (2) (87) enthielten total z-wei -wasserlösliche Sulfogruppen
im Molekül, eine in der Kupplungskomponente (l-Naphtol-3-sulfon-
säure), die andere in Form des p-Sulfanilinorestes in der Reaktiv¬
gruppe. Um bezüglich der Sulfogruppenzahl vergleichbare Farbstof¬
fe zu haben, wurde als Trägergruppe das 1-Anilino-dichlortriazin
gewählt, das synthetisch leicht zugänglich ist.
(87) vgl. Kapitel II.4., S. 22
(88) B. Bitter, Dissertation Universität Basel (i960)
- 44 -
Die Umsetzung der Grundfarbstoffe mit dem monosubstituierten
Cyanurchloridderivat, das gelöst in einem organischen Lösungsmit¬
tel (Aceton) im Ueberschuss zugegeben wurde, erfolgte in wässriger
Lösung bei Temperaturen zwischen 30 - 35 C. Wegen des hohen pK-
Wertes einer aliphatischen Aminogruppe (89) - die reaktionsfähige
Form für die Substitutionsreaktion ist das freie Amin - musste
die Kondensation des Grundfarbstoffs mit dem Dichlortriazinderi-
vat im alkalischen Bereich bei pH~9 durchgeführt Verden.
Die entsprechende Umsetzung einer aromatischen Aminogruppe
erfolgt normalerweise in einer auf pH 7 gepufferten Lösung. Es
ist bekannt, dass nucleophile Substitutionsreaktionen an Cyanur-
chlorid durch Basen wie Pyridin katalysiert werden (88). Auch in
unserem Fall bewirkte der Zusatz kleiner Mengen Pyridin eine Er¬
höhung der Reaktionsgeschwindigkeit mit dem Farbstoffamin, gleich¬
zeitig aber auch eine Steigerung der Hydrolyse der Dichlortriazin-
verbindung. Unter diesen gezwungenermassen alkalischen Reaktions¬
bedingungen beobachtet man aber bereits eine partielle Hydrolyse
des reaktiven Chloratoms im frisch gebildeten Reaktivfarbstoff.
Nach dem Aufarbeiten enthielt der isolierte Reaktivfarbstoff in
den meisten Fällen kleine Mengen an hydrolysiertem Farbstoff« In
der Arbeit von Krazer (2) wird weder das Auftreten während der
Synthese hydrolysierten Farbstoffs noch eine nachträgliche Rei¬
nigungsoperation erwähnt. Nach unseren Erfahrungen lässt sich bei
der Herstellung der Farbstoffe mit einer oder mehreren Methylen¬
gruppen eine partielle Hydrolyse der Reaktivgruppe nicht ganz ver¬
meiden. Wir machten auch die Beobachtung, dass die Nebenreaktion
der Hydrolyse mit steigender Kettenlänge abnimmt. Bei den Farb¬
stoffen 0* und D* liess sich papierchromatographisch bereits kein
Hydroxyfarbstoff mehr nachweisen. Die Acylierungsreaktion wurde
(89) vgl. pK -Wert von n-Amylamin: 10,64 (39)
- 45 -
in sämtlichen Fällen papierchromatographisch überwacht. Mit Aus¬
nahme der Farbstoffe 0* und D* wurden alle Farbstoffe durch Chro¬
matographie an Cellulosesäulen gereinigt. Für die säulenchroma-
tographische Abtrennung der Reaktivfarbstoffe von den Nebenproduk¬
ten (Hydroxy- und Grundfarbstoff) hat sich nur Cellulosepulver (90)
als Trägermaterial geeignet erwiesen. Bei dieser Reinigungsopera¬
tion mussten allgemein bedeutende Substanzverluste in Kauf genom¬
men werden, bedingt durch die Substantivität der Farbstoffe und
einer partiellen Fixierung mit dem Cellulosematerial.
Der Farbstoffgehalt wurde in sämtlichen Fällen durch eine Ti¬
tan- bzw. Chromtiterbestimmung ermittelt. "Von den meisten Farbstof¬
fen wurde auch eine Elementaranalyse gemacht. Die Einheitlichkeit
der Farbstoffe prüfte man papierchromatographisch mit zwei verschie¬
denen Laufmitteln. Von allen Reaktivfarbstoffen wurde zusätzlich
mit Ausnahme der Farbstoffe 0* und D* der pK -Wert der Naphtolgrup—a
pe nach der spektroskopischen Methode von Hammett (91) bestimmt (92).
(90) Whatman Cellulosepulver, Standard Grade (W.R. Baiston Ltd.,Manchester)
(91) L.P. Hammett, Physical Organic Chemistry, New York (1940),186 ff.
(92) vgl. experimenteller Teil, S. 84 ff.
- 46 -
EXPERIMEN1 ELLER TEIL
Allgemeines
Sämtliche IR-Spektren wurden auf einem Beckman IR-5 Doppel-
strahlgerät aufgenommen. Zur Aufnahme von Absorptionsspektren im
sichtbaren Bereich stand uns ein Cary-11 Spektrophotometer zur
Verfügung. Die kolorimetrischen Messungen führte man mit einem
Spektralphotometer Beckman-DU G-4700 aus. Für die Färbeversuche
stand uns ein AIIIBA-Färbeapparat (93) zur Verfügung. Für die Hyd¬
rierungen benutzten wir eine Hydrieranlage der J.W. Towers & Co.
Ltd, Manchester. Die angegebenen Schmelzpunkte sind nicht korri¬
giert und wurden mit einem Schmelzpunktsmikroskop der Firma Rei¬
chert bestimmt. Die Dünnschichtehromatogramme wurden mit dem Dünn—
schichtgerät der Desaga GmbH aufgenommen. Als Trägermaterial und
stationäre Phase benutzten wir das Kieselgel G von Merck. Für die
Säulenchromatographie an Aluminiumoxyd verwendeten wir das neu¬
trale Produkt der Firma Woelm. Für die papierchromatographischen
Untersuchungen (streifenchromatogramme nach Rockland und Dunn (94))
dienten uns Whatman 1 (W l)- und Ederol 202 (E 202)-Papiere. Die
säulenchromatographische Trennung der Reaktivfarbstoffe erfolgte
an Whatman Cellulosepulver, Standard Grade (90). Die Mikroanalysen
wurden im Mikrolabor der technisch-chemischen Abteilung der E.T.H.
durchgeführt. Die Titan- und Chromtiterbestimmung verdanken wir
dem analytischen Laboratorium der CIBA AG. (Leitung Dr. H. Gubser
und Dr. W. Büchler).
(93) AHIBA-Elektroapparatebau, Birsfelden (Schweiz)
(94) L.B. Rockland u. M.S. Dunn, Science 109, 539 (1949)
- 47 -
I. SYNTHESE DER ZWISCHENPRODUKTE (GRUPPE 2)
Die Synthese der Zwischenprodukte der Gruppe 2 folgte für
die ersten zwei Stufen bis zum Phtalimidderivat (ill) den Vor¬
schriften Ton Ashley et al. (81). Die experimentelle Durchführung
der einzelnen Reaktionsstufen soll am Beispiel der Synthese des
l-(p-Aminophenoxy)—8-amino-octan-dihydrochlorids eingehend be¬
schrieben '»erden. Die Herstellung der übrigen homologen Verbin¬
dungen erfolgte analog und wird deshalb nicht mehr im einzelnen
besprochen.
1.1. l-(p-Nitrophenoxy)-8-brom-octan (IIa)
26 g (0,187 Mol) p-Nitrophenol und 100 g (0,367 Mol) 1,8-Di-
brom-octan wurden in 150 ml Aethylalkohol gelöst und unter ständi¬
gem Rühren zum Sieden erhitzt. Man tropfte innerhalb 3 Stunden
64,5 ml (0,187 Mol) 3 N methanolische Kalilauge zu und rührte so¬
lange, bis die Lösung neutral war. Nach dem Abkühlen auf 20 C
wurde das Lösungsmittel am Vakuum entfernt und der ölige Rück¬
stand in 500 ml Petrolaether (95) und Benzol im Verhältnis 1:1
aufgenommen. Durch mehrmaliges Ausschütteln mit kalter 0,5 N Nat¬
ronlauge wurde das überschüssige Nitrophenol entfernt. Nach dem
Trocknen und Abdampfen des Lösungsmittels resultierte ein schwach
gelb gefärbtes Oel, das beim Stehenlassen bei Zimmertemperatur
teilweise kristallisierte. Anhand eines Dünnschichtchromâtogramras
(Laufmittel* Petrolaether/Benzol 1 : l) liess sich das ölige Roh¬
produkt in 2 Hauptzonen (R_-Werte von 0,85 und 0,45) und drei Ne¬
benprodukte (R_-Werte 0,40) auftrennen.
(95) Sofern nicht anders vermerkt, wurde stets Petrolaether 60 -90 C verwendet.
- 48 -
77,2 g Rohprodukt -wurden deshalb an 1000 g Aluminiumoxyd neu¬
tral der Aktivitätsstufe I chromatographiert. Mit Petrolaether (95)
wurde zuerst das überschüssige 1,8-Dibrom-octan eluiert. Mit Ben-
zol/Chloroform 7:3 Hessen sich 23 g (37 %) an chromatographisch
einheitlichem l-(p-Nitrophenoxy)-8-brom-octan vom Smp. 45-46 C
gewinnen.
C14H20°3N Br Ber* C 50>92 $ H 6»10 ^ Br 24>20 f>
(330,22) Gef. C 50,72 % H 5,99 % Br 23,87 $
IR-Spektrum (CHC1„) » Nitrobanden bei 6,31y und 7,43ji
Phenolaetherbande bei 7,96u
Die Synthese der folgenden Verbindungen erfolgte auf analoge
Art. Die IR-Spektren weisen ebenfalls 2 Nitrobanden bei 6,31u
und 7,43(1 sowie die Phenolaetherbande bei ?,95U auf.
l-(p-Nitropheno3cy)-4-brom-bntan8 28 g (23,5 $>) vom Smp. 38-39 C
(lit. (81) : 37 - 40° C)
CH12°3N Br Ber. C 43,81 f> H 4,41 % Br 29,15 f,
(274,12) Gef. C 43,83 % H 4,62 % Br 28,90 %
l-(p-Nitrophenosy)-10-brom-decant 21 g (31 %) Smp. 57 - 58° C
C16H24°3N Br Ber* C 53>68 ^ H 6'75 $ Br 22>31 f>
(358,28) Gef. C 53,68 $ H 7,00 % Br 21,74 %
1.2. l-(p-Nitrophenoxy)-8-phtalimido-octan (ill)
20 g (0,067 Mol) l-(p-Nitrophenoxy)-8-brom-octan (IIa) und
12 g (0,065 Mol) Kalium-Phtalimid wurden nach Wood (82) in 50 ml
Dimethylformamid gelöst und für eine halbe Stunde auf 140 C er-
- 49 -
hitzt. Nach dem Abkühlen auf Zimmertemperatur gab man 50 ml Was¬
ser zu, extrahierte mit 300 ml Chloroform und schüttelte wieder¬
holt mit kalter 0,5 N Natronlauge aus. Nach dem Waschen und Trock¬
nen des Chloroformauszugs über Calciumsulfat wurde das Lösungsmit¬
tel am Vakuum entfernt und der feste Rückstand je einmal aus Aethyl-
alkohol und Aceton umkristallisiert. Man erhielt 16,5 g (24 %) des
Phtalimidderivats (ill) als farblose Nadeln vom Smp. 115 - 116 C
(Lit. (81) : 113 - 114° C)
C22H24°5N2 Ber# C 66>65 1° H 6»10 1° N 7»07 1°
(396,43) Gef. C 66,66 % H 5,88 % N 7,08 %
IR-Spektrum (CHC1„)t Amidbanden (cycl. Amid) bei 5,64 und 5,85p,
Nitrobande bei 7,43u und Phenolaether-
bande bei 7,95p
Analog erfolgte die Herstellung der folgenden beiden Phtal-
imidverbindungen. Die IR-Spektren weisen ebenfalls eine doppelte
Amidbande bei 5,64u und 5,85n auf.
l-(p-Nitrophenoxy)—4-phtalimido-butant 9 g (25 %) vom Smp. 118 —
119° C (Lit. (81) : 119° C)
CloH..0_No Ber. C 63,52 f, H 4,74 $ N 8,23 $
(340,32) Gef. C 63,29 % H 4,65 % N 8,13 "f,
l-(p-Nitrophenoxy)-10-phtalimido-decant 14 g (58 %) vom Smp. 102,0 -
102,5° C (Lit. (81) : 102 - 103° C)
C24H28°5N2 Ber* C 67f90^ H 6»63 z6 N 6»60 %
(424,48) Gef. C 68,05 f> H 6,65 fo N 6,52 %
Die Phtalimidderivate (ill) für x = 2 und 5 -wurden nach der
- 50 -
Variante B nach den Vorschriften von Drake und Garman (96) her¬
gestellt.
1.2.1. l-Phtalimido-5-brom-pentan (lib)
95 g (0,413 Mol) 1,5-Dibrompentan wurden in 250 ml Aceton ge¬
löst und unter ständigem Rühren bei Siedetemperatur innerhalb 4
Stunden portionenweise mit total 37 g (0,2 Mol) Kalium-Phtalimid
versetzt. Nach 24stündigem Kochen am Rückfluss wurde vom ausge¬
fallenen Kaliumbromid abfiltriert. Man engte am Vakuum bis zu
einem Viertel des Volumens ein und filtrierte den Niederschlag
(Diphtalimidverbindung) ab. Die Mutterlauge wurde zur Trockene
eingedampft und der ölige Rückstand am HV fraktioniert. Das über¬
schüssige 1,5-Dibrompentan destillierte über zwischen 55-71 C
(0,05 - 0,1 Torr). Den Rückstand, der die Monophtalimidverbindung
enthält, kristallisierte man zweimal aus Petrolaether um. Man er¬
hielt 22 g (38 %) vom Smp. 61 - 63° C.
CloH^0oN Br Ber. C 52,72 % H 4,76 % Br 26,98 $ko 14 &
(296,17) Gef. C 52,52 % H 4,65 % Br 27,11 %
Analog erfolgte die Herstellung von«
l-Phtalimido-2-brom-aethant Prismen vom Smp. 82 — 83 C
(Lit. (96) » 79 - 81° C)
CH8°2N Br Ber. C 47,27 f> H 3,17 % Br 31,45 %
(254,09) Gef. C 47,57 % H 3,02 % Br 31,15 %
Ausbeute: 58 g (47 %)
(96) N.L. Drake u. J.A. Garman, J. Amer. ehem. Soc. £1, 2426 (1949)
- 51 -
1.2.2. l-(p-Nitrophenoxy)-5-phtalimido-pentan
20 g (0,068 Mol) l-Phtalimido-5-brom-pentan (lib) und 13,5 g
(0,076 Mol) Kalium-Nitrophenolat, gelöst in 100 ml Aethanol, -wur¬
den für 20 Std. am Rückfluss gekocht. Nach dem Abfiltrieren des
ausgefallenen Kaliumbromids ururde die acetonische Lösung am Vakuum
eingedampft. Man nahm in 300 ml Chloroform auf, schüttelte vier¬
mal mit kalter 0,5 N Natronlauge und zweimal mit dest. Wasser aus.
Nach dem Trocknen und Entfernen des Lösungsmittels erhielt man
11 g (37 f>) einer farblosen kristallinen Verbindung, die nach zwei¬
maligem Umkristallisieren aus Aethanol bei 124 - 125 C (Lit. (81) t
123 - 124° C) schmolz.
C19H18°5N2 Ber* C 64»40 ^ H 5'12 ^ N 7»91 ^
(354,35) Gef. C 64,61 % H 5,21 % N 8,12 %
IR-Spektrum (CHC1„)t Amidbanden bei 5,61 u und 5,85U
Nitrobande bei 7,43U und Fhenolaether-
bande bei 7,95 U
Entsprechend erfolgte die Herstellung von:
l-(p-Nitrophenory)-2-phtalimido-aethan8 16,5 g (24 %) vom Smp.
150 - 152° C (Lit. (81) : 152 - 154° C)
C16R12°5N2(312,27)
1.3. l-(p-Nitrophenoxy)-8-amino-octan-hydrochlorid (IV)
16 g (0,04 Mol) l-(p-Nitrophenoxy)-8-phtalimido-octan (ill)
-wurden in 300 ml Aethylalkohol gelöst, mit 20 ml 85 feiger Hydra-
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zinhydratlösung versetzt und für l£ Stunden am Rückfluss gekocht.
Nach dem Abkühlen irurde die gelb gefärbte Mutterlauge vom volu¬
minös ausgefallenen Fhtalazonderivat dekantiert und der Rückstand
portionenireise mit total 250 ml kaltem Aethanol gespült. Anschlies¬
send engte man vorsichtig am Vakuum ein, gab 40 ml 10 N Salzsäure
und 40 ml Wasser zu und digerierte die Aufschlämmung für 1 Stunde
auf dem Wasserbad. Man stellte in den Eisschrank, filtrierte kalt
das ausgefallene Phtalhydrazid und -wusch gründlich mit verdünnter
Salzsäure. Das saure Filtrat irurde mit konzentrierter Natronlauge
auf pH 10 - 11 neutralisiert und in 2 Portionen mit total 500 ml
Chloroform extrahiert. Die vereinigten Chloroformauszüge wurden
nach dem Waschen und Trocknen auf l/lO ihres Volumens eingeengt,
mit 50 ml Aethanol und 7 ml 10 N Salzsäure versetzt und zur Trok-
kene eingedampft. Das rohe Hydrochlorid irurde in 250 ml Aethyl—
alkohol aufgenommen, mit Aktivkohle entfärbt und nach dem Abküh¬
len mit Aether bis zur ersten Trübung versetzt. Beim Stehen im
Kühlschrank kristallisierte das Hydrochlorid aus. Nach dem Trock¬
nen am Vakuum über Phosphorpentoxyd erhielt man 9,4 g (77 %) des
reinen Hydrochlorids (iV) vom Smp. 79 — 81 C.
C14H23°3N2C1 Ber# C 55>53 # H 7»51 # N 9»25 #
(302,80) Gef. C 54,90 % H 7,66 % N 9,14 %
IR-Spektrum (Nu.jol) t Verschwinden der Amidbanden bei 5,61 u
und 5,85 il
Nitrobande bei 7,43 U und Phenolaether¬
bande bei 7,95u
Die Verseifung der übrigen Phtalimidderivate (x = 2, 4, 5 und
10) wurde entsprechend durchgeführt. In sämtlichen IR-Spektren
(Nujol) sind die Amidbanden bei 5,61(1 und 5,85(1 verschwunden;
erhalten sind die Nitrobande bei 7,43 U und die Phenolaetherbande
bei 7,95U .
- 53 -
l-(p-Nitrophenoxy)-2-amino-aethan-hydrochloridi 2,1 g (22 %) vom
Smp. 215 - 217° C
C8H11°3N2C1 Ber" C 43>94 ^ H 5»07 ^ N 12»81 ^
(218,64) Gef. C 44,07 % H 5,08 fo N 12,79 $
1—(p-Nitrophenoxy)-4-amino-butan-hydrochloridi 3,5 g (54 %) vom
Smp. 130 - 132° C
C10H15°3N2C1 Ber* C 48>68 $ H 6»13 f" N 11»36 ^
(246,69) Gef. C 49,24 % H 6,68 % N 10,91 %
l-(p-Nitrophenoxy)-5-amino-pentan-hydrochloridt 4,5 g (61 %) vom
Smp. 125 - 127° C
C11H17°3N2C1 Ber* C 50'6T ^ H 6,5T * N 10'74 ^
(260,72) Gef. C 50,68 % H 6,71 % N 10,64 %
1—(p-Nitrophenoxy)-10-amino-decan-hydrochloridt 4,1 g (42 %) vom
Smp. 78 - 79° C
C16H27°3N2C1 Ber* C 58>09 ^ H 8»23 ^ N 8»47 $
(330,85) Gef. C 58,01 $ H 8,56 % N 8,63 %
1.4. l-(p-Aminophenoxy)-8-amino-octan-dihydrochlorid (V)
8,0 g (0,026 Mol) l-(p-Nitrophenoxy)-8-amino-octan-hydrochlo-
rid (iv) -wurden in 100 ml absolutem Aethylalkohol gelöst und in
der Schüttelente mit 1,5 g Palladium-Bariumsulfat-Katalysator (97)
(97) vgl. für die Herstellung! E. Schmidt, Ber. 52_, 409 (1919)
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versetzt. Nach dem Verbrauch von 1980 ml (0,079 Mol, 0,96 Torr,
20 C) Wasserstoff wurden 50 ml Aethanol zugegeben, auf 50 C er¬
wärmt und warm Tom Katalysator abfiltriert. Man engte die schwach
gelb gefärbte Lösung am Vakuum auf l/5 ihres Volumens ein, gab
5 ml 10 N Salzsäure zu und destillierte ab. Der feste Rückstand
-wurde zweimal aus Aethanol/Aether umkristallisiert. Man erhielt
total 6,8 g (84 %) der reinen Diamin-dihydrochloridverbindung vom
Smp. 173 - 175 C (Zersetzung).
C H 0 N Cl Ber. C 54,36 fo H 8,47 % N 9,06 %
(309,28) Gef. C 54,35 % H 8,50 % N 9,27 %
IR-