Psychologische Perspektiven auf die aktuelle ... · Pettigrew, T. F., & Tropp, L. R. (2008). How does intergroup contact reduce prejudice? Meta-analytic tests of three mediators

Research Center for the Psychological Study of Individual and Community Change (PSINCC)

Dr. Mathias Kauff | Dr. Jolanda van der Noll 1

Psychologische Perspektiven auf die aktuelle

Flüchtlingsdebatte


Dr. Mathias Kauff | Dr. Jolanda van der Noll

Ablauf

2

1. Einleitung: Debatten über Geflüchtete in

Deutschland

2. Ursachen von Vorurteilen und

Diskriminierung

3. Wie entstehen positive Einstellungen

gegenüber Geflüchteten?



Debatten über Geflüchtete

3

Die sieben größten Ängste der Deutschen

1. Steigende Lebenshaltungskosten 58 %

2. Naturkatastrophen 51 %

3. Pflegefall im Alter 51 %

4. Schwere Erkrankung 47 %

5. Überforderung der Politiker 44 %

6. Spannungen durch Zuzug von Auslän. 43 %

7. Schlechtere Wirtschaftslage 41 %

(R+V Versicherung, 2014; N = 2.500 Teilnehmende)

„Wir schaffen das.“

(Angela Merkel, 31.10.2015)

„Kölner Gewalt ist Auswirkung der unkontrollierten Zuwanderung nach

Deutschland.“ (Frauke Petry, 07.01.2016)

Einstellungen ggü. Asylbewerber*innen

(Prozentsatz derjenigen, die Aussagen „eher“ oder „voll

und ganz“ zustimmen; Brähler & Decker, 2016; N =

2.420 Teilnehmende)

2014 2016

Bei der Prüfung von

Asylanträgen sollte der Staat

nicht großzügig sein.

76 81

Die meisten Asylbewerber

befürchten nicht wirklich,

verfolgt zu werden.

55 60



2. Ursachen von Vorurteilen und

Diskriminierung



Ursachen von Vorurteilen

5

Autoritarismus

historische Grundlage: Die Autoritäre Persönlichkeit (Adorno et al., 1950)

rechts-gerichteter Autoritarismus (Altemeyer, 1996; Beierlein et al., 2015)

– Autoritäre Aggression: „Unruhestifter sollten deutlich zu spüren bekommen, dass sie in der Gesellschaft

unerwünscht sind.“

– Autoritäre Unterwürfigkeit: „Wir sollten dankbar sein für führende Köpfe, die uns genau sagen, was wir tun

können.“

– Konventionalismus: „Bewährte Verhaltensweisen sollten nicht in Frage gestellt werden.“

Autoritarismus und Bedrohung (z.B. Duckitt, 2001)

– Auto. führt zu einer Wahrnehmung der Welt als gefährlicher Ort

– Personen mit hohem Auto. sind besonders sensibel gegenüber Bedrohungen von

Gruppen-Werten und -Normen




6

Autoritarismus und Bedrohung oder Boateng als Nachbar

Studie zum Integrationsspot des DFBs (Kauff et al., 2013)

Ergebnis:

– Integrationsspot führt bei autoritären Personen zu wahrgenomener

Bedrohung und einem Anstieg von Vorurteilen gegenüber Zuwander*innen




7

Soziale Kategorisierung

historische Grundlage: Untersuchungen mit Minimalen Gruppen (Tajfel et al., 1971)

Theorie der Sozialen Identität (Tajfel & Turner, 1986)

– Gruppenzugehörigkeit als Teil der Identität

– Selbstwert über persönliche und soziale Identität

– um einen positiven Selbstwert zu erhalten, bewerten wir die eigene Gruppe

besser als andere Gruppen

Klee (eigene Gruppe) 45 60 55 50 45 40 10

Kandinsky (andere Gruppe) 10 40 50 50 55 60 45

O O O O O O O

Klee Kandinsky




8


Diskriminierung anhand des Namens

Auf der Suche nach Mitfahrgelegenheiten

• Anbieter*innen von Mitfahrgelegenheiten bekommen eine Anfrage von Aishe und Julia

Reihenfolge und Textvariante der Mails zufällig

% Ablehnung

(Kauff et al., 2013; N = 98 Teilnehmende)

0

10

20

30

40

50

60

Anfrage Aishe Anfrage Julia




9

Bedrohung

historische Grundlage: Ferienlageruntersuchungen (Sherif et al., 1961)

Theorie des Realistischen Konflikts (Campbell, 1965; Sherif, 1966)

1. Individuen verfolgen Ziele.

2. Mitglieder einer Gruppe zeichnen sich durch gemeinsame Ziele aus.

3. Diese Ziele sind aber nicht immer vereinbar mit den Zielen anderer Gruppen

4. Eine andere Gruppe wirkt bedrohlich und wird als negativ bewertet, wenn die Ziele der

Gruppen unvereinbar (negativ abhängig) sind.

Ergebnis: Wettbewerb führt zu Feindseligkeit

Phase 1: Gruppenbildung Phase 2: Negative Abhängigkeit




10

Realistischen Bedrohung

– Wettbewerb um beschränkte Ressourcen, z.B. Macht, Arbeitsplätze,

Sozialhilfe

– Bedrohung von Sicherheit und Gesundheit

Symbolischen Bedrohung

– Bedrohung der Weltanschauung der Eigengruppe

– Glaube an die moralische Richtigkeit der eigenen Weltanschauung (Stephan et al., 1998)




11

Symbolischen Bedrohung

weitverbreitete Zustimmung, dass Immigrant*innen sich an „unseren

Lebensstil” anpassen sollten (Green, 2009)

69 % der Personen aus westeuropäischen Ländern sind der Meinung,

dass die Kultur der Muslime nicht in ihr Land passt (Zick & Küpper, 2009)

wahrgenommene Bedrohung der (niederländischen) Identität, Kultur

und Werte sagt Intoleranz ggü. Muslimen vorher – selbst bei Personen

mit wenig Vorurteilen (Van der Noll et al., 2010)




12

Konsequenzen von Wertekonflikten

weniger Bereitschaft einer/m muslimischen Student*in zu helfen, wenn

deren Verhalten möglicherweise in Konflikt mit „westlichen Werten“

steht (Van der Noll et al., 2016).




13

Das Kopftuch – Ein Symbol der Bedrohung?

weitverbreitete Zustimmung (78 %), dass muslimische Einstellungen

ggü. Frauen westlichen Werten widersprechen (Zick & Küpper, 2009).

wahrgenommene (symbolische) Bedrohung sagt in Frankreich, den

Niederlanden und in Großbritannien die Unterstützung eines Verbots

von Kopftüchern vorher (Van der Noll, 2010).

Widerstand gegen das Kopftuch ist ein Zeichen der moralischen

Verteidigung von Autonomie und Gleichheit (Saroglou et al., 2009) bzw. der

Verteidigung von progressiven Werten (Helbling, 2010; 2014) .

Ob eine Bedrohung für die „westlichen Werte“ wahrgenommen wird, ist

u.a. abhängig davon wie „westliche“ und „muslimische“ Werte definiert

und interpretiert werden (z. B. Gustavsson et al. 2016).



3. Wie entstehen positive Einstellungen

gegenüber Geflüchteten?



Positive Einstellungen

15

Wie lassen sich Einstellungen gegenüber Geflüchteten

verbessern? Wie entstehen positive Einstellungen? Wie lässt

sich Bedrohung reduzieren?

Intergruppenkontakt (Allport, 1954; Pettigrew & Tropp, 2011)

– Kontakt mit Menschen aus Fremdgruppen reduziert Vorurteile und Angst,

erhöht Empathie und Hilfsbereitschaft

(Pettigrew & Tropp, 2008; Metaanalyse mit 515 Studien)

Intergruppen-

kontakt

Angst

Empathie

Vorurteile



Positive Einstellungen

16

Intergruppenkontakt

Wichtigkeit von Kontaktmöglichkeiten

– in Wohnumgebungen mit mehr Kontaktmöglichkeiten (mehr Ausländern)

gibt es weniger Vorurteile (Wagner et al., 2006)

– dieser Zusammenhang ist eine Ursache des Unterschieds in der

Ausprägung von Vorurteilen zwischen West- und Ost-Deutschland (Asbrock

et al., 2011)

Deprovinzialisierung

– Kontakt mit Person aus Fremdgruppe A verbessert auch die Einstellung

gegenüber Personen aus Fremdgruppe B (Pettigrew, 2009)

Indirekter Kontakt

– auch das Wissen, dass Freunde Kontakt haben, reduziert Vorurteile (Wright

et al., 1997)

– Wohnumgebungen, in denen andere Personen viel Kontakt haben,

reduzieren Vorurteile (Christ et al., 2014)



Zusammenfassung

17

Ursachen von Vorurteilen und Diskriminierung

Autoritarismus


Realistische und symbolische Bedrohung

Ein „Gegenmittel“

Intergruppenkontakt

Implikationen?

➤ anschließender Vortrag von Prof. Rohmann und Dr. Mazziotta



Literatur

18

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Beierlein, C., Asbrock, F., Kauff, M., & Schmidt, P. (2015). Die Kurzskala Autoritarismus (KSA-3). Ein ökonomisches

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