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Festivalmagazin www.moers-festival.de Schutzgebühr: EUR 3.- Jutta Koether 2006

Moers Festival Magazin 2007

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Das Magazin zum Moers Festival

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Wir bedanken uns bei der Firma Union Getränke, dem Autohaus Minrath, dem Hotel Van der Valk und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband für Ihre freundliche Unterstützung

Die Träger / Principal Patrons:

Die Partner / Partners:

Die Förderer und Medienpartner / Funders and Media Partners:

Kulturpartner

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magazin

40 Preface42 Anthony Braxton – Dreifaltigkeit Mit seinen Auftritten in der Zeit zwischen 1974 und ’78 festigte Anthony Braxton den Ruf des moers festivals als innovative Plattform für improvi- sierte Musik. Ein Versuch, Licht in Braxtons hoch komplizierte Ästhetik und Philosophie zu bringen.46 Steve Coleman – Ohne Worte Wie Anthony Braxton hat auch Steve Coleman ein musikalisches System entwickelt. Nachdem er lange versucht hatte, seine Ästhetik mit kryptischen Schriften zu erklären, entdeckte er die Musik als Sprache.50 New York – Der Ausverkauf Mit der Schließung des New Yorker Clubs Tonic im April hat die Downtown-Avantgarde-Szene ihr letztes Refugium verloren. Einige Stimmen be- troffener Musiker.54 Victoriaville – Geräusche, Klänge, Emotionen Das kanadische „Festival International de Musique Actuelle de Victoriaville“ definiert sich neu. Der Künstlerische Leiter Michel Levasseur spricht über sein Festival im Umbruch.56 Australien – Weiter Weg Aus europäischer Sicht ist zeitgenössischer Jazz aus Australien auch heute noch ein weißer Fleck auf der Weltkarte der improvisierten Musik. Aber die Szene in „down under“ ist umtriebig und aktiv.58 China – Big Noise Auch im „Reich der Mitte“ gibt es eine Szene für improvisierte Musik. Die hat sich anders entwickelt, als im Rest der Welt. Der Musiker und Szene-Aktivist Yan Jun liefert eine Innensicht.61 Radio – Die Nacht der Jazz-Festivals Premiere: Live schicken WDR 3 und Ö1 die Programme des moers festival und der INNtöne in den Äther – in NRW und Österreich

geschichte

62 moers revisited – Ein Blick zurück Das moers festival blickt auf seine eigene Geschichte. Neben Re-Prints aus dem 1977er-Programmheft veröffentlichen wir den Aufsatz „Gedanken zum Begriff des ‚Neuen’“, der nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.

66 Impressum & Service

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Inhalt

4 Vorwort 7 Grußwort programm

Freitag, 25. Mai 2007 8 Oral Beats & Strukt 9 GRH Trio feat. Earl Howard10 Ultralyd11 Sharon Jones & The Dap Kings

Samstag, 26. Mai 200713 Eckard Koltermann Border Hopping14 Eldbjørg Raknes TINGeLING15 Keiji Haino + Merzbow: Kikuri16 Cornelius17 Anthony Braxton Sextet + 118 Steven Bernstein‘s MTO

Sonntag, 27. Mai 200720 Gnawa Crossroads21 Andrea Keller Quartet22 Olaf Rupp & Shoji Hano23 FM324 Sidsel Endresen & Humcrush25 Steve Coleman & Opus Akoben

Montag, 28. Mai 200727 Hayden Chisholm The Embassadors28 Zu & The Thing29 Mikko Innanen & Innkvisitio30 Fennesz & Mike Patton31 Hiromi

32 the night36 concerts in the dark37 the morning38 midnight special I & II

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4 mœrs festival 2007 vorwort

Herzlich willkommen beim 36. moers festival! Während ich diese Zeilen schreibe, knapp zwei Wochen vor Beginn des Festivals, ist die meiste Arbeit getan und die Vorfreude auf das nahende Ereignis nimmt zu. In der kommenden Woche beginnt der Aufbau des Zeltes, die Fahrdienste werden eingeteilt und die Zimmerlisten für die Hotels werden erstellt. Morgen produziert Jutta Koether, die unser diesjähriges Festivalmotiv gestaltet hat, im Studio das Pausensignal fürs Hauptprogramm. Alles läuft nach Plan und unser Team hat das Wesentliche im Griff.Lediglich das Wetter ist nach den schönen Wochen im April wieder in seine unbe-rechenbare, wechselhafte Phase eingetreten und gehört damit weiterhin zu den Faktoren, die kein noch so motiviertes Festivalmanagement in den Griff bekommt. Und als umweltbewusste Menschen unterdrücken wir sorgfältig alle Gedanken, die uns nahe legen wollen, dass „Global Warming“ auch eine gute Seite haben könnte. Das moers festival ist das internationale Musterbeispiel für die Barrierefreiheit eines Großevents. In der starken Partnerschaft mit der Aktion Mensch und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband ist es in den vergangenen Jahren gelungen, alle wesentlichen Angebote und Einrichtungen des Festivals barrierefrei zu gestalten. So werden in diesem Jahr zum ersten Mal die Namen der auftretenden Musike-rinnen und Musiker nicht nur angesagt, sondern auch auf Großbild übertragen, und es wird dank des Engagements der Sparkasse am Niederrhein sogar einen behindertengerechten EC-Automaten auf dem Festivalgelände geben. Während wir unserem Anliegen, ein barrierefreies Festival zu schaffen, immer näher kom-men, sind wir mit einem anderen Anliegen, ein umweltverträgliches Großereignis zu veranstalten, noch nicht am Ziel. Leider gibt es einen Widerspruch zwischen ökologischer Vernunft und dem Auftrag des Festivals, „Musiker aus aller Welt“ an den Niederrhein zu holen.

Vorwort

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vorwort mœrs festival 2007 5

Gerade die stark gesunkenen Flugkosten verführen dazu, Musikerinnen und Musi-ker aus weiter entfernten Gegenden einzuladen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob sie noch andere Konzerte in Europa haben. Selbstverständlich haben wir uns bemüht, z.B. für Andrea Keller, die aus Melbourne anreist, noch einige Konzerte in Europa (Kopenhagen und Galway) zu buchen. Sharon Jones aus New York „teilen“ wir uns mit dem Nattjazz-Festival in Bergen, Gnawa Crossroads aus Marokko mit dem Music Meeting in Nijmegen, Haino/Merzbow aus Tokio mit dem Kulturbunker in Köln-Mülheim und FM3 aus Peking mit dem Festival „Dissonanze“ in Rom. Nicht geklappt hat es mit Anthony Braxton, Steven Bernstein und Steve Coleman. Diese nord-amerikanischen Formationen waren leider zu groß, um sie noch woanders unterbringen zu können. Ebenfalls mit dem alleinigen Reiseziel Moers setzen sich Earl Howard und Hiromi mit Band (in New York) ins Flugzeug. Ich bin nicht sicher, ob dies die richtige Stelle ist, darüber öffentlich nachzudenken, ich wollte es aber einmal loswerden. Mein Trost ist, dass wir Ihnen, dem Publikum und den professionellen Gästen (von denen ebenfalls eine ganze Reihe von weit „auswärts“ kommen), die Reise in andere Länder ersparen, wenn wir kompakt das Aktuellste „aus aller Welt“ in Moers präsentieren. Und schließlich kommt gut die Hälfte der eingeladenen Musikerinnen und Musiker aus Europa. Ganz besonders vorbildlich verfahren z.B. die Musiker aus Wien (Oral Beats), die mit eigenem Bus anreisen und österreichischen Journalisten eine Mitfahrgelegenheit anbieten.

Dass dieses moers festival wieder möglich wurde, verdanken wir in erster Linie der Stadt Moers und unseren Partnern und Sponsoren, bei denen ich mich an dieser Stelle für ihre fortgesetzte Unterstützung sehr herzlich bedanken möchte. Dank gebührt aber auch unserem super motivierten jungen Team und Ihnen, dem besten Publikum der Welt. Reiner Michalke

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ŠkodaAuto. Wir machen Kultur mobil. In unseren Autos findet man nicht nur eine Hupe, sondern auch gerne mal einen

Bass, ein Schlagzeug und eine Gitarre. Denn wir fördern die deutsche Jazz-Kultur. Mit dem Jazz-Award für herausragende

Persönlichkeiten und einem eigenen Jazz-Preis für Jugend Big Bands. Außerdem sind wir Partner des Moers Festivals und

gehen jedes Jahr mit der International Škoda Allstar Band auf Tournee. Am besten erleben Sie uns einmal live – zum Beispiel bei

einer Probefahrt. Mehr Informationen erhalten Sie bei Ihrem Autohaus Minrath, unter 0 28 41/145-0 oder www.skoda-auto.de

OB JAZZ ODER ŠKODA. AM BESTEN LIVE.

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Nur wenigen Musik-Festivals gelingt es, mit der Entwicklung ihres Genres Schritt zu halten und Künstler zu präsentieren, die Veränderungen in der improvisierten Musik aktuell mit gestalten.Der Jazz prägte maßgeblich die improvisierte Musik des 20. Jahrhunderts. Begleitet und dokumentiert auf vielen amerikanischen oder europäischen Festivals, zeigen sich dort die erstaunlichen Veränderungen im Jazz. Und mit jedem neu aufkommenden Jazz-Stil formt sich meist ein weiterer Festivaltyp, der bald für die Stilistik typisch erscheint. Mit dem Wechsel in der künstlerischen Leitung im vergangenen Jahr ist etwas ge-glückt, was kaum für möglich gehalten wurde: Das moers festival schafft den Spagat, die eigene Geschichte gleichermaßen zu reflektieren wie vorwärtsdrängende Künstler von heute und von morgen auf die Bühne zu bringen. Das waren von Anfang an die Stärken dieses Festivals, weshalb es bereits in den 1970er- und ’80er-Jahren interna-tional den Ruf innehatte, kreative Plattform für zeitgenössische, improvisierte Musik zu sein. Der neue Künstlerische Leiter, Reiner Michalke, öffnet Fenster in alle Richtungen der Moderne, ohne beliebig zu sein, und bietet Orientierung, ohne Vollständigkeit zu ver-sprechen. Über all dem steht stets die Suche nach der Qualität der musikalischen Idee und die Erforschung und Weiterentwicklung des musikalischen Materials.Das Kulturradio WDR 3 wird das moers festival auf seinem Qualitäts-Weg gerne begleiten und als Partner unterstützen. Schon jetzt sind die ersten Früchte der Zusammenarbeit zu verzeichnen: Die Jazz-Redaktion von WDR 3 hat mit der „Nacht der Jazz-Festivals“ ein Radioformat aufgelegt, das sowohl auf europäischer Ebene als auch für die Fans des Jazz in Deutschland und Österreich eine Novität darstellt: 10 Stunden lang sendet WDR 3 in der Nacht vom 26. auf den 27. Mai live und in kurz zu-vor aufgezeichneten Mitschnitten die Konzerte der beiden gleichzeitig stattfindenden Jazz-Festivals moers festival und den oberösterreichischen INNtönen – in Nordrhein-Westfalen durch WDR 3 und in Österreich durch Ö1.Ich gratuliere dem moers festival zum gelungenen Neustart und wünsche den Besuchern und den Radiohörern in Deutschland und in Österreich ein belebendes Hörereignis.

GrußwortProf. Karl KarstProgrammchef WDR 3

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Persönlichkeiten und einem eigenen Jazz-Preis für Jugend Big Bands. Außerdem sind wir Partner des Moers Festivals und

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Page 8: Moers Festival Magazin 2007

dazu wird die Musik ein Stück weit zum Sprechen gebracht – um sich irgendwo in der Mitte mit den ebenso spontan wie die Klangkünstler agierenden Vi-sual-Artists von Strukt zu treffen. Diese sind dank eines von ihnen entwickelten Animations- und Zeichen-Tools nicht nur in der Lage, auf Entwicklungen zu reagieren, sondern auch selbst die Rich-tung vorzugeben. Im Idealfall wird das Publikum auf allen Ebenen angesprochen, ohne zu bemerken, dass es sich dabei um verschiedene Dinge handelt. „Gute Bands werden schließlich auch nicht daraufhin überprüft, was der einzelne Musiker macht“, argumentiert der Mann mit der sonoren Stimme. Obwohl es bei Oral Beats stellenweise stark nach Elektronik klingt, orientiert man sich am Ende dann doch eindeutig in Richtung der oben angedeuteten Band-Tugenden. Das bewahrt das Projekt wohltuend davor, zur intellektuellen Übung zu verkommen: „Uns geht es schon sehr um den Groove. Wir sind nicht diejeni-gen, die nur in ihren Kunstkämmerchen sitzen, an Reglern schrauben und ernst drein schauen – von irgendwoher kommt ein hoher Ton und das ist dann die Erfindung der Welt .“ Martin Gansinger

Oral Beats & Strukt18.00 Uhr / Festivalzelt

8 Freitag, 25. Mai 2007 programm

Mathias Koch _ dr Achim Tang _ bChristian Reiner _ voc Philip Zoubek _ p Matthias Fritz _ visuals Markus Dorninger _ visuals

Aus dem Kollektiv Oral Office, das sich neben dem ausgebildeten Diplomspre-cher aus Musikern, Tänzern und Visual-Artists zusammensetzt, ging jenes Projekt hervor, das den Auftakt zum heurigen Festival in Moers bildet. „Bei Oral Beats liegt der Schwerpunkt auf der Sprache – wobei das weder nach Rap noch nach Märchenonkel klingt, sondern viel eher von Hörspiel oder zeitgenössischem Gesang beeinflusst ist“, erklärt der Sänger und Bandleader Christian Reiner. In Moers unterneh-men seine musikalischen Mitstreiter Matthias Koch (Drums) sowie die in Köln lebenden Achim Tang (Bass) und Philipp Zoubek (Piano) gemeinsam mit Matthias Fritz und Markus Dorninger (beide Visuals) den Versuch, die Poesie von Sprache offen zu legen. Die Stimme funktioniert dabei wie Musik, geht weg vom Inhalt und stellt – vergleichbar mit dem absurden Theater – starke Inhalte in abstrakter Form dar. Christian Reiner:

„Der Inhalt ergibt sich durch den Klang und durch die Aussage, dass in den stimmlichen Äußerungen des Alltags sehr wohl viel Musik steckt“. Ergänzend

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programm Freitag, 25. Mai 2007 9

GRH Trio feat. Earl Howard19.00 Uhr / Festivalzelt

Kein Jazz mehr, nicht einmal free. Für Georg Graewe, Ernst Reijseger, Gerry Hemingway und Earl Howard führt dieser Begriff längst in eine Sackgasse. Art Lange versuchte dies schon 1989 im Booklet für „Sonic Fiction“, der ersten CD des GRH Trios, irgendwie in Worte zu fassen und fand den Begriff: „Neue improvisierte Musik europäischer Prägung“. Etwas, das weit abseits aus-getretener Pfade liegt. Eine Musik der Aufführung und weniger der Schöpfung. Und ein Intermezzo der Gegensätze. So arbeitet Reijseger normalerweise mit sardischen Chören, afrikanischen Sängern, Cello- und Gambengruppen, schreibt Filmmusiken für Werner Her-zog, veranstaltet Soloperformances in Museen der Moderne. Graewe kompo-niert Streichquartette, Orchesterstücke, Lieder, Kammeropern, inszenierte eine Videokantate nach Albert Einstein, leitet das GrubenKlangOrchester, führt ausschließlich eigene Werke auf. Hemingway kollaborierte von 1983 bis 1994 mit Anthony Braxton, entwickelte neue Spiel- und Kompositionstechniken für Percussion. Howard schuf Sound-tracks für Film- und Videokünstler wie Mary Lucier, Rii Kanzaki, Bob Harris, Bill Brand oder Nam June Paik, öff-nete mit seinem Synthesizer Kurzweil K 2500 sowie der Zusammenarbeit mit Evan Parker, John Zorn, Thomas Buckner, George Lewis sowie David Wessel neue Türen für die elektro-nische Improvisation. Vier Künstler, die ein Kunstwerk kreieren, unabhängig voneinander, und erst im Endstadium die individuell gestalteten Elemente zusammensetzen. Dennoch wirkt ihr gemeinsames Tun auf wundersame Weise wie aus einem Guss. Nichts ist

Georg Graewe _ pErnst Reijseger _ vcGerry Hemingway _ drEarl Howard _ electr

One“. Sie spielen einfach, Phase für Phase, ohne Zwang, ohne Erwartungen. Lassen sich fallen, vertrauen einander. Ein Treffen von Seelenverwandten, die lange durch andere Welten wanderten, sich im Fall des GRH Trios 1999 ohne Groll trennten und 2005, einer inneren Stimme folgend, wieder zueinander fanden. Auch der gemeinsamen Freiheit wegen. Eine ästhetische Grundhaltung. So wird Musik zur reinen Spekulation. Reinhard Köchl

abgesprochen oder vereinbart. Graewe, Reijseger, Hemingway, die 2006 ihre in der herrlichen Akustik des neuen Bruno Walter Saals des Nationalthe-aters München aufgenommene CD „Continuum“ veröffentlichten, und ihr amerikanischer Gast treffen sich ohne jegliches kompositorisches Gerüst. Erst-mals war dies bei den Donaueschinger Musiktagen 2006 der Fall, jetzt eben in Moers. Keine Tempi, keine Rhythmen, keine Dynamiken, keine Tonarten, keine Melodien. Und auch keine Proben. Nur das Jetzt zählt, und dieses Jetzt entsteht aus der individuellen Kraft dieses Quartetts. Piano, Marimbafon, Percussion, Saxofon und Synthesizer positionieren sich: „Continuum Phase

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10 Freitag, 25. Mai 2007 programm

Eigentlich dürfte Ultraschall für den Menschen nicht hörbar sein, da er sich oberhalb der menschlichen Hörschwelle befindet. Doch von solchen physika-lischen Grundgesetzen halten die vier Norweger von Ultralyd trotz ihres Band-namens herzlich wenig: Sie hebeln das Naturgesetz kurzerhand aus und kehren es ins extreme Gegenteil um. Das Resultat ist eine zähglühende Sound-masse, die sich aus den riesigen Bass- und Gitarrenboxen über das Publikum ergießt. Norwegen ist ein künstlerisch äußerst reichhaltiges Land, berühmt für die Vielzahl der musikalischen Stile, die sich dort in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben. So brachte das Land nicht nur vorzügliche Fachkräfte in sämtlichen Untergruppierungen des Heavy Metal hervor, sondern auch zahl-reiche Künstler, die diese zum Teil sehr weit auseinander liegenden Stile furcht-los miteinander zu verbinden verstehen.

Ein charakteristisches Beispiel stellt das norwegische Quartett Ultralyd dar, bestehend aus Saxofonist Kjetil Møster, der vor Energie strotzenden Gitarre von Anders Hana, dem berüchtigten Bassgitarrenschinder Kjetil D. Brands-dal und Schlagzeuger Morten J. Olsen. Vier junge Musiker, die irgendwo im Zwielicht von Metal, Jazz, Experimental und improvisierter Musik rocken, was Lungen, Arme und Finger herzugeben im Stande sind. Alle vier sind in ihrer Heimat angesehene Improvisations-künstler und dicht vernetzt in der vielfältigen Noise-Szene: Anders Hana verkörpert die Spezies von Gitarristen, die ihr Instrument dramatisch pompös und ohne Rücksicht auf irgendwelche bisher bekannten Akkordprogressionen bedient – wahrlich wikingerhaft! Seine Saitendienste nehmen auch die Forma-tionen Noxagt (mit Bassist Brandsdal)

und Jaga Jazzist dankend in Anspruch. Seit neun Jahren arbeiten Hana und Ol-sen zudem als Duo MoHa! zusammen. Olsen selbst, studierter Schlagzeuger, kollaboriert auch noch mit Größen wie Fred Frith, Axel Dörner, Didi Bruckmayr oder Michael Moore. Ganz gleich, ob solo, im Doppelpack oder im Ultralyd-Kollektiv: Man verschont die Zuhörer nicht mit rauen Tönen, schafft sich musikalische Freiräume und tankt auf der Bühne pure Energie – um diese dann ungefiltert und ohne Umwege an das Publikum abzugeben. Henrik Drüner

Ultralyd20.15 Uhr / Festivalzelt

Kjetil Møster _ saxAnders Hana _ gKjetil D. Brandsdal _ bMorten J. Olsen _ dr

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programm Freitag, 25. Mai 2007 11

Sharon Jones & The Dap Kings21.30 Uhr / Festivalzelt

Sharon Jones _ vocDavid Guy _ tpNeal Sugarman _ saxIan Hendriksen _ saxBinky Griptite _ gTommy „TNT“ Brenneck _ gBosco „Bass“ Mann _ bFernando „Boogaloo“ Velez _ percHomer „Funky-Foot“ Steiweiss _ dr

In den frühen 1970er-Jahren verän-derten sich die Dinge im Soul des Südens der USA: Streicher weich-ten den Sound auf, die Disco-Welle schwappte in die Studios, legendäre Labels wie Stax schlossen ihre Tore, die Zeit der großen Hits war damit aus und vorbei. Nun aber, mehr als 30 Jahre später, kommen Sharon Jones & The Dap Kings mit einem Repertoire, das ganz die alte Schule des Southern Soul ist, aber ohne die geringste Spur von Nostalgie: die Band als Rhythmus-maschine mit wuchtigen Bässen, kreischenden Hörnern, funky Drums und Gitarren mit treibenden Riffs im Memphis-Sound – und der Groove wie bei James Brown und seinen JB’s, aber als ganz und gar eigenes Ding. Dass bei der Frontfrau der achtköpfigen Band sämtliche Klischees einer Soulsängerin zu finden sind, mag man für eine schöne Nebensache halten: Sharon Jones ist im Süden geboren, in Augusta, der Heimatstadt von James Brown. Zufall? Sie hat schon als junges Mädchen in

New York im Kirchenchor gesungen, mit 18 ihren ersten Gospel geschrieben und ist zur selben Zeit von Funk und Soul infiziert worden. Die Mama wollte nicht erlauben, dass die Tochter woanders singt als in der Kirche – aber Sharon setzte sich durch. Kaum hatte sie die Highschool absolviert, kamen auch schon erste Auftritte. Leben konnte die Soulfrau davon bis vor wenigen Jahren nicht. Alle möglichen Jobs hat sie gemacht: in New Yorks größtem Gefängniskomplex auf Rikers Island zum Beispiel und nebenher in Studios als Backup-Sängerin. Und sie hat in lokalen Bands, auf Hochzeitspartys und in kleinen Clubs gesungen, bis sie in den 1990ern ihre ersten Singles aufnahm und vor ein paar Jahren das erste Album einspielte. Mit dem energetischen,

rauen Funk-Soul von „Dap-Dipping With Sharon Jones And The Dap Kings“ begann die internationale Karriere der Sängerin und ihrer Band. In England ver-passte man ihr das Etikett „The Queen Of Funk“, und vor zwei Jahren kam die zweite CD auf den Markt. Wenn diese temperamentvolle Entertainerin die Bühne betritt, gibt sie sich völlig ihrer Musik hin und verausgabt sich vor dem Publikum, ganz nach ihrem Motto: „The only way you’re going to enjoy life is through funk!“ Uli Lemke

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12 © 2007 KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Mitglied des KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International, einer Genossenschaft schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany. KPMG und das KPMG-Logo sind eingetragene Markenzeichen von KPMG International.

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Page 13: Moers Festival Magazin 2007

programm Samstag, 26. Mai 2007 13

Eckard Koltermann _ bclStevko Busch _ pMarkus Conrads _ bAchim Krämer_ drPaul van Kemenade _ asWolter Wierbos _ tb

Zu Moers hat Eckard Koltermann eine besondere Beziehung: In der Zeit von 1988 bis 1999 war der Holzbläser und Komponist musikalischer Leiter beim Schlosstheater Moers. In diesen elf Jahren konnte er dort intensiv an einer Symbiose aus komponierter und impro-visierter Musik experimentieren, wie sie mittlerweile zum Markenzeichen des 1958 in Herne geborenen Koltermann geworden ist. Denn, so ist er auch heu-te noch überzeugt, es müsste „unter der kommenden Generation von Musikern eine Musikform zu finden sein, in der sowohl die gehobene Art der Improvi-sation als auch die gehobene Art der Interpretation eins werden kann.“ Auch seine Beziehungen zum Nachbarland Holland sind eng. Für viele Jahre war Koltermann unter anderem einer der wichtigsten Solisten in der von Willem van Manens geleiteten Contraband, für die er stets auch als raffiniert schreibender Komponist in Erschei-nung trat. Grenzen zu überschreiten ist also für den letztjährigen Kurator der moers-festival-Reihe „concerts in the dark“ kein Problem. Wohl deshalb hat er sein 2004 ins Leben gerufenes Quartett mit den beiden Niederlän-dern Paul van Kemenade und Wolter Wierbos zum Sextett erweitert. Ohne Netz und doppelten Boden improvisiert man sich hier durch raffiniert gesetzte Originalkompositionen, die allesamt aus der Feder der beteiligten Musiker stammen. Aber im Gegensatz zum Quartett, dessen Klangbild allein durch

Eckard Koltermann Border Hopping15.00 Uhr / Festivalzelt

im Trio und Quartett bis hin zur voller Besetzungsgröße. Ein solches Raffine-ment kommt an. „Erinnerungswürdige Kollektivimprovisationen sowie eine hervorragende Interaktion zwischen Rhythmusgruppe und Bläsern“, hieß es nach einem Konzert mit Eckard Koltermann Border Hopping im Amster-damer Bimhuis: „herausragender und inspirierter europäischer Impro-Jazz.“ Martin Laurentius

Koltermanns Bassklarinette eher dunkel getönt ist, stehen beim Sextett hellere Klangfarben im Mittelpunkt und mit van Kemenades markantem Spiel auf dem Altsaxofon und Wierbos Multiphonics auf der Posaune ergeben sich zudem ad hoc überraschende Reibungen. Auch lässt man bewusst die „klassische“ Rollenverteilung einer Jazzformation außer Acht – nicht nur, weil hin und wieder kollektiv improvisiert wird, sondern auch, weil Eckard Koltermann Border Hopping unbegleitetes Solospiel ebenso einbezieht wie das Improvisieren

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14 Samstag, 26. Mai 2007 programm

Eldbjørg Raknes TINGeLING16.15 Uhr / Festivalzelt

Eldbjørg Raknes _ vocMaria Kannegaard _ pNils-Olav Johansen _ g, bStian Westerhus _ g, electr

Bezaubernd schön und faszinierend fremdartig zugleich ist der Jazz-Folk-Pop der norwegischen Sängerin Eldbjørg Raknes. Statt eine weitere Interpreta-tion der bekannten Jazzstandards zu liefern, bevorzugt sie die Vertonung der Lyrik von Pablo Neruda, Paul Celan oder James Joyce. Die 37-Jährige versteht sich als eine experimentier-freudige New-Jazz-Vokalistin, die ihre Stimme als Instrument einsetzt und das Publikum mit ihrem tiefen und weichen Timbre verzaubert. Nach dem Besuch einer Theaterschule studiert die in Trondheim lebende Raknes von 1990 bis 1994 am dortigen Musikkonservatorium Jazzgesang und Kompositionslehre. Bereits 1991 gibt sie im Duo mit dem norwegischen Pianisten Christian Wallumrød auf dem Internationalen Jazzfestival in Molde ihr musikalisches Debüt. In den Folgejahren tritt Raknes neben ihrem Studium bei verschiedenen Tourneen mit ihrer A-Cappella-Gruppe Kvitretten und dem Jazztrio Nutrio auf. Nach Auflösung von Nutrio gründet sie 1997 ihr eigenes Quartett: TINGeLING. „TINGeLING ist meine Band – und das bedeutet mir sehr viel!“, sagt sie noch heute mit Nachdruck. Ihre Mitstreiter zu Beginn sind der Gitarrist und Bassist Nils-Olav Johansen, der Schlagzeuger Per Odvar Johansen sowie die Pianistin und Keyboarderin Maria Kannegaard. Mittlerweile wurde das Schlagzeug durch eine weitere Gitarre, Stian Westerhus, ersetzt – das internationale Niveau dieser Musiker ist natürlich geblieben. Neben der Besonderheit, zeitweise barfuß vor’s Publikum zu treten, liegt Raknes’ Spezialität in ihrer „Mehrstimmigkeit“: Sie produziert Rhythmen aus Zisch- und Schnalz- lauten sowie kurze Leitmotive mit ihrer eigenen Stimme, nimmt diese im Live-Sampling-Verfahren in „real-time“ auf und begleitet sich anschließend selbst mit den Kompositionen und den Versen verschiedenster Autoren. Im Zusam-menspiel mit den TINGeLING-Musikern ergibt sich so eine hochinteressante

Mischung aus rhythmischem Funda-ment, perkussiven Basslinien sowie anschwellenden und verebbenden Tonfolgen zwischen Flüstern und Quieken. Wie ihre Landsfrau Sidsel Endresen gehört die Vokalkünstlerin zu den eigenständigsten norwegischen Sängerinnen, die Maßstäbe setzt und so gar nicht dem Klischee nordischer Fabelwesen entspricht. Henrik Drüner

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programm Samstag, 26. Mai 2007 15

Wer hätte das gedacht: Für den Japaner Masami Akita alias Merzbow ist der expressionistische deutsche Künstler Kurt Schwitters das Vorbild. Ähnlich wie Schwitters, der nach Ende des ersten Weltkriegs seine Collagen aus Zeitungsausschnitten, Reklame und weiteren Werkstoffen als „Merz-Bilder“ bezeichnete und unter anderem auch heute noch für sein Lautgedicht „Ursonate“ bekannt ist, so hat sich Merzbow einer ganz und gar eigenen, radikalen Ästhetik verschrieben – und sein Künstlerpseudonym gefunden. Sich überlagernde rauschhafte Filterklänge, fiepende Feedbacks, quietschende Theremingeräusche und fauchender

Achtung: Aufgrund der zu erwartenden hohen Laut-stärkeentwicklung empfehlen wir bei diesem Konzert dringend die Verwendung von geeignetem Gehör-schutz. Entsprechende Ohrstöpsel werden kostenlos im Eingangsbereich zur Verfügung stehen.

Keiji Haino & Merzbow: Kikuri17.30 Uhr / Festivalzelt

Synthi-Lärm türmen sich bei seinen Konzerten und auf seinen mittlerwei-le mehr als 100 CDs stets zu einer undurchdringlichen, gewaltigen und ohrenbetäubenden „Wall Of Noise“ auf. Sein Landsmann Keiji Haino gehört in Japan zu den Pionieren des Free Rock. Seit mehr als 30 Jahren erforscht der Schlagzeuger, Gitarrist und Sänger die Grenzbereiche zwischen (Free) Jazz, Rock und Avantgarde, und seine 1978 ins Leben gerufene Psychedelic-Free-Rock-Band Fushitsusha ist bis heute legendär. Neben seinen zahlreichen eigenen Projekten ist Haino, der schon frühzeitig seine eklektizistischen Klang-kunstwerke in einer ästhetischen Logik zusammenführte, immer auch mit

verschiedenen international bekannten Improvisationskünstlern zu hören, wie etwa mit John Zorn und Bill Laswell, Peter Brötzmann und Thurston Moore, Barre Phillips und Derek Bailey, Chri-stian Marclay und Fred Frith. Seit kurzem bildet er mit Merzbow das Duo Kikuri. Merzbows infernalischer und oft brachial klingender, so genannter „Ja-panese Noise“ ist wie geschaffen für Hainos psychedelische Hammerschläge und fulminante Improvisationen. Gäbe es in Abwandlung des Begriffs „Ex-tremsportler“ die Bezeichnung „Extrem-musiker“, die beiden Japaner gehörten als Kikuri sicherlich zu den ersten Protagonisten dieser Zunft. Vorsicht: brutal laut (siehe Warnhinweis).

Keiji Haino _ g, voc Masami Akita _ electr

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16 Samstag, 26. Mai 2007 programm

Anfang der 1990er erreichte das Attribut „hip“ seine semantische Wasserscheide. Beschrieb es bis dahin alles, was zum Beispiel irgendwie nach Charles Mingus klang, so war seine neue Bedeutung von nun an: „Einzig auf der Basis von coolem Wissen seinen Lebensunterhalt bestreiten“. Ein Epizen-trum dieses Paradigmenwechsels lag in Downtown Tokio. Neben Fotografen, Magazinmachern, Grafikern und allem, was dazugehört, hatte das so genannte „Shibuya-Kei-Movement“ auch seine Musiker und Bands. Zu den hierzulande berühmtesten zählen etwa Pizzicato Five, Buffalo Daughter, Fantastic Plastic Machine – und Keigo Oyamada, besser bekannt als Cornelius. Er konnte es sich offenbar aufgrund einer Art Superhel-denexistenz in seiner Heimat leisten, nicht jedes Jahr, sondern alle fünf Jahre ein Album zu veröffentlichen: „Fantasma“ (1997), „Point“ (2002) und das aktuelle „Sensous“. Im Studio

müssen wir uns den Autor dieser Werke als eine Art hochintelligenter „Pynchon“-Krake vorstellen, der mit acht virtuellen Armen wie wild um sich greift, Klangpartikel gegeneinander dreht und wendet, und Verhältnisse justiert, bis sie in Anime-Schnittge-schwindigkeit nutzlose, aber inspi-rierende Information verspritzen. Die Soundquellen reichen von akustischer Gitarre bis zum audibelen Datencrash und funktionieren im funkysten Sinne als Cut ups, aber ohne Zufallsfaktor. Ob er dabei die Latin-Jazz-Experimente von Gabor Szabo zitiert oder einfach einen eigenen Song bis zur Unkennt-lichkeit dekonstruiert, stets bleibt eine eindeutige Handschrift bestehen: klar gegeneinander abgesetzte Klänge mit unkaschierten Raumatmosphären, eine beinahe reine Groove-Mathematik auf

Basis melodisch-harmonisch schwin-gender Funk-Fragmente und ein weit geöffneter Geschmackshorizont. Der London Telegraph bezeichnete Cornelius als „Phil Spector für die Post-Rave-Generation“, und auch die Coldcut-Mu-siker Matt Black und Jonathan More entdeckten wohl eine Geistesverwandt-schaft und ließen ihren „Atomic Moog 2000“ von Oyamada remixen. Der teilt mit seinen Londoner Kollegen auch das Interesse an der Koppelung von Bild und Klang und verzahnt bei Live-Auftritten seine sonischen Schnittmuster mit einer dynamischen Videoshow, über die ein hingerissener Arto Lindsay urteilt: „The Cornelius shows I have seen are intensely visual as well as musical. The last one I saw featured the best use of media I have ever seen.” Zu seinen Live-Shows gehört mittlerweile eine komplette Rhythmusgruppe, bei der sich Oyamada auschließlich auf Gesang und Gitarre beschränkt – obwohl das Wort „Beschränkung” im Zusammenhang mit seiner Musik nicht erlaubt sein dürfte. Eric Mandel

Cornelius20.00 Uhr / Festivalzelt

Keigo Oyamada _ g, vocH. Horie _ keybH. Shimizu _ bY. Araki _ dr

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programm Samstag, 26. Mai 2007 17

mer zu disqualifizieren. Der Mann ist ein Sternenbummler par excellence, ein Forscher mit dem Wissen um Vergan-genheit und Zukunft, ein kalkulierter Draufgänger, der jedes Problem mit sei-nem faszinierenden Intellekt löst, aber niemals ein unbedachter Hasardeur. Vor allem ein Schachspieler, sowohl auf dem Brett wie auf der Bühne. Braxton liebt spektakuläre Eröffnungen, riskante Attacken, kesse Rochaden und ausgetüftelte Strategien. Was mit der Dynamik eines Flächenbrandes daherkommt, ist in Wirklichkeit das Ergebnis exakten Kalküls. Nur auf diese Weise nämlich lassen sich pausenlos Konventionen durchbrechen und ihnen eigene, originelle Alternativen entge-genstellen. Nicht allein als Saxofon- und Klarinettenvirtuose, als Interpret solch instrumentaler Exoten wie der

Anthony Braxton Sextet + 121.15 Uhr / Festivalzelt

Kontrabassklarinette, dem Kontrabass-saxofon oder dem Sopranino und als Leader eigener Quartette hat Anthony Braxton einen Teil Musikgeschichte geschrieben. In seinem Werkverzeichnis finden sich unter anderem Stücke für vier Orchester, metaphysische Opern, Streichquartette und Kompositionen für 100 Tuben – oder für Alphorn-Ensemble. Kurz: Der musikalische Kosmos Anthony Braxtons ist grenzenlos, bunt und in turbulenter Bewegung. Auch das moers festival, in dessen Orbit der amerika-nische Avantgarde-Monolith zwischen 1974 und 1978 alljährlich eintauchte, profitierte von seiner immensen Strahl-kraft. Bei seiner Rückkehr nach fast 30 Jahren bringt er „9 Compositions“ mit, die seine Formation 12+1 im Frühjahr 2006 im New Yorker Club Iridium auf acht Audio-CDs und eine DVD bannte. Die Präsentation erfolgt mit einer abgespeckten Bandversion, besagtem Sextet + 1. Dazu zählen der Trompeter Taylor Ho Bynum, die Violinistin Jessica Pavone, der Tubist Jay Rozen, der Bassist Chris Dahlgren, der Percussio-nist und Vibrafonist Aaron Siegel sowie der Elektroniker Phillip Schulze. Und auch diesmal bleibt nichts dem Zufall überlassen. Captain Braxton berechnet wieder höchstpersönlich den Kurs. Mit Gestaltungsprinzipien, die auf mathe-matischen Beziehungen gründen, mit seriellen Konzepten innerhalb freier Tonalität. Dass die Reise dennoch zu einem emotionalen Erlebnis gerät, gehört zu den vielen wundersamen Rätseln, die der Mann seinen Bewunderern stets von Neuem aufgibt. Reinhard Köchl

Anthony Braxton _ saxTaylor Ho Bynum _ tpJessica Pavone _ vJay Rozen _ tuChris Dahlgren _ bAaron Siegel _ perc, vibPhillip Schulze _ electr

Die Improvisation – unendliche Weiten. Mittlerweile schreiben wir schon das Jahr 2007 und werden noch immer nicht müde, die Abenteuer von An-thony Braxton zu erzählen, der mit ständig wechselnder Besatzung seit fast 40 Jahren unterwegs ist, um neue Klangmöglichkeiten zu erforschen, neue Spielformen und neue Mixturen. Viele Lichtjahre vom Heimatplaneten Jazz entfernt, dringt Braxton in akustische Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gehört hat. Wenn überhaupt jemand da-für in Frage kam, seine Auffassung von Musik im metaphorischen Sinn mit den Abenteuern des Raumschiffes Enter-prise umschreiben zu lassen, dann der 61-jährige Komponist, Reedsplayer und bekennende Science-Fiction-Fan aus Chicago. Doch wäre es ein schwerer Fehler, Braxton als abgehobenen Träu-

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18 Samstag, 26. Mai 2007 programm

Das Wort „Eklektizismus“ ist im Deut-schen nicht unbedingt positiv besetzt. Besagt es doch, dass sich jemand auf unschöpferische Weise aus verschie-denen Quellen bedient. Im englischen/amerikanischen Sprachgebrauch verhält es sich etwas anders. Wenn einem da attestiert wird, „eclectic“ zu sein, dann darf das meist als großes Lob auf die Fähigkeit verstanden werden, diverse Elemente geschickt zusammenzufügen. Der Zug-Trompeter Steven Bernstein beherrscht eben diese Kunst aus dem Effeff. Mit seinem Millenial Territory Orchestra treibt es der New Yorker, der sonst auch Bands wie Sex Mob und Spanish Fly vorsteht und mit so unter-schiedlichen Künstlern wie Leonard Cohen, Bill Frisell, Trey Anastasio, Linda Ronstadt, Bobby Previte, Lou Reed oder den Crash Test Dummies gearbeitet hat, fast auf die Spitze. Den ersten

Impuls für diese Gruppe hat Bernstein gespürt, als er mit Arrangements für die Musik zum Robert-Altman-Film

„Kansas City“ betraut wurde, der in den 1930er-Jahren spielt. Der Produzent Hal Willner hatte den ihn im Vorfeld mit vier Kassetten mit Musik aus eben diesem Jahrzehnt versorgt. Das, was Bernstein auf den Bändern hörte, stammte zum großen Teil von so genannten Terri-tory Bands, die im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts durch viele Städte des Mittleren Westens zogen und dort in Tanzschuppen, Ballsälen, Bars und sonstigen Etablissements aufspielten. Viele Dokumente dieser Formationen aus der Prä-Big-Band- und

-Swing-Ära gibt es nicht, abgesehen von einigen dreiminütigen Aufnahmen, die damals mit 78 Umdrehungen abge-spielt werden mussten. Bei der Hinter-grund-Recherche zu seinem Job hob

Steven Bernstein’s Millenial Territory Orchestra 22.30 Uhr / Festivalzelt

Bernstein wahre Schätze, entdeckte Stil-Elemente, die ihm bisher nicht vertraut waren und sich ihm doch sofort erschlossen. Vier Jahre nach „Kansas City“ debütierte sein Millenial Territory Orchestra im New Yorker Downtown-Club Tonic (der jetzt, begleitet von einem hässlichen Schlussakkord, seine Pforten schließen musste) und brachte dem Publikum bei freitäglichen Mit-ternachts-Shows eine Musik nahe, die einerseits weit in der Zeit zurückgriff und doch immer wieder ins Jetzt führte. Mit einer Mischung aus Authentizitäts-Willen und Neuschöpfer-Ambitionen schlägt Bernstein mit dieser Band Brücken. Er verbindet jazzig getönte Tanzmusik der 1930er mit dem, was den Menschen ein halbes Jahrhundert spä-ter in die Beine fuhr: etwa Klängen von Stevie Wonder, Sly Stone oder Prince. Er lässt Tradition und Moderne einander umarmen, in dem er mit seinen Mannen beispielsweise Don Cherrys „Relativity Suite“ aufführt, er konfrontiert den Spirit der Frühphase des Jazz mit dem freien Geist, der durch die Avantgar-de unserer Tage weht. Wonderfully eclectic. Ssirus W. Pakzad Foto: Ssirus W. Pakzad

Steven Bernstein _ tpEric Lawrence _ reedsDoug Wieselman _ reedsPeter Apfelbaum _ reedsClark Gayton _ tbCharlie Burnham _ vMatt Munisteri _ gBen Allison _ bBen Perowsky _ dr

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Page 20: Moers Festival Magazin 2007

20 Sonntag, 27. Mai 2007 programm

Andro Biswane _ gRamón Valle _ pAly Keita _ balafonReno Steba _ bKarim Ziad _ drHamid el Kasri _ guembri, voc Wahid Boudjeltia _ garagab, vocMohammed Errougui _ garagab, vocKacem Fouitah _ garagab, vocAbdelghafour Quahbi _ garagab, voc

Ein paar hunderttausend Begeisterte treffen sich jedes Jahr in Essaouria zum Musikfestival. An normalen Tagen kann man die marokkanische Küsten-stadt mit Bus oder Bahn erreichen, aber während der Zeit des Festivals gibt es Extraflüge von Casablanca. Im Zentrum des Geschehens steht jedes Mal ein dreisaitiges, basslastiges Instrument, das perkussiv und melodisch zugleich bearbeitet wird: die Gimbri, Guem-bri, Guenbri, oder noch komplizierter: Haj’houj, und auch Sintir taucht in den Beschreibungen hiesiger Spezialisten auf. Die Guembri gilt als archaisches Bassinstrument, das angesichts seiner hervorragenden Eigenschaften als Slap-Bass und seiner seit Jahrzehnten auch im Jazz anzutreffenden Beliebt-heit allerdings keineswegs altertümlich wirkt. Don Cherry, Pharoah Sanders, Randy Weston, Robert Plant und Jimmy Page, Bill Laswell und zuletzt Archie Shepp haben mit diesem Musikwerk-zeug kommuniziert und experimentiert. Wie auch Karim Ziad. Der in Frankreich lebende, algerische Percussionist ist ein bekennender Fan des Instruments und hat sich natürlich mit dessen Quellen befasst. Die Guembri ist das Trance-

mittel der Gnawa-Bruderschaften im nördlichen Afrika und weiter im Osten kultureller Bestandteil des Sufismus. Als einer der Leiter des Festivals von Essaouira hat Ziad langjährige Erfahrungen mit Gnawa-Musikern gesammelt, und schon oft mit dem Sänger und Guembri-Virtuosen Hamid el Kasri gearbeitet. Mit dem Projekt

„Gnawa Crossroads“ zeigen el Kasri und Ziad nun neue Bezüge zwischen der Musik der Gnawa, europäischem Jazz, afrokaribischem Temperament und schwarzafrikanischer Roots auf. Den Kern bilden el Kasri und seine Gnawa Masters mit ekstatischen traditionellen Gesängen, welche Ziad durch moderne Kompositionen ergänzt. Der kubanische Pianist Ramón Valle erweitert das Spektrum um lateinamerikanische Harmonien. Der Gitarrist Ando Biswane stammt wiederum aus Surinam und der Bassist Reno Steba aus Aruba. Die westafrikanische Note kommt von Aly Keita, der mit seinem Balafon die tran-cigen Läufe der Guembri aufgreift und umspielt – crossculture at its best. Uli Lemke

Gnawa Crossroads15.00 Uhr / Festivalzelt

In Kooperation mit: NPS-Radio und Music Meeting Nijmegen

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kann sie sich jedenfalls nicht beschwe-ren. Das Australian Art Orchestra, die BigSmallBand des Pianisten Mike Nock oder das Melbourne Women’s Jazz Festival bestellten Partituren bei ihr.

„Komponieren hat immer eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt“, sagt Andrea Keller. „Ich habe schon mit neun oder zehn Jahren angefangen, da mein älterer Bruder Musik schrieb und ich wie er sein wollte. Später, als ich mich für Jazz und Improvisation interessierte, habe ich das Komponieren genutzt, um bestimmte Dinge verstehen zu lernen und auch viel auszuprobieren. Wie das Spielen auch ist Schreiben eine endlose Quelle der Freude und Frustration – ich würde mich nicht für das eine oder das andere entscheiden können.“ Besonders eindrucksvoll ist das, was die in Sydney als Tochter tschechischer Eltern geborene Musi-kerin für ihre Band zu Papier bringt, ob das nun Arrangements von Bela-Bartok-Kompositionen („Mikrokosmos“) oder

eigene Werke sind. Manchmal mag sich Keller nicht zwischen Formstrenge und Verspieltheit entscheiden. Mit Gespür für Stimmführung schickt sie die beiden Bläserstimmen in die Umarmung, und ihre Klangfarbenvisionen fügen sich zu verwunschenen Stimmungsbildern. Das Ausnotierte brechen sie und ihre Man-nen durch beherzte Improvisationen auf. Kellers Quartett, mit dem sie jetzt in Moers gastiert, kommt übrigens ohne Tieftöner aus. „Als unser damaliger Bassist nach New York zog, musste ich umdenken. Es wäre seltsam gewesen eine neue Persönlichkeit in unsere Einheit zu integrieren. Außerdem wollte ich musikalisch und kompositorisch ohnehin andere Wege gehen und da bot es sich an, den Bass nicht zu ersetzen. Es war eine lohnende Herausforderung, auf das Instrument zu verzichten – mitt-lerweile ist es das Natürlichste auf der Welt für mich. Die reduzierte Besetzung hat die Art, wie wir als Ensemble spie-len, erweitert und erlaubt der Musik mehr Freiheit und Raum.“ Ssirus W. Pakzad

16.15 Uhr / Festivalzelt

Andrea Keller Quartet Andrea Keller _ pEugene Ball _ tpIan Whitehurst _ tsJoe Talia _ dr

programm Sonntag, 27. Mai 2007 21

Am anderen Ende der Welt, im fernen Australien, wächst und gedeiht eine prächtige Jazz-Community, deren Mit-glieder uns vielleicht nur deshalb nicht sonderlich vertraut sind, weil es für die Musiker zu aufwändig und umständlich ist, sich in hiesigen Breitengraden vorzustellen. Aber sicher auch, weil die Labels vom fünften Kontinent Schwierigkeiten haben, internationale Vertriebswege für ihre Produkte zu finden. Dabei gibt es doch soviel zu entdecken. In Melbourne etwa, der Dreieinhalb-Millionen-Metropole, rumort es musikalisch ohne Unterlass. Galt die Hauptstadt des Bundesstaats Victoria früher als Hochburg für Fusion und artverwandte Stile, blüht dort jetzt die Vielfalt. Zu den zentralen Gestalten der Melbourner Jazz-Szene gehört die einflussreiche Pianistin und Kom-ponistin Andrea Keller. Nicht nur die Tastenkünste der 33-Jährigen stehen hoch im Kurs, nein, auch das, was sie auf’s Notenpapier zaubert. Über einen Mangel an Kompositionsaufträgen

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22 Sonntag, 27. Mai 2007 programm

hat Rupp eine monolithische Sprache geschaffen. Das Ohr des unbefangenen Hörers muss sich in seinen seltsamen Klanglabyrinthen nur einmal verfangen haben, um sie auf Anhieb wiederzuer-kennen. Dabei muss man seine Musik noch nicht einmal mögen. Einst wollte Rupp alles Schöne aus seinen Klängen verbannen, doch auf dem schmalen Grad, auf dem sich Abstraktion in pure Emotionalität entlädt, gewinnen die Prinzipien entstellter Schönheit einen derart intensiven spirituellen Zauber, dass etwas neues Schönes entsteht. Bis zu einem gewissen Grad leidet Olaf Rupp unter seiner prädestinierten Position. Es gibt nur wenige Musiker, mit denen er kontinuierlich spielen kann.

„Manchmal finde ich es schade, dass ich so allein dastehe. Ich würde viel lieber mit mehr Gleichgesinnten kommunizie-ren. Natürlich gibt mir das solistische Spiel viele Freiheiten, aber es macht ja viel mehr Spaß, diese Freiheiten im Dialog mit anderen Musikern auszuko-sten.“ Freiheit selbst bedeutet Rupp nicht mehr als die Abwesenheit von

Ist eine Kunst oder Musik denkbar, die bewusst alle sozialen, emotionalen und geografischen Koordinaten ihres Schöp-fers ignoriert? Der Berliner Gitarrist Olaf Rupp gibt zumindest vor, es zu versu-chen. Auf der akustischen wie auf der elektrischen Gitarre entfaltet er Welten, die so abstrakt sind, dass man sie nicht einmal mehr als bizarr bezeichnen kann. Der Begriff Klangfläche nähert sich den spontanen Konstruktionen zumindest an. „Ich will jede Emotion aus meinem Spiel ausschalten. Natürlich weiß ich, dass das nicht möglich ist. Deshalb höre ich meine Sachen auch lieber, als dass ich sie spiele. Ich bin dann immer überrascht, wie viel ich darin finde, von dem ich meinte, es gar nicht hineinge-tan zu haben.“ Auf der Suche nach dem vollkommenen Geräusch auf der Gitarre

Olaf Rupp & Shoji Hano17.30 Uhr / Festivalzelt

Olaf Rupp _ g Shoji Hano _ perc

Partitur. Er fühlt sich keiner Tradition oder Schule verpflichtet, fühlt aber eine innige geistige Verwandtschaft mit jenen Free-Jazz-Saxofonisten, die den linearen musikalischen Richtungssinn mit beweglichen Clustern aufbrachen. Doch auch die Prinzipien der Minimal Music, die Techniken der spanischen Gitarre und die unerbittliche Sach-lichkeit der elektroakustischen Musik fließen in sein Spiel ein. Wie diese Quellen zusammenfließen, entscheidet sich in jeder Performance auf überra-schende Weise neu. Sein Duo mit dem japanischen Percussionisten Shoji Hano ist die Erfüllung eines langgehegten Traums. „Ich mag Musiker, die sich bei der Strukturierung ihres Spiels eher auf Intuition als auf kopflastige Konzepte verlassen. Schon bei seinen Projekten mit Peter Brötzmann und Derek Bailey fiel mir Shoji Hano als kraftvoll und sen-sibel agierender Drummer auf“, erzählt Rupp. „Shoji Hano ist schon lange mein Wunschpartner für ein solches Percus-sions-E-Gitarren-Duo.“ Wolf Kampmann

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Als Christiaan Virant 1999 in Peking für die Gründung der Band FM3 nach Musi-kern suchte, die wie er Ambitionen auf dem Feld der elektronischen Live-Musik hatten, musste er zwar lange suchen, fand aber dann einen kompetenten Partner in dem Keyboarder Zhang Jian. Seitdem hat sich allerhand geändert: Laut Virants Angaben hat sich die Sze-ne während der letzten drei Jahre fast verdreifacht und experimentiert trotz mangelnder kommerzieller Perspektiven munter mit Noise, Breakcore und audio-visuellen Setups. FM3 gehören heute zu den bekanntesten Vertretern dieser Nische und sind unter anderem mit der akustischen Gestaltung eines Parks für die Olympiade 2008 beauftragt worden. An ihrer Bekanntheit dürfte ihre so genannte „Buddha Machine“ nicht ganz unschuldig sein. Sie ist inspiriert von

zigarettenschachtelgroßen Abspielge-räten, die Virant in einem buddhisti-schen Tempel entdeckte: Sie spielten ausschließlich einen fest installierten Dauerloop ab – einen Chant, der den Tempel auch ohne Stimmkraft eines verantwortlichen Mönchs mit einer nie endenden Soundambience versorgte. Bei der – in derselben Fabrik in Auftrag gegebenen – Version von FM3 handelt es sich um neun batteriebetriebene, quietschbunte Exemplare. Sie ähneln Radioempfängern, nur dass sie per Werkseinstellung auf die Loops von FM3 beschränkt sind, die sich nun räumlich frei kombinieren lassen. Zur Überraschung aller Beteiligten erfreute sich diese „Buddha Machine“ rasch gro-ßer Beliebtheit. Zu den ersten Kunden gehörten etwa Brian Eno, Alan Bishop (Sun City Girls), Thomas Fehlmann und

FM320.00 Uhr / Festivalzelt

Christiaan Viran

programm Sonntag, 27. Mai 2007 23

der Musiker und Ableton-Live-Entwick-ler Robert Henke (Monolake), die zum Teil auch eigene Versionen von Buddha-Musik auf der Staubgold-Kopplung „Jukebox Buddha” veröffentlicht haben. Mittlerweile sind mehr als 10.000 „Buddha Machines“ verkauft worden, und das in einer Ära, in der sich das Ende des physischen Tonträgers immer deutlicher abzeichnet! Mittlerweile haben FM3 es geschafft, trotz des Vollzeitjobs, den die ständige Nach-produktion des Erfolgsproduktes mit sich bringt, wieder auf Tour zu gehen: Zunächst mit einer Eigenbau-Zither und einem traditionellen Saiteninstrument namens Gu Quin, dann wieder als Akteure eines selbst entwickelten Spiels namens „Buddha Boxing”. Für ihr neues Live-Projekt „Marshall Plan” bleiben solche Maschinen, aber auch Computer und aufwändige Verkabelungen und Verschaltungen zuhause. Stattdessen wird ihr Auftritt in Moers die Frage beantworten können, wohin sich ein Duo bewegt, das die Grenzen zwischen elektronischer Musik und interaktiver Performance bereits erfolgreich zum Verschwimmen gebracht hat, wenn es seine „akustischen Wurzeln” erkundet. Eric Mandel

Christiaan Virant Zang Jhian

Page 24: Moers Festival Magazin 2007

24 Sonntag, 27. Mai 2007 programm

Sidsel Endresen _ vocStåle Storløkken _ keyb, electr. Thomas Strønen _ dr, electr.

Sidsel Endresen & Humcrush21.15 Uhr / Festivalzelt

Das Phänomen Sidsel Endresen lässt sich mit gängigen musikalischen Kate-gorien nur unzureichend beschreiben. Treffendere Bilder finden sich im Reich der Märchen und schwarzen Künste. Die norwegische Sängerin ist eine Alchimistin, die es nicht nur versteht, der Natur ihr Geheimnis abzulauschen, sondern die den Elementen ihren Willen aufzuzwingen vermag. Das Konzert ihrer Stimmen dehnt den Raum aus. Sie singt nicht nur, sie hört tief in sich hinein. Ihre Songs offenbaren moleku-lare Strukturen, einander umtanzende Mikrokosmen, eine DNA der Emotionen. Wenn sie ein Ding singt, bleiben min-destens vier andere Dinge ungesungen. Es ist wie Einatmen und Ausatmen. Ein Mantra, das Ziel und Ursprung jeder Existenz verbindet. „Meine Hauptquelle ist Arbeit“, konstatiert Endresen nüch-tern. „Die Arbeit mit meinen Musikern. Ich bin sehr konkret. Es gibt bestimmte Stimmungen und Bewegungen, die ich zusammenbringen muss. Wie ich das tue, verändert sich von Perfor-mance zu Performance. Ich glaube jedoch nicht, dass meine Inspiration metaphysischer Art ist.“ Hört man ihre Songs aus der Distanz, bleibt dieses Bekenntnis schwer nachvollziehbar. In einer Live-Situation hingegen wird deutlich, dass ihre vokalen Zauberfor-meln ungeheuer physisch sind. Da steht eine Frau, die jede Zelle ihres Körpers in Vibration versetzt und Ganzkörper- gesang betreibt. „Ich bin absolut detailversessen. Dazu muss ich mich ungeheuer konzentrieren. Ich schaffe eine Zone, in der diese Details leben können, und fülle sie sparsam. Die Stille ist ein äußerst aktiver Raum, der viele Bewegungsmöglichkeiten gewährt.“ In diesem fortwährenden Dialog mit jener Urknetmasse der Stille trägt Sidsel

Endresen ihre ganz persönlichen Nuan-cen zur introspektiven Farbpalette der norwegischen Musik bei. Ihre Stimme ist Licht. Wenn sie improvisiert, beugt sie sich nicht den Gesetzen des Jazz, sondern steckt ihre eigenen Koordina-ten ab. Deshalb war sie die kongeniale Wunschpartnerin für Ståle Storløkken, Keyboader beim norwegischen Quar-tett Supersilent, und Thomas Strønen, Mitgründer und Schlagzeuger der norwegisch-englischen Band Food. Als Humcrush experimentieren die beiden mit einer Synthese aus analogen und digitalen Klängen, die sie mal energe-tisch hoch auftürmen lassen, mal fast bis zur Stille reduzieren. In Norwegen standen Storløkken und Strønen bereits einmal mit ihrer Landsfrau auf der Büh-ne. In Moers trifft man das erste Mal außerhalb der Heimat aufeinander. Wolf KampmannFoto: Ssirus W. Pakzad

Page 25: Moers Festival Magazin 2007

Steve Coleman _ asJonathan Finlayson _ tpTim Albright _ tbJen Shyu _ vocThomas Morgan _ bTyshawn Sorey _ dr

Opus Akoben:Kokayi _ vocSub-Z _ vocEzra Greer _ bJay Nichols _ drAyCE International _ dj

Steve Coleman & Five Elements feat. Opus Akoben 22.30 Uhr / Festivalzelt

Vor rund 20 Jahren war Steve Coleman einer der führenden Köpfe im New Yor-ker Musiker-Kollektiv M-Base, zusam-men mit Greg Osby, Cassandra Wilson und anderen. Damals schon experi-mentierte der Altsaxofonist mit dem zu dieser Zeit noch ziemlich unbekannten Rap. Jedoch setzte er mit seiner Band Five Elements einem stur durchgehal-tenen 4/4-Rhythmus ungerade Metren entgegen und brachte so den Rap aus dem Takt und dem (Tanz-)Schritt. Über dieses unter anderem auch von Funk infizierte Gebräu blies Coleman mit strahlendem, vibratolosem Ton sein Altsaxofon, kühl, klar, sprudelnd, überlegt – und überlegen. Seitdem gingen mehr als 20 Jahre ins Land, Rap und HipHop waren Big-Business für die Musikbranche – nicht nur in den USA. Coleman selbst arbeitete in dieser Zeit an einem eigenen musika-lischen System, das so etwas wie eine allumfassende „Weltmusik“ darstellen sollte, oftmals aber hinter schwer verständlichen Liner notes verborgen blieb. In den 1990ern veröffentlichte er beim Major BMG seine Platten, die mit Titeln wie etwa „The Sonic Language Of Myth“ mit dazu beitrugen, Colemans Ruf als eiskalter Egomane zu bestäti-gen. Zu Beginn des neuen Jahrtausends dann ein Bruch: Mit dem Wechsel zur französischen Independent-Firma Label Bleu erschien eine CD, deren Titel wie ein Ausrufezeichen klang: „Resistance est Futile“ (auf Deutsch: „Widerstand ist zwecklos“). Wen er mit diesem Aus-ruf ansprach, war nicht auszumachen, ob sich selbst oder sein Publikum oder gar seine Kritiker. Klar wurde aber mit der Musik dieses Live-Doppel-Albums, dass Coleman liegen gelassene, nicht weitergeführte Entwicklungslinien aus der eigenen Geschichte erneut aufgriff, um diese mit den gemachten Erfah-rungen und aus anderen Perspektiven neu zu bearbeiten und fortzusetzen. Auch sein Projekt für das moers festival ist unter diesem Aspekt zu sehen: Der Altsaxofonist und seine Five Elements

programm Sonntag, 27. Mai 2007 25

treffen auf die Conscious-Rapper des HipHop-Kollektivs Opus Akoben aus der US-amerikanischen Hauptstadt Washington. Ein Wunschprojekt, wie Coleman gesteht. „Die Idee, beide Bands zusammenzubringen, ist seit rund drei Jahren in meinem Kopf. Ich spüre, dass die Kreativität und die Energie beider Bands zu einem ganz besonderen Ereignis führen werden“, so die Prophezeiung des Altsaxofonisten für dieses einmalige Live-Ereignis. Martin Laurentius Foto: Ssirus W. Pakzad

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Jazzthetik

26

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Was ist Schlechtes daran, wenn ein Baby gleich mehrere Väter hat? Besser, als würde sich gar niemand dazu bekennen. Ob nun Saxofonist Hayden Chisholm oder Posaunist Nils Wogram den entscheidenden Impuls zur Zeugung gaben, ob Bassmann Matt Penman oder gar Schlagwerker Jochen Rückert Root 70 zum Laufen brachten, solche Haar-spaltereien erscheinen angesichts des quietschfidelen, aus dem Erbgut von Jazz, Reggae, Latin, Funk, Bop und Hop gezeugten Bastards irgendwie völlig unerheblich. Möglicherweise verhält es sich bei den Embassadors, der lo-gischen Fortschreibung von Root 70 und einem weiteren Gemeinschaftsprojekt im besten Sinn, genauso. Mit einem wesentlichen Unterschied: Anstatt des Kölner Elektronikers Burnt Friedman setzen nun die Streicher Claudio Bohór-quez (Violoncello) und Gareth Lubbe (Viola) ihre Duftmarken in die kollektive Windel. Und Chisholm hat den noch jungen Sprössling ganz offiziell adop-tiert. Um klare Verhältnisse zu schaffen. The Embassadors – das ist seine Band. Der neuseeländische Saxofonist, Kla-rinettist und Weltenbummler mit einer

Hayden Chisholm – The Embassadors14.00 Uhr / Festivalzelt

Vielzahl von Wohnsitzen, darunter auch Köln, kann damit endlich seine extreme Obsession für musikalische Dynamik ausleben. Nach dem geräuschvollen Maximum folgt jetzt das kaum hörbare Minimum, die Reduktion bis hin zur ab-soluten Stille, die kammermusikalische Variante des Balgs. Was keinesfalls bedeutet, dass es sich um ein pflege-leichtes, ein unproblematisches Kind handelt. Wer Chisholm, Wogram, Pen-man und Rückert kennt, der weiß, dass bei ihren spielerischen Laborversuchen noch nie glatte, beliebig austauschbare Null-Acht-Fünfzehn-Profile herauska-men. Perfekte Voraussetzungen, um ein kleines Monster zu erschaffen. Im Prin-zip verkörpert es alles, was Chisholm schon immer heilig war: Sound, Emo-tion, Präzision und blühende Fantasie. Die Magie entsteht nicht durch die Bemühung eines Einzelnen, sondern im gesamten Ensemble. „Mich interessiert der Gruppensound und kein Solo-Scheiß mit Spannung-Höhepunkt-Auflösungs-Format“, zitiert die Jazzthetik den

32-Jährigen. Das Resultat eines tief sitzenden Kindheitstraumas aus seiner Heimatstadt Auckland, wo Dixieland und Brass Band (O-Ton Chisholm: „Der Soundtrack der Hölle“) hoch im Kurs stehen. Ein guter Grund, um zu fliehen. Zuerst ins freiwillige Exil in die Schweiz, dann nach Deutschland. Dort probierte Hayden alles aus: Literaturprogramme, ein James-Joyce-Projekt oder wie es ist, mit Deutschlands bestem Posau-nisten, Nils, zu arbeiten. Er initiierte das James Choice Orchestra, engagierte sich für den Zusammenschluss bekann-ter Musiker der freien Improvisations-szene und fiel auf. Elf Jahre lang spukt dem „Köllschen Jung“ mit den breitem englischen Akzent nun schon die Idee mit seinen Embassadors durch den Kopf. Rhythmische Signaturen, gepaart mit klassischer Form und der Mikrotonalität von Root 70. Nicht schlecht für einen ohne musikalische Wurzeln. Ein Original, das keinen Stammbaum braucht, um sich zu reproduzieren. Reinhard Köchl

Claudio Bohórquez _ vc Hayden Chisholm _ saxGareth Lubbe _ vaMatt Penman _ bJochen Rückert _ drNils Wogram _ tb

programm Montag, 28. Mai 2007 27

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ZuLuca T Mai _ saxMassimo Pupillo _ bJacopo Battaglia _ drThe ThingMats Gustafsson _ saxIngebrigt Håker Flaten _ bPaal Nilssen-Love _ dr

jüdischen Tradition entlehnten Massa-da-Themen, ist dem Trio The Thing eben sein Garage Rock. An die Stelle von Gesang und ungelenkem Gitarrengeg-niedel tritt bei Mats Gustafsson (Tenor- und Baritonsaxofon), Ingebrigt Håker-Flaten (Bass) und Paal Nilssen-Love (Drums) ein offener Soundclash, wobei

– wie in dem berühmten Reeves/Bullock-Film mit dem Bus – die Faustregel gilt, nicht unter das Energielevel zu fallen, wie es durch das Thema aufgestellt wurde. Dank dieses integrationsfreu-digen Konzepts fusionierte The Thing während der vergangenen Jahre leicht mit verwandten Geistern wie der Cato

Zu & The Thing15.15 Uhr / Festivalzelt

„Garage Rock“ ist ein Genre ohne Stars, ein Produkt gequälter weißer Vorstadt-Teenager, die sich ihren verzweifelt unbeholfenen Reim auf den sich urban gebenden Rock‘n‘Roll machen. Man nimmt die Energie des Punk und ist zu-meist nur in den Garagen der Eltern zu hören – oder auf liebevoll zusammenge-stellten „Back From The Grave“-Compi-lations. Garage Rock hat aber heutzu-tage nur noch so viel mit Garagen zu tun wie Garage House, bezeichnet aber schlüssig eine auf straightes Wegro-cken beschränkte Maximierung mini-maler Ausdrucksmittel. Und was Albert Ayler sein Gospel, John Zorn seine der

entdecken die römischen „not-catagori-zable punk-freejazz-headbangers-sun-ra-freaks” (Selbesteinschätzung) Gebiete, die selten zuvor ein Musiker (verehrte Ausnahmekollegen wie The Minutemen oder Peter Brötzmann ausgenommen) betreten hatte. Musikalische Reise-berichte erschienen auf Labels wie Atavistic, Red Note, Frenetic und Wide und erfreuen sich bei Eingeweihten steigender Beliebtheit. Zu ihnen gehö-ren unter anderem Mike Patton, Dälek, Melvins, Eraldo Bernocchi, The Ex, Steve Albini und Han Benninck, mit denen Zu ja immer wieder auf der Bühne und im Studio kooperieren. Intensive sonische Verschlaufungen dürfen bei dieser

„Echtzeit-Battle of the Bands“ erwar-

28 Montag, 28. Mai 2007 programm

tet werden, bewusst als Nachfolge des letztjährigen Zusammentreffens von The Thing und Raul Björkenheims Scorch konzipiert. Nur dass dieses Jahr nicht zwei siameschische Zwillings-bands, sondern offenbar gleich nach der Geburt getrennte Geschwisterkapellen erstmalig aufeinander treffen, um den gemeinsamen Stammbaum zu erkunden und abzugleichen. Eric Mandel

Salsa Experience und Joe McPhee, der schon vor dem Garage-Coup als Dauer-Vierter dabei war. Während bei diesen mit schöner Zuverlässigkeit vom Stammlabel Smalltown Supersound dokumentierten Gipfeltreffen nach-weislich „Whole Lotta Love“ herrschte, ist die Begegnung mit der Band Zu ein noch offenes Experiment. Dem Thing steht ein identisch instrumentiertes, spiegelbildliches Power-Trio gegenüber. Irgendwo zwischen den Genregrenzen

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Mikko Innanen _ saxTimo Lassy _ saxSeppo Kantonen _ orgJoonas Riippa _ dr

programm Montag, 28. Mai 2007 29

Mikko Innanen & Innkvisitio16.30 Uhr, Festivalzelt

der Sibelius-Akademie in Helsinki und Kuopio, mit Erfolg ab. Hervorstechend ist besonders sein kraftvoller Ansatz. Viele Bands zeichnen sich zusätzlich durch einen speziellen, oft als typisch finnisch bezeichneten Humor aus. So auch Innkvisitio, eine Formation aus Helsinki, die sich von scheinbar unwandelbaren Prinzipien lösen konnte. Denn mit einer konservativen Hardbop-Haltung haben sie nichts gemein. Im Gegenteil: Bei ihnen verbinden sich Lebenslust, perfektes Können und schiere Spielfreude zu einem großen, gemeinsamen Ganzen. Die beiden Saxofonisten, Innanen und Timo Lassy, stehen stets zum instrumental-tech-nischen Duell bereit, während Schlag-zeuger Joonas Riippa die Felle bearbei-tet und Seppo Kantonen, der Popularität erlangte durch die Studioarbeit mit Bassist Pekka Pohjola (beispielsweise beim „Heavy Jazz“-Album von 1995), die Orgel fauchen und wimmern lässt. Mikko Innanen & Innkvisitio zeigen sich innovativen Projekten und Kompo- sitionen immer aufgeschlossen, bleiben ständig in Bewegung, erforschen unentwegt neues Material – und sind noch lange nicht am Ende ihres künstle-rischen Weges angekommen. Henrik Drüner

„Musik ist Musik. Sie lässt sich schlecht in Staatsgrenzen zwängen“, sagt Mikko Innanen, finnischer So-pran-, Alt- und Baritonsaxofonist. Bei ihm gilt das Motto: global denken, aber lokal handeln. Denn nicht nur bei den Gruppen Delirium, Teddy Rok 7 oder Gourmet arbeitete Innanen mit einheimischen bzw. skandinavischen Musikern zusammen, sondern vor allem mit seinem Quartett Innkvisitio. Eine so eigenwillige und eigensinnige Jazz- szene wie die finnische gibt es ohnehin nur wenige auf der Welt. Der Pianist und Komponist Samuli Mikkola, der in seinen Werken auf zeitgenössische Weise finnische Melancholie verströmt, die international preisgekrönte Band U-Street All Stars, der Pianist Kari Ikonen und eben Saxofonist Innanen bilden die Speerspitze einer breiten Jazzmann-schaft mit profilierten Interpreten und Aktiven. Innanen, Baujahr 1978, schloss das Studium an der Jazzabteilung der einzigen Musikhochschule Finnlands,

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30 Montag 28. Mai 2007 programm

Fennesz & Mike Patton17.45 Uhr / Festivalzelt

Fennesz gehörte neben Derek Baily zu den Gitarristen auf David Sylvians „Ble-mish”, kooperierte mit Ryuchi Sakamoto und spielte freie Sets mit Jim O‘Rourke und Thomas Rehberg, wobei er je nach Laune mal als Gitarrist, mal als Soft-warer-Operator im Einsatz war. Seine Solo-Alben, etwa „Endless Summer“ und „Venice“, sind rare Beispiele für ein Gitarrenspiel, das buchstäblich entlang den exponentiell steigenden Möglich-keiten der elektronischen Klangmanipu-lation mutiert, ohne jedoch den Soul zu verlieren. Insofern lässt sich die Brücke zu seinem Partner bei dieser Europapre-miere schlagen. Selbiges kann nämlich auch für Mike Pattons Stimme gelten. Wie etwa bei Diamanda Galas oder David Moss ist dessen Organ gleicher-maßen persönliche Soundsignatur wie unendlich erweiterbares Klangfeld. Der feine Unterschied zu Fennesz: Patton kommt vom Metal. Nach Chart-Hits mit Faith No More war es ausgerechnet John Zorn, der dessen offensichtlich unterforderte Hyperaktivität in geregel-te Bahnen lenkte. Sein Coming out als Avantgardist hatte der Sänger mit sei-ner Rolle in dessen „Elegy” für Jean Ge-net. Seitdem hat Patton das Prinzip Me-tal mit Bands wie Fantomas, Mr. Bungle und Peeping Tom zur ständig erweiter-baren Kampfzone erklärt, produziert Solo-Alben und spielt mit zahlreichen improvisierenden und andere, extrem musizierenden Kollegen zusammen. Ergebnisse liegen auf diversen Labels vor, von Tzadik bis Warner Brothers (!), in letzter Zeit aber vor allem auf seinem eigenen Imprint Ipecac. Hier veröffent-licht er neben seinen Projekten ohne stilistische Einschränkung weitere musikalische Grenz- und Extremfälle, Klangcarambolagen und „Nah-Tod-Er-fahrungen” – und dann auch noch die Sorte von HipHop, für den kein anderes Label den rechten Mumm hat. Eric Mandel

Christian Fennesz musiziert seit den frühen 1990ern am Rande, in sinnvoller Ergänzung, im Gegensatz zu oder gar nur scheinbar mit den Mitteln elek-tronischer Musik. Ob die nun Techno, Intelligent Techno, IDM, Minimal, Neo-Folk, Improv oder Noise genannt wurde – gewiss war Fennesz in den Plattenschränken, CD-Kolumnen, DJ-Sets und Produktionscredits irgend-wo in der Nähe davon, ohne jedoch als Autor unter einem der Begriffe fixierbar gewesen zu sein. Dabei ist sein eigentliches Hauptinstrument die seinerzeit für tot erklärte Gitarre. Mit ihr bildet der Wiener am liebsten Melodien, Riffs, Umkehrungen und Harmonisierungen, die im Verbund mit sorgsam verfugten Drones, Rhythmen und Zwischenfrequenzen klingen und klirren und damit den verheißungsvoll dröhnenden Twang der Yardbirds und der Rolling Stones und vor allem aber der Beach Boys heraufbeschwören.

Christian Fennesz _ electr Mike Patton _ voc, electr

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programm Montag, 28. Mai 2007 31

1979, als Hiromi Uehara in Hamamatsu, einer japanischen Stadt in der Präfektur Shizuoka, das Licht der Welt erblickte, erreichte das Genre, in dem sie sich auf ihrem neuen Album „Time Control“ lustvoll austobt, gerade die Spitze sei-ner Popularitätskurve: Fusion. Mit ihrer lockeren, unbekümmerten, humorvollen Art hat die Wahl-New-Yorkerin jüngst eine totgesagte Stilrichtung wieder be-lebt. Hiromi gönnt ihrem Publikum eine detailreiche Saft- und Kraftvariante des Jazz Rock. Ohne Unterlass wirbelt das zarte Persönchen, das einerseits irgendwie hyperaktiv wirkt und sich anderseits ziemlich gut unter Kontrolle hat, durch zum Bersten gefüllte Eigen-kompositionen, in der Haken schla-gende Themen querfeldein stürmen, sich reiche ornamentierte Motive durch all die vielen Breaks winden. Hiromis Quartett Sonicbloom rockt los, erlaubt sich kurze swingende Zwischenspurts und tänzelt funky. Die Chefin erinnert in ihren pointierten Piano-Soli manchmal an ihren Mentor Ahmad Jamal. Aber sie lässt auch den Synthie zwitschern, jaulen und sirren. Mit dem Gitarristen David „Fuze“ Fiuczynski (unter anderem Screaming Headless Torsos, Lunar Crash, Meshell Ndegeocello) liefert sie sich dann sogar Keyboard-Gitarren-Duelle – so etwas bekommt man sonst kaum noch zu hören. In Nummern wie

„Time Out“ entwickelt der in Deutsch-land aufgewachsene Amerikaner am bundlosen Instrument gar vokale Qualitäten – er lässt seine Gitarre laut auflachen, schnattern oder aufgeregt parlieren. Seine Doughnut-Geberin Hiromi, die mit sechs Jahren ersten Kla-vierunterricht bekam und mit acht von ihrer Lehrerin an den Jazz herangeführt wurde, musste sich lange damit herum-plagen, als Wunderkind betrachtet zu werden. Sie hat die an sie gerichteten Erwartungen aber gut verdaut. Mit zwölf trat sie regelmäßig öffentlich auf, als 14-Jährige teilte sie mit philharmo-nischen Orchestern die Bühne. Mit 17 wurde sie durch eine Begegnung mit Hiromi

19.00 Uhr / Festivalzelt

dem Pianisten Chick Corea geprägt. Schon in Teenagerjahren besaß Hiromi Uehara eine solch ausgeprägte musi-kalische Autorität, dass man die noch nicht Volljährige sogar Werbe-Jingles für die ganz Großen der japanischen In-dustrie schreiben ließ. Statt abzuheben entschloss sich Hiromi, ihrer bereits genossenen Ausbildung noch einen draufzusatteln und schrieb sich am Berklee College Of Music in Boston ein. Noch während ihres Studiums konnte sie einen Deal beim Telarc-Label landen. Auf ihren bisherigen vier Veröffentli-chungen (ihr Debüt „Another Mind“ von 2003 erreichte in Japan binnen kurzer Zeit Goldstatus) zeigt sich, dass sich Hiromi nicht eingrenzen lässt. Ihr Reper-toire reicht von straight swingendem Jazz bis zu ihrem aktuellen Jazz Rock alter Schule. Ssirus W. Pakzad Foto: Frank Capri

Hiromi _ pDavid Fiuczynski _ g Tony Grey _ bMartin Valihora _ dr

Page 32: Moers Festival Magazin 2007

the night

Ein neuer Ort für „the night“: Der Konzertsaal im Souterrain des Hotels Van der Valk gleich am Rand des Moerser Freizeit-parks ist in den drei Nächten von Freitag bis Sonntag das Venue für tanzbare, funk-infizierte Grooves und clubtaugliche Crossover-Sounds.

Amayo _ voc, percAaron Johnson _ tpVictor Axelrod _ keybJordan McLean _ tpEric Biondo _ tpNick Movshon _ bStuart Bogie _ saxLuke O‘Malley _ gMarcus Farrar _ shekereMartin Perna _ bsMarcos Garcia _ gChris Vatalaro _ dr

Freitag, 25. Mai 2007

32 mœrs festival 2007 programm

Einlass: 21.30 Uhr Beginn DJ Set: 22.00 UhrLive: 23.00 UhrOrt: Hotel Van der Valk DJs: Ancient Astronauts (Switchstance Recordings)

AntibalasDas multi-ethnische Afrobeat-Monster mit zwölf Köpfen aus Brooklyn in New York hat eine ordentliche Portion Latin, Jazz, Funk und Soul gefrühstückt. Anti-balas (spanisch für „kugelsicher“) glückt das seltene Kunststück, das Publikum mit guter Laune zu infizieren, ohne aber den politischen Anspruch zu verlieren. Mit langweiligen Retro-Sounds hat Antibalas nichts zu schaffen. Auf einem soliden Afro-Beat-Fundament gibt es hin und wieder elektronische Spiele-reien und überraschende Klangexperi-mente: So ist auf dem aktuellen Album

„Security“ auch ein Hackbrett-Solo zu hören. Götz Bühler: „Selten klang Fela Kutis geistiges und musikalisches Erbe selbstbewusster, soundspielerischer und schweißtreibender.“

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In Kooperation mit dem Hotel Van der Valk, Krefelder Straße 169, 47447 Moers

Einlass: 22.30 UhrBeginn DJ Set: 23.00 Uhr Live: 24.00 UhrOrt: Hotel Van der Valk DJs: Soul Buddies

Brooklyn Funk Essentials1993 rief der Produzent Arthur Baker die Brooklyn Funk Essentials ins Leben. Rasch wurde dieses Acid-Jazz-Kollek-tiv zu einer festen Größe in der New Yorker Jazz- und Slam-Poetry-Szene, und mit der Version des Pharoah-San-ders-Klassikers „The Creator Has A Masterplan“ konnte man sogar einen veritablen Underground-Hit landen. Mit wechselnden Besetzungen und stets offen für Gastauftritte bekannterer und unbekannterer Musiker verfeinerten sie im Laufe der Jahre ihre eh schon besondere und eigenwillige Form des Funk dann auch noch mit Reggae, Latin, Dub, House und HipHop. Nachdem es Anfang des neuen Jahrzehnts ruhig um die Brooklyn Funk Essentials gewor-den war, feierten sie im vergangenen Jahr mit der CD „In The Buzz Bag“ ein furioses Comeback.

Einlass: 22.30 UhrBeginn DJ Set: 23.00 Uhr Live: 24.00 UhrOrt: Hotel Van der Valk DJs: Ancient Astronauts (Switchstance Recordings)

Berimbrown2007 feiert Berimbrown 10. Jubiläum: Als Ausweg aus den Elendsvierteln ihrer Heimatstadt Belo Horizonte in Brasilien entdeckten die neun Bandmitglieder 1997 u.a. die Kampftänze Capueira und Maculele. Rasch entwickelten sie daraus ihre mitreißende Bühnenshow, wie sie bis heute das Markenzeichen dieses Kollektivs ist. Rock, Funk und Soul US-amerikanischer Prägung stehen gleich-berechtigt neben den unterschiedlichen Spielarten moderner populärer Musik aus Brasilien. Die Herkunft aus den Favelas hat man bei Berimbrown aber nicht vergessen: In ihren kompromiss-losen Texten bringt man den alltäglichen, harten Überlebenskampf in den Groß-städten Brasiliens zur Sprache und gibt zudem den Jugendlichen mit Workshops und sozialpolitischen Projekten eine Zukunftsperspektive.

Tom Nascimento _ voc, gBerico _ voc, gRonilson _ b, drBuda _ drMarconi _ dr, percAdriano George _ voc, tpLéo Brasilino _ voc, tbDJ A Coisa (The Thing) _ pickups; Master Negoative _ berimbau, perc, voc

Samstag, 26. Mai 2007 Sonntag, 27. Mai 2007

Papa Dee _ vocEverton Sylvester _ vocDesmond Foster _ voc, b, gHanifah Walidah _ voc, compLati Kronlund _ b, g, keybIwan Van Hetten _ keyb, tp, vocYancy Drew Lambert _ dr, vocZiggy Zerang _ soundPhilippe Monrose _ dr, perc

programm mœrs festival 2007 33

Ancient AstronautsTom Strauch und Kabanjak sind das DJ-Team Ancient Astronauts vom Label Switchstance Recordings aus Moers. Diese beiden versierten DJs und Produzenten sind bekannt dafür, jede Tanzfläche im Griff zu haben und zu rocken. Sie zeichnen sich durch eine stilsichere Selektion tanzbarer Perlen aus Raw Funk, Afro, HipHop, Reggae und Modern Dopebeats aus.

Page 34: Moers Festival Magazin 2007

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Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der kein Mensch,

egal ob Muslim oder Christ, Angst haben muss. «

»

(M. P. aus Püttlingen)

EINE INITIATIVE DER

In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Geben Sie uns Ihre Antwort im Internet:

Unabhängig. Nichtkommerziell.

TAM_13736_07_Anzeige_Pazifist_Fe1 1 12.04.2007 13:24:39 Uhr

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Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der kein Mensch,

egal ob Muslim oder Christ, Angst haben muss. «

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(M. P. aus Püttlingen)

EINE INITIATIVE DER

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Page 36: Moers Festival Magazin 2007

36 mœrs festival 2007 programm

concerts in the dark

In Zusammenarbeit mit der Aktion Mensch und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Nachdem 2006 der Saxofonist und Klarinettist Eckard Koltermann die

„concerts in the dark“ verantwortet hat-te, ist in diesem Jahr die Wuppertaler Geigerin Gunda Gottschalk die Kurato-rin für diese dreitägige Konzertreihe im Dunkelzelt. Gottschalk: „Das Dunkelzelt verstehe ich als einen besonderen Ort der Begegnung. Hier kommunizieren Musiker in der freien Improvisation miteinander. Manche von ihnen treffen sich hier im Dunkeln zum ersten Mal. Das Publikum hört live Musik, ohne die Musiker zu sehen. Das Erspüren und Ertasten der Klänge, die Suche und das gegenseitige Finden wird gleicherma-

ßen von Ausübenden wie Rezipienten erfahren. Gibt es hier Momente der Irri-tation, so sind sie gewollt. Denn nur bei Verzicht auf eine vorgefertigte Gewohn-heit kommen wir zu neuer Erfahrung.Ich habe in diesem Jahr an zwei Tagen Musik mit Lichtkunst kombiniert – nicht, um das Moment des Dunkelseins aufzuheben, sondern, um Dunkelheit für sehende Menschen immer wieder neu hervorzurufen. Die Ästhetik der Licht-künstler ermöglicht es den Zuhörenden, visuelle Erfahrung von der Hörerfahrung

Samstag, 26. Mai 2007 Dunkelzelt 16 Uhr – Session: Phil Wachsmann _ vMartin Blume _ drAndrea Keller _ p 19 Uhr – Konzert: Phil Wachsmann _ vMartin Blume _ dr

Sonntag, 27. Mai 2007 Dunkelzelt 16 Uhr – Session: Helios Streichquartett & Eckard Koltermann Quartett 19 Uhr – Konzert: Helios Streichquartett feat. Terry Jenoure _ v Sebastian Gramss _ b Wasiliki Noulesa _ video

Montag, 28. Mai 2007Dunkelzelt / Schloss17 & 19 Uhr – Konzert: Carl Ludwig Hübsch _ tu Michael Vorfeld _ light performance

abzukoppeln und zu einem intensiveren Zu-Hören zu gelangen. Ich hoffe, dass Situationen entstehen, in denen sich Menschen miteinander austauschen können: Vielleicht hat sich ein Passant gerade von dem klingenden Schuhput-zer Marc Rijmenants aus Belgien vor dem Zelt die Schuhe putzen lassen und kommt dabei ins Gespräch über Musik, Wahrnehmung und Weltanschauung.“

Konzeption & Programm: Gunda Gottschalk

Der klingende Schuhputzstuhl

Phil Wachsmann & Martin Blume

Helios Streichquartett

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Während im vergangenen Jahr Musiker aus Beirut, Wien und dem Rheinland bei den morgendlichen Projekten zu Gast waren, ist die Wahl für Pfingsten 2007 auf die Städte Peking, Trondheim und Oslo sowie Köln und Berlin gefallen. In allen nur denkbaren Besetzungen, ergänzt und erweitert durch Kollegen aus dem Hauptpro-gramm (etwa Zhang Jian und Christiaan Virant von FM3 oder die Wiener Musiker von Oral Beats) entstehen Begegnungen, denen die besondere Magie des ersten Zusammentreffens innewohnt.

programm mœrs festival 2007 37

the morning26. Mai, 27. Mai & 28. Mai 2007, 11.00 – 13.00 Uhr, Tribera*

Wu Na _ ghu zheng„8gg“ Fu Yu & Jia Haiqing _ electr, visuals Yan Jun _ electrShenggy _ dr

Eric Schaefer _ drClayton Thomas _ bCarl Ludwig Hübsch _ tuAxel Dörner _ tp Matthias Muche _ tb Sven Hahne _ electr

PekingHintergrund der chinesischen Künstler sind das Label Sub Jam und die Platten-firma Kwan Yin Records (gegründet von Yan Jun), die zusammen in Peking eine innovative Plattform für experimentelle, improvisierende Musiker bilden. Als Pro-jekt „Tie Guan Yin“ (Guan Yin ist in Asien nicht nur der Name des populärsten Bud-dhas, sondern ins Deutsche übersetzt bedeutet „guan“ soviel wie „beobach-ten, sehen“ und „yin“ „Klang, Informati-on“) präsentieren sich die Musiker und Medienkünstler auf dem moers festival in unterschiedlichen Kombinationen als ein „elektro-akustisches Improvisations-ensemble“, mit dem digitale und analoge, abstrakte und musikalische Klänge verschmolzen werden.

Trondheim/OsloDie sechs norwegischen Musiker stammen aus dem Umfeld des Fri Reso-nans Festivals in Trondheim. Sie legen großen Wert auf einen offenen Umgang mit Klängen und lieben anspruchsvolle Strukturen – wie alle norwegischen Musiker. Als Vertreter einer jungen Generation repräsentieren sie zudem eine neue Spielart improvisierter Musik in Norwegen.

Klaus Holm _ as, cl Kim Myhr _ g Martin Taxt _ tuLars Myrvoll _ electrEivind Lønning _ tpEspen Reinertsen _ ts, fl

Köln/BerlinSechs Musiker aus Köln und Berlin stehen für die beiden Kreativzentren der improvisierten Musik in Deutsch-land. Sven Hahne und Matthias Muche verfolgen als Gründer der Kölner FRISCHZELLE vergleichbare interdiszi-plinäre Arbeitsmethoden wie die Gäste aus China und Norwegen. Auch hier kommen Künstler mit unterschiedlichen Hintergründen zusammen und definie-ren neue Ausdrucksmöglichkeiten in der Symbiose von akustischen und elektro-nischen Klangerzeugungen und visueller Kunst.

8gg

Kim Myhr

Matthias Muche

Page 38: Moers Festival Magazin 2007

38 mœrs festival 2007 programm

midnight specials

26. Mai & 27. Mai 200724 Uhr, Schlosstheater Moers

Billie Holiday - Lady Sings The Blues Regie: Urich Greb Musikalische Leitung: Tim Isfort Dramaturgie: Erpho Bell Mit: Eva Müller

Als Mitternachtsspecial zum mœrs festival wird an zwei Abenden die erfolgreiche Inszenierung „Billie Holiday – Lady Sings The Blues“ von Ulrich Greb aufgeführt. Als Jazzsängerin ist Billie Holiday (1915-1959) längst eine Legende, in deren unvergesslicher Stimme sich stets die Essenz des Jazz widerspiegelt. Als Kind mit Armut, Vergewaltigung, Prostitution und Tod konfrontiert, verarbeitet – und ver-drängt – sie später als erwachsene Frau und Künstlerin diese schmerz-haften und schweren Traumata ihrer Kindheit und Jugend – mit ihrer Musik, dem Jazz, aber auch mit Drogen und Alkohol. Die enge Verbindung der Musik mit ihrer Biografie führt sie in ein Leben voller Extreme. „Man hat mir gesagt, dass niemand das Wort ‚Hunger‘ so singt wie ich. Genauso wie das Wort ‚Liebe‘. Vielleicht liegt das daran, dass ich weiß, was diese Worte beinhalten. Vielleicht liegt das daran, dass ich stolz genug bin, mich erinnern zu wollen.“

Eine Produktion des Schlosstheaters Moers

25. Mai, 26. Mai & 27. Mai 2007 24 Uhr, Die Röhre

Denis Gäbel Band & Guests Der in Köln lebende Saxofonist Denis Gäbel brachte im letzten Jahr seine erste CD unter eigenem Namen heraus. „Keep On Rollin’“ ist ein ganz beson-deres, ein sehr persönliches Tribut an einen der ganz großen Helden des Jazz: Sonny Rollins. Mark Soskin (selbst für mehr als 15 Jahre Pianist in Rol-lins’ verschiedenen Bands gewesen) lobt die respektvolle, innovative Art und Weise, wie Denis Gäbel mit der vielgestaltigen Musik des „Saxophone Collossus“ umzugehen versteht. Und Laurence Donohue-Greene vom New Yorker Jazzmagazin All About Jazz schrieb enthusiastisch über „Keep On Rollin’“: „What a fantastic tribute to Sonny Rollins, an a very personal one at that!“ Mit Überraschungsgästen von der Bühne im Festivalzelt.

Wahre Genießer schätzen fassfrischenund vollmundigen Premiumgeschmack. Das ist der feine Unterschied.

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Geschmack macht gerne die Runde.

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Denis Gäbel _ saxPablo Held _ pMatthias Nowak _ bJonas Burgwinkel _ dr

Page 39: Moers Festival Magazin 2007

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40 mœrs festival 2007 magazin

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magazin mœrs festival 2007 41

Improvisierte, aktuelle Musik ist universell. Es gibt sie überall auf der Welt. Und spätestens seit dem vollständigen Einzug des Internet in unseren Alltag wissen alle alles von den anderen - und das in Lichtgeschwindigkeit. Schleusen, Filter, Einschränkungen aller Art existieren nicht mehr. Musik verbreitet sich ungezügelt und ungebremst. Doch leider geschieht dies oft zufällig und ohne erkennbaren Zusammenhang.Dem Anspruch des moers festival, eine Momentaufnahme dessen zu zeigen, was überall auf der Welt an aktueller, improvisierter Musik passiert, möchten wir auch in diesem Magazin in Auszügen gerecht werden. So stellten wir uns die Fragen, welchen Stellenwert improvisierte Musik für das Kulturleben in China besitzt? Was ist los in „down under“? Welche Relevanz hat ein Musikereignis wie das jährlich im Frühling ausgetragene „Festival International de Musique Actuelle de Victoriaville“ für Nordamerika? Es gibt auch „musikalisches“ zu lesen – Anthony Braxton etwa, oder sein Landsmann Steve Coleman.Für das moers festival ist das übrigens nichts Neues, wie man am Schluss dieser Ausgabe nachlesen kann: Schon vor 30 Jahre wurde das, was auf der Bühne und rund um das „Internationale New Jazz Festival Moers“ passierte, im Programmheft reflektiert. So machte sich Dr. Wolfgang Biesterfeld schon 1977 seine Gedanken zum Begriff des „Neuen“. Ein zeitloser Artikel, der nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.

Die Redaktion

Preface

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Anthony Braxton ist wichtiger Bestandteil der Ge-schichte des moers festival. In den fünf Jahren von 1974 bis ’78 war er jedes Mal entweder als Solist oder mit verschiedenen Besetzungen in Moers zu hören: Er ge-hörte zu den Künstlern, die entscheidend den Ruf dieses Festivals als innovative Plattform für improvisierte Musik festigten. Seine „Rückkehr“ nach fast 30 Jahren ist ein besonderes Ereignis.

Foto: Karin Hyzdal von Miserony (1977)

Anthony BraxtonDreifaltigkeit

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„„ Disziplin & Ordnung

Ich glaube, dass die Zeit kommen wird, in der die Bedeutung von Disziplin, Ord-nung und musikalischen Regeln wieder erkannt wird. Das hängt natürlich von den Interessen der einzelnen Individuen ab. Ich selbst bin sehr an Ordnung interessiert, und ich beabsichtige, darin fortzufahren. Ich bin auf der Suche nach der zugrunde liegenden Basis, welche den tieferen Sinn einer gegebenen Sprache oder geordneten Gruppe bestimmt. **

Philosophie & SystemGegenwärtig sind die ersten drei Bücher der „Tri-Axium Writings“, die mein philosophisches System darstel-len, schon erschienen. Ich erwähne dies deshalb, weil ich meine Musik sehr methodisch angegangen bin, und daher bin ich seit etwa fünf Jahren in der Lage, von meinem musikalischen System zu sprechen, also nicht nur von einzelnen Kompositionen. Das heißt, ich betrachte meine Musik als additives musikalisches System, und das bedeu-tet, dass ich die ästhetische Vorstellung habe, all diese Musik sich simultan ereignen zu lassen. ***

Ich wollte also das nehmen, was ich von den Europäern lernte und dies auf die neue Situation anwenden, die sich in den Sechzigern eröffnet hatte: Die Bebop-Strukturen waren so erweitert worden, dass wir uns schließlich bis zur völlig freien Improvisation bewegt hatten. Ich persönlich fand freie Improvisation interessant und auch notwendig, aber sie genügte mir nicht. Warum? Weil mir auffiel, dass, wenn man ohne Noten, ohne Regeln spielt, das schließlich unweigerlich genauso einengend wird wie Bebop oder traditi-onell notierte Musik. ***

Anthony Braxton ist nicht nur Musiker und Komponist. Vielmehr ist er ein Musiktheoretiker und Philosoph, der ein hochkompliziertes und anspruchsvolles System entwickelt hat, das aber kein logisch strukturiertes Regelwerk dar-stellt. Eher beschreibt es einen Raum, der nach allen Seiten offen ist und sich ständig verändert und erneuert.Im Gespräch mit dem Journalisten und Musikwissenschaftler Peter Niklas Wilson erläuterte Braxton sein System. Denn schon damals, 1987, lag es in mehreren Schriften vor – wie beispiels-weise in den rund 1.700 Seiten starken

„Tri-Axium Writings“. Die Arbeiten an diesen Schriften begann Braxton 1973, ein Jahr bevor er zum ersten Mal in Moers auftrat, und sie dauerten bis in die erste Hälfte der 1980er. „Mein Interesse gilt der Welt der Musik und der Dynamik klanglicher Logiken, so wie sie von der Antike bis zur Gegenwart definiert wurden“, stellte Braxton schon vor 20 Jahren fest. Diese „Dynamik klanglicher Logiken“ ermöglicht es, die von ihm entwickelten zwölf Klassen seiner Musik beinahe unendlich oft miteinander zu kombinieren oder gar mit verschieden großen Besetzungen aufzuführen, ohne dass die grundle-genden Prinzipien seiner Musik in Frage gestellt werden.Die folgenden, unkommentierten Zitate aus drei Interviews, die Braxton in den Jahren 1971, ’79 und ’87 gegeben hat, lassen Einblicke in seine (musikästhe-tische) Philosophie zu und zeichnen die Entwicklung nach, die diese Philosophie, aber auch der Musiker und Komponist, der Theoretiker und Mensch Anthony Braxton in diesen 16 Jahren genommen hat. Anschließend wirft Wolf Kamp-mann einen Blick auf Braxtons Werk aus heutiger Sicht – und zeigt, dass Braxton nicht alleine steht: Auch sein elf Jahre jüngerer Landsmann Steve Co-

* Robert Levin, „Anthony Braxton und die dritte Garde des Free Jazz“, in: Jazzpodium, April 1971** Guido Gazzoli, „Anthony Braxton – Ein alternatives Herangehen“, in: Jazz Forum (deutsche Ausgabe), Juni 1979*** Peter Niklas Wilson, „Braxton, der Universalist“, in: Jazzthetik, August 1987

„„

leman, übrigens wie Braxton in Chicago geboren, hat ein musikalisches Systems und eine eigene Sprache entwickelt.

„Neue“ MusikEs gibt keine neue Musik ohne eine neue Realität. Und wenn eine neue Re-alität eingetreten ist, so muss die Musik dieser neuen Realität nicht „neu“, son-dern sinnvoll auf diese Realität bezogen sein. Ich habe mich zur wissenschaft-lichen Untersuchung der Musik ent-schlossen, um die magische Bedeutung und die umgestalteten Möglichkeiten kreativer Techniken zu erkunden. **

Kreativität & GesellschaftWir wissen, wen und was die neue Kunst repräsentiert, wenn sie überall Gehör finden kann. Sie wird zu einer Bedrohung bestehender Werte, sie kann neue Dimensionen schaffen und die Leute dazu bringen, das Bestehende zu verändern. Das ist gefährlich für die, die in einem Wechsel keinen Fortschritt sehen. *

Wenn man über Kreativität spricht, dann spricht man über Menschen. Man muss dahin kommen, dass man die Kreativität eines Menschen anerkennt, ohne gleich Werturteile darüber zu fäl-len. Auch mein Konzept „bedeutender“ Kreativität ist irrelevant. Erstes und letztes Rezeptionskriterium muss sein, die Kreativität einer Person zu akzeptieren. **

Ich sehe mein Schaffen als mit der Kre-ativität der ganzen Erde verbunden. Und wenn ich von globaler Kreativität rede, dann beziehe ich mich darauf, was ich das Kontinuum transafrikanischer Evo-lution nenne, das Kontinuum transeuro-päischer Evolution und das Kontinuum der transasiatischen Evolution. ***

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Auffällig ist Anthony Braxtons Kon-zentration auf kleine und größere Kreisläufe. Der Bandname Circle ist nur ein Beleg dafür. Jede seiner Kompo-sitionen beschreibt einen Kreis und seine künstlerischen Perioden nennt er Zyklus. Sein Gesamtwerk beschreibt jedoch eher einen Puls, bei dem jede Äußerung auf die jeweils nächste hinausläuft. „Gegen 1968/69 fand ich die Komponenten meines Systems. Es reichte nicht aus, mich einfach in die Nachfolge von Ornette Coleman oder Anton Webern zu begeben. Ich schuf einen neuen Satz aus zwölf Bausteinen. Damals wollte ich ein Modell errichten, das meine Einflüsse derart kombinieren würde, dass für mich selbst etwas Relevantes entsteht, etwas, das auf die technologischen Herausforderungen der Zeit reagiert. Ein holistisches Modell, das ich ‚tricentric thought unit offe-ring‘ nenne. Ich wollte verschiedene Vokabularien, Syntaxen, Hieroglyphen, narrative Logiken, Farben, Bewegungen, strukturelle Dynamiken und Symbole in einheitliche Systeme integrieren.“

Glücklich, wer dem Meister hier noch folgen kann. Fast wollte man meinen, er will gar nicht verstanden werden, solange sein System in sich stimmt. Doch dann bezieht er den Hörer in seine Überlegungen ein und langsam beginnt man zu begreifen, worum es ihm geht.

„Zukünftig werden die Hörer nicht mehr in Sesseln sitzen, um Musikern auf der Bühne zuzuhören. Die Separierung von Musik und Mensch wird auslaufen. Dabei können auch virtuelle Erfah-rungen eine Rolle spielen. Events von verschiedenen Plätzen der Welt können verbunden werden. Das Potential der kreativen und evolutionären Verände-rungen ist gewaltig. Die Kräfte, die in diese Richtung arbeiten, sind bislang noch verborgen. In meinem System steht jede Komposition in Verbindung

Anthony Braxton...nicht weniger, als die Welt verändern„

Das Konzept des „Conceptual Grafting“ heißt: Man isoliert Spielstrategien, Logiken, intervallische Logiken, Logiken für gehaltene Klänge, pointilistische Logiken usw. Und davon ausgehend integriere ich diese Materialien in einen breiteren Kontext, den ich nun

„Language Music“ nenne. Dies ist die erste Klasse meiner Musik und liefert das Material für das ganze System. Ich habe mich sehr bemüht, die Entwick-lung meines Werks genau zu dokumen-tieren, denn das Konzept existentieller Freiheit als solche hat mich nie inte-ressiert. Mich interessiert die Freiheit, nach neuen Arten von Kontrolle zu suchen! Das ist also, was es mit „Con-ceptual Grafting“ auf sich hat. Es war der Anfang der Isolation – der Isolation musikalischer Materialien.***

...Logik & MusikJeder Bereich des Universums hat eine bestimmte Logik, eine bestimmte Seinsweise, aber seine umfassendere Bedeutung liegt doch im Zusammen-hang des Ganzen. Und genau das ist, was ich will. Ich möchte eine Mikrokor-respondenz, eine Makrokorrespondenz und eine spirituelle Korrespondenz. Die Dreizahl ist wesentlich für meine Musik.***

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mit jeder anderen und ist von origi-närer Identität. Wenn ich ein Stück für Streichquartett schreibe, kann es auch von jeder anderen Instrumentierung aufgeführt werden. Jede Komponente einer Komposition kann herausgelöst und in einer anderen Komposition untergebracht werden. Ich bin weder an Freiheit noch an Nicht-Freiheit inte-ressiert, sondern daran, Dinge auf der Basis meiner Bedürfnisse des jewei-ligen Moments zu kombinieren. Meine Arbeit war niemals eine Zurückweisung der Tradition, sondern deren Bestäti-gung. Ich habe stets versucht, in meiner Musik Spaß zu haben. Das Bekannte, Unbekannte und Intuitive durchdringen einander. Ich zelebriere das Wunder Eu-ropas im Kontext der Errungenschaften Asiens und Afrikas. Meine Musik ist rational, meditativ und intuitiv im Sinne Hildegard von Bingens.“Seit einigen Jahren erscheint Braxtons Musik zugänglicher als in der Vergan-genheit. Jedoch anders als bei vielen Altjazzern, die im Alter eben jene Widerstände vermeiden, die sie in ihrer Jugend gerade gesucht haben, ist seine

„Ghost Trance Music“ die bewusste Weiterentwicklung seiner vorherigen Konzepte. Auf diesem Weg informierte sich Braxton weder bei den amerika-nischen Improvisatoren noch bei den

europäischen Komponisten, sondern bei den nordamerikanischen Ureinwohnern. Vor etwa zwölf Jahren kam er an den Punkt, an dem er die zwölf Bestandteile seiner Musik überdenken musste. „Ich besuchte Kurse über die Musik der Indianer und begann mich immer mehr für Trance Music zu interessieren. Statt Intellektualismus oder Emotionalismus interessierte mich Spiritualismus als Komponente, die meine Beziehung mit mir selbst und meiner Hoffnung auf eine transzendente Erfahrung vereint. Die Entwicklung der ‚Ghost Trance Mu-sic‘ setzte nach dem Studium der Musik der Indianer ein. Ich studierte persische und afrikanische Trance-Musik sowie gregorianische Choräle. Mein Prototyp ist ein kontinuierliches Statement ohne Anfang und Ende. Eine Melodie, die transtemporal und transidiomatisch ist. Wie bei Bach ist Improvisation die Grundlage jedes Ausdrucks in meiner Musik. Am Ende entsteht eine Musik, die weder improvisiert noch notiert,

aber zugleich beides und in jedem Fall rituell ist.“Braxton geht seit Anbeginn ganz eigene Wege im oft bemühten Koordinatensy-stem von Improvisation und Komposi-tion. Eine Trennung zwischen Improvi-sation und Komposition hat er niemals vorgenommen. Das gelangte ihm nicht nur zum Vorteil. Wenn er sein Bezugssy-stem definiert, klingt er gleichermaßen kampfentschlossen wie verbittert. „30 Jahre lang habe ich darum gekämpft, meine Arbeit aufführen zu können. Damit ist jetzt Schluss. Keine Bettelei mehr. In Amerika wird immer noch be-zweifelt, dass Europa überhaupt einen Anteil am Jazz habe. Die Neokonser-vativen leugnen sogar den Beitrag der Euroamerikaner und wollen den Jazz allein den Afroamerikanern zuschreiben. Ich bin froh, dass es Europa gibt, denn ohne das Interesse der Europäer an meiner Musik hätte ich definitiv keine Laufbahn gehabt. Dennoch ist es so gut wie unmöglich, im europäischen Musikbetrieb als Afroamerikaner Fuß zu fassen. In Amerika muss man sich hingegen den Spielregeln der neokla-sisschen Jazz-Gemeinde beugen. Ich habe kein Interesse daran, alle zehn Jahre mal ein Orchester-Stück in Ame-rika aufführen zu dürfen, wozu dann ein Haufen Leute in schwarzen Anzügen erscheinen. Ich will mit meiner Musik nicht weniger als die Welt verändern. Ein neues Universum schaffen. Ich gebe mich nicht mit einer Position in der hinteren Reihe zufrieden. Deshalb ist es bequemer, mich komplett zu ignorieren.“ Wolf KampmannFotos: Ssirus W. Pakzad

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Über viele Jahre versuchte Steve Coleman, sein Werk, seine Ästhetik und Philosophie mit teils kryptischen Schriften zu erklären. Bis er entdeckte, dass Musik als Sprache ausreicht.

Foto: Ssirus W. Pakzad

Steve ColemannOhne Worte

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Nur wenige Jazzmusiker haben in den letzten 20 Jahren eine so beeindru-ckende künstlerische Kurve beschrieben wie der Saxofonist Steve Coleman. Es scheint noch gar nicht so lange her, da war er der Vorzeige-Hipster der so genannten M-Base-Szene von New York, die den Jazz aus ihrem Daueranta-gonismus zwischen Pop und Avantgarde herauslösen sollte. Coleman war schon immer ein sperriger Typ. Doch im Lauf der Jahre wurde seine Musik nicht nur immer abstrakter, sondern der ideolo-gische, philosophische und esoterische Überbau seiner Kompositionen wurde immer gewaltiger. Er selbst begann lange Pamphlete zu seiner Musik zu verfassen. Jeder Ton, jeder Partikel einer Improvisation, jede musikalische Konstellation wurde Bestandteil einer immergültigen Wahrheit, die uns nor-mal Sterblichen nur in winzigen Dosen offenbart wird. Doch Coleman fühlt sich weniger als Missionar, sondern eher als wortloser Überbringer. „Der generelle Kontext dessen, was ich sage, kann zwar verstanden werden, aber es sind doch hauptsächlich Schwingungen, die von meinem Spiel ausgehen. Vibrationen kann man fühlen, nicht verstehen. Man muss nichts über Ägypten wissen, wenn man ein Gefühl äußern oder verinnerlichen will.“Nun wird Jazz landläufig eher selten als Soundtrack zu den Pyramiden wahr-genommen und über die Improvisati-onsfähigkeit der alten Ägypter wissen wir herzlich wenig. Musikalisch oder verbal – Coleman liebt es, in Orakeln zu sprechen. In seinem unablässig ex-pandierenden System machen sie stets Sinn. Ob sie hingegen die Distanz zum Hörer verkürzen, mag dahingestellt sein. Umso überraschender, dass Coleman seine Musik bei aller Verschlüsselung immer noch als Sprache versteht. „Du kannst dich mit jemandem hinsetzen und über ganz unterschiedliche Dinge unterhalten. Das können große oder kleine Dinge sein. Ein Fußballspiel oder die tiefen Dinge des Lebens. Das

Gespräch entwickelt sich, je nachdem, was du mit dem oder den anderen zu besprechen hast. Woher kommen jedoch deine Gedanken? Dieselbe Frage stellt sich in der Musik. Es ist eine Sprache. Wenn ich das Saxofon ansetze, muss ich nicht mehr über die Sprache nachdenken. Die Gedanken kommen von selbst. Ich muss nicht darüber nachdenken, ob ich Adjektive, Verben oder Nomen benutze. Die Sprache ist nur ein Mittel, um Ideen zu kommunizieren. Die Worte sind eine Reflexion der Ideen. Sie sind einfach da. So ist es mit der Musik. Man übt so lange, bis es natürlich wird. Es ist ein natürlicher Fluss.“Da kommen wir dem Kern schon ein Stück näher. Colemans Denksystem selbst ist Musik. Jede Form der musika-lischen Reduktion verbietet sich, wenn das System selbst immer komplexer wird. Es bedarf keiner Übersetzungen

von Kosmos oder Alltag in Klang. Die Musik bildet sich gewissermaßen selbst ab und erhebt sich über jede Kategorie verbaler oder visueller Kommunikation. „Ich muss nicht umschalten, um in Musik zu denken. Sie ist in jedem einzelnen Moment da. Zu einem Musiker kann ich manchmal eine musikalische Phrase singen, und er wird sofort wissen, was ich meine. Der einzige Unterschied zwischen der verbalen und der musikalischen Sprache besteht darin, dass die zweite wesentlich symbolischer ist. Wenn ich für Menschen spiele, muss ich mir allerdings Gedanken machen, wie ich diese Sprache am besten einsetzen kann, um mich verständlich zu machen. Es war ein langer Prozess, bis ich dahin-ter kam, dass der Hörer die Musik nicht so versteht wie ich. Ich darf den Hörer nicht überfordern. Über dieses Problem denke ich viel mehr nach als über die

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Ideen, die sowieso in mir stecken.“Sicher wäre Steve Coleman ein Pu-blikum lieber, das sich ausschließlich aus Musikern zusammensetzt. Doch er weiß, dass er dieses niemals finden wird. Coleman macht aus der Not eine Tugend und überlässt es letztlich dem Hörer, ob er genervt den Kopf einzieht oder nach eigenen Transfor-mationen für die Musik suchen wird. „Je mehr hinter der Musik steckt, desto schwerer wird es, darüber zu reden. Hinter John Coltranes Musik steckte unheimlich viel, spirituell wie technisch. So technisch, dass man sich besser gar keine Gedanken darum macht. Aber er sprach nicht darüber. Er äußerte sich nur über generelle und spirituelle Dinge, nicht aber über die Spezifika seiner Musik. Manche Musiker sehen die Musik nur als Musik an und weiter nichts, andere versuchen über die Musik zu tieferen Wahrheiten vorzudringen. Mit dem Publikum ist es dasselbe. Dem einen genügt es, ein-fach nur die Musik zu hören, der andere will hinter die Musik dringen. Was ich spiele, wird durch die Erfahrung meines Lebens gefiltert. Oft wird übersehen, dass Musik an sich nicht existiert. Sie wird erst durch die Menschen, die sie hören, existent. Jeder Mensch verän-dert die Musik, weil er sie anders hört. Nichtmal mein Drummer oder Bassist hört die Musik wie ich, auch wenn wir ein gemeinsames Verständnis für die Musik haben. Unsere Erfahrungen überlappen jedoch in einer Weise, dass wir gemeinsam musizieren können. Ich denke nicht, dass jemand meine Musik verstehen muss, weil es gar nicht möglich ist, dass er sie in der gleichen Weise wie ich verstehen kann.“ Wolf Kampmann

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Der New Yorker Club Tonic hat Mitte April schließen müssen – womit die Downtown-Avantgarde-Szene ihr letztes Refugium verloren hat. Doch die Musiker und auch das Publikum nahmen dies nicht einfach hin – mit einem Proteststurm sollten die Verantwort-lichen im Rathaus der Stadt New York wachgerüttelt werden. Ssirus W. Pakzad hat sich in New York umgehört.

Es ist ja nun nicht so, als gebe es in New York keine Jazzclubs. Wer das Stadtmagazin Village Voice durchblät-tert und im Musikteil auf den Seiten mit den Konzertanzeigen hängen bleibt, der hat schnell den Eindruck, dass im Big Apple mehr Jazzclubs als Star-bucks-Filialen existieren. Die Namen, mit denen da geworben wird, lesen sich wie ein halbes Jazzlexikon. Was aber sind das für Läden, die inserieren – oft winzige, unwürdige Joints, in der die Musiker die paar Kröten schlucken müssen, die sie bekommen. Einige der Auftretenden sehen Jobs in solchen Etablissements ganz pragmatisch: als öffentliche Probe. Dann gibt es in Manhattan Restaurants mit Jazz-Live-Musik, in der die Musiker gegen permanentes Geplapper, Gläser- und Geschirrklirren anspielen müssen. Und natürlich sind da die über die Grenzen der Stadt hinaus bekannten Jazzclubs, wie etwa das Village Vanguard oder das Blue Note – die aber scheinen hauptsächlich japanische Touristen durch „cover charge“ und „drink mini-

mum“ das Geld aus der Tasche ziehen zu wollen. Echte New Yorker sind in solchen Läden stets in der Unterzahl. Die Musik, die man in den etablierten Clubs zu hören bekommt, ist fraglos fantastisch, aber sie repräsentiert kaum das, was sich im Jazz unserer Zeit vorwärts bewegt. Wer etwa wissen wollte, welche Strömungen aus dem Jazzunderground kommen, der musste schon in die Lower East Side fahren und das Tonic besuchen.Das kleine flache Haus, das zwischen zwei Gebäuderiesen erstickt zu werden drohte, wurde für einige Jahre der Zufluchtsort für die Avantgarde- und Improvisationsszene, nachdem die Knitting Factory musikalisch einen anderen Kurs gefahren war – ein Zuhause für den, der sich dem Ex-periment verschrieb. Nun hat dieses Forum für musikalische Querdenker dicht gemacht. Die Laden-Miete wurde auf so dreiste Weise erhöht, dass den Pächtern schnell klar wurde, welche Botschaft dahinter steckte: Verpisst euch! Es blieb Ihnen auch gar nichts

New YorkDer Ausverkauf

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anderes übrigens. Wie dem Tonic war es zuvor schon etlichen kleinen Expe-rimental-Theatern und Galerien in der Umgebung ergangen.Die Szene hat die Schließung des Tonic nicht sang- und klanglos hingenommen. Erst gab es ein offizielles Abschiedsfe-stival, dann, am Tag nach der Schlie-ßung, noch ein inoffizielles Konzert. Als die Polizei kam, um das Gebäude zu räumen, weigerten sich der Gitarrist Marc Ribot und die Sängerin Rebecca Moore, das Musizieren einzustellen. Sie wurden in Handschellen abgeführt. Im Mai ist ihr Gerichtstermin. Die Organisation „Take It To The Bridge“ organisierte auf den Stufen des an der Brooklyn Bridge gelegenen Rat-hauses von New York einen Protest und eine Pressekonferenz, die auf die Schließung des Tonic und das große Kultursterben in Manhattan aufmerk-sam machte. Außerdem setzte man eine von bislang über 1.600 Menschen unterschriebene Petition auf, die die Stadt New York auffordert, Kultur-politik nach europäischem Vorbild zu

Jim Black

Michael Blake

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betreiben und bei Schließungen wie der des Tonic adäquate Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.Ein paar exklusive Stimmen zur Schlie-ßung und zum Ende des Tonic. Der Bassist Ben Allison: „Für mich war das Tonic ein Ort, der einen geradezu zum Experimentieren aufforderte. Seine sehr schlichte, fast rustikale Atmosphäre nahm mir den Druck, den ich oft spüre, und ich konnte mir sogar erlauben, hier musikalisch mal zu scheitern – ohne Konsequenzen. Viele Menschen wurden von dem Club angezogen und anders als in anderen New Yorker Läden fand man hier immer viele Musiker im Publikum. Es war einfach ein großartiger Ort um sich anzuhören, was die anderen mu-sikalisch so trieben.“ Trauer auch beim Saxofonisten Michael Blake: „Für mich war das Tonic wie ein zweites Zuhause. Es könnte sein, dass irgendwann in Brooklyn eine Art Tonic aufmacht. New York City war immer ein großartiger Ort für Kultur, aber die vielen kleinen unab-hängigen Läden verschwinden immer mehr und das wird viel von der einzigar-tigen Energie abziehen, wegen der viele Menschen nach New York reisen.“

Blakes Saxofonkollege Dave Binney wird in seinem Statement sehr deut-lich: „Das Tonic war ein vitaler Ort für kreative Musik. Es hat die Rolle der Knitting Factory übernommen, als die kommerziell wurde. Die Schließung ist eine Metapher für das, war derzeit in New York passiert. Sie bringen die Kultur hier um die Ecke, um Luxus- Appartments, Hotels und Banken zu bauen. Das Ironische ist, dass so etwas ohne die geringste Weitsicht geschieht. Die Verantwortlichen kapieren nicht, welche Folgen das Ausmerzen der Kultur hat. Bald wird New York eine Stadt der Reichen sein, die nicht mehr wissen, was sie in ihrer Freizeit mit sich anstellen sollen.“„Es ist schon pervers“, lacht der Schlagzeuger Jim Black. „Erst sind jede Menge Leute in die Lower East Side gezogen, weil es hier noch Kultur gab. Genau diese Menschen aber, die es plötzlich hip fanden, hier zu wohnen,

haben die Mietpreise in die Höhe ge-trieben. Sie sind es letztendlich, die die Kultur, wegen der sie einst hergekom-men sind, vertrieben haben. Die Szene muss jetzt nach Brooklyn ausweichen. Ich finde, wir sollten in Manhattan das Recht haben, einen Laden wie das Amsterdamer Bimhuis zu haben.“ Der Saxofonist Ellery Eskelin merkt an: „Das Tonic war einer der wenigen Clubs, die genug Fassungsvermögen hatten, um gute Gagen zu zahlen. Abgesehen davon hat sich hier eine Szene gebildet, die sich nun über die vielen kleinen Clubs verstreuen wird, die jetzt überall in Brooklyn aufmachen. Ich finde, es sollte eine zentrale Anlaufstelle für Musik wie unsere geben. Ich hoffe, wir schaffen es, einen Ersatz für das Tonic zu finden.“Fotos: Ssirus W. Pakzad

(Eine Petition gegen die Schließung des Tonic

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ist Levasseur lange genug im Festi-val-Geschäft, um die Fragilität solcher Ereignisse, die Notwendigkeit, sich lau-fend weiterzuentwickeln, und die damit verbundenen Risiken zu kennen. Anfangs lernte Levasseur viel von europäischen Festivals, wie etwa dem in Moers, und ließ sich davon inspirieren. „Victoriaville ist ein ständiger ‚Work-in-progress‘“, meint er, „Als ich anfing, wusste ich nicht viel über Musik und musste einen Lernprozess durchlaufen. Unser Festival bekam aber schnell Kontakte zu anderen, vergleichbaren Events weltweit. ,Vando-evre‘ in Nancy, Frankreich, ist eines da-von, oder auch ,Taktlos‘ vom Label Intakt in Zürich. Und dann gab es auch noch das Festival in Moers, bei dem die ganze Downtown-Szene von New York zu hören war. John Zorn etwa, oder Elliott Sharp und Arto Lindsay. Alle kamen sie nach Moers in Europa – zumindest die Musiker, die auch mich interessierten“, erinnert sich Levasseur.Während der vergangenen Jahre ver-änderte sich die Programmgestaltung von Victoriaville – um unterschiedliche Publikumsgruppen zufrieden stellen zu können. Unter den verschiedenen Subkulturen, wie sie in Victoriaville anzutreffen sind und die im Programm berücksichtigt werden wollen, gibt es die elitären Avantgarde-Jazz-Hörer ebenso wie die Fans von Noise, Rock und Elektronik. Und dann auch solche Besucher, deren Musikgeschmack keine Grenzen kennt. Das Aufbrechen und Überschreiten von Stilgrenzen ist nach Levasseur schon immer das Ideal von Victoriaville gewesen: „Das ist über-haupt der Grund, warum es ja auch kein Jazzfestival ist. Wir mussten schon vor 25 Jahren Begriffe wie ,Musique Actu-elle‘ zur Beschreibung benutzen, obwohl sie damals so gut wie unbekannt waren und weder eine richtige Bedeutung oder gar Geschichte hatten. Das Festival kennt keine Grenzen, das ist im Kern die Idee. Manchmal wird man von der Realität eingeholt und muss sich mit den Zuhörern auseinandersetzen, die

Victoriaville Geräusche, Klänge, Emotionen

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val International de Musique Actuelle de Victoriaville“), das von Michel Levasseur 1983 gegründete Festival ist inzwischen längst zu Nordamerikas bekanntestem Ereignis für progressive und kreative Musik geworden. Auf der Liste der Künstler, die in Victoriaville schon mehrfach aufgetreten sind, gibt es so bekannte Namen zu finden wie etwa Anthony Braxton (der nach drei Auftritten in 2003 dieses Jahr zurück-kehrt), John Zorn, Mike Patton, Thurs-ton Moore mit Sonic Youth, Cecil Taylor, Derek Bailey, Merzbow, The Melvins, Keiji Haino oder Diamanda Galas.Kurz vor der 24. Wiederkehr seines Festivals ist Levasseur fast ein wenig über den hohen Stellenwert erschro-cken. „Es ist ein Ereignis, das mich total in Anspruch nimmt. Durch den Erfolg des Festivals wird es immer intensiver. Irgendwann wurde ich richtig abhängig von dieser jährlichen Energiedosis, und deshalb habe ich weiter gemacht. Aber ich bin heute noch erstaunt darüber, dass es uns überhaupt gibt.“ Inzwischen

Victoriaville ist eine trügerisch ruhige Kleinstadt, die in der ländlichen Region Bois Francs der kanadischen Provinz Quebec liegt. Sie ist so weit von Mon-treal entfernt, dass man dort beinahe seine eigenen Gedanken hören könnte. Das Stadtzentrum besteht aus wenigen Häuserblocks, die sich schnell zu Fuß erkunden lassen. Und nach einer kurzen Autofahrt ist man direkt im Reich der Milchfarmen, in einer weiten, offenen Landschaft. Seit 23 Jahren ist dieser friedliche Ort jedes Jahr für einige Tage ein El Dorado für Musikfans, deren Ge-schmack eher zur experimentellen Seite des musikalischen Spektrums neigt. Einmal im Jahr wird dieser idyllische Ort zur Plattform für freie Improvisation, für Avantgarde-Jazz, Avant-Rock, Noise und elektronische Musik (letztere steht im Gegensatz zu den Groove-basierten Elek-tronik-Sounds der modernen Club-Kultur) – also für Musik, die unkonventionell ist.Gleichgültig, ob unter dem einpräg-samen Namen „Victoriaville“ oder der offiziellen Bezeichnung FIMAV („Festi-

KTU, Victoriaville 2006

Seit 1983 ist das „Festival International de Musique Actuelle de Victoriaville“ eines der ambitioniertesten in Nordamerika. Dann kam 2006: Jazz war komplett aus dem Festival im kanadischen Victori-aville verschwunden. Ein gelungenes Experiment? Wohl nicht ganz – denn Michel Levasseur rudert mit seiner diesjährigen Programm-gestaltung zurück, wie er selbstkritisch im Gespräch mit dem US-amerikanischen Journalisten Josef Woodard bekennt. Einblicke in ein Festival im Umbruch.

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ressant zu gestalten. Das sichert zwar nicht unsere Zukunft, aber es bringt in jedem Fall frischen Wind. Musikalisch war das letzte Festival ein großartiges Ereignis: energiegeladen, mit einem jüngeren Publikum und jüngeren Künst-lern auf der Bühne. Andererseits hatten wir weniger Besucher und ein entspre-chendes Defizit. Daran müssen wir arbeiten.“ Als Reaktion auf 2006 hat Levasseur dieses Jahr die Ausgaben zurückgefahren und das Programm wie-der mit Konzerten unter anderem von Braxton, Zorn und der Pianistin Marilyn Crispell jazzbetonter gestaltet.Mit dem Strom der vielen Festival-besucher schwillt jedes Jahr die Bevölkerungszahl von Victoriaville auf ein Vielfaches an. Alle kommen, um nach einem eng gesteckten Zeitplan das Festivalprogramm zu genießen – üblicherweise 24 Konzerte in fünf Tagen an vier oder fünf verschiedenen Spielorten, unter anderem im neuen Hockeystadion mit dem schönen, bezeichnenden Namen „Collisée“. Die Kleinstadtatmosphäre, so Levasseur, „ist verantwortlich für einen großen Teil des Erfolges und Grund dafür, dass das Festival überhaupt existiert: dieses Gemeinschaftsgefühl, die Intimität und die Nähe zwischen Künstlern und dem Publikum. Hier hat man überhaupt die Ruhe, um so verschiedenartige Musik aufzunehmen – im Gegensatz zu lauten Orten wie einer Großstadt, in der man nur abgelenkt werden würde. Man kommt nach Victoriaville, weil die Atmosphäre gut ist und man sich mit anderen austauschen kann. Aber man spricht nicht nur über Musik, sondern auch über Kunst, das Leben und andere Themen. Manchmal ist das Publikum durch das Programm verunsichert oder sogar geschockt – ein Zeichen, wie sehr die Musik bewegt und beschäftigt.“Über die Langlebigkeit seines „Festi-val International de Musique Actuelle de Victoriaville“ ist Levasseur auch heute noch erstaunt. Seinem Festival eilt mittlerweile der Ruf voraus, neue,

jüngere Hörer-Generationen zu errei-chen, die nach akustischen Abenteuern lechzen. „Ich wollte das Festival auf jeden Fall länger als 17 Jahre machen. Derek Bailey machte mit seiner ,Com-pany Week‘ nach 17 Jahren Schluss, bevor ich die Gelegenheit hatte, dieses Festival zu besuchen. Als ich Derek zu diesem Thema fragte, antwortete er, dass er es nicht sein ganzes Leben lang machen wollte und irgendwann einfach damit aufhören musste. Damals gab es Victoriaville schon ungefähr 12 oder 13 Jahre, sodass eines meiner Ziele war, unser Festival auf jeden Fall länger zu machen als 17 Jahre. Dann kam das 20. Jahr, und schon bald steht das 25. an. Ich kann nicht erkennen, was danach kommen wird. Ich möchte dennoch dieses Jubiläum nicht als das Ende betrachten, aber es ist ein weitaus größerer Schritt als 17 oder 20 Jahre... Dennoch muss es irgendwann einmal ein Ende haben. We’ll see.“In einer Zeit, in der die Musikindustrie ständig neue Technologien und Tonträ-ger-Formate entwickelt, ist Live-Musik eines der letzten kulturellen Refugien. „Ich denke, Konzerte werden immer mehr das ‚Real Thing‘“, ist Michel Levasseur überzeugt. „Diese ganze Musik, an die man einfach und umsonst rankommt, beraubt sich doch selbst ihrer Bedeutung, bleibt namen- und gesichtslos. Das ist beunruhigend. Aber was die Live-Musik betrifft, da bin ich optimistisch, weil man wieder dorthin zurückkehrt. Denn wenn man ein Kon-zert von, sagen wir: Merzbow gesehen hat, weiß man, wer Merzbow ist. Das ist keine Musik, die man beim Abwasch hört. Obwohl es zurzeit so aussieht, als sei Musik umsonst und gehöre überall dazu, so ist das Blödsinn! Ich bin über-zeugt davon, dass wir zu dem mensch-lichen Bedürfnis zurückkehren, Musik mit anderen teilen zu wollen – und im direkten Kontakt mit den Musikern auf der Bühne zu erleben.“ Foto: Martin Savoie

nur deshalb kommen, weil sie eine bestimmte Richtung hören möchten. Es ist auch heute noch nicht einfach, das Publikum im Konzert mit den verschie-dene Stilen und Gattungen zu konfron-tieren“, erzählt Levasseur. „Ich weiß nicht warum, aber das Jazz-Publikum ist das schwierigste, das ich kenne. Jazz hat schon seit langem den Ruf, für alle Formen von Musik offen zu sein. Aber während der vergangenen fünf Jahre habe ich festgestellt, dass mir diese Gruppe am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Sie wehren sich gegen elektro-nische und elektro-akustischen Musik ebenso wie gegen ganz leise, fast unhörbare Sounds.“ Er verweist zudem auf die Vielseitigkeit im Programm des „neuen“ Moers‘ als Zeichen dafür, dass die Jazz-Festival-Szene, obwohl sich Victoriaville nur am Rand dieser Szene bewegt, auf die Notwendigkeit rea-giert, sich weiterzuentwickeln und neue Wege zu beschreiten. „Das Ziel meines Festivals besteht darin, neue Künst-ler und neue Trends in der Musik zu entdecken – und das heißt ein ständiger Wandel und Wechsel. Das zwingt uns geradezu, das Publikum auszuwechseln und neue Besuchergruppen anzulocken. Das bedeutet wiederum Stress für die Besucher, beispielsweise Geld für ein Ticket auszugeben, ohne zu wissen, was einen erwartet.“Insofern war das Festival von 2006 ein Experiment, weil sich das Programm sehr weit vom Jazz entfernte – abge-sehen von Acts wie dem Trio Fieldwork mit dem Pianisten Vijay Iyer. Im letzten Jahr öffnete sich Levasseur verstärkt gegenüber Elektronik, Rock und noise-orientierter Musik, unter anderen mit dem norwegischen Duo Femail und dem Sänger Mike Patton, der als „Artist in Residence“ gleich bei drei verschie-denen Konzerten zu hören war. „Letztes Jahr hatten wir ein Festival mit sehr wenigen bekannten Namen, weshalb weniger Besucher kamen“, betont Levasseur. „Ich muss das Programm verbreitern, um es lebendig und inte-

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te Musik sind im kulturellen Leben Aus-traliens gest verankert. Die Grundlagen dafür lassen sich zu den verschiedenen Formationen des Pianisten und Kompo-nisten Paul Grabowsky zurück verfol-gen, aber auch zu Clarion Fracture Zone, die von den drei bedeutenden Musikern und Komponisten Sandy Evans, Tony Gorman und Alister Spence geleitet, später dann aufgelöst wurde, bis hin zu den Jazz- und World-Music-Ensembles Wanderlust und The Catholics (mit Miroslav Bukowsky bzw. Lloyd Swan-ton) und dem Drummer Allan Browne.

Australien

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Weiter WegHafen von Melbourne

The Necks

Australian Art Orchestra

Aus europäischer Sicht ist zeitgenössischer Jazz aus Australien auch heute noch ein weißer Fleck auf der Weltkarte der improvisierten Musik. Aber ein Blick in die Jazz-Szene des fünften Kontinents lohnt. Der Journalist John Clare, der unter anderem für australische Tageszeitungen wie The Sidney Morning Herold und The Sun Herold schreibt, gibt Einblicke in die umtriebige und aktive Szene seiner Heimat in „down under“.

Heute noch, im Zeitalter von Internet und Globalisierung, ist „Entfernung“ ein bestimmender Faktor für Australiens Musikleben. Einen Großteil von zeitge-nössischer Jazz- und Improvisations-musik lässt sich zwar auch hier finden. Aber obwohl Australien nicht die große musikalische Vielfalt vorzuweisen hat wie anderswo, so gibt es dennoch Ent-wicklungen und Strömungen, wie sie sich wohl nur hier in der Distanz zu den Jazzzentren der Welt entfalten können – und die tatsächlich überaus originell und einmalig sind. Das Trio The Necks, in Australien vom Publikum und von den Medien gefei-ert, überzeugt mit einem hypnotisch improvisierten Minimalismus, der kraftvoll klingt und unverwechselbar ist. Eigenschaften, wie sie auch bei Triosk und weiteren Bands des Trompe-ters Phil Slater zu Tage treten. Dessen verschiedene Ensembles spielen über weite Strecken akustisch, setzen aber oft auch Elektronik ein. Die Ergebnisse klingen mit ihrem beständigen, fast or-chestralen An- und Abschwellen frisch und energetisch.Zeitgenössischer Jazz und improvisier-

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der mit seinen zahlreichen Folk- und Weltmusik-Zitaten eindringlich klingt und überzeugend ist. Einen ähnlichen Weg geht die Band Way Out West, bei der Dung Nguyên eine mit vietname-sischem Gestus gespielte, modifizierte E-Gitarre in Kontrast zum kompakten Ensemble-Klang setzt.

In Melbourne zuhause ist die Pianistin und Komponistin Andrea Keller. Deren Arrangements und Improvisationen etwa über Bartoks „Mikrokosmos“ offenbaren eine andere, nicht unwich-tige Inspirationsquelle für die jüngere Generation: die Neue Musik und die der 2. Wiener Schule. Ein anderes Zentrum, in dem mit notierter und improvisierter Musik experimentiert wird, ist Bris-bane. Hier hat sich eine Gruppe junger, virtuoser Musiker als so genannter Artisans Workshop zusammenge-schlossen, aus dem einige Mitglieder in Grabowskys Australian Art Orchestra spielen. Dieses Australian Art Orches-ter verfolgt wiederum das Ziel, eine großorchestrale improvisierte Musik ad hoc auf der Bühne entstehen zu lassen. Ein anderes, wichtiges Orches-ter ist Ten Part Invention, das unter der Leitung von John Pochee stets auf der Suche nach einer spezifisch austra-lischen Musik ist.In Australien hat sich zudem – wie andernorts auf der Welt auch – eine Szene mit jungen Musikern etabliert, die sich mit einer eigenen und beson-deren Form von Improvisationsmusik auseinandersetzt, ohne mit den „klas-sischen“ Gattungen des Jazz etwas zu tun zu haben. Dazu gehören Bands wie Mind/Body Split oder Machine For Making Sense und Künstler wie Rick Rue, Chris Abrahams, Jim Denley, Tim O’Dwyer und Clayton Thomas. Der verantwortet auch das Programm des Festivals „Now Now“, das zusammen mit „What Is Music?“ eine wichtige Plattform für diese neue, grenzüber-schreitende Improvisationsmusik ist. Eine besondere Position in dieser „Jazz

Noch heute aktiv sind die Veteranen Bernie McGann (Altsaxofon) und John Pochee (Schlagzeug), die beide in die freien Bereiche der improvisierten Musik vorstießen, ohne jedoch den Free Jazz eines Ornette Coleman zu kopie-ren (ähnlich wie auch der mittlerweile verstorbene, gebürtige Engländer Joe Harriott). Deren musikalischen Experi-mente bilden heutzutage die Basis für viele australische Musiker der jüngeren Generation. Über McGann äußerte sich Grabowsky geradezu enthusiastisch:

„Ich bin überzeugt, dass Bernie einer der größten Altsaxofonisten aller Zeiten ist.“Auch der überragende, leider nicht mehr aktive Tenorsaxofonist und Komponist Mark Simmonds gehört zu der Gründergeneration des modernen Jazz in Australien. Er leitete eine ganze Reihe von Formationen, mit denen er ein eigenständiges Konzept verfolgte, das zwischen Mainstream und Modern Jazz pendelte und mit einem kraft-vollen und kompakten Ensemble-Sound zu überzeugen wusste. In vielen seiner Bands war Scott Tinkler als Sideman mit seinen erfindungsreichen Linien und seinem energetischen Ton auf der Trompete zu hören. Über Tinkler urteilte Paul Grabowsky vor einer Weile, dass dieser zu „den bedeutendsten zeit-genössischen Trompetern weltweit“ gehören würde. (Obwohl ich das sicherlich nicht objektiv beurteilen kann, so lässt sich dennoch sagen, dass er es mit jedem Trompeter auf der Welt aufnehmen könnte.) Und mit seinem unverwechselbaren, rhythmischen Ansatz kommt auch der Schlagzeuger Simon Barker aus der Talentschmiede um Simmonds, Tinkler und Slater. Für einen wichtigen, aber nur schwer einzuschätzenden Einfluss aus jüngerer Zeit stehen der Saxofonist Julian Lee, der Gitarrist Steve Magnusson und der Pianist und Akkordeonist Stephen Grant (laut anderen Quellen soll er Pia-no und Trompete spielen). Ihr gemein-sames Trio (ohne Schlagzeug) steht für eine besondere Form von Kammer-Jazz,

Non-Jazz“-Szene nimmt der Pianist, Cellist und Komponist Roger Dean ein. Als er vor einigen Jahren von England nach Australien übersiedelte (um dort die „Australien Heart Foundation“ zu leiten), rief er schon bald nach seiner Ankunft das australische Gegenstück zu seiner in England für Furore sor-genden Band Lysys ins Leben, die nun unter dem Namen AustraLysis die Grenzbereiche von Jazz und elektro-nischer Musik erforscht.

In Australien gibt es zwei große Jazz-festivals: das „Melbourne Jazz Festival“ und das „Wangaratta Festival Of Jazz“. Während in Melbourne der Schwer-punkt auf Konzerten mit großen und be-kannten Namen liegt, wie zum Beispiel Wayne Shorter und McCoy Tyner, so ist das „Wangaratta Festival Of Jazz“ auch ein Forum für zeitgenössischen australischen Jazz. Zudem präsentiert man hier Musiker der europäischen und US-amerikanischen Avantgarde

– wie beispielsweise Tomasz Stanko und Oliver Lake. Weitaus kleiner ist das „Jazz Now Festival“, das im Studio des Sydney Opera House stattfindet. Dennoch ist es bedeutend und wichtig für die hiesige improvisierte Musik, wie es jüngst der Drummer Jim Black mit seinen Solo-Impressionen verdeutlicht hat. Die Konzertreihe „Pinnacles“ in Brisbane wiederum ist Plattform für die allerneueste zeitgenössische Szene. Und auch die Konzerte, die jährlich bei Vergabe der Friedman-Jazz-Stipendien in der Oper von Sydney ausgetragen werden, verdeutlichen auf brillante Art und Weise die Eigenständigkeit der improvisierten Musik in Australien.Zum Schluss noch einmal zurück zum Stichwort „Entfernung“. Wenn auslän-dische Musiker zum „Wangaratta Festi-val Of Jazz“ kommen, sind sie anfangs verwirrt und oft auch amüsiert darüber, wie anders wir hier unten leben. Rasch entdecken sie aber die „feinen Unter-schiede“ in unserer Lebensart – und lernen diese dann auch zu schätzen.

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Der Autor dieses Beitrags, Yan Jun, gehört selbst zur Szene impro-visierter Musik in China. Als Künstler bringt er Genre-übergreifende Projekte auf den Weg, als Betreiber eines Labels, Kwan Yin Records, liefert er die Plattform für interessante Veröffentlichungen. Und als Journalist berichtet er über die verschiedenen kreativen Ausprä-gungen der Szene seiner Heimat. Beste Voraussetzungen, um eine spannende Innensicht auf die improvisierte Musik Chinas zu geben.

ChinaBig Noise in China

Während man im Westen stets auf der Suche nach dem Neuen ist, müssen sich chinesische Musiker mit dem begnü-gen, was sie in China vorfinden. Als Wang Fan 1996 das erste chinesische, 40-minütige experimentelle Musikstück „Dharma’s Crossing“ produzierte, war er erst kurz zuvor nach Peking gezogen. Für die Aufnahmen verwendete er einen Walkman, ein Mini-Mikrofon, einen Kassettenrecorder und eine akustische Gitarre, zudem nahm er die Stimme eines Fernseh-Nachrichtensprechers auf. Über seine Soundscapes legte er sich ständig wiederholende Liedtexte, die jedoch niemand verstehen konn-te, weil sie sich wie Zauberformeln anhörten. Was Wang Fan nicht wusste, war, dass seine Arbeitsweise überhaupt nicht neu war, sondern schon andere vor ihm auf ähnliche Art und Weise Musik hergestellt hatten – für ihn bedeutete es aber, ohne großes Budget Musik machen zu können. Mit einem Roland-Synthesizer und einem digitalen Recorder arbeitete er acht Jahre lang und produzierte mit seiner ungewöhn-lichen Kompositionstechnik eine Musik, die in keine der gängigen Stilschubladen passte: So mischte er hunderte von Tönen ineinander, um am Schluss einen einzigen Ton zu bekommen. Als Wang Fan sich mit japanischem No Wave beschäftigte, lag er weit hinter irgend-

Tie Guan Yin Trio (Foto: Zhang Jian)

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die gleiche Hingabe wie für das Malen eines Landschaftsbildes, für dessen Realisierung traditionelle Techniken ebenso erforderlich waren wie die ganz persönliche Haltung, Sichtweise und die Empfindungen des Malers selbst.Nach der Kulturrevolution und dem späteren Wirtschaftsboom haben die meisten Chinesen ihre Fähigkeit zum Improvisieren verloren und wollen sich mit diesem Teil ihrer Geschichte nicht auseinandersetzen. Der Verlust der alten Werte konnte bislang durch den Kapitalismus nicht aufgefangen werden. Auch heute noch steckt China und auch seine Musikszene mitten im Umbruch, weil im Land chaotische Zustände herrschen. Ein schönes Bild für den Zustand unserer improvisier-ten Musik liefert ein Blick auf eine Straßenkreuzung in einer chinesischen Stadt: nicht nur die Verkehrsplaner sind begabte Improvisatoren, sondern auch die Fußgänger.Nach der Öffnung des Landes in den 1980ern wurde auch Jazz gehört, vor allem in Shanghai und in Peking. Hauptsächlich war es weichgespülter Jazz-Pop – zum Beispiel Coco aus Shanghai – oder Bar-Jazz. Experimen-telle Gattungen wie Free Jazz haben sich nie in China durchsetzen können. Der einzige Free-Jazz-Musiker, den ich kenne, ist Li Tieqiao. Als er noch in

China lebte, trat er aber als Rock- und Avantgarde-Musiker auf. 2002 lernte er John Zorn kennen und wanderte kurze Zeit später nach Norwegen aus.

Beats & BytesAuch in China ist eine Szene mit digital erzeugter Musik entstanden. In die elektronischen Settings werden oft auch akustische Klänge und mensch-liche Stimmen eingearbeitet. Das Projekt Tian Guan Yin, 2005 gegrün-det, ist ein Beispiel für diese Szene. Jedesmal, wenn man auf der Bühne zusammenkommt, setzt sich dieses Projekt aus verschiedenen Künstlern zusammen. Mal sind es traditionelle Instrumentalisten, mal Computermu-siker, manche stehen auf Rock’n’Roll, wie etwa der Initiator dieses Projekts (und Autor dieses Artikels). Bislang sind zwei Alben erschienen, die unter dem Namen Tian Guan Yin Duo die Zusammenarbeit zwischen mir und dem Visual-Artist Wu Quan dokumentieren. Mittelpunkt dieser Szene ist FM3 aus Peking. Mit der Software „Ableton Live“, mit traditionellen Instrumenten und mit ihrer legendären, so genannten „Buddha Machine“ hat dieses Duo einen herausragenden Ruf erworben – allerdings als nicht-improvisierende Musiker. Mittlerweile spielen sie auf Gi-tarre, Melodica und Effektgeräten einen

welchen Trends zurück, denn anderswo war man schon längst in andere musi-kalische Bereiche vorgestoßen. Als er dann Noise-Core produzierte, hatte er noch nie etwas von Merzbow oder Joe Colley gehört. Und dass er bis heute weder das britische Ensemble AMM, noch Sun Ra oder die Szene um John Zorn kennt, das dürfte jedem klar sein.

Mit TraditionWang Fan ist ein extremes Beispiel, si-cherlich. Was ich damit zeigen möchte, ist, wie wir hier in China improvisieren und mit Musik experimentieren. Die meisten chinesischen Musiker haben eine Ausbildung. Wenn sie sich dann davon frei gemacht haben, sind ihnen keine Grenzen gesetzt. Improvisieren hat in China durchaus Tradition. Obwohl die alten chinesischen Rechtsgelehrten und Philosophen den jeweiligen Regierungen komplizierte Gesetze und feste moralische Regeln an die Hand gegeben hatten, stand Improvisieren hoch im Kurs. Es wurde aber nicht nur über Musik improvisiert, sondern zum Beispiel auch Gedichte aus dem Stehgreif rezitiert. In der „klassischen“ chinesischen Musik gab es keine Angaben zum Tempo, sodass es ganz der Kreativität des Interpreten überlas-sen blieb, wie er die Stücke aufführte. Improvisieren erforderte im alten China

Yan Jun, Dajuin Yao & Li Jianhong

Wang Fan & FM3 (Foto: Liao Weitang)

Jeff Zhang & Shenggy (Foto: Sister Ray)

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„Neo-Minimal-Abstract-Post-Rock“ (sorry, das ist wahrlich ein „experimen-teller“ Ausdruck).Li Jianhong ist einer der wichtigsten Noise-Acts in China. In Hangzhou leitet er seine Plattenfirma 2Pi Records und organisiert dort das gleichnamige Festival. Klar, dass sich viele auf seinem Label mit Noise- und Sound-Core beschäftigen, dann aber auch in einem chinesischen Sinn zu improvisieren

verstehen. Um mögliche Verbindungen von Noise und Improvisationen geht es auch Junky von Torturing Nurse Shasha Records und der von ihm geleiteten Veranstaltung „Noishanghai“. Für Li Jianhong und Junky gehören Noise und Improvisation zusammen wie Brüder, entstanden aus der Revoltekultur der 1990er in China. Ihre Musik birgt die

Leidenschaft für Zerstörung, Freiheit und Revolution in sich. Weil beide zuvor bereits als Rockmusiker Karriere ge-macht hatten, hat sogar diese radikale Form von Musik in gewisser Weise eine fundierte Grundlange bekommen. Li Jianghong vergleicht die Improvisation mit einer Kampfsportart, über die er in Verbindung zur Natur steht. Geräusche und Lärm in seiner Musik, so Li Jian-hong, stehen für traditionelle Philoso-phie und Okkultismus.

Retro-ImprovGeschichtsbewusstsein ist nicht gleich-zusetzen mit Konservatismus. Wie Dou Wei zum Beispiel. Der ehemalige Rock-Star ist überaus produktiv und hat in den letzten Jahren verschiedene Projekte auf den Weg gebracht, wie etwa Bu Yi Ding (auf Englisch: „Not Always“), Mu Liang Wen Wang und Bu Yi Yang (auf Englisch: „Difference“). Der gelernte Schlagzeuger, der zudem auch traditionelle Instrumente wie Guqin, Zitter und Flöte spielt, produ-ziert mit Bu Yi Ding eine ganz spezielle Mixtur aus Post-Rock und Jazz-Fusion mit ECM-artigen Klangflächen (er selbst beschreibt seine Band in Anlehnung an einen Werbeslogan als „Coca-Cola der Chinesen“). Mit Mu Liang Wen Wang wiederum setzt er Themen-Fragmente zu endlosen Melodieschleifen zusam-men, mit denen er Erinnerung an die alte chinesische Liedkunst wach ruft. Dou Wei ist sicherlich ein retrospekti-ver, in die Vergangenheit schauender Musiker, der mit seinem Jazz auf der Guqin an die Stimmung alter chine-sischer Landschaftsmalereien erinnert. Noch tiefer als Dou Wie ist die Guqin-Lehrerin Wu Na in der chinesischen Tradition verwurzelt. Für sie bedeuten ihre langen melodischen Stücke eine Rückbesinnung auf die Traditionen des alten China.

„Ethnische Musik“2002 hat der kasachische Musiker Mamur in Peking die Band IZ gegründet. Der Gitarrenmeister und Dömbra-Vir-tuose hat viele junge Musiker verschie-dener ethnischer Bevölkerungsgruppen in China beeinflusst. Man unterscheidet sich vollkommen von den üblichen und sehr beliebten Restaurantbands, weil in dieser herausragende Instrumentalisten spielen. Yeerboli zum Beispiel trat beim „NO+CH“ Festival auf und improvisierte dort zusammen mit Elektromusikern und Jazzern aus Skandinavien. Huan Qing aus Dali ist ein Experimentalmusiker, der sich seit 2000 mit der Erforschung von Volksmusik beschäftigt und auf exo-tischen Instrumenten fremdartige Klänge erzeugt. Vor kurzem erschien auf seinem Label Ao Tu eine bemerkenswerte CD: Eine Live-Aufnahme mit ihm und dem französischen Elektro-Musiker und „Field Recording“-Produzenten Laurent Jean-neau, eingespielt auf dem alten Turm von Dali. Und Xiaohe, Sänger der Band The Glamorous Pharmacy, hat kürzlich eine Fake-Folk-Band gegründet, mit der er stellenweise improvisierte Musik spielt und in die er drei Peking-Oper-Schlagzeu-ger integriert.Die Szene in China ist gespalten. Einige erzeugen improvisierte Musik aus-schließlich mit digitalen Mitteln – etwa 8GG und Yang Tao aus Peking, Lin Zhi-ying und Zhong Minjie aus Guangzhou, Wang Chuangcun aus Shanghai, Jimu und Vavanond aus Hangzhou. Andere wiederum stehen mit ihrer Musik ganz in der Vergangenheit, haben sozusagen den Duft der Erde neu entdeckt. Beide Seiten gehen auf Distanz zueinander, aber auch auf Distanz zum Alltag in Chi-na. Das Improvisieren hilft in einem Land zu überleben, das auch heute noch nach abstrakten Gesetzen regiert wird. Aber beide Szenen sind klein und wirken nur im Underground. Der Grund? In einem Staat, der mit Baustellen übersäht ist und bei dem die Umsiedlung ganzer Dör-fer und Städte zur Tagesordnung gehört, könnte kein Derek Bailey leben.

Doui Wei (Foto: Wang Xiaoxi)

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Wer zum moers festival fährt, der gibt sich – insbesondere seit Reiner Michalke 2006 die Programmleitung übernommen hat – einer jazzmusikalischen Völlerei hin: Hauptprogramm, Matineen, Kon-zerte im Dunkelzelt etc. – und dann auch noch eine eigene lokale Radiowelle rund um die Uhr! Der Westdeutsche Rundfunk setzt aber 2007 noch eins drauf. Nicht nur, dass er Logistik und Technik für das moers festival radio stellt. Vielmehr sendet WDR 3 zehn Stunden lang aus Moers – und über Moers hinaus.Zum ersten Male fährt die erfolgreiche und bewährte Partnerschaft der WDR-Jazznächte mit den österreichischen Kollegen von Ö1 auf zwei Gleisen. Nicht mehr nur ausschließlich von einem Ort aus NRW und Österreich wird gefunkt (oder umgekehrt) – nein, diese Nacht auf Pfingstsonntag lebt von zwei parallel ausgetragenen Festivals, die sich vom Programm bestens ergänzen, atmo-sphärisch aber kaum unterschiedlicher sein könnten: das moers festival und das INNtöne Jazzfestival in Diersbach, Oberösterreich, in der Nähe von Passau.Paul Zauner, Posaunist, Labelchef und

Seit 2006 werden in Kooperation zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten des WDR und ORF die Jazznächte gesendet. In der Nacht von Pfingstsamstag auf -sonntag kommt es nun zu einer besonderen Premiere: Live und als Aufzeichnungen schickt man die Programme des moers festival und der INNtöne in den Äther – in Nordrhein-Westfalen und in Österreich.

Bauernbub veranstaltet die INNtöne heuer zum 22. Male, in der großen Scheune auf dem Gehöft der Familie, eingebettet in die sanfte Hügelland-schaft des Innviertels. Der Pegel der Jazzleidenschaft schlägt dort ebenso hoch wie im flachen Moers, aber die Energiezufuhr ist gänzlich anders: hier Falafel und Döner, dort Schnitzel und Brathendl, ausgegeben von Mutter Zauner und Helferinnen.Diese WDR 3/Ö1 Jazznacht bringt die beiden Festivals im Stile einer Konfe-renzschaltung zusammen. Um 20.05 Uhr melden sich Michael Rüsenberg aus Moers, Herbert Uhlir und Karsten Mützelfeldt aus Diersbach mit jeweils kurzen musikalischen Appetithappen und atmosphärischen Schilderungen der beiden Festivals. Um 21 Uhr schließt sich der erste große Live-Block an: das Anthony Braxton Sextet +1 vom moers festival. Mit Braxton kehrt einer jener Helden an den Niederrhein zurück, die in den 1970er-Jahren dank mehrfacher Präsenz den Ruf dieses Festivals ent-schieden mitbegründet haben. Ihm folgt um 22.05 Uhr in einer Live-Schaltung

von den INNtönen ein Duo mit beson-derem Esprit-Faktor: der französische Bassklarinettist Michel Portal und der franko-amerikanische Pianist Jacky Ter-rasson. In der Stunde vor Mitternacht schickt Moers das nächste Ensemble aus New York in den Äther: Steven Bernstein und sein quicklebendiges Millennial Territory Orchestra.Nach den 0.05-Nachrichten bestücken WDR 3 und Ö1 die Nacht mit Aufzeich-nungen und Mittschnitten der jeweils ersten Festivaltage: die INNtöne zu den geraden Stunden (voraussichtlich mit dem Ensemble um den US-Sänger Dwight Trible und das multinationale Quartett des österreichischen Trompe-ters Daniel Nösig). Moers folgt in den ungeraden Stunden – unter anderem mit Sharon Jones & The Dap Kings aus New York und der Sängerin Eldbjørg Raknes aus Norwegen. Premieren über Premieren also... Die letzte Sendestun-de teilen sich wiederum beide Festivals mit kurzen Aufzeichnungen.Fotos: Klaffenböck (INNtöne 2006), Oliver Heisch (moers fe-stival 2006)

Michel Godard, INNtöne 2006

Inhabitants, moers festival 2006

RadioDie Nacht der Jazz Festivals

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Das moers festival schaut zurück auf die eigene Geschich-te? Es ist spannend, in den alten Festivalprogrammen Parallelen zu Heute zu entdecken und zu prüfen, ob man sich schon da-mals der Bedeutung des „Inter-nationalen New Jazz Festivals Moers“ bewusst war. Wir holen jedenfalls die alten Programm-hefte aus dem Archiv, um mit dem 1977er-Jahrgang beginnend Auszüge daraus wieder zu ver-öffentlichen – „moers revisited“ wird in den kommenden Festival-magazin-Ausgaben fortgesetzt.

Anspruch und Verpflichtung – Gedanken zum Begriff des „Neuen“Wenn wir von einer Sache sagen, sie sei „neu“, meinen wir damit etwas noch nicht da Ge-wesenes, bisher Unbekanntes. „Neu“ kann dabei in Polarität zu alt, überholt, unbrauchbar, abgenutzt stehen und das Junge, Zeitgemäße, Unverbrauchte, Moderne bezeichnen. Das Neue tritt an die Stelle eines anderen und möchte gemeinhin als das Bessere erscheinen.Das Etikett „neu“ kann verschiedene Wirkungen haben: Es erregt Interesse, zwingt zur Auseinandersetzung, weckt Hoffnung, weckt schlicht Kauflust. Man muss in der Einschät-zung dieses Etiketts sehr wohl unterscheiden zwischen einer neuen Fernsehansagerin, einer neuen Philosophie, einem neuen Medikament oder einer neuen Zigarettenmarke. Dasselbe Etikett kann von der Mühe dispensieren, vorhandene unbequeme, unverarbeitete oder unverstandene Phänomene verständlich einzuordnen; wer in unseren großen Lexika sieht, wie viele Stichwörter sich zwischen Neoabsolutismus und Neozoikum pferchen lassen, vermisst oft eine befriedigende Auskunft über das, was hinter den Stichwörtern steht.In Weiterbildung und Wortkombinationen der Alltagssprachen ist der Bestandteil „neu“ häu-fig anzutreffen: Prägungen wie Neuigkeit, Neugier und Neuwert sind gängig, die redens-artlichen Wendungen vom „neue Wege gehen“ und dem „neuen Wein in alten Schläuchen“ erscheinen vertraut. Ein fester Begriff im Zusammenhang mit „neu“ liegt vor etwa in „Neue Welt“, und dieser ist bereits viel mehr als eine geographische Bezeichnung früherer Zeiten für Amerika, er beinhaltet Hoffnung auf totalen Neubeginn und unbegrenzte Möglich-keiten. Das „Neue“, wenn man es erst genug prüft und das Umgangssprachliche beiseite lässt, ist immerhin eine philosophische Kategorie, die man im Fremdwort als das „Novum“ zu fixieren sich gewöhnt hat.Ihre Wegbereitung wird bereits in Religion und Theologie erfahren. Im Neuen Testament, vor allem bei Paulus, hören wir vom „neuen Menschen“, es ist die Rede vom kompromiss-losen Anfang und von gänzlicher Absetzung vom Vorherigen und Überkommenen, und der Stifter des Christentums konnte sagen: „Ich mache alles neu.“ Später ist das Novum

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6. Internationales New Jazz Festival Moers 1977

Programmheft 1977

moers revisited

Nachdem schon in den Jahren zwischen 1972 und ’76 Programmhefte das „In-ternationale New Jazz Festival Moers“

begleitetet hatten, gab es in der ’77er-Ausgabe eine entscheidende Neuerung. Wurden in den vorangegangen Heften die auftretenden Bands mit Besetzungen – wenn überhaupt – und Terminen aufgelistet, allenfalls unterbrochen durch Zitate und Bilder von Musikern, so fand sich im Programmheft von 1977 ein: Vor-wort. Doch dieses Vorwort war anders, als man es erwarten konnte. Hier gab es nicht nur Lobreden auf das Festival-Programm oder das organisatorische Umfeld, keine Bitten oder Aufrufe an das Publikum. Vielmehr schrieb Dr. Wolfgang Biesterfeld, promovierter Literaturwis-senschaftler, der später am Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien in Kiel lehrte, einen Essay zum Begriff

des „Neuen“. Unter anderem stellte er Bezüge her zwischen dem „New Jazz“ im Festivalnamen und zeitgenössischen, aber nicht nur musikalischen Kunstströ-mungen. „Anspruch und Verpflichtung“, so die Überschrift, gegenüber dem Neuen waren schon vor 30 Jahren für ein ambitioniertes Musikfestival wie das in Moers maßgeblich, um inhaltlich kompetent und darüber hinaus gesell-schaftlich relevant zu sein. Übrigens war Dr. Wolfgang Biesterfeld nicht nur Autor im Programmheft: 1978 stand er beim „7. Internationalen New Jazz Festival Mo-ers“ selbst auf der Bühne – als Saxofo-nist und Klarinettist der Band Blasverbot, unter anderem mit Christoph Eidens am Vibrafon.

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ein Element der linearen Geschichtsphilosophie, speziell der revolutionären Utopie; das Neue bezieht sich hier auf die neue Gesellschaft. Unter den zeitgenössischen Denkern ist es besonders Ernst Bloch, der das Neue im Zusammenhang mit dem Reizwort „Front“ und „Ultimum“ zur Kategorie erhebt und ihm in seinem Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ einen elementären Platz zuweist.Eine weitergehende Betrachtung des Begriffs „neu“ kommt nicht an der Feststellung vorbei, dass, weil jede Epoche etwas als neu empfinden mag, dieses Neue von der jeweils nachfol-genden Epoche in seinem Neuigkeitscharakter relativiert werden kann. Gerade im Bereich der ästhetischen Disziplinen stellt sich die Frage, mit welchem Recht sich eine Kunst als neu bezeichnen darf und ob es auch in Zukunft neue Kunst geben wird. Die meisten ästhe-tischen Disziplinen haben sich doch in einer oder mehreren Stationen ihrer Geschichte als wesenhaft neu verstanden; der Begriff „Neue Welle“ beispielsweise im 20. Jahrhundert ist gleichermaßen als „nouvelle vague“ im französischen Film wie als „new wave“ in der ameri-kanischen Science Fiction anzutreffen. Was also ist das Neue an einer neuen Kunst, und wie steht es hier mit der Musik, mit dem New Jazz? Machen hier lediglich neues Material, neue Werkzeuge, neue Techniken und neue Thematiken das Neue aus?Auf diese komplexe Frage sind so verschiedene Antworten denkbar, dass wir nur zwei sehr prinzipielle zu geben wagen.1. Es ist in der Tat auf den ersten Blick unendlich schwer, Neues und immer wieder Neues zu produzieren. Die Schöpfer des Neuen müssen jedoch keineswegs über der Lust am Hinzugewonnenen die Verfügbarkeit der Tradition vergessen: Eine ständige Anwesen-heit der Totalität des Bisherigen gibt neuer Musik ein unerschöpfliches Materialreservoir an die Hand, und das Neue kann sich in immer neuen Kombinationen dieses Materials bezeugen. Neue Musik und New Jazz können so immer ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten bleiben und auch in Zukunft das Etikett „neu“ tragen, ohne sich als das „Neuste“ zu bezeichnen, was in die Nähe des Marktschreierischen geriete und nicht ernstgenommen werden müsste.2. Die unbegrenzten Möglichkeiten aber müssen ausgeschöpft werden, denn der Künstler, der das Etikett des Neuen für sich beansprucht, ist seinerseits dem Neuen als Prinzip gegenüber verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht darin, auf der ständigen Suche nach der Alternative zu sein, sie bewegt sich zwischen den Polen der Denkbarkeit und der Machbarkeit, sie muss eine Affinität zum Utopischen haben.Dieses Wort impliziert wiederum soviel an Gesellschaftsbezogenheit, dass das Problem des Verhältnisses von neuer Musik und neuer Gesellschaft unabweisbar thematisch wird. Sol-len wir in diesem Verhältnis die Rolle der Musik dogmatisch als Wiederspiegelung, neutral als Korrespondenz, oder mit utopischem Bewusstsein als Fanal und Vorschein verstehen? Theodor W. Adorno hat in seiner „Ästhetischen Theorie“ dieses Verhältnis in hervor-ragender Weise zur Sprache gebracht, indem er Probleme der Gesellschaft gerade im musikalischen Bild verständlich zu machen sucht: „Das Verhältnis zum Neuen hat sein Modell an dem Kind, das auf dem Klavier nach einem noch nie gehörten, unberührten Akkord tastet. Aber es gab den Akkord immer schon, die Möglichkeiten der Kombination sind beschränkt, eigentlich steckt alles schon in der Klaviatur.“Wenn man auch jedes Zitat verschieden auslegen kann, ist in diesem zumindest enthal-ten, dass es nur eine Frage der Kombination von Vorgegebenem ist, deren es bedarf, um neue Kunst und neue Gesellschaft ins Leben zu rufen. Wie stehen die, die neue Musik produzieren zu diesem Problem? Wie weit ist ihnen eine solcher Zusammenhang gegen-wärtig oder gar Anliegen? Einer von ihnen, vielleicht der bedeutendste, sagte nur: „Come and listen“, und wir dürfen uns fragen, ob er damit meinte: „Hört’s euch doch mal an“, oder: „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“

Dr. Wolfgang Biesterfeld (1977)

28. 05.1977Yosuke Yamashita Trio (Japan)

Yosuke Yamashita, p / Akira Sakato, reeds / Shota Koyama, dr

Guido Mazzon Quartet (Italy)

Guido Mazzon, tp / Renato Geremia, reeds / Roberto Bellatella, b / Tony Rusconi, dr

Portal - Dudek - Haurand - Cour-bois (France/BRD/NL)

Michel Portal, cl, bcl, acc / Gerd Dudek, reeds / Ali Haurand, b / Pierre Cour-bois, dr

Re-Percussion (USA/BRD/Suisse)

Barry Altschul, dr, perc / Detlef Schoe-nenberg, dr, perc / Reto Weber, dr, perc

Sam Rivers Trio (USA)

Sam Rivers, reeds / Joe Daily, tu / Bobby Battle, dr, perc

The World Saxophone Quartet (USA)

Julius Hemphill, as / David Murray, ts / Oliver Lake, as / Hamiet Bluiet, bs

29. 05.1977Blasverbot (BRD)

Achim Niemann, reeds, fl / Daniel Jakobs, dr / Klaus Dusek, b / Christoph Eidens, p

George Lewis Solo (USA)George Lewis, tb

Anthony Braxton Quintet (USA)Anthony Braxton, reeds / Muhal Richard Abrams, p / George Lewis, tb / Dave Holland, b / Barry Altschul, dr

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Christmann - Schoenenberg - Duo (BRD)

Günter Christmann, tb / Detlef Schoe-nenberg, dr, perc

Air (USA)

Henry Threadgill, as, fl / Fred Hopkins, b / Steve McCall, dr, perc

Paul Ruthertord - Barry Guy - Duo (England)

Paul Rutherford, tb / Barry Guy, b

Art Ensemble of Chicago (USA)

Lester Bowie, tp, perc / Joseph Jarman, reeds, perc / Roscoe Mitchell, reeds, perc / Malachi Favours, b, perc / Don Moye, dr, perc

30.05.1977Robert Schumann Quartett (BRD)

Plays Compositions of Anthony Braxton

Charles Tyler Quartet (USA)

Charles Tyler, bs / Earl Cross, tp / Ron-ny Boykins, b / Steve Reid, dr, perc

Lovens - Lytton - Sextet (GB/BRD/USA)

Kenny Wheeler, tp / Evan Parker, reeds / Paul Rutherford, tb / Dave Holland, b / Paul Lovens, dr, perc / Paul Lytton, dr, perc

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Page 65: Moers Festival Magazin 2007

Muhal Richard Abrams - Malachi Favours – Duo (USA)

Muhal Richard Abrams, p / Malachi Favours, b

David Friedmann & Double Image (USA)

David Friedmann, vib / David Samuels, marimbaphone / Harvie Swartz, b / Mike de Pasqua, dr

Oliver Lake Quartet (USA)

Oliver Lake, as / Gregory Jackson, g / Fred Hopkins, b / Paul Maddox aka Pheroen AK Laaf, dr

Braxton - Jarman - Mitchel (USA)

Anthony Braxton, reeds / Joseph Jar-man, reeds / Roscoe Mitchel, reeds

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Page 66: Moers Festival Magazin 2007

Marketing: Oberhaus Kulturmanagement,Karl Martin Wagner, Carlo HohmannWebmaster: Olaf KluckCorporate Design: Boros GmbH Agentur für KommunikationModeration Festivalzelt: Odilo Clausnitzer, Simonetta DibbernFestivalmotiv (Bild & Ton): Jutta Koethermoers festival-Radio: Johanna Bächer (Chefredaktion), Diana Arapovic, Nina Fiedler, Dietmar Horn, Keno Mescher, Florian Stein, Bernhard Osinski, Michael Poetters (Sendetechnik)Podcasts: Sven Meurer, Cornelius KämmerlingMusikerbetreuung: Jana Heinlein, Jonna GrimsteinKassenleitung: Alexandra KinneProduktionsleitung: Gerhard VeeckTechnische Leitung: Rainer KnaufStage Management: Ed GreerTechnisches Team: Ralf Wolters (Toninge-nieur FOH), Mark Buss (Toningenieur MON),

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Sebastian Wendt & Björn Wiesehöfer (Mikro-fonie), Oliver Müller (Stage), Joerg Schuchardt (Lichtdesigner/Operator), Martin Gottschall (Videoingenieur), Frank Kasper (Soundsystem Ingenieur), Dirk Peters (Technik Dunkelzelt), Stefan Hartmann-Firnich (Pianotechnik)

FestivalmagazinRedaktion: Martin Laurentius, Reiner Michalke Autoren: John Clare, Henrik Drüner, Martin Gansinger, Yan Jun, Wolf Kampmann, Reinhard Köchl, Uli Lemke, Eric Mandel, Ssirus W. Pakzad, Josef WoodardFotografen: Agenturen, Anja Elmine Basma, Ziga Koritnik, Christian Nielinger, Dulce PinzonÜbersetzung: Elmar Lamers (Englisch/Deutsch), Gao Yi & Wang Ning (Chinesisch/Deutsch)Titelbild: Jutta KoetherGrafik: Birte BernsProduktion: Agentur Berns www.agenturberns.de Auflage: 5.000

moers-festival-RadioNach dem erfolgreichen Einstand in 2006 gibt es auch diesmal wieder ein moers-festival-Radio. Im ganzen Moerser Stadtgebiet lässt sich über die UKW-Frequenz 93,7 MHz das komplette Programm mitverfolgen – entweder stationär am Radiogerät zuhause oder in der Kneipe, oder mobil mit den eigens auf dem Festivalgelände für drei Euro zu bekommenden Mini-Radios. Eine eigene Festival-Radioredaktion bringt zusätzlich Interviews mit vielen Musikern, die in diesem Jahr in Moers zu hören sind, und liefert zahlreiche News und Infos rund um das moers festival 07 – dank der Technik des Westdeutschen Rundfunks in bester Klangqualität.

AdressenFestivalzelt: Freizeitpark MoersHotel Van der Falk: Krefelder Str. 169Dunkelzelt (gegenüber dem Schlosstheater): Kastell 6Schlosstheater Moers: Kastell 6Kantine im Neuen Rathaus: Eingang über KastellDie Röhre: Weygoldstr. 10*Tribera (Triangle below Rathaus): Kantine im Neuen Rathaus, Schlosstheater Moers, Dunkelzelt

Eintrittspreise Festivalticket:€ 68,- Vorverkauf 1 € 78,- TageskasseTagesticket: € 32,- Vorverkauf 1 € 32,- TageskasseJugendliche: 2 Festivalticket: € 32,- TageskasseTagesticket: € 16,- Tageskasse Tickets „the night“:€ 12,- / € 6,- 2 1 Vorverkauf zzgl. Vorverkaufsgebühren2 Jugendliche bis einschließlich 21 Jahre (nur an der Tages/Abendkasse am jewei-ligen Spielort mit Lichtbildausweis)Vorverkauf:Tickets gibt es an allen bekannten Vvk-Stellen, Online-Bestellung: www.moersfestival.info „Tickets“Wichtiger Hinweis: Festival- und Tagesticket berechtigen zum kostenlosen Eintritt zu „the morning“ und zu den „concerts in the dark“. Festivaltickets berechtigen zusätzlich zum kostenlosen Eintritt zu „the night“, „midnight spezial I & II“ („Billie Holiday“: begrenzte Platzan-zahl – first come, first served) und in das Freibad „Solimare.

Impressum Festival Moers Kultur GmbHMeerstr. 2, 47441 MoersTelefon: +49 (0) 2841 / 20 11 18Fax: +49 (0) 2841 / 20 18 74E-Mail: [email protected] Web: www.moers-festival.deGeschäftsführung: Ralf WorgulVorsitzende des Aufsichtsrats: Carmen WeistStellv. Vors. des Aufsichtsrats: Stefan DollVorsitzender des Beirats: Christoph Melzer moers festival-TeamKünstl. Leitung: Reiner MichalkeKuratorin „concerts in the dark“: Gunda GottschalkFestivalbüro: Sabine Lange, Agnes Psykala, Sandra Baetzel, Marina SpeckampArtist Relation: Anandita SchinharlPublic Relation: Kornelia Vossebein, Doro Zauner

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Wir bedanken uns bei der Firma Union Getränke, dem Autohaus Minrath, dem Hotel Van der Valk und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband für Ihre freundliche Unterstützung

Die Träger / Principal Patrons:

Die Partner / Partners:

Die Förderer und Medienpartner / Funders and Media Partners:

Kulturpartner

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www.moers-festival.de

Schutzgebühr: EUR 3.-

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