15
Email: [email protected] Department of Political and Social Sciences, European University Institute, Florence 1 Konzepte und Operationalisierung des sozio-ökonomischen Status für die Untersuchung gesundheitlicher Ungleichheit Rasmus Hoffmann, Hannes Kröger

Konzepte und Operationalisierung des sozio · PDF fileTraditionelle Konzepte zur hierarchischen Einteilung von Bevölkerungsgruppen: • Klasse: zumeist (z.B. von Marx, Weber, Wright

Embed Size (px)

Citation preview

Email: [email protected]

Department of Political and Social Sciences, European University Institute, Florence

1

Konzepte und Operationalisierung

des sozio-ökonomischen Status

für die Untersuchung gesundheitlicher Ungleichheit

Rasmus Hoffmann, Hannes Kröger

I. Wichtige Konzepte, Traditionen und Diskussionen

II. Dimensionalität und Ebenen

III. Kausalität, Mechanismen

IV. Lebenslaufperspektive

V. Schlussfolgerungen

2

Struktur des Vortrags:

Traditionelle Konzepte zur hierarchischen Einteilung von Bevölkerungsgruppen:

• Klasse: zumeist (z.B. von Marx, Weber, Wright oder Goldthorpe) beschrieben als Beziehungen von Macht und Kontrolle in der Arbeitswelt, also z.B. Unternehmer, leitender Angestellter oder Arbeiter

• Status: Hierarchie von Prestige, Ansehen in der Gesellschaft (=Weber’s Stand)• materieller Wohlstand • Bildung

relational/theoretisch besser als attributiv/empirisch?

Ab 1950 wurde Beruf als Indikator benutzt, für Klasse (UK) oder für Status (USA)

Ab 1960 (USA) Schwierigkeit, das Prestige von Berufsgruppen zu ermitteln, dadurch gemindert, dass Einkommen und Bildung als probabilistische Indikatoren benutzt wurden

Ab 1970 (USA) Bildung und Einkommen werden als eigene wichtige Faktoren erkannt

Der Begriff Status wurde beibehalten, während Europäische Forscher teilweise den Begriff Position vorziehen.

3

Einleitung

Sozioökonomischer Status (SES) oder

Sozioökonomische Position (SEP)?

4

• Bourdieu: ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital (Bildung), soziales Kapital, symbolisches Kapital (Prestige) als Dimensionen des Raumes sozialer Positionen, in dem Klassen sichtbar werden.

• Hradil: materieller Wohlstand, Macht, Prestige und Bildung sind Dimensionen sozialer Ungleichheit und die relative Position eines Menschen in dem Gefüge dieser Dimensionen ist der Status.

a) Ist Klasse oder Status wichtiger für Gesundheit?

b) Sind relationale oder attributive Ungleichheiten wichtiger?

c) Ist Bildung oder Beruf wichtiger?

d) Führen beide ohnehin zu materiellem Wohlstand, der für Gesundheit am wichtigsten ist?

a) eine latente Variable?(mit Indikatoren)

5

Konzeptionen von SES

b) mehrere Dimensionen?

c) verschiedene Ressourcen?(keine Indikatoren)

6

Ein mögliches Konzept

SES

EinkommenBeruf

Bildung

Die Gesundheitseffekte einer SES Variable in einer empirischen Analyse sind immer beides:1. (unzureichender) Indikator für die Gesamtbedeutung des Konstruktes SES2. (gutes) Maß für die spezifische Wirkung eines Faktors auf Gesundheit.

Individualebene?

Haushalt/Familie?

Stadtviertel?

Mehrebenmodelle

Soziale Ursachen sind per Definition überindividuell,

aber die biologischen Folgen im Körper sind nicht sozial.

7

Ebene der Wirkung und Messung von SES

Kausalität fast immer relevant

Übergang von Beschreibung zur Erklärung fließend, z.B. wenn gesundheitliche Ungleichheit verglichen werden soll zwischen Geschlechtern, Ländern, Perioden, Altersgruppen etc.

8

Kausalität

9

Kausalität zwischen SES Dimensionen

1. Risiko-cluster, in dem Effekte durch Kontrolle anderer Effekte isoliert werden2. Risikopfade mit direkten und indirekten Effekten (Singh-Manoux et al 2002)

Bildung wirkt z.B. durch

- das Wissen über Gesundheit und Risikofaktoren

- die Fähigkeit zum Management des Selbst und des Gesundheitssystems

der Beruf wirkt z.B. durch

- Autorität, control/demand, benutzen/benutzt werden (=Klasse)

- Gefühl der Anerkennung, Prestige (=Status)

- gesundheitsrelevante Arbeitsbedingungen

Materieller Wohlstand wirkt z.B. durch

- die Möglichkeit besserer Gesundheitsversorgung

- weniger Umweltbelastung

- weniger Stress

10

Kausalität von SES zur Gesundheit

11

Kausalität von SES zur Gesundheit

Soziale Anerkennung

(Prestige) in einer

rauchenden Peergroup

Rauchen Lungenkrebs

Soziale Anerkennung

(Prestige) in einer

rauchenden Peergroup

Rauchen

Herz-Kreislauf

ErkrankungenStress

?demand/control-Dysbalance

?

Bildung Mortalität

12

SES im Lebenslauf

(Galobardes et al 2007)

SES und Gesundheit im Lebenslauf

13(Lynch/Kaplan 2000)

14

Fazit1. Für deskriptive Studien ist es ausreichend, dass ein Indikator soziale Gruppen

identifiziert.

2. Bei Kausaluntersuchungen sollten die kausalen Faktoren möglichst direkt gemessen

werden. Ein Vergleich verschiedener Faktoren oder deren Kontrolle in einem statistischen

Modell tragen dann zur Erklärung gesundheitlicher Ungleichheit bei.

Für eindimensionale Indices oder Summenscores sehen wir wenig Nutzen, weil sie weder

valide beschreiben noch erklären.

3. Für Lebenslaufstudien können sowohl allgemeine als auch spezielle Indikatoren nützlich

sein, je nachdem ob eher Deskription oder Kausalanalyse angestrebt wird.

Einfach ausgedrückt müssen wir uns fragen, in welchem Alter man was misst.

Dahinter steckt die Aufgabe einer „Verzeitlichung des theoretischen Apparates“ (Kohli).

Das verlangt gleichzeitiges Denken von SES-Dimensionen und deren Pfaden zur

Gesundheit.

Der SES Indikator muss zur Theorie, Hypothese und Population passen, ist also abhängig

vom Untersuchungsmodell. Zu viele spezifische Indikatoren bergen allerdings den Nachteil

unvergleichbarer Forschungsergebnisse.

Bartley, M. (2003). "Commentary: Relating social st ructure and health." International Journal of Epide miology 32: 958-960.Blane, D. (2006). "Commentary: The place in life co urse research of validated measures of socioeconomi c position.“

International Journal of Epidemiology 35: 139-140.Braveman, P., C. Cubbin, S. Egerter et al (2005). "S ocioeconomic status in health research: One size doe s not fit all." JAMA 294: 2879-

2888.Duncan, G. J., M. C. Daly, P. McDonough and D. R. W illiams (2002). "Optimal Indicators of Socioeconomi c Status for Health Research.“

American Journal of Public Health 92: 1151-1157.Galobardes, B., J. Lynch and G. Davey Smith (2007). "Measuring socioeconomic position in health resear ch." British Medical Bulletin

81-82:21-37.Geyer, S., Ö. Hemström, R. Peter and D. Vågerö (2006 ). "Education, income, and occupational class canno t be used interchangeably in

social epidemiology. Empirical evidence against a c ommon practice." Journal of epidemiology and commun ity health 60(9): 804-810.

Goldman, N. (2001). "Social inequalities in health: disentangling the underlying mechanisms.“Annals of the New York Academy of Sciences 954: 118 -139.

Goldthorpe, J. H. (2010). "Analysing Social Inequali ty: A Critique of Two Recent Contributions from Eco nomics and Epidemiology." European Sociological Review 26(6): 731-744.

Krieger, N., D. R. Williams and N. E. Moss (1997). "Measuring Social Class in US Public Health Researc h: Concepts, Methodologies, and Guidelines." Annual Review of Public Health 18: 341-378.

Lynch, J. and G. Kaplan (2000). "Socioeconomic posi tion." in: Social Epidemiology.Oakes, J. M. and P. H. Rossi (2003). "The measureme nt of SES in health research: current practice and steps toward a new approach.“

Social Science & Medicine 56: 769-784.Shavers, V. L. (2007). "Measurement of socioeconomi c status in health disparities research.“

Journal of the National Medical Association 99: 101 3-1023.Singh-Manoux, A., P. Clarke and M. Marmot (2002). " Multiple measures of socio-economic position and ps ychosocial health: proximal

and distal measures." International Journal of Epid emiology 31: 1192-1199.Torssander, J. and R. Erikson (2010). "Stratificati on and Mortality-A Comparison of Education, Class, Status, and Income." European

Sociological Review 26(4): 465-474.Warren, J. R. and H.-H. Kuo (2003). "How to Measure “What People do for a Living” in Research on the Soci oeconomic Correlates of

Health." Annals of Epidemiology 13: 325-334.Winkleby, M. A., D. E. Jatulis, E. Frank and S. P. Fortmann (1992). "Socioeconomic status and health: h ow education, income, and

occupation contribute to risk factors for cardiovas cular disease." American Journal of Public Health 8 2: 816-820.15

Literatur