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Research Collection Doctoral Thesis Zum anodischen Verhalten des Nickels Author(s): Trueb, Lucien Felix Publication Date: 1960 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000302652 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information please consult the Terms of use . ETH Library

In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights / License: … · 2020. 3. 26. · 10 II. THEORETISCHER TEIL 1. Allgemeines Die Tatsache, dassbei der anodischen Auflösungvon Metallen,

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  • Research Collection

    Doctoral Thesis

    Zum anodischen Verhalten des Nickels

    Author(s): Trueb, Lucien Felix

    Publication Date: 1960

    Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000302652

    Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

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    https://doi.org/10.3929/ethz-a-000302652http://rightsstatements.org/page/InC-NC/1.0/https://www.research-collection.ethz.chhttps://www.research-collection.ethz.ch/terms-of-use

  • Prom. Nr. 3069

    Zum anodischen Verhalten

    des Nickels

    Von der

    EIDGENÖSSISCHEN TECHNISCHEN

    HOCHSCHULE IN ZÜRICH

    zur Erlangung

    der Wurde eines Doktors der technischen Wissenschaften

    genehmigte

    PROMOTION SARBE IT

    vorgelegt von

    LUCIEN FELIX TRUEB

    dipl Ingenieur-Chemiker

    von Zurich

    Referent Herr Prof Dr G Trumpler

    Korreferent Herr P -D Dr. N Ibl

    Juris-Verlag Zurich

    i960

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  • "My strong impression is that the surface of

    iron is oxidized, or that the superficial

    particles of the metal are in such a relation

    to the oxygen of the electrolyte as to be

    equivalent to an oxidation, and that having

    their affinity to oxygen satisfied and not

    being dissolved by the acid, there is no

    renewal of the metallic surface."

    Michael Faraday, 1844 (22)

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  • Meinem verehrten Chef und Lehrer,

    Herrn Prof. Dr. G. Trümpier,

    möchte ich für sein stetes Wohlwollen und

    sein förderndes Interesse für diese Arbeit

    herzlich danken.

    Desgleichen danke ich

    Herrn Privatdozent Dr. N . Ibl

    für viele gute Ratschläge und interessante

    Diskussionen bestens.

    Auch

    Herrn Dr. M. Breiter

    und meinem Freund,

    Herrn Dr. A.M.Shams El Din,

    bin ich für wichtige Anregungen sehr ver¬

    pflichtet.

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  • - 7 -

    INHALTSVERZEICHNIS

    I. E inleitung 9

    II. Theoretischer Teil 10

    1. Allgemeines 10

    2. Definitionen 10

    3. Theorien 12

    III. Praktischer Teil 21

    1. Messung des Anodenpotentiales 21

    2. Zellenkonstruktion 24

    3. Einfluss des Anodenmateriales 28

    4. Impedanz von Elektrolysezellen 37

    4.1 Allgemeines 37

    4.2 Apparative Probleme 41

    4. 3 Verwendete Apparatur 43

    4.4 Ausführung und Auswertung der Versuche 46

    4. 5 Resultate 51

    4.51NickelJM 51

    4.52 Nickel P 58

    4.6 Diskussion 66

    5. Gleichrichtereffekte 68

    5.1 Allgemeines 68

    5.2 Untersuchungsziel 69

    5. 3 Apparatur, Messmethodik 70

    5.4 Resultate 71

    6. Potential-Zeit-Abklingskurven 76

    6.1 Allgemeines, Untersuchungsziel 76

    6.2 Apparatur, Messmethodik 76

    6. 3 Resultate 78

    6.4 Fladepotential 81

    IV. Zusammenfassung 90

    V. Literaturverzeichnis 91

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  • I. EINLEITUNG

    Das Problem der Passivität von Nickel in schwefelsauren Elektrolyten wurde

    in diesem Institut schon verschiedentlich bearbeitet (58), (72), (43). Die hier vorlie¬

    gende Arbeit will daran anschliessend, mit zwei anderen gleichzeitig ausgeführten

    Arbeiten auf dem gleichen Geibet (50), (5), gewisse Spezialprobleme beim Passivie¬

    ren näher untersuchen und zu deuten versuchen. Dabei konzentrierte sich das Inter¬

    esse auf die Aenderungen gegenüber dem unmittelbar vor dem Passivieren bestehen¬

    den Zustand um Ursache und Wirkung der Passivität möglichst ohne sekundär be¬

    wirkte Effekte kennen zu lernen. Dabei darf natürlich die Vorgeschichte der Elektro¬

    de wie auch ihr Verhalten nach Erreichen des passiven Zustandes nicht vernachläs¬

    sigt werden.

    Die aussergewöhnliche Komplexität und die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen,

    welche mit der Passivation zusammenhängen, bedingen fast zwangsläufig, dass aus

    der Fülle der vorhandenen Probleme im Rahmen einer Dissertation nur einige weni¬

    ge herausgegriffen und eingehend bearbeitet werden können. Es ist zu hoffen, dass

    auf diese Art die Passivität des Nickels durch die Lösung einer Reihe von Teilprob¬

    lemen einer genauen Kenntnis näher gebracht werden kann.

  • - 10 -

    II. THEORETISCHER TEIL

    1. Allgemeine s

    Die Tatsache, dass bei der anodischen Auflösung von Metallen, d.h. beim

    Uebergang von Metallkationen vom Kristallgitter in die wässerige Phase in der

    Form von hydratisierten Ionen, starke Reaktionshemmungen auftreten können, ist

    für Wissenschaft und Technik von grösstem Interesse. Einerseits ist man be¬

    strebt, die Korrosion zu verhüten, sodass die praktische Stabilität einer metalli¬

    schen Phase in einem Medium, wo es vom thermodynamischen Standpunkte aus in

    Lösung gehen sollte, höchst willkommen ist. Zudem ist ein gehemmter Uebergang,

    d.h. eine statistische Auflösung an der ganzen Oberfläche anstatt der lokalen Aet-

    zung, welche durch den Reinheitsgrad des Metalles sowie seiner metallurgischen

    Vorgeschichte bedingt ist, für das Elektropolieren erste Voraussetzung. Anderseits

    ist das Auftreten von Reaktionshemmungen bei der elektrolytischen Raffination und

    in der Galvanotechnik unerwünscht, da sie die Wirtschaftlichkeit und Durchführbar¬

    keit der Verfahren in Frage stellt. Schon rein phänomenologisch ist die Passivie¬

    rung ein frappanter Vorgang, handle es sich nun um rein chemische oder elektro¬

    chemische Passivierung. Taucht man ein Stück Eisen in konzentrierte Salpetersäure,

    so wird es gegen verdünnte Säure, in der es sich vorher auflöste, mindestens vor¬

    übergehend beständig. Wird anderseits z. B. Nickel anodisch aufgelöst, so konsta¬

    tiert man, nach anfänglich normaler Steigung der Stromspannungskurve, trotz wei¬

    terer Steigerung der Zellenspannung ein mehr oder weniger rasches Absinken des

    Stromes, u.U. um mehrere Zehnerpotenzen.

    Obwohl der Effekt schon im 18. Jahrhundert beobachtet wurde, hat seine syste¬

    matische Erforschung erst mit diesem Jahrhundert begonnen. Sowohl die Passivie¬

    rung, d.h. nach LANGE (54) der Uebergang aus einem aktiven Zustand mit grosser

    Korrosionsgeschwindigkeit in einen Zustand mit sehr geringer Korrosionsgeschwin¬

    digkeit, wie auch die Passivität selbst, d.h. das Ausbleiben der Reaktion unter ther-

    modynamisch instabilen Bedingungen, wurden eingehend untersucht, ohne dass bis

    heute eine geschlossene und eindeutige Erklärung des Phänomens vorläge.

    2. Definitionen

    Schon bei der Definition der grundlegenden Begriffe sowie bei der Terminolo¬

    gie trifft man auf Schwierigkeiten. Die von LANGE (54) gegebene, auf der Korro-

  • - 11 -

    sionsgeschwindigkeit basierende, sehr allgemeine Definition ist wohl nicht bestrit¬

    ten, jedoch wird von Fall zu Fall das Hauptgewicht auf andere Kriterien gelegt.

    So ist für TOMASCHOW (78) wie auch für KABANOV (49) die Hemmung des

    Anodenprozesses durch Einstellen eines Zustandes erhöhter Beständigkeit massge¬

    bend. In die gleiche Richtung weist auch die Definition von UHLIG (84), welcher

    auch den Uebergang zu den elektrochemischen Eigenschaften eines edleren Metalles

    betont. Für PIONTELLI (67) ist das Auftreten von Reaktionswiderständen wesentlich,

    wobei jedoch die Aufstellung von unteren Grenzwerten problematisch bleibt. Andere

    Autoren, z.B. FRANCK (27), setzen als Hauptbedingung für den Passivzustand das

    Auftreten einer nichtmetallischen, geschlossenen Deckschicht, welche zudem noch

    elektronenleitend sein muss, damit Redoxvorgänge sowie Sauerstoffentwicklung un¬

    gehemmt verlaufen können.

    Wesentlich abweichend sind die Definitionen von EVANS, FISCHER und VET¬

    TER. EVANS (21), von der rein chemischen Passivität ausgehend, beschränkt die¬

    se auf die Fälle, wo eine dauerhafte Schutzwirkung bestehen bleibt, und bezeichnet

    vorübergehenden oder partiellen Schutz als Inhibition. VETTER (91), vom elektro¬

    chemischen Standpunkt aus argumentierend, nennt den passiven Zustand denjenigen,

    in welchem die Metallauflösung fast vollständig gehemmt ist. Eine geringe Verlang¬

    samung bezeichnet er als Inhibition, wobei der Uebergang zur eigentlichen Passivi¬

    tät mit einer Verlangsamung um Zehnerpotenzen fliessend ist. FISCHER (23), auf

    Diskussionen an verschiedenen internationalen Kongressen basierend, fasst den Be¬

    griff Inhibition als Oberbegriff zur Passivität auf, nämlich jede Art der Hemmung

    heterogener Reaktionen. Korrosionsinhibition ist ein Beispiel davon und kann auf

    verschiedene Arten zustande kommen, z.B. durch Passivation.

    TRÜMPLER und Mitarbeiter (81),(82) basieren ihre Definition ebenfalls auf

    kinetische Betrachtungen. Sie bezeichnen eine Elektrode als passiv, wenn sie auf

    eine Erhöhung des Potentiales nicht mit einer Erhöhung der Stromdichte reagiert,

    sondern mit einer Erniedrigung derselben. Die passive Anode verhält sich also in

    gewissem Masse wie ein negativer Widerstand. Dies entspricht einer Hemmung des

    anodischen Vorganges, da mit der Erhöhung des Potentiales die Reaktionsfähigkeit

    des Vorganges gesteigert wird. Auf dieser Basis beruht ebenfalls die vorliegende Ar¬

    beit.

  • - 12 -

    3. Theorien

    Die grosse Anzahl von Untersuchungen, welche im Zusammenhang mit dem

    Phänomen der Passivität besonders seit Anfang dieses Jahrhunderts durchgeführt

    wurden, brachten eine Anzahl von sich zum Teil widersprechenden Theorien. Einen

    Ueberblick darüber findet sich bereits bei FREDENHAGEN (25), später bei EVANS

    (20). Ueber die neuere Literatur finden sich zusammenfassende Referate bei HER¬

    ZOG (43) und KELLER (50), sodass eine Rekapitulation sich hier erübrigt. Es sei

    darum nur kurz auf die beiden heute das Feld beherrschenden Theorien über den

    Mechanismus der Passivierung und den Passivzustand selbst hingewiesen.

    3.1 Oxydtheorie

    Nach dieser wird die Hemmung der Metallauflösung durch Bildung einer Oxyd¬

    schicht an der Phasengrenze erklärt. Eine Zusammenfassung der Resultate, welche

    in den letzten Jahren von BONHOEFFER und Mitarbeitern über die Passivität von

    Eisen erhalten wurden, findet sich bei WEIL (94). Die potentiostatisch aufgenomme¬

    ne anodische Stromspannungskurve von Eisen in sauren Elektrolyten (ohne Anwesen¬

    heit von Halogenionen), welche in grossen Zügen auch für Nickel gültig ist, gliedert

    sich in fünf verschiedene Abschnitte. Zuerst steigt der Strom proportional zur an¬

    gelegten Spannung; dann erreicht er ein Plateau, auf welchem eine Erhöhung der

    Zellenspannung keine Erhöhung der Stromdichte mehr bedingt. Bei einem kritischen

    Potentialwert, dem sog. Fladepotential, sinkt der Strom sehr rasch um mehrere

    Zehnerpotenzen. Im anschliessenden Teil ist die Stromspannungskurve wieder hori¬

    zontal; die durch den Reststrom bedingte Korrosion läuft mit wenig potentialabhän¬

    giger Geschwindigkeit, bis die Kurve bei beginnender Sauerstoffentladung wieder

    steil ansteigt.

    WEIL (94) erklärt dieses Verhalten durch eine sich beim Fladepotential bilden¬

    de Oxydhaut, welche das Metall lückenlos bedeckt, bei der Korrosion dreiwertige

    Eisenionen bildet, elektronenleitend ist und sich im Elektrolyten nur langsam auf¬

    löst. Dem Fladepotential £~ wird zumindest beim Eisen die Bedeutung eines Bildungs¬

    und Reduktionspotentiales der Deckschicht zugeschrieben.

    Es sei schon an dieser Stelle betont, dass im Falle des Nickels das Passivie-

    rungspotential und die Haltepunkte beim Abschalten aus dem Passivzustand streng

    auseinandergehalten werden müssen; das eigentliche Fladepotential bezieht sich in

    der vorliegenden Arbeit nur auf letztere.

  • - 13 -

    Auf Grund der Enthalpie und Entropiewerte der bekannten Eisenoxyde sollte

    sich £„ für die Zellenbruttoreaktion

    MeOn + nH2=Me + nHjO

    berechnen lassen. £„ ist pH-abhängig nach der Beziehung

    £F = £0 -0,059 pH 1)

    Für Eisen ist £ = + 0, 58 V. Dieser Wert ist jedoch vom Gleichgewichtspotential

    der bekannten Eisenoxyde um 0,63 V verschieden. Es wurde versucht, diese Ab¬

    weichung zu erklären (90), (61), entweder durch die Bildung eines Fe(III) und Fe(IV)-

    haltigen Filmes nach

    Fe—Fen(OH)2^-FenlO(OH)—-FeIV02 (94)

    oder durch Entstehen einer Fe~04-Fe20„-Doppelschicht. Die in der Fe,0.-Schichtirreversibel ablaufende Reaktion

    Fe + 4 Fe203 —-- 3 Fe304

    wird - mit einigem Zwang - zur Erklärung der Fehlspannung herangezogen (92).

    Ein neuer, vielversprechender Ansatz zur Lösung dieses Problèmes ist die von

    PRYOR (68) aufgestellte Theorie, welche von den neuen Erkenntnissen der Halblei¬

    terforschung ausgeht. Demnach ist infolge der geringen Diffusionsgeschwindigkeit

    bei Zimmertemperatur die Passivdeckschicht an den Phasengrenzen durch eine ho¬

    he Fehlstellenkonzentration charakterisiert. An der Phasengrenze Metall/Deck¬

    schicht herrscht eine hohe Sauerstoffdefektkonzentration, was zu einem n-Halblei-

    ter führt, während an der Grenzschicht Oxyd/Elektrolyt infolge des Sauerstoffüber¬

    schusses ein Metallionendefekt vorhanden ist: diese Schicht ist durch gebundene po¬

    sitive Löcher p-leitend. Der Sauerstoffüberschuss verleiht der Schicht nach Aufhe¬

    ben der Polarisation einen relativ lang anhaltenden Schutz gegen reduktive Auflösung,

    Die energiereiche Defektstruktur erklärt das relativ hohe Fladepotential, jedoch ist

    eine streng quantitative Behandlung in diesem Sinne heute noch nicht durchführbar.

    Ueber die Möglichkeit des Vorhandenseins einer Oxydhaut an passivem Eisen

    dürfte wohl kein Zweifel bestehen: solche Schichten wurden verschiedentlich durch

    optische Methoden nachgewiesen (79), (80), wie auch direkt isoliert. So gelang es

  • - 14 -

    EVANS (17) durch Wiedereinschalten des Stromes nach partieller Abschaltaktivie¬

    rung, sehr feine, durchsichtige Häutchen abzuschälen, welche sich in 1 n Schwefel¬

    säure nur sehr langsam auflösten, was auf ein anhydrisches Oxyd hinweist. Auch

    durch vorsichtiges Weglösen des inneren Metalles mit Jod gelang es EVANS (18),

    analoge Filme präparativ darzustellen, welche auf der Metalloberfläche praktisch

    unsichtbar sind.

    Ueber den Bildungsmechanismus und die Zusammensetzung dieser Schichten

    werden von der BONHOEFFER'schen Schule nur wenig Angaben gemacht. FRANCK

    (26) nimmt im Sinne der früheren Arbeiten von W.J.MÜLLER (59) an, dass sich

    auf der Elektrodenoberfläche zunächst eine Deckschicht bildet, welche durch die

    Anhäufung von Metallionen einerseits und die Abwanderung von H„0 -Ionen ander¬

    seits bedingt ist. Bei weiterem Ansteigen der Stromdichte scheidet sich ein neutra¬

    les oder basisches Salz ab; diese Schicht, welche von W.J.MÜLLER (59) und HED¬

    GES (40), (41), (42) beobachtet wurde und mit der eigentlichen Passivschicht nicht

    identisch sein soll, wächst immer weiter, sodass die effektive Stromdichte in den

    frei gebliebenen Stellen der Metalloberfläche dabei sehr hohe Werte erreicht. Das

    Potential steigt bis zur Entladung von Hydroxylionen: diese entladenen Ionen reagie¬

    ren mit dem Metall und erzeugen die eigentliche Passivoxydschicht. Je nach Unter¬

    suchungsmethode steigt dann das Potential bis zur Sauer Stoffabscheidung, durch

    welche die primäre Salzschicht weggerissen wird (ampèrostatische Methode); oder

    aber der Strom sinkt auf einen sehr kleinen Wert und die Salzschicht löst sich wie¬

    der auf (potentiostatische Methode). Es ist jedoch schwer einzusehen, dass diese

    "Oxydpfropfen", welche die Poren der Salzschicht verschliessen, eine passivieren¬

    de Wirkung auf die gesamte Metalloberfläche ausüben können, sollte doch der gröss-

    te Teil derselben nach Verschwinden der Salzschicht wieder in der ursprünglichen

    Aktivität vorliegen.

    Zu ähnlichen Schlüssen wie FRANCK (26) kommen auch HAUFFE und PFEIF¬

    FER (38), welche vergleichende Untersuchungen an luftoxydiertem und in Schwefel¬

    säure passiviertem Nickel anstellten. Auf den von diesen Autoren vorgeschlagenen

    Passivierungsmechanismus wird im nächsten Abschnitt noch zurückgekommen.

    3.2 Adsorptionstheorie

    Die Anhänger der Adsorptionstheorie, z.B. HACKERMAN (37) zweifeln nicht

    daran, dass eine adsorbierte Schicht mit monomolekularen Dimensionen kaum einen

    langanhaltenden Korrosionsschutz bilden kann, wie z.B. von HEUMANN (44) bemerkt

  • - 15 -

    wurde. Der Passivzustand selbst ist zweifellos in manchen Fällen durch die Anwe¬

    senheit eines porenfreien und schlecht löslichen Oxydfilmes bedingt. Anderseits

    deuten jedoch die grossen Potentialsprünge beim Passivieren und die diese oft be¬

    gleitenden periodischen Erscheinungen, wie sie z.B. von FRANCK (27) beim Eisen

    und von SAXER (72) beim Nickel beschrieben wurden, darauf, dass der erste Schritt

    beim Passivieren wohl durch Adsorptionsvorgänge bedingt ist. Rasch verlaufende

    Erscheinungen sind mit der Geschwindigkeit von Heterogenreaktionen bei Zimmer¬

    temperatur kaum kompatibel. In dieser Hinsicht sind auch die Befunde von PION-

    TELLI und SARAVALLE (66) von Interesse; sie zeigten, dass die Anwesenheit einer

    Deckschicht (künstlich aufgebrachte Oxydschicht, welche mittels Elektronendiffrak¬

    tion als NiO identifiziert wurde) keineswegs eine Hemmung der anodischen Metall¬

    auflösung bedingt, wie sie bei der elektrochemischen Passivierung auftritt. Auf eine

    weitere, sehr interessante Tatsache wurde von BURSTEIN hingewiesen (8), (73). Sie15 2

    zeigte, dass am Eisen, die Adsorption von 2-10 Molekülen Sauerstoff pro cm eine

    erhöhte Aktivierung mit sich bringt (als Kriterium diente hier die Elektronenaustritts¬

    arbeit), während die doppelte Menge Passivität bedingt. Diese Resultate stehen im

    Einklang mit der Tatsache, dass eine Nickelanode kurz vor dem Passivieren eine

    hohe Aktivität aufweist.

    Selbst Anhänger der Oxydtheorie (38) postulieren als ersten Teilschritt beim

    Passivieren die Bildung einer "Quasi-NiO-Schicht" durch Ionosorption von Sauer¬

    stoff. Eine geschlossene, wenn auch nur qualitative Theorie in diesem Sinne wurde

    von HACKERMAN (37) aufgestellt. Er teilt die Passivierung in sechs einzelne

    Teilschritte auf:

    I. Adsorption von molekularem Sauerstoff.

    II. Spaltung zu atomarem Sauerstoff und Adsorption des letzteren, n. verläuft

    langsamer als I., die Geschwindigkeit hängt von der Art des Metalles ab und ist

    massgebend für das Auftreten der Passivität.

    HI. Elektronenübergang zu den adsorbierten Sauerstoffatomen. Der Film besteht

    nun aus einer maximal monoatomaren Schicht von O . Eine solche Bedeckung wird

    kaum mechanische, sicher aber energetische Wirkungen ausüben.

    IV. Uebergang von Metallionen vom Kristallgitter in die adsorbierte Phase. Durch

    III. wird die Oberfläche sehr stark negativ aufgeladen, sodass ein genügender Poten¬

    tialgradient entsteht, um Metallionen in die geladene Phase hinüberzuziehen. Die Ge¬

    schwindigkeit der Teilschritte II. und III. gegenüber IV. ist massgebend für die Aus¬

    bildung einer Schutzschicht: kann sich nämlich die adsorbierte Schicht vor dem Ab¬

    wandern der Metallionen ausbilden, so kommt es zur Bildung eines nichtkristallinen

    Metallionen-Sauerstoffgemenges. Ein solches muss amorph sein, um Ionenleitung

  • - 16 -

    durch Defektstellen zu verhindern. Ist anderseits der Metallionenübergang der ra¬

    schere Vorgang, so bilden sich fast augenblicklich einzelne kristalline Bezirke aus

    stöchiometrisch definiertem Oxyd.

    V. Ausbildung einer dreidimensionalen kristallinen Oxydschicht. Wächst diese

    langsam, so ist ihre Struktur einheitlich und weist ein Minimum an Defektstellen auf,

    was eine optimale Schutzwirkung bedeutet. Durch Anlegen von höheren Potentialen

    oder Erwärmung bildet sich ein weniger einheitliches Oxyd mit schlechter Schutz¬

    wirkung.

    VI. Regeneration: Metalle mit langlebiger Schutzschicht müssen in der Lage

    sein, das wegkorrodierte Oxyd über Schritt II. an der Metalloberfläche neu zu bil¬

    den.

    Drei typische Fälle sind in Bezug auf die relative Geschwindigkeit der einzel¬

    nen Teilschritte zu unterscheiden:

    1. Kalzium. Die Oxydationsgeschwindigkeit ist gross. Es bilden sich einzelne

    kristalline Bezirke noch bevor die Adsorption von Sauerstoff beendet ist, wodurch

    eine ungeordnete kristalline Oxydschicht mit schlechter Schutzwirkung entsteht.

    2. Aluminium. I., n. und HI. laufen ab, bevor IV. beginnt. Es bildet sich ein

    porenfreier Film mit optimaler Schutzwirkung. Später kristallisiert das Oxyd; die

    Ausheilung von Defektstellen ist durch die Geschwindigkeit von II. und III. begün¬

    stigt.

    3. Eisen, m. ist abgeschlossen, noch vor Beginn von IV. Der Uebertritt von Ei¬

    senionen in die Sauer Stoffphase ist jedoch viel langsamer als beim Aluminium. Der

    Primärfilm ist wesentlich permeabler, sodass sich rasch eine kristalline Phase

    ausbilden kann, mit mittelmässiger Schutzwirkung und dementsprechend leichterer

    Reaktivierung. Die Widerstandsfähigkeit der oxydischen Deckschichten dürfte durch

    Sauerstoffbrücken gegenüber normalen Oxyden erhöht sein.

    Wesentlich in dieser Theorie ist die relative Geschwindigkeit der Teilschritte

    n., III. und IV. Die Passivität käme also dadurch zustande, dass sich zuerst ein

    metastabiles Adsorptionssystem ausbildet, welches eine zeitlich begrenzte Schutz¬

    wirkung ausübt, bis eine stabilere dreidimensionale Schicht entsteht. Die Untersu¬

    chung der kathodischen Ladekurven zeigt, dass beim Fladepotential nur ein Ladungs¬

    austausch entsprechend einer zehnprozentigen Bedeckung auftritt. Der Rest des Sau¬

    erstoffes ist fester am Metall gebunden und wird erst unterhalb des Fladepotentiales

    wieder frei. Sehr geringe Substanzmengen können demnach erhebliche Feldwirkun¬

    gen ausüben.

    Die Stellung des Nickels in diesem Schema dürfte von derjenigen des Eisens

    nicht weit entfernt sein, obwohl der Fall weniger extrem ist. So scheint die Ausbil¬

    dung eines dreidimensionalen, kristallinen Oxydfilmes für Nickel nicht charakteri-

  • - 17 -

    stisch zu sein. Die Inhibition der Korrosion durfte m diesem Falle weitgehend durch

    Teilschritt IV. bedingt sein. Die Reaktivierung ist beim Nickel ja eine ziemlich ra¬

    sche: die Schutzwirkung bricht bald nach Aufheben des angelegten Feldes zusammen.

    Fur diese Hypothese sprechen eindeutig die Versuche von SCHWABE (75), welcher

    zeigte, dass Passivität auch an einer konstant geschliffenen Anode auftritt, wobei in

    10 sec eine Atomschicht abgelost wurde, in welcher Zeit das Wachstum einer kri¬

    stallinen Oxydphase ausgeschlossen ist.

    So bestechend im ersten Augenblick eine solche umfassende Theorie wirkt, so

    muss doch darauf hingewiesen werden, dass sie nur ein hypothetischer Rahmen ist,

    welcher bewusst so strukturiert ist, um den beobachteten Tatsachen möglichst ge¬

    recht zu werden. Es bestehen nur geringe Anhaltspunkte auf Grund der Untersuchung

    von Kontaktpotentialen im ultrahohen Vakuum über die effektiven Geschwindigkeiten

    der einzelnen Teilschritte der Chemisorptionsreaktion und der nachfolgenden Oxyd¬

    bildung. Zudem werden nur Effekte am Metall in Betracht gezogen und die sehr we¬

    sentlichen Einflüsse des Elektrolyten ausser acht gelassen.

    Der Eingliederung der Theorien über das Wachstum von dünnen Oxydschichten

    steht in diesem Rahmen kein Hindernis im Wege, da ein solches erst von Teilschritt

    IV. an massgebend wird. HAUFFE und PFEIFFER (38) leiteten mit den Ansätzen

    von CABRERA und MOTT (9) fur das Wachstum der Schicht ein reziprok-loganthmi-

    sches Zeitgesetz ab. Beim Vorhandensein einer negativ geladenen, chemisorbierten

    Sauerstoffschicht ware der Uebergang von Metalhonen gegenüber der Anlieferung

    von Elektronen thermodynamisch begünstigt. Nach HAUFFE und ILSCHNER (38) gilt

    jedoch, zumindest fur die Luftoxydation von Nickel, ein logarithmisches Zeitgesetz,

    sodass der massgebende Vorgang in diesem Falle der Uebertritt von Elektronen

    durch Tunneleffekt ware. Anderseits hat VERMILYEA (88) nachgewiesen, dass auf

    einem Tantalpentoxyfilm ein zweiter Film wachsen kann: dessen Kationen werden

    eindeutig durch Diffusion durch die erste Oxydschicht angeliefert. HOAR (47) postu¬

    liert, dass wenn die Oberflachenschicht ein schlechter Elektronenleiter ist, der La¬

    dungstransport vorwiegend durch Ionenleitung übernommen wird, sodass die Schicht¬

    dicke laufend erhöht wird. Die Begrenzung ist durch die angelegte Feldstarke gege¬

    ben, welche die Ablosearbeit und den Transport der Ionen besorgt; der Ionenstrom

    wird darum unterhalb einer fur Metall und Film charakteristischen Feldstarke prak¬

    tisch gleich null. Sind solche Filme zudem noch mechanisch widerstandsfähig (z.B.

    beim Aluminium und beim Tantal), so sind sie gut elektrisch isolierend: eine wich¬

    tige Anwendung dieser Prinzipien bilden die Elektrolytkondensatoren.

    Die klassischen Untersuchungen von GÜNTHERSCHULZE und BETZ (36) am

    Beispiel des Aluminiums und des Tantals zeigten, dass der Ionenstrom in erster

  • - 18 -

    Näherung einer e-Funktion der Feldstärke F proportional ist:

    i. = Aj exp Bj F 2)

    Ein solches Gesetz deutet darauf hin, dass das Feld die Energiebarriere im Sinne

    einer Förderung des Ionenübertrittes beeinflusst. CABRERA und MOTT (9) nehmen

    an, dass diese Energiebarriere zwischen dem Kristallgitter und dem Film liegt,

    während ihn VERWEY (89) zwischen zwei Stellen minimaler potentieller Energie

    innerhalb der Oxydschicht legt. Der Ionenstrom wäre somit nach CABRERA und

    MOTT durch den anodischen Vorgang

    .. +z ... +z

    Mmetall M film

    begrenzt, während dies nach VERWEY (89) durch den nicht-ohmischen Widerstand

    des Filmes bedingt wäre.

    Für die Adsorptionstheorie spricht auch die Tatsache, dass sie nach UHLIG

    (85), (86) eine zwanglose Erklärung der Lage des Fladepotentiales erlaubt. Die Pas¬

    sivschicht wäre demnach weder eine doppelte Oxydschicht noch ein abnormales Oxyd;

    das Fladepotential entspricht dem Gleichgewicht

    3H20 + Fe==-0.02(ads.Fe) + 6 H+ + 6 "ë

    Die Struktur O.O, entspricht einer vollständigen monoatomaren Schicht von Sauer¬

    stoff,durch dessen Lücken eine weitere Schicht von molekularem Sauerstoff chemi-

    sorbiert ist. Diese Passivschicht zersetzt sich nach

    0.02(ads.Fe) + 2 Fe + 3 HgO «-2 Fe(OH)3

    wodurch sich ein 60 AE dicker Film von FegO, bildet, was den Messungen von GUL-

    BRANSEN (34) und SCHWARZ (74) genau entspricht.

    Aus den Standardenthalpie- und Entropiewerten der Adsorptionsreaktion be¬

    rechnet sich ein AG0 von + 78 000 cal/+l, was einem Standardpotential von 0,56 V

    entspricht. Dieser Wert steht in recht guter Uebereinstimmung mit dem gemesse¬

    nen Wert von 0,58 - 0,59 V.

    Da die tabellierten Adsorptionswärmen jedoch différentielle Anfangswerte sind

    (initial heats of adsorption) und sich zudem auf reine Metalloberflächen im Vakuum

    beziehen, sind Berechnungen der obigen Art ziemlich problematisch. Die Ueberein-

  • - 19 -

    Stimmung des berechneten Wertes mit dem Experiment ist durch die hypothetische

    0.0„-Schicht künstlich herbeigeführt, ist doch die Chemisorption von molekularem

    Sauerstoff auf der ersten atomaren Schicht sehr unwahrscheinlich. Im Gegensatz

    zur physikalischen Adsorption ist ja die Chemisorption mit einer atomaren Bedek-

    kung praktisch abgeschlossen. Auf Grund der Gitterparameter des Eisens und der

    Dimension der Sauerstoffatome lässt sich berechnen, dass höchstens 8 % der Ober¬

    fläche nach der Chemisorptionsreaktion noch unbedeckt ist. Es wird auf diesen Tat¬

    bestand im Abschnitt 6.4 noch zurückgekommen.

    Aus diesen Betrachtungen geht hervor, dass die Differenzen zwischen Oxyd¬

    theorie und Adsorptionstheorie nicht so gross sind, wie im ersten Augenblick er¬

    scheinen mag: primär ist das Hauptgewicht der Untersuchungen verschoben. Wäh¬

    rend das Interesse der Anhänger der Oxydtheorie in erster Linie auf die fertig aus¬

    gebildete und in gewissen Fällen eindeutig nachweisbare Oxydschicht zentriert ist,

    der die massgebende Schutzwirkung zugeschrieben wird, beschäftigen sich die Ver¬

    fechter der Adsorptionstheorie mit der Passivierung, d.h. mit der Bildungskinetik

    der Passivschicht. Die Ausbildung einer definierten kristallinen Oxydschicht ist für

    die primäre, nicht permanente Schutzwirkung im Sinne einer Hemmung des Ni-Io-

    nentranportes nicht notwendig und wird nicht als Ursache, sondern eher als Wirkung

    der Passivität betrachtet. Diese Theorie vermag viele Feinheiten der Passivierung

    zu deuten, über welche die Oxydtheorie hinweggeht.

    Zusammenfassend kann die heutige Kenntnis von Passivierung und Passivität

    im Lichte der oben erwähnten Arbeiten und teilweise auch in Hinblick auf die in vor¬

    liegender Arbeit erhaltenen Resultate in folgende Punkte aufgeteilt werden:

    1. Das primäre und für das Einleiten des Passivzustandes determinierende

    Moment ist die Chemisorption von Sauerstoff an der Phasengrenze Metall-Elektrolyt,

    wobei die Herkunft dieses Sauerstoffes entweder durch eine Anodenreaktion oder

    durch die Anwesenheit von physikalisch gelöstem Sauerstoff im Elektrolyt erklärt

    wird.

    2. Die relative Geschwindigkeit des Ionentransportes gegenüber der Adsorp¬

    tion bringt möglicherweise die Entscheidung, ob sich primär eine amorphe, aber

    homogene Schicht mit schlechter Ionenleitfähigkeit bildet, oder aber ob sich fast

    augenblicklich kleine Bezirke mit kristallinem Charakter ausbilden, welche nur eine

    sehr beschränkte Schutzwirkung ausüben, sodass der Ionentransport aus der Metall¬

    phase über Korngrenzen, Risse, Kanten oder Gitterfehlstellen wenig gehemmt ist.

    3. Die Oxydschicht ist bei einer Dicke von 50 - 100 AE an der Phasengrenze

    Metall/Oxyd n-leitend, an der Phasengrenze Oxyd/Elektrolyt p-leitend. Die hohe

    Metallionendefektstellenkonzentration bewirkt erhebliche Abweichungen von der

  • - 20 -

    Stöchiometrie und verleiht dem Film eine relativ grosse Widerstandsfähigkeit gegen¬

    über der reduktiven Auflösung.

    4. Das Wachstum und die Verdickung einer kristallinen Oxydschicht kann quan¬

    titativ beschrieben werden.

  • - 21 -

    III. PRAKTISCHER TEIL

    1. Messung des Anodenpotentiales

    Einleitende Vorversuche, welche die Aufnahme von Strom-Zeit und Strom-Po¬

    tential-Diagrammen bezweckten, wurden mittels einer sehr einfachen Apparatur

    ausgeführt; sie bestand aus einer an eine Akkumulatorenbatterie von 8 V angeschlos¬

    senen, niederohmigen Kohlrauschwalze,über welche die Zelle gespiesen wurde, so¬

    wie der notwendigen Instrumente zur Messung von Zellenspannung, Zellenstrom,

    Querstrom durch die Kohlrauschwalze und des Elektrodenpotentiales. Durch Einstel¬

    len eines hohen Querstromes erhält die Zelle eine vom aufgenommenen Strom eini-

    germassen unabhängige Polarisation; die Nachregulierung des Anodenpotentiales,

    besonders bei der Passivierung ist jedoch ziemlich umständlich. Das primäre Prob¬

    lem war eine exakte Messung des Anodenpotentiales, ist doch dies neben dem Zellen¬

    strom eine der unmittelbar messbaren Grössen, welche Aktiv- bzw. Passivzustände

    charakterisieren. Die Zelle bestand wie bei anderen Arbeiten im hiesigen Institut

    (72),(50), (5) aus einem zylindrischen Glasgefäss von 2,4 1 Inhalt; die Kathode war

    ein an der Wand anliegendes zylindrisches Reinnickelblech. Die stabförmige Anode

    von 5 mm Durchmesser konnte von oben in die Zelle eingetaucht werden. Sie war in

    einen Kunstharzmantel eingebettet (ARALDIT Giessharz der CIBA); nur ihre kreis¬

    runde, horizontal nach unten gerichtete Stirnfläche stand mit dem Elektrolyten in

    Berührung. Zur Schaffung einer frischen Oberfläche wurde die Anode vor jedem

    Versuch auf der Drehbank abgedreht.

    Zur Messung des Anodenpotentiales wurde zuerst die direkte Methode ange¬

    wendet; die Anode war über eine Sonde mit einer Bezugselektrode verbunden. Als

    Sonde war eine Glaskapillare eingesetzt, wie sie z.B. von LE BLANC (55) beschrie¬

    ben wurde. Das durch den Deckel der Zelle geführte Rohr war einige Zentimeter

    unterhalb des Niveaus der Anodenstirnfläche u-förmig abgebogen und die Spitze auf

    einen Durchmesser von ca. 0, 5 mm ausgezogen. Ueber einen Zwischenelektrolyten

    (gesättigte Natriumsulfatlösung) und Agar-Agar-Heber war sie mit der Bezugselek¬

    trode,einer Normalkalomelelektrode verbunden. (Diese wird im Weiteren mit NKE

    bezeichnet. )

    Diese Methode war jedoch nicht befriedigend; einerseits wird durch die Front

    der Sonde ein nicht unerheblicher Teil der Anodenoberfläche abgeschirmt, sodass an

    dieser Stelle wesentlich andere Feldverhältnisse herrschen; die Stromdichte ist ge¬

    ringer, womit am Ort der Messung ein zu negatives Potential gemessen wird. An¬

    derseits wächst der Abstand zwischen Anodenfront und Kapillare im Laufe eines

  • - 22 -

    •—Araldit

    Versuches, sodass das gemessene Potential zusätzlich um einen variablen Betrag

    iR zu hoch ist, entsprechend dem Zellenstrom und dem zwischen Metalloberfläche

    und Sonde liegenden Elektrolytwiderstand. Nur im stromlosen Zustand ist die Poten¬

    tialmessung, falls sie ebenfalls stromlos erfolgt, exakt und von der Lage der Sonde

    unabhängig; im Passivzustand bleibt unter Umständen ein Fehler bestehen, denn falls

    sich eine schlechtleitende Deckschicht bildet, genügt der Reststrom, um einen merk¬

    lichen Messfehler zu erzeugen. Der Betrag von iR ist sowohl schwer zu messen wie

    auch konstant zu halten; Versuche, die

    schräg angeschliffene Sonde der weichen¬

    den Anodenfläche nachzuführen, ergaben

    auch keine befriedigenden Resultate, da die

    anfänglich glatte Oberfläche sich im Laufe

    des Versuches stark zerklüftet und sich

    Niveauunterschiede von einigen Zehntel¬

    millimeter ergeben. Es wurde auch ver¬

    sucht, den Abschirmungseffekt dadurch zu

    mildern, dass die Sonde in einem bestimm¬

    ten Abstand der Elektrode plaziert wurde,

    z. B. 1 mm; durch Einspannen der Anode

    in einen Halter mit Mikrometerschraube konnte eine Einstellpräzision von 0, 05 mm

    erreicht werden. Doch auch hier ergaben sich Schwierigkeiten, weil die Nachführung

    nur von Zeit zu Zeit vorgenommen werden kann, während die Front der Elektrode

    kontinuierlich zurückweicht, nach der den Idealfall der homogenen und isotropen

    Auflösung beschreibenden Gleichung:

    Fig. 1

    dx

    dt

    58,69 i

    2F9 r23)

    F = Faradaykonstante

    ç = Dichte von Ni

    Zudem bleibt trotz des grösseren Abstandes ein gewisser Einfluss der Inhomogeni¬

    tät der Oberfläche bestehen. Das auf diese Art gemessene Potential entspricht noch

    keineswegs dem an der Elektrode selbst herrschenden: es ist um den Betrag iR

    verfälscht, ein Betrag, der bei der Reproduzierung eines Versuches unter gleichen

    Bedingungen für jeden Messpunkt wohl konstant bleibt, jedoch bei steigendem Strom

    für jede Stromstufe grösser wird, wegen des veränderten i einerseits, anderseits

    wegen der an der Anode sich einstellenden Konzentrationspolarisation, welche eine

  • - 23 -

    Aenderung der Leitfähigkeit an der Grenzfläche bewirkt.

    Das Verfahren, nach welchem die Sonde in verschiedene definierte Abstände

    der Elektrode gebracht wird und die Resultate auf den Abstand null extrapoliert wer¬

    den, ist wohl genau, für Reihen von Messungen an der stromdurchflossenen Anode

    jedoch viel zu zeitraubend.

    Eine weitere, von PIONTELLI (65) vorgeschlagene Methode, die Sonde durch

    die Elektrode zu führen, wobei naturgemäss keine Abschirmung auftritt, konnte in

    unserem Falle auch nicht angewendet werden. Abgesehen von den rein technischen

    Schwierigkeiten tritt beim Zurückweichen der Anodenfront die isolierte Durchführung

    hervor, wodurch auch wieder ein iR-Term im Potential auftritt.

    Neben der direkten Potentialmessung, welche wie erläutert wurde, mit funda¬

    mentalen Nachteilen behaftet ist, musste noch die indirekte Methode, die sog. Unter¬

    brechermethode in Betracht gezogen werden. Wie schon erwähnt ist es wenig sinn¬

    voll, den mitgemessenen Betrag iR durch Reduktion von R, d.h. des Abstandes Ano¬

    de-Sonde wegen der dadurch bewirkten Abschirmung eliminieren zu wollen. Es ist

    darum naheliegend, den störenden Term gleich null zu setzen, indem der Strom

    kurzzeitig ausgeschaltet wird und das Potential unmittelbar nach der Unterbrechung

    gemessen wird, d.h. nach Abklingen der Widerstandspolarisation, jedoch vor dem

    Abklingen der durch den Elektrodenvorgang bewirkten Polarisationen. Mechanische

    Unterbrecher wurden schon sehr früh beschrieben (32); der ihnen anhaftende Nachteil

    ist, dass der zwischen Unterbrechung und Messung auftretende Potentialabfall unge¬

    wiss ist; man misst allgemein zu stark negative Potentiale. Zudem kann durch den

    pulsierenden Gleichstrom der Elektrodenvorgang selbst verändert werden. Wohl ge¬

    lingt es, den Potentialabfall zwischen Unterbrechung und Messung durch Extrapola¬

    tion abzuschätzen, indem das Verhältnis Unterbrecherzeit zu Messzeit variiert

    wird; die von SCHWABE entwickelte Apparatur scheint den Schwierigkeiten in die¬

    ser Hinsicht voll gerecht zu werden. Originell ist dabei, dass die kurzzeitigen Mess¬

    impulse vorkompensiert und auf Kondensatoren gespeichert werden, um zur Messung

    ein direktanzeigendes Röhrenvoltmeter mit gegenüber den kurzen Unterbrecherzei¬

    ten trägem Galvanometer verwenden zu können. Durch Heranziehen von elektroni¬

    schen Geräten wurde auch schon relativ früh versucht, kürzere Unterbrecherzeiten

    zu erreichen; es sei hier auf das Thyratrongerät von HICKLING (45), (46) hingewie--5

    sen, welches Potentialmessungen 10 sec nach der Unterbrechung erlaubte, jedoch

    mit verschiedenen Nachteilen wie z. B. Belastung des Messkreises beim Zünden des

    Thyratrons behaftet war. Auch eigneten sich die damaligen Kathodenstrahloszillo-

    graphen wohl als Indikatoren, jedoch nicht als präzise Messgeräte. Gerade auf die¬

    sem Gebiet jedoch wurden seither enorme Fortschritte erzielt: es sei hier auf die

  • - 24 -

    Arbeit von SEIPT (77) hingewiesen; dessen Unterbrecher erzeugt mit sehr hoher

    Präzision variable Unterbrechungszeiten, wobei die Flankensteilheit des Auschalt--8

    Vorganges auf 5.10 sec getrieben wurde. Es ist klar, dass die Reduktion der

    Schaltzeiten nicht nur ein apparatives Problem stellt, sondern dass auch Effekte,

    welche von der Messanordnung herrühren, sich den Vorgängen an der untersuchten

    Elektrode überlagern. Die unvermeidlichen Induktivitäten und Kapazitäten im Unter¬

    brecherkreis bewirken gedämpfte Schwingungen, welche den Ein- und Ausschaltvor¬

    gängen des Elektrodenpotentiales überlagert sind. Ihre Amplituden und Abklingzei¬

    ten sind durch die Anordnung der Zelle, der Referenzelektrode und der Kapillar¬

    sonde bestimmt, da diese die Hauptanteile der parasitären Induktivitäten und Kapa¬

    zitäten enthalten. Der ohm'sche Widerstand einer Haber-Luggin-Kapillare bildet

    zusammen mit der Eingangskapazität des Verstärkers und der Störkapazitäten ein

    RC-Glied, dessen Zeitkonstante die maximale Steilheit im Messkreis bedingt; da

    die Eingangskapazität gegeben ist, muss zur Verringerung von R der Querschnitt

    der Kapillare möglichst gross sein, was wieder eine erhöhte Abschirmung mit sich

    bringt. Zudem induziert das beim Ausschalten des Zellenstromes zusammenbrechen¬

    de Magnetfeld der Zelle und deren Zuleitungen eine Potentialspitze.

    Dies als Hinweis auf die mannigfaltigen und schwierigen Probleme, welche

    sich auch bei der indirekten Potentialmessmethode stellen. Eigene Versuche mit

    einem modifizierten Unterbrecher nach HICKLING konnten nicht befriedigen, einmal

    wegen den Unzulänglichkeiten des zur Verfügung stehenden Gerätes, anderseits we¬

    gen der zu grossen Zeitkonstante im Messkreis und demzufolge schlechter Steilheit

    der Impulse. Auch war die Messung des Anodenpotentiales in der vorliegenden Ar¬

    beit nicht Selbstzweck, sondern musste im Zusammenhang mit anderen Messungen

    durchgeführt werden, wo eine Speisung der Zelle mit zerhacktem Gleichstrom nicht

    tragbar gewesen wäre (siehe Abschnitte über Impedanzmessungen, Gleichrichteref¬

    fekte und Abschaltkurven). Darum wurde die indirekte Methode nicht weiter ange¬

    wendet.

    2. Zellenkonstruktion

    Wie schon erwähnt liegt das Kernproblem der Messung des wahren Anoden¬

    potentiales im Koeffizienten iR. Sowohl Reduktion von R (Kapillare an der Anode),

    wie Elimination von i durch Ausschalten des Stromes (Unterbrechermethode) sind

    mit Nachteilen behaftet. Als gangbarer Ausweg blieb somit die Messung von iR und

  • - 25 -

    die nachfolgende Korrektur des gemessenen Potentiales um diesen Betrag. Der durch

    die Zelle fliessende Strom i kann leicht und mit guter Präzision ermittelt werden;

    ganz anders jedoch verhält es sich mit dem Widerstand.

    Die Forderung nach einem genau bekannten Abstand Anode-Sonde wird am ehe¬

    sten durch Plazieren derselben an der Kathode erfüllt, was auch das Problem der

    Abschirmung eliminiert. Somit wird R gleich dem Widerstand des Elektrolyten, wel¬

    cher jedoch nur bei einem symmetrischen Aufbau eindeutig definiert ist. Abgesehen

    von den Uebergangswiderständen an der Phasengrenze Anode/Elektrolyt und Kathode/

    Elektrolyt ist der Zellenwiderstand nur durch die Leitfähigkeit des Elektrolyten und

    die Geometrie der Zelle bestimmt.

    Bei einer Zellenkonstruktion, beste¬

    hend aus zylindrischer vertikaler Kathode

    und kreisrunder horizontaler Anode, wie

    sie in unserem Institut normalerweise ver¬

    wendet wurde, sind die Feldverhältnisse

    ziemlich undurchsichtig; zudem variiert

    das Niveau der Anode je nach Abnützungs¬

    grad. Eine theoretische Bestimmung des

    ohm'schen Widerstandes einer solchen Zel¬

    le ist daher kaum möglich: dieser kann

    nur durch Messung mittels einer Hochfre¬

    quenzmethode bestimmt werden. Schon im

    Bestreben, eine homogene Korrosion zu

    erreichen, ist jedoch eine einfache, sym¬

    metrische Zellengeometrie anzustreben.

    Der Forderung nach einem konstan¬

    ten Feldgradienten für eine Zelle mit einem Flächenverhältnis Anode:Kathode von

    mindestens 1:1000 werden nur wenige Konstruktionen gerecht. Bei drahtförmigen

    Anoden ist eine zylindersymmetrische Zelle mit koaxialer Anordnung der Elektroden

    vorteilhaft, wie Fig. 2 zeigt.

    Für diese berechnet sich der Widerstand des zwischen den beiden Elektroden

    eingeschlossenen Mediums mit dem spezifischen Widerstand 9 nach der grundlegen¬

    den Gleichung R = 9 1/q.

    Hier ist 1 = dr und q = 2-itrh, sodass dR

    Folglich ist

    Fig. 2. Zylindersymmetrische Zellemit koaxialer Elektroden¬

    anordnung

    g dr

    2irrh

    R dR2-irh

    dr

    r 2lThLn

    rl4)

  • - 26 -

    Fig. 3. Kugelförmige Zelle mit

    konzentrischer Elektroden¬

    anordnung

    Die Grenzfälle sind: -0

    -co

    R—OD

    R-«-OD

    Für unser stabförmig angeliefertes

    Anodenmaterial ergab sich als bessere

    Lösung eine kugelförmige Zelle (Fig. 3),

    da es notwendig war, die Anodenoberfläche

    klein zu halten, um das Grössenverhältnis

    Anode:Kathode mit einem tragbaren Auf¬

    wand zu realisieren.

    Mit den Ansätzen 1 = dr und q

    ergibt sich in diesem Falle:

    4irr

    R 9

    4lt

    dr

    r2JL(J_4ir ^r.

    ) 5)

    Die Grenzfälle sind: r>——0 .'. R—»-od

    ri- 0 .'. 4irri

    Wird der Radius der äusseren Kugel gegenüber demjenigen der inneren gross,

    so nähert sich R dem Grenzwert 9 /4irr,. Der Widerstand eines zwischen zwei Ku¬

    geln eingeschlossenen Mediums hängt also in diesem Falle nur vom Radius der klei¬

    nen Kugel ab und nicht vom Abstand der Elektroden. Der grösste Teil des Wider¬

    standes liegt in einer Kugelschale, in welche die kleine Kugel konzentrisch einge¬

    bettet ist und deren Radius ~10r., beträgt.

    Eine kugelförmige Zelle zu realisieren ist jedoch schon technisch nicht einfach;

    die Zuführung des Anodenanschlusses, die Zentrierung der Anode sowie die Herstel¬

    lung der nach jedem Versuch zu erneuernden Anodenkugel aus stabförmigem Materi¬

    al sind schwierig zu lösende Probleme. Es wurde darum beschlossen, eine halbku¬

    gelförmige Zelle nach Fig. 4 zu bauen, was eine elegante Lösung der oben erwähn¬

    ten Probleme erlaubt.

    Die Kathode K bestand aus einem zu einer Halbkugelschale gezogenen Reinnik-

    kelblech (im folgenden als Nickel "P" bezeichnet) von 20 cm Durchmesser; sie dien-3

    te gleichzeitig als Elektrolysiergefäss mit einem Inhalt von 2090 cm . Sie war in

    ein zylindrisches Plexiglasgefäss eingebaut; im ebenfalls aus Plexiglas bestehenden

    Deckel befand sich in einer Einkerbung eine PVC -Dichtung, auf welcher der freiliegende

    Rand der Kathode aufsass. Durch Anziehen von sechs aussen angeordnetenSchrauben mit

  • - 27 -

    1cm

    Fig. 4. Halbkugelförmige Elektrolysezelle

    A = Anode, K = Kathode, D = Durchführungen,

    P = Potentialsonde

    Flügelmuttern ergab sich eine vollständige Abdichtung. Im Deckel war eine zentrale

    Bohrung angebracht, in welche die in Araldit eingefasste Anode von 5 mm Durchmes¬

    ser so eingepasst wurde, dass die beiden Halbkugeln genau konzentrisch angeordnet

    waren *). Am Rand des Deckels waren noch die beiden Durchführungen D mit je ei¬

    nem kurzen Ueberlaufrohr angebracht; durch die eine führte die Potentialsonde P,

    welche über einen Karlsruher Hahn über gesättigte Natriumsulfatlösung und Agar-

    Agar-Heber mit der Referenzelektrode (NKE) verbunden war. In die andere Durch¬

    führung konnte ein Thermometer gesteckt werden. Am hinteren Teil der Kathode

    war als Stromzuführung ein schmales Nickelblechband punktgeschweisst, welches

    durch die Dichtung und den Deckel geführt war. Die Zelle konnte zu Reinigungs¬

    zwecken leicht und rasch demontiert werden. Der Raum zwischen dem Plexiglas-

    gefäss und der Kathode war mit Wasser gefüllt, da zuerst über zwei Stutzen An¬

    schluss an einen Umwälzthermostaten geplant war. Es zeigte sich jedoch, dass vom

    Motor her ein für die Impedanzmessungen nicht tragbares Rauschen induziert wurde.

    *) Das Abdrehen zu einer Halbkugel wurde vom Mechaniker mit einer Präzision vont 0,02 mm ausgeführt.

  • - 28 -

    Darum wurde die Zelle in einen Wasserthermostaten versenkt. Das System hatte

    durch die doppelte Isolierung (Plexiglasmantel und Wasserzwischenraum) eine sehr

    grosse thermische Trägheit; war der Elektrolyt nicht vorthermostatiert, so bean¬

    spruchte die Einstellung der Betriebstemperatur von 25,00 C einige Stunden; sie

    blieb dann jedoch auf lange Zeit absolut konstant. Dank der zusätzlichen Thermo-

    statierung des ganzen Experimentierraumes wurde eine Temperaturkonstanz des

    Elektrolyten von - 0, 02° erreicht. Der Elektrolytwiderstand der Zelle ist gleich

    dem Doppelten desjenigen einer Kugelzelle, also

    R = _2_(J_ . ±) 6)2ir Kr1 r2>

    Werden die Werte fürx und die der Elektrodenradien eingesetzt, so ergibt sich

    R = ç 0,6358 7)

    Der spezifische Widerstand ergab sich aus den tabellierten Werten oder durch Mes¬

    sung *).

    Das wahre Anodenpotential ergibt sich nun durch Korrektur des mit der Katho¬

    densonde gemessenen Potentiales um den bekannten Betrag von iR. Diese Messme¬

    thode ist jedoch auch mit einem Nachteil behaftet: die Korrektur wird bei jeder

    Aenderung des Stromes verschieden, sodass ein Konstanthalten des Potentiales,

    was durch Aenderung der Zellenspannung zu geschehen hat, bei rasch laufenden Vor¬

    gängen kaum mehr möglich ist. Sei Eintritt der Passivierung kommt die weitere

    Schwierigkeit hinzu, dass sich die unvermeidlichen Spannungsabfälle im Gleich¬

    stromkreis sowie ein Teil der Kathodenpolarisation auf die Anode verlagern, sodass

    die Passivierung den Verlauf eines raschen Kippvorganges annimmt.

    Ideal wäre die von uns gewählte Potentialmessmethode erst, wenn sie in Kom¬

    bination mit einem elektronischen Potentiostaten sowie automatischer und trägheits¬

    loser Korrektur um den iR-Term durchgeführt würde. Die Anwendung einer solchen

    Anordnung wurde u.E. noch nicht beschrieben.

    3. Einfluss des Anodenmater iale s

    Auf die grosse Rolle, welche die Zusammensetzung des Anodenmateriales auf

    den Verlauf der Stromspannungskurve, die Lage des kritischen Potentialgebietes

    *) Leitfähigkeitsmessbrücke "Philoskop" Philips GM 4249 und Messzelle GM 4221/01.

  • - 29 -

    und die maximal aufgenommene Stromdichte ausübt, wurde schon von TRÜMPLER

    und SAXER (81) hingewiesen. Es war zu erwarten, dass sich dieses unterschiedliche

    Verhalten auch in anderer Hinsicht widerspiegelt; darum wurden alle Versuche so¬

    wohl mit technisch reinem Nickel mit ca. 0, 5 % Verunreinigungen, welches hier als

    Nickel "P" *) bezeichnet wird, wie auch mit spektrographisch reinem Nickel, sog.

    Nickel "JM" **) mit ca. 0,04 % Verunreinigungen durchgeführt. Die genauen Analy¬

    sen finden sich bei TRÜMPLER und SAXER (82). Die Tatsache, dass die vielen Ar¬

    beiten, welche auf dem Gebiet der Nickelpassivität veröffentlicht wurden, entweder

    schwer vergleichbar sind oder oft verschiedenartige Resultate zeigen, ist sicher in

    erster Linie auf die Zusammensetzung des verwendeten Materiales und dessen me¬

    tallurgische Vorgeschichte zurückzuführen. Solche Angaben fehlen leider sehr oft.

    Es wäre darum wünschenswert, dass die verschiedenen Autoren genaue Analysen

    angeben, was die Gegenüberstellung der verschiedenen Arbeiten enorm erleichtern

    würde. Auch wäre somit eventuell eine selektive Zuschreibung von einzelnen Verun¬

    reinigungseffekten auf bestimmte Fremdatomsorten möglich, obwohl die Zusammen¬

    setzung an der korrodierenden Oberfläche infolge Anreicherungs- und Verarmungs¬

    erscheinungen vom Basismetall sehr verschieden sein kann und mit den heutigen

    Mitteln kaum erforscht werden kann.

    Die Wahl des Anodenmateriales fiel hier, in Anlehnung an die früheren Arbei¬

    ten, bewusst auf ein technisch reines Metall einerseits und ein höchstreines ander¬

    seits, um zwei extreme Fälle zu beschreiben. Die Einordnung der von vielen ande¬

    ren Autoren verwendeten Nickelqualitäten dürfte darum irgendwo dazwischen erfol¬

    gen.

    Schon die metallographischen Schliffbilder ***) zeigen, dass zwischen den bei¬

    den Nickelsorten erhebliche Unterschiede bestehen. Nickel JM (Fig. 5) besteht aus

    grossen Kristallen von maximal ca. 0, 5 mm Länge. Dazwischen ist eine grössere

    Anzahl von wesentlich kleineren Kristallen eingebettet; deren Länge beträgt ca.

    0,05 mm. Der Angriff durch das Aetzmittel erfolgt flächenartig. Nickel P dagegen

    hat ein wesentlich homogeneres Gefüge (Fig. 6): die Kristalle haben eine ziemlich

    einheitliche Länge von ca. 0,1 mm. Der Lochfrass durch das Aetzmittel ist stark

    ausgeprägt, wobei der maximale Durchmesser der Löcher 0,02 mm beträgt.

    Das verschiedenartige Verhalten der beiden Nickelsorten ist auch bei der Be¬

    trachtung des zeitlichen Verlaufes der anodischen Korrosion mit stufenweise erhöh-

    *) Pfannhauser Werke.**) Johnson & Matthey, London.

    ***) Die Aufnahmen wurden auf dem "REICHERT" Metallmikroskop der AbteilungSeltene Metalle, CIBA Aktiengesellschaft, Basel, ausgeführt.

  • - 30 -

    Fig. 5. Schhffbild von NickelJM. Vergrosserung 120 x.

    Aetzung mittels Salpeter saure + Eisessig.

    • ^ttT*«* \ Isaf m w$

    Fig. 6. Schhffbild von Nickel P. Vergrosserung und Aetzung wie bei Nickel JM.

  • - 31 -

    ter Stromdichte (bezogen auf die ideal glatte geometrische Fläche) sehr offensicht¬

    lich. Fig. 7 zeigt den Verlauf für Nickel P, Fig. 9 denjenigen für Nickel JM in 5 n

    Schwefelsäure, Fig. 8 den Verlauf für Nickel P in einem chloridhaltigen Elektroly¬

    ten (0, 2 n Schwefelsäure mit 2 n Nickelsulfat und 0,025 n Nickelchlorid). Die Anoden

    wurden nach jeder Belastungsstufe zuerst in destilliertes Wasser, dann in Feinsprit

    und zuletzt in Azeton getaucht und in einem speziellen Halter auf einer optischen

    Bank eingespannt. Eine Marke auf dem Aralditmantel erlaubte die immer gleiche

    Orientierung. Die Abbildung erfolgte im Massstab 1:1,5; die Bilder sind insgesamt

    8-fach linear vergrössert.

    Zu Fig. 7: Die Anode wurde frisch abgedreht und entfettet (a); die Drehspuren

    sind deutlich sichtbar. Zuerst wurde während 30 min mit ca. 6 mA/cm aktiviert (b);

    der anfängliche Glanz ist stark zurückgegangen, die Korrosion setzt an einer gros¬

    sen Anzahl Stellen gleichzeitig ein. Nach insgesamt 2 h Aktivieren (c) ist die ganze

    Oberfläche mit feinen Löchern übersäht. Nach 10 min Belastung mit 25 mA/cm (d)

    beginnt die Oberfläche grau zu werden; dieser Belag entwickelt sich in den zwei2 2

    nächsten Belastungsstufen (e: 10 min mit 50 mA/cm , f: 10 min mit 75 mA/cm ) zu

    einem tiefschwarzen, samtartigen Ueberzug, welcher nur sehr locker an der Ober¬

    fläche haftet. Die Korrosion läuft darunter ungehemmt weiter durch Vergrösserung

    der bestehenden sowie Bildung von neuen Löchern, welche einen maximalen Durch¬

    messer von ca. 0,02 mm erreichen. Bei (g) wurde das Potential über den kritischen

    Bereich getrieben und die Elektrode 10 min im Passivzustand belassen; die Oberflä¬

    che ist gegenüber (f) absolut unverändert. Dann wurde der schwarze Belag mit einem

    scharfen Wasserstrahl fast völlig entfernt (h); die blanke Metalloberfläche tritt her¬

    vor, an einzelnen Stellen bleibt er jedoch hängen. Solche Ueberzüge wurden vor kur¬

    zem ebenfalls von LANDSBERG und JUST (53) beschrieben. Sie arbeiteten mit einem

    99, 7-proz. Nickel; dieses ist also etwas reiner als unser Nickel P. Interessant ist

    hier die Feststellung, dass der schwarze Belag aus viel reinerem Nickel besteht

    als das Basismetall; der Gehalt an gegenüber Nickel unedleren Metallen ist stark

    abgesunken, während derjenige der edleren wenig verändert ist. Der Belag entsteht

    offenbar analog zur Bildung von Raney -Nickel; ein Dickenwachstum desselben mit

    der Belastungsdauer ist eindeutig feststellbar: gleichzeitig wird die Struktur locke¬

    rer. Die anodische Auflösung des darunter liegenden Metalles wird nicht merklich

    gestört; Versuche nach Entfernen des Belages zeigten genau den gleichen Aktivitäts¬

    grad. Es handelt sich offenbar um ein lockeres, schwammartiges Gebilde, welches

    sowohl mechanisch wie elektrisch nur sehr lose mit dem Basismetall zusammen¬

    hängt und für den Durchtritt der Ionen kein Hindernis bildet. Wie der Vergleich mit

    Fig. 8 zeigt, sind die sichtbaren Veränderungen an der Metalloberfläche nicht von

  • - 32

    W$

    1 mm

    Fig. 7. Korrosion von Nickel P in 5 n Schwefelsaure beistufenweise erhöhter anodischer Belastung

  • - 33 -

    1 mm

    Fig. 8. Korrosion von Nickel P in 0, 2 n Schwefelsaure mit 2 n Nickelsulfat und0,025 n Nickelchlorid bei stufenweise erhöhter anodischer Belastung

  • - 34 -

    der Zusammensetzung des Elektrolyten abhängig. Durch die Anwesenheit von Chlorid-

    ionen wird die Aktivität erhöht; es wird eine Stromdichte von 120 mA/cm erreicht9

    im Gegensatz zu nur 18 mA/cm im gleichen Elektrolyten ohne Chloridzusatz. Der

    Verlauf der Korrosion ist in grossen Zügen der gleiche wie bei 5 n Schwefelsäure;

    hier wurde jedoch die Anode mit feinem Schmirgelpapier poliert (No. 500) (a); die

    Aktivierung ist darum schwieriger. Nach anfänglich sehr kleiner Stromstärke stieg

    diese nach 30 min auf 2, 5 mA/cm (b); der ursprüngliche Glanz ist noch fast voll¬

    ständig erhalten. Nach 2 h Aktivieren (c) beginnt der sichtbare Angriff wieder an

    sehr vielen Stellen gleichzeitig. Nach 10 min bei 17, 5 mA/cm (d) ist ungefähr der

    gleiche Zustand erreicht wie bei Bild c von Fig. 5. Von hier erfolgte die Belastung

    je 10 min lang mit den Stromdichten 35 (e), 52,5 (f), 70 (g), 87,5 (h), 105 (i),

    122,5 mA/cm (k). (1) zeigt den unveränderten Zustand nach 10 min im Passivzu¬

    stand, (m) die blanke Elektrode nach Abspritzen des schwarzen Belages. Wie viele

    andere, hier nicht wiedergegebene Photoreihen zeigten, erreicht die Zerklüftung

    durchwegs mit einem Kraterdurchmesser von ca. 0,02 mm ein Maximum; das

    Wachstum der Krater ist durch die Ausbildung von neuen Angriffspunkten begrenzt.

    Vollständig verschiedenartig hingegen verläuft die Korrosion beim hochreinen Nik¬

    kei JM. Fig. 9 (a) zeigt die frisch abgedrehte und entfettete Elektrode. Nach 30 min2

    Aktivieren (b) bei einer Stromdichte von anfänglich 2 mA/cm , welche bei konstant2

    gehaltenem Potential bis auf 8 mA/cm stieg, ist der ursprüngliche Glanz verschwun¬

    den; die Oberfläche ist mattgrau. Nach insgesamt 2 Stunden Aktivieren (c) ist die

    durch die mechanische Bearbeitung gestörte Oberflächenschicht abgetragen: die

    Struktur des inneren Metalles wird deutlich sichtbar. Dieses besteht aus Kristalliten,

    welche zu regellos orientierten Bezirken von ca. 0,5 mm angeordnet sind; die Korn¬

    grenzen sind deutlich sichtbar. Das Wachstum von solch grossen Kristallen ist offen¬

    bar durch die Reinigung der Stäbe nach dem Zonenschmelzverfahren bedingt. An ein-2

    zelnen Stellen bilden sich Löcher. Nach 10 min Belastung mit 25 mA/cm (d) ist die2

    Anzahl der Löcher gestiegen; weitere 10 min mit 60 mA/cm (e) und 10 min mit2

    105 mA/cm (f) bringen aber nur noch eine Verbreiterung und Vertiefung der Löcher.2

    Nach 10 min mit 155 mA/cm (g) haben sich grosse Krater gebildet, welche sich im-2

    mer mehr ausdehnen (h: 10 min mit 190 mA/cm ), um bei (i) einen maximalen Durch-o

    messer von ca. 0, 5 mm zu erreichen (10 min mit 220 mA/cm ).Nach 10 min bei2

    230 mA/cm (k) bilden sich auf einzelnen Meridianen Ketten von Kratern, sodass

    sich eine sternförmige Struktur abzuzeichnen beginnt. Dies ist offenbar bedingt

    durch den Verlauf der natürlichen Konvektion der an der Phasengrenze mit Ni+ -Io¬

    nen angereicherten Lösung, welche vom Aequator zum Pol der halbkugelförmigen

    Anode strömt. Die Korrosion wird in den durch diese Strömung gebildeten Kanälen

  • k 1 m ;'

    1 mm

    Fig. 9. Korrosion von Nickel JM in 5 n Schwefelsäure beistufenweise erhöhter anodischer Belastung

  • - 36 -

    aktiviert. Nach dem Passivieren (1) kann keine wesentliche Veränderung festgestellt

    werden. Nach 2 h im Passivzustand ist die Oberfläche noch etwas glänzender gewor¬

    den, was durch den Glänzeffekt des kleinen Reststromes bedingt ist.

    Die wesentlichen Unterschiede der sichtbaren Veränderungen der beiden Nickel-

    Sorten bei der anodischen Auflösung sind in der nachfolgenden Tabelle zusammenge¬

    stellt:

    Nickel sorte

    Struktur

    Angriff

    Maximaler 0der Krater

    Aussehen nach

    längererBelastung

    Tabelle 1

    P (99,5%) JM(99,96%)

    Mikrokristallin Grobkörnig

    An sehr vielen Stellen An wenigen Stellen

    ca. 0,02 mm ca. 0, 5 mm

    Tiefschwarz durch

    locker haftenden Vollkommen glänzendNickelschwamm

  • - 37 -

    4. Impedanz von Elektrolysezellen

    4.1 Allgemeines

    Dass eine Elektrolysezelle kein rein ohmisches Schaltglied darstellt, ist eine

    altbekannte Tatsache. So schrieb ihr VARLEY (87) schon 1869 kapazitive Eigenschaf¬

    ten zu. Seither wurden der Messung von Elektrodenimpedanzen mittels Wechsel¬

    strommethoden viele Untersuchungen gewidmet, da man erkannte, dass diese Impe¬

    danzen von den kinetischen Vorgangen an der Phasengrenze bestimmt sind. KOHL¬

    RAUSCH (51) deutete auf Grund von Messungen an Platinelektroden die Phasengrenz-

    împedanz als reine Kapazität, deren Entstehung er der Belegung mit den an der

    Elektrode abgeschiedenen Gase zuschrieb. Somit bestände zwischen Strom und Poten¬

    tial eine Phasenverschiebung von 90°, was von WIEN (96) widerlegt wurde: er be¬wies durch seine Experimente, dass die Phasenverschiebung immer kleiner als 90

    ist. Er fand auch, dass der Betrag der Polansationskapazitat frequenzabhangig ist

    und die Elektrode noch einen ohm'schen Anteil zur Gesamtimpedanz beitragt.

    Einen weiteren Fortschritt brachte WARBURG (93), der erkannte, dass bei re¬

    versiblen Elektroden der Polansationswiderstand durch die vom Strom verursach¬

    ten Konzentrationsanderungen der potentialbestimmenden Stoffe bedingt ist. Dieser

    Polarisationswiderstand enthalt eine ohm'sche und eine kapazitive Komponente, die

    gleich gross und proportional l/\/cT sind. Daraus ergibt sich eine Phasenverschie¬

    bung von 45 . KRÜGER (52), der eine erste zusammenfassende Uebersicht dieses

    Themas gab, erklarte die experimentell gefundenen Abweichungen des Phasenwin¬

    kels vom theoretischen Wert durch Berücksichtigung der Doppelschichtkapazitat.

    Auch diskutierte er als erster die Wirkung einer vorgelagerten Reaktion. Diese

    Probleme wurden lange Zeit kaum mehr aufgegriffen, abgesehen von eimgen wenigen

    Arbeiten, z.B. diejenigen von MERRITT (57) und BECKER (3). 1947 untersuchte

    RANDLES (69) den Wechselstromdurchgang durch eine sich im Gleichgewicht befind¬

    liche Amalgamtropfelektrode. Durch Einsetzen der Randbedingungen in das 2. Fick'

    sehe Gesetz kann die Geschwindigkeitskonstante einer nur durch Diffusion kontrol¬

    lierten Reaktion als Funktion der Bestandteile des RC-Gliedes, welches die Reaktion

    charakterisiert, erhalten werden. Im Anschluss daran untersuchte GERISCHER (29)

    das Polansationsverhalten von Elektroden bei Wechselstromfluss fur verschiedene

    mögliche Reaktionsfolgen, besonders unter Berücksichtigung von vorgelagerten Re¬

    aktionen. Er fasst die Elektrode auf als eine Parallelkombination der Doppelschicht¬

    kapazitat mit einem sog. kinetischen Polansationwiderstand, welcher einem kom¬

    plexen Scheinwiderstand mit kapazitiver Komponente entspricht. Dieser lasst sich

  • - 38 -

    aufteilen in einen Anteil des Entladungsprozesses und einen Anteil der Transport-

    und Reaktionsprozesse der an der Reaktion beteiligten Stoffe. Aus dem Frequenz¬

    gang der R und C-Komponente des Polarisationswiderstandes sind Rückschlüsse

    möglich auf die Art des geschwindigkeitsbestimmenden Reaktionsschrittes und die

    Reaktionsfolge selbst.

    Eine umfassende theoretischer Behandlung dieser Probleme brachte GRAHAME

    (35); für den Fall einer sich im Gleichgewicht befindlichen, ideal glatten Elektrode

    leitet er die Faradayadmittanz für sechs verschiedene Substanzgruppen ab. Gegen¬

    über zeitlich veränderlichen Strömen ist die Elektrode durch zwei Eigenschaften

    charakterisiert: sie besitzt eine elektrostatische Doppel Schichtkapazität und es

    können elektrische Ladungen durch die Phasengrenze hindurchtreten. Der Elektro¬

    lysestrom teilt sich an der Elektrode in den Durchtrittstrom und den Ladestrom für

    die Doppelschichtkapazität. Die Grenzschicht kann somit als Parallelschaltung von

    zwei Impedanzen betrachtet werden; die nicht Faraday'sehe, d.h. diejenige der Dop¬

    pelschicht, welche den Frequenzgang einer reinen Kapazität aufweist, und die Fara-

    dayimpedanz. Im einfachsten Fall besteht diese aus dem einen rein ohm'schen Cha¬

    rakter aufweisenden Durchtrittswiderstand und einer sog. Warburgimpedanz, welche

    durch die Diffusion zustande kommt. Dieser Begriff wurde von GRAHAME (35) ein¬

    geführt in Anlehnung an die schon erwähnte 45 -Theorie. Die Impedanz eines solchen

    Systems ist proportional 1/ycj; der Strom läuft der Spannung um 45 voraus. Für

    den Fall, dass die an der Elektrode entstandenen Substanzen miteinander reagieren,

    in die eine Phase wegdiffundieren oder dass eine vorgelagerte Reaktion abläuft, kom¬

    men in Serie zur Warburgimpedanz noch weitere, frequenzabhängige Impedanzglie¬

    der, welche nicht durch eine endliche Kombination von Widerständen, Kapazitäten

    und Induktivitäten dargestellt werden können; deren Wert lässt sich jedoch aus der

    zugehörigen Differentialgleichung ermitteln. Besonders interessant ist der Fall, wo

    sich ein fest haftender Oberflächenfilm ausbildet. Ist dieser elektronenleitend, so

    bedingt er einen frequenzunabhängigen Widerstand, welcher sich dem immer vorhan¬

    denen Elektrolytwiderstand addiert. Ist er ionenleitend, so wird der Durchtrittswi¬

    derstand erhöht. Ist er weder elektronen- noch ionenleitend, so wird der Faraday-

    strom sehr klein: eine solche Schicht stellt einen guten Korrosionsinhibitor dar.

    Für den Fall der Bildung einer adsorbierten Oberflächenschicht, welche die

    Elektrodenkapazität erhöht, leitet ERSCHLER (10) von den KRÜGER'schen (52) Glei¬

    chungen ausgehend für die Bestandteile C und ir der Phasengrenzimpedanz aufgefasst

    als Parallel-RC-Glied folgende Ausdrücke ab:

  • - 39 -

    C2+ Cx 8)

    1,,2n 2 2

    1 + u C, r

    2„ 2u C, r

    X = 9)t

    2„ 2 21+ W C2 r

    C.. ist hier die Doppelschichtkapazität, C, die Adsorptionskapazität und r der sog.

    Entladungswiderstand, welcher durch folgenden Ausdruck gegeben ist:

    j 2L2nF2

    cFPUS

    0RT RT °\ 2

    10)

    Hier ist J die Austauschstromdichte, C die Konzentration des potentialbestimmen¬

    den Stoffes, und D dessen Diffusionskoeffizient.

    Die praktischen Anwendungen der Faradayimpedanzmessung lassen sich in

    zwei Hauptgruppen einteilen: die Bestimmung von Geschwindigkeitskonstanten und

    die Wechselstrompolarographie. Besonders einfach sind die kinetischen Verhältnis¬

    se auf diese Art an reversiblen Elektroden zu untersuchen: ist keine Durchtritts¬

    hemmung vorhanden, so ist die Faradayimpedanz identisch mit einer Warburgimpe¬

    danz. Auf Grund der Arbeiten von RANDLES und SOMERTON (70), (71) entwickelte

    sich die Messung der Faradayimpedanz zu einem wertvollen Instrument zur Untersu¬

    chung der Elektrodenkinetik, insbesondere von Redoxsystemen. Analog wurde von

    GERISCHER (30) die Reduktion von Zn+ an der hängenden Amalgamelektrode unter¬

    sucht. Bei Gleichstrompolarisation wird das Verhalten der Faradayimpedanz sehr

    kompliziert; diesbezügliche theoretische Studien stammen grösstenteils ebenfalls

    von GERISCHER (29),(31). Die meisten sonstigen Arbeiten wurden an sich im Gleich¬

    gewicht befindlichen Systemen durchgeführt.

    Es zeigte sich auch, dass die Messung der Faradayimpedanz bei der Aufnahme

    von polarographischen Wellen besonders interessant ist. GRAHAME (35) bewies,

    dass für die kapazitive Komponente (die sog. Pseudokapazität) beim Halbwellenpo-

    tential ein scharfes Maximum auftritt, während die ohm1 sehe Komponente (Polarisa¬

    tionswiderstand) ein Minimum durchläuft. Eine sehr eingehende theoretische Behand¬

    lung dieses Themas stammt von MATSUDA (56); in seiner Arbeit finden sich in Be¬

    zug auf reversible und irreversible Entladungsreaktionen explizite Ausdrücke für

    die Spitzenstromstärke, das Spitzenpotential und die Halbwertsbreite. Als besonders

    wertvoll erwies sich die Wechselstrompolarographie zur Analyse und Differenzierung

    bei überlagerten reversiblen und irreversiblen Wellen (10); auch ist ihr Auflösungs-

  • - 40 -

    vermögen wesentlich grösser als dasjenige der klassischen Gleichstrompolarogra-

    phie.

    Die bis jetzt erwähnten Arbeiten beziehen sich praktisch alle auf Quecksilber¬

    oder Amalgamelektroden. Dass sich die Messung der Faradayimpedanz ebenfalls

    zur Untersuchung von Vorgängen an festen Metallelektroden eignet, wurde in neuerer

    Zeit von KNORR, BREITER und Mitarbeitern gezeigt (28), (7), (6), (4). Das diesen

    Arbeiten zugrunde liegende Aequivalentschaltbild ist ein in Serie mit dem Elektrolyt¬

    widerstand liegendes Parallel-RC-Glied; die Kapazität ergibt sich als Summe von

    Doppelschichtkapazität und Pseudokapazität, während der ohm'sche Anteil von der

    Entladungshemmung und dem Verlustwiderstand obiger Kapazitäten herrührt. Das

    Verhalten der Komponenten der Phasengrenzimpedanz in Funktion der Polarisations¬

    spannung lässt sich mit den Ansätzen von GRAHAME (35) weitgehend quantitativ be¬

    schreiben; für den Fall von wasserstoffbespülten Edelmetallelektroden (Pt, Rh, Ir

    etc.) können aus den erhaltenen Kurven die relativen Gewichte von H-Adsorption,

    H„-Diffusion und H -Entladung bestimmt werden. Entsprechend der Theorie von

    GRAHAME (35) bewirkt die Adsorption von Wasserstoff eine sehr grosse Pseu-

    dokapazität von der Grössenordnung einiger tausend/aF/cm . Wesentlich verschie¬

    den ist die Situation in Bezug auf Sauerstoff: die beobachteten Kapazitätswerte sind

    für Platin um ca. einen Faktor 10 geringer, was nach BECKER und BREITER (4)

    auf eine starke Bindung an das Metall zurückzuführen ist. Die Wirkung selbst von

    sehr kleinen Frequenzen besteht nur in einer Beeinflussung der Ionendoppelschicht

    der adsorbierten Dipole (14),(15). An Iridium sind die Verhältnisse umgekehrt: die

    sehr grosse Pseudokapazität deutet auf lockere Bindung von Sauerstoff hin, welcher

    viel reaktionsfähiger als bei Platin ist. Besonders interessant ist der Befund an Ei¬

    sen; unmittelbar vor Einsetzen der Passivität ist eine auf Sauerstoffadsorption zu¬

    rückgeführte, sehr grosse Pseudokapazität vorhanden. Im fertig ausgebildeten Pas¬

    sivzustand sinkt diese Kapazität auf den Betrag der Doppelschichtkapazität (einige

    juF/cm ), was auf eine starke Bindung des offenbar sekundär gebildeten Passivoxy¬

    des hindeutet. Auf diese, die Adsorptionstheorie der Passivität stark unterstützende

    Tatsachen wird noch zurückgekommen. Was das Nickel betrifft, so ist in der Lite¬

    ratur diesbezüglich nur sehr wenig Material vorhanden. Es ist durchaus nicht er¬

    sichtlich, ob es in diesem Falle zur Ausbildung einer Pseudokapazität kommt. In

    der Arbeit von OKAMOTO (62), welcher das gleiche Ersatzschaltbild wie BREITER

    (6) verwendet, figurieren nur Resultate mit 1000 Hz von 0 mV (NHE) aus gemessen,

    sodass der somit erfasste Aktivbereich nur sehr schmal ist, und anderseits bei die¬

    ser hohen Frequenz die Wechselwirkung mit eventuell adsorbierten Stoffen sehr ge¬

    ring ist, da diese ja bekanntlich umso deutlicher zum Vorschein kommt, je tiefer

  • - 41 -

    die Messfrequenz ist. Die Frequenzabhängigkeit der Phasengrenzimpedanz ist rela¬

    tiv geringfügig; lineare Extrapolation ergibt bei Frequenz null eine ohm'sche Kom¬

    ponente von höchstens 1000 Ohm. Auch auf diese Befunde soll noch zurückgekommen

    werden.

    Abschliessend sei in Bezug auf die hier beschriebenen Aequivalentschaltbilder

    bemerkt, dass zur Wiedergabe des Verhaltens der Zelle das Bild durch ein die zwei¬

    te Elektrode darstellendes Netzwerk ergänzt werden muss. Ist die Oberfläche der

    zweiten Elektrode jedoch viel grösser als diejenige der ersten (mindestens um einen

    Faktor 100), so ergibt sich für die grosse Elektrode ein vernachlässigbarer Wert

    der Faradayimpedanz, da diese umgekehrt proportional zur Fläche ist. Das Aequi-

    valentschaltbild einer unsymmetrischen Zelle (in Bezug auf die Elektrodendimensio¬

    nen) reduziert sich demgemäss auf die in Serie zum Elektrolytwiderstand liegende

    Phasengrenzimpedanz der kleinen Elektrode.

    4.2 Apparative Probleme

    Zur Ermittlung der Zellenimpedanz wird allgemein die Relativmessung ver¬

    wendet, d.h. der Vergleich der unbekannten Impedanz mit bekannten Schaltgliedern.

    Die gebräuchlichste Schaltung dieser Art ist die Wheatstone'sche Brücke. Wird die¬

    se in der einen Diagonale mit Wechselspannung gespiesen, so herrscht in der ande¬

    ren Diagonale Strom- und Spannungslosigkeit, wenn die Abgleichbedingungen in Be¬

    zug auf Blind- und Wirkwiderstand erfüllt sind. Die getrennte Messung dieser beiden

    Komponenten kann am einfachsten unter Verwendung eines Kathodenstrahloszillogra-

    phen als Nullinstrument durchgeführt werden. Im allgemeinen Fall, dass die Un¬

    gleichheitsspannung gegenüber der Speisespannung phasenverschoben ist und die

    Brücke auch in Bezug auf die Realkomponente nicht abgeglichen ist, entsteht auf dem

    Leuchtschirm eine schief stehende Ellipse. Durch Abgleich des Blindwiderstandes

    degeneriert diese zu einer schief stehenden Geraden, der Abgleich der ohm'schen

    Komponente bringt erstere in die horizontale Lage. Ein weiterer Vorteil dieser Me¬

    thode ist, dass die Winkeländerung in der Nähe des Brückengleichgewichtes am

    grössten ist; diese prinzipiell beliebig hoch züchtbare Nullempfindlichkeit nimmt

    mit der Brückenunsymmetrie rasch ab, was eine hohe Ueberlastungsunempfindlich-

    keit zur Folge hat. Das Vergleichsglied zur gemessenen Zelle kann im Prinzip eine

    beliebige RC-Kombination sein; es wird bei sinusförmigem Wechselstrom immer

    ein Abgleich möglich sein, wobei sich die R und C-Werte so einstellen, dass sich

  • - 42 -

    gegenüber der Zelle gleiche Gesamtimpedanz und gleicher Phasenwinkel ergeben.

    Ist der Elektrolytwiderstand der Zelle bekannt, so kann fur diesen ein separater,

    gleich grosser Widerstand im Vergleichszweig eingesetzt werden; der Abgleich muss

    dann nur noch fur die Phasengrenzimpedanz durchgeführt werden. Wird die Brücke

    hingegen mit rechteckigem Wechselstrom gespiesen, so ist ein Abgleich nur bei Vor¬

    liegen eines exakten Aequivalentschaltbildes im Vergleichszweig möglich. Die Recht¬

    eckspannung besteht ja aus Sinusspannungen aller Frequenzen, wobei die Repetitions-

    frequenz stark überwiegt; die Amplitude der höheren Frequenzen sinkt proportional

    zur Entfernung von dieser Frequenz ab. Jedes Element einer Impedanz muss sepa¬

    rat abgeglichen werden und kann somit im Prinzip individuell gemessen werden. Wie

    schon erwähnt besteht die Phasengrenzimpedanz aus mindestens vier, meistens je¬

    doch noch mehr Bestandteilen mit zum Teil speziellen Frequenzabhangigkeiten, so¬

    dass ein separater Abgleich innert nutzlicher Zeit kaum mehr durchfuhrbar ist. Die

    Speisung mit sinusförmigem Wechselstrom ist darum vorzuziehen.

    Die Impedanzmessung einer belasteten Zelle ist im Prinzip sehr einfach; es

    ist lediglich dafür zu sorgen, dass Gleich- und Wechselstromkreis voneinander ge¬

    trennt sind. Es wird darum notwendig, in Serie zur Zelle und in den Vergleichszweig

    Kapazitäten einzuschalten; die Sperrung des Gleichstromkreises gegenüber dem

    Wechselstrom ist bei galvanostatischer Zellenspeisung automatisch durch den gros¬

    sen Vorwiderstand gegeben. Fur potentiostatische Messungen ist das Einfügen einer

    mederohmigen Drossel mit möglichst hoher Induktanz notwendig. Die im Handel er¬

    hältlichen Messbrucken haben wohl eine sehr hohe Empfindlichkeit, welche nur durch

    den Rauschabstand des Signales und das Auflösungsvermögen des Nulhndikators be¬

    grenzt ist. Sie sind jedoch oft nur auf eine einzige Frequenz abgestimmt. Es wurde

    darum versuchsweise eine solche Brücke fur die Verwendung in einem breiten Au-

    diofreqenzgebiet gebaut. Es zeigte sich jedoch, dass ein solches Vorhaben sich nicht

    mit einfachen Mitteln durchfuhren lasst; die gemessenen Effekte waren durch diver¬

    se Storwirkungen stark beeinträchtigt. Bei höheren Frequenzen wird insbesondere

    der Einfluss der Verdrahtungsinduktivitat und derjenigen der Abgleichkondensatoren

    sehr spurbar. Zudem weisen die handelsüblichen Kondensatoren, welche die Gleich¬

    stromsperrung der Brücke bewirken sollten, eine gewisse Streuung ihrer Kapazitats-

    werte auf; werden zur Korrektur weitere Kondensatoren eingefugt, so stört wieder

    deren Induktivität, was einem circulus vitiosus gleichkommt. Zur Korrektur dieser

    Effekte musste fur jede Frequenz die Brücke neu symmetnert und phasenkorrigie¬

    rende Glieder eingeführt werden, was eine praktische Messung sehr in Frage stellt.

    Darum wurde das Prinzip der Wheatstone-Brucke wieder verlassen zugunsten der im

    nächsten Abschnitt beschriebenen Methode.

  • - 43 -

    4.3 Verwendete Apparatur

    Die Elektrolysezelle liefert in Bezug auf Widerstandsmessung nur zwei ein¬

    deutige Informationen: ihre Gesamtimpedanz und der zugehörige Phasenwinkel. Je¬

    des Ersatzschaltbild ist problematisch, weil die Faradayimpedanz durch kinetische

    Effekte bedingt ist. Sie kann in Bezug auf ihre Frequenzabhängigkeit nicht durch ei¬

    ne endliche RC-Kombination dargestellt werden.

    Impedanz und Phasenwinkel können aber sehr einfach und elegant mit einer Ab¬

    art der Transformatorbrücke gemessen werden. Das Prinzip besteht darin, dass in

    Serie zur Zelle ein variabler, induktionsloser Präzisionswiderstand geschaltet wird.

    Am Widerstand ist der Strom mit der Spannung in Phase; an der Zelle stellt sich

    eine kapazitiv bedingte Phasenverschiebung ein. Das Amplitudenverhältnis der Sig¬

    nale ist gegeben durch das Verhältnis vorgelegter Widerstand:Zellenimpedanz. Durch

    Kenntnis des Amplitudenverhältnisses und des Phasenwinkels ist das Problem bereits

    gelöst. Die effektive Messung kann nun nach verschiedenen Methoden erfolgen, je

    nach Präzisionsanforderungen und der für eine Messung zur Verfügung stehenden

    Zeit. Die Impedanzmessung kann durch Messung der Spannungsabfälle über Zelle

    und Widerstand erfolgen oder durch Abgleich des Widerstandes auf Gleichheit der

    Spannungsabfälle. Der an der Dekade abgelesene Wert ist in letzterem Falle gerade

    gleich dem Absolutwert der Zellenimpedanz. Zur Messung des Phasenwinkels be¬

    stehen verschiedene Möglichkeiten; diese kann z.B. mit einem direktanzeigenden

    Phasenmeter durchgeführt werden, auf dem Oszillographen nach der Lissajousme-

    thode oder auf dem Zweistrahloszillographen durch gleichzeitige Abbildung des Be¬

    zugs- und des phasenverschobenen Signales. Letztere Methode ist besonders ein¬

    fach, weil die photographisch registrierten Oszillogramme ohne Widerstandsab-

    gleich die benötigten Informationen enthalten, nämlich die beiden phasenverschobe¬

    nen Signale mit dem Impedanzverhältnis entsprechenden Amplituden. Diese Metho¬

    de gestattet ein sehr rasches Messen; die Auswertung, welche nach zwei Kriterien

    durchgeführt werden muss, dauert entsprechend länger; zudem ist die Phasenmes¬

    sung nicht sehr genau. Es wurde beschlossen, nach der Variante Lissajousmethode

    mit Impedanzabgleich zu arbeiten; der Abgleich beansprucht wohl einige Zeit; die

    Genauigkeit, welche mit relativ bescheidenen Mitteln erreicht werden kann, ist je¬

    doch recht gut.

    Das bekannte Prinzip dieser Phasenmessung besteht darin, dass die Spannung

    am Widerstand auf die X-Platten, die Spannung an der Zelle auf die Y-Platten des

    Oszillographen gegeben wird. Die durch Addition der phasenverschobenen Signale

    gebildete Ellipse ist ein Mass für den Phasenwinkel unabhängig vom Verstärkungs-

  • - 44 -

    grad der beiden Signale: der Sinus des

    Phasenwinkels ist bekanntlich gleich dem

    Verhältnis des von der Ellipse geschnitte¬

    nen Stückes der Abszisse oder Ordinate

    zur Länge der Projektion der Ellipse auf

    die entsprechende Achse:

    sin

  • - 45 -

    Fig. 11. Apparatur zur Messung von Impedanz und Phasenwinkel

    RC-GEN = RC-Generator, TR = Transformator, C = 32 juF, R = Wider¬standsdekade, Z = Zelle, V = Millivoltmeter, A = Milliamperemeter,DR = 20 Hy, KG = Stab. Gleichrichter, RE = Referenzelektrode (NKE),RV1 = Röhrenvoltmeter, RV2 = Audiofrequenzröhrenvoltmeter, V2 =

    Zweikanalverstärker, KO = Kathodenstrahloszillograph, s = Schalter.

    kleinem Verlustwinkel und genau bekannter Kapazität *) und einer induktionslosen

    Präzisionswiderstandsdekade eingesetzt. Es zeigte sich, dass der Phasenwinkel mit

    einer Präzision von ca. 3 % im Bereich von 2-80 gemessen werden konnte. Pha¬

    senwinkel unterhalb 1, 5 konnten nicht mehr aufgelöst werden, während solche von

    über 80 wegen des flachen Anstieges der Sinusfunktion in diesem Bereich nur mit

    beschränkter Genauigkeit gemessen werden konnten. Durch die Induktivität der Ver¬

    drahtung sowie die unvermeidliche Unsymmetrie der Verstärkerkanäle ergab sich

    bei 40 kHz ein Messfehler von ca. 5,welcher durch ein nur bei dieser Frequenz

    eingeschaltetes RC-Glied am horizontalen Eingang des Oszillographen korrigiert

    wurde. Die Präzision der Impedanzmessung war durch die Aufteilung der Dekade

    (0,1 Ohm) beschränkt; immerhin konnte durch Abschätzen des Amplitudenverhält¬

    nisses der Signale an RV2 leicht auf 0, 05 Ohm gemessen werden.

    Alle Verbindungen waren möglichst kurz ausgeführt und abgeschirmt; zusam¬

    men mit den Masseanschlüssen der Geräte waren die Abschirmungen zur Vermei¬

    dung von parasitären Erdschleifen an einem einzigen Punkt zentral geerdet. Die

    Amplitude des Prüfsignales wurde so gewählt, dass an der Zelle nicht mehr als 5

    *) Die Kondensatoren wurden in verdankenswerter Weise von dipl.Ing. F . Stuberim Physikalischen Institut der Eidg. Technischen Hochschule ausgemessen.

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    bis 6 mV eff. lagen; die Anwendung von solch schwachen Signalen ist notwendig, um

    Fälschungen des Potentiales durch Faradaygleichrichtung zu vermeiden (es wird dar¬

    auf im Kapitel 5 noch zurückgekommen), sowie um Verzerrungen, welche insbeson¬

    dere im nichtlinearen Teil der Strom spannungskurve auftreten können, auszuschlies-

    sen. Bei 40 kHz musste wegen der bei dieser Frequenz bereits verringerten Emp¬

    findlichkeit des Oszillographen die Amplitude auf 8-10 mV erhöht werden, was je¬

    doch ohne Nachteil durchgeführt werden konnte. Der Vorverstärker V2, dessen bei¬

    de Kanäle mechanisch und elektrisch streng symmetrisch aufgebaut waren, war auf

    eine 30-fache Spannungsverstärkung eingestellt.

    4. 4 Ausführung und Auswertung der Versuche

    Es wurden Impedanz und Phasenwinkel für Nickel "P" und "JM" in Schwefel¬

    säurekonzentrationen von 0,2 - 10 n unter stufenweise erhöhter Belastung vom

    stromlosen Zustand bis ins Passivgebiet gemessen. Gleichzeitig wurde das Anoden¬

    potential mit der Kathodensonde gemessen und dieses um den bekannten Betrag iR

    korrigiert. Um die Messungen untereinander vergleichbar zu machen, was beim be¬

    kannten, schwer reproduzierbaren Verhalten der JM-Elektrode nicht leicht ist,

    wurde ein Aktivierungsprozedere ermittelt, dank welchem mit praktisch vollständi¬

    ger Sicherheit ein ausreichender Aktivitätsgrad erreicht werden konnte. Die für je¬

    den Versuch neu abgedrehte Anode wurde, nach sorgfältigem Entfetten, in die Zelle

    eingesetzt und ein Potential von ca. -50 mV eingestellt. Durch zeitweiliges Nachre¬

    gulieren dieses Potentiales konnte die Aktivierung durch den Anstieg des Stromes

    leicht verfolgt werden, bis ein konstantes Verhalten das Erreichen der maximalen

    Aktivität anzeigte. Dieser Zustand war nach zwei Stunden praktisch immer erreicht.

    Die viel leichter aktivierbare P-Elektrode wurde, um einen möglichst gleichen An¬

    fangszustand zu schaffen, der gleichen Behandlung unterworfen. Das Anätzen der

    Oberfläche bringt auch den Vorteil, dass die auf eine ideal glatte Oberfläche bezo¬

    genen Stromdichten, welche natürlich wegen der sich einstellenden Zerklüftung zu

    hoch sind, sich im weiteren Verlauf der Messreihe weniger stark verändern, als

    dies gegenüber der frisch abgedrehten und u. U. polierten Anode der Fall wäre.

    Nach erfolgter Aktivierung wurde das Potential durch Erhöhen der Zellenspannungin durch einen Vorversuch für jeden Elektrolyten im Voraus bestimmten Stufen er¬

    höht und der sich nach Ablauf von 2 min einstellende konstante Strom abgelesen.

    Dann wurden Impedanz und Phasenwinkel mit den Frequenzen 0,09, 1, 4, 8, 15 und

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    40 kHz gemessen, die Impedanz durch Abgleichen der Spannungsabfälle über Dekade

    und Zelle, der Phasenwinkel durch photographische Registrierung der am Oszillo¬

    graphen erscheinenden Lissajousfigur, was insgesamt 4 min beanspruchte. Um das

    Eindringen in die instabilen Zustände bei Eintritt der Passivierung zu vermeiden,

    wurde vor dem durch Vorversuche approximativ ermittelten kritischen Potential

    durch einen starken Spannungsstoss die Passivität herbeigeführt. Nach Einstellen

    eines konstanten Reststromes in einem deutlich passiven Potentialgebiet wurde im

    Passivgebiet selbst weitergemessen. Dieses Prozedere ist mit zwei Nachteilen be¬

    haftet: erstens entspricht die letzte Potentialstufe nicht dem kritischen Potential;

    dieses ist u.U. nicht unwesentlich positiver. Es war beabsichtigt, vor Eintreten der

    Passivität noch einen eindeutig aktiven Zustand zu erfassen, ohne die Gefahr zu lau¬

    fen, dass mitten in der Messung Passivität eintrete. Zudem liegt zwischem der er-

    fassten Aktiv- bzw. Passivgebiet eine Lücke, welche dem Oszillations- und Reakti-

    vierungsbereich entspricht. Dieses Gebiet wurde vernachlässigt, da man nach dem

    letzten Aktivpunkt einen eindeutig passiven Zustand ausmessen wollte. Natürlich

    wäre im Prinzip auch die Erfa