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Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns Sibylle Wagener Working Paper No. 46 August 2003 k* b 0 k B A M AMBERG CONOMIC ESEARCH ROUP B E R G Working Paper Series BERG on Government and Growth Bamberg Economic Research Group on Government and Growth Bamberg University Feldkirchenstraße 21 D-96045 Bamberg Telefax: (0951) 863 5547 Telephone: (0951) 863 2547 E-mail: [email protected] http://www.uni-bamberg.de/sowi/economics/wenzel/berg ISBN 3-931052-41-9

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Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns

Sibylle Wagener

Working Paper No. 46 August 2003

k*

b

0 k

BAM

AMBERGCONOMIC

ESEARCHROUP

BERG

Working Paper SeriesBERGon Government and Growth

Bamberg Economic Research Group on Government and Growth

Bamberg University Feldkirchenstraße 21 D-96045 Bamberg

Telefax: (0951) 863 5547 Telephone: (0951) 863 2547

E-mail: [email protected] http://www.uni-bamberg.de/sowi/economics/wenzel/berg

ISBN 3-931052-41-9

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Fiskalischer Föderalismus

Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns

von

Sibylle Wagener ∗

Abstract

Seit Beginn der neunziger Jahre befindet sich Ungarn in einem Transformationsprozess, der

es hin zu einer Marktwirtschaft westlicher Ausprägung als demokratischer Staat trägt. Teil

dieses Transformationsprozesses war und ist es, einen föderalen Finanzausgleich zu kreieren

bzw. aufgrund hinzugetretener Herausforderungen weiterzuentwickeln. Die Implementierung

des fiskalischen Föderalismus ist nur ein Teil des Transformationsprozesses, der mit den an-

deren Problemkreisen der Transformation eng verbunden ist. Das zeichnet die besondere

Schwierigkeit der Errichtung eines Systems des föderalen Finanzausgleichs in Transformati-

onsstaaten aus. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zu leisten, anhand theoretischer Be-

trachtungen das derzeit in Ungarn bestehende System des föderalen Finanzausgleichs hin-

sichtlich der dezentralen Ebene zu erfassen, darauf aufbauend Reformbedarfe zu identifizieren

und potentielle Reformlösungen aufzuzeigen.

Die Forschungen ergeben ein eindeutiges Bild: das System des ungarischen föderalen Finanz-

ausgleichs ist gemessen an den aus der ökonomischen Theorie des fiskalischen Föderalismus

abgeleiteten Anforderungen an einen optimalen föderalen Finanzausgleich zu reformieren.

Betrachtungen möglicher Reformoptionen und der Reformmodelle, die derzeit in Ungarn dis-

kutiert werden, sind entsprechend im Blickwinkel der Untersuchung.

Keywords: Fiskalischer Föderalimus, Ungarn, fiskalische Externalitäten, Europäische Union, Finanzausgleich

JEL Classification: H77, O52, H41

∗ Lehrstuhl für VWL und Finanzwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität [email protected]

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Vorwort des Herausgebers

Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des Lehr- und Forschungs-

netzwerkes das in den vergangenen drei Jahren zwischen den Universitäten

Bamberg, Budapest, Sarajevo und Tirana im volkswirtschaftlichen Bereich

aufgebaut wurde. Durch die Förderung des Netzwerkes über den DAAD aus

Mitteln des Stabilitätspaktes SOE konnten sich enge Kontakte in Lehre und

Forschung zwischen den Kooperationspartnern entwickeln. Es wurden

Curricula im Bereich European Economic Studies (EES) angeglichen, es

konnten Forschungsaufenthalte an den Partneruniversitäten organisiert und

eine Vielzahl von studentischen Austauschmaßnahmen finanziert werden.

Der vorliegende Band ist ein Ergebnis dieser Netzwerkbildung. Dem DAAD

sei dafür gedankt, dass diese Aktivitäten möglich gemacht werden konnten.

Bamberg im Juli 2003 Prof. Dr. H.-Dieter Wenzel

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I

Dankesworte der Autorin

Durch den Aufenthalt in Budapest vom 02. bis 07. Februar 2003 konnte ich wesentliche Informationen

für diese Arbeit sammeln. Ich bedanke mich herzlich bei meinen Interviewpartnern Frau Dr. Zsófia

Kiss und Frau Judit É. Rozsi (beide ungarisches Finanzministerium), Herrn Dr. András Vigvári (ÁSZ

FEMI Research and Development Institute of the SAO), Herrn Sándor Temesi (IXth District/

Ferencváros), und Herrn Dr. Joszéf Sivák (Prime Minister’s Office) für ihre Bereitwilligkeit zu den

Gesprächen und ihre umfangreichen und aufschlussreichen Auskünfte.

Ferner danke ich herzlich Herrn Prof. Dr. Dietmar Meyer und Herrn Dr. László Balogh (beide

Budapest University of Economic Sciences and Public Administration) für ihre vielseitige Hilfe, insb.

bei der Organisation des Aufenthaltes. Ohne sie wäre die Reise nicht annähernd so fruchtbringend

gewesen. Besonders bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Heinz-Dieter Wenzel für die Betreuung der

Arbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und dafür, dass er den Aufenthalt in Budapest

angeregt, erst ermöglicht und unterstützt hat.

Mainz, im Juli 2003 Sibylle Wagener

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II

Inhaltsverzeichnis

Dankesworte der Autorin I Inhaltsverzeichnis II Abkürzungsverzeichnis V Abbildungsverzeichnis VI Tabellenverzeichnis VI

A Einleitung 1

B Theoretische Grundlagen 3 1 Der vertikale Finanzausgleich 5

1.1 Der passive Finanzausgleich 6 1.1.1 Allokation 7

1.1.1.1 Nationale öffentliche Güter 7 1.1.1.2 Lokale öffentliche Güter 7

1.1.2 Distribution 15 1.1.3 Stabilität 17 1.1.4 Kriterium der politischen Partizipation 19 1.1.5 Zusammenfassung 20 1.1.6 Aufgaben und Ausgaben 21

1.2 Der aktive Finanzausgleich 22 1.2.1 Tax Assignment 23

1.2.1.1 Distribution und Stabilität 25 1.2.1.2 Allokation 25

1.2.2 Intergouvernmentale Transfers 27 1.2.2.1 Zuweisungen 28 1.2.2.2 Revene Sharing 31

1.2.3 Tax Administration 33 1.2.3.1 Vorteile und Nachteile der Verteilung der

Verwaltung auf einzelne Ebenen 34 1.2.3.2 Problembereiche 34

1.2.4 Staatsverschuldung 35 1.2.5 Zusammenfassung 38

1.2.5.1 Einkommensteuer 38 1.2.5.2 Grundsteuern 40 1.2.5.3 Steuern auf natürliche Ressourcen 41 1.2.5.4 Überblick 42

2 Der horizontale Finanzausgleich 442.1 Bestimmung der Finanzkraft einer Jurisdiktion 45 2.2 Bestimmung des Finanzbedarfs einer Jurisdiktion 45 2.3 Verhältnis der Finanzkraft zum Finanzbedarf 47

3 Neuere Forschungsrichtungen 49 3.1 Fiskalische Externalitäten 49 3.2 Supranationalität am Beispiel der EU 58

3.2.1 Passiver Finanzausgleich-EU 59 3.2.1.1 Allokation 59 3.2.1.2 Distribution 60 3.2.1.3 Stabilität 60

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III

3.2.2 Aktiver Finanzausgleich-EU 613.2.2.1 Allokation 613.2.2.2 Distribution 623.2.2.3 Stabilität 62

3.2.3 Praxis des EU-Finanzausgleichs 633.2.3.1 Aufgaben 633.2.3.2 Einnahmen 65

3.2.4 Die EU-Osterweiterung 67

C Studie Ungarns 69 4 Der ungarische Finanzausgleich 71

4.1 Die neue Struktur der Staatsebenen 71 4.1.1 Local Governments 72

4.1.1.1 Municipalities 73 4.1.1.2 Counties 74 4.1.1.3 Municipalities und Counties 75

4.1.2 Regionale Staatsebene 76 4.1.3 Zusammenfassung 79

4.2 Der passive Finanzausgleich in Ungarn 80 4.2.1 Aufgaben der Local Governments 80

4.2.1.1 Aufgaben der Municipalities 81 4.2.1.2 Aufgaben der Counties 83 4.2.1.3 Aufgabenzuordnung in Budapest 84 4.2.1.4 Aufgaben und Ausgaben 85 4.2.1.5 Die Ausführung der Aufgaben 86

4.2.2 Vergleich der Aufgabenzuordnung auf die Local Governments mit der normativen Theorie 87 4.2.2.1 Subsidiarität, Konnexität, Autonomie 87 4.2.2.2 Allokation 88 4.2.2.3 Distribution und Stabilität 91 4.2.2.4 Kriterium der politischen Partizipation 92

4.3 Der aktive Finanzausgleich in Ungarn 93 4.3.1 Gebühren und Beiträge 94 4.3.2 Tax Assignment 95

4.3.2.1 Business Tax (lokale Gewerbesteuer) 96 4.3.2.2 Communal Tax ( Kommunalsteuer) 97 4.3.2.3 Land Tax (Landsteuer) 97 4.3.2.4 Property Tax (Vermögensteuer) 98 4.3.2.5 Tax on Tourism (Fremdenverkehrsteuer) 98 4.3.2.6 Bewertung des Tax Assignments 99

4.3.3 Intergouvernmentale Transfers 101 4.3.3.1 Zuweisungen 102 4.3.3.2 Bewertung des Zuweisungssystems 106 4.3.3.3 Revenue Sharing 107 4.3.3.4 Bewertung des Revenue Sharings 110 4.3.3.5 Sonderrolle Budapests 112 4.3.3.6 Staatsverschuldung 112 4.3.3.7 Tax Administration 114

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IV

5 Reformbedarf des ungarischen Finanzausgleichs? 116 5.1 Weitere Gründe für eine Reform des ungarischen Finanzausgleichs 116

5.1.1 Horizontale Unausgewogenheiten 116 5.1.2 Hohe Fragmentierung der Ebene der Local Governments 117 5.1.3 Beitritt Ungarns in die EU 117

5.2 Aktuelle Reformbestrebungen 118 5.2.1 Reformvorschlag I („County-Lösung“) 118 5.2.2 Reformvorschlag II („Regionen-Lösung“) 119

D Schlusswort 122

Anhang A-G VII-XII Interviewpartner XIII Literaturverzeichnis XIV

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V

Abkürzungsverzeichnis

a.a.O. am angegeben Ort Abb. Abbildung Abt. Abteilung Art. Artikel Bd. Band BEZ Bundesergänzungszuweisungen BHO Bundeshaushaltsordnung BIP Bruttoinlandsprodukt BSP Bruttosozialprodukt bspw. beispielsweise bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise C Konsumfunktion C c.p. ceteris paribus D Demand, Nachfrage d.h. das heißt EAGFL Europäischer Ausrichtungs- und

Garantiefonds für die Landwirtschaft EEC European Economic Community EFRE Europäische Fonds für

regionale Entwicklung EG Europäische Gemeinschaft EGKS Europäische Gemeinschaft für

Kohle und Stahl EGV EG-Vertrag einschl. einschliesslich ESF Europäischer Sozialfonds et al. et altera etc. et cetera EU Europäische Union EUV EU-Vertrag evtl. eventuell f folgende ff fortfolgende FIAF Finanzinstrument für die

Ausrichtung der Fischerei FN Fußnote GAP Gemeinsame Agrarpolitik GATT General Agreements on

Tariffs and Trade gem. gemäß GG Grundgesetz

HUF ungarische Forint i.d.R. in der Regel i.d.S. in diesem Sinne i.e. id est inkl. inklusive insb. insbesondere i.S. im Sinne i.V.m. in Verbindung mit m.E. meines Erachtens MwSt Mehrwertsteuer No Nummer o.ä. oder ähnliches o.E.d.A. ohne Einschränkung der Allgemeinheit öff. öffentlich o.g. oben genannter PIT Personal Income Tax resp. respektive S Supply, Angebot S. Seite, Seiten s. siehe s.o. siehe oben sog. sogenannt s.u. siehe unten T Tax, Steuer Tab. Tabelle u.a. unter anderen, unter anderem u.ä. und ähnliches usw. und so weiter u.U. unter Umständen u.v. unter vielen u.v.a. und viele andere u.v.m. und viele mehr VAT Value Added Tax, Mehrwertsteuer Vgl. Vergleiche Y Yield, Einkommen z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil

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VI

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Wohlfahrtsgewinne der dezentralen Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter 10

Abb. 2: Überblick über die Aufgabenzuordnung auf die föderalen Ebenen 21

Abb. 3: Überblick über den aktiven vertikalen Finanzausgleich 23

Abb. 4: Überblick über die tendenzielle Steuerzuordnung 27

Abb. 5: Überblick über die tendenzielle Steuerzuordnung an ausgewählten Beispielen 43

Abb. 6: Horizontale Unausgewogenheiten 45

Abb. 7: Direkte und indirekte fiskalische Externalitäten 50

Abb. 8: Externalitäten-Matrix 51

Abb. 9: Tax Base Overlap 54

Abb. 10: County-Lösung 118

Abb. 11: Regionen-Lösung 120

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Municipalities nach Größe in 2000 73

Tab. 2: Anzahl der Local Governments nach Art (in administrativen Einheiten) 74

Tab. 3a: Regionale Entwicklungsinstitutionen 77

Tab. 3b: Regionale Entwicklungsinstitutionen (Fortsetzung) 78

Tab. 4: Verpflichtende Aufgaben der Municipalities gem. Law on Local Self-Government 81

Tab. 5: Wesentliche Aufgaben der Counties gem. Law on Local Self-Government 83

Tab: 6: Aufgaben des Municipal Gouvernments Budapests 84

Tab. 7: Ausgaben der Local Governments nach Bereichen 85

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1

“Fiscal decentralization is in vogue around the globe. In the deve-

loping nations and in the transitional economies, the decentralization

of the public sector is being welcomed as a means to break the grip of

central planning that has bedevilled efforts to improve economic per-

formance.”

Wallace E. Oates, The Economics of Fiscal Federalism and Local Finance, 1998.

A Einleitung

Seit Beginn der neunziger Jahre befindet sich Ungarn in einem Transformationsprozess, der es hin zu

einer Marktwirtschaft westlicher Ausprägung als demokratischer Staat trägt. Teil dieses Transformati-

onsprozesses war und ist es, einen föderalen Finanzausgleich zu kreieren bzw. aufgrund hinzugetrete-

ner Herausforderungen weiterzuentwickeln. Die Implementierung des fiskalischen Föderalismus ist

nur ein Teil des Transformationsprozesses, der mit den anderen Problemkreisen der Transformation

eng verbunden, ja interdependent ist.1 Das zeichnet die besondere Schwierigkeit der Errichtung eines

Systems des föderalen Finanzausgleichs in Transformationsstaaten aus. Diesen Teil des Transformati-

onsprozesses zu beleuchten, wird in dieser Arbeit vorgenommen. In der aktuellen politischen Debatte

nimmt die Diskussion um die Ausgestaltung des Finanzausgleichs einen großen Raum ein, denn es

gilt, vor dem baldigen Beitritt Ungarns 2004 in die EU ein Finanzausgleichssystem zu implementie-

ren, um den Anforderungen, die sich aus dem Beitritt ergeben, noch besser gerecht werden zu können.

Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zu leisten, anhand theoretischer Betrachtungen das derzeit be-

stehende System des föderalen Finanzausgleichs hinsichtlich der dezentralen Ebene zu erfassen, dar-

auf aufbauend Reformbedarfe zu identifizieren und potentielle Reformlösungen aufzuzeigen. Vor dem

Hintergrund dieser Zielsetzung werden in den Kapiteln 1 bis 3 theoretische Grundlagen erarbeitet,

mittels derer sich normative Anforderungen an die optimale Ausgestaltung eines föderalen Finan-

zausgleichssytems ableiten lassen. Diese normativen Anforderungen werden als Bewertungsmaßstab

deklariert, anhand dessen föderale Finanzausgleichssysteme bewertet werden können. In Kapitel 4

wird das derzeitige System des föderalen Finanzausgleichs hinsichtlich der dezentralen Ebene in Un-

garn beschrieben und mit den o.g. normativen Anforderungen verglichen. Daraus lassen sich Reform-

bedarfe ableiten. In Kapitel 5 wird, diese Reformbedarfe aufgreifend, abschliessend die Frage erörtert,

ob über diese hinaus Reformbedarfe bestehen. Eine Schilderung der derzeit im ungarischen Parlament

diskutierten Reformmodelle bildet den Abschluß dieser Arbeit.

1 Vgl. Jackson (2001), S. 10.

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2

Die Studie Ungarns konzentriert sich auf die dezentrale Ebene und unterlässt hier eine Untersuchung

der zentralen Ebene. Die zentrale Ebene ist nicht Gegenstand der Studie, da ihr im wesentlichen die

Aufgaben und Einnahmen zufallen, wie es anderen Ausgestaltungen der Rollen der Zentralebenen in

Westeuropa entspricht, mithin die Unterschiede sehr gering sind. 2 Die Studie Ungarns ist daher auf

die dezentrale Ebene des ungarischen Finanzausgleichs und eine Reform derselben fokussiert, denn

die dezentrale Ebene stellt das Besondere des ungarischen Finanzausgleichs dar. Auf sie zielt die ge-

samte öffentliche Diskussion des bestehenden Systems des föderalen Finanzausgleichs in Ungarn.

Nun folgend schließt sich der Teil B an, der die theoretischen Grundlagen für den darauf folgenden

Teil C, die Studie Ungarns, legt.

2 Vgl. i.d.S. Meyer (2003).

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3

„Die Problematik des Finanzausgleichs liegt in der ungeheuren

Schwierigkeit, die finanziellen Bedürfnisse mehrerer Gebietskörper-

schaften, von denen eine die Gesamtheit der nationalen Wirtschaft, die

anderen Teile davon umfassen, so mit finanzwirtschaftlichen Mitteln

zu befriedigen, daß einerseits die Gebietskörperschaften sämtlich ohne

Verlust an Leistungsfähigkeit und Einfluß auf ihre Kosten kommen

und daß andererseits die Einzelwirtschaften dabei nicht Schaden lei-

den, sei es, daß sie unter der Vielheit der Zuständigkeiten oder gar

durch negative Kompetenzkonflikte nicht die Leistung der öffentlichen

Wirtschaft erhalten, auf die sie Anspruch erheben können, sei es, daß

sie als Steuerpflichtige durch den Gesamtzugriff von mehreren Staats-

gläubigern überlastet werden. In gewissem Sinne ähnelt das Problem

dem der Quadratur des Zirkels.“

Johannes Popitz, Der Finanzausgleich, 1927.

B Theoretische Grundlagen

Staaten verfügen über eine Finanzverfassung, die sich aus der Gesamtheit aller Grundnormen des öf-

fentlichen Finanzwesens zusammensetzt.1 Dazu zählen u.a. die gesetzlichen Bestimmungen des Fi-

nanzausgleichs des Staates. Der Finanzausgleich umfasst alle Regelungen und Bestimmungen zur

Verteilung der Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen zwischen den im Staat existierenden Gebietskör-

perschaften.2 Der Finanzausgleich läßt sich hierbei in einen vertikalen und einen horizontalen unter-

scheiden.3 Der vertikale Finanzausgleich beinhaltet die Verteilung der Aufgaben, Ausgaben und Ein-

nahmen auf die verschiedenen Staatsebenen, während der horizontale sich auf die Verteilung von Ein-

nahmen zwischen Einheiten gleicher Staatsebene konzentriert.

Die Schwierigkeit in der Beantwortung der Frage der optimalen Ausgestaltung eines Finanzausgleichs

wird in dem Zitat von POPITZ deutlich. In diesem Teil der Arbeit ist die optimale Ausgestaltung des

Finanzausgleichs in föderalen Staatssystemen Gegenstand der Untersuchung.4 Glücklicherweise gibt

es Ansätze, diese Problematik, anders als die Quadratur des Zirkels, zu lösen.

1 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 386 ff, zu diesem Absatz. 2 Vgl. Popitz (1927), S. 343. Man nennt dies auch den Finanzausgleich im weiteren Sinne. Für eine ausführliche Darstellung der Arten des Finanzausgleichs sei auf Peffekoven (1980) und Fischer-Menshausen (1980) verwiesen. 3 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 389 f, auch zu folgendem Satz. Von einer weiteren expliziten Unterscheidung in einen diagonalen Finanzausgleich und den unsichtbaren Finanzausgleich wird abstrahiert. 4 In Übereinstimmung mit der Definition nach Oates (1999), S. 1120 f, werden unter föderalen Staaten solche verstanden, die aus mindestens zwei Staatsebenen bestehen und die subnationalen Ebenen nicht ausschließlich als Agenten der nationalen Ebene agieren, i.e. über einen hinreichenden Grad an Autonomie bzgl. Entscheidungen über die Ausgestaltung und Wahr-nehmung ihnen zugetragener Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen de facto, nicht nur de jure, verfügen. Damit wird implizit die Gültigkeit des Autonomieprinzips für den weiteren Fortgang der Arbeit unterstellt bzw. gefordert; neben dem Autono-mieprinzip müssen das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz und das Konnexitätsprinzip erfüllt sein, um eine Effizienz im staatlichen Angebotsverhalten sicherzustellen, vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 394. Auf die Prinzipien wird an gege-

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4

In der Finanzwissenschaft befasst sich der Zweig der Theorie des fiskalischen Föderalismus mit der

optimalen Gestaltung eines Finanzausgleichs in föderalen Staatssystemen.5 Zu dieser Theorie zählt die

traditionelle ökonomische Theorie des fiskalischen Föderalismus, die in bahnbrechenden Beiträgen

von MUSGRAVE (1959), TIEBOUT (1956) und OATES (1972) begründet wurde. Daneben zählen neuere

Forschungsrichtungen zur Theorie des fiskalischen Föderalismus, die die Unzulänglichkeiten oder

Inkonsistenzen der traditionellen Theorie beheben, oder Erweiterungen der traditionellen Theorie zum

Gegenstand haben. Wie sich in diesem Zusammenhang “optimal“ definiert, wird anhand gemeinhin

anerkannter Kriterien beurteilt.

In Kapitel 1 wird der vertikale Finanzausgleich beleuchtet, in Kapitel 2 der horizontale. Dabei werden

sich Aussagen bzgl. der optimalen Ausgestaltung des Finanzausgleichs grundlegend von der traditio-

nellen Theorie des fiskalischen Föderalismus ableiten lassen. In Kapitel 3 erfolgt eine explizite Dar-

stellung der oben angesprochenen neueren Forschungsrichtungen.

Die Aussagen, die sich aus der traditionellen ökonomischen Theorie des fiskalischen Föderalismus

ergeben, sind aufgrund der hohen Abstraktionsebene unter gewissen Annahmen raum- und zeitlos.6

Sie gelten für föderale Staatssysteme sowie bei zusätzlichem Einfügen einer supranationalen Ebene.

Damit sind die Aussagen grundsätzlich bei jeder Restrukturierung bestehender Finanzausgleichs-

systeme oder Neustrukturierung von Finanzausgleichssystemen in föderalen Staatssystemen, als Ges-

taltungsleitlinien grundlegend. Die in den Kapiteln 1 bis 3 hergeleiteten Aussagen und Ausführungen

werden daher zur Bewertung der Neustrukturierung des Finanzausgleichs in Ungarn nach 1990 und

vor dem ungarischen EU-Beitritt herangezogen.

benen Stellen zurückgegriffen. Vorweggenommen sei, dass auch die Gültigkeit der letzten beiden Prinzipien bei den folgen-den Betrachtungen unterstellt bzw. gefordert ist. Unter den Begriffen „zentral“ und „dezentral“ werden Tendenzen zu höherrangigen bzw. nachrangigen Ebenen verstanden. In einem nationalen Kontext wird unter „zentral“ die Nationalebene verstanden, mit „dezentral“ die subnationalen Ebenen. Entsprechend der Anzahl der Staatsebenen in einer föderalen Nation oder bei Einfügen einer supranationalen Ebene, können die Begriffe „zentral“ und „dezentral“ den verschiedenen Ebenen von der tendentiellen Ausrichtung höher- oder nachrangiger her zugeordnet werden. 5 Vgl. i.d.S. Oates (1999), S. 1120. 6 Vgl. dazu teilweise Oates (1972), S. vi, unter gewissen Annahmen.

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5

1 Der vertikale Finanzausgleich

Gegenstand der Darstellung in diesem Kapitel ist die optimale Verteilung der Aufgaben und der damit

verbundenen Ausgaben (passiver Finanzausgleich) sowie die optimale Verteilung der Einnahmen (ak-

tiver Finanzausgleich) auf mehrere Staatsebenen eines föderalen Staatssystems.7 Diese Verteilungs-

problematik erlangt besonders bei der Verfassungsgebung selbst, bei maßgeblichen politischen und

gesellschaftlichen Strukturänderungen, etwa der Perestroika oder der deutschen Einheit, und bei er-

heblichen Aufgaben- oder Einnahmenänderungen Gewicht.8 Damit liegt die Lösung der Verteilungs-

problematik permanent im öffentlichen Interesse.9

Die Untersuchungen in diesem und im nächsten Kapitel basieren auf der traditionellen ökonomischen

Theorie des Föderalismus. Die traditionelle ökonomische Theorie des Föderalismus befasst sich mit

der Frage nach dem aus ökonomischer Sicht optimalen Grad an Zentralität/ Dezentralität bezüglich

Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverteilung auf die verschiedenen Ebenen eines föderalen Sys-

tems.10 Sie bildet damit ein den Untersuchungen in diesem und im nächsten Kapitel entsprechendes

theoretisches Fundament. Sie geht dabei grundsätzlich von pigouvianischen wohlwollenden Planern in

den jeweiligen Staatsebenen aus, deren Ziel die Maximierung der sozialen Wohlfahrt ist.11 Damit ist

im folgenden die Maximierung der sozialen Wohlfahrt das Ziel oberster Priorität bei der Untersuchung

zur optimalen Verteilung der Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen. Die zur Determinierung der Opti-

malität herangezogenen Kriterien (s.u.) sind auf dieses Ziel hin inhaltlich ausgerichtet.

Grundsätzlich unterliegt den folgenden theoretischen Betrachtungen ferner der Gedanke des Subsidia-

ritätsprinzips, welches eine Aufgabenwahrnehmung auf der dezentralsten Ebene fordert, sofern es

keine guten Gründe gibt, diese höheren Staatsebenen zu übertragen.12

Vor diesem Hintergrund wird zunächst die Theorie des passiven Finanzausgleichs beleuchtet, bevor

sich eine Darstellung der Grundlagen des aktiven Finanzausgleichs anschließt.

7 Es werden hier nur Aufgaben betrachtet, die von privaten Wirtschaftssubjekten nicht übernommen werden können, dem Subsidiaritätsprinzip entprechend, vgl. dazu etwa Brümmerhoff (2001), S. 624. 8 Dickertmann/ Gelbhaar (1996) verweisen auf diese Tatbestände, S. 390. 9 Aus der Tagespresse etwa Hulverscheidt (2002) oder Marschall (2002). Vgl. ferner Kopp (1993), S. 10, und Eser (1991), S. 9 ff und 47 ff, zu möglichen Szenarien des deutschen föderalen Systems bei Übertragung von Aufgaben an die EU. 10 Vgl. Thomas (1993), S. 1, und Zimmermann/ Henke (2001), S. 175. Üblicherweise geht man in diesem Theoriezweig von einer geschlossenen Volkswirtschaft, einer einheitlichen Währung in derselben und der unbegrenzten Mobilität der Produkti-onsfaktoren aus, vgl. grundlegend Oates (1972), S. 4. Im weitern sei diesem Rahmen gefolgt, wenn nicht anders betont. Für den Fortgang der Untersuchung sei die strenge Annahme getroffen, dass ein Wirtschaftsraum mit einer Nation überein-stimmt. Nation und Volkswirtschaft werden als äquivalente Begriffe verwendet. 11 Vgl. Persson/ Roland/ Tabellini (1997), S. 23. 12 Vgl. i.d.S. Bird (1993), S. 211, Begg/ Cremer/ Danthine (1993), S. 3 f. Das Subsidiaritätsprinzip ist in Europa weitgehend ein konstitutionell festgelegtes Prinzip, vgl. etwa Art. 5 EGV, Art. 23 GG. Vertieft wird das Subsidiaritätsprinzip etwa in Rauscher (2000) oder Stewing (1992) dargestellt.

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6

1.1 Der passive Finanzausgleich

Die Frage nach dem optimalen Grad an Zentralität/ Dezentralität hinsichtlich der staatlichen Aufgaben

in einem föderalen Staat wird in diesem Unterkapitel untersucht. Es wird analysiert, ob und inwiefern

die zentrale oder eher eine dezentrale Ebene eine Staatsaufgabe übernehmen soll.13 Diese normative

Frage kann sinnvoll nur mittels in der Volkswirtschaftslehre anerkannter Kriterien beantwortet wer-

den.14 Als solche Kriterien dienen die allgemeinen Ziele der Finanzpolitik, die anhand der von

MUSGRAVE vorgenommenen Dreiteilung der staatlichen Aufgaben in die Bereiche Allokation, Distri-

bution und Stabilität zur Beantwortung der Frage herangezogen werden.15 Für die Allokation wird

Struktur- sowie Kosteneffizienz gefordert.16 Als Kriterium der Effizienz wird hier das Pareto-

Kriterium verwendet. Es besagt, dass ein Optimum erreicht ist, wenn kein Individuum besser gestellt

werden kann, ohne mindestens ein anderes schlechter zu stellen. Eine optimale Distribution ist er-

reicht, wenn die „gerechteste“ Verteilung von Einkommen realisiert ist.17 Die Stabilitätsaufgabe ist

optimal wahrgenommen, wenn ein hoher Grad an Beschäftigung bei stabilen Preisen und nicht stark

schwankender Konjunktur erreicht ist. Sind alle drei Staatsaufgaben optimal wahrgenommen, wird ein

Wohlfahrtsoptimum erlangt.

Die weitere Vorgehensweise besteht nun darin, die Aufgaben hinsichtlich ihrer optimalen Zuordnung

zu untersuchen. Nachfolgend wird eine Gesamtbetrachtung der Aufgabenverteilung anhand eines ge-

sellschaftlich anerkannten politischen Kriteriums untersucht. Die insgesamt abgeleiteten Aussagen

werden überblickartig zusammengefasst.

Entscheidend ist, dass mittels dieser Ausführungen eine Raison d’être eines föderalen Systems gege-

ben wird, da anhand der verwendeten Kriterien Aufgabenzuordnungen an die dezentralen Ebenen

empfohlen werden. Somit wird durch die Theorie des fiskalischen Föderalismus ein föderales System

gerechtfertigt, von dessen Existenz sie ausgeht.18

13 Bei der Aufgabenverteilung kann man zwischen Entscheidungskompetenz, Durchführungskompetenz und Finanzierungs-kompetenz unterscheiden, vgl. Kuhn (1996), S. 18, und dort angegebene Literatur. Fortan werden die drei Kompetenzen nur als Bündel zusammengefasst untersucht. Vgl. hingegen Zimmermann/ Henke (2001), S. 180, wo auf getrennte Kompetenz-verteilung hingewiesen wird. Zimmermann und Henke bezeichnen die Verteilung der Aufgaben dezidierter mit der Verteilung der „Befugnisse zur Erfül-lung öffentlicher Aufgaben auf die Gebietskörperschaften“, vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 175. Im Sinne der letzten Auffassung seien die Begriffe der Verteilung der Aufgaben bzw. Wahrnehmung der Aufgaben hier verwandt. In der ökono-mischen Theorie des Föderalismus gehört zur Regelung der Aufgabenverteilung die Abgrenzung öffentlicher von privaten Aufgaben und die Bildung öffentlicher Aufgabenträger. Beides sei als gegeben angenommen. Vgl. Hansmeyer/ Kops (1984), S. 127.14 Vgl. Andel (1998), S. 504, auch zu folgendem Satz. 15 Die von Musgrave vorgenommene Dreiteilung bezieht sich originär auf einen Einheitsstaat, wird aber in die Theorie des fiskalischen Föderalismus übertragen. Vgl. hierzu etwa Oates (1968), S. 37 f. Die feinere Unterteilung in zusätzlich Wachstums- und Konjunkturziele u.ä., wie etwa Zimmermann und Henke (2001), S. 21 u. 183, sie vornehmen, ist hier unter dem Stabilitätsziel subsumiert. Vgl. Musgrave (1959), S. 5 f. 16 Vgl. Andel (1998), S. 504. 17 Vgl. Oates (1972), S. xix, auch zu folgenden zwei Sätzen. 18 Vgl. i.d.S. Cerniglia (2000), S. 6. Sie bezieht diese Aussage nur auf die traditionelle ökonomische Theorie des fiskalischen Föderalismus. Diese Aussage kann m.E. auf die gesamte Theorie des fiskalischen Föderalismus übertragen werden.

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7

1.1.1 Allokation

MUSGRAVE fordert für eine effiziente Allokation, die Ressourcen so zu allokieren, dass die daraus

bereitgestellten Güter effizient hergestellt werden und den Präferenzen der Wirtschaftssubjekte best-

möglich entsprechen.19 In der Theorie des fiskalischen Föderalismus bezieht sich die Allokationseffi-

zienz auf die Aufgabe staatlicher Bereitstellung öffentlicher Güter20, genauer, welche staatliche Ebene

in einem föderalen Staatsaufbau die effiziente Bereitstellung welcher Art öffentlichen Gutes optimaler

Weise in diesem Zusammenhang vornehmen sollte.21

1.1.1.1 Nationale öffentliche Güter

Bei öffentlichen Gütern, die einen nationalen Wirkungskreis entfalten, ist unstrittig22, dass die zentrale

Ebene die Aufgabe der Bereitstellung übernehmen sollte, um Allokationseffizienz und damit eine ma-

ximale soziale Wohlfahrt zu erreichen. Würde eine dezentrale Zuordnung der Aufgabe erfolgen, käme

es zu einer Unterversorgung an dem sogenannten nationalen öffentlichen Gut.23 Die maximale soziale

Wohlfahrt bliebe unerreicht.24 Eine Ausnahme ergäbe sich, einigten sich die dezentralen Einheiten auf

eine abgestimmte, quasi-zentralistische Vorgehensweise.

1.1.1.2 Lokale öffentliche Güter

Welche staatliche Ebene die Aufgabe zur Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter wahrnehmen sollte,

ist nicht wie bei nationalen öffentlichen Gütern direkt evident. Lokale öffentliche Güter bringen eine

räumliche Dimension in das Problem der Allokationseffizienz.25 Sie sind dadurch charakterisiert, dass

die Kosten und Nutzen ihrer Existenz auf ein regionales Gebiet (lokaler Wirkungskreis) begrenzt sind,

nur dort konsumiert und finanziert werden.26

19 Vgl. Musgrave (1959). Er unterstellt dabei eine gegebene Einkommensverteilung und gegebene Konsumentenpräferenzen, vgl. Musgrave/ Musgrave/ Kullmer (1994), S. 10. Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 623 f. 20 Vgl. Brümmerhoff, S. 624. Er betont weiter, dass es hier nicht auf andere allokative Marktversagensursachen ankommt. Dafür seien beispielhaft natürliche Monopole oder asymmetrische Information genannt. Der Begriff Bereitstellung sei äqui-valent mit dem Begriff Angebot verwendet bezogen auf die staatliche Bereitstellung öffentlicher Güter. Siehe auch Kapitel 1.1.1.2. 21 Der Begriff der öffentlichen Güter kann dabei für Formen physischer Bereitstellung oder ökonomische Zustände, wie Zielsetzungen, stehen. Darauf verweist bspw. Nowotny (1997), S. 105. Öffentliche Güter sind definiert als Güter mit Nicht-ausschließbarkeit vom und Nichtrivalität im Konsum (reine öffentliche Güter). Liegt dennoch Ausschlußfähigkeit vor, spricht man von Clubgütern; liegt hingegen Rivalität im Konsum vor, treten Ballungskosten auf. Eine pareto-optimale Allokation reiner öffentlicher Güter erfolgt gemäß der Samuelson-Regel. Vgl. z.B. Wellisch (2000), S. 69 ff. 22 Vgl. u.a. Oates (1999), S. 1121; Brümmerhoff (2001), S. 624. 23 Vgl. Oates (1972), S. 8 ff. Olson und Zeckhauser erklären diesen Tatbestand damit, dass jede dezentrale Einheit in diesem Fall nur darauf achtet, wel-chen Nutzen ihre Bürger aus einer weiteren angebotenen Einheit des jeweiligen nationalen öffentlichen Gutes ziehen würden, vgl. Olson/ Zeckhauser (1968), „An Economic Theory of Alliances“, Review of Economics and Statistics, S. 266-279. In diesem Sinne konfligieren (nationales) Kollektivwohl mit (lokalem, dezentralem) Individualwohl. Neben o.g. Lösung weist Oates einen Lösungsweg aus dieser Rationalitätsfalle durch adäquate Verteilung der Kosten zur Bereitstellung des öffentli-chen Gutes auch auf dezentralisierter Ebene hin, vgl. Oates (1972), S. 10. 24 Und je eher ein Gut einer anderen Jurisdiktion als Substitut für ein eigenes Gut geeignet ist, desto eher tendieren die Juris-diktionen zu einem Free-Rider Verhalten, vgl. Oates (1972), S. 32. 25 Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 624. 26 Vgl. Cerniglia (2000), S. 7.

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Zur Beantwortung der Frage, welche staatliche Ebene die lokalen öffentlichen Güter bereitstellen soll-

te, sei vereinfachend angenommen, dass der Wirkungskreis eines lokalen öffentlichen Gutes einer

Jurisdiktion mit den Abgrenzungen dieser Jurisdiktion übereinstimmt.27 28 Diese Annahme lässt sich

begründen, wenngleich die Meinungen über die optimale Abgrenzung von Jurisdiktionen im Hinblick

auf den Wirkungskreis lokaler öffentlicher Güter mannigfaltig sind. BRÜMMERHOFF29 argumentiert,

dass die optimale räumliche Versorgung der Aufgaben in der Verteilung auf die staatliche Ebene er-

reicht wird, die nur die betroffenen Bürger30 repräsentiert, weil jedes öffentliche Gut ein anderes regi-

onales Gebiet abdeckt. Daher soll die zentrale Ebene nicht mit der Bereitstellung lokaler öffentlicher

Güter betraut werden, wenn den Präferenzen der Bürger verschiedener Regionen Rechnung getragen

werden soll, über die sich die Nutzung der Güter erstreckt. Im Extremfall bedeutet dies, dass so viele

verschiedene Jurisdiktionen wie lokale öffentliche Güter notwendig wären.31 Dadurch entstünden sog.

single-function governments.32 In diesem Falle könnten die einzelnen Bürger gemäß ihres Konsums

verschiedener lokaler öffentlicher Güter überschneidenden Zuständigkeitsbereichen zugehören. Da-

durch bestünden für sie hohe Informationskosten des Konsums. Ferner entstehen durch „single-

function governments“ u.a. hohe Verwaltungskosten.33 ANDEL34 weist auf die Notwendigkeit hin, die

Abgrenzung der Jurisdiktionen derart vorzunehmen, dass die Nutznießer, Kosten- und Entscheidungs-

träger der Bereitstellung eines lokalen öffentlichen Gutes zusammenfallen (Prinzip der fiskalischen

Äquivalenz35). Dann besteht ihm zufolge für die Entscheidungsträger der Anreiz, alle Nutzen und Ko-

sten der Bereitstellung in die Angebotsentscheidung mit einzubeziehen, und damit interregionale Ex-

ternalitäten zu verhindern. Es erscheint daher sinnvoll, die Jurisdiktionen so zu bilden und als gegeben

hinzunehmen, dass begleitend auftretende Kosten und die Möglichkeit zu genannten Ineffizienzen

minimiert werden.36 Aus diesen Überlegungen heraus lässt sich die oben genannte Annahme als Ver-

einfachung treffen.37

27 Mit „Jurisdiktion“ ist die Einheit einer dezentralen Ebene bezeichnet. Gebietskörperschaft umfasst hingegen Einheiten der dezentralen Ebenen und die der zentralen Ebene. Im folgenden sei aber nur eine Gebietskörperschaft auf zentraler Ebene angenommen, die Gebietskörperschaft der Zentralebene. Sowohl im Begriff der Jurisdiktion als auch der der Gebietskörper-schaft seien Parafiski eingeschlossen. 28 Es kann sein, dass verschiedene Jurisdiktionen das gleiche lokale öffentliche Gut anbieten. Zudem kann eine Juridsdiktion mehrere lokale öffentliche Güter bereitstellen. Dadurch verkompliziert sich die Untersuchung, vgl. Oates (1991), S. 24. Die Entscheidung der Konsumenten für eine Jurisdiktion hängt dann von dem jeweiligen Bündel lokaler öffentlicher Güter ab. Beispielsweise bleiben laut Tiebout auch für diesen Fall die wesentlichen Ergebnis seines Modells erhalten. Vgl. Sauerland (1997), S. 64, und auf die dort angegeben Literatur sowie die Beschreibung des Tiebout-Modells weiter unten. Die Betrach-tungen beziehen sich auf ein lokales öffentliches Gut. Die Ergebnisse sind aber auf die Bündel übertragbar, wenn man ein solches Bündel als ein lokales öffentliches Gut auffasst. 29 Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 624. 30 Die Begriffe Bürger und Konsumenten sind in dieser Arbeit synonym verwandt. 31 Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 624 ff; für den folgenden Textsatz auch S. 626 f. Er weist auch auf die Problematik der Ab-gabenerhebung bei sich überschneidenden Zuständigkeitsbereichen hin, siehe dort angegebene weiterführende Literatur. 32 Zum Begriff „single-function governments“ s. Zimmermann/ Henke (2001), S. 181. 33 Vgl. sinngemäß Zimmermann/ Henke (2001), S. 181. 34 Vgl. Andel (1998), S. 505. 35 Vgl. Olson, M. jr. (1969): The Principle of “Fiscal Equivalence”: The Division of Responsibilities among Different Levels of Government, in: American Economic Review, Bd. 59, Papers and Proceedings, S. 479-488. I.d.S. Kostenträger ist der Finanzierungsträger, vgl. Andel (1998), S. 505, FN3. 36 Vgl. sinngemäß Peffekoven (1980), S. 617. 37 Wenngleich eine vollständige Kongruenz realiter nicht immer gegeben ist. Eine ausführlichere Betrachtung erfolgt unter Unterpunkt „Spillovers“ in Kapitel 1.1.1.2.

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Ferner wird angenommen:

• Es bestehen regionale Unterschiede in den Präferenzen der Konsumenten bezüglich Ausgestal-

tung, Struktur und Niveau lokaler öffentlicher Güter.38

• Die Präferenzen sind in kleineren Gebietskörperschaften homogener als in größeren.39

• Die Kenntnis der individuellen Präferenzen ist bei nachgeordneten Ebenen eher gegeben als bei

höheren Ebenen.40

• Es bestehen keine Economies of Scale bei der Bereitstellung der lokalen öffentlichen Güter. 41

• Dynamische Veränderungen oder Anpassungen der Präferenzstrukturen und der Eigenschaften der

lokalen öffentlichen Güter sind ausgeschlossen.42

Sind alle diese Annahmen erfüllt, so ist eine dezentrale Wahrnehmung der Aufgabe der Bereitstellung

lokaler öffentlicher Güter effizienter als eine zentrale Aufgabenwahrnehmung.43 Dieses wesentliche

Ergebnis rechtfertigt, wenn auch unter restriktiven Annahmen, eine dezentrale Aufgabenwahrneh-

mung und damit eine föderale Struktur des Staatsaufbaus.

Ein Beweis dieses Ergebnisses ergibt sich durch den direkten Vergleich der Bereitstellung eines loka-

len öffentlichen Gutes durch ein zentrales oder dezentrales Angebot.44 Die Aufgabenwahrnehmung

durch die zentrale Ebene impliziert eine Orientierung des Angebots des lokalen öffentlichen Gutes an

den Präferenzen eines die ganze Nation repräsentierenden Medianwählers.45 Daher ist das Angebot

mengenmäßig für die ganze Nation uniform. Hierin liegt das Potential zur Wohlfahrtssteigerung bei

dezentraler Aufgabenwahrnehmung. Die Wohlfahrtssteigerung ergibt sich, indem man das Angebot

des lokalen öffentlichen Gutes an die Präferenz- und Kostenstrukturen der einzelnen Regionen an-

passt, wie es bei dezentraler Aufgabenwahrnehmung durch die Jurisdiktionen möglich ist.46 Die Größe

der Wohlfahrtssteigerung hängt dabei von der interjurisdiktionalen Heterogenität der Präferenzen,47

38 Vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 179. 39 Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 624. 40 Vgl. u.a. ebenda , Treier (2002), S. 16, oder Andel (1998), S. 505. Andel beschreibt, wie bei Dezentralisierung die Infor-mationskosten gespart und Präferenzen schneller zum Ausdruck gebracht werden können. Er sieht bei den kleineren Gebiets-körperschaften nicht nur die Fähigkeit, sondern auch die Bereitschaft zur Berücksichtigung der Bürgerpräferenzen stärker vertreten als bei größeren. 41 Vgl. für die beiden letzten Annahmen Oates (1972), S. 54. Brümmerhoff (2001), S. 624, führt an, dass selbst, wenn die beiden letzten Annahmen nicht erfüllt sind, eine zentrale Aufgabenwahrnehmung nicht vorteilhaft ist. Es zeigt sich aber, dass je geringer die Präferenzunterschiede der Jurisdiktionen untereinander sind, diese beiden Annahmen das Votum für eine dezentrale Aufgabenwahrnehmung stützen. Um der Darstellung etwas vorzugreifen, sei hier erwähnt, dass Economies of Scale und externe Effekte tendentiell für eine zentrale Lösung sprechen, vgl. Oates (1972), S. 37. 42 Tanzi (1996), S. 301 ff, greift in seinem Artikel den Aspekt der sich ändernden Mobilitätspräferenzen, Korruption, schlech-ten Public Management Systemen etc. auf. Auch hiervon soll im weiteren abstrahiert werden. 43 Vgl. Oates (1972), S. 11 f, und in gleichem Sinne Crémer/ Estache/ Seabright (1994), S. 5, Brümmerhoff (2001), S. 624. 44 Vgl. auch Oates (1991), S. 23. 45 Siehe dazu analog Brümmerhoff (2001), S. 633. 46 Vgl. Cerniglia (2000), S. 7, Bird (1993), S. 211, und Oates (1999), S. 1121 f. Vgl. auch „To maximize overall social wel-fare thus requires that local outputs vary accordingly [to the differences in preferences and cost differentials across jurisdic-tions].“ 47 Brümmerhoff (2001), S. 642. Brümmerhoff gibt an, dass die Wohlfahrtsgewinne mit zunehmender interjurisdiktionaler Homogenität sinken, Economies of Scale oder Spillovers dann zur Determinierung der Aufgabenverteilung bedeutsamer werden.

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mithin den unterschiedlichen Nachfragefunktionen, und den interjurisdiktionalen Kostenunterschieden

des Angebots des lokalen öffentlichen Gutes ab.48

Dies kann man sich graphisch veranschaulichen.49 Mit Di sei die Nachfragefunktion nach dem lokalen

öffentlichen Gut in Jurisdiktion i, o.E.d.A. i = 1,2, dargestellt. Es bestehen konstante Grenzkosten des

Angebots in Höhe von p. Die Wohlfahrtsgewinne durch eine dezentrale Aufgabenwahrnehmung sind

in den Dreiecken ABC und CEF dargestellt. Die Opportunitätskosten einer zentralen Lösung sind die

Verluste an Konsumentenrente (CEF) aufgrund zu geringer Bereitstellung für die Konsumenten aus

Jurisdiktion 2 und die Kosten (ABC) durch zu reichliche Bereitstellung für die Konsumenten aus 1.

Abb. 1: Wohlfahrtsgewinne der dezentralen Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter

Dezentralisierungstheorem

Eingebunden in diesen Hintergrund formulierte OATES das Dezentralisierungstheorem. Es fasst die

oben aufgeführten Überlegungen zusammen:50

“For a public good – the consumption of which is defined over geographical subsets of the total popu-

lation, and for which the costs of providing each level of output of the good in each jurisdiction are the

same for the central or the respective local government – it will always be more efficient (or at least as

efficient) for local governments to provide the Pareto-efficient levels of output for their respective

jurisdictions than for the central government to provide any specified and uniform level of output

across all jurisdictions.”51

48 Vgl. Oates (1972), S. 36 . Dort verweist er auf die Möglichkeit, dass die Wohlfahrtssteigerung in oben aufgespanntem Rahmen nur dann eindeutig größer gleich null ist, sofern die Präferenzen in den Jurisdiktionen nicht alle gleich sind (gleich Verletzung der oben getroffenen Annahme). Wären sie identisch, dann würde auch das mengenmäßig uniforme Angebot der Zentralebene pareto-optimal sein. Der Medianwähler wäre über die ganze Nation und über jede einzelne Jurisdiktion hinweg identisch. 49 Vgl. Oates (1991), S. 28. 50 Das Dezentralisierungstheorem gründet dabei auf den bis dato genannten Annahmen und den im Theorem selbst genannten Annahmen.51 Siehe Oates (1972), S. 35, Hervorhebung im Original. Er betont, dass dieses Ergebnis in einer geschlossenen Nation gelte, s. S. 34, und dass die jeweiligen Regierungen daran interessiert sind, die soziale Wohlfahrt zu maximieren, s. S. 35. Davon abweichend spricht Wellisch (1995), S. 11, von der Möglichkeit, dass die Jurisdiktionen absichtlich ein ineffizientes Angebot offerieren, um sich Standortvorteile zu verschaffen.

Quelle: Darstellung angelehnt an Oates (1991), S. 28. Q Menge des lokalen öffentlichen Gutes. QZ uniforme Menge bei zentraler Aufgabenwahrnehmung. Qi Menge des lokalen öffentlichen Gutes, PQ Preis des lokalen öffentlichen Gutes. die in i gleichgewichtig wäre.

Q

A

D1

F

E

D2

C

B

PQ

p

QZQ1 Q2

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Das Theorem enthält zwei wesentliche Behauptungen. Zum einen ist bei Kostenersparnissen bei zent-

raler Bereitstellung eine zentrale Aufgabenwahrnehmung vorteilhaft, bei fehlenden Kostenersparnis-

sen eine dezentrale Aufgabenwahrnehmung von Vorteil. Zum anderen ist die Wohlfahrtssteigerung

einer dezentralen Aufgabenwahrnehmung für eine gegebene Bevölkerung umso größer, je größer die

individuellen Nachfrageunterschiede innerhalb eines Landes sind und je homogener die regionale

Konsumentengruppe im Hinblick auf ihre geäußerte Nachfrage nach dem lokalen öffentlichen Gut

ist.52

Eine dezentrale Aufgabenwahrnehmung gegenüber einer zentralen ist nicht begründbar, wenn die

Zentralebene kein mengenmäßig uniformes, sondern ein an die lokalen Präferenzen angepasstes An-

gebot an lokalem öffentlichen Gut offeriert. In diesem Falle würde ebenfalls das soziale Wohlfahrts-

maximum erreicht. Dies setzt jedoch perfekte Information auf Seiten der zentralen Ebene voraus.53

Gegen dieses Szenario sprechen zwei Gründe. Zum einen können hohe Transaktionskosten zur Ermitt-

lung der lokalen Präferenzen und andere die perfekte Informationssituation verzerrende Umstände auf

der Zentralebene existieren. Zum anderen bestehen politische Kräfte, die die Durchsetzung verschie-

dener Angebotsniveaus des betreffenden lokalen öffentlichen Gutes in den einzelnen Jurisdiktionen

beschränken.54

Das TIEBOUT-Modell

Für eine dezentrale Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter spricht das sogenannte TIEBOUT-

Modell.55 Es geht von anderen als den oben genannten Annahmen aus.56 TIEBOUT formuliert unter

diesen sehr restriktiven Annahmen folgende These bezogen auf die Bereitstellung lokaler öffentlicher

Güter:57

In einem System polypolistischer Struktur der dezentralen Ebene bietet jede Jurisdiktion eine Kombi-

nation aus lokalem öffentlichem Gut und der zu dessen Finanzierung erhobenen Steuer, dem Prinzip

der fiskalischen Äquivalenz folgend, an. Die Konsumenten des Systems lassen sich in der Jurisdiktion

nieder, deren Kombination ihren Präferenzen entspricht, sog. voting by feet. Sie können demnach das

Angebot an öffentlichem Gut wie private Güter auf einem „Markt“ kaufen.

52 Vgl. grundlegend zu diesem Absatz Oates (1972), S. 37. Vgl. Oates (1999), S. 1123. Er weist dort darauf hin, dass die oben angesprochenen Wohlfahrtssteigerungen sehr groß sein können, weil (auch empirisch) gezeigt werden kann, dass die Nach-frage nach öffentlichen Gütern stark preisunelastisch ist. 53 Vgl. Oates (1999), S. 1123. 54 Ebenda und Zimmermann/ Henke (2001), S. 179. Sie verweisen ferner auf eine hohe Nachfrage, falls eine Finanzierungsil-lusion, s. zur Begriffsdefinition a.a.O. S. 41, bei unvollständiger Anlastung der Kosten vorherrscht. 55 Das Tiebout-Modell, auf welches hier rekurriert wird, ist jenes, welches in Tiebout (1956) auf den S. 419-422 beschrieben wird, d.h. wo die restriktiven Annahmen nicht gelockert sind. Das Tiebout-Modell gehört streng genommen zur positiven Theorie des fiskalischen Föderalismus, vgl. hierzu Blankart (2001), S. 562. Da sich hieraus aber werthaltige Ableitungen zur optimalen Aufgabenverteilung ergeben, kann man das Tiebout-Modell auch der normativen Theorie zurechnen. 56 Die Annahmen benennt Tiebout (1956), S. 419 und 421. Vgl. dazu auch Sauerland (1997), S. 60, und Thomas (1993), S. 2. Externe Effekte, die aus der Migration der Bürger erwachsen, sind grundlegend für die Tiebout-These. 57 Eigentlich meint Tiebout die Herstellung lokaler öffentlicher Güter, wie spätere Publikationen zeigen. Geht man kühner-weise im weiteren davon aus, dass Herstellungskosten und Bereitstellungskosten identisch sind, kann obige Begriffsverwen-dung weitergeführt werden, vgl. dazu die Hinweise in Sauerland (1997), S. 61 f. Das hat den Effekt, dass sich das Modell samt seiner Ergebnisse „reibungsloser“ in die vorangehenden Ausführungen einreiht.

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Aus der TIEBOUT-These lassen sich wesentliche Aussagen ableiten. Zum einen ergibt sich ein Mecha-

nismus zur Präferenzoffenbarung, zum anderen resultiert in diesem Modellrahmen eine aus der Ho-

mogenität der Präferenzen der in der Jurisdiktion wohnenden Bürger für öffentliche Güter resultieren-

de effiziente Allokation der Ressourcen; das Free-Rider-Problem ist gelöst.58 Ferner werden bei einer

gleichgewichtigen dezentralen Aufgabenwahrnehmung Konsumenten mit gleichartigen Präferenzen

und vergleichbarem Einkommen59 die gleiche Jurisdiktion bewohnen, um so durch den dortigen Kon-

sum ein optimales Angebot an lokalem öffentlichen Gut zu erhalten.60 Zudem werden sich die Kon-

sumenten bei exogenen Einkommen derart verteilen, dass die Jurisdiktionen das lokale öffentliche Gut

zu minimalen durchschnittlichen Kosten anbieten werden.61 Positive Skaleneffekte der Finanzierung,

durch Zuwanderung und darauf folgende Überfüllungskosten durch Nutzungsrivalität induziert, sorgen

für einen u-förmigen Verlauf der durchschnittlichen Kosten. Im Optimum wird das Kostenminimum

erreicht.

Das TIEBOUT-Modell ist vielseitiger Kritik unterworfen. Als Beispiel für Kritik an dessen Ergebnissen

sei BRÜMMERHOFF erwähnt.62 Laut BRÜMMERHOFF ist es nicht zwingend, dass Bürger mit gleichen

Präferenzen und vergleichbaren Einkommen die gleiche Jurisdiktion bewohnen. Denn siedeln wohl-

habende Konsumenten gemeinsam, ist das Angebot an lokalen öffentlichen Gütern hoch und jeder

dieser Konsumenten kann einen größeren Kostenanteil zu deren Bereitstellung finanzieren. Daher

werden ärmere Personen in die Gebiete mit wohlhabender Bevölkerung ziehen, um an diesem Ange-

bot zu partizipieren. Für sie ergibt sich dieser Anreiz aus dem partiellen Free-Ride der hohen Steuer-

zahlungen der wohlhabenden Nachbarn.63 Weitere Kritik am TIEBOUT-Modell erhebt sich über dessen

restriktive Annahmen.64

58 Vgl. etwa Wellisch (1995), S. 9. 59 Siehe Oates (1991), S. 25. Er befürwortet eine positive Einkommenselastizität der Nachfrage nach lokalen öffentlichen Gütern und leitet daraus eine Segregation der Bevölkerung nach dem Einkommen ab. 60 Vgl. Cerniglia (2000), S. 8. Sauerland (1997), S. 65, leitet daraus eine Tendenz zur Angleichung der einzelnen fiskalischen Regime ab. 61 Vgl. zu dieser Überlegung Tiebouts Thomas (1993), S. 2, oder Oates (1981), S. 95. 62 Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 633 f. 63 Vgl. Oates (1991), S. 26. Als weitere Implikation aus der beschriebenen Segregation der wohlhabenden Konsumenten benennt er den Verlust des Potentials jurisdiktionaler Budgets zu Einkommensumverteilungen, da selbst bei einkommensab-hängigen Steuern die Redistribution am [nahezu] identischen Einkommen der Bewohner scheitert. Oates fügt an, dass der kontinuierliche Prozess des „hide and seek“ Instabilität verursacht, die es zu lösen gilt. Hier wird die Bedeutung des Tiebout-Modells auch für die Distribution evident. Deshalb wird bei der Darstellung der opti-malen Zuordnung der Distributionsaufgabe nochmals auf das Tiebout-Modell explizit verwiesen. 64 Eine umfassende Darstellung dieser Kritiken wäre an dieser Stelle zu umfangreich, daher sei auf eine ausgewählte Anzahl von Kritiken verwiesen. Vgl. die generellen Anmerkungen bei Pestieau (1977), S. 173 und 184, vgl. direkter bezogen auf die Annahmen u.a. Van Puyenbroeck (1999), S. 31, Thomas (1993), S. 3, Blankart (2001), S. 564 ff, oder Sauerland (1997), S. 66. Vgl. hier auch Oates (1991), S. 25. Darüberhinaus stellt die Leviathan-Literatur neue Kritikpunkte heraus, vgl. Schwab/ Oates (1988), S. 333 f, und die dort beispielhaft angeführte Literatur.

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Statische und dynamische Effizienz der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter

Rückblickend auf die Untersuchung der Aufgabe der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter stellt

man fest, dass unter bestimmten Annahmen eine zentrale oder dezentrale Aufgabenwahrnehmung

angemessen erscheint. Statische Effizienz konnte sowohl im TIEBOUT-Modell als auch im vorange-

henden Wohlfahrtsvergleich von zentraler oder dezentraler Aufgabenwahrnehmung aufgezeigt wer-

den.

In der Literatur finden sich zudem Verweise auf eine dynamische Effizienz des dezentralen Angebots

lokaler öffentlicher Güter. Voraussetzung dafür ist Wettbewerb zwischen den Jurisdiktionen hinsicht-

lich eines effizienten Angebots der lokalen öffentlichen Güter. Hat eine Jurisdiktion eine kosteneffi-

zienzfördernde Innovation gefunden, lokale öffentliche Güter herzustellen, so werden sich benachbarte

Jurisdiktionen diesen Innovations- und Effizienzfortschritt zu eigen machen müssen, um vor Kritik

und Abwanderung ihrer Bürger verschont zu bleiben. Auf diese Weise wird das gesamte Innovations-

niveau und -tempo der Jurisdiktionen gefördert, die dynamische Effizienz verwirklicht.65 Der Aspekt

der dynamischen Effizienz unterstreicht daher das Votum für eine dezentrale Aufgabenwahrnehmung.

Economies of Scale

Existieren entgegen obiger Annahmen bei der Herstellung des lokalen öffentlichen Gutes Economies

of Scale, wird bei einem dezentralen Angebot die maximale Wohlfahrt verfehlt, weil die Herstellung

entsprechend kleiner Einheiten nicht möglich und wenn, dann zu teuer ist.66 Jedoch ist zwischen der

Herstellung und der Bereitstellung des lokalen öffentlichen Gutes hier nun explizit zu unterscheiden.67

Da die Economies of Scale lediglich bei der Herstellung eine Rolle spielen, können Jurisdiktionen das

entsprechende lokale öffentliche Gut von einem Ort zentralisierter Herstellung beziehen und dem ei-

genen Nutzerkreis dennoch bereitstellen. Erst wenn diese Bezugsoption nicht gegeben ist oder genutzt

wird, verfällt aus allokationstheoretischer Sicht die Begründung für eine dezentrale Aufgabenwahr-

nehmung. Existieren also Economies of Scale bei der Herstellung eines lokalen öffentlichen Gutes, ist

eine zentrale Bereitstellung angemessen, sofern sich nur in dieser Weise die Economies of Scale nut-

zen lassen.68

65 Siehe zu diesen Ausführungen Oates (1972), S. 12 f. Eine andere Auffassung der dynamischen Effizienz schildert Sauer-land (1997), S. 71. Er begründet sie mittels einer Analyse von Nutzenarbitragepotentialen. Durch unbeschränkte Mobilität kommt es zu einer aus statischer und dynamischer Sicht optimalen Verteilung der Bevölkerung auf die Jurisdiktionen (s. auch Verbindung zu Tiebout-Modell). Externalitäten treten auf, sofern ökonomische Aktivitäten eines Wirtschaftssubjektes Aus-wirkungen auf die eines anderen hat, vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 181. Sie betonen weiter, dass es durch den Wett-bewerb der Jurisdiktionen untereinander insgesamt zu einer stärkeren Berücksichtigung der Präferenzen der Bürger kommt. 66 Vgl. etwa Zimmermann/ Henke (2001), S. 181. 67 Vgl. Oates (1972), S. 45. Bislang war die Unterscheidung gleichgültig, da keine Economies of Scale aufgetreten sind, und damit die Herstellung gleich welcher Menge nur konstante Skalenerträge erbrachte. Somit war keine Unterscheidung bzgl. zentraler (= grössere Menge) oder jurisdiktionaler (= kleinere Menge) Bereitstellung vonnöten. 68 Vgl. u.a. Andel (1998), S. 506.

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Spillovers

Bislang beruhten die angeführten Betrachtungen auf der Annahme, dass die Abgrenzungen der Juris-

diktionen und damit ihrer Zuständigkeiten mit dem Wirkungskreis der dort angebotenen lokalen öf-

fentlichen Güter übereinstimmen. Von dieser Annahme wird nun abgewichen. Decken sich Nutzen,

Kosten und Zuständigkeit der Bereitstellung öffentlicher Güter nicht räumlich, ergeben sich interjuris-

diktionale Externalitäten, sogenannte Spillovers.69 OATES argumentiert, dass die Wohlfahrtsverluste

aus solchen Spillovers invers mit der Größe der Jurisdiktionen korrelieren.70 Das unterstreicht die Re-

levanz der Reflektion über die Aufgabenzuordnung in diesem Fall.

Bei Spillovers unterscheidet man positive Spillovers, wie etwa bei Infrastruktur, Errichtung von Thea-

tern, und negative Spillovers, etwa bei Umweltbelastungen oder Formen des Steuerexports.71 Bei posi-

tiven Spillovers kommt es zu einer Unterversorgung des öffentlichen Gutes, weil die die Spillovers

empfangende Jurisdiktion eine Free-Rider-Position einnehmen kann. Welches Internalisierungsin-

strument gewählt wird, hängt von der genauen Art der Spillovers ab.72 In Abhängigkeit von der Art

kann eine Internalisierung dieser Externalität in der Zuweisung der Bereitstellungsaufgabe an die

Zentralebene gesehen werden.73 Daneben kommen aber auch freiwillige oder erzwungene Abstim-

mungen, Zahlungen von Pigou-Subventionen der entsprechenden Jurisdiktionen untereinander als

Internalisierungsinstrumente in Betracht.74 ZIMMERMANN und HENKE führen als weiteres Internalisie-

rungsinstrument an, dass nicht notwendigerweise alle Teile der Aufgabenerfüllung an die zentrale

Ebene übertragen werden müssen.75 Eine zentrale Rahmenplanung verbunden mit einer dezentralen

Durchführung ist gleichermaßen internalisierend wirksam.76 Finanzielle Anreize, bspw. in Form von

gebundenen Zuweisungen der zentralen an die dezentrale Ebene, sind als Internalisierungsinstrumente

ebenso angesehen.77 Bei negativen Spillovers sind die vorgenannten Überlegungen entsprechend gül-

tig. Insbesondere werden hier die Zuweisungen als Internalisierungsmöglichkeit angeführt.78 Bezüg-

69 Vgl. Oates (1972), S. 46, und Wellisch (1995), S. 35. Die Spillovers bedeuten also eine Verletzung des Prinzips der fiskali-schen Äquivalenz. Dieses gilt es aber zu gewährleisten. Deshalb ist eine Internalisierung der Spillovers notwendig. Die Spil-lovers können dabei unmittelbar aus der Bereitstellung eines Gutes stammen oder nicht, wie das Beispiel des Steuerexports zeigt. Hier sind allgemein die Spillovers, die im weitesten Sinne i.V.m. der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter existie-ren können, angesprochen. Eine detailliertere Unterscheidung von fiskalischen Externalitäten, die interjurisdiktional oder vertikal wirken können, wird in Kapitel 3.1 der fiskalischen Externalitäten explizit aufgegriffen und eruiert. Die hier angesprochenen Spillovers können dort entsprechend eingeordnet werden. Sie sind in der dort verwendeten Klassifikation direkt oder indirekt horizontale fiska-lische Externalitäten. 70 Vgl. Oates (1972), S. 46. 71 Vgl. dazu allgemein Brümmerhoff (2001), S. 630. Ferner vgl. Gordon (1983), S. 580 f. Gordon liefert eine Liste der Exter-nalitäten, die in diesem Zusammenhang in seiner formalen Darstellung erschienen sind. Er sagt weiter, dass unter gewissen Umständen die Neutralisierung bestimmter Externalitäten bei gleichzeitigem Auftreten möglich ist. Er betont, dass zur Errei-chung eines Tiebout-Ergebnisses keine Nettoexternalitäten bestehen dürfen. Siehe dazu auch Wellisch (1995), S. 95 ff. Wei-terführende modelltheoretische Darstellungen zum Steuerexport liefern zuvorgennante Autoren a.a.O., aber bspw. auch Trei-er (2002), S. 22 und 34 ff. 72 Vgl. dazu die weiteren Ausführungen in Unterkapitel 3.1. 73 Vgl. Oates (1972), S. 46, Treier (2002), S. 22. Treier gibt zu bedenken, dass dieser Aufgabenzuweisung an die zentrale Ebene ein damit verbundenes verschärftes Informationsproblem gegenübersteht.74 Vgl. dazu u.a. Andel (1998), S. 506, oder Brümmerhoff (2001), S. 631. 75 Vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 180. 76 Vgl. Andel (1998), S. 506. 77 Ebenda. Siehe dazu auch den Abschnitt 1.2.2. 78 Vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 180.

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lich der Spillovers kann man festhalten, dass bei deren Existenz tendentiell eine Aufgabenwahrneh-

mung auf zentraler Ebene erfolgen sollte. Dies gilt, sofern keine Informationsprobleme der Zuordnung

auf die Zentralebene gegenüberstehen, sich die dezentralen Einheiten zu internalisierenden Maßnah-

men nicht einigen können oder dies zu teuer ist.79

Im Rahmen der Betrachtungen zur Allokation kann man zusammenfassen, dass die bisherigen Ausfüh-

rungen nicht immer eine eindeutige Zuordnung der Aufgaben auf die zentrale oder dezentrale Ebene

haben bieten können. Tendentielle Aussagen in Abhängigkeit von den gegebenen Annahmen sind aber

möglich und sie werden am Ende dieses Kapitels zur Hypothesenbildung bzgl. der Zuordnung staatli-

cher Aufgaben auf die staatlichen Ebenen eines föderalen Staatssystems in einem Überblick zusam-

mengefasst.

1.1.2 Distribution

Die oben dargestellte Untersuchung der Allokation gründete auf den Annahmen einer gegebenen Ein-

kommensverteilung und gegebener Konsumentenpräferenzen. Die Distribution bezieht sich an dieser

Stelle auf die personelle Einkommensverteilung. Die Einkommensverteilung hängt ohne Korrektur der

bestehenden Verteilungssituation von der Faktorausstattung, der Talentausstattung, der Verteilung des

ererbten Vermögens sowie der Faktorpreise ab.80 Diese Einkommensverteilung muss aber nicht not-

wendigerweise mit den Vorstellungen der betreffenden Gesellschaft über eine wünschenswerte und

gerechte Verteilung übereinstimmen. Daraus erhebt sich laut MUSGRAVE die Aufgabe der Distribution

für den Staat.81 Dabei ist die Frage der „richtigen“ Verteilung nicht anhand eines Kriteriums der öko-

nomischen Werteskala zu beantworten. Sie enthält vielmehr Werturteile und sozialphilosophische

Überlegungen. So wird bspw. weithin gefordert, eine ausreichende Grundausstattung am unteren Ende

der Einkommensskala zu garantieren. Gemeinhin orientiert sich die Distribution am Äquivalenzprin-

zip oder dem Leistungsfähigkeitsprinzip.82 Benennt man Gerechtigkeitsregeln, so sind sie insgesamt

schwierig in Einkommensverteilungen zu übersetzen. Damit wird die Grundproblematik der distribu-

tiven Aufgabe des Staates evident. Unter Berücksichtigung der vorangehenden Schilderungen wird

nun in diesem Abschnitt 1.1.2 untersucht, wie die Distributionsaufgabe, das Erreichen der „richtigen“

Einkommensverteilung, wahrgenommen werden sollte, zentral oder dezentral.

79 Unter allokativen Gesichtspunkten können noch viele Facetten untersucht werden. Einige ausgewählte Beispiele sind: die Betrachtung der optimalen Größe von Jurisdiktionen vor dem Hintergrund der Kosten kollektiver Entscheidungsfindung, vgl. etwa Oates (1972), S. 48 f; Ballungskosten i.V.m. Konsumentenmobilität, vgl. etwa Oates (1972), S. 49 f; Bereitstellungs- und Ballungskosten (Theory of Clubs), vgl. etwa Brümmerhoff (2001), S. 627 ff, das Zusammentreffen von Spillovers und Steuerwettbewerb, die sich ausgleichen können, vgl. dazu Kapitel 1.1.1.2. 80 Vgl. Musgrave/ Musgrave/ Kullmer (1994), S. 10 f, für diesen Absatz. 81 Vgl. Musgrave (1959). Bird (1993), S. 209, fügt die Meinung – Politikwissenschaftlern folgend – an, dass die Distributi-onsaufgabe nicht nur in der Bereitstellung von Gütern besteht, sondern dass sie auch Konflikte löst. Erst wenn eine (nationale oder jurisdiktionale) Regierung die Distribution als Aufgabe wahrnimmt, ist sie eine Regierung und nicht nur eine „particular organizational structure for delivering certain services“. 82 Vgl. etwa Folkers (1998), S. 566, und dort zitierte Literatur. Die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips (besondere Steuerrechtfertigung und nicht allgemeine Steuerrechtfertigung) gründet allerdings auf anderweitig gerechtfertigten Steuern, i.e. durch das Äquivalenzprinzip. Vgl. dazu Homburg (2000), S. 10.

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Es ist offenbar, dass die zentrale Ebene die Distributionsaufgabe erfüllen sollte, denn sie vermag effi-

zienter als die dezentrale Ebene die Einkommensumverteilung vorzunehmen und Mindeststandards

der Versorgung mit öffentlichen Gütern in der ganzen Nation sicherzustellen.83 Indem man die Befür-

wortung einer dezentralen Aufgabenwahrnehmung entwurzelt, wird dies deutlich.

Eine dezentrale Aufgabenwahrnehmung ist zu befürworten, wenn man in der Distributionsaufgabe ein

lokales öffentliches Gut84 sieht. Denn die dezentrale Wahrnehmung der Distributionsaufgabe kann den

Präferenzen der Bürger, hier bzgl. der Einkommensgleichheit und -ungleichheit, gerecht werden.85

Doch diese Argumentation ist nur vordergründig richtig. Sie scheitert an zwei wesentlichen Sachver-

halten, die gleichzeitig begründen, warum eine zentrale Wahrnehmung der Distributionsaufgabe effi-

zienter als eine dezentrale Wahrnehmung ist.

Zum einen ist das Umverteilungspotential der Jurisdiktionen abhängig vom Wohlstand der Bürger, die

in der betreffenden Jurisdiktion wohnen. Der Wohlstand kann sehr stark differieren, so dass damit der

Handlungsspielraum der Jurisdiktionen zu Umverteilungsmaßnahmen gesetzt wird und evtl. die den

Präferenzen der Bürger entsprechende Ausgestaltung des Redistributionssystems begrenzt wird.86

Zum anderen ist die interjurisdiktionale Mobilität der Konsumenten bedeutsam.87 Das „voting by

feet“, das im Tiebout-Modell vorgestellt wurde, zeigt seine distributive Wirkung (s.o). Existieren Ju-

risdiktionen mit unterschiedlicher Großzügigkeit zugunsten der Empfänger der Redistributionszahlun-

gen (Jurisdiktion A sei großzügig, B nicht),88 so werden wohlhabende Bürger mit befürwortender Hal-

tung gegenüber dieser Art Großzügigkeit und potentielle Zahlungsempfänger in A, wohlhabende Bür-

ger mit ablehnender Haltung gegenüber dieser Art Großzügigkeit in B wohnen bzw. dorthin umziehen.

Damit fällt aber die gesamte finanzielle Last der Distributionsaufgabe des Staates für die Wohlhaben-

den in A an. Dadurch kann das Distributionssystem in A zusammenbrechen, es sei denn, die zentrale

Ebene nimmt sich der Distributionsaufgabe an, um Bewohnern von A und B gemeinsam zur Aufbrin-

gung der finanziellen Mittel heranzuziehen. PERSSON et al. nennen dies „the desirability of a broader

base“.89 Denn generell gilt, dass je größer die Mobilität der Population ist, um so schwieriger und

kostspieliger wird es sein, Einkommen intrajurisdiktional umzuverteilen.90 Und je kleiner die Jurisdik-

tion ist, desto geringer sind die Mobilitätshindernisse.91 Ferner kann unter bestimmten Annahmen

83 Vgl. u.a. Ahmad/ Hewitt/ Ruggiero (1997), S. 29 und 30 „The establishment of minimum access to education, health, and other human services across regions is a socially desirable goal of central government.” Das hängt zwangsläufig mit der Zuordnung von stark umverteilenden Steuern auf die zentrale Ebene und Zuweisungsgestaltungen zusammen, siehe auch weiter unten und Oates (1968), S. 45. Hier soll vorerst die Aufgabe an sich untersucht werden. 84 Ein lokales öffentliches Gut ohne Spillovers. 85 Vgl. dazu auch die entsprechenden Darstellungen im Abschnitt 1.1.1. Vgl. Pauly (1973). 86 Vgl. Ahmad/ Hewitt/ Ruggiero (1997), S. 29. 87 Vgl. u.a. Brown/ Oates (1987), S. 308, Andel (1998), S. 507, oder Persson/ Roland/ Tabellini (1997), S. 29. Letztere fassen den Begriff der Mobilität weiter, nicht nur für Konsumenten, sondern sie sprechen allgemein von „tax bases“. An dieser Stelle soll sich die Betrachtung lediglich auf Konsumenten beschränken. Vgl. auch Oates (1968), S. 45. Siehe die grundle-gende Verbindung zu den fiskalischen Externalitäten und dem Tiebout-Modell. 88 Das Beispiel ist Musgrave/ Musgrave/ Kullmer (1992), S. 15, entnommen. 89 Vgl. Persson/ Roland/ Tabellini (1997), S. 29. 90 Siehe dazu Ahmad/ Hewitt/ Ruggiero (1997), S. 30. 91 Vgl. i.d.S. Oates (1968), S. 45.

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gezeigt werden, dass das Distributionsniveau invers mit der Elastizität der Mobilität der zahlungsemp-

fangenden Konsumenten variiert.92

Aus diesen Ausführungen folgt, dass zur Sicherstellung der Durchführung der Distributionsaufgabe

und von Minimumstandards öffentlicher Güter, die zentrale Ebene die Distribution übernehmen sollte.

Ergänzend sollte berücksichtigt werden, dass die distributiven Maßnahmen unterschiedliche Auswir-

kungen auf die Effizienz besitzen. Die Distribution kann nur über umverteilende Maßnahmen, zuvor-

derst Steuern, erfolgen, deren Wirkung zumeist verzerrend ist. Eine optimale Politik wird aber diesen

beiden Anforderungen gerecht.93 Die Maßnahmen sollen daher effizienzverlustminimal ausgewählt

werden. Auftretenden Konflikten zwischen Effizienz- und Gerechtigkeitszielsetzungen muss entgeg-

net werden.

1.1.3 Stabilität

Als dritte Aufgabe des Staates in einer Volkswirtschaft benennt MUSGRAVE die Stabilität.94 Ohne

Eingreifen des Staates tendiert die Wirtschaft zu größeren konjunkturellen Schwankungen oder leidet

unter andauernden Perioden der Unterbeschäftigung und/ oder Inflation.95 Das Problem verschärft

sich, wenn mit steigender internationaler Verflechtung offener Volkswirtschaften konjunkturelle Ver-

hältnisse anderer Volkswirtschaften importiert werden.

Die Anforderung der Optimalität bei der Erfüllung der Stabilisierungsaufgabe liegt darin, größere kon-

junkturelle Schwankungen zu verhindern. Die Frage, ob die Stabilisierungsaufgabe optimaler Weise

auf zentraler oder dezentraler Ebene wahrgenommen werden soll, wird in der Literatur der traditionel-

len ökonomischen Theorie des Föderalismus weitgehend einheitlich beantwortet: auf zentraler Ebe-

ne.96 97

Dies kann wie folgt begründet werden: Jurisdiktionen sind zumeist offene Systeme, d.h., es besteht ein

interjurisdiktionaler Handel mit Gütern und Dienstleistungen. Die Jurisdiktionen sind dadurch eng in

konjunktureller Hinsicht miteinander verwoben.98 Angesichts einer schwachen Konjunktur kann eine

92 Vgl. Brown/ Oates (1987), S. 309. 93 Vgl. dazu Musgrave/ Musgrave/ Kullmer (1994), S. 13. 94 Vgl. Musgrave (1959). 95 Vgl. zu diesem Absatz Musgrave/ Musgrave/ Kullmer (1994), S. 13 f. 96 Vgl. Musgrave/ Musgrave/ Kullmer (1992), S. 16, Andel (1998), S. 508, Zimmermann/ Henke (2001), S. 184, Oates (1968), S. 38-44. Beachtet werden sollte jedoch, so Ter-Minassian (1997), S. 5, wenn man die Stabilisierungsaufgabe der zentralen Ebene zuordnet, dass z.B. die Zusammensetzung der Ausgaben der dezentralen Ebene Auswirkungen auf die ge-samtwirtschaftliche Nachfrage und damit die Stabilitätsaufgabe der zentralen Ebene hat. Solche und ähnliche Verflechtungen seien implizit mit in die Analyse eingebunden. 97 Gegen die Auffassung, die Stabilisierungsaufgabe zentral wahrzunehmen, votiert u.a. Gramlich (1987), S. 310. Er betont bspw., dass die Argumente der besonders von Oates geprägten traditionellen Theorie nicht mehr greifen, wenn moderne makroökonomische Überlegungen einbezogen werden, besonders die der Öffnung der nationalen Volkswirtschaften. Wird eine offene Volkswirtschaft im Rahmen eines Mundell-Modells mit flexiblen Wechselkursen betrachtet, hat die nationale Fiskalpolitik nur wenig Einfluss auf die aggregierte Nachfrage, weil jede Maßnahme durch eine Wechselkursaufwertung und entsprechende Verschlechterung der Zahlungsbilanz begleitet wird. Diese Konsequenzen blieben bei jurisdiktionaler Wahr-nehmng der Stabilisierungsaufgabe aus. Für weitere Argumente Gramlichs bzgl. einer dezentralen Aufgabenerfüllung siehe a.a.O. 98 Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 638.

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Jurisdiktion stabilitätspolitische Maßnahmen ergreifen, die darauf abzielen, die gesamtwirtschaftliche

Nachfrage in die gewünschte konjunkturelle Richtung zu bringen.99 Diese Maßnahmen entfalten aber

nicht nur in der sie finanzierenden Jurisdiktion positive Wirkungen, sondern auch in den mit ihr kon-

junkturell verwobenen Jurisdiktionen. Mit diesen positiven Spillovers besteht für Letztere der Anreiz,

ein Free-Rider-Verhalten zu zeigen.100 Dieser Anreiz ist aber für alle Jurisdiktionen gegeben; es ist

ihre dominante Strategie. Folgen jedoch alle Jurisdiktionen der dominanten Strategie, ist das resultie-

rende Nash-Gleichgewicht durch eine Unterversorgung an stabilitätspolitischen Maßnahmen gekenn-

zeichnet. Aus diesem Dilemma kann die zentrale Aufgabenwahrnehmung herausführen. Sie kann das

optimale Niveau, das Pareto-Optimum, gewährleisten und unter Umständen die untergeordneten Ebe-

nen zu einem konjunkturförderlichen Wirtschaften anhalten.101 Dazu ist insbesondere bei einer durch

die Einnahme- und Ausgabestruktur bedingte Parallelpolitik der Jurisdiktionen Anlass gegeben.102 Die

Stabilisierungsaufgabe durch die dezentrale Ebene würde nur dann effizient erfüllt, wenn alle Jurisdik-

tionen die Bereitschaft zur Ergreifung konjunkturfördernder Maßnahmen zeigten. Das ist nur unter

Kooperationszwang zu erwarten.103

Auch bei positiver Konjunktur kann keine effiziente Aufgabenwahrnehmung durch die dezentrale

Ebene begründet werden, denn die einzelnen Jurisdiktionen werden auch in diesem Fall ein Free-

Rider-Verhalten ausleben. Sie verspüren nur positive Effekte der positiven Konjunktur, fassen die

Preissteigerungen als nationales Phänomen auf, haben keinen Anreiz, angemessene Konjunkturpolitik

zu betreiben.104 Damit ist eine zentrale Aufgabenwahrnehmung angemessen. Das Wachstumsziel als

Teil der Stabilisierungspolitik weist ebenso auf eine zentrale Aufgabenwahrnehmung hin, da Wachs-

tumsvoraussetzungen meist nur national zu schaffen sind.105

Als weiteres Argument für eine zentrale Aufgabenwahrnehmung sei angeführt, dass der dezentralen

Ebene nicht das gesamte Instrumentarium der Stabilisierungspolitik zur Verfügung steht, insbesondere

die Geldpolitik liegt ausschließlich in der Verantwortung der zentralen Ebene.106 Dadurch ist der

Handlungsspielraum der dezentralen Ebene zu stark eingeengt, um effizient alleine Stabilität sichern

zu können.

99 Vgl. Andel (1998), S. 508. 100 Vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 184. 101 Vgl. Andel (1998), S. 508, Zimmermann/ Henke (2001), S. 184. 102 Siehe dazu Zimmermann/ Henke (2001), S. 184. 103 Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 638. Dieser Kooperationszwang ist dabei am ehesten von der zentralen Ebene zu erwarten. Damit wäre auch hier wieder ein Argument für die zentrale Ebene gegeben. 104 Vgl. dazu Zimmermann/ Henke (2001), S. 184. 105 Vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 184. Die Autoren betonen weiter: „Gesamtwirtschaftliches Wachstum ist aber zugleich die Summe unendlich vieler regionaler Wachstumsvorgänge. Folglich muss jede Region wachstumsfreundlich sein.“ 106 Stünde die Geldpolitik den Jurisdiktionen zur Verfügung, so bestünde für sie der Anreiz, Ausgaben über Geldfinanzierung abzudecken. Das resultierte in Inflation, einer Unkontrollierbarkeit der Geldmenge, die jedoch gemäß der Bedürfnisse der Wirtschaft hinsichtlich kurz- und langfristiger Stabilität und Wachstum kontrollierbar sein muß. Vgl. dazu u.a. Oates (1972), S. 4, Musgrave/ Musgrave/ Kullmer (1994), S. 15.

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Insgesamt kann konstatiert werden, dass die zentrale Ebene die Stabilitätsaufgabe übernehmen sollte,

da sie effizienter als eine dezentrale Ebene dieser Aufgabe nachkommen kann. Die zentrale Ebene

scheint besser geeignet, hohe Beschäftigungsgrade bei stabilen Preisen zu erreichen.107 Auch im Hin-

blick auf die abgestimmte Verfolgung des Distributions- und Stabilisierungszieles scheint eine zentra-

le Aufgabenwahrnehmung angemessen.108

1.1.4 Das Kriterium der politischen Partizipation

Bislang orientierte sich die Untersuchung an der MUSGRAVE’schen Dreiteilung und den damit ver-

bundenen Allokations-, Distributions-, und Stabilitätszielen zur Beantwortung der Frage nach dem

optimalen Grad an Zentralität/ Dezentralität hinsichtlich der staatlichen Aufgaben in einem föderalen

Staat. Daneben spielen aber auch politische Maßstäbe bei der Entscheidung über den optimalen De-

zentralisierungsgrad des Staates hinsichtlich der Aufgabenverteilung gemeinhin eine Rolle. Als Bei-

spiel für ein solches politisches Kriterium ist die politische Partizipation der Bürger dargestellt.

Liegt eine zentrale Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben insgesamt vor, besteht die Gefahr, dass

sich Desinteresse zeigt und Engagement seitens der Bürger fehlt, eine angemessene Beteiligung der

Bürger am Meinungsbildungs- und Willensbildungsprozess somit verfehlt wird.109 Dezentralisierte

Aufgabenwahrnehmung liefert hingegen die Möglichkeit, die politische Partizipation der Bürger zu

gewährleisten, ihren Einfluss auf politische Ergebnisse zu fördern.110 INMANN und RUBINFELD for-

mulieren sinngemäß, „that both citizen influence and effort increase as the size of the government

declines“.111 Die Dezentralisierung eröffnet hier bessere Chancen der politischen Betätigung, weckt

verstärktes politisches Interesse der Bürger.112 Damit können die Bürger eher ihre Präferenzen äußern

und durchsetzen.

Hinsichtlich der politischen Partizipation ist demzufolge eine Dezentralisierung der Aufgabenwahr-

nehmung vorzuziehen. Sie folgt insofern dem Subsidiaritätsprinzip.113 Zu bemerken ist im Zusam-

menhang mit dem wirtschaftlichen Kriterienkatalog, dass mögliche Trade-offs zwischen ökonomi-

scher Effizienz und politischer Partizipation durchaus auftreten können.114 Lösungen dieser Trade-offs

sind in der aktuellen Forschung stark diskutiert.

107 Vgl. Oates (1972), S. 4. Dennoch kann es vorteilhaft sein, die dezentralen Einheiten bei der Ausführung der Aufgabe miteinzubeziehen, um von deren guten Kenntnissen örtlicher Verhältnisse zu profitieren, vgl. dazu Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 393. 108 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 4. 109 Vgl. sinngemäß Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 390. Vgl. Andel (1998), S. 509. 110 Vgl. dazu Oates (1999), S. 1138. 111 Siehe Inmann/ Rubinfeld (1997), S. 1215. 112 Vgl. Andel (1998), S. 509. Jin/ Zou (2002), S. 273, weisen im Rahmen ihrer Untersuchung der Größe von Regierungen in Föderationen darauf hin, dass die politische Partizipation als solche die Größe der Regierung verkleinert, folgt man einem Leviathan-Modell.113 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 390. 114 Vgl. für diesen und den nächsten Satz Oates (1999), S. 1138.

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1.1.5 Zusammenfassung

Aus der Untersuchung des optimalen Grades der Zentralität/ Dezentralität der Aufgabenwahrnehmung

kann man konstatieren, dass es sowohl Aufgaben gibt, die auf zentraler Ebene wahrgenommen werden

sollten, andere hingegen auf dezentraler Ebene. Zur Begründung der Aufgabenverteilung wurde auf

den Wirkungskreis öffentlicher Güter zurückgegriffen.115 Die zentrale Ebene sollte prinzipiell eher

nationale öffentliche Güter bereitstellen, Stabilität sichern und die Distribution vornehmen sowie im

Falle auftretender Economies of Scale oder Spillovers lokaler öffentlicher Güter deren Bereitstellung

übernehmen. Eine dezentrale Aufgabenwahrnehmung sollte hingegen dort erfolgen, wo man den ver-

schiedenen Präferenz- und Kostenstrukturen bei der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter gerecht

werden will. Auch im Sinne der politischen Partizipation ist eine dezentrale Wahrnehmung der

Staatsaufgaben zu befürworten.

Dabei sind die hier zusammengefassten Aufgabenzuordnungen nur als Grundtendenzen oder Möglich-

keiten, weniger als festgelegte Prinzipien zu verstehen. Dies hat mehrere Gründe neben der in den

voranstehenden Ausführungen erwähnten Kritik.116 Zum einen sind die zu den Untersuchungen getrof-

fenen Annahmen zu restriktiv, als dass man eine uneingeschränkte Validität der Aussagen deklarieren

könnte. Hier finden die Advokaten des Zentralismus hinreichend Rückendeckung.117 Zum anderen

existieren öffentliche Güter, deren Charakter eine Ambivalenz bezüglich der räumlichen Extension

ihrer Wirkungskreise aufweisen. Beispiele hierfür sind etwa mit Gesundheit oder Erziehung gege-

ben.118 Aus dieser Ambivalenz rühren ebenso Differenzen im internationalen Vergleich der Aufgaben-

verteilung auf die Staatsebenen.119

Des weiteren finden sich realiter Gemeinschaftsaufgaben, die eine Aufgabenverflechtung induzieren,

durch die ein Trade-off der Allokationseffizienz mit dem Verflechtungsgrad auftreten wird.120 Eine

pauschale eindeutige Zuordnung ist ad hoc hier kaum möglich. Außerdem sind die Verteilungen der

Aufgaben auf die staatlichen Ebenen nicht unabhängig von den vorliegenden Rahmenbedingungen;

die Zuordnungen werden sich auch daher international unterscheiden.121 Um eine dauerhaft optimale

Aufgabenverteilung zu erreichen, ist eine gewisse Flexibilität dementsprechend theoretisch erforder-

lich, jedoch in der Realität angesichts konstitutioneller Festlegungen wohl nicht praktikabel.

115 Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 642. 116 Neben den hier aufgeführten Kritikpunkten bietet z.B. Brümmerhoff (2001), S. 643, weitere Kritiken. 117 Vgl. etwa Tanzi (1996), S. 300 ff. 118 Vgl. Oates (1972), S. 19, oder Oates (1999), S. 1122, auch zum nächsten Satz. Dabei sollen auch in diesen Gütern öffent-liche Gütern gesehen werden, die nicht von nichtstaatlichen Institutionen wahrgenommen werden können. 119 Hier wird die raum- und zeitlose Gültigkeit verletzt. 120 Vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 183 und 195, insbesondere auch zu den Lösungen der angesprochenen Verflechtun-gen. Gemeinschaftsaufgaben bilden eine Ausnahme des Subsidiaritätsprinzips, vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 390. Ganz abgesehen von den Verflechtungen aus Mischfinanzierungen, s. dazu Zimmermann/ Henke (2001), S. 183. Eine eindeutige Aufgabenzuordnung ist in diesem Fall nicht möglich. Gemeinschaftsaufgaben werden daher der Anschaulichkeit halber vernachlässigt. 121 Vgl. Wellisch (1995), S. 2, so z.B. der Grad interjurisdiktionaler Mobilität. Oates (1972), S. 31, hebt hervor, dass das untersuchte lokale öffentliche Gut nicht notwendigerweise in allen Nationen auf der gleichen Staatsebene angeboten wird.

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Ferner ist grundsätzlich jede einer zentralen Ebene zugeordnete Aufgabe auch von einer dezentralen

Ebene durchführbar und vice versa. Dass eine dezentrale Ebene die Aufgaben einer zentralen über-

nehmen kann, bedingt nur, wie oben bereits expressis verbis angedeutet, ein abgestimmtes quasi-

zentralistisches Vorgehen. Für die zentrale Ebene ist die Durchführung eher auf der dezentralen Ebene

angesiedelter Aufgaben möglich, sofern sie über die notwendigen Informationen lokaler Sachverhalte

verfügt.

Trotz des Bewusstseins dieser Kritikpunkte sollen die in den Unterkapiteln 1.1.1 bis 1.1.4 herausgear-

beiteten Grundtendenzen der Aufgabenzuordnung (die unter gewissen Annahmen ja raum- und zeitlos

gültig sind) innerhalb eines föderalen Systems als Maßstab der positiven Untersuchung der Ausgestal-

tung des heutigen ungarischen Finanzausgleichs dienen. Hier nun ein tabellarischer Überblick der

genannten Grundtendenzen zum leichteren Vergleich der Theorie mit der ungarischen Praxis.

Abb. 2: Überblick über die Aufgabenzuordnung auf die föderalen Ebenen

1.1.6 Aufgaben und Ausgaben

Ist eine Aufgabenverteilung innerhalb des föderalen Systems erfolgt, sollte im Rahmen der passiven

Selbstbestimmung der Gebietskörperschaften das Konnexitätsprinzip erfüllt sein.122 Es fordert, dass

die Aufgabenkompetenz und die Ausgabenverantwortung für die mit den Aufgaben einhergehenden

Ausgaben nicht auseinanderfallen.123 Die Erfüllung des Konnexitätsprinzips gewährleistet eine An-

reizstruktur zu eigenverantwortlichem Ausgabeverhalten der Ebenen, gemessen an ihren Aufgaben.

„Accountability“ als Handlungsmaxime der Aufgabenträger wird gestärkt.124 Einige Beiträge der The-

orie des fiskalischen Föderalismus setzen deshalb Aufgaben mit Ausgaben gleich.125

122 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 394, auch zu den folgenden Sätzen. 123 Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 634. 124 Siehe Einleitung zu Teil B. 125 Dieser Argumentation soll auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit gefolgt werden, wohl wissend, dass die Aufgaben nicht immer Ausgaben nach sich ziehen, Aufgabenerfüllung und -kompetenz, wie anfangs gefordert, aufeinanderfallen müssen. Vgl. Peffekoven (1980), S. 617 f.

Grad derDezentralisierung

Staatsebene Staatsaufgaben Besonderheiten Beispiel

gering zentral Bereitstellung nationaleröffentlicher Güter

nationaler Wirkungskreis Landesverteidigung

Stabilität Geldpolitik

Distribution GesetzlicheKrankenversicherung

Bereitstellung lokaleröffentlicher Güter

lokaler Wirkungskreis,Auftreten von Spillovers oder Economies of Scale

Theater

hoch dezentral Bereitstellung lokaleröffentlicher Güter

lokaler Wirkungskreis,kein Auftreten von

Spillovers undEconomies of Scale

Stadtreinigung

Eigene Darstellung

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22

Mit der Determinierung des optimalen Grades der Zentralität/ Dezentralität der Aufgabenkompetenz

und gemäß Konnexitätsprinzip verbundenen Ausgabenverteilung ist gleichsam die Finanzierungser-

fordernis dieser Aufgaben verbunden.126 Es stellt sich damit die Frage der optimalen Verteilung der

Einnahmen auf die verschiedenen Ebenen eines föderalen Systems, gemäß des Prinzips der fiskali-

schen Äquivalenz. Die Beantwortung dieser Frage ist Gegenstand des folgenden Kapitels.

1.2 Der aktive Finanzausgleich

Den verschiedenen Staatsebenen stehen zur Finanzierung ihrer Ausgaben grundsätzlich Beiträge, Ge-

bühren, Steuern und die Ausgabe von Bonds zur Verfügung. In Föderationen zählt dazu ferner der

Erhalt von Transfers, die, empirisch belegbar, eine bedeutende Rolle spielen.127 Beiträge und Gebüh-

ren weisen u.a. einen direkten Bezug zur erfüllten Aufgabe auf. Bei ihnen stimmen Nutzniesser und

Zahler der mit den Gebühren und Beiträgen finanzierten Aufgaben überein, das Prinzp der fiskalischen

Äquivalenz wird erfüllt. Daher stehen sie nicht zur sinnvollen Diskussion der Verteilung auf die Ebe-

nen des föderalen Systems, sondern sollten so erhoben werden, dass das Prinzip der fiskalischen Ä-

quivalenz erfüllt ist. Insb. für dezentrale Ebenen sind Gebühren und Beiträge in ihrem Aufkommen

eine Einnahmequelle.128

Steuern werden grundsätzlich in zwei Arten unterschieden.129 Zum einen sind dies Steuern, die eben-

falls der direkten Finanzierung von Aufgaben dienen, analog zu Gebühren und Beiträgen. Im engli-

schen Sprachgebrauch als benefit-Steuern bezeichnet, erfüllen sie das Prinzip der fiskalischen Äquiva-

lenz, i.e. die Zahler dieser Steuern sind gleichsam Nutznießer der mit diesen Steuern finanzierten er-

füllten Aufgaben. Benefit-Steuern neutralisieren somit den Einfluss der fiskalischen Eingriffe auf die

Ortswahl, ein pareto-optimales Ergebnis wird erreicht.130 Davon unterscheiden sich non-benefit-

Steuern. Bei ihrer Erhebung wird entsprechend das Pareto-Optimum verfehlt, verglichen mit benefit-

Steuern sind sie pareto-inferior.

Die Ausgabe von Bonds ist in vielen Ländern allen Staatsebenen gestattet, wenn auch unter gewissen,

die Stabilität fördernden Restriktionen.

Das Augenmerk in diesem Kapitel liegt auf der Verteilung von Steuern auf und intergouvernmentalen

Transfers zwischen den verschiedenen Ebenen eines föderalen Systems. Das Kapitel beginnt mit der

näheren Beleuchtung der Verteilung der Steuereinnahmen, genauer der Verteilung der Gesetzge-

bungshoheit und der Ertragshoheit (Tax Assignment und Intergouvernmentale Transfers) sowie der

126 Dies formulierte bereits Popitz (1927), S. 351. 127 Vgl. Oates (1990), S. 46, oder am Beispiel Deutschland: Der Anteil der Zuweisungen und Darlehen vom Bund einschl. der BEZ betrug zwischen 1996 und 2001 zwischen 17,0% und 15,8% an den bereinigten Ländereinnahmen. Vgl. hierzu Bundesministerium der Finanzen (2002), S. 158. 128 In der Literatur finden sich einige Hinweise auf das Ausmaß der Gebühren und Beiträge, vgl. Bird (1993), S. 212. 129 Vgl. Oates (1999), S. 1125, auch zum nächsten Satz. 130 Vgl. Musgrave in Tanzi (1996), S. 310, und Norregaard (1997), S. 69.

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Verwaltungshoheit (Tax Administration).131 Es folgt eine Darstellung der Bondausgabe, mithin der

Verschuldungsmöglichkeiten (Borrowing).

Abb. 3: Überblick über den aktiven vertikalen Finanzausgleich

Die ökonomische Analyse kann dabei sicherlich nicht isoliert betrachtet werden, da politische, soziale,

geschichtliche und kulturelle Rahmenbedingungen oft nachhaltigen Einfluss auf die Ausgestaltung der

Einnahmenstruktur besitzen.132 Dennoch kann das Pareto-Kriterium als Kriterium für die Ableitung

grundsätzlicher Aussagen über die optimale Ausgestaltung des aktiven vertikalen Finanzausgleichs an

gegebener Stelle herangezogen werden.133 Die MUSGRAVE’sche Dreiteilung der staatlichen Aufgaben

wird, sofern nützlich, herangezogen.

1.2.1 Tax Assignment

Der Begriff „Tax Assignment“ beschreibt, welche staatliche Ebene für die Determinierung des Ni-

veaus und der Steuersatzstruktur von verschiedenen Steuern verantwortlich ist, ob der Steuerertrag

von dieser Ebene eingefordert und behalten oder geteilt wird.134 Er bezieht sich also auf die Gesetzge-

bungs- und Ertragshoheit von Steuern. Für die Ausgestaltung des Tax Assignments stehen in einem

föderalen System drei Optionen zur Verfügung.

131 Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der anglo-amerikanischen Untersuchungssystematik dieser Materie, weil sie eine gewichtigere Darstellung der Verteilung der Verwaltungshoheit einschließt. Eine Anwendung der deutschen Syste-matik mit Trenn-, Misch- und Zuweisungssystem wird nicht vorgenommen. Um der Bedeutung, der eine Neuordnung der Verwaltungshoheiten in Transformationsländern zukommt, gerecht zu werden, ist der anglo-amerikanischen Systematik der Vorzug gegeben worden. Es wird dabei implizit angenommen, die gleiche Art von Steuern zu erheben, um Verzerrungen, die über die aus unterschiedlichen Sätzen resultierenden Verzerrungen hinausgehen, zu vermeiden. Vgl. bspw. Oates (1972), S. 132.132 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 21. 133 Für das Tax Assignment verweist Sato (2000) auf die derzeitige Aktualität der Diskussion in dieser Hinsicht. 134 Vgl. Norregaard (1997), S. 49. Die Verwaltung wird im Teil 1.2.3. gesondert betrachtet. Norregaard spricht im weiteren Verlauf seiner Arbeit primär auch nur von der Gesetzgebungs- und Ertragshoheit. Die Frage, wie auf die dezentralisierte Ebene zugeordnete Steuern unter den einzelnen Jurisdiktionen aufgeteilt werden, wird im folgenden nicht näher beleuchtet, denn die Abgrenzungen von Betriebsstätten, der Definition von Wohnsitzen etc. sind rechtlich sehr unterschiedlich gehandhabt. Siehe vgl. Andel (1998), S. 513. Er spricht hier auch von der horizontalen Ein-nahmeverteilung und ihren Ausprägungen.

Tax Assignment Intergouvernmentale Transfers Tax Administration

Gesetzgebungshoheit

Zuweisungen Revenue Sharing

Verwaltungshoheit und Ertragshoheit

Eigene Darstellung

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Erstens könnte man vorsehen, die gesamte Gesetzgebungs- und Ertragshoheit von Steuern auf die

dezentrale Ebene zu übertragen.135 Dies wird in der Literatur einhellig verneint, denn besonders zwei

Gründe sprechen dagegen: zum einen wird die zentrale Ebene der Möglichkeit beraubt, Steuern als

wichtiges Instrument der Distributions- und Stabilitätspolitik einzusetzen. Das widerspricht der theore-

tischen Notwendigkeit, die zentrale Ebene mit der Aufgabe der Distribution und Stabilisierung zu

betrauen, wenn ihr ein entscheidendes Instrument dazu fehlt.136 Zum anderen stellt es nicht den effi-

zientesten Weg der Einnahmenerhebung dar. Durch regionale Unterschiede in Steuerbemessungs-

grundlage und Steuersatz wird der Fluss der Güter und des Kapitals erheblich beeinträchtigt,137 die

optimale Allokation durch vielfältige Substitutionseffekte gestört.

Das zweite denkbare Szenario des Tax Assignments besteht in der Übertragung der gesamten Gesetz-

gebungs- und Ertragshoheiten von Steuern an die zentrale Ebene, die die dezentrale Ebene durch Ge-

währung von Anteilen am Steueraufkommen partizipieren lässt. Auch dieses Szenario ist eindeutig

abzulehnen, da auf dezentraler Ebene dadurch eine vollständige Trennung der Aufgabe zur Bereitstel-

lung lokaler öffentlicher Güter und der Finanzierung derselben erfolgt.138 Die Grundlage für ein effi-

zientes Angebotsverhalten des Staates wird aufgrund der Verletzung des Prinzips der fiskalischen

Äquivalenz und der Gefahr, dass dezentrale Ebenen in eine zu starke politische Abhängigkeit von der

zentralen Ebene durch die finanzielle Dependenz gelangen, i.e. eine Verletzung des Autonomieprin-

zips, verfehlt. Letztere Gefahr kann sich jedoch nicht nur für die dezentrale Ebene negativ auswirken,

sondern auch für die zentrale Ebene. Solange diese verantwortlich für eine hinreichend finanzielle

Versorgung der dezentralen Ebene ist, kann die dezentrale Ebene diese Rückversicherung nutzen und

umgekehrt Schulden machen, fiskalisch riskante Projekte durchführen. Damit existiert für die Zen-

tralebene ein Moral-Hazard-Problem, dass sie finanziell stark belasten kann. Die Rückversicherung

bietet falsche Anreize.139 Sie fördert Moral-Hazard-Verhalten der dezentralen Ebenen.

Die dritte Option des Tax Assignments stellt die gleichzeitige Aufteilung der Gesetzgebungs- und

Ertragshoheit von Steuern auf zentrale und dezentrale Ebene dar, in Verbindung mit verschiedenen

Arten von intergouvernmentalen Transfers.140 Dabei müssen Gesetzgebungs- und Ertragshoheit nicht

auf derselben Ebene angesiedelt sein. Selbst die einzelnen Elemente der Hoheiten können auf unter-

schiedliche Ebenen verteilt werden.141

135 Vgl. i.d.s. etwa Norregaard (1997), S. 50. 136 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 8, und Norregaard (1997), S. 50. 137 Ebenda, sie leitet daraus die Notwendigkeit zur Steuerharmonisierung ab. 138 Ebenda, und Norregaard (1997), S. 50. 139 Vgl. zu letzterem Gedankengang sinngemäß Eichengreen/ von Hagen (1996), S. 9. 140 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 8 f. 141 Vgl. EU-Tabaksteuerrichtlinie, dt. Gewerbesteuer (Hebesatz von Gemeinden, Gewerbeertragsbestimmungen siehe Ein-kommensteuer und Körperschaftssteuer). Damit schwankt aber der Grad der Autonomie der Ebenen. Norregaard (1997), S. 51 f, zeigt am Beispiel der lokalen Ebene, wie unterschiedliche Autonomieszenarien ausgestaltet sein können. Ferner können die Gesetzgebungs- und Ertragshoheiten, sofern sie der dezentralen Ebene zugeordnet sind, dennoch in ihrem Ausmaß von der zentralen Ebene über Weisungen begrenzt sein. Vgl. z.B. Keen (1998), S. 459. Von diesen oder ähnlichen „uneindeutig-ten oder unreinen“ Zuordnungen soll der anschaulichen Darstellung halber verzichtet werden. Bei der Untersuchung in die-sem Unterkapitel 1.2.1 soll die Gesetzgebungs- und Ertragshoheit mit jeweils allen ihren Elementen zusammengefasst für die Zuordnung auf die Ebenen untersucht werden.

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Innerhalb der letzten Option des Tax Assignments und der angenommenen vollzogenen Verteilung der

Aufgaben innerhalb des föderalen Systems stellt sich nun die Frage, welche Steuern unter dem Ge-

sichtspunkt der Gesetzgebungs- und Ertragshoheit optimaler Weise welcher staatlichen Ebene zuge-

ordnet werden sollten. Grundsätzlich sollte jede Ebene über mindestens eine fiskalisch ertragreiche

Steuer verfügen, um ihrer Aufgabenerfüllung nachkommen zu können, wahren Föderalismus zu si-

chern.142 Gewisse Leitlinien bei der Verteilung der Gesetzgebungs- und Ertragshoheiten an eine Ebene

sind dabei zu berücksichtigen. Sie werden anhand der von MUSGRAVE benannten Staatsaufgaben der

Allokation, Distribution und Stabilität gegliedert abgeleitet.

1.2.1.1 Distribution und Stabilität

Zielen Steuern auf die Durchführung von Distributions- und Stabilisierungsaufgaben, die optimaler

Weise von der zentralen Ebene erfüllt werden, sollte die Gesetzgebungs- und Ertragshoheit gemäß des

Prinzips der fiskalischen Äquivalenz vollständig der zentralen Ebene übertragen werden, um fiskali-

sche Externalitäten zu vermeiden, Effizienz zu sichern.143 Eine dezentrale Erhebung der Distributions-

politik dienenden Steuern, insbesondere progressive umverteilende Steuern, würden Anreize zu inter-

jurisdiktionaler Mobilität und damit zu einer pareto-inferioren Allokation der Steuergegenstände füh-

ren,144 da durch eine eventuell unterschiedliche Intensität der umverteilenden Steuern potentiell hoch-

besteuerte Individuen in die Jurisdiktion mit der für sie geringsten Belastung abwandern werden.145

Steuern zur Sicherung der Stabilität bergen bei dezentraler Zuteilung die Gefahr unabgestimmter und

damit möglicherweise kontraproduktiver, stabilitätshemmender Initiativen in der Steuerpolitik. So

kann eine für eine Jurisdiktion schädliche Maßnahme in einer benachbarten Jurisdiktion für Wachstum

sorgen und vice versa.146 Senkt bspw. eine Jurisdiktion ihre Steuern auf Kapital, um Investitionen zu

attrahieren, dann wandert das Kapitel in diese Jurisdiktion ab. Das ist ein Beispiel für Steuerwettbe-

werb.

1.2.1.2 Allokation

Die Zuordnung der Gesetzgebungs- und Ertragshoheit bei Steuern, die das Allokationsziel verfolgen

sollen, ist nicht eindeutig. Grundsätzlich gilt, dass Einheiten dezentraler Ebenen benefit-Steuern erhe-

ben sollten, sofern sie der Finanzierung des Angebots lokaler öffentlicher Güter dient; insofern ist sie

142 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 401. Die Autoren sprechen hier von fiskalischer Ergiebigkeit. Vgl. McLure (1996), S. 318. 143 Vgl. Norregaard (1997), S. 54, Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 401. Siehe zu den fiskalischen Externalitäten auch Kapitel 3.1. 144 Vgl. Musgrave in Oates (1990), S. 47, Tanzi (1996), S. 312. 145 Ähnlich in diesem Sinne auch Oates (1975), S. 141. 146 Insbesondere Steuern in Zusammenhang mit Stabilität weisen auf die Problematik der fiskalischen Externalitäten hin, so dass an dieser Stelle statt einer expliziten Darstellung der Wirkung von Steuern auf die Stabilität ein Hinweis auf Kapitel 3 erfolgt, s. Wenzel/ Wrede (2000). Dies gilt vor allem unter Inbezugnahme der kombinierten alternativen Finanzierungsmög-lichkeiten der verschiedenen föderalen Ebenen, wie Bond- und Geldfinanzierung, siehe Meister/ Wenzel (1994).

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effizient, wie zuvor im TIEBOUT-Modell berücksichtigt.147 Dies gilt sowohl für Haushalte als auch

Unternehmen, die von der Kapitalbesteuerung betroffen sind. Stellen Einheiten dezentraler Ebenen

lokale Inputs bereit, die die Produktivität des in ihrer Jurisdiktion eingesetzten Kapitals erhöht, sollen

sie dementsprechend benefit-Steuern erheben, um eine effiziente Kapitalallokation zu realisieren.148

Hingegen kann die zentrale Ebene non-benefit-Steuern erheben, ohne interjurisdiktionale Verzerrun-

gen hervorzurufen.149

Diesen Grundsatz berücksichtigend determinieren die Charakteristika der Steuergegenstände die opti-

male Zuweisung der Gesetzgebungs- und Ertragshoheit. Zeigen Steuergegenstände einen hohen Grad

an Mobilität, sollte deren Gesetzgebungs- und Ertragshoheit der zentralen Ebene zufallen. Entspre-

chend sollten Einheiten dezentraler Ebenen immobile Steuergegenstände besteuern.150 Exakter, die

Einheiten dezentraler Ebenen sollten eine Besteuerung mobiler Steuergegenstände mit non-benefit-

Steuern vermeiden, eine entsprechende Besteuerung mit benefit-Steuern ist gleichwohl möglich und

effizient.151 Sie birgt entgegen einer Besteuerung der mobilen Steuergegenstände mit non-benefit-

Steuern nicht die Gefahr systematischer Abwanderungen und interjurisdiktionaler Verlagerungen öko-

nomischer Transaktionen, also effizienzmindernder Verzerrungen in sich. Denn bei non-benefit-

Steuern hängt die Höhe der Verzerrungen hinsichtlich der Allokation unmittelbar vom Grad der inter-

jurisdiktionalen Mobilität ab.152 Folglich werden Einheiten dezentraler Ebenen von dieser Mobilität in

ihrer Einnahmepolitik restringiert, je kleiner und gleichzeitig offener sie sind.153

Sind die Steuergegenstände über die Jurisdiktionen ungleich verteilt, sollte die zentrale Ebene die Ge-

setzgebungs- und Ertragshoheit erhalten. Aufgrund möglicher Kosten bei der Ausbeutung der Steuer-

gegenstände in den betroffenen Jurisdiktionen kann eine angemessene Beteiligung derselben am Steu-

eraufkommen begründet werden.154 Ein Beispiel liegt in der Besteuerung natürlicher Ressourcen.

Stark einkommenselastische Steuern sollten von der zentralen Ebene eingenommen werden, da ihr

Aufkommen im Konjunkturzyklus heftig schwanken kann. Für die dezentralen Ebenen, deren Steuern

sich durch stabiles Aufkommensniveau und Vorhersagbarkeit ausdrücken sollen, wäre diese Steuer

nicht adäquat.155 Die zentrale Ebene hingegen kann die Einkommenselastizität zur Durchführung der

Stabilisierungspolitik nutzen.156

147 Vgl. Oates (1999), S. 1125. 148 Vgl. Oates (1999), S. 1125 f, auch für folgenden Satz. 149 Es wird (bis hierher und weiterhin) implizit angenommen, dass keine internationale Mobilität vorherrscht, was dieser Aussage widersprechen würde. 150 Vgl. Norregard (1997), S. 54, Oates (1990), S. 47, McLure (1996), S. 318. 151 Vgl. Oates (1999), S. 1125. Siehe in diesem Zusammenhang auch die Verbindung zum Tiebout-Modell. 152 Vgl. Oates (1972), S. 139. 153 Vgl. McLure (1996), S. 318, und Oates (1972), S. 139. Insoweit stärkt die Mobilität das politische Verantwortungsbe-wußtsein auf dezentraler Ebene und verwehrt ihr die Möglichkeit zu einem Free-Rider-Verhalten. 154 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 9, und Musgrave in Oates (1990), S. 47, Norregaard (1997), S. 54. 155 Vgl. Bird (1993), S. 214; auch für weitere Anforderungen an lokale Steuern. Da dieser Auszug sehr subjektiv und unbe-gründet ist, sei er hier nicht expressis verbis angeführt; dazu ebenfalls Bird/ Vaillancourt (1998), S. 11. 156 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 9.

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Aus diesen Ausführungen lassen sich die grundsätzlichen Aussagen wie folgt zusammenfassen.157

Abb. 4: Überblick über die tendenzielle Steuerzuordnung

1.2.2. Intergouvernmentale Transfers

Werden Steuern hinsichtlich Gesetzgebungs- und Ertragshoheit, wie im vorangegangenen Abschnitt

empfohlen, in einer Föderation operationalisiert, kann es zu ineffizienten Abstimmungen zwischen

den zu übernehmenden Aufgaben und den zur Finanzierung der damit verbundenen Ausgaben zuge-

ordneten Steuern kommen, zu sog. vertikalen und horizontalen Unausgewogenheiten der finanziellen

Ausstattung der Gebietskörperschaften gemessen an ihren Aufgaben.158 Eine vertikale Unausgewo-

genheit tritt auf, wenn zwischen verschiedenen Ebenen die originäre Einnahmenverteilung in ihrer

Höhe nicht mit den ihr zugewiesenen Aufgaben und damit Ausgaben entspricht. Horizontale Unaus-

gewogenheiten zeigen sich, wenn bei Einheiten gleicher Staatsebene deren eigene finanzielle Ausstat-

tung differiert, gemessen an den zu erfüllenden Aufgaben, die auf einer Ebene von der Art her gleich

sind (an die Rahmenbedingungen in der Jurisdiktion jeweils angepasst).

In diesem Abschnitt wird nun die Wirkung intergouvernmentaler Transfers untersucht, die eine Mög-

lichkeit darstellen, die vertikalen Unausgewogenheiten zu korrigieren.159 Sie sollen dabei so ausgestal-

tet werden, dass sie in ihrer Höhe nicht von den empfangenden Gebietskörperschaften beeinflusst

werden können (Moral-Hazard-Verhalten), um ein Aushöhlen der Finanzmittel des Donors zu vermei-

den.160 Sie werden im Rahmen von Zuweisungen oder des Revenue Sharing geleistet.161 Zuweisungen,

einerseits als selbstständige Variante der intergouvernmentalen Transfers verstanden, werden im nun

157 Diese Pauschalzuordnungen sind vor dem Hintergrund der jeweiligen nationalen Rahmenbedingungen (Politik, Kultur etc.) zu verwenden. Zudem spricht sich Bird (1993), S. 211, dafür aus, dass den dezentralen Ebenen nicht nur die Gesetzge-bungs- und Ertragshoheiten zugeordnet werden sollen, die der effizienten Lösung entsprechen, sondern dass ihnen auch keine Kontrolle seitens der zentralen Ebene oktroyiert wird, da sonst ein „development of responsive and responsible local go-vernment will remain an unattainable mirage.“ Doch auch hier lassen sich Gegenargumente finden. 158 Vgl. zu diesen Absatz Ahmad/ Craig (1997), S. 73. Man spricht im Zusammenhang mit vertikalen Unausgewogenheiten auch von „fiscal mismatch“, vgl. etwa Bradford/ Oates (1971), S. 416, und Oates (1991) S. 16. 159 Der empirisch festgestellte Flypaper-Effekt, die Tatsache, dass die Transfers zwischen mehreren Staatsebenen nicht an den Wähler in Form von Steuersenkungen weitergereicht werden, sondern in einer gemessen an den Präferenzen der Bevöl-kerung zu hohen Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter führt, sei bei den folgenden Darstellungen von Zuweisungen immer im Bewußtsein gehalten. Vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 83, oder Oates (1999), S. 1129. 160 Vgl. zu diesem Gedanken Seidel/ Schrooten (2000), S. 5. Gleiches gilt auch für den horizontalen Finanzausgleich, s. Kapitel 2. 161 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 11.

Staatsaufgabe/ Charakteristikum Tendenzielle Zuordnung

- Stabilität zentral

- Distribution zentral

- Allokation

• mobile Steuerobjekte zentral, u.U. dezentral

• ungleiche Verteilung der Steuerobjekte zentral

• stark einkommenselastische Steuern zentral

Eigene Darstellung

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folgenden Teil untersucht. Der Begriff der Zuweisungen wird aber auch im Sinne eines Instrumentes

zur Übertragung von Finanzmitteln verwendet. Es darf daher nicht verwundern, wenn der Begriff der

Zuweisungen im Rahmen der Durchführung des Revenue Sharing verwendet wird. Dabei erfolgen

diese i.d.R. beim Revenue Sharing von der zentralen zu nachgeordneten Ebenen, da erstere höhere

Steuereinnahmen verzeichnen kann.162

Der Ausgleich der horizontalen Unausgewogenheiten, die auch durch die Gestaltung der intergou-

vernmentalen Transfers nicht eleminiert worden sind (siehe den Einfluss der intergouvernmentalen

Transfers auf die Höhe der horizontalen Unausgewogenheiten im Rahmen des horizontalen Effektes

des vertikalen Finanzausgleichs), werden in Kapitel 2 aufgegriffen.

1.2.2.1 Zuweisungen163

Mittels Zuweisungen verteilt eine Ebene Teile ihres Steueraufkommens an andere Ebenen und trägt

damit zur Korrektur von Unausgewogenheiten bei. Zuweisungen werden zur Realisierung dreier all-

gemeiner Ziele eingesetzt, dem Allokations-, Distributions- und Stabilitätsziel. Zuweisungen werden

generell in zwei Formen gewährt. Gebundene Zuweisungen sind Übertragungen, die an das Verhalten

des Empfängers Restriktionen der Zuweisungsverwendung knüpft.164 Anders die ungebundenen Zu-

weisungen, die eine Budgeterhöhung des Empfängers ohne Auflagen darstellen.165 Ungebundene wie

gebundene Zuweisungen können mit Eigenbeteiligung (matching) oder als Blocktransfer (lump-sum)

ausgestaltet sein.166

Allokation

Unter Allokationsgesichtspunkten überweist die zentrale an die dezentrale Ebene Zuweisungen beson-

ders aufgrund des Auftretens von Spillovers bei der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter und der

dezentralen Bereitstellung meritorischer Güter.167

In der Realität fällt der Wirkungskreis lokaler öffentlicher Güter nicht immer mit den Grenzen der sie

bereitstellenden Jurisdiktion überein, es existieren Spillovers.168 Durch Zuweisungen kann die zentrale

Ebene die individuelle Rationalität der Jurisdiktionen mit der kollektiven Rationalität der Nation in

Einklang bringen.169 Die Zuweisungen, hier optimaler Weise als matching-Zuweisungen ausgestaltet,

sind hierbei als Pigou-Subventionen bei positiven Spillovers und als Pigou-Steuern bei negativen

162 Vgl. Bird (1993), S. 218, und Boadway/ Keen (1997), S. 41. 163 Zuweisungen werden im Fortgang der Untersuchung immer als Finanzzuweisungen verstanden. 164 Vgl. zu den Definitionen etwa Oates (1999), S. 1126, oder Brümmerhoff (2001), S. 639. 165 Vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 87 f, für das Vorgehen bei der Bestimmung der Art der Zuweisungen. 166 Dabei unterscheidet man z.B. bei matching-Zuweisungen weiter u.a. in closed (in der Höhe beschränkte) oder open-ended (in der Höhe nicht beschränkte) Zuweisungen. Für eine detaillierte Darstellung der unterschiedlichsten Kategorisierungs- und Ausgestaltungsvarianten s. z.B. Jha (1998), S. 492, oder Kächelein (2002), S. 157 ff. Vgl. Brümmerhoff (2001), S. 639. 167 Vgl. Stewart (2000), S. 10, oder in diesem Rahmen bspw. die Untersuchung von Figuieres/ Hindricks (2002). 168 Vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 82. 169 Dabei wird implizit unterstellt, dass die Zentralebene über first-best Steuern und Subventionen als Quelle für intergou-vernmentale Zuweisungen verfügt, worauf Smart (1998), S. 191, erinnernd verweist.

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Spillovers zu gestalten.170 Somit werden die Spillovers internalisiert, die Allokationseffizienz wird

erreicht, Free-Rider-Verhalten bei positiven Spillovers aus benachbarten Jurisdiktionen unterbunden,

bzw. Verursacherschäden bei negativen Spillovers zurückgedrängt. Das Problem besteht lediglich in

der Quantifizierung der Spillovers.171

Bei meritorischen Gütern, die von dezentraler Ebene bereitgestellt werden, kann der Zentralstaat ge-

neigt sein, die lokalen Präferenzen für diese Güter im Sinne seiner Vorstellung der optimalen Ange-

botsmenge über Zuweisungen anzupassen.172 D.h. mittels der Zuweisungen werden systematische

Unterschätzungen des Nutzens der öffentlichen Leistung korrigiert; sie übernehmen in hohem Ausmaß

Lenkungs- und Anreizfunktionen und ermöglichen auf diese Weise Allokationseffizienz.173

Distribution

Bezüglich der Distribution sind zwischenstaatliche Zuweisungen ein sehr effektives Instrument. Am

Beispiel der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips wird dies deutlich, wenn man in ihm ein

in der Föderation erstrebenswertes Ziel sieht.174 BUCHANAN benutze das Konzept der horizontalen

Gleichheit laut Leistungsfähigkeitsprinzip, um ausgleichende Maßnahmen zwischen Einheiten glei-

cher dezentraler Ebenen zu rechtfertigen.175 Von MUSGRAVE zuerst benannt, besagt das wohl neben

dem Äquivalenzprinzip meist akzeptierte Besteuerungsprinzip, dass Leute mit gleicher Position auch

gleich behandelt werden sollen.176 BUCHANAN zeigte, dass dies in föderalen Systemen immer dann

verletzt wird, wenn die Steuerschuldner zwar von der zentralen Ebene und auch von ihrer Jurisdiktion

gleich besteuert würden, die Jurisdiktionen aber uneinheitlich besteuern, die Steuerschuld einzelner

Bürger verschiedener Jurisdiktionen c.p. schon alleine dadurch differieren kann.177 BUCHANAN zeigt

nun zwei Wege auf, diese fiskalische Ungleichheit zu entfernen: durch geographisch diskriminierende

Steuersätze, was politisch nicht durchsetzbar erscheint, oder ausgleichende Zuweisungen.178 Finanziell

stärkere und schwächere Jurisdiktionen werden in unterschiedlicher Höhe Zuweisungen erhalten. So-

fern Jurisdiktionen im Rahmen eines Zuweisungssystems unterschiedlich hohe Zuweisungen erhalten

oder leisten müssen, kommt es von daher nicht nur zu einer Anpassung der Finanzausstattung zwi-

schen verschiedenen Staatsebenen, sondern auch interjurisdiktional. Das wird unter dem Begriff des

170 Vgl. Gordon (1983), S. 582, und Oates (1999), S. 1127. 171 Darauf verweist Bird (1993), S. 219. 172 Werden die meritorischen Güter privat hergestellt, ist eine Gewährung der Zuweisungen an die dezentrale Ebene weiter-hin angemessen, sofern letztere die erhaltenen Mittel an die privaten Hersteller mittelbar oder unmittelbar in voller Höhe weiterreicht. Vgl. zu den meritorischen Gütern u.a. Cullis/ Jones (1992), S. 312, oder Stewart (2000), S. 10. 173 Vgl. Huckemann (1997), S. 21, Gläser (1981), S. 101, Ahmad/ Craig (1997), S. 77. 174 Vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 79. 175 Vgl. Buchanan (1950), Federalism and Fiscal Equity, The American Economic Review, Vol. 40, S. 583-599. Kritik am Modell von Buchanan findet sich u.a. in Ahmad/ Craig (1997), S. 79 f. Die vertikale Gleichheit, die sich implizit ebenfalls aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergibt, sei nicht weiter ausdrücklich hier betont. 176 Vgl. Musgrave (1959), S. 160, Oates (1972), S. 82, auch zu folgendem Satz. 177 Jurisdiktionen mit wohlhabenden Bürgern brauchen nur geringe Steuersätze zu erheben, um gleich hohe Ausgaben wie eine ärmere Jurisdiktion zu finanzieren, weil ihre Bemessungsgrundlagen per definitionem grösser sind. Das Argument von Buchanan setzt dabei implizit Immobilität der Steuerschuldner voraus, da ansonsten die Steuervorteile durch eine Kapitalisie-rung abgeschmolzen werden. Darauf verweist Oates (1991), S. 13. 178 Vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 79. Die Argumente zur Entfernung der fiskalischen Ungleichheit werden von ihnen Aussa-gen Buchanans und anderen Autoren entnommen. Sie benennen auch einige Kritikpunkte an der Buchanan’schen Theorie.

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horizontalen Effektes des vertikalen Finanzausgleichs verstanden, der teilweise die horizontalen Un-

ausgewogenheiten korrigiert.179

Für zwischenstaatliche Zuweisungen gilt aber allgemein, dass, sofern sie ohne Konditionen deklariert

sind, der dezentralen Ebene jeglicher Anreiz genommen wird, die eigenen Steuereinnahmen zu erhö-

hen, die Verschuldung durch Ausgabe von Bonds einzuschränken oder bei der Aufgabenerfüllung zu

sparen.180 Daher sind objektive Kriterien bei der Vergabe von Zuweisungen zur Vermeidung resultie-

render makroökonomischer Schwierigkeiten oder unaufhörlicher Verhandlungen zwischen zentraler

und dezentraler Ebene unerlässlich.181

Dennoch ist zu bemerken, dass insbesondere finanziell schwächere Jurisdiktionen auf die Zuweisun-

gen angewiesen sind. Selbst wenn die reichste Jurisdiktion keiner Zuweisungen bedarf, um ihre Auf-

gaben zu erfüllen, darf seitens der zentralen Ebene keine allgemeine Einstellung der Zuweisungen

vorgenommen werden.182 Werden Zuweisungen im Rahmen der Korrektur vertikaler Unausgewogen-

heiten gewährt, sollten sie ungebunden und lump-sum ausgestaltet sein, um die Autonomie der dezen-

tralen Ebenen und die Effizienz staatlichen Angebotsverhaltens nicht zu gefährden.183 Wird hingegen

bspw. beabsichtigt, die Steuererhebungskapazität einer Jurisdiktion zu stärken, können matching-

Zuweisungen an die von der Jurisdiktion eingenommenen Steuern anteilig als prozentualer Zuschlag

des Aufkommens gewährt werden.184 Das wäre in diesem Fall zieladäquat.

Stabilität

Bei der Analyse des passiven Finanzausgleichs wurde deutlich, dass die Aufgabe der Stabilität der

zentralen Ebene zugeordnet werden sollte. Gleichzeitig wurde angemerkt, dass Stabilität der Nation

aber auf der Stabilität in den einzelnen Jurisdiktionen gründet. Zuweisungen der zentralen an die de-

zentrale Ebene sind notwendig, um wachstums- und beschäftigungspolitische Impulse, die von nach-

rangigen Ebenen ausgehen können und sollen, zur Förderung der Konjunktur anzustoßen.185 Gerade in

Ländern, in denen die zentrale Ebene keinen Einfluss auf die Verschuldungshöhe der nachgeordneten

Ebene hat, kann die Vergabe von Zuweisungen bei der Stabilitätssicherung im antizyklischen Rhyth-

mus assistieren.186

179 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 402, auch zu vorherigem Satz. 180 Vgl. u.a. Oates (1972), S. 150. 181 Vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 74. 182 Vgl. hier Bird/ Vaillancourt (1998), S. 28. 183 Vgl. Stewart (2000), S. 11, bzw. Oates (1972), Kapitel 4. 184 Neben ungebundenen lump-sum Zuweisungen votiert Oates (ebenda) für matching-Zuweisungen. 185 Vgl. Huckemann (1997), S. 24. Ahmad/ Craig (1997), S. 92, bemerken, dass Zuweisungen, die unmittelbar großen Projek-ten zufließen, die Form abgesteckter Kapitalzuweisungen annehmen sollen, sofern ein Kapitalmarkt zur hinreichenden Fi-nanzierung des großen Projektes fehlt. Zur Realisierung kleinerer Projekte sind Blockzuweisungen oder die sonstigen im Rahmen der Distribution vorgenommenen Zuweisungen wirksam bzw. effizient. 186 Vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 78.

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Auf diese Weise leisten die Zuweisungen einen Beitrag zur Erreichung der optimalen Ausgestaltung

eines Finanzausgleichssystems.187 Welches der drei Ziele der Allokation, Distribution und Stabilität

genau durch welche Zuweisung verfolgt wird, ist nicht immer eindeutig abzugrenzen. Eine isolierte

Betrachtung wird nicht zuletzt dadurch erschwert, dass nur vordergründig diese drei Ziele, in Wahrheit

aber politische Überlegungen die Vergabe der Zuweisungen determinieren.188

1.2.2.2 Revenue Sharing

Das Revenue Sharing kann in verschiedenen Formen ausgestaltet sein. Zum einen kann Revenue Sha-

ring bedeuten, dass sich mehrere staatliche Ebenen eine Steuerbemessungsgrundlage teilen, sog. Tax

Base Overlap.189 Dies kann durch Zuschläge einer staatlichen Ebene auf die bereits erhobenen Steuer-

sätze einer anderen auf diese Bemessungsgrundlage, sog. Surcharging, oder durch eine unabhängige

parallele Besteuerung mehrerer staatlicher Ebenen einer Bemessungsgrundlage realisiert sein.190

Beide Male behalten die verschiedenen Ebenen einen hohen Grad an Autonomie, bergen aber be-

stimmte Vorteile und Gefahren in sich. Vorteilhaft ist, dass in diesem Fall alle an dem entsprechenden

Steueraufkommen beteiligten Ebenen sich für einen Erhalt und die Mehrung der Steuerbemessungs-

grundlage, als wohlwollende Ebenen dem rationalen Kalkül folgend, einsetzen werden. Zu den Gefah-

ren eines solch interpretierten Revenue Sharings zählt etwa die Gefahr indirekt vertikaler Externalitä-

ten, deren Auswirkungen insbesondere auf die Stabilität einer Volkswirtschaft erheblich sind.191 Fer-

ner besteht z.B. die Gefahr, dass die mit der Verwaltungshoheit beauftragte zentrale Ebene primär die

Verwaltung ausschließlich oder zum größten Teil ihr ertragsmäßig zustehender Steuern verfolgt.192

Schon diese Gefahren zusammen lassen die Gestaltung effizienter Steuersysteme in föderalen Staaten

neben den durch Steuern ausgelösten Ineffizienzen diffizil werden.

Zum anderen kann Revenue Sharing meinen, dass eine Ebene Steuern erhebt und vereinnahmt, andere

Ebenen an diesem Steueraufkommen aber beteiligt, entweder anhand de lege lata festgehaltener Antei-

le, anhand vereinbarter formaler Verteilungsschlüssel oder gemäß ausgehandelter Ableitungen örtli-

cher Parameter.193 Dabei kann sich das Revenue Sharing in diesem Sinne einerseits in einer Steuer-für-

187 Dabei entstehende Trade-offs, etwa zwischen Allokation und Stabilität, werden von Ahmad/ Craig (1997), S. 84 f, be-schrieben. Eine detailliertere Darstellung und Vernetzung der Angaben mit dem bisher Erörterten würde allerdings den Rah-men dieser Arbeit übersteigen. 188 Vgl. Bird/ Vaillancourt (1998), S. 29, und Smekal, angeführt in Huckemann (1997). Holcombe/ Zahrdkoohi (1981) identi-fizieren in ihrem Aufsatz weitere Determinanten der Zuweisungsaufteilung wie etwa Lobbyismus. 189 Vgl. Dahlby/ Wilson (1996), S. 92. 190 Vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 73, und Tanzi (1996), S. 307 f. Jha (1998), S. 505, spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Kaskadeneffekt. Tiefer in die Problematik des Surcharging steigen etwa Cremer/ Marchand/ Pestieau (1997), S. 63 ff, ein. 191 Vgl. Dahlby/ Wilson (1996), S. 90 und 92. Aufgrund der aus dem „Tax Base Overlap“ resultierenden negativen Externali-täten, wird dies im Kapitel 3 über Fiskalische Externalitäten explizit wieder aufgegriffen. Insb. bei Wenzel/ Wrede (2000). 192 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 12, und die Ausführungen unter Kapitel 1.2.3. 193 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 12, und Ahmad/ Craig (1997), S. 73, Bradford/ Oates (1971), S. 416, oder bspw. die deut-sche Einkommen- oder Körperschaftsteuer oder die ungarische Einkommensteuer. Dabei erfolgen die Sharezuteilungen meist von der zentralen zur dezentralen Ebene, wie bspw. Ter-Minassian (1997), S. 11 f, es schildert.

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Steuer Beteiligung realisieren lassen.194 Nachteilig ist hier jedoch, dass die Verwaltung der die Steuer

primär vereinnahmenden Ebene den Anreiz hat, die Erhebung und Anstrengungen auf Steuern kon-

zentriert, die nicht geteilt werden oder deren abzugebende „Shares“ gering(er) sind. Ferner könnte

diese Ebene den Anreiz haben, bei Steuerreformen sich auf Steuern zu konzentrieren, die dem Stabili-

tätsziel dienen, aber möglicherweise Verzerrungen der Struktur des Steuersystems hervorrufen kön-

nen. Daher erhält die zweite Möglichkeit der Ausgestaltung des so verstandenen Revenue Sharings

Gewicht: Das Revenue Sharing kann sich auf die gesamten Steuereinnahmen einer Ebene beziehen.

Die Steueranteile werden in Form von Zuweisungen übertragen, wobei sie am effizientesten in Form

von ungebundenen Zuweisungen erfolgen sollten.195 Bei der Übertragung der Steueraufkommensantei-

le auf die empfangenden, meist nachrangigen Ebenen, kann es zudem zu prozyklischen Effekten

kommen, denn die Einnahmen der empfangenden Ebene schwanken direkt proportional mit der Ein-

nahmehöhe der zentralen Ebene.196 Positiv ausgedrückt könnte man sagen, dass bei steigender Kon-

junktur die empfangenden Ebenen automatisch höhere Steuereinnahmen erhalten, so dass sie nicht

gezwungen sind, als Bittsteller an die verteilende Ebene für höhere finanzielle Zuwendungen heranzu-

treten.197 Dem prozyklischen Effekt kann etwa durch Zusicherung absoluter Transfersummen an die

nachrangigen Ebenen entgegnet werden.198

Revenue Sharing wird in der Literatur auch häufig als Substitution lokaler Einnahmen durch zentrale

Steuererhebung interpretiert. Dies wird damit begründet, dass das Revenue Sharing als alternatives

Instrument zur Schließung vertikaler und horizontaler Unausgewogenheiten dient. Werden gemäß

oben dargestellter Überlegungen Steuern mit relativ geringer Einkommenselastizität den dezentralen

Ebenen im Rahmen des Tax Assignments zugeordnet, so verfügen sie nicht über die Möglichkeit, bei

steigendem Einkommensniveau der erhöhten Nachfrage nach lokalen öffentlichen Gütern gerecht zu

werden, da ihre Steuereinnahmen verglichen mit der Nachfrage unterproportional steigen.199 Da diese

Begründung empirisch nicht sehr signifikant ist, darf man Revenue Sharing nicht pauschal als Steuer-

ersatzregelung interpretieren.

Zusammenfassend wird deutlich, dass bei der Verteilung der Gesetzgebungs- und Ertragshoheit allein

bereits mannigfaltige Ausgestaltungs- und Kombinationsmöglichkeiten aus originärer Einnahmever-

teilung und derivativer vertikaler Einnahmeverteilung bestehen. Es wird daher offensichtlich, welch

großer Spielraum für nicht ökonomische Determinanten der Verteilung der Gesetzgebungs- und Er-

194 Vgl. zu diesem und den folgenden Sätzen des Absatzes Ter-Minassian (1997), S. 11 f. 195 Vgl. Oates (1979), S. 23. 196 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 12. 197 Vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 90. 198 Bei der Gestaltung des Revenue Sharing sind noch zahlreiche Facetten in der Literatur beleuchtet. So haben bspw. Brad-ford und Oates darauf aufmerksam gemacht, dass Zuweisungen nicht an einzelne Individuen erfolgen, sondern an Gruppen von Individuen. Sie haben sich gefragt, welche Arten des Revenue Sharing und daraus resultierenden Zuweisungen dieselben allokativen und distributiven Wirkungen haben wie unmittelbare Transfers an die Individuen. Sie kommen zu dem Ergebnis, unter gewissen Umständen Revenue Sharing vollkommen einem spezifischen Set an lump-sum Transfers an die Individuen äquivalent hinsichtlich allokativen und distributiven Effekten sind, vgl. Bradford/ Oates (1971) und (1971a). Aber vgl. auch Ter-Minassian (1997), S. 12. 199 Vgl. Oates (1991), S. 16 f. Das setzt allerdings eine positive Einkommenselastizität der öffentlichen Güter voraus.

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tragshoheit besteht. Gleiches gilt auch bei der Verteilung der Verwaltungshoheit auf unterschiedliche

Ebenen, die im folgenden untersucht wird.

1.2.3 Tax Administration

Sind die Gesetzgebungs- und Ertragshoheiten für die verschiedenen Steuern innerhalb eines föderalen

Systems verteilt, stellt sich im Anschluss die Frage, wie sich die optimale Allokation der Verwal-

tungshoheit gestaltet (Frage der Tax Administration/ Steuerverwaltungshoheit).200 Die Verwaltungs-

hoheit ist in westlichen Ökonomien fest verankert. In Entwicklungs- und Transformationsländern be-

finden sich die bürokratischen Strukturen und Systeme noch in dynamischen Entwicklungsprozessen,

so dass dort die Frage der effizienten Allokation der Verwaltungshoheit unter der Restriktion einer

adäquaten Einnahmehöhe von großer Signifikanz ist.201

Ziel bei der Festlegung der Verwaltungshoheit in einem föderalen System ist es, auf der einen Seite

Steuergesetze einheitlich in der gesamten Volkswirtschaft umzusetzen, um eine maximale Einnahme-

höhe zu geringen Kosten zu erreichen. Dies ist das Ziel der Effizienz. Zum anderen soll eine freiwilli-

ge Steuerehrlichkeit der Steuerzahler herbeigeführt werden, i.e. Effektivität.202

Die Verwaltungshoheit kann im wesentlichen in den vier bedeutungsvollsten Gestaltungsvarianten

realisiert werden:203

(a) Die zentrale Ebene erhält die ausschließliche Verwaltungshoheit und beteiligt die nachrangi-

gen Ebenen je nach Gesetzgebungs- und Ertragshoheit mit Revenue Sharing und/ oder Zuwei-

sungen am Steueraufkommen.

(b) Die zentrale Ebene erhält die ausschließliche Verwaltungshoheit, dient aber in diesem Sinne

nur als Kollektor der Steuern für alle Ebenen, i.e. die unteren Ebenen mit, gemäß den verein-

barten Verteilungen der Gesetzgebungs- und Ertragshoheiten.

(c) Es erfolgt eine Verwaltung durch mehrere Staatsebenen mit der gegenseitigen Gewährung

von Revenue Sharing und/ oder Transfers.

(d) Jede Ebene verwaltet ihre eigenen Steuern.

Dabei beinhaltet die Verwaltung die Steuereinziehung, die Prüfung, Bestrafung und Revision sowie

Serviceleistungen für die Steuerzahler.

Unabhängig davon, welche Ebene de facto welche Teilaufgabe der Verwaltung übernimmt, wird im

weiteren diskutiert, welcher Ebene die Verantwortung der Operationalisierung der Aufgaben zufällt. 200 Restringiert die Verwaltung doch das Tax Assignment und die Steuerpolitikoptionen, vgl. Vehorn/ Ahmad (1997), S. 131. 201 Vgl. Vehorn/ Ahmad (1997), S. 108. Sie verlangen dazu einfache Modelle der Steuerpolitik und -administration. 202 Casanegra de Jantscher/ Silvani (1991) formulieren es: „A tax administration that simply attempts to minimize its costs of collection, in relation to the potential revenue cannot be viewed as effective unless it fosters a high level of voluntary compli-ance”. Vgl. hier Vehorn/ Ahmad (1997), S. 110. 203 Vgl. zu diesem Absatz Vehorn/ Ahmad (1997), S. 109, und Ter-Minassian (1997), S. 15. Zum den drei folgenden Absät-zen vgl. auch Vehorn/ Ahmad (1997), S. 112 ff.

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Demzufolge sind nun einige wesentliche Vor- und Nachteile einer Vergabe dieser Verantwortung an

die zentrale oder dezentrale Ebene zusammengetragen.

1.2.3.1 Vorteile und Nachteile der Verteilung der Verwaltungshoheit auf einzelne Ebenen

Vorteile einer zentralen Verwaltung liegen insbesondere bei Economies of Scale in der Verwaltung,

die sich mit einer großen Zahl von Steuerzahlern im Hoheitsgebiet ergeben können. Darüber hinaus

kann erreicht werden, dass die Steuerzahler uniform und äquivalent fair behandelt werden, und dass

die Kontrolle über interjurisdiktional und intergouvernmental angesiedelte Steuerschulden eines Steu-

erzahlers mit geringen Informationskosten erreicht werden können, da die Meldungen zentral zusam-

menlaufen.204 Wo detaillierte Kenntnisse örtlicher Gegebenheiten bei der Steuerverwaltung vonnöten

und Informationskosten zu hoch sind, diese der zentralen Ebene zugänglich zu machen, ist die zentrale

Verwaltung nicht effizient, sondern nachteilhaft.

Bei der dezentralen Verwaltung verkompliziert sich der administrative Vorgang. Obwohl dezentrale

Ebenen über örtliche Bedingungen i.d.R. gut informiert sind und über eine höhere Flexibilität im Um-

gang mit organisationalen Strukturen und Personalpraktiken verfügen, ist die dezentrale Verwaltung

auch mit Nachteilen behaftet. Oftmals fehlt dezentralen Ebenen eine hinreichende finanzielle und

technische Ausstattung für eine funktionsfähige Verwaltung. Eine interjurisdiktional einheitliche Be-

handlung der Steuerzahler kann ohne Kooperation der Jurisdiktionen nicht erreicht werden. Ein hoher

Informationsaustausch ist dabei notwendig, der Informationskosten verursacht.

1.2.3.2 Problembereiche

Prinzipal-Agenten-Problem

Losgelöst von diesen Überlegungen ist zu beachten, dass Prinzipal-Agenten-Probleme exstieren, die

doppelt und kaskadenartig angelegt sind, sofern die Verwaltung bei der zentralen und dezentralen

Ebene liegt (Fall (c) oder (d)). Das erste Prinzipal-Agenten-Problem ergibt sich durch eine streng se-

parierende Verwaltungsverteilung für bestimmte Steuern auf die einzelnen Ebenen. Die Ebenen müs-

sen sich auf die Angaben über die Höhe des eingenommenen Steueraufkommens der jeweils anderen

verlassen. Durch das Prinzipal-Agenten-Problem bestehen indes Anreize zu Falschangaben, um Zu-

weisungen und Auszahlungen von rechtmäßigen Steueranteilen nach dem Revenue Sharing an die

anderen Ebenen zu vermindern.

Das zweite Prinzipal-Agent-Problem besteht grundsätzlich zwischen der beauftragten Verwaltungsbe-

hörde (Prinzipal) und ihren Mitarbeitern (Agenten). Verfolgen die Agenten Ziele der persönlichen

Einkommensmaximierung, tritt das Problem der Korruption hervor. Besonders auf dezentraler Ebene 204 Vgl. hierzu auch Vehorn/ Ahmad (1997), S. 113 f. Sie betonen, dass Zuschläge diesen Vorteil der zentralen Ebene gegen-über der dezentralen abschmelzen.

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sind die Anreize dazu hoch. TANZI spricht hier von der vorherrschenden „contiguity“, dem Tatbestand,

dass Agenten und Bürger nahe beieinander leben und arbeiten.205 Beide Problemkreise können durch

Kontrollen oder adäquater Anreizstrukturen für die Agenten gelöst werden. Dazu ist eine erfolgsab-

hängige Bezahlung der Agenten vorstellbar.

Privatisierung

In Transformationsländern stellen sich darüber hinaus noch die Probleme, dass sich aufgrund der Pri-

vatisierung staatlicher Unternehmen deren Steuerverwaltung schwieriger gestaltet als bei staatlichen

Unternehmen, deren operative Ergebnisse unmittelbar in den Staatshaushalt eingehen. Die Verwaltung

ist mit höheren Transaktionskosten belastet, insb. mit Informationskosten über die operativen Ergeb-

nisse vor Steuern. Ferner ist problematisch, dass für die meisten Steuerzahler die Steuerschuld nun

evident, also nicht mehr verdeckt eingefordert wird. Das gilt insbesondere für die Lohnsteuerzahlun-

gen von nicht selbständig Beschäftigten. Daher ist seitens der Verwaltung ein konsequentes Prüfen

und Einnehmen gefragt.206

Damit sei ein abschließendes Wort zur Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags-, und Verwaltungsho-

heit gefunden. Als weiteres Instrument staatlicher Finanzierung existiert die Verschuldung. Sie wird

im folgenden näher betrachtet.

1.2.4 Staatsverschuldung

In den meisten föderalen Nationen ist es sowohl der zentralen als auch der dezentralen Ebene möglich,

sich zu verschulden, um damit Einnahmen zu erzielen. Die Verschuldung beinhaltet üblicherweise

eine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen und Rückzahlung des Prinzipals an den Gläubiger, gemäß

vereinbarter Zahlungsmodalitäten verschiedener Verschuldungsinstrumente.207 Damit verbunden ist

zumeist ein intergenerationaler Charakter der Verschuldung.

Staaten verschulden sich, wenn eine Differenz zwischen ihren Einnahmen und Ausgaben, die mit der

Erfüllung der ihnen zugeordneten Aufgaben verbunden sind (Konnexitätsprinzip), besteht. Die Gründe

für diese Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben sind mannigfaltig, eine Auswahl sei hier ange-

führt. Erstens verwenden zentrale Ebenen das Instrument der Staatsverschuldung oft zur Stabilitätssi-

cherung, dezentrale Ebenen zur Finanzierung der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter oder zur

Finanzierung großer Projekte.208 Allgemein liegt in der Verschuldung der Vorteil äquivalenztheore-

tisch effizienter Finanzierung von Ausgaben. Die Last der Finanzierung kann auf mehrere Generatio- 205 Vgl. Tanzi (1996), S. 301, auch zu vorherigem Satz. Vgl. ausserdem Wildasin (1996), S. 327, der den Trade-off zwischen lokaler Korruption mit geringem finanziellen Umfang und zentraler Korruption mit großem finanziellen Umfang anspricht, denn Korruption ist auf allen staatlichen Ebenen möglich. 206 Vgl. Vehorn/ Ahmad (1997), S. 124 f. Eine einfach strukturierte Verwaltung während der Transformation unterstützt dies nach Aussage der Autoren. 207 Die Arten der Verschuldungsinstrumente beinhalten etwa die Ausgabe von Bonds, Anleihen, der Aufnahme von Krediten bei der Zentralbank, Banken und Nicht-Banken. Bewertungen über die verschiedenen Arten und Kreditoren der Staatsver-schuldung soll hier nicht erfolgen, gleichwohl dies einen wichtigen Aspekt darstellt. Vgl. etwa Ter-Minassian (1997), S. 20. 208 Vgl. Oates (1972), S. 153 f und 159, auch zu folgendem Satz.

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nen verteilt werden, wie es der Nutzung der finanzierten Projekte jeweils entspricht.209 Zweitens ist es

möglich, dass diese Differenz aus unadäquater vertikaler Verteilung der Einnahmen und Aufgaben

resultiert, intergouvernmentale und interjurisdiktionale Transfers die originäre Einnahmenverteilung

nach Tax Assignment nicht höhenmäßig ausgleichen können. Das kann bei beiden Ebenen zur Ver-

schuldung führen.210 Ein weiterer Grund für dezentrale Verschuldung besteht, wenn die dezentrale

Ebene keine hinreichende Finanzplanung durchführt, welche zur genaueren Quantifizierung und Prog-

nose von Ausgaben und Einnahmen vonnöten wäre.211 Ferner können nicht zuletzt die Haushaltsver-

flechtungen mit der zentralen Ebene dazu beitragen. So können bspw. verspätet ausgezahlte intergou-

vernmentale Transfers zu Liquiditätsengpässen bei der dezentralen Ebene und damit zu kurzfristiger

Verschuldung führen.212

Die Verschuldung hat gravierende Auswirkungen, besonders in einem föderalen System. Solange An-

reize zu unkontrolliertem Ausgabeverhalten bestehen, unkoordinierte wirtschaftliche Initiativen erfol-

gen, und keine profunde Bilanzierung und Prognose der Einnahmen und Ausgaben erfolgt, sind die

Auswirkungen der Verschuldung auf die Volkswirtschaft negativ.213 Finanzielle Verflechtung der

Staatsebenen über gemeinsame Steuerbemessungsgrundlagen etc. verkomplizieren eine effiziente und

abgestimmte Tätigkeit der Staatsebenen.214 Begrenzungen der dezentralen Verschuldung stehen insb.

zur Sicherung der Stabilität zur Diskussion, die der zentralen Ebene übertragen ist.215 Man unterschei-

det vier Stereotypen der Begrenzung dezentraler Verschuldung und der Kontrolle durch die zentrale

Ebene:216

Reliance on Market Discipline

Kann sich die dezentrale Ebene ohne Kontrolle seitens der zentralen Ebene auf einem Kapitalmarkt

verschulden, so führt diese Art der Verschuldung nicht zu stabilitätsgefährdenden Problemen. Damit

die dezentrale Ebene sich unabhängig von zentraler Kontrolle auf einem Kapitalmarkt verschulden

kann, muss dieser offen, frei und unreguliert sein, ausreichende Informationen über den Debitor be-

reitstellen, ein Bail-out durch die zentrale Ebene verbieten, fordern, dass der Debitor über institutionel-

le Strukturen verfügt, die diesem eine adäquate Reaktion auf Marktsignale rechtzeitig ermöglichen.

Oftmals sind diese Voraussetzungen an den Markt nicht erfüllt, so dass die Vorteile dieser Variante,

209 Vgl. Oates (1972), S. 154. Es wird unterschieden, ob die Verschuldung (nur) national erfolgt (internal debt), maßgeblich bei Großprojekten der zentralen Ebene, oder ob sie intrajurisdiktional oder international erfolgt (external debt). Erst bei letz-terer Art wird das Äquivalenzprinzip durchbrochen, weil bei der Bedienung der Verschuldung ein Einkommenstransfer von Resdents zu Non-Residents erfolgt. 210 Auf der dezentralen Ebene bleiben Unausgewogenheiten nach Tax Assignment bestehen, die auch durch Transfers nicht ausgegelichen werden können. Auf zentraler Ebene können z.B. hohe Transferverpflichtungen den eventuell bis dato ausge-glichenen Haushalt sprengen. Vgl. auch Eichengreen/ von Hagen (1996), S. 3. 211 Vgl. Potter (1997), S. 147, oder Tanzi (1996), S. 310. 212 Vgl. hierzu Potter (1997), S. 147. Er betont weiter, dass die Erfüllung von Voraussetzungen, die zum Erhalt von Revenue Shares gefordert werden, schon eine zeitliche Verzögerung hervorrufen kann, die Verschuldung aufgrund von Liquiditäts-engpässen begründet. 213 Vgl. Wildasin (1996), S. 325, Potter (1997), S. 137, Tanzi (1996), S. 310. 214 Vgl. hierzu Unterkapitel 3.1, besonders den Aufsatz von Wenzel/ Wrede (2000). 215 Vgl. Carlsen (1994), S. 214. 216 Vgl. die Ausführungen zu den vier Stereotypen grundlegend mit Ter-Minassian/ Craig (1997), S. 156 ff, und Ter-Minassian (1997), S. 18 ff.

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etwa der intensive Informationsfluss und -austausch zwischen den Ebenen, Gläubigern und Debitoren

nicht genutzt werden können, auch nicht als Komplement zu anderen Formen der Verschuldungsbe-

grenzung. Den Informationsfluss und -austausch gilt es daher durch gesetzliche Regelungen sicherzu-

stellen.

Cooperative Approach to Debt Control

Hier erfolgen Festlegungen der Verschuldungsgrenzen durch Verhandlungen zwischen den Ebenen,

nicht mittels Gesetz oder Direktiven. Diese Variante enthält den Vorteil des hohen Informationsaus-

tausches zwischen den Ebenen, sowie des gestärkten Bewusstseins und der Verantwortung für die

Stabilität bei den dezentralen Ebenen, denn diese haben bei der Formulierung der Staatsziele bzgl. der

Makroökonomie mitgewirkt. Die Anwendung dieser Variante setzt allerdings eine gefestigte Fiskal-

disziplin und Konservatismus in dem jeweiligen Staat voraus und ist somit in Transformationsländern

nicht unmittelbar umzusetzen.

Rules-based Approaches to the Control of Subnational Borrowing

In einigen Ländern werden die dezentralen Ebenen durch gesetzliche Regelungen zur Absoluthöhe der

Verschuldung bei Projekten, für die sie sich verschulden können, oder einer Rate für die Nettover-

schuldungshöhe, gemessen an Investitionen oder anderen für die Kreditwürdigkeit aussagekräftigen

Indikatoren, in der Verschuldung begrenzt.217 Vorteilhaft bei dieser Variante ist vor allem die Transpa-

renz sowie die Vermeidung von Bargaining-Prozeduren zwischen den Ebenen (s. vgl. die Verhandlun-

gen oben). Dagegen steht der Mangel an Flexibilität zur Änderung der Regelungen und potentiellen

Verhaltensweisen, diese Regeln zu umgehen.218

Direkte Kontrollen

Von der Festlegung einer definitiven Obergrenze von jährlicher Verschuldung bis hin zur projektbe-

zogenen Genehmigung von Verschuldung reicht der Spielraum bei der Variante der direkten Kontrol-

le. Dabei obliegt der zentralen Ebene sowohl eine ex-ante Autorität als auch eine ex-post Kontrolle.

Die direkte Kontrolle der dezentralen durch die zentrale Ebene bezüglich Verschuldung führt dazu,

dass sich dezentrale Ebenen oft auf einen Bail-Out durch die zentrale Ebene verlassen, keine Anstren-

gungen betreiben, die eigenen Einnahmen zu fördern oder Ausgaben zu senken. Dieser auch als Mo-

ral-Hazard bezeichnete Sachverhalt kann strukturelle Defizite hervorrufen, für die zentrale Ebene rui-

nös werden.219 Vorteilhaft ist allerdings, dass uniforme Verschuldung zu besseren Konditionen führt,

denn die zentrale Ebene wird oft als Garant oder Bürge für dezentrale Verschuldung verlangt, was bei

217 Siehe bspw. Art. 104 EGV, Art. 115 GG oder §18 BHO. 218 Der deutsche Finanzminister Eichel hat erst kürzlich einen Nachtragshaushalt für 2002 eingereicht, der in seiner Begrün-dung eher unzureichend ist. Vgl. dazu Peffekoven (2002). 219 Vgl. Wildasin (1996), S. 326, Eichengreen/ von Hagen (1996), S. 11. Sofern keine Beschränkung der Verschuldung be-steht, ist die Gefahr des Moral Hazard immer gegeben. Vgl. Potter (1997), S. 151.

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dieser Variante implizit erfüllt wird; dieser „financial gain“, der Tatbestand günstigerer Konditionen,

führt letztlich auch zu einer kostengünstigeren Erfüllung der Stabilitätssicherung.220

Welche der vier Stereotypen in einem Land umgesetzt wird, hängt letztlich von den gegebenen politi-

schen, geschichtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen ab. Festgehalten werden sollte explizit,

dass die Begrenzung der Verschuldung auf der dezentralen Ebene die Stabilität sichern kann, und die

dezentralen Ebenen davon abhält, strukturelle Defizite zu aggregieren, um höhere Zuweisungen zu

erhalten (Problem des Moral-Hazard).221 Dagegen spricht, dass solche Begrenzungen die dezentralen

Ebenen daran hindern können, lokale Präferenzen zu bedienen, sich nach eigenen Wünschen zu finan-

zieren. Für jedes Land gilt es, die Vor- und Nachteile dieser Varianten vor diesem Hintergrund abzu-

wägen.

1.2.5 Zusammenfassung

Reflektiert man die Darstellungen über das Tax Assignment, intergouvernmentale Transfers sowie Tax

Administration, so lassen sich für einzelne Steuern prinzipielle Aussagen über ihre Zuordnung auf

zentrale oder dezentrale Staatsebene treffen.222

1.2.5.1 Einkommensteuer

Bezüglich der Einkommensteuer lassen sich sowohl Argumente für eine Zuordnung auf die dezentrale

wie zentrale Ebene finden. In vielen Ländern wird sie vollständig oder zum überwiegenden Teil der

Zentralebene zugeordnet, in Transformationsländern tendentiell der dezentralen Ebene.223 Für die Zu-

ordnung auf die dezentrale Ebene spricht, dass die Einkommensteuer ein hinreichend hohes Aufkom-

men erbringt, um viele Aufgaben zu finanzieren und nicht die Ansiedlungsentscheidung der Unter-

nehmen beeinträchtigt.224 Wird die Einkommensteuer in Form einer Schedulensteuer ausgestaltet, so

ist die Zuordnung zu den Einheiten der dezentralen Ebene möglich, sofern die Steuer auf Dividenden-,

Zins-, Lohneinkommen bei der Einkommensquelle eingezogen werden und diese Beträge auch defini-

tiv die Steuerschuld determinieren.225

220 Weitere Vorteile finden sich in Ter-Minassian/ Craig (1997), S. 168 f. Vgl. Potter (1997), S. 149. 221 Vgl. Tanzi (1996), S. 309. Carlsen (1994), S. 213 ff, zeigt dies in einem spieltheoretischen Ansatz. Er findet zudem her-aus, dass auch in Zusammenarbeit der dezentralen Ebenen mit unabhängigen Stellen zur Erfüllung der Aufgaben, Begren-zungen der Verschuldung eine Stärkung der effizienten Kapitalvergabe hervorrufen. Eichengreen/ von Hagen (1996) untersu-chen die Auswirkungen der Begrenzung der dezentralen Verschuldung für die Europäische Währungsunion. 222 Gleichwohl sei bemerkt, dass diese bei der Implementierung von nationalen Rahmenbedingungen abhängen. Und von Fragen des Public Management, Qualität der Bürokratien etc. wird bei der hiesigen Betrachtung abgesehen. 223 Vgl. Engelschalk (1999), S. 69, und Norregaard (1997), S. 61. 224 Vgl. Norregaard (1997), S. 61. Diese Aussage ist nur dann gültig, wenn unterstellt wird, dass alle dezentralen Einheiten die gleiche Steuerstruktur wählen, so dass sich die Reallöhne zwischen den Jurisdiktionen nicht unterscheiden, kein Anreiz zu interjurisdiktionaler Mobilität gegeben wird. Da die Betrachtungen auch in diesem Kapitel auf eine geschlossene Volks-wirtschaft beschränkt ist, sind internationale Reallohndifferenzen nicht relevant. 225 Vgl. Norregaard (1997), S. 61, und Tanzi (1997), S. 313, der diese Möglichkeit für nicht entwickelte Länder benennt.

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In der Realität werden Einkünfte i.d.R. nicht nur in einer, sondern in verschiedenen Jurisdiktionen

erzielt, so dass reger Informationsaustausch und -sammlung vonnöten wäre, um alle Informationen

über Einkünfte in einer Jurisdiktion zu bündeln, und Steuerflucht zu verhindern.226 Dieser administra-

tive Aspekt spricht für eine Zuordnung an die Zentralebene. Dieser Argumentationslinie folgend kann

die Zuweisung der Einkommensteuer auf die Zentralebene auch bei einer synthetischen Einkommen-

steuer begründet werden.

Bei der Zuordnung der Einkommensteuer gilt es abzuwägen. Obwohl die dezentrale Ebene über eine

bessere Kenntnis der Einkünfte verfügt als die Zentralebene, ist eine gesammelte Informationsauswer-

tung auf zentraler Ebene effizienter, mit Economies of Scale in der Verwaltung verbunden. Zudem

vermeidet eine national einheitliche Einkommensteuer Verzerrungen zwischen den Jurisdiktionen, die

bei jurisdiktional unterschiedlichen Steuerstrukturen bei dezentraler Zuordnung entstehen könnten.

Existieren zentrale und dezentrale Einkommensteuern, gibt es einen Weg, die Vorteile zentraler und

dezentraler Einkommensteuern zu vereinen. Er liegt im Revenue Sharing, genauer, dem Surcharging

dezentraler Steuersätze auf nationale Steuersätze. Es ist kosteneffektiv, denn es ermöglicht über die

bisher genannten Vorteile hinaus eine für den Bürger verwaltungstechnisch einfache Besteuerung.227

Es ist ferner effizient, da durch eine national einheitliche Bestimmung der Bemessungsgrundlage (die

dezentralen Ebenen betreiben nur Surcharging auf zentral bestimmte Steuern) Verzerrungen der Allo-

kation von Produktionsfaktoren vermieden werden.228 Außerdem ermöglicht das Surcharging der zent-

ralen Ebene ihrer Aufgabe der Stabilitätssicherung nachzukommen, sofern eine ex-ante Abstimmung

mit der dezentralen Ebene über den Surcharging-Steuersatz erfolgt. In diesem Fall kann die Zentral-

ebene durch entsprechende Wahl ihres Steuersatzes und der -struktur unter Berücksichtigung der de-

zentralen Steuerentscheidung das verfügbare Einkommen gestalten. Dieses spielt bzgl. der Stabilität

eine gewichtige Rolle.229 Für die dezentrale Ebene birgt das Surcharging die Unabhängigkeit von Zu-

weisungen der zentralen Ebene und eröffnet durch das Steueraufkommen eine gute Grundlage zu ei-

nem an den lokalen Präferenzen orientierten Ausgabeverhalten.230

Ist das Surcharging in dieser Form als optimales Instrument der Einkommensbesteuerung der ver-

schiedenen Ebenen implementiert, bleibt zu berücksichtigen, dass die zentrale Ebene sich dann auf die

Angaben der dezentralen Ebene bezüglich der lokalen Einkünfte verlassen muss.231 In einigen Trans-

formationsländern, in denen die zentrale Ebene die Steuerbasis und den Steuersatz bestimmt und die

dezentralen Ebenen nur über reines Revenue Sharing am Einkommensteueraufkommen beteiligt (es

kommt einem System reiner Zuweisungen sehr nahe), führt dieses System zu Ungleichheiten in den

226 Vgl. zu diesem Absatz Norregaard (1997), S. 62. Implizit ist damit die Jurisdiktion des Wohnsitzes des Steuerschuldners gemeint. 227 Vgl. Vehorn/ Ahmad (1997), S. 129, Norregaard (1997), S. 62. 228 Vgl. Ter-Minassian (1997), S. 9. 229 Man vergleiche etwa die Konsumtheorie nach Keynes: C = C (Y-T,....). 230 Vgl. Bird (1993), S. 216. 231 Vgl. zu diesem und dem folgenden Satz Cremer/ Marchand/ Pestieau (1997), S. 63 f. Die Autoren führen diese Aussagen im Zusammenhang mit der Distributionsaufgabe der Zentralebene an. Deren Gültigkeit kann aber übertragen werden auf-grund der gleichen Ursache: der asymmetrischen Information (siehe Prinzipal-Agenten-Problem).

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Ländern, in denen regionale Unterschiede im Einkommen pro Kopf und der Arbeitslosenrate beste-

hen.232 Die dezentralen Ebenen mit mehr Entscheidungsmacht bzgl. der Einkommensteuern auszustat-

ten, wird ein Hauptelement der Steuerreformen in vielen Transformationsländern zukünftig sein.

1.2.5.2 Grundsteuern (als Beispiel einer Steuer auf Realvermögen)

Dezentrale Ebenen sollen Grundsteuern erheben, die sich durch eine relativ immobile Steuerbasis im

physischen Sinne auszeichnen.233 Immobil sind insbesondere alte Strukturen, Gebäude etc.; neue

Strukturen werden ihren Niederlassungs- bzw. Ansiedlungsort nach dem Grundsteuersatz wählen.

Insofern besteht ein Limit für die Höhe des Steuersatzes.234

Die Vorteile einer Grundsteuer durch die dezentrale Ebene liegen zum einen darin, dass ein direkter

Link zwischen Wert des Grundes und den in der Jurisdiktion angebotenen Leistungen (Prinzip der

fiskalischen Äquivalenz), inklusive der Infrastruktur, bestehen soll und gemeinhin besteht.235 Eine

solche Besteuerung ist effizient (Vermeidung von Free-Rider-Verhalten) und gerecht gegenüber den

Landbesitzern einer Jurisdiktion, die alle der gleichen Steuer unterworfen sind.236 Zum anderen ist bei

einer dezentralen Grundsteuer vorteilhaft, dass die Administration durch die Bereitstellung und Pflege

einer zuverlässigen und aussagekräftigen Katasterregistratur zwar relativ kostspielig, im Vergleich zu

den Verwaltungskosten der Einkommensteuer jedoch geringer ist.237 Sie sind auch geringer, als wenn

eine zentrale Ebene diese vornehmen würde, da sie sich die über die Jurisdiktionen verstreuten Infor-

mationen über die Steuerbemessungsgrundlagen erst beschaffen müsste, mithin von den dezentralen

Ebenen anfordern oder selbst eine Verwaltung dazu aufbauen müsste. Dies erscheint kostspieliger als

eine dezentrale Verwaltung. Daher sollten Grundsteuern dezentral erhoben werden.

Gleichwohl ist die Erhebung der Grundsteuer durch die dezentrale Ebene auch mit Nachteilen verbun-

den. Diese lassen sich in drei Problemkreise clustern, beginnend mit der Administration. Wie oben

beschrieben, bedarf die Administration der Grundsteuer einer regelmäßigen Bewertung der Steuerbe-

messungsgrundlage, einer permanent aktuellen Katasterregistratur, um die Steuer ertragreich zu hal-

ten.238 Denn würde die Administration dahingehend vernachlässigt, würde die Steuerbemessungs-

grundlage und c.p. die Steuereinnahmen sinken. Die Bewertung von Grund wird aber umso diffiziler – 232 Vgl. Engelschalk (1999), S. 70 f, auch zu folgendem Satz. 233 Vgl. McLure (1996), S. 320, Bird (1993), S. 215, Engelschalk (1999), S. 72. 234 Vgl. Tanzi (1996), S. 312, auch zu den voranstehenden Sätzen. 235 Vgl. Bird (1993), S. 215, Norregaard (1997), S. 56 f, Engelschalk (1999), S. 72 f. Letzterer führt weiter an, dass aufgrund der prototypischen Zuordnung zur dezentralen Ebene, der Immobilität der Steuerbasis und dem oben beschriebenen Link die Einführung einer Grundsteuer in den Transformationsländern ein Hauptanliegen in den Steuerreformprozessen wurde. 236 Vgl. Bird (1993), S. 215. Oates (1972), S. 135 ff, untersucht explizit eine Differentialinzidenz einer Grundsteuer, die von lump-sum Besteuerung auf eine Wertsteuer geändert wird. Hier sei im folgenden eine Wertsteuer angenommen. Die Verzer-rungen und der damit verbundene Excess Burden der Besteuerung gegenüber einer lump-sum-Besteuerung soll dabei erwähnt sein. Über ein gerechte Besteuerung im interjurisdiktionalen Kreis sagt dies jedoch nichts aus. Eine ausführlichere Analyse, die auch Aspekte des Steuerwettbewerbs umfassen müßte, soll hier aus Platzgründen entfallen. Angemerkt sei nur, dass bei einer Determinierung der Bemessungsgrundlage und des Steuersatzes der Grundsteuer durch die Zentralebene diese Verzerrungen und Gerechtigkeitsaspekte internalisiert würden. Vgl. dazu auch Norregaard (1997), S. 59 ff. 237 Vgl. Norregaard (1997), S. 55, und Bird (1993), S. 215. 238 Vgl. McLure (1993), S. 320, und Norregaard (1997), S. 60.

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gerade im Hinblick auf horizontal gleiche Besteuerung in einer Jurisdiktion – , je schneller sich die

Marktpreise in einzelnen Gebieten der Jurisdiktion ändern.239 Besonders in Transformationsländern ist

diese Problematik weit verbreitet.240

Der zweite Problemkreis liegt in der Sichtbarkeit der Grundsteuer. Sie wird in regelmäßigen Abstän-

den direkt an eine Behörde abgeführt, so dass sich die Sensitivität für die fällige Steuerschuld erhöht.

Das führt zu niedrigeren Steueraufkommen als benötigt,241 weil die Steuereinkommen nominell wie

real nicht unbemerkt erhöht werden können.

Als letztes Problem wird die Immobilität benannt, die z.T. physisch (s.o.), aber nicht im fiskalischen

Sinne besteht. Via Kapitalisation der Steuer werden finanzielle Belastungen, die über das angemessene

Maß hinausgehen (siehe Angebot an lokalen öffentlichen Gütern usw.), reduziert. Für wertvolle

Grundstücke, die durch die Kapitalisierung zu niedrigeren Preisen gehandelt werden, beschreibt

OATES die Konsequenzen: „...through the process of capitalization, the entire loss of future rental in-

come is reflected in an immediate fall in the value of the property at the time the tax is levied.” 242

Fasst man diese Aussagen zusammen, kommt man zu dem Schluss, dass bei der Erhebung von Grund-

steuern die dezentrale Ebene eine effizientere Verwaltung durchführen kann als die Zentralebene, so-

fern von den zuvor benannten Problemkreisen abstrahiert wird. Die dezentrale Ebene sollte aber be-

züglich der Determinierung der Steuerbemessungsgrundlage und des Steuersatzes von der zentralen

Ebene unterstützt und geleitet werden, um mögliche Lasten und Zusatzlasten der Besteuerung zu mi-

nimieren.

1.2.5.3 Steuern auf natürliche Ressourcen

Die Besteuerung natürlicher Ressourcen sollte der Zentralebene obliegen.243 Natürliche Ressourcen

sind zwar immobil und damit prädestiniert für eine dezentrale Besteuerung (s.o.), aber ihre ungleiche

Verteilung innerhalb eines Staatsgebietes überwiegt als Argument, die Besteuerung der Zentralebene

zuzuordnen.244 Der Zentralebene ist es möglich, Steueraufkommen aus der Besteuerung natürlicher

Ressourcen für die gesamte Volkswirtschaft zu bündeln und dort gleichmäßig zu redistribuieren. Da-

mit wird die ungleiche Verteilung der Ressourcen und des einhergehenden Steueraufkommens

internalisiert.

239 Vgl. Bird (1993), S. 216. Hier ist ebenfalls die Diskussion um die “richtigen” Preise zur Bewertung interessant, denn sowohl Marktpreise als auch von den Behörden geschätze Werte oder Erfahrungswerte sind grundsätzlich u.a. möglich. Daneben existiert in Ländern die Variante des Self-Assessment oder hybride Formen aus Self-Assessment und behördlicher Veranlagung mit einem Preis. Das ist auch eine Frage der Steuerehrlichkeit s.o. Vgl. hierzu Vehorn/ Ahmad (1997), S. 127. 240 Vgl. Engelschalk (1999), S. 73, oder Vehorn/ Ahmad (1997), S. 127. 241 Vgl. Norregaard (1997), S. 59. Er führt dort weitere Problemkreise, die bei der Erhebung der Grundsteuer meist auftreten, an.242 Vgl. Oates (1972), S. 137. Unterliegt der Grundsteuer auch der Gedanke der Umverteilung, dann muss sichergestellt sein, dass alle Besitzer ihrem Vermögen entsprechend ein Anwesen besitzen, so dass „gerechte“ Steuerzahlungen fällig sind. Trifft dies nicht zu, können bspw. wohlhabende Bürger, im Besitz niedrigpreisiger Anwesen, von einer Grundsteuer profitieren, ihre Steuerlast mindern, verglichen mit dem Besitz eines hochpreisigen Anwesens. 243 Vgl. McLure (1996), S. 320, und Norregaard (1997), S. 68. 244 Vgl. Tanzi (1996), S. 312, Norregaard (1997), S. 68.

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Erfolgte eine dezentrale Besteuerung, träten entsprechend Steueraufkommen in einzelnen Jurisdiktio-

nen konzentriert auf, die diesen ein hohes Angebot an lokalen öffentlichen Gütern finanzieren könn-

ten. Dies zöge Bewohner in diese Jurisdiktionen.245 Somit würde einer Konzentration natürlicher Res-

sourcen eine Konzentration der Bevölkerung folgen. Diese Tatsache beinhaltet genügend Potential zu

einer Amplifizierung der horizontalen Unausgewogenheiten über die sonstige Steuerallokation hinaus.

Letztlich verstärkt eine solche Tendenz das Ziel einer aus finanzieller und politischer Sicht lohnens-

werten Abspaltung von Jurisdiktionen aus der Föderation.246 Dieses hypothetische Szenario allein

begründet eine Zuordnung der Besteuerung natürlicher Ressourcen auf die Zentralebene, wenn an

einem Fortbestand der Föderation gelegen ist.

Für eine Zuordnung auf die Zentralebene spricht darüber hinaus, dass die Zentralebene heftige

Schwankungen des Steueraufkommens, die aus Preisschwankungen für die natürlichen Ressourcen

resultieren, auffangen kann. Die Zentralebene kann diese aus der Volatilität der Preise verbundene

Unsicherheit über Staatseinnahmen leichter kompensieren, da sie i.d.R. ein insgesamt gesehen relativ

höheres Steueraufkommen einnimmt.247

Die Zuordnung auf die Zentralebene schließt nicht aus, dezentrale Ebenen am Steueraufkommen zu

beteiligen. Im Sinne des Äquivalenzprinzips wäre dies angemessen, sofern die einzelnen Jurisdiktio-

nen Kosten tragen, die sich im Zusammenhang mit der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen erge-

ben, wie bspw. die Errichtung oder Instandhaltung von Infrastruktur.248

Man kann festhalten, dass die Gesetzgebungshoheit zentral, die Ertragshoheit unter bestimmten Be-

dingungen dezentral aufgeteilt sein sollte. Bei der Verwaltungshoheit gilt es abzuwägen, ob der Vor-

teil dezentraler Ebenen bzgl. örtlicher Kenntnisse oder die Anreize zu Falschangaben bei selbigen an

die Zentralebene überwiegen. In diesem Fall sollte auch die Verwaltungshoheit der Zentralebene über-

tragen werden. Diese Ergebnisse sind für Transformationsländer gleichsam gültig.

1.2.5.4 Überblick

Neben den explizit beleuchteten Steuern finden sich in der Literatur weitere Hinweise auf die Alloka-

tion etwa von Import- und Export-Zöllen, Unternehmens- oder der Umsatzsteuern. Ohne expressis

verbis die Zuordnungen zu begründen, die der Intuition der bisher dargestellten Steuerzuordnungen

folgen, sind nun die Ergebnisse in Abb. 5 zusammengefasst. Damit wird eine Untersuchung der unga-

rischen Praxis bzgl. Steuerzuordnung einfacher.249

245 Vgl. zu diesem und dem voranstehenden Satz Tanzi (1996), S. 312. 246 Vgl. Tanzi (1996), S. 313, oder Norregaard (1997), S. 68. Stewart (2000), S. 1, 3 f und 8 ff, beschreibt für Russland die ungleiche Verteilung der natürlichen Ressourcen und weist auf die damit verbundenen Verstärkungen der horizontalen Un-ausgewogenheiten hin, die Zuweisungen implizieren. 247 Vgl hierzu Norregaard (1997), S. 68. 248 Vgl. McLure, S. 320, oder Norregaard (1997), S. 68. 249 Vor dem Hintergrund unterschiedlicher nationaler Rahmenbedingungen und der modellhaften Analyse sind diese Zuord-nungen generell nur als prinzipielle statt definitive Empfehlungen zu verstehen.

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Abb. 5: Überblick über die tendentielle Steuerzuordnung an ausgewählten Beispielen

In einer abschließenden Betrachtung der Ausführungen zum vertikalen Finanzausgleich wird offenbar,

dass der vertikale Finanzausgleich vertikale Unausgewogenheiten glättet, horizontale Unausgewogen-

heiten im Rahmen des horizontalen Effektes des vertikalen Finanzausgleichs mindert. Letzterer Effekt

ist aber oft nicht hinreichend groß, um die gesamten horizontalen Unausgewogenheiten zu eliminie-

ren.250 Verbleiben also horizontale Unausgewogenheiten nach vollzogener Gestaltung des vertikalen

Finanzausgleichs, wird die Anforderung einheitlicher Lebensverhältnisse, die nur bei ausgeglichenen

vertikalen und horizontalen Unausgewogenheiten existieren, nicht erfüllt.251 Es bedarf dort eines hori-

zontalen Finanzausgleichs.252 Im nun folgenden Kapitel werden der horizontale Finanzausgleich und

seine Elemente dargestellt.

250 Sollten durch den vertikalen Finanzausgleich auch die horizontalen Unausgewogenheiten vollständig geglättet worden sein, so wird dieser Zustand nur kurzfristig anhalten. Ausgaben und Einnahmen einer Jurisdiktion unterliegen nämlich einem sehr dynamischen Prozess, an den der vertikale Finanzausgleich nicht immer orientiert werden kann. Vgl. hierzu Dickert-mann/ Gelbhaar (1996), S. 401. 251 Die Anforderungen der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse wird in vielen Ländern gefordert. 252 Grundsätzlich wäre es Nationen möglich, Belange horizontaler Unausgewogenheiten zu ignorieren oder aber sie zusam-men mit den vertikalen Unausgewogenheiten in einem entsprechenden zwischenstaatlichen Zuweisungssystem zu lösen, u.a. vgl. Ahmad/ Craig (1997), S. 77. Von erster Möglichkeit soll der Relevanz für den ungarischen Finanzausgleich abgesehen werden. Bezogen auf die zweite Variante ist zu berücksichtigen, dass die Problematik horizontaler Unausgewogenheiten und damit primär des horizontalen Finanzausgleichs (abgesehen vom horizontalen Effekt des vertikalen Finanzausgleichs) eine grundsätzlich andere als die der vertikalen Unausgewogenheiten ist, die durch den vertikalen Finanzausgleich geglättet wer-den. Vorweggenommen sei, dass die zweite Variante in Ungarn realisiert ist.

Eigene Darstellung; zu den Ergebnissen vgl. die bisher angeführte Literatur, insb. Norregaard (1997), S. 55 ff, Tanzi (1996), S. 312 f, McLure (1996), S. 320 f.

Dezentrale Ebene Sales Tax

Zentralebene mit evtl. Beteiligung der dezentralen Ebene am Steueraufkommen

Mehrwertsteuer

ZentralebeneUnternehmenssteuern

ZentralebeneImport- und Export-Zölle

Zentralebene mit Beteiligung der dezentralen Ebene gemäß Äquivalenzprinzip

Steuer auf natürliche Ressourcen

Dezentrale Ebene mit Beteiligung der Zentralebene bei Festlegung von Steuerbemessungsgrundlage und Steu-

ersatz

Grundsteuer

Zentralebene mit Beteiligung der dezentralen Ebene am Steueraufkommen anhand Surcharging

Einkommensteuer

Tendenzielle ZuordnungSteuerart

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2 Der horizontale Finanzausgleich

Der horizontale Finanzausgleich umfasst ausschließlich einen aktiven Finanzausgleich. Er setzt ge-

danklich nach vollzogenem vertikalen Finanzausgleich ein, wenngleich die konkrete Operationalisie-

rung des horizontalen und vertikalen Finanzausgleichs zeitlich überlappend erfolgen kann und zumeist

auch erfolgt. Zurückerinnernd besagt die Definition der horizontalen Unausgewogenheiten, dass diese

vorliegen, sofern bei Einheiten gleicher staatlicher Ebene deren finanzielle Ausstattung, gemessen an

den zugeordneten Aufgaben und mithin Ausgaben, differieren. Aufgrund unterschiedlicher Größe,

Struktur und Leistungsfähigkeit der Jurisdiktionen nach dem vertikalen Finanzausgleich werden hori-

zontale Unausgewogenheiten wohl immer bestehen.253 Sie drücken sich in unterschiedlichen Relatio-

nen von Finanzkraft zu Finanzbedarf aus. Die horizontalen Effekte des vertikalen Finanzausgleichs

sind für die Betrachtungen in diesem Kapitel als in der Höhe bekannt vorausgesetzt und einberechnet.

Sie seien nicht so hoch, alle horizontalen Unausgewogenheiten auszugleichen, so dass der reine hori-

zontale Finanzausgleich in seiner Wirkung Gegenstand der folgenden Untersuchung ist.

Um diese verbleibenden horizontalen Unausgewogenheiten zu glätten und zu internalisieren, besteht

zum einen die Möglichkeit, eine entsprechende Gebietsreform durchzuführen.254 Zum anderen wäre

eine permanente Reform des bestehenden vertikalen Finanzausgleichs denkbar, die sich kontinuierlich

an den sich ändernden Einnahmen- und Ausgabenstrukturen der einzelnen Jurisdiktionen orientiert.

Aus Gründen der Stetigkeit und Berechenbarkeit finanzpolitischer Prozesse sind diese beiden Mög-

lichkeiten zu verwerfen. Die Operationalisierung wäre sehr kostenintensiv. Insbesondere entstünden

Transaktionskosten in Form von Zeit und politischem Widerstand.255

Eine Alternative stellt der horizontale Finanzausgleich dar.256 Bei diesem erfolgen Ausgleichszahlun-

gen in Form von Zuweisungen von „reichen“ zu „ärmeren“ Jurisdiktionen der gleichen Ebene, um die

horizontalen Unausgewogenheiten zu glätten.257 Für die Festlegung der Bestimmungen zu den Aus-

gleichszahlungen kann eine übergeordnete Ebene herangezogen werden oder in Verhandlungen eine

Einigung der Jurisdiktionen untereinander erzielt werden.258

253 Vgl. Kuhn (1996), S. 26, und dort angegebene Literatur. 254 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 401, auch zu den folgenden zwei Sätzen. 255 Vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 199. 256 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 401. Stewart (2000), S. 8, spricht explizit für ein „equalising system of transfers“ (vertikaler und horizontaler Finanzausgleich), insb. je bedeutender die dezentralisierten Aufgaben. 257 Vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 199. 258 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 401.

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Abb. 6: Horizontale Unausgewogenheiten

Die Bestimmungen zu den Ausgleichszahlungen beinhalten drei wesentliche Schritte zur Determinie-

rung ihrer Höhe und Richtung:259

2.1 Die Bestimmung der Finanzkraft einer Jurisdiktion

Die Finanzkraft ist als eine Ist-Größe der Jurisdiktion zu quantifizieren.260 Sie bestimmt sich aus den

Einnahmen einer Jurisdiktion. Sie sollte als Bemessungsgrundlage nur Einnahmen beinhalten, die den

Jurisdiktionen eine gewisse Dispositionskraft eröffnen und nicht mit unverhältnismäßig hohen Trans-

aktionskosten bei der Erhebung behaftet sind.261 Dabei sollen alle Einnahmen, die diesen Forderungen

genügen, eingeschlossen werden, um Verzerrungen, Ausweichreaktionen, die im Agitationsfeld einer

Jurisdiktion liegen, und damit Manipulationen der Berechnungen der Finanzkraft durch die einzelnen

Jurisdiktionen zu vermeiden. Ferner sind Variationsmöglichkeiten, die den Jurisdiktionen bei der Ges-

taltung ihrer Einnahmen, wie etwa die Festlegung lokaler Hebesätze, gegeben sind, durch die Heran-

ziehung normierter Werte zu beschränken. Erst dann ist die Finanzkraft eine objektivierte Größe.

2.2 Bestimmung des Finanzbedarfs einer Jurisdiktion

Der Finanzbedarf ergibt sich einerseits durch eine schwache fiskalische Kapazität der Jurisdiktion,

andererseits aus dem hohen Druck, der auf der Bereitstellung lokaler Leistungen ruht. Auf letztere

wirken die Nachfragestärke und die Stückpreise der lokalen Leistungen. Der Finanzbedarf einer Juris-

diktion kann nicht direkt ermittelt werden. Man berechnet den Finanzbedarf als eine Sollgröße, die den

259 Vgl. Oates (1999), S. 1127, und Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 401 f. 260 Vgl. Dickertmann/ Gelbhaar (1996), S. 401. 261 Vgl. Grossekettler (1999), S. 571, auch zu den folgenden zwei Sätzen. Unter Umständen werden bei Berechnungen der Finanzkraft auch die Einnahmen nachrangiger Haushalte mit einbezogen, darauf weisen Zimmermann/ Henke (2001), S. 200, hin.

Horizontale Unausgewogenheiten

Druck auf das jurisdiktionale Angebot lokaler öffentlicher Güter

Schwache fiskalische Kapazität

Finanzbedarf Finanzkraft

Stückpreise lokaler öffentlicher Güter

Nachfragestärke

• Regionale Umstrukturierung • Reform des vertikalen Finanzausgleichs • Horizontaler Finanzausgleich

Eigene Darstellung, angelehnt an die Ausführungen von Stewart (2000), S. 11, und Ter-Minassian (1997), S. 11.

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einzelnen Jurisdiktionen jeweils zur Verfügung stehen sollte, um die Aufgaben adäquat mit vorhande-

nem Budget erfüllen zu können. Zur objektiven Quantifizierung des interjurisdiktional differierenden

Finanzbedarfs werden einheitlich gewählte Bedarfsindikatoren für die Jurisdiktionen in jeweiliger

Höhe festgelegt, die natürliche, geographische, ökonomische und sozioökonomische Unterschiede der

Jurisdiktionen berücksichtigen.262 Diese Bedarfsindikatoren werden dann mit der insgesamt allen Ju-

risdiktionen auf gleicher Ebene zur Verfügung stehenden Finanzkraft multipliziert.263

Die Variationen der Berechnung des Finanzbedarfs sind durch die mögliche Auswahl der Bedarfsindi-

katoren quasi unbegrenzt, letztlich Resultat einer politischen Entscheidung und ethischer Nomenklatur

über die angestrebte Intensität der Aufgabenerfüllung und der Höhe des Finanzbedarfs.264 Die Höhe

des Finanzbedarfs ist direkt abhängig von der Wahl der Bedarfsindikatoren und deren jurisdiktionalen

Ausprägungen. Ein Bedarfsindikator kann sich in multiple inhaltliche Teilaspekte aufsplitten, somit

mehrere der oben genannten jurisdiktionalen Unterschiede berücksichtigen.

Als einfachste Variante zur Berechnung des Finanzbedarfs dient das Produkt aus Einwohnerzahl (Be-

darfsindikator) und der über alle Jurisdiktionen hinweg durchschnittlichen Steuereinnahmen pro

Kopf.265 Ein Beispiel für die Berücksichtigung sozioökonomischer Bedingungen bei der Determinie-

rung der Bedarfsindikatoren ist die Berücksichtigung des BRECHT’schen Gesetzes, i.e. der Parametri-

sierung des Urbanisationsgrades, in Deutschland etwa in der „Einwohnerveredelung“ realisiert.266

Unter Einwohnerveredelung versteht man, dass dem einzelnen Bürger der dicht besiedelten Jurisdikti-

on ein höheres finanzpolitisches Gewicht zukommt als einem in einer dünnbesiedelten Jurisdiktion.

D.h., es wird insgesamt ein höherer Finanzbedarf pro Bürger festgelegt.267 Nicht mehr die Einwohner-

zahl, sondern eine modifizierte Einwohnerzahl wird mit der insgesamt allen Jurisdiktionen zur Verfü-

gung stehenden Finanzkraft pro Kopf multipliziert. Dadurch kann sich eine vollkommen von der vor-

herigen, ungewichteten Verteilung der Ausgleichszahlungen verschiedene Verteilung ergeben. Hier

wird die Willkür politischer Entscheidungsprozesse und die Möglichkeit zur Beeinflussung politischer

Entscheidungsträger durch lokale Interessengruppen zur Auswahl der Indikatoren evident.268

262 Vgl. Kuhn (1996), S. 26, auch zu folgendem Satz. 263 Vgl. Fischer-Menshausen (1980), S. 658 f. 264 Vgl. Kuhn (1996), S. 27. 265 Für eine elaboriertere Darstellung der möglichen Berechnungen des Finanzbedarfs siehe z.B. Lenk (1995). 266 Vgl. Brecht (1932), S. 6 ff. 267 In einer Stadt fallen pro Bürger höhere Kosten an, wenn man z.B. bedenkt, dass Theater, Museen etc. unterhalten werden. Diese zeigen positive Spillovers für benachbarte Jurisdiktionen. Bei Berücksichtigung dieses Umstandes im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs scheint eine Einwohnerveredelung nur gerechtfertigt. Dies kann man jedoch auch bestreiten. Daher soll hier keine Aufzählung einzelner Arten oder eine subjektive Bewertung der Bedarfsindikatoren erfolgen, da schon eine Auswahl keine objektive Beurteilung der gewählten Bedarfsindikatoren ermöglicht. 268 Holcombe/ Zardkoohi (1981) zeigen am Beispiel der USA, wie der Einfluss politischer Interessengruppen, politischer Zugehörigkeit etc., die Vergabe von Zuweisungen im Rahmen des vertikalen Finanzausgleichs beeinflussen. Ähnliche Er-gebnisse sind auch beim horizontalen Finanzausgleich zu erwarten. Ein Beispiel dafür ist die aktuelle politische Brisanz der Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs in Deutschland, FTD (2003).

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2.3 Verhältnis der Finanzkraft zu Finanzbedarf

Das Verhältnis der Finanzkraft zum Finanzbedarf wird in den meisten Fällen von Jurisdiktion zu Ju-

risdiktion unterschiedlich sein. I.e. die horizontalen Unausgewogenheiten werden in den einzelnen

Jurisdiktionen variieren. Das Verhältnis Finanzkraft zu Finanzbedarf kann über-, unter- oder paritä-

tisch sein. Somit stellt sich die Frage nach einem Verteilungsschlüssel, der den verschiedenen Relatio-

nen der Finanzkraft zum Finanzbedarf entsprechend Ausgleichszahlungen festlegt. Meist wird die

Regel verfolgt, dass eine Jurisdiktion mit einem überparitätischen Verhältnis der Finanzkraft zum Fi-

nanzbedarf Ausgleichszahlungen leisten muss (Geberposition, Sinken ihrer Finanzkraft), und dass eine

Jurisdiktion mit unterparitätischer Relation Ausgleichszahlungen empfängt (Nehmerposition, Steigen

ihrer Finanzkraft). Eine Jurisdiktion mit paritätischer Relation soll nicht an den Ausgleichszahlungen

beteiligt sein.269

Wichtige Anforderungen an die Ausgestaltung des horizontalen Finanzausgleichs sind, dass die Rang-

folge der Jurisdiktionen nach ihrer Relation Finanzkraft zu Finanzbedarf nicht umgekehrt werden soll,

und die betragsmäßigen Differenzen zwischen Finanzkraft und Finanzbedarf einer Jurisdiktion nicht

vergrößert werden sollen.270 Inwieweit die Relationsunterschiede ausgeglichen werden, hängt vom

Ziel des Finanzausgleichs ab. Liegt das Ziel des Finanzausgleichs darin, die Eigenverantwortlichkeit

der Jurisdiktionen zu stärken, erfolgt im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs nur ein Spitzen-

ausgleich.271 Besteht hingegen das primäre Ziel, die Lebensverhältnisse in einer Nation in allen Gebie-

ten zu vereinheitlichen, werden die Ausgleichszahlungen dahingehend höher als beim Spitzenaus-

gleich ausfallen.272

Die Ausgleichszahlungen erfolgen in Form von Zuweisungen.273 In der Literatur werden ungebundene

lump-sum Zuweisungen als optimal angesehen, um ein höchstmögliches Maß an Selbständigkeit der

einzelnen Jurisdiktionen zu erhalten; um bestimmte allokative Ziele innerhalb des horizontalen Fi-

nanzausgleichs zu erreichen, sind gebundene Zuweisungen zieladäquat.274 Die Summe der geleisteten

Ausgleichszahlungen soll dabei der Summe der empfangenen Ausgleichszahlungen entsprechen.275

Neben den ökonomischen Anforderungen an die Ausgestaltung des horizontalen Finanzausgleichs

bestehen auch solche an die rechtliche, operationale und verfahrenstechnische Ausgestaltung. Der

horizontale Finanzausgleich muss verfassungskonform sein, d.h., weder gegen nationale noch suprana-

tionale Regelwerke verstoßen, sofern sie für das Rechtsgebiet der Volkswirtschaft verbindlich sind.276

269 Vgl. Kuhn (1996), S. 30. 270 Ebenda. 271 Vgl. Zimmermann/ Henke (2001), S. 201, auch zum folgenden Satz. 272 Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse ist ein weit interpretierbarer Begriff, letztlich kann er sich nur auf das Angebot öffentlicher Güter beziehen. Vgl. hierzu sinngemäß Ahmad/ Craig (1997), S. 81. 273 Für die Zuweisungen im horizontalen Finanzausgleich gelten die gleichen Klassifikationen wie beim vertikalen Finanz-ausgleich. Daher erfolgt hier keine wiederholende Darstellung der Zuweisungskategorien und grundlegenden Eigenschaften und Auswirkungen, sondern es ist auf Kapitel 1.2.2 verwiesen. 274 Vgl. Stewart (2000), S. 11, und dort angegebene Literatur, sowie Oates (1999), S. 1127, und Ahmad/ Craig (1997), S. 76, für gebundene Zuweisungen unter gewissen Annahmen. 275 Analog dazu vgl. Kuhn (1996), S. 30. 276 Vgl. zu diesem und den nächsten zwei Sätzen Lenk (1995), S. 232, Kuhn (1996), S. 29, und die dort angegebene Literatur.

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Ferner sollte das horizontale Ausgleichssystem praktikabel, geeignet und transparent sein, um ein

höchstmögliches Maß an Effizienz und Kontrollierbarkeit zu gewährleisten. Dazu wird die Vollstän-

digkeit, d.h. die Erfassung aller denkbaren Situationen und Widerspruchsfreiheit gefordert. Dadurch

kann eine Eindeutigkeit im Ausgleichsverfahren gesichert werden. Außerdem wird Flexibilität der

Bestimmungen zur Determinierung der Ausgleichszahlungen gefordert, weil dadurch eine Anpassung

an Veränderungen der Finanzbedarfsstruktur und -kraft zeitnah erfolgen kann.277

Wie oben bereits angeführt, ist es bei der Festlegung der Ausgleichszahlungen wichtig, eine Beein-

flussung der Ausgleichshöhe, sei es über die Angaben der Finanzkraft oder des Finanzbedarfs einer

Jurisdiktion, zu verhindern. Wäre dies dennoch möglich, würde der horizontale Finanzausgleich als

„gap filling“-Mechanismus missbraucht, könnte Moral-Hazard-Verhalten von den Jurisdiktionen an-

genommen werden.278 Die Jurisdiktionen würden ihre Finanzkraft von eigenen Quellen nicht fördern,

fiskalisch risikoreiche Projekte vornehmen, weil sie sich der Ausgleichszahlungen benachbarter Juris-

diktionen im Falle der unterparitätischen Relation der Finanzkraft zum Finanzbedarf sicher sein könn-

ten.

Abschließend sei bemerkt, dass Zuweisungen im horizontalen und vertikalen Finanzausgleich so aus-

gestaltet sein sollen, dass sie den „bedürftigen“ Jurisdiktionen zugute kommen.279 Sie sollten so ver-

teilt werden, dass keine Anreize zu ineffizientem Verhalten der empfangenden Ebene bzw. Einheit

bestehen, aber gleichzeitig doch ausreichend hoch, um ihre Zweckbestimmung erfüllen zu können

(s.o.).280 Dies sicherzustellen, verlangt eine verbindliche, konkrete Vorgabe von Verteilungsschlüsseln,

die gegen jedwede politische Einflussnahme möglichst immun sind.

Zuweisungen, die im Rahmen des vertikalen und horizontalen Finanzausgleichs erfolgen, können un-

tereinander kontraproduktiv sein, insbesondere allokative und distributive Wirkungen können konfli-

gieren.281

An dieser Stelle soll keine nähere Analyse dieser Sachverhalte erfolgen. Im nun folgenden Kapitel

werden die bis dato anhand der traditionellen ökonomischen Theorie des Föderalismus abgeleiteten

Ergebnisse zur optimalen Ausgestaltung eines Finanzausgleichssystems erweitert bzw. ergänzt inner-

halb dieses Theorierahmens und darüberhinausgehend.

277 Vgl. Lenk (1993), S. 237, in Kuhn (1996), S. 30. 278 Der Gedanke und der Begriff des „gap filling“ sind Stewart (2000), S. 11, entnommen. 279 Vgl. Stewart (2000), S. 4. 280 Vgl. i.d.S. Oates (1990), S. 50, “[...] the funding at the margin of local programmes from own revenues” sollte das Leit-motiv zur Vergabe der Zuweisungen sein, damit dezentrale Ebenen ihrer Rolle im föderalen System gerecht werden. 281 Vgl. hierzu u.a. Oates (1999), S. 1127, oder Ahmad/ Craig (1997), S. 84 f.

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49

3 Probleme fiskalischer Föderationen

Die Darstellungen in den beiden voranstehenden Kapiteln basierten auf z.T. sehr restriktiven Annah-

men und der vereinfachenden Sicht, Externalitäten zwischen und innerhalb staatlicher Ebenen weitge-

hend nicht zu berücksichtigen.282 Ferner blieben fiskalische Besonderheiten, die im Zusammenhang

mit supranationalen Ebenen bestehen, weitgehend ausgeklammert, sofern sie nicht in der Allgemein-

gültigkeit von Ergebnissen inkludiert waren. In diesem Kapitel soll diesen beiden Problemkreisen

angemessen Rechnung getragen werden. Unter 3.1 erfolgt eine Darstellung möglicher Arten von Ex-

ternalitäten, hier der fiskalischen Externalitäten. Es enthält einige Beispiele für deren Wirkungen im

Allokations-, Distributions- und Stabilitätszusammenhang. Die Darstellung baut auf den Ausführun-

gen in Kapitel 1 und 2 auf. Im Anschluss erfolgt eine Betrachtung der supranationalen Ebene, wie sie

etwa mit der EU realiter gegeben ist. Beide Problembereiche sollen dabei nur in ihrem Kern gestreift

werden. Die Ausführungen in 3.1 erlauben jedoch überblickartig einen Vergleich mit den in Ungarn

vorherrschenden Sachverhalten. Im Hinblick auf die erwartete Aufnahme Ungarns 2004 in die EU

spielen die Betrachtungen unter 3.2 eine Rolle.

3.1 Fiskalische Externalitäten

Externalitäten entstehen, wenn ökonomische Maßnahmen eines Wirtschaftsubjektes Auswirkungen

auf die eines anderen haben, wenn die individuelle Rationalität nicht mehr mit der kollektiven Ratio-

naliät übereinstimmt. Sie verursachen damit ein Abweichen von der Pareto-Effizienz, wie sie als Op-

timalitätskriterium für den Fortgang der Untersuchung weiter unterstellt werden soll. Fiskalische Ex-

ternalitäten sind Phänomene in föderalen Staatssystemen, in denen mindestens zwei Staatsebenen exis-

tieren, die autonome Entscheidungen bzgl. ihrer Aufgaben, Ausgaben- und Einnahmenpolitik treffen

können.283 Sie treten auf, wenn Entscheidungen einer Ebene, respektive einer Jurisdiktion, Einfluss auf

das Wohl der Bürger auf anderen Ebenen oder in anderen Jurisdiktionen hat, oder das Budget anderer

Staatsebenen oder Jurisdiktionen tangiert.284 Die fiskalischen Externalitäten sind zu unterscheiden von

denen, die aus Ineffizienzen der privaten Märkte und der Unfähigkeit des Staates, diese zu korrigieren,

entstehen, und von Externalitäten, die daraus resultieren, dass Entscheidungsträger nicht im Interesse

ihrer Bürger handeln.285 Sie können pekuniärer oder technologischer Art, sowie positiv oder negativ in

ihren Wirkungen sein. Eine Klassifikation der fiskalischen Externalitäten kann anhand verschiedenster

Kriterien erfolgen. Die drei Bedeutensten sind hier vorgenommen.

282 Abgesehen von den Betrachtungen der Spillovers in Unterkapitel 1.1.1.2. 283 Im folgenden des Kapitels 3.1 sei nur noch der Begriff Ausgabenpolitik statt Aufgaben- und Ausgabenpolitik verwendet, denn die Aufgaben werden als definitiv zugewiesen erachtet, so dass die Ebenen optimaler Weise mit geringstmöglichen Kosten die Aufgaben zu erfüllen versuchen, und gemäß des Konnexitätsprinzs die Ausgaben mit den Aufgaben jeweils ent-sprechend verbunden sind. Eine Untersuchung zu fiskalischen Externalitäten hat jüngst Wrede (2002) veröffentlicht. 284 Vgl. Kapitel 1.1.1.2, Spillovers bei lokalen öffentlichen Gütern. 285 Vgl. Wilson (1999), S. 272.

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Direkte versus indirekte Externalitäten

Zum einen unterscheidet man direkte und indirekte fiskalische Externalitäten. Direkte fiskalische Ex-

ternalitäten beeinflussen die Höhe der Konsumentenpreise oder der Produzentenpreise sowie die Höhe

der bereitgestellten Menge lokaler öffentlicher Güter einer anderen Jurisdiktion. Sie beziehen sich

damit direkt auf die Nutzenfunktionen von Bürgern anderer Jurisdiktionen,286 da diese von Preisen und

der konsumierten Menge an privaten und öffentlichen Gütern abhängt. Direkte fiskalische Externalitä-

ten wirken immer horizontal. Indirekte fiskalische Externalitäten hingegen beeinflussen die staatlichen

Budgetrestriktionen anderer Ebenen oder Jurisdiktionen gleicher Ebene. Sie können vertikal oder hori-

zontal wirken.

Abb. 7: Direkte und indirekte fiskalische Externalitäten

Horizontale versus vertikale Externalitäten

Die weithin gebräuchlichste Unterscheidung erfolgt nach der Richtung, in die die fiskalischen Exter-

nalitäten ihre Wirkung entfalten. Horizontale fiskalische Externalitäten existieren, wenn Entscheidun-

gen einer jurisdiktionalen Regierung über Ausgaben- und Einnahmenpolitik beeinflusst werden von

den Entscheidungen einer anderen Regierung gleicher Ebene.287 D. h., ein jurisdiktionaler Entschei-

dungsträger berücksichtigt nicht alle Kosten und Nutzen, die anderen Jurisdiktionen durch seine Ent-

scheidung entstehen, seine Entscheidung ist somit ineffizient.288 Vertikale fiskalische Externalitäten

liegen vor, sofern sich Entscheidungen über Aufgaben- und Einnahmenpolitik einer Ebene zwischen

Ebenen auswirken, sei es auf das Wohl der Bürger oder auf die jeweiligen staatlichen Budgetrestrik-

tionen. Dabei sind vertikale fiskalische Externalitäten, die von der zentralen zur dezentralen Ebene

wirken mit top-down Externalitäten, entgegengesetzt wirkende Externalitäten mit bottom-up Externa-

litäten bezeichnet.289

286 Vgl. Dahlby/ Wilson (1996), S. 89, auch für die folgenden drei Sätze. Pekuniäre Externalitäten sind hier eingeschlossen. 287 Diese Definition ist Goodspeed (2000), S. 494, entnommen. 288 Vgl. i.d.S. etwa Keen/ Kotsogiannis (2002), S. 365. Die Betonung der Ineffizienz ist in analoger Weise Wellisch (1995), S. 5 und 12, entlehnt. 289 Vgl. Keen/ Kotsogiannis (2002), S. 365, die diese Unterscheidung in ihrem Modell verwenden.

Fiskalische Externalitäten

indirekt direkt

Veränderung bei Schuldenpolitik

Veränderung bei Ausgabenpolitik

Veränderung des Steueraufkommens

Einfluß auf das Angebot an lokalen öffentlichen Gütern anderer Jurisdiktionen

Einfluß auf Produzenten- preise anderer Jurisdiktionen

Einfluß auf Konsumenten- preise anderer Jurisdiktionen

Eigene Darstellung, Erweiterung und Anlehnung an die Ausführungen in Dahlby/ Wilson (1996), S. 89.

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Ausgabenpolitik versus Steuerpolitik

Horizontale wie vertikale fiskalische Externalitäten können aus der Ausgabenpolitik oder der Einnah-

menpolitik resultieren. Sind die Quellen der Externalitäten bekannt, lassen sich entsprechend effektive

Internalisierungsinstrumente wählen. Die folgende Matrix enthält die grundlegenden Arten von fiska-

lischen Externalitäten gemäß der vorgestellten Kriterien, die anhand ausgewählter Beispiele verdeut-

licht werden.290

Abb. 8: Externalitäten-Matrix

(A) Direkt horizontale fiskalische Externalitäten – Ausgabenpolitik

Direkt horizontale fiskalische Externalitäten können sich z.B. bei der Bereitstellung lokaler öffentli-

cher Güter einer Jurisdiktion ergeben. Oftmals bieten Jurisdiktionen lokale öffentliche Güter an, deren

Wirkungskreis nicht mit den Grenzen der Jurisdiktion übereinstimmt. Die Bereitsstellung lokaler öf-

fentlicher Güter liefert eine Variante direkt horizontaler fiskalischer Externalitäten.291 Sind diese direk-

ten horizontalen fiskalischen Externalitäten positiv, soll die Bereitsstellung der lokalen öffentlichen

Güter ausgeweitet werden. Mittels intergouvernmentaler Transfers oder horizontaler finanzieller Aus-

gleiche kann die Erfüllung der Samuelson-Regel über jurisdiktionale Grenzen hinweg ermöglicht, die

290 Der Begriff der Spillovers, wie er in Unterkapitel 1.1.1.2 verwendet ist, ist allgemein gehalten und umfasst alle Arten bei lokalen öffentlicher Güter potentiell auftretenden fiskalischen Externalitäten. Hier erfolgt nun eine genauere Unterscheidung, in die man die oben benannten Spillovers in A,B,C, oder D einordnen kann. 291 Vgl. hierzu Keen (1998), S. 455, oder Gordon (1983), S. 580.

Direkt horizontale fiskalische Externalitäten aus der Ausgaben-politik folgend • Bereitstellung lokaler öff. Güter

Direkt horizontale fiskalische Externalitäten aus der Steuerpolitik folgend • Steuerexport

Indirekt horizontale fiskalische Externalitäten aus der Steuerpoli-tik folgend • Steuerwettbewerb

Indirekt vertikale fiskalische Externalitäten aus der Steuerpo-litik folgend • Tax Base Overlap

Indirekt horizontale fiskalische Externalitäten aus der Ausga-benpolitik folgend • Investitionsbeihilfen

A

C

B

D

Ausgabenpolitik Steuerpolitik

Eigene Darstellung

Indirekt vertikale fiskalische Externalitäten aus der Ausga-benpolitik folgend • Schulbildung

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Internalisierung dieser Externalitäten erreicht werden.292 Entsprechendes gilt für negative Externalitä-

ten dieser Art.293

Ein Beispiel für einen positiven Spillover hier stellt die Institutionalisierung oder Verschärfung von

Umweltauflagen in einer Jurisdiktion aus ökologischem Bewusstsein heraus dar.294 Dadurch wird nicht

nur das Emissionsvolumen von Schadstoffen in dieser Jurisdiktion gemindert, sondern aufgrund der

Ubiquität der Transfermedien der Schadstoffe reduzieren sich die Emissionen auch in benachbarten

Jurisdiktionen. Die Internalisierung kann wie oben beschrieben erfolgen; eine Pigou-Subvention von

der empfangenden an die bereitstellende Jurisdiktion wird angemessen sein.

(B) Direkt horizontale fiskalische Externalitäten – Steuerpolitik

Diese Art der fiskalischen Externalitäten tritt bspw. auf, wenn Teile der Steuerlast einer jurisdiktiona-

len Steuer nicht nur von ansässigen Steuerschuldnern getragen wird (Steuerexport als Form einer fis-

kalischen Externalität, die nicht direkt aus der Bereitsstellung eines lokalen öffentlichen Gutes

stammt).295 Die steuererhebende Jurisdiktion wird mithin die sozialen Grenzkosten der Steuersatzer-

höhung unterschätzen, folglich einen zu hohen Steuersatz wählen, als es der kollektiven, i.e. der natio-

nalen, Rationalität entsprechen würde. Als Beispiel dienen örtliche Steuern für Touristen, denn sie

sind von allen Touristen einer Jurisdiktion zu entrichten, unabhängig von ihrem Wohnsitz. Steuerex-

port wird somit bei Immobilität der Steuerbemessungsgrundlage als negativ und verzerrend angese-

hen, ist mit einem ineffizienten Angebot an lokalen öffentlichen Gütern verbunden, was ein Versagen

der Dezentralisierung ausdrückt.296 Steuerexport ist auf die Offenheit der Regionen zurückzuführen.

(C) Indirekt horizontale fiskalische Externalitäten – Steuerpolitik

Diese indirekt horizontalen fiskalischen Externalitäten treten auf, wenn Entscheidungen bzgl. der

Steuerpolitik einer Jurisdiktion Auswirkungen auf andere Jurisdiktionen gleicher Ebene haben. Steu-

erwettbewerb ist ein Beispiel für diese indirekt horizontalen fiskalischen Externalitäten. Dies kann am

Beispiel des TIEBOUT-Modells gezeigt werden.

Im Rahmen des TIEBOUT-Modells zur Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter werden (Kopf-) Steu-

ern zur Finanzierung dieser Bereitstellung (pro Kopf) erhoben.297 Da die mobilen Konsumenten die

Steuerzahlungen mit dem Angebot an lokalen öffentlichen Gütern vergleichen, führt dieses Marginal-

292 Gordon (1983), S. 581, gibt zu bedenken, dass Verhandlungen zwischen Einheiten gleicher Ebene verhandlungstechnisch diffizil und aufwendig sein können. Von daher soll „am besten“ die zentrale Ebene die Internalisierung dieser Externalitäten vorantreiben. Er stellt nachfolgend entsprechende Internalisierungsinstrumente für die zentrale Ebene vor. 293 Man beachte hierzu die von Gramlich (1987) durchgeführte Untersuchung der Effekte einer Reduktion von Zuweisungen am Beispiel der USA. Er stellte neben hohen Budgetdefiziten eine verantwortungsvollere Politik der Ebenen fest, sofern Zuweisungen gekürzt oder entzogen werden. 294 Vgl. Dahlby/ Wilson (1996), S. 94, oder allgemeiner Keen (1998), S. 455. 295 Vgl. u.a. Oates (1991), S. 33, auch zu dem Beispiel, oder Dahlby/ Wilson (1996), S. 89, auch zu folgendem Satz. 296 Vgl. hierzu Wellisch (1995), S. 6 und 11 f, auch zu folgendem Satz. Ein Versagen wie bei Spillovers auch. 297 Siehe zum Tiebout-Modell detailliertere Ausführungen in Kapitel 1.1.1.2.

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kalkül zur allokativen Effizienz. Der implizit enthaltene Steuerwettbewerb ist daher effizient. Weicht

man die restriktiven Annahmen, unter denen dieses Ergebnis abgeleitet werden kann, auf, kommt man

zu einem ineffizienten Steuerwettbewerb.298

Für ineffizienten Steuerwettbewerb sei mit der Besteuerung mobilen Kapitals ein Beispiel gegeben.

Angenommen sei, dass andere Produktionsfaktoren unelastisch angeboten werden und immobil sind,

dass andere Steuern nicht existieren, die Steuer auf das mobile Kapital sei erhoben, um die Bereitstel-

lung lokaler öffentlicher Güter zu finanzieren.299 Senkt eine Jurisdiktion vor diesem Hintergrund c.p.

ihre Steuer auf mobiles Kapital, um es von anderen Jurisdiktionen anzuziehen, führt dies zu Ineffi-

zienzen. Denn die besagte Jurisdiktion wird lediglich ihren Nutzen, der aus dem zufließenden Kapital,

i.e. der Vergrößerung der Besteuerungsbasis, besteht und ihre Kosten ins Kalkül nehmen, ohne die

Schäden anderer Jurisdiktionen zu berücksichtigen, die diesen aus der Steuersenkung entsteht.300 Ge-

nau in dieser Diskrepanz der sozialen Grenzkosten und -nutzen zu den privaten (jurisdiktionalen)

Grenzkosten und -nutzen liegt die Ursache für diese indirekte horizontale fiskalische Externalität.301

Verglichen mit dem Wohlfahrtsoptimum der Nation ist der Steuersatz zu gering, denn die Allokation

der Ressourcen wird verzerrt und die Redistributionspolitik ist nicht mehr optimal.302 Wegen des zu

geringen Steuersatzes lässt sich folglich ein zu geringes Angebot an lokalen öffentlichen Gütern ablei-

ten – verglichen mit dem Wohlfahrtsoptimum.303 Um das Auftreten dieser Ineffizienzen zu vermeiden

und einem Wohlfahrtsoptimum nahe zu kommen, können koordinierte Abstimmungen unter den Ju-

risdiktionen oder Maßnahmen der Zentralebene, z.B. in Form von Zuweisungen oder Beschränkungen

der Faktormobilität, erfolgen.304 305

298 Vgl. Wilson (1999), S. 271 f, zu diesem Absatz. Wilson fügt in seinem Artikel wiederum Annahmen ein, unter denen der ineffiziente Steuerwettbewerb wieder effizient wirkt. Eine ausführlichere Darstellung soll aus Platzgründen unterbleiben. 299 Vgl. zu den Annahmen etwa Zodrow/ Mieszkowski (1986), oder verweisend Wilson (1999), S. 273. Dazu sei angenom-men, dass alle Jurisdiktionen eine Steuer auf mobiles Kapital erheben, die Volkswirtschaft sich in einem Ausgangsgleichge-wicht befindet. 300 Vgl. Keen/ Kotsogiannis (2002), S. 363. Analog mit einer Steuererhebung und mit gleichem Ergebnis argumentieren u.a. Goodspeed (2000), S. 497, oder Keen (1998), S. 467. 301 Vgl. Wilson (1999), S. 274. Je größer die Sensitivität der Veränderung des Kapitalbestandes in einer Jurisdiktion bezogen auf den Zinssatz r, desto stärkersind die Kapitalbewegungen zwischen den Jurisdiktionen und damit der Externalität. Vgl. Keen/ Kotsogiannis (2002), S. 366. r ist der Nettopreis, der durch den Kapitalsteuersatz t auf r+t oder r*(1+ ) erhöht wird. Die Kapitalnachfrage richtet sich nach dem Bruttopreis, der Nettopreis aber definiert das Angebot. 302 Vgl. Köthenbürger (2000), S. 3, Oates (1972), S. 143, oder Boadway/ Marchand/ Vigneault (1998), S. 454, und für in ihrem Modell abgeleitete ähnliche Ableitungen siehe S. 466. 303 Vgl. Wilson (1999), S. 272, oder Köthenbürger (2000), S. 3. 304 Für eine Auflistung an möglichen Internalisierungsmaßnahmen vgl. etwa Boadway/ Marchand/ Vigneault (1998), S. 474, Keen (1998), S. 456. 305 Steuerwettbewerb wirkt sich aber nicht nur auf die Allokation und Distribution aus, sondern auch auf die Größe der Re-gierung. Wird die steuersenkende Jurisdiktion von einem benevolenten Planer geleitet, führt dies zu einer Unterversorgung an lokalen öffentlichen Gütern, wie beschrieben. Ist diese Jurisdiktion ein Leviathan, so wird durch den zu geringen Steuer-satz dessen Wille zur Einnahmenmaximierung de facto begrenzt. Ergo führt die horizontale Externalität, der horizontale Steuerwettbewerb, insgesamt zu einer Verkleinerung der Regierung. Vgl. zu dieser Überlegung Wilson (1999), S. 296, Jin/ Zou (2002), S. 271 f, die auf das Modell von Brennan/ Buchanan (1980) zurückgreifen.

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(C2) Indirekt vertikale fiskalische Externalitäten – Steuerpolitik

Führt eine Ebene eine Besteuerung durch, die das Steueraufkommen einer anderen Ebene beeinflusst,

spricht man von indirekten vertikalen fiskalischen Externalitäten.306 Dabei kann die Externalität, d.h.

die Beeinflussung z.B. aus einem Tax Base Overlap resultieren.307

Besteuern mindestens zwei Ebenen die gleiche Bemessungsgrundlage, dann spricht man von Co-

Occupation oder Tax Base Overlap.308 Man unterscheidet hierbei zwischen formalem (legislativem)

und effektivem Tax Base Overlap.309 Von der Struktur her entspricht das Problem der vertikalen fiska-

lischen Externalitäten aus dem Tax Base Overlap dem Allmendeproblem öffentlicher Güter.310 Das

öffentliche Gut ist im übertragenen Sinne die Steuerbemessungsgrundlage, die von den verschiedenen

Ebenen besteuert werden kann, sofern keine juristische Restriktion vorliegt, wovon hier ausgegangen

wird. Es kommt zu einer Überbesteuerung. An folgenden Beispielen wird dies intuitiv ersichtlich.

Angenommen X sei ein privates, normales Gut, mit steigenden oder konstanten Grenzkosten in der

Produktion von X, die Nachfrageelastizität des Preises von X liege im Intervall [- ; -1]. Die zentrale

und die dezentrale Ebene erheben jeweils eine Produzentensteuer tz bzw. td auf X. Ihr Steueraufkom-

men beträgt (b+d) bzw. (c+e). Erhöht nun die zentrale Ebene ihre Steuer von tz0 um tz1, sinkt die Nach-

frage nach X von X0 auf X1 mit von p0 auf p1 gestiegenem Preis, der als Bruttopreis die Steuerbe-

lastungen enthält.

Abb. 9: Tax Base Overlap

306 Vgl. Dahlby/ Wilson (1996), S. 91, ähnlich Wilson (1999), S. 289. 307 Vgl. Boadway/ Marchand/ Vigneault (1998), S. 466, Dahlby/ Wilson (1996), S. 91 ff, auch für weitere Beispiele für Ex-ternalitäten dieser Art. 308 Vgl. hierzu Dahlby/ Wilson (1996), S. 92, Keen (1998), S. 455. 309 Vgl. Keen (1998), S. 459; der effektive Tax Base Overlap ist der ökonomisch relevante, der formale Tax Base Overlap soll den effektiven dabei heruntertreiben. 310 Hierauf verweisen Dahlby/ Wilson (1996), S. 93.

D

S

X0X1 X

Preis

q0

p0

Bruttopreisp= q + tz +td

tz0

td

tz1

p1

a

b

c e

d

Quelle: Darstellung angelehnt an Dahlby/ Wilson (1996), S. 103.

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Für die zentrale Ebene wird die Steuersatzerhöhung sinnvollerweise so hoch gewählt sein, dass die

Steuererhöhung trotz Nachfragerückgangs ihr Steueraufkommen vermehrt hat (b+d)<(b+a). Für die

dezentrale Ebene, die ihren Steuersatz unverändert gelassen hat, bedeutet die gesunkene Nachfrage-

menge ein Absinken ihres Steueraufkommens um e.311 Umgekehrt entsteht die Externalität analog aus

der Symmetrie des Beispiels heraus.312

Es wird ein Steuersatz gewählt, der über dem gesamtgesellschaftlich optimalen Wert liegt. Die Ursa-

che ist darin begründet, dass die den Steuersatz erhöhende Ebene ausschließlich ihre Grenzkosten und

-nutzen ins Kalkül zieht, Kosten, die anderen Ebenen in Form der Externalitäten entstehen, vernach-

lässigt.313 Die sozialen Grenzkosten sind höher, als es die die Besteuerung amplifizierende Ebene be-

rücksichtigt, die Besteuerung wird zu weit erhöht. Grundsätzlich gilt es jedoch zu unterscheiden, ob

die verschiedenen Ebenen Leviathane oder benevolente Ebenen sind. Zumindest in letzterem Fall

werden einige Externalitäten internalisiert. Wenn beide Ebenen benevolent geführt werden, ist die

Maximierung der Wohlfahrt der nachrangigen Ebenen auch ein Teilziel der höherrangigen Ebene.

Durch die partitiv überlappende Zielsetzung werden die Steuersätze nicht so hoch gesetzt werden, wie

im Falle beidseitiger Leviathane.314 Sind jedoch beide Ebenen Leviathane, so ist das in den Beispielen

angedeutete Verhalten für alle Ebenen rational und es kommt zu den zu hohen Steuersätzen von allen

Ebenen. Dies kann letztendlich zu einem sinkenden Steueraufkommen bei steigenden Steuersätzen

führen, i.e. eine Bewegung auf dem absteigenden Teil der Laffer-Kurve.315

Die Externalitäten könnten vollständig internalisiert werden, wenn z.B. Koordination und Abstim-

mung zwischen den Ebenen erfolgen und eine generelle Trennung der Bemessungsgrundlagen veran-

kert würde.316 Lediglich ein Einheitsstaat könnte einen Steuersatz entsprechend dem Maximum der

Laffer-Kurve wählen, ohne diese Instrumente heranziehen zu müssen.317 Der beste Fall zur Erreichung

des Optimums im Föderalstaat läge aber in der First-Mover Position einer benevolenten Zentralebene

zu einer benevolenten dezentralen Ebene.318

(D) Indirekt horizontale fiskalische Externalitäten – Ausgabenpolitik

Wird durch die Ausgabenpolitik einer Jurisdiktion die Budgetrestriktion einer anderen Jurisdiktion

gleicher Ebene beeinflusst, spricht man von indirekten horizontalen fiskalischen Externalitäten. Einige

311 Grundsätzlich kann statt der dezentralen Ebene auch eine Einheit der dezentralen Ebene gewählt werden, sofern diese hinreichend groß ist, um einen Einfluss auf die gesamte nachgefragte Menge nach X zu besitzen. Das Beispiel ist Dahlby/ Wilson (1996), S. 92 und 103, entlehnt. 312 Ein weiteres Beispiel hierzu ist die Besteuerung des Einkommens von mehreren Staatsebenen, wie etwa in den USA. Eine Erklärung zur auftretenden Externalität erfolgt analog. Siehe dazu auch unten den Aufsatz von Wenzel/ Wrede (2000). 313 Vgl. Dahlby/ Wilson (1996), S. 92, auch zu folgendem Satz. Mit einem anderen Ansatz kommen Keen/ Kotsogiannis (2002), S. 365, zu einem ähnlichen Ergebnis. 314 Vgl. Wilson (1999), S. 289. 315 Vgl. Dahlby/ Wilson (1996), S. 92, und dort angegebene Literatur. 316 Vgl. entsprechend Keen (1998), S. 475. 317 Vgl. Keen (1998), S. 457. 318 Vgl. Wilson (1999), S. 290. Die Untersuchungen zur Frage der First-Mover Position im Föderalismus ist in der Literatur in vielen Hinblicken stark diskutiert. Beispiele sind Köthenbürger (2000) oder Boadway/ Marchand/ Vigneault (1998).

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Jurisdiktionen könnten zur Verbesserung ihrer Attraktivität als Wirtschaftsstandorte statt Steuersen-

kungen, die zu Steuerwettbewerb führen (s.o.), Subventionen an potentielle Investoren zahlen, um

somit Investitionen anzulocken, die sonst in anderen Jurisdiktionen geblieben wären; daher werden

externe Kosten verursacht.319 Die Vergabe von Subventionen ist analog zu einem ineffizienten Steu-

erwettbewerb angelegt. Die subventionsgewährende Ebene berücksichtigt nur private (jurisdiktionale)

Grenzkosten und -nutzen bei der Subventionsvergabe, lässt die sozialen außer Acht. Damit wird das

Pareto-Optimum verfehlt, denn die Ressourcen (die Investoren werden Kapital und Arbeit attrahieren

oder mitbringen) werden verzerrt allokiert. Zur Internalisierung können entsprechend angewandte

Instrumente wie bei der Beseitigung des ineffizienten Steuerwettbewerbes analog verwendet werden.

(D2) Indirekt vertikale fiskalische Externalitäten – Ausgabenpolitik

Indirekt vertikale fiskalische Externalitäten treten auf, sofern die Ausgabenpolitik einer Ebene Einfluss

auf die Budgetrestriktion einer anderen Ebene besitzt.320 In den meisten föderalen Volkswirtschaften

ist die Bildung, bspw. die Hochschulbildung, als Aufgabe einer staatlichen Ebene zugeordnet. Die

Ausbildung erhöht das Humankapital und damit die Produktivität des Produktionsfaktors Arbeit. Geht

man davon aus, dass die Entlohnung des Faktors Arbeit mit steigender Produktivität zunimmt, so wird

aufgrund der Hochschulausbildung eine höhere Entlohnung als bei fehlender Hochschulausbildung

erreicht. D.h. gleichzeitig, dass sich die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vergrößert und

mithin c.p. das Steueraufkommen der Einkommensteuer steigt. Fließt dieses Steueraufkommen mehre-

ren Ebenen zu, wird die indirekte fiskalische Externalität evident. Die die Ausbildung gewährende

Ebene wird in ihrem Kalkül zum Angebot der Ausbildung nicht die Nutzen berücksichtigen, die ande-

ren Ebenen daraus entstehen. Daher bietet sie gemessen am gesellschaftlichen Optimum zu wenig

Ausbildungsleistungen an. Vergleichbar ist dies mit dem Angebot eines öffentlichen Gutes.

Von den Erträgen der Ausbildung ist in dem hier aufgezeigten Beispiel keine Ebene ausgeschlossen,

wenngleich die Kosten nur bei einer Ebene anfallen. Die Externalität kann internalisiert werden, in-

dem alle von der Ausbildung profitierenden Ebenen an den Bereitstellungskosten der Ausbildung be-

teiligt werden, bspw. mit LINDAHL’schen Preisen für die Ausbildungsleistungen für eine Person.321

Damit könnte die Ausbildung auf so viele Personen ausgedehnt werden, bis die sozialen Grenznutzen

den für die zur Bereitstellung der Ausbildung anfallenden Grenzkosten entsprechen. Durch dieses

Marginalkalkül kann das gesamtgesellschaftlich optimale Niveau an Ausbildungsleistungen erreicht

werden.

319 Art. 87 EGV enthält eine legislative Beschränkung von Beihilfen in der Europäischen Union. In Art. 87 II, III EGV wer-den explizit Ausnahmen dieses Verbotes aufgelistet. Damit wird die Bedeutung der indirekten horizontalen fiskalischen Externalitäten evident. Vgl. auch Dahlby/ Wilson (1996), S. 94. 320 Vgl. zu dem gesamten Absatz Dahlby/ Wilson (1996), S. 94 f. 321 Implizit ist hier angenommen, dass mit steigender Personenzahl, die in den Genuss der Hochschulausbildung kommt, das Steueraufkommen wächst und nicht mit der Verbesserung der Qualität der Ausbildungsleistungen pro Person. Die Argumen-tation verliefe aber entsprechend.

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57

Die verschiedenen Arten von fiskalischen Externalitäten sind nicht unabhängig voneinander, können

gleichzeitig auftreten. Damit sind Aussagen über mögliche Konsequenzen der Externalitäten nicht

immer eindeutig. So werden Steuern zur Finanzierung von Ausgaben erhoben, Ausgaben können

Staatsverschuldung nach sich ziehen usw.. Neuere Forschungen beziehen sich auf das Problem der

Interdependenz und des Nebeneinanders der fiskalischen Externalitäten bei verschiedenen Formen der

Einnahmen- und Ausgabenverteilungen auf die staatlichen Ebenen. Auch die Existenz von Staatsver-

schuldung als potentielle Einnahmequelle des Staates wird dort mit einbezogen.

So haben WENZEL und WREDE in einem wachstumstheoretischen Modellrahmen nach SOLOW bspw.

Staatsverschuldung seitens zentraler und dezentraler Ebene in einem föderalen Staatssystem unter-

sucht. Das Augenmerk liegt dabei auf der Existenz und der Stabilität von langfristigen Gleichgewich-

ten in einer wachsenden föderalen Volkswirtschaft unter Berücksichtigung fiskalischer Externalitäten.

Mit der Konstruktion einer von beiden Staatsebenen vorgenommenen Besteuerung des Einkommens

(Tax Base Overlap, erste Verbindung), welches sich aus Arbeitseinkommen sowie Einkommen aus

Zinszahlungen für nationale und dezentrale Bonds zusammensetzt (zweite Verbindung), wird die Ver-

bindung zwischen nationaler und dezentraler Budgetrestriktion geschaffen. WENZEL und WREDE fin-

den heraus, dass in einem föderalen Staatssystem dieser Art die Tendenzen zur Instabilität größer als

im Einheitsstaat sind, weil die Externalitäten durch die zuvor genannten Verbindungen auftreten. Ohne

ein Internalisierungsinstrument zu modellieren, zeigen sie, dass ein stabiler Steady State mit positiver

Staatsverschuldung auf beiden Ebenen in einer Volkswirtschaft dennoch erreicht werden kann, sofern

die Kapitalintensität bei gegeben Parametern322 hinreichend groß ist. Ein konsummaximaler stabiler

Steady State mit positiver Staatsverschuldung beider Ebenen ist ebenfalls erreichbar, sofern nur das

Verhältnis der Ausgabenquote zu Steuersatz auf beiden Ebenen identisch ist. Diese und andere Auto-

ren zeigen neue ertragreiche Forschungsfelder in der Theorie des fiskalischen Föderalismus auf. Hier

ist nur ein kleiner Einblick in die Forschungsfelder der fiskalischen Externalitäten, die in den Volks-

wirtschaften omnipräsent sind, gegeben worden. Am Beispiel Ungarns sollen Arten der fiskalischen

Externalitäten identifiziert werden.

322 Parametern, wie Sparquote, Ausgabenquote beider Ebenen, Einkommensteuersätze als Wertsteuersätze und einem positi-ven Anteil der staatlichen Investitionsausgaben an den jeweiligen staatlichen Ausgaben, vgl. Wenzel/ Wrede (2000), S. 101 ff, siehe auch zu folgendem Satz.

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3.2 Supranationalität am Beispiel der Europäischen Union323

Supranationalität nimmt in der Theorie des fiskalischen Föderalismus eine besondere Stellung ein, da

supranationale Ebenen ex definitione kein Bestandteil nationaler Föderalsysteme sind.

Supranationale Organisationen entstehen aus dem Zusammenschluss mehrerer Nationalstaaten. Das

Ziel der Gründung supranationaler Organisationen besteht in der Erhöhung der Wohlfahrt für die Na-

tionalstaaten. Die Europäische Union (EU) ist eine supranationale Organisation, der die Mitglieder

bestimmte Aufgaben übertragen haben, ohne ihr eine eigene Staatlichkeit und alleinige Zuständigkeit

für öffentliche Aufgaben zuzuweisen.324 Sie ist daher keine Ebene im Rahmen eines föderalen Staats-

systems. Dennoch stellt sich analog zu den bisherigen Betrachtungen die Frage nach dem optimalen

Zentralisierungs-/ Dezentralisierungsgrad von Aufgaben und Einnahmen zwischen der EU und den

Nationalstaaten gemessen an verschiedenen Kriterien, die entlang der MUSGRAVE’schen Dreiteilung

erörtert werden sollen.

In Kapitel 1 und 2 ist diese Frage im Rahmen eines Nationalstaates grundsätzlich beantwortet worden.

Die grundlegenden, abgeleiteten Aussagen waren raum- und zeitlos gültig, also auch unabhängig da-

von, ob es sich bei der Betrachtung um eine Föderation oder einen Staatenbund handelt.325 Daher kön-

nen die bisherigen Aussagen aus der Theorie des fiskalischen Föderalismus auf die Betrachtung der

EU analog übertragen werden.326

Eine blinde Analogie liegt allerdings nicht vor. Die EU als supranationale Organisation unterscheidet

sich in wesentlichen Merkmalen von den ihr zugehörigen Nationalstaaten. Als Beispiele sei erwähnt:

Bezüglich der Haushalte ergeben sich Unterschiede in der Ausgaben- und Einnahmenstruktur. Die

Ausgaben- und Einnahmenkompetenzen fallen auseinander.327 Die Einnahmen sind auf Zölle, Agrar-

abschöpfungen, Mehrwertsteuer-Eigenmittel und BSP-Eigenmittel begrenzt, wobei der Eigenmittel-

plafonds auf 1,27% des EU-BSP maximal limitiert ist. Der EU-Haushalt bleibt in seiner wirtschaftli-

chen Bedeutung weit hinter nationalen Haushalten zurück. Ferner verfügt die EU in ihrem Haushalt

nicht direkt über eine Verschuldungsmöglichkeit, sondern lediglich in Nebenhaushalten.328

Diese Unterschiede implizit berücksichtigend, erfolgt eine allgemeine Anwendung der Ergebnisse der

vorangegangenen zwei Kapitel und des Unterkapitels 3.1. Der MUSGRAVE’schen Dreiteilung der

323 Die Angaben über die Finanzierung der Europäischen Union beziehen sich, wie etwa bei Folkers (1998), auf die Bestim-mungen in der EG. Die EG ist eine Grundlage der EU gem. Art. 1 EUV. In den engeren Bereich der Fiskalverfassung der EU fallen die Regelungen zur Finanzierung der EG und die steuerlichen Bestimmungen des Europäischen Binnenmarktes. Hier-auf verweist ausdrücklich Fuest (2000), S. 175. Von daher sind die Regelungen für den EG-Haushalt auf die EU übertragen. 324 Vgl. Folkers (1998), S. 562, auch zu folgendem Satz. 325 Vgl. Homburg (1997), S. 61. Unter Staatenbund wird hier der Zusammenschluß von Nationalstaaten bezeichnet, der suprantionle Organisationen gründet. 326 Die Theorie des fiskalischen Föderalismus bezieht sich auf Staatssysteme mit bestehenden Strukturen. Die EU, deren Struktur sich beständig durch die Aufnahme neuer Länder etc. ändert, ist ein evolutorisches System, welches dahingehend nur für einen hypothetischen Endzustand der EU beurteilt werden kann. Vgl. hierzu Folkers (1998), S. 567, und die dort angegebene Literatur. 327 Vgl. Henke/ Milbrandt (2000), S. 119 f. 328 Vgl. Lenk/ Mathes (2000), S. 63, und die dort angeführte Literatur zum Problem der Verschuldungsfähigkeit der EU, Henke/ Milbrandt (2000), S. 120, Folkers (1998), S. 562.

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Staatsaufgaben folgend werden die Aufgaben und Einnahmen, die der EU zugeordnet werden sollten,

herausgestellt.329 Anschließend folgt eine Darstellung der aktuellen Aufgaben- und Einnahmenstruktur

der EU, die im weiteren vor dem Hintergrund der EU- Osterweiterung kurz betrachtet wird.

3.2.1 Passiver Finanzausgleich-EU

3.2.1.1 Allokation

Aus allokativer Sicht ergeben sich grundlegende Zuordnungen von Aufgaben an die EU, ähnlich den

Ausführungen in Kapitel 1.1.1. Entfalten öffentliche Güter ihren Wirkungskreis EU-weit oder über

einen Großteil der EU, so sollte die Aufgabe der Bereitstellung dieses Gutes der EU zufallen. Beispie-

le für diese europäischen öffentlichen Güter sind etwa die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik,

die Verteidigungspolitik gegenüber Drittstaaten oder das Angebot von Kommunikationsleistungen und

Koordinationsleistungen zu grenzüberschreitenden Kommunikationsnetzen, Energieversorgungsnet-

zen bzw. Verkehrsnetzen oder die Schaffung eines Binnenmarktes mit einheitlichen Marktregeln.330

Bei öffentlichen Gütern, die grenzüberschreitende Spillovers zeigen, die nicht mehr durch eine natio-

nale Staatsebene internalisiert werden können, sollte die EU die Bereitstellung dieses öffentlichen

Gutes übernehmen. So kann eine Internalisierung erreicht werden, damit eine Unterversorgung bzw.

Übernutzung des entsprechenden öffentlichen Gutes vermieden werden. Beispiele hierfür sind techno-

logische externe Effekte, wie sie etwa bei der inneren Sicherheit erzielt werden, oder Umweltver-

schmutzungen, die mehrere Länder betreffen. Man denke hier bspw. an die Mittelmeergebiete oder

Flussverläufe.331

Die EU sollte ferner die Bereitstellung öffentlicher Güter übernehmen, bei deren Produktion Econo-

mies of Scale auftreten.332 Bei der Bereitstellung öffentlicher Güter, die bei einer zentralisierteren

Administration Einsparungen daran erlauben, gilt gleiches. Ein Beispiel hierfür sind die Regelungen

von Sicherheitsstandards von Schiffen in europäischen Hoheitsgewässern. Durch eine zentralisierte

Verwaltung der technischen Schiffsuntersuchungen können Rechtsverletzungen zügig europaweit

identifiziert, registriert und bekannt gegeben werden.

329 Dass die Realisierung letztlich ein Politikum ist, steht ausser Frage. 330 Vgl. Henke/ Milbrandt (2000), S. 122, oder Apolte (1996), S. 14, abgeleitet auch Folkers (1998), S. 566. 331 Vgl. Apolte (1996), S. 14, oder Nowotny (1997), S. 107, Henke/ Milbrandt (2000), S. 121 f. Letztere verweisen darauf, dass prinzipiell auch bilaterale resp. multilaterale Verträge zwischen den beteiligten Staaten abgeschlossen werden können, um die Internalisierung der externen Effekte voranzutreiben. Bei hoher Zahl der Verhandlungspartner werden die Verhand-lungskosten zu hoch werden. Hier kann eine EU-Beteiligung effizient sein, auch über die Einsetzung von Regeln und deren Überwachung durch die EU. 332 Vgl. Folkers (1998), S. 566, oder Henke/ Milbrandt (2000), S. 122.

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60

3.2.1.2 Distribution

Die Distributionsaufgabe der EU bezieht sich überwiegend auf die Verteilungspositionen der Mit-

gliedsländer.333 Eine personenbezogene Distributionsaufgabe, wie sie in Kapitel 1.1.2 der zentralen

Ebene zugeordnet wurde, könnte der EU analog zugeordnet werden. Jedoch gründete sich diese Dar-

stellung auf einen hohen Grad an Mobilität der Bürger innerhalb der Nation. Die Mobilität ist auf-

grund der Unterschiede der Traditionen, Sprachen und Kultur in der EU nicht hoch, so dass die Auf-

gabe der Verwirklichung einer „gerechten Einkommensverteilung“ bei der nationalen Ebene verblei-

ben sollte.334 Zudem lässt sich der Grad der gewünschten Umverteilung nur in Abhängigkeit von so-

ziokulturellen Vorstellungen über Existenzminimum etc. bestimmen.335 In der EU herrscht aber in

diesem Belang eine große Diskrepanz, so dass eine EU-Aufgabenwahrnehmung nicht effizient er-

scheint, weil keine einheitlichen Standards gefunden werden können. Daher sollte die Distributions-

aufgabe i.d.S. nicht an die „zentralste“ Ebene, hier die EU, übertragen werden.

Grenzüberschreitende Umverteilung im Sinne von Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen

Entwicklung bestimmter Länder wird der EU als Distributionsaufgabe einhellig zugeordnet, deren

explizites Ziel die Reduzierung der regionalen Disparitäten ist.336 Damit ist gemeint, dass sich die Le-

bensverhältnisse in den Mitgliedstaaten einander annähern sollen, jedoch wird keine Einheitlichkeit

der Lebensverhältnisse im gesamten EU-Gebiet gefordert, wie dies etwa in Deutschland gem. Art. 106

III Nr. 2 GG verfassungsrechtlich verankert ist. Die EU ist in der Lage, die regionalen Disparitäten

zielsicher und effizient im Rahmen eines europäischen Finanzausgleichs zu minimieren.337

3.2.1.3 Stabilität

Die Stabilisierungsaufgabe wurde in Kapitel 1.1.3 eindeutig der zentralen Ebene zugeordnet. Eine

unmittelbare Übertragung auf die supranationale Ebene kann nicht erfolgen. Vielmehr ist eine diffe-

renzierte Betrachtung der stabilitätsbestimmenden Faktoren vorzunehmen. Dies soll anhand von Bei-

spielen skizzierend dargestellt werden.

Beruhen stabilitätspolitische Probleme auf makroökonomischen Faktoren, wie z.B. zu geringer ge-

samtwirtschaftlicher Nachfrage oder asymmetrischen Schocks, sollte die EU die Stabilitätsaufgabe

übernehmen.338 Durch Koordinationsleistungen etwa ist sie in der Lage, die Nachfrage zu stimulie-

ren.339 Sind die stabilitätspolitischen Probleme auf strukturelle Probleme zurückzuführen, sollten den

333 Vgl. Folkers (1998), S. 566. 334 Vgl. Grossekettler (1997), S. 112, oder analog Nowotny (1997), S. 115. 335 Vgl. Apolte (1996), S. 22, auch zu folgendem Satz. 336 Vgl. Nowotny (1997), S. 118 f, auch zu folgendem Satz. 337 Vgl. Nowotny (1997), S. 134. Eine Begründung des aktuellen EU-Haushalts aus dieser Distributionsaufgabe heraus ist allerdings nicht zu erreichen, vgl. Folkers (1998), S. 567. 338 Das Problem der asymmetrischen Schocks, insb. in der europäischen Währungsunion, sei hier nur benannt. Eine ausführ-lichere Darstellung dieses Problems i.V.m. der Stabilisierungsfunktion findet sich z.B. in Nowotny (1997), S. 112 f, oder Scharner (1997), S. 259. 339 Vgl. Nowotny (1997), S. 111.

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Nationalstaaten die Stabilisierungsfunktion zugewiesen werden. Sie können effizienter vor dem Hin-

tergrund nationaler ökonomischer Gegebenheiten und deren Kenntnis agieren.340

Probleme hinsichtlich einer Wahrnehmung der Stabilitätsaufgabe durch die EU ergeben sich dadurch,

dass sie nicht über Geld-, Fiskal-, und Einkommenspolitik gleichermaßen wie Nationalstaaten ver-

fügt.341 Die fiskalische Signifikanz ist zudem durch das relativ geringe Haushaltsbudget der EU, ge-

messen an ihrem BSP, fehlende eigene ertragreiche Steuern und begrenzte Verschuldungsmöglichkei-

ten nicht hinreichend einflussreich.342 Damit besteht ein Trade-off zwischen wünschenswerter Stabili-

sierungsaktivität seitens der EU bei makroökonomischen Problemen und mangelnder fiskalischer Sig-

nifikanz.

3.2.2 Aktiver Finanzausgleich-EU

Die Aussagen über den optimalen Grad der Zentralisierung/ Dezentralisierung der Einnahmen ist hin-

sichtlich der EU nur wenig beleuchtet.343 Eine kurze Betrachtung der Verteilung der Gesetzgebungs-

und Ertragshoheit soll im Rahmen des Tax Assignments und der intergouvernmentalen Transfers (an-

gelehnt an die Überlegungen in Kapitel 1.2.1 und 1.2.2) dennoch erfolgen. Die Untersuchung der

Verwaltungshoheit ist intuitiv klar. Die Verwaltungshoheit sollte aus praktischen Gründen, insb. den

Informationskosten, bei den Nationalstaaten verbleiben.

3.2.2.1 Allokation

Der EU sollten insb. Steuern auf mobile Steuerobjekte zugewiesen werden, deren Mobilität grenzüber-

schreitend ist, um allokative Verzerrungen bspw. bei Geldkapital oder Sachkapital zu vermeiden. Um

eine binnenmarktkonforme Allokation sicherzustellen, ist bei dieser Mobilität eine Internalisierung nur

auf supranationaler Ebene möglich.344 Steuerobjekte, die grenzüberschreitende Spillovers erzeugen,

sollten ebenfalls der EU zur Besteuerung zugewiesen werden. Die EU kann bspw. durch den Erlaß

von angemessen hohen Pigou-Steuern bei negativen Spillovers oder Pigou-Subventionen bei positiven

Spillovers eine Internalisierung der Externalitäten erreichen. Dadurch wird eine Korrektur der Versor-

gung mit diesen Gütern erzielt. Auch Steuern, die im Binnenmarkt relativ ungleich verteilt sind, soll-

ten der EU zugeordnet werden.345 Als Beispiel gelten die Zölle, die in Häfen eingenommen werden.

340 Ebenda. 341 Vgl. Nowotny (1997), S. 110. Lenk/ Mathes (2000), S. 77, FN50, weisen auf das Problem i.V.m. der Koordinierung der nationalen Fiskalpolitiken in einer Währungsunion hin. 342 Vgl. Folkers (1998), S. 567. 343 Hier handelt es sich natürlich nur um einen vertikalen Finanzausgleich, der aber insb. horizontale Effekte des vertikalen Finanzausgleichs hervorruft. Der EU-Finanzausgleich entfaltet seine gesamte umverteilende Wirkung damit. 344 Vgl. Nowotny (1997), S. 132 f, auch zu folgendem Satz. Siehe auch die Verbindung zu vorherigen Betrachtungen zur Mobilität, inkl. dem Tiebout-Modell. 345 Vgl. Henke/ Milbrandt (2000), S. 124.

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Durch eine EU-weit einheitliche Besteuerung können externe Effekte internalisiert werden, eine effi-

ziente Besteuerung gemäß des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz wohlfahrtserhöhend vorgenom-

men werden.346 Analog zu den Ausführungen in Kapitel 1.2.1 können für die EU weitere Steuern ex-

plizit benannt werden, bei denen aus allokativer Sicht die Gesetzgebungs- und/oder Ertragshoheiten

bei der EU liegen sollten. Aufgrund der unzähligen Steuervarianten soll an dieser Stelle davon abge-

sehen werden und ein intuitiver Überblick gegeben sein.

3.2.2.2 Distribution347

Sofern bei der Distribution eine Aufgabenzuordnung auf die EU erfolgt, d.h. bei der regionalen Um-

verteilung, so sollten der EU auch genügend Mittel zur Durchführung dieser Aufgaben zur Verfügung

gestellt werden, die sie dann im Rahmen von Zuweisungen an die Staaten ihres distributiven Zieles

verteilen kann (Konnexitäts- und Äquivalenzprinzip). Das setzt voraus, dass die EU eine Ertragshoheit

besitzt, um in einem an Verteilungskriterien orientierten Zuweisungssystem die Distributionsaufgabe

zu erfüllen. Innerhalb dieses Zuweisungssystems sind unter Effizienzgesichtspunkten Blockzuweisun-

gen angemessen, unter politökonomischen Aspekten auch gebundene Zuweisungen.

3.2.2.3 Stabilität348

Wie bereits angedeutet, verfügt die EU nicht über genügend finanzielle Mittel, makroökonomische

Störungen auszubalancieren. Dahingehend sollte die EU mit der Ertragshoheit über einen höheren

Anteil an BSP-reagiblen Abgaben partizipieren. Damit kann sie automatische Stabilisatoren zur Siche-

rung einsetzen, wie sie in den Mitgliedstaaten ausgleichend wirken.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die EU die Gesetzgebungs- und Ertragshoheit erhalten sollte,

sofern die Steuern grenzüberschreitend internalisierende Wirkungen besitzen, mobilitätshemmend

wirken, regionale Disparitäten vermindern oder einen stabilitätssichernden Charakter (bei makroöko-

nomischen Problemen) aufweisen.

346 Vgl. Heinemann (2000), S. 92 f. Er spielt hier auf die Finanzierung der europäischen öffentlichen Güter gemäß des Äqui-valenzprinzips an, i.e. er votiert hier für eine benefit-Besteuerung. In diesem Zusammenhang sind auch die Harmonisierungsbestrebungen der EU zu betrachten, vgl. Nowotny (1997), S. 133. Er bezeichnet die Harmonisierungsbestrebungen sowie die Liberalisierungsbestrebungen seitens der EU als öffentliche Güter. Von daher wären sie bei der Untersuchung des passiven Finanzausgleichs Bestandteil. Dieser Auffassung soll nicht gefolgt werden, da m.E. eine Steuerharmonisierung wohl eher zur Diskussion um die Vergabe von Steuerhoheiten gehört. Im Bereich der indirekten Steuern hat bereits eine Vereinheitlichung der Steuern stattgefunden, um binnenmarktkonforme Verhältnisse zu schaffen. Darunter kann man sicherlich die Internalisierung der Externalitäten und die Sicherstellung einer angemessenen Versorgung mit öffentlichen Gütern subsumieren. Die EU hat zwar in dem Bereich der indirekten Steuern keine oder keine ausschließliche Ertragshoheit, aber sie verfügt über die Gesetzgebungshoheit. Art. 93 EGV ist aber die einzige Ermächti-gungsgrundlage im EGV, die der EU die Befugnis zur Rechtsetzung auf dem Gebiet der Steuern expressis verbis verleiht, vgl. Hagen (2000), S. 80, und dort angegebene Literatur. 347 Vgl. Nowotny (1997), S. 134, zu diesem Absatz. 348 Ebenda.

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3.2.3 Praxis des EU-Finanzausgleichs

Die Praxis des EU-Finanzausgleichs stimmt offenbar nicht mit den oben ausgeführten Optimalitätsbe-

dingungen der Theorie des fiskalischen Föderalismus überein.349 Die Ursache liegt im vorrangigen

Ziel der EU begründet, ein wohlfahrtssteigerndes System der Kooperationen zwischen den Völkern

Europas zu entwickeln.350 Dieses allokative dynamische Ziel begründet die Finanzwirtschaft der EU.

Es geht also nicht um die Frage, welche Aufgabe von den Nationalstaaten an die EU optimaler Weise

übertragen werden sollen, weil diese sie besser ausführen kann; sondern die Aufgabe der Integration

der wirtschaftlichen und staatlichen Strukturen in Europa ist hinzugekommen, begründet „Existenz,

Umfang und Struktur des EG-Haushalts“. Die Aufgabe erlischt erst mit dem Erreichen eines langfris-

tigen institutionellen Gleichgewichts.351 Das entspricht Art. 158 EGV. Das EU-Budget wird dement-

sprechend verwendet, um Verlierer dieser Integration für daraus erlittene Nachteile zu kompensieren

und so die Zustimmung zu einer weiteren Integration zu sichern.352 Die bereits erwähnten Unterschie-

de zwischen EU und Nationalstaaten sind letztlich die Auswüchse dieses Integrationszieles. Die Integ-

rationsleistung ist mit Kompensationszahlungen an die Integrationsverlierer verbunden.353 Daher ste-

hen distributive vor allokativen Aspekten im Vordergrund. Es geht darum, die gewünschte Kompensa-

tion zu erreichen.354 Besonders Agrar- und Strukturfonds auf der Ausgabenseite dienen der Erfüllung

dieser Aufgabe.355

3.2.3.1 Aufgaben

Das in Art. 158 EGV festgehaltene Integrationsziel der Reduzierung regionaler Disparitäten, das sog.

Kohäsionsziel, gibt die Aufgaben für die EU vor. Diese Aufgaben sind mit einer Kompetenzabgren-

zung verbunden. Im EGV sind die Kompetenzen in drei verschiedene Säulen zwischen EU und den

Mitgliedstaaten abgegrenzt.356 Bei der Verfolgung des Kohäsionsziels werden die Ausgaben, die mit

entsprechenden Aufgaben verbunden sind, in sechs Kategorien unterschieden:357

349 Vgl. Heinemann (2000), S. 93. 350 Vgl. Folkers (1998), S. 567 f, auch zu den nächsten beiden Sätzen. 351 Vgl. Folkers (1998), S. 568. 352 Vgl. Heinemann (2000), S. 93, und Folkers (1998), S. 569. 353 Ebenda, auch zum nächsten Satz. 354 Folkers (1998), S. 569, beschreibt dies jedoch nicht als Distributionsfunktion, sondern als allokative Aufgabe, bei der die Wohlfahrtsgewinne der Integration auf die beteiligten Staaten verteilt werden sollen. 355 Vgl. in diesem Sinne Heinemann (2000), S. 93. Ziel der Wissenschaft sollte es daher sein, bei einer Reform des EU-Finanzverfassunge zumindest Wege zu einer effiziente Distributionsleistung durch die Kompensation zu aufzuzeigen, sofern eine Orientierung in Richtung effiziente Alloaktion weiterhin kein primäres Ziel der EU bleibt. Vgl. Henke/ Milbrandt (2000), S. 123, und Heinemann (2000), S. 94. 356 Vgl. Nowotny (1997), S. 98, zur Beschreibung der drei Säulen. 357 Der Anteil an den Ausgaben beträgt: Landwirtschaft 48,2%, Strukturpolitik 34,8%, Interne Politikbereiche 6,78%, Externe Politikbereiche 5,04%, Verwaltung 5,18% der Gesamtausgaben im Jahr 2002. Vgl. Europäische Kommission (2003b), eigene Berechnungen. Ausgenommen sind hier die Reserven und die Hilfen für dieVorbereitung auf den Beitritt.

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• Der EAGFL, Abt. Garantie, trägt im wesentlichen die Kosten der gemeinsamen Agrarpolitik. 1962

gegründet, zählt er nicht zu den strukturellen Ausgaben, die der Verfolgung des Kohäsionszieles

dienen.358

• Die Strukturfonds verfolgen das Kohäsionsziel vollständig. Diesem Ziel entsprechend werden in

der Verordnung 1260/99 des Rates vom 21.06.1999 genauer ausformulierte Ziele festgelegt, denen

mit den vier verschiedenen Arten an Strukturfonds Rechnung getragen wird:

- Der EAGFL, Abt. Ausrichtung, wurde 1964 aus einer Abspaltung aus dem EAGFL gegrün-

det. Er soll die Anpassung von Agrarstrukturen fördern.359

- Der ESF, bereits 1957 in den Römischen Verträgen als begründend für den Strukturfonds

errichtet, wird eingesetzt, dem Faktor Arbeit bei strukturellen Änderungen durch die Förde-

rung der örtlichen und beruflichen Mobilität sowie der Qualifikation von Arbeitskräften in

den Ökonomien zu helfen.360

- Der EFRE, gegründet 1975, finanziert regionalpolitische Maßnahmen in Gebieten mit Ent-

wicklungsrückständen bzw. Regionen mit besonderen strukturellen Problemen gemäß Art.

160 EGV.361 Dabei können die Mittel des Fonds für produktive Investitionen, Schaffung und

Sicherung von Arbeitsplätzen etc. abgerufen werden, sofern entwicklungsschwache Regio-

nen ein BIP/Kopf von weniger als 75% es EU-durchschnittlichen BIP/Kopf aufweisen.

- 1993 gegründet, übernimmt der FIAF die Aufgaben des EAGFL, Abt. Ausrichtung, dessen

Aufgaben im Bereich der Fischereiindustrie.362

• Eine von den Strukturfonds abweichende Form findet sich mit dem Kohäsionsfonds. Der Kohäsi-

onsfonds, gegründet 1993, bezieht sich anders als die voranstehenden Fonds nicht auf Regionen,

sondern auf die Nationalstaaten zur Verfolgung des Kohäsionsziels. Jeder Mitgliedsstaat, dessen

BIP/Kopf weniger als 90% des EU-Durchschnitts aufweist, ist berechtigt, Mittel des Fonds abzu-

rufen.363

Darüber hinaus werden Ausgaben für interne Politikbereiche, Verwaltung, Außenbereich und Sonsti-

ges getätigt. Die Aufgaben- und damit Ausgabenübernahme durch die EU bedarf der einstimmigen

Genehmigung der EU-Kommission und der Ratifizierung in den Mitgliedsländern gemäß ihrer verfas-

sungsrechtlichen Bestimmungen.364 Die Ausgaben sind gem. Art. 269 EGV aus Eigenmitteln zu finan-

zieren, d. h., ein materieller Budgetausgleich bei der EU ist de lege lata geboten. Die Eigenmittel sind

in ihrer Höhe auf 1,27% des EU-BSP bis 2006 begrenzt.365 Gleichzeitig ist damit ein Ausgabenlimit

358 Vgl. hierzu bspw. Kächelein (2002), S. 152. 359 Vgl. Kächelein (2002), S. 153, und Lenk/ Mathes (2000), S. 68. 360 Vgl. Hervé (2001), S. 23, und Karl (2000), S. 138. 361 Vgl. Karl (2000), S. 137 f, Lenk/ Mathes (2000), S. 68, oder Peffekoven (1994), S. 84. 362 Vgl. Lenk/ Mathes (2000), S. 68, und Hervé (2001), S. 23. 363 Vgl. EEC No 1164/ 94 und Hervé (2001), S. 26. 364 Vgl. Nowotny (1997), S. 99. 365 Vgl. Guth (2000), S. 75.

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festgelegt, Haushaltsdisziplin sichergestellt.366 Die Ausgaben, die an die Regionen bzw. die Mitglied-

staaten fließen, erfolgen über Zuweisungen; der dabei auftretende umverteilende horizontale Effekt

des vertikalen Finanzausgleichs bewirkt i.V.m. den Einnahmen in den dadurch entstehenden kompen-

sierenden Nettotransfers, das Kohäsionsziel des Art. 158 EGV zu erreichen.367

3.2.3.2 Einnahmen

Eigenmittel sind gesetzlich nicht definiert, jedoch aus EU-Verlautbarungen ableitbar.368 Eigenmittel

sind keine Einnahmen oder Bestandteile der Haushalte der Mitgliedsländer, sondern sie werden von

der EU in Art und Höhe bestimmt, sind nicht abhängig von Beschlüssen oder Mitwirkungsrechten der

Mitgliedsländer, werden unmittelbar der EU geschuldet.369 Damit verfügt die EU hier über Gesetzge-

bungs- und Ertragshoheit. Jedoch bestehen hinsichtlich der Intensität und Ausprägungen der Hoheiten

bei der EU erhebliche Unterschiede. Man unterscheidet vier Eigenmittelarten:370

• Originäre Eigenmittel371

Die EU besitzt hier Gesetzgebungs- und Ertragshoheit in vollem Umfang. Zu den originären Ein-

nahmen zählen Zölle gegenüber Waren aus Drittstaaten, Agrarabschöpfungen, um einen Preisaus-

gleich gegenüber dem Weltpreisniveau für gewisse Agrarprodukte zu erhalten. Durch die originä-

ren Eigenmittel wird ein Lenkungseffekt hin zu EU-Produkten erreicht, die Erträge sind positive

Nebeneffekte.

• MwSt-Eigenmittel372

Die MwSt-Eigenmittel werden in einem aufwendigen Verfahren unter einschließender Berück-

sichtigung einer vereinheitlichten Bemessungsgrundlage auf die nationalen MwSt-Aufkommen

erhoben. Die Bemessungsgrundlage darf dabei nicht mehr als 55% des jährlichen BSP eines Mit-

gliedslandes umfassen. Der Höchststeuersatz, den die EU belegen darf, beträgt 1,4%. Seit 1988

sind die MwSt-Einnahmen nicht mehr Mittel der Restbedarfsdeckung des EU-Budgets. Diese

Aufgabe haben die BSP-Eigenmittel übernommen.

366 Vgl. Lenk/ Mathes (2000), S. 72. 367 Eine Diskussion um die Ausgestaltung, Effizienz und Effektivität der Zuweisungen soll hier der Kürze der Darstellung halber unterbleiben. Zu einer ausführlicheren Diskussion sei auf Kächelein (2002), oder Heinemann (2000) verwiesen. 368 Vgl. Folkers (1998), S. 590, auch zu folgendem Satz. 369 Dennoch müssen auch die Beschlüsse zu den Eigenmitteln einstimmig von der EU-Kommission in Art und Höhe geneh-migt und in den Nationalstaaten entsprechend verfassungsrechtlichem Anspruch ratifiziert werden. Vgl. dazu Art. 269 EGV, Nowotny (1997), S. 99, oder Folkers (1998), S. 580, i.d.S. 370 Die Eigenmittel betragen anteilig: originäre Eigenmittel 16,6%, MwSt-Eigenmittel 38.3%, Ergänzende [BSP]-Eigenmittel 43%, Sonstige 2,1% im Jahr 2001. Vgl. Europäische Kommission (2003c), eigene Berechnungen. 371 Vgl. hierzu Kächelein (2000), S. 113, Folkers (1998), S. 590, 592. Zölle enthalten seit 1988 auch die Einfuhrabgaben auf die im EGKS-Vertrag geregelten Produkte. 372 Vgl. hierzu Folkers (1998), S. 594 f, und zum Gedanken des Äquivalenzprinzips bei den MwSt-Eigenmitteln siehe Lenk/ Mathes (2000). S. 74.

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66

• BSP-Eigenmittel373

Die BSP-Eigenmittel sind eine logische Konsequenz aus steigendem Finanzbedarf der EU und

sinkenden MwSt-Eigenmitteln und mangelnder Elastizität der originären Eigenmittel. Für die

BSP-Eigenmittel gibt es keine Höchstgrenze des EU-Satzes auf die nationalen BSPe. Diese ist

vielmehr durch den Eigenmittelplafond gegeben.

• Sonstige Einnahmen374

Zu den sonstigen Einnahmen zählen Geldbußen, Einnahmen aus Verwaltungstätigkeiten etc., aber

auch Einnahmen, die nach dem Eigenmittelbeschluss von 1988 selber kreiert worden sind. Ferner

zählen dazu Beiträge kürzlich eingetretener neuer Mitgliedsstaaten, die noch keine Eigenmittel

zahlen, oder etwa Mittel zur Finanzierung ergänzender Forschungsprogramme.

Auch hinsichtlich der Einnahmenstruktur der EU besteht wissenschaftlicher Dissens.375 Diskussionen

über eine Einnahmenreform sind mannigfaltig. Eine Umverteilung erfolgt über die Nettotransfers, die

sich als Differenz zwischen den geleisteten Zahlungen an die EU und den empfangenen Zuweisungen

aus den Fonds ergibt.376 In Zusammenhang mit den Zuweisungen, die sich mit der Aufgabenwahr-

nehmung durch die EU ergeben und der dort angebrachten Kritik, erhebt sich diese insb. an dem de

facto umverteilenden Nettozahlungstransfersystem der EU und der Frage der gerechten Lastenvertei-

lung auf die Mitgliedstaaten. Anregungen zu Reformen finden sich, hierdurch bedingt, zahlreich.377

Dieser Reformbedarf wird durch die jüngste Herausforderung an die EU noch verstärkt: die EU-

Osterweiterung.

373 Vgl. Folkers (1998), S. 596, zu diesem Unterpunkt. 374 Vgl. hierzu Lenk/ Mathes (2000), S. 77, Folkers (1998), S. 596 f. Mit dem Eigenmittelbeschluss von 1988 ist es der EU möglich, eigene Einnahmen zu kreieren. Man spricht hier von potentiellen Eigenmitteln. Vgl. hierzu Folkers a.a.O. 375 Ein Überblick über die Korrekturmechanismen, wie z.B. für Großbritannien oder Spanien und Portugal existieren, soll an dieser Stelle unterbleiben. Diesen bietet etwa Kächelein (2000), S. 117, und dort angegebene weiterführende Literatur. 376 Vgl. i.d.S. Kächelein (2000), S. 120. Das ist die umverteilende horizontale Wirkung des vertikalen EU-Finanzausgleichs. 377 Vgl. zu der Kritik am Einnahmesystem, dem Nettotransfersystem etwa Henke/ Milbrandt (2000), S. 124 ff, Fuest (1996), S. 176, Nowotny (1997), S. 123 ff, 135 ff, Scharner (1997), S. 279 f, um nur einige zu nennen. Auch Kächelein (2000), S. 120 ff, führt einige methodische Probleme des Nettotransfersystems an.

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67

3.2.4 Die EU-Osterweiterung

Die Länder Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und

Zypern stehen vor ihrer baldigen Aufnahme als Mitglieder in die EU am 01. Mai 2004, so dass sie im

Juni 2004 an den Wahlen der EU teilnehmen können.378 Sie erfüllen die an die Beitrittsländer gestell-

ten Bedingungen, wie jährliche Länderberichte zeigen.379 Die damit umrissene EU-Osterweiterung von

15 auf 25 Staaten stellt eine politische, institutionelle und finanzielle Herausforderung an die EU

dar.380 Ohne die politische Bedeutung oder institutionelle Herausforderung näher zu beleuchten, liegt

hier das Augenmerk auf der finanziellen Herausforderung.

Die realwirtschaftlichen Folgen der EU-Osterweiterung sind zahlreich. So werden seitens der EU kei-

ne Anti-Dumping Regeln mehr gegenüber den Beitrittsländern verhängt werden können und die Han-

delsschranken, insb. bei den Agrarprodukten, werden abgebaut, so dass der bilaterale Handel ausge-

weitet werden kann, sich das Integrationsklima in den Beitrittsländern verbessern und ein Migrati-

onsprozess starten kann.381 Diese Auswirkungen beruhen auf der mit der Aufnahme in die EU verbun-

denen Freiheit von Kapital-, Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr, der Beseitigung materiel-

ler und technischer Handelshemmnisse und nicht zuletzt der Partizipation am EU-Finanzausgleich.

Werden die Beitrittsländer in die EU aufgenommen, sind sie im EU-Finanzausgleich zu berücksichti-

gen. Obwohl die Beitrittsländer am aktiven wie passiven Finanzausgleich in gewissen Formen partizi-

pieren werden, stehen die Kosten, d.h. die Ausgabenerhöhungen für die EU, im Mittelpunkt des For-

schungsinteresses.382

Bei Eintritt in die EU weitet sich die Kompetenz und damit die Aufgabenwahrnehmung auch auf die

Beitrittsländer aus. Insbesondere die GAP und das in Art. 158 EGV verankerte Kohäsionsziel sind bei

der Osterweiterung ausgabenwirksam. Die drei daraus abgeleiteten Kostenkategorien des Agrarfonds,

der Strukturfonds und des Kohäsionsfonds sind aufgrund ihrer relativen Bedeutung im EU-Haushalt

entscheidend.383

Die Auswirkungen auf die Strukturpolitik, bzw. die Strukturfonds und den Kohäsionsfonds sind ein-

fach zu ermitteln, denn beide Fonds haben die Erhöhung des BIP/ Kopf zum Ziel, welches in allen

378 Vgl. Europäische Kommission (2003) und Ungarische Botschaft (2003). Vgl. Lackenbauer/ Wenzel (2001), S. 16, für eine graphische Darstellung des EU-Beitritts- und Ratifikationsprozesses. 379 Zu den Länderberichten vgl. Rothacher (2000), S. 196 f. Die Kriterien zur EU-Mitgliedschaft sind definiert durch: (1) rechtstaatliche Demokratien, einschließlich eines Schutzes nationaler Minderheiten, (2) funktionsfähige Marktwirtschaften, die nach abgeschlossener Privatisierung und Restrukturierung im EU-Binnenmarkt wettbewerbsfähig sind, (3) öffentliche Verwaltungen, die willens und in der Lage sind, den acquis communitaire umzusetzen. Vgl. hierzu Rothacher (2000), S. 194. 380 Vgl. Henke/ Milbrandt (2000), S. 130. Die Einwohnerzahl in der EU wird sich damit auf etwa 453,5 Mio. erhöhen, die Fläche um ca. das 1,2 fache vergrößern, vgl. EU-Kommission (2003a), eigene Berechnungen. 381 Vgl. Weise (2000), S. 211, Paraskewopoulos (2000), S. 13. 382 Ungeachtet dessen fliessen bereits Mittel von der EU an die Beitrittsstaaten im Rahmen der PHARE-, SAPARD-, und ISPA- Programme. Zu dem PHARE-Programm siehe z.B. Quaisser/ Woodword (2002), S. 122, die darauf im Zusammen-hang mit den Absorptionsproblemen der EU-Finanzmittel eingehen. Laut EU-Kommission (2003d) betrugen die finanziellen Leistungen 2002 an Ungarn im PHARE-Programm 130,7 Mio. €, im SAPARD-Programm 38,7 Mio. € (jährlich von 2000-2006 unter bestimmten Bedingungen) und 92,4 Mio. €. 383 Vgl. Lenk/ Mathes (2000), S. 92.

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68

Beitrittsstaaten ausser Zypern unter 75% des EU-Durchschnitts fällt.384 Dennoch gehen die Schätzun-

gen über die Höhe der Strukturtransfers an die Beitrittsstaaten auseinander. Sie hängen davon ab, wel-

che Reformen über die Strukturfonds angenommen werden, denn eine Osterweiterung unter derzeiti-

gen Fondsvergaberegeln ist nicht finanzierbar.385 Dahingehende Reformen sind für eine Vollziehung

der Osterweiterung unumgänglich.

Die Erhöhung der agrarpolitischen Ausgaben durch die Osterweiterung ist nicht eindeutig zu quantifi-

zieren. Zum einen liegt das an der lückenhaften Datenbasis an Ausgangsdaten zum Agrarsektor in den

Beitrittsstaaten. Zum anderen ist nicht sicher, wie das Produktionsniveau der Beitrittsstaaten auf die

GAP reagieren wird.386 Wird das Produktionsniveau steigen, werden bei gegenwärtiger GAP Haus-

haltsbelastungen, handelspolitische Restriktionen und politische Spannungen hervorgerufen werden.387

Aufgrund dieser Unsicherheiten ist eine exakte Aussage über Kosten der Osterweiterung im agrarpoli-

tischen Bereich nicht genau bezifferbar.388 Strittig ist nicht, dass die Kosten bei der derzeitigen GAP

exorbitant steigen werden. Um dies zu vermeiden, sind auch hinsichtlich der Agrarpolitik Reformen

notwendig.

Wie hoch die Kosten der EU-Osterweiterung in summa sein werden, ist nicht eindeutig. Neben oben

beschriebenen Problembereichen der Quantifizierung hängen die Kosten von den eintretenden Bei-

trittsländern, der Übergangsfristen der Fonds, den Reformen der Fonds und auch der Einnahmerege-

lungen zur Finanzierung der Fonds und der wirtschaftlichen Entwicklung der EU und den Beitritts-

staaten ab.389 In verschiedenen Szenarien dieser exogenen Variablen wurde evident, dass ohne Refor-

men eine Osterweiterung der EU nicht möglich ist. Gerade für die Beitrittstaaten, die wie Ungarn gro-

ße Hoffnungen in eine Aufnahme setzen, waren die Verhandlungen im Dezember 2002 in Kopenha-

gen und anschließende Verhandlungen von eminenter Wichtigkeit. Die Agenda 2000 kann nur der

Anfang gewesen sein. Für Ungarn, das sich seit März 1994 um eine Mitgliedschaft in der EU bemüht,

sind die Regelungen der agrar- und strukturpolitischen Fonds und der Einnahmenregelungen wich-

tig.390 Als Mitglied der EU werden die Transfers der EU in den Staatshaushalt einfließen, Eigenmittel

werden an die EU geleistet werden müssen, anders als bei den bisherigen finanziellen Verflechtungen

mit der EU.

384 Ebenda, und siehe EU-Kommission (2003a). 385 Vgl. Fuest (1996), S. 171, Weise (2000), S. 215, auch zu folgendem Satz. 386 Das Verhalten der Produzenten hängt ab von den Erwartungen bzgl. des Beitrittstermins, der Wirkungsweise und Über-gangsregelungen der für sie gültigen GAP, sowie der Ausgestaltung der nationalen Agrarpolitik ab. Schätzungen gehen aber von einem steigenden Produktionsniveau aus. Vgl. Lenk/ Mathes (2000), S. 93, Götz/ Grottke (2001), S. 121. 387 Vgl. Götz/ Grottke (2001), S. 121 f, auch zum Konfliktpotential mit dem GATT. 388 Vgl. Götz/ Grottke (2001), S. 123, auch zu folgendem Satz. 389 Vgl. Henke/ Milbrandt (2000), S. 130, Lenk/ Mathes (2000), S. 95 ff, Franzmeyer (1996), S. 258 ff, Weise (2000), S. 215. Zahlreiche Szenarien, auch für Berechnungen einzelner Teilkosten, sind hier beispielhaft aufgeführt. 390 Vgl. EU-Kommission (2003).

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69

„Decentralization is [...] a key dimension of the national transition from

a command to a market economy. Like the broader economic transition,

it will require many, often difficult reforms. Not only must the structure

of tax and transfer mechanisms be reconsidered and expenditure re-

sponsibilities realigned among different levels of government, but views

as to what governments can and should do must change.”

Richard M. Bird, Robert D. Ebel, Christine I. Wallich, Fiscal Decentralization: From Comand to Market, 1995.

„Although Hungary prides itself on ist gradualism,

it is rapidly changing.“

László Halpern, Charles Wyplosz, Hungary: Towards a Market Economy, 1998.

C Studie Ungarns

Seit 1989 befinden sich die Staaten Mittel- und Osteuropas in einem politischen und ökonomischen

Transformationsprozess. Mit der wiedererlangten staatlichen Autonomie haben sie ihre politische

Struktur von kommunistischen Systemen hin zu Demokratien westlicher Ausprägung geführt. Ihre

Ökonomien haben sie konsequent auf dem Weg weg von zentral gelenkten Planwirtschaften hin zu

Marktwirtschaften entwickelt. Die Fortschritte der Staaten innerhalb des Transformationsprozesses

sind dabei unterschiedlich groß, begründet in den differierenden Herangehensweisen, die Transforma-

tion vor dem Hintergrund nationaler Gegebenheiten zu vollziehen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt

dabei in der schnellen Adaptionsfähigkeit an die neuen Strukturen.1 Die unterschiedlichen Reform-

tempi haben dabei einen Einfluss auf das Wachstum der Volkswirtschaften gezeigt: je schneller die

Reformen implementiert waren, desto größer war im Durchschnitt auch das Wirtschaftswachstum der

Länder.2 Dies wiederum erleichtert eine Weiterführung des Transformationsprozesses, denn ein we-

sentliches Element zur Erreichung marktwirtschaftlicher Ordnung ist makroökonomische Stabilität,

die mit angemessenem Wirtschaftswachstum i.d.R. einhergeht.3 Für Länder, die einen Beitritt zur EU

anstreben, werden die Bedingungen für den Transformationsprozess verschärft, denn es gilt, EU-

konforme politische und ökonomische Systeme zu schaffen. Damit stellt der EU-Beitritt für diese

Länder einen wesentlichen, wenn nicht den wesentlichsten Punkt während des Transformationsprozes-

ses dar.4

1 Vgl. Hegedüs (2001), S. 132. 2 Vgl. Warner (2002), S. 15. 3 Vgl. Hare (1997), S. 128. Er benennt als umzusetzende Elemente auf dem Weg der Marktwirtschaft die makroökonomische Stabilität, Preis- und Handelsliberalisierung, Privatisierung und Unternehmensumstrukturierungen sowie institutionelle Re-formen.4 Siehe hierzu Hare (1997), S. 130, oder sinnverwandt etwa Davey (2002), S. 40.

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70

Transformation bedeutet die Veränderung von Strukturen.5 Diese können schrittweise oder radikal,

d.h. mittels einer sog. Schocktherapie, vollzogen werden. Ein wesentlicher Bestandteil der Transfor-

mation ist die Dezentralisierung. Dezentralisierung und Transformation sind interdependent. Der

Wunsch nach Demokratie hat die Nachfrage nach dezentraler politischer Kontrolle und unbehinderter

Autonomie erst verstärkt.6 Die Dezentralisierung schafft quasi erst die dezentralen Ebenen, determi-

niert die Extension ihrer Autonomie.

Ungarns Ziel zu Beginn der Transformation war eindeutig der Beitritt in die EU.7 Um dieses Ziel zu

erreichen, wurde die Etablierung einer sozialen Marktwirtschaft, ein schnelles ökonomisches Wachs-

tum und die Schaffung eines EU-konformen Rechts- und Institutionensystems angestrebt, wozu auch

die Durchführung der Dezentralisierung gehörte.8 Die Dezentralisierung als Bestandteil der Transfor-

mationspolitik ist in Ungarn schon frühzeitig begonnen worden. Das ungarische Modell der Dezentra-

lisierung gilt als sehr erfolgreich, da es den sog. Local Governments eine weitreichende Autonomie

gewährt. Die Elemente, die zu einer erfolgreichen Dezentralisierung gehören, „the democratic election

of the local self-government, substantial expenditure responsibility and autonomy, hard-budget

constraints on the independent local budgets“, werden vom ungarischen Recht garantiert.9

Die Dezentralisierung ist insgesamt ein schwieriger Prozess, der sich sowohl in politischer wie öko-

nomischer Hinsicht interpretieren lässt. In ökonomischer Hinsicht verkörpert die Frage der Dezentra-

lisierung die Frage nach der Gestaltung eines Finanzausgleichs und steht damit im Mittelpunkt der

weiteren Untersuchungen dieser Arbeit. In Teil B dieser Arbeit wurde ausgeführt, wie ein Finanzaus-

gleich optimal ausgestaltet sein sollte unter gegebenen Annahmen und welche Aufgaben, Ausgaben

und Einnahmen welcher staatlichen Ebene zugeordnet werden sollten. Im nachfolgenden Teil der Ar-

beit werden diese Ergebnisse nun auf ihre Gültigkeit in Ungarn hin überprüft.

Um den Abgleich zwischen normativer und positiver Theorie zu vollziehen, werden in Kapitel 4 zu-

erst in einer einstimmenden Schilderung die in Ungarn existierenden Staatsebenen benannt und in

ihrer politischen Ausgestaltung kurz vorgestellt. Anschließend folgt eine Darstellung und ein Abgleich

der Ausgestaltung des passiven Finanzausgleichs sowie des aktiven Finanzausgleichs mit den norma-

tiven Ergebnissen aus Teil B. In Kapitel 5 wird der Reformbedarf des ungarischen Finanzausgleichs

eruiert. Theoretische Überlegungen zu den in Kapitel 4 identifizierten Reformgründen bilden die

Grundlage zu einem Votum für eine Reform. Abschliessend werden die derzeit im ungarischen Parla-

ment diskutierten Reformmodelle vorgestellt und analysiert.

5 Vgl. Hegedüs (2001), S. 132, auch zu den folgenden beiden Sätzen. 6 Vgl. Bird/ Ebel/ Wallich (1995), S. 5. 7 Vgl. Balogh (2002), S. 64, auch zu folgendem Satz. 8 Vgl. Petsche (1997), S. 55. 9 Diese Schlüsselelemente und ihre Implementation in Ungarn benennt Hegedüs (2002), S. 2.

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71

4 Der ungarische Finanzausgleich

Der ungarische Finanzausgleich ist seit Beginn des Transformationsprozesses in einem kontinuierli-

chen Wandel. Seine heutige Ausgestaltung darzulegen und anhand der Überlegungen aus Teil B zu

bewerten, wird nun folgend vorgenommen. Da die Aussagen, die sich aus der traditionellen ökonomi-

schen Theorie des fiskalischen Föderalismus ergeben, aufgrund der hohen Abstraktionsebene unter

gewissen Annahmen raum- und zeitlos sind, können diese zur Bewertung der heutigen Ausgestaltung

herangezogen werden.10 Die Ergebnisse des Kapitels 3, die neuere Forschungen beinhalten und die

traditionelle Theorie ergänzen bzw. Unzulänglichkeiten oder Inkonsistenzen der traditionellen Theorie

beheben, sind ebensoweit anzuwenden, wie sie für den ungarischen Finanzausgleich relevant sind.

4.1 Die neue Struktur der Staatsebenen

Die Bestrebungen der Dezentralisierung in Ungarn gingen von einem sowjetischen Council-System

aus.11 Der Staat war als Einheitsstaat eingerichtet, bei dem die Macht und Verantwortung aller we-

sentlichen Entscheidungen bei der Zentralebene, d.h. der kommunistischen Partei, lagen. Das Council-

System bezeichnete sowohl die Politstruktur wie auch die institutionelle Struktur in Ungarn. Zum

Staat zählten in diesem Sinne die Zentralregierung, die sog. megye (Councils), lokale Regierungen

(Local Governments) sowie staatseigene Betriebe. Die subnationalen Ebenen verfügten dabei über

keinerlei Autonomie. Die Councils bildeten eine Ebene zwischen der Zentralregierung und den loka-

len Regierungen. Sie waren ausführende Organe der administrativen Kontrolle, durch welche die Zent-

ralregierung ihre Politik umsetzen und kontrollieren, gleichzeitig aber auch Informationen über örtli-

che Gegebenheiten für zentralisierte Entscheidungsfindung sammeln konnte. Die Councils waren die

Kanäle für die finanziellen Ströme der Zentralregierung hin zu den Local Governments, allerdings

berücksichtigten sie dabei keinerlei Ausgabenbedürfnisse der Local Governments. Ein föderaler Staat,

wie er in Teil B gefordert wurde, mit einem Finanzausgleich zwischen föderalen Ebenen bestand mit

dem Council-System damit nicht.12

Noch während des sowjetischen Council-Systems wurde in Ungarn die Dezentralisierung initiiert. Mit

dem Erlass verschiedener Regelungen zur Finanzierung von Local Governments in der zweiten Hälfte

der 1980er Jahre kann der Beginn zur Entwicklung eines föderalen Staates mit einem Finanzausgleich

zwischen autonomen Ebenen gesehen werden. Sicherlich waren diese Regelungen noch zu stark ein-

gebunden in das sowjetische Council-System, als das eine Bewegung hin zu einer politischen Dezen-

tralisierung und somit zu einem ökonomisch effizienteren System zugelassen hätte.13

10 Vgl. dazu teilweise Oates (1972), S. vi, unter gewissen Annahmen. 11 Vgl. Hegedüs (2001), S. 133, Lutz/ Ruggiero/ Spahn (1997), S. 660, und Jackson (2001), S. 15, zu diesem Absatz. 12 Vgl. Einleitung Teil B. 13 Vgl. Hegedüs (2002), S. 3.

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72

Nach dem Zerfall der sowjetischen Hegemonie aber setzte der Transformationsprozess und damit auch

die Dezentralisierung in Ungarn vollkommen ein. Vor dem Hintergrund einer neu geschaffenen Ver-

fassung, die mit der Europäischen Charta des Europarates konform ist, wurde in zahlreichen Gesetzen

und Erlassen in den Jahren 1990 und 1991 der legale Rahmen für einen föderalen Staat mit zwei Ebe-

nen, der zentralen Ebene und der Ebene der Local Governments, durch das Parlament geschaffen.14

Von grundlegender Bedeutung ist hier das Law on Local Self-Government, Nr. LXV in 1990.15 Dieses

Gesetz schafft einen Transfer von einem Ausgaben-getriebenen hin zu einem Einnahmen-getriebenen

System.16 Das Gesetz beinhaltet die Bestimmungen zur Struktur der Staatsebenen, determiniert die

Rechte und Pflichten von Local Governments, weist ihnen verpflichtende Aufgaben, Ausgaben, und

Einnahmen zu, determiniert die intergouvernmentalen Beziehungen inklusive der intergouvernmenta-

len Transfers der Staatsebenen untereinander.17

Die Determinierung, wie der ungarische Finanzausgleich ausgestaltet werden sollte, beruht nicht auf

einem theoretischen Fundament, sondern ist Ergebnis eines praktischen Ansatzes gewesen.18 Zur Aus-

gestaltung wurden Finanzausgleichsmodelle verschiedener Länder studiert, insb. das zentralisiertere

französische Modell und das dezentralisiertere deutsche Modell. Bei der Ausgestaltung des ungari-

schen Finanzausgleichs besaß dabei immer der Wunsch nach großer Autonomie der Local Govern-

ments höchste Priorität, motiviert dadurch, das sowjetische Council-System abzulegen.

4.1.1 Local Governments

Gemäß des Law on Local Self-Government existiert in Ungarn ein Staatssystem mit einer Zentralebe-

ne, zu der man Zentralregierung und diverse Fonds, wie den National Health Fund oder die Social

Security Funds zählt, und einer subnationalen Staatsebene.19 Letztere wird als Ebene der Local Go-

vernments bezeichnet. Local Governments können entweder sog. helyi onkormanyzat (Municipalities)

oder Counties sein.20 Municipalities sind für ihren örtlichen Ansiedlungsraum verantwortlich, während

Counties die Verantwortung auf regionalem Niveau übertragen ist.21

14 Föderal im Sinne von o.g. Definition. Zu diesen wesentlichen Gesetzen zählen auch das Law on Local Taxes, Nr. C in 1990, oder das jährlich neu erlassene State Budget Law, worauf Sivák (2003) hinweist. Ferner vgl. OECD (2001), S. 33 und 37. Das Parlament bestimmt somit den legalen Status der Local Governments mit allen Facetten. 15 Das Gesetz kann nur mit einer zwei-drittel Mehrheit im Parlament angenommen oder verändert werden. 16 Vgl. Hegedüs (2001), S. 133, und OECD (2001), S. 45. Ein Ausgaben-getriebenes Finanzregulationssystem, zentral kon-trolliert, determiniert die Subvention von der Zentralebene mit der Höhe der Differenz zwischen lokalen Ausgaben und Ein-nahmen. Ein Einnahmen-getriebenes System determiniert die potentiellen Ausgaben nach den verfügbaren Einnahmen der Local Governments. 17 Vgl. dazu etwa Lutz/ Ruggiero/ Spahn (1997), S. 660 f, oder OECD (2001), S. 10. 18 Vgl. zu diesem Absatz Sivák (2003). 19Balogh (2003) betont, dass die Fonds der Kranken-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung nicht mehr parafiskalisch, sondern staatlich sind. Diese Wandlung habe sich in den letzten Jahren ergeben. Zu diesen Fonds zählt ferner ein Fonds für Nuklearabfallbeseitigung, dessen Bedeutung insgesamt allerdings vernachlässigbar gering ist. 20 Daneben existieren Minderheitenregierungen in den einzelnen Municipalities. Da diese aber finanziell von den Municipali-ties Zuweisungen erhalten, somit nur Bestandteil der Ausgaben der Municipalities sind, wird von einer detaillierten Betrach-tung der lokalen Minderheitenregierungen abstrahiert. Dazu auch die Angaben von Temesi (2003). 21 Verantwortlich für Angelegenheiten für die Local Governments ist auf zentraler Ebene das Finanzministerium (finanzielle Angelegenheiten) und das Innenministerium (alle anderen Angelegenheiten), laut Angabe von Kiss (2003).

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73

4.1.1.1 Municipalities

Durch das Law on Local Self-Government besitzen Municipalities eine ausgedehnte Verantwortung

für ihre Aufgaben und das Recht, intergouvernmentale Transfers nach eigenen Vorstellungen zu ver-

wenden.22 Sie können sie sich auf Grundlage des Law on Local Self-Government beinahe rechtlich

unbegrenzt verschulden. Zudem ist ihnen dort das Recht verliehen, Eigentum zu verkaufen sowie

staatliche Unternehmen ihres Zuständigkeitsbereiches zu führen oder zu verkaufen, oder neu zu grün-

den. Einzige Einschränkung für das Handeln der Municipalities ist die Einhaltung der Verfassung und

anderer nationaler Gesetze und rechtlicher Vorgaben.23

Gemäß des Law on Local Self-Government hat jede Ansiedlung das Recht, sich als Municipality zu

proklamieren, um fortan die eigenen Angelegenheiten zu bewältigen.24 Von diesem Recht haben erst

wenige, später immer mehr Ansiedlungen Gebrauch gemacht, indem sich bestehende Municipalities

aufgespalten haben.25 So ist ihre Zahl von 1523 in 1990 auf 3135 in 2000 gestiegen.26 Die durch-

schnittliche Einwohnerzahl einer Municipality ist aktuell sehr gering und liegt bei unter 4000, wobei

10.000 Einwohner als ökonomisch sinnvolle Mindestgröße gelten, um Größendegressionseffekte nut-

zen zu können.27 Die folgende Tabelle veranschaulicht die hohe Fragmentierung der lokalen Ebene:28

Tab 1: Municipalities nach Größe in 2000

Die Fragmentierung zeigt sich besonders darin, dass über 50% aller Municipalities eine Einwohner-

zahl geringer als 1000 Einwohner besitzen. Nur 9 Municipalities (0,29% der Municipalities) können

eine Einwohnerzahl von mehr als 100000 Einwohner aufweisen. Aufgrund der hohen Fragmentierung

in Ungarn wird es wichtig sein, Kooperationen und Fusionen von Municipalities anzustreben, um

22 Vgl. Jackson (2001), S. 15, auch zu den folgenden zwei Sätzen. 23 Vgl. OECD (2001), S. 35. 24 Vgl. hierzu Hegedüs (2002), S. 3, oder allgemein Davey (2002), S. 35. 25 Vgl. OECD (2001), S. 10. 26 Vgl. Hegedüs (2002), S. 3. 27 Vgl. Hegedüs (2002), S. 3, und Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 47 und 54. 28 Davey (2002), S. 35, zeigt auf, dass diese Tendenz der Fragmentierung nicht nur in Ungarn, sondern in der Mehrheit der post-kommunistischen Staaten evident wird, weil alle diese Staaten das Recht auf die Proklamation des Status einer autono-men Municipality in ihren Rechtsapparat aufgenommen haben.

Zahl der Einwohner Zahl der Municipalities relativer Anteil der Municipalities (%)

Verhältnis der gesamten Bevölkerung in den Municipalities mit der

Populationsrate (%)

-999 1683 53,68 7,54

1000-1999 659 21,02 9,11

2000-4999 512 16,33 14,81

5000-10000 140 4,47 9,47

10000-49999 120 3,83 22,65

50000-99999 12 0,38 7,5

>100000 9 0,29 28,92

Gesamt 3135 100 100

Quelle: OECD (2001), S. 11.

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Größendegressionseffekte vermehrt nutzen zu können. Ohne diese Kooperationen ist die Einwohner-

zahl mancher Municipalities zu klein und ihre finanziellen Quellen sind zu gering, um die zu erfüllen-

den Aufgaben effizient erfüllen zu können.29 Das Law on Local Self-Government bietet dazu keinerlei

Anreize.30 Dieses Problem wird in Kapitel 4.2 nochmals explizit aufgegriffen.

4.1.1.2 Counties

In Ungarn gibt es insgesamt 19 Counties und 22 Städte (Stand 01.08.2000), die den Status der Coun-

ties erworben haben.31 Gemessen an der Gesamtzahl der Local Governments ist dies nur ein kleiner

Anteil wie folgende Tabelle darstellt:

Tab. 2: Anzahl der Local Governments nach Art (in administrativen Einheiten)

Die benannten Counties sind nicht zu verwechseln mit den Councils der sowjetischen Zeit. Die Coun-

ties konstituieren keinerlei hierarchische Überordnung zu den Municipalities.32 Counties und Munici-

palities besitzen nach dem Law on Local Self-Government die gleichen fundamentalen Rechte.33 D.h.,

sie sind den Municipalities gleichgestellt und haben keine rechtliche Grundlage, diesen z.B. deren

Entscheidungen bzgl. Aufgaben oder Einnahmen zu genehmigen, oder die Verteilung von intergou-

vernmentalen Transfers zu beeinflussen.34 Die Counties werden geleitet von einem sog. County-

Präsident der aus einer Wahl der County-Versammlung hervorgeht.35 Die Mitglieder der County-

Versammlung wiederum werden von den Bürgern direkt gewählt. Counties sind wie Municipalities

„self-governing“ Local Governments, die sich von den Municipalities nur in den Aufgaben, die ihnen

zugeordnet sind, unterscheiden.36 Deshalb soll im folgenden zusammenfassend nur noch von Local

Governments gesprochen werden, es sei denn, eine Unterscheidung ist angemessen.

29 Vgl. OECD (2001), S. 11. 30 Vgl. hierzu etwa Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 37. 31 Eine Landkarte Ungarns mit den 19 Counties findet sich in Anhang A. 32 Damit sind die Municipalities wie die Counties auch direkt dem Parlament untergeordnet. Darauf verweist OECD (2001), S. 10. 33 Vgl. OECD (2001), S. 33. 34 Das gilt nicht für Budapest, weshalb darauf später nochmals gesondert eingegangen wird. Vgl. OECD (2001), S. 12. 35 Nach Angaben von Balogh (2003), auch zum folgenden Satz. 36 Ebenda, auch zu folgendem Satz. Man beachte hier die Sonderrolle Budapests, die hier eine Ausnahme bildet.

Art der Local Governments Anzahl der Art Relativer Anteil an allen Local Governments (%)

Relativer Anteil an den gesamten Ausgaben aller Local Governments (%)

Dörfer 2691 84,81 11,0

Grössere Dörfer 222 7,00 5,6

Städte 195 6,15 22,9

Städte mit County- 22 0,69 18,4

Coun- 19 0,60 10,9

Distrikte Budapests 23 0,72 11,3

Budapest Municipality Gouvernment 1 0,03 19,9

Quelle: Ungarisches Finanzministerium (2002) von Vagvári (2003), aus seinem Buch "Közpénzügyek, önkormányzati pénzügyek", eigene Berechnungen.

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75

Eine Ausnahme in der Zuordnung zu Municipality oder County bildet lediglich die Hauptstadt Buda-

pest. Zum einen ist Budapest eine reguläre Municipality, die für Angelegenheiten die ganze Stadt oder

mehrere Distrikte betreffend, in die die Stadt weiter unterteilt ist, zuständig, sowie für Angelegenhei-

ten, die die Stadt als Hauptstadt betreffen.37 Budapest ist in 23 Distrikte unterteilt, deren Zuständig-

keitsbereich im Sinne kleiner Municipalities auf einen Teil des Stadtgebietes Budapests jeweils be-

grenzt ist. Vergleichend könnte man sagen, dass die Distrikte wie Municipalities und das Gouvern-

ment Budapests wie ein die Distrikte umspannendes County angelegt sind.

4.1.1.3 Municipalities und Counties

Local Governments werden von direkt gewählten Volksvertretern repräsentiert, die die Rechte und

Kompetenzen der Local Governments ausüben.38 Die gewählten Volksvertreter bilden einen Rat. Der

Bürgermeister übernimmt die Leitung des Local Governments und muss zum einen die Entscheidun-

gen des Rates ausführen, zum anderen delegierte staatliche Aufgaben erfüllen.39 Die Verwaltung eines

Local Governments wird vom örtlichen Verwaltungschef oder einem Notar ausgeführt.

Bzgl. ihrer Verantwortungsbereiche sind die Local Governments in ihren Entscheidungen im Rahmen

der ihnen gesetzten rechtlichen Vorschriften vollkommen autonom.40 Neben oben bereits angeführten

fundamentalen Rechten liegen diese auch in

• der Erhebung eigener Einnahmen zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben.

• der Ergreifung unternehmerischer Tätigkeiten auf eigene Gefahr.

• die Freiheit, mit anderen Local Governments zusammenzuarbeiten, um ihre Interessen

zu verfolgen. Dies gilt auch für Zusammenarbeit mit Local Governments anderer Län-

der.

• den Erlass von Dekreten, sofern sie mit der Verfassung konform sind.

• dem Anschluss an internationale Organisationen von Local Governments.

Somit hat das Law on Local Self-Government ein autonome und im ökonomischen Sinne föderale

Staatsebene konstituiert. Sie entspricht einer dezentralen Ebene, wie sie im Teil B angeführt wurde.

Die einzelnen Local Governments sind als Jurisdiktionen interpretierbar.41

37 Vgl. OECD (2001), S. 13, auch zum folgenden Satz. 38 Wahlen dazu finden alle vier Jahre in den Jahren der Parlamentswahlen statt. Der Präsident der Republik entscheidet den Wahltermin. Vgl. hier OECD (2001), S. 34. 39 Vgl. Hegedüs (2001), S. 133, auch zum nächsten Satz. 40 Vgl. zu diesem und den folgenden Aufzählungen OECD (2001), S. 34 ff. 41 In den einzelnen Municipalities finden sich Minderheiten-Gouvernments, die aber nicht weiter betrachtet werden, da sie kein Local Government im Sinne des Law on Local Government sind, sondern innerhalb eines Local Governments agieren.

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76

4.1.2 Regionale Staatsebene

Neue Tendenzen hin zu einer zweiten subnationalen Ebene auf regionalem Niveau haben sich vor

allem vor dem Hintergrund des angestrebten Beitritts in die EU offenbart. Die EU fordert, Institutio-

nen auf regionaler Ebene zu schaffen, die einen Fokus zur Planung und Partnerschaft in ökonomischen

und sozialen Entwicklung werden können.42 Die Institutionalisierung solcher regionalen Ebenen ist in

den mittel- und osteuropäischen Staaten nicht einfach, denn oftmals erschweren historisch begründete

Konflikte zwischen benachbarten Regionen und die Anforderung der EU zu Mindesteinwohnerzahlen

einer Region für die Unterstützung aus ihren Fonds zur regionalen Förderung die Bildung der Regio-

nen.

Zur Zeit existieren sieben statistische Regionen, die von der Struktur EU NUTS II Regionen entspre-

chen, die EU-Strukturfondsmittel erhalten können.43 Gemäß der Amendments of the Regional Deve-

lopment Act 92/1999 sind alle statistischen Regionen aufgefordert, ihre eigenen Entscheidungsgre-

mien zu institutionalisieren.44 Diese Gremien werden als Greater Regional Development Councils

bezeichnet. Davon zu unterscheiden sind andere regionale Entwicklungsinstitutionen, wie der National

Regional Development Council, County Regional Development Councils und Voluntary Regional

Development Councils, wie sie aus dem Act on Regional Development 1996/21 und den Amendments

to the Act on Regional Development 1999/92 ebenso hervorgehen. Deren Aufgaben sind überwiegend

auf die Entwicklung von Konzepten zur zukünftigen Gestaltung von Regionen und Regionalpolitik

sowie beratende und harmonisierende Vermittlungstätigkeiten gerichtet. Einen Überblick über die

jeweiligen regionalen Entwicklungsinstitutionen, ihren Aufgaben, Einnahmen und Mitgliedern bietet

folgende Tabelle:45

42 Vgl. zu diesem und dem folgenden Satz Davey (2002), S. 36. Kálmán (2002) greift diesen Gedanken auf und beschreibt die Probleme die sich aus einer mangelnden Entwicklung der Regionalstruktur zur Absorption der EU-Strukturfondsmittel entwickeln kann. 43 Vgl. Kálmán (2002), S. 44 f. Ungarn erfüllt alle formalen Kriterien zum Erhalt von EU-Strukturfondsmitteln, so z.B. liegt das BIP mit 49% des EU-Durchschnitts weit unter der zum Bezug relevanten 75% Grenze. Die Regionen sind in Anhang A aufgeführt. 44 Vgl. Kálmán (2002), S. 44, auch zum restlichen Absatz. 45 Die Tabelle ist Kálmán (2002), S. 55 f, entnommen und lehnt sich an die 1996/21 Act on Regional Development und 1999/92 Amendments to the Act on Regional Development an.

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77

Tab. 3a: Regionale Entwicklungsinstitutionen

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Page 91: Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie … · 2010-06-28 · Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns von Sibylle Wagener ∗ Abstract

78

Tab. 3b: Regionale Entwicklungsinstitutionen (Fortsetzung)

Voluntary R

egional Develop-

ment C

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County R

egional Develop-

ment C

ouncil

RD

Unit (regionale Ent-

wicklungsinstitution)

Joint investment projects of

special territories (e.g. Bala-

ton) or counties different from

the regional classifica-tionJoint investm

ent projects

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ong individual mu-

nicipalities as well as de-

concentrated state organs (such as C

ounty Labor Of-

fices, County Public A

d-m

inistration Offices)

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invest-m

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The regional councils in-volvedR

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County

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organs) have a permanent

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councils

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Page 92: Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie … · 2010-06-28 · Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns von Sibylle Wagener ∗ Abstract

79

Bislang sind die bestehenden regionalen Strukturen keine Staatsebene wie die Zentralebene und die

Local Governments, sondern mit weniger Autorität ausgestattet.46 Das Ziel besteht zukünftig darin,

verstärkt die Bildung einer regionalen subnationalen Ebene zu fördern. Diese soll so geschaffen sein,

dass es möglich wird, Fondsmittel der EU zu absorbieren. Von der territorialen Abgrenzung sind die

statistischen Regionen bereits so abgesteckt, dass sie den EU-Anforderungen einer territorialen EU-

Planungsregion (NUTS II) entsprechen.47 Jedoch scheinen in Ungarn die Vorstellungen über die kon-

krete Ausgestaltung der fiskalischen und politischen Autonomie dahingehend noch nicht abschliessend

determiniert.48 Ferner zeigen sich bei der Entwicklung der Verwaltung in Ungarn bezüglich Managa-

ment, Programmierung, Implementierung, Monitoring/ Evaluierung und Finanzmanagement/ Kontrol-

le für die EU-Strukturfonds Entwicklungsbedarf, insoweit mangelt es Ungarn an Absorptionsfähigkeit

der EU-Strukturfondsmittel.49 Es stellt sich hier die Frage, welche Rolle den Regionen beim Manage-

ment der Strukturfonds zukommt.50

Bezogen auf die Gestaltung der regionalen Staatsebene deutet sich mit den Ausführungen das Ent-

wicklungspotential und damit auch das Forschungspotential an. Da sich Ungarn momentan noch in der

Vorbereitungsphase auf die EU befindet und noch keine regionale autonome Staatsebene im Sinne des

in dieser Arbeit definierten Föderalismus gebildet hat, soll eine Betrachtung der Regionen unterblei-

ben. Es wird aber darauf hingewiesen, dass die Etablierung einer regionalen Ebene in Ungarn von

höchster Brisanz ist, wie die oben angesprochenen Zusammenhänge, vor allem mit der EU, verdeutli-

chen.

4.1.3 Zusammenfassung

Mit dem Law on Local Self-Government wurde die Grundlage für den heutigen zwei Ebenen umfas-

senden Staatsaufbau in Ungarn gelegt. Diese beiden Ebenen sind durch vielfältige rechtliche, politi-

sche und finanzielle Tatbestände verknüpft. Vor allem durch das Law on Local Self-Government sind

den Local Governments weitreichende Verantwortungsbereiche von der zentralen Ebene übertragen

worden, genießen sie einen hohen Grad an fiskalischer Autonomie.51 Im Sinne der begrifflichen Defi-

nitionen im Teil B entspricht die Ebene der Local Governments einer dezentralen Ebene.

Ungeachtet anderer Verknüpfungen zwischen den beiden Staatsebenen wird im weiteren das Augen-

merk auf ökonomisch relevante Sachverhalte, genauer den passiven und aktiven Finanzausgleich, be-

schränkt. Die Untersuchung im folgenden Unterkapitel hat die Verteilung der Aufgaben zwischen der

zentralen und der dezentralen Ebene, i.e. den passiven Finanzausgleich, zum Inhalt. In Ungarn fallen

46 Vgl. Kálmán (2002), S. 45, auch zu folgendem Satz. 47 Vgl. Quaisser/ Woodward (2002), S. 127. 48 Siehe Kapitel 5. 49 Vgl. Quaisser/ Woodward (2002), S. 130 f. 50 Vgl. Quaisser/ Woodward (2002), S. 127. 51 Gesetze, die dieses ebenso fördern sind etwa das Law on Capital (1991), das Law on Local Taxes (1990) oder der Property Transfer Act (1992) sowie das Law on Public Finance (1992).

Page 93: Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie … · 2010-06-28 · Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns von Sibylle Wagener ∗ Abstract

80

alle Aufgaben der zentralen Ebene zu, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.52 Die Aufgaben der

Local Governments ergeben sich aus dem Law on Local Self-Government.53 Sie sollen im folgenden

betrachtet werden. Die Zuordnung der Aufgaben auf die Local Governments schliesst dabei nicht aus,

dass auch die zentrale Ebene in gewissen Gebieten, wie z.B. Bildung, Aufgaben übernimmt. Diese

sind aber von denen der Local Governments klar abgetrennt.

4.2 Der passive Finanzausgleich in Ungarn

Der ungarische Staat ist stark in die Wirtschaft eingebunden. Die Staatsquote liegt mit 48,1% (2001)

im internationalen Vergleich sehr hoch.54 Für 2003 wird daher eine Staatsquote von 40% angestrebt.55

Der Anteil der Ausgaben der Local Governments an den gesamten Staatsausgaben betrugen in 2000

12,8%, in realen Werten sind die Ausgaben von 1993 bis 2000 um 20% gesunken.56 Damit wird deut-

lich, dass erstens die Local Governments zu einem erheblichen Teil an den Ausgaben und damit auch

Aufgaben des ungarischen Staates beteiligt sind und zweitens, dass die Senkung des Ausgabenanteils

der Local Governments durch eine hohe Inflation beschleunigt wurde.57 Nun soll dargestellt werden,

welche Aufgaben den Local Governments de lege lata zugewiesen sind und wie deren Ausgabenstruk-

tur ausgestaltet ist.

4.2.1 Aufgaben der Local Governments

Die Aufgaben sind den Local Governments mit dem Law on Local Self-Government zugewiesen wor-

den. Ein großer Anteil der Aufgaben der Zentralregierung ist an die Local Governments übertragen

worden, verglichen mit der nur ausführenden Funktion der subnationalen Ebenen im kommunistischen

System. Man unterscheidet verpflichtende und freiwillige Aufgaben der Local Governments im Law

on Local Self-Government. Die Aufgaben sind im Law on Local Self-Government in einem allgemei-

nen Wortschatz definiert, so dass sich ein breiter Spielraum sowohl zur Interpretation der verpflich-

tenden Aufgaben als auch des Umfangs der Aufgaben generell ergibt.58 Den Local Governments ist

demnach weder bezüglich der Quantität, Qualität noch der Organisation der Aufgabenerfüllung mit

52 Vgl. Lutz/ Ruggiero/ Spahn (1997), S. 662. 53 Die zuvor beschriebenen Aufgaben der Regional Development Councils werden bei der Betrachtung nicht weiter berück-sichtigt. Sie werden als ausserhalb der zuzuordnenden Menge der Aufgaben angesehen. 54 Die Staatsquoten betrugen im Vergleich 2001in Spanien 38,1%, Niederlande 41,3%, Portugal 40,7%, Vereinigtes König-reich 38,4%, vgl. Institut der deutschen Wirtschaft (2002), S. 129. 55 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 35. 56 Vgl. Hegedüs (2002), S. 4. 57 Hegedüs (2001), S. 147, sieht den hohen Anteil der Ausgaben der Local Governments an den gesamten Staatsausgaben darin bergündet, dass die Local Governments einen hohen Beitrag an der Infrastruktur und anderen öffentlichen Leistungen tragen müssen, s.u. dazu mehr. 58 Vgl. Hegedüs (2001), S. 134. Als verpflichtend sehen die Local Governments i.d.R. die Aufgaben an, die durch Transfers der Zentralebene finanziert werden, vgl. Hegedüs (2001), S. 134, oder Hegedüs (2002), S. 5. Er betont dort weiter: „This feature of the law and the flexible revenue structure make the local government adjustment possible. There are some exceptions from this, e.g. health care, and fire protection services.” [Hervorhebungen im Original] Allerdings sind in der Bankruptcy Bill 28 Aufgaben benannt, die von diesem Budget im Krisenfall von bankrotten Local Governments bis dato wahrgenommen werden mussten. Sie können in diesem Sinne als verpflichtend angesehen werden. Darauf verweist Hegedüs (2001), S. 134.

Page 94: Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie … · 2010-06-28 · Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns von Sibylle Wagener ∗ Abstract

81

diesem Gesetz ein konkreter Rahmen gesteckt.59 Durch Gesetze wie den Act on the Budget, Bankrupt-

cy Act u.a. werden die verpflichtenden und freiwilligen Aufgaben der Local Governments kontinuier-

lich weiter entwickelt.60 Anhand von sog. Sectoral Laws, die von den zuständigen Ministerien erlassen

werden, werden die Aufgaben der Local Governments konkretisiert, um eine national einheitliche

Interpretation und Erfüllung derselben zu erreichen.61

4.2.1.1 Aufgaben der Municipalities

Zu den Aufgaben der Municipalities zählen Aufgaben, die in der Bereitstellung lokaler öffentlicher

Güter bestehen, und Aufgaben, über deren Zuordnung auf die Staatsebenen Diskussion besteht, da ihr

Wirkungskreis nicht eindeutig abgegrenzt werden kann bzw. vielfach interpretierbar und extendierbar

ist.62 Folgende Tabelle enthält die verpflichtenden Aufgaben der Municipalities nach dem Law on

Local Self-Government:

Tab. 4: Verpflichtende Aufgaben der Municpalities gem. Law on Local Self-Government

59 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 37, Ebel/ Varfalavi/ Varga (2000), S. 4, und Hegedüs (2002), S. 5. Das Law on Local Self-Government gab den Local Governments damit das Recht, die Wahrnehmung der Aufgaben an den Rahmenbe-dingungen vor Ort anzupassen. Das greift der Autor a.a.O., S. 22, wieder auf. Sivák (2003) weist aber auf gewisse Mindest-anforderungen bei der Erfüllung der Aufgaben hin. Siehe hierzu z.B. die Verbindung zu den Sectoral Laws. 60 Vgl. Hegedüs (2002), S. 5. Er spricht in diesem Zusammenhang auch von einer stillen Reform. 61 Vgl. OECD (2001), S. 39. Sie bezieht auch andere nicht näher konkretisierte Statute mit ein, die im Sinne der Sectoral Laws eine Harmonisierung bezwecken. 62 Vgl. dazu Kapitel 1.1.

allg. Verwaltung administrative (in Städten teilweise Sonderaufgaben)Bildung Kindergarten

elementare SchulbildungBereitstellung von Gebäuden für öffentliche Schulen und BüchereienUnterstützung lokaler Sportaktivitäten

Gesundheit grundärztliche VersorgungSoziales soziale GrundversorgungSonstiges Friedhöfe

AbwasserbeseitigungStadtreinigungmunizipale EntwicklungUmweltschutz (Schutz von Naturdenkmälern, Emissionsschutz )Wasserversorgung, Hochwasserschutz etc.Unterhaltung der örtlichen InfrastrukturFluraufsichtFeuerwehr (nur in Städten)örtliche ZivilverteidigungKooperation mit lokalen Vertretungen ethnischer Minderheiten, etc.

Quelle: OECD (2001), S. 11 f.

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82

Die Aufgaben kann man in fünf Kategorien zusammenfassen. Die Aufgabe der allg. Verwaltung um-

fasst gem. des Law on Local Self-Government die Verwaltung örtlicher Angelegenheiten. Die Aufga-

be der Erziehung umfasst für die Municiaplities die Erziehung in Kindergärten, der Erziehung und

Unterricht an sog. Primary Schools sowie der Bereitstellung örtlicher Stätten dafür und der Unterstüt-

zung lokaler Sportaktivitäten.63 Im Rahmen der Gesundheitsversorgung obliegt den Municipalities

gem. des Law on Local Self-Governments die Grundversorgung, die dort nicht näher spezifiziert wird.

Der Act on Health Services determiniert genau die Aufgaben der Municipalities. Sie sind verpflichtet,

einen Hausarzt, häusliche kinderärztliche Dienste, grundversorgende zahnärztliche Behandlungen,

ergänzende Pflichtleistungen zu den Grundversorgungen, Pflegedienste, schulärztliche Versorgung

anzubieten. Zu den Aufgaben der Municipalities zählen nach dem Law on Local Self-Government

auch grundversorgende Dienste der sozialen Sicherung und Wohlfahrt. Solche Dienste bestehen für

alle Municipalities in der Gewährung finanzieller Unterstützung für Senioren, der regulären Sozialhil-

fe, Wohnhilfe, Pflegegeld, zeitlich begrenzte Hilfe. In der Versorgung von Personen obliegt den Mu-

nicipalities, in Budapest den Distrikten, die Bereitstellung von Mahlzeiten, Haushaltshilfen und Fami-

lienunterstützung. Weitere Aufgaben richten sich nach der Größe der Municipalities. Sind in einer

Municipality mehr als 2000 Personen dauerhaft ansässig, so ist bspw. eine Tageseinrichtung für alte

Menschen bereitzustellen. Je mehr Bewohner eine Municipality umfasst, desto größer werden die An-

forderungen an die Bereitstellung sozialer Einrichtungen. Deutlich wird damit aber, dass jede kleinste

Municipality nahezu die gleichen Aufgaben zu erfüllen hat wie die Hauptstadt, wenn man von den

größenabhängigen Zusatzaufgaben absieht.64 Die Aufgabe der Erziehung, der Gesundheitsversorgung

und der sozialen Sicherungssysteme sind dabei keine ausschließlich municipalen Aufgaben, sondern

geteilte Aufgaben zwischen Municipalities, Counties und der Zentralebene, wenn man zu dieser die

nationalen Gesundheits- und Sozialsicherungsfonds zählt.65

Die verbleibenden Aufgaben sind vielseitig. Sie umfassen die Bereitstellung lokaler öffentlicher Gü-

ter, wie die Instandhaltung und Pflege örtlicher Anlagen und Plätze oder die Wasserversorgung. Diese

auch als „communal services“ bezeichneten Aufgaben sind von ihrer Zuordnung auf die Municipali-

ties in Ungarn wenig umstritten, da sie als originär munizipale Aufgaben angesehen werden.66 Ferner

umfassen sie Aufgaben zur Infrastruktur und Investitionen. Diese Aufgaben gewinnen insbesondere

vor dem bevorstehenden EU-Beitritt Ungarns erhebliches Gewicht (s.o.). Im nun folgenden Abschnitt

werden die Aufgaben der Counties dargestellt, die von denen der Municipalities eindeutig angegrenzt

sind.

63 Vgl. zu diesem Absatz OECD (2001), S. 11 f, 55 f und 66 f. 64 Vgl. OECD (2001), S. 39. 65 Vgl. dazu OECD (2001), S. 48 ff, für das Beispiel der Bildung. Das Recht auf Bildung ist in der ungarischen Verfassung §70 B jedem Bürger garantiert. Dieses Relikt aus kommunistischen Zeiten, wie Petsche (1997), S. 135, es bezeichnet, gilt es durch die Bereitstellung der entsprechend notwendigen Infrastruktur zu sichern. 66 Vgl. zu diesem und dem folgenden Satz Davey (2002), S. 37.

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83

4.2.1.2 Aufgaben der Counties

Die Counties nehmen ihre Aufgaben für die ihrem Zuständigkeitsbereich zugehörende Region wahr.

Im Law on Local Self-Government werden die verpflichtenden Aufgaben für Counties und Städte mit

County-Status spezifiziert. Städte mit County-Status haben das Recht, die Aufgaben der Counties für

ihre Stadt wahrzunehmen. Allerdings bedarf es dann einer Abstimmung mit dem County, in der die

Stadt mit dem County-Status gelegen ist. Durch die Bildung eines gemeinsamen Rates werden die

Vorgehensweisen bei der Erfüllung der Aufgaben jeweils aufeinander abgestimmt und harmonisiert.67

Die folgende Tabelle zeichnet die wesentlichen Aufgaben der Counties gem. des Law on Local Self-

Government auf:

Tab. 5: Wesentliche Aufgaben der Counties gem. Law on Local Self-Government

Bildung • Weiterführende Schulen, Berufschulen, Studentenwohnheime

• County Bibliotheken, Beratungen und Dienstleistungen für Lehrer und andere Beschäftigte im Erzie-hungs- und Kulturwesen

• Schulbildungseinrichtungen für Kinder bei dauerhafter ärztlicher Versorgung und für behinderte Kinder

• Unterstützung und Organisation von Sportaktivitäten und Stärkung der Rechte Kinder und Jugendlicher

Gesundheit • medizinische Spezialversorgung und Maßnahmen zum Kinder- und Jugendschutz

Soziales • Koordination von speziellen Sozialleistungen

Sonstiges • Natur- und Denkmalschutz

• Tourismusentwicklung

• Teilnahme an der Koordination regionaler Beschäftigungsprogramme und Berufsbildungsmaßnahmen

• Teilnahme an der regionalen Entwicklung von Informationssystemen, etc.

Quelle: OECD (2001), S. 12 f.

Diese Aufgaben sind für die Counties verpflichtend wahrzunehmen. Das schließt allerdings nicht aus,

dass die Municipalities Aufgaben der Counties freiwillig übernehmen können.68 Sie übernehmen diese

oftmals, z.B. den Betrieb weiterführender Schulen, da sie im Zuge der Transformation das Eigentum

an Institutionen übertragen bekommen haben, die als Institutionen der sowjetischen Councils Aufga-

ben der heutigen Counties teilweise ausgeführt haben. Den entsprechenden Municipalities fällt es da-

hingehend schwer, solche Institutionen abzugeben. Entschließen sich die Municipalities aber unilateral

zu einer Abgabe, so sind die Counties dazu verpflichtet, diese Institutionen zu übernehmen und fortzu-

führen. Genauso unilateral können sich die Municipalities für eine Rückübertragung der Institutionen

entscheiden, der sich die Counties wiederum fügen müssen. Eine Übertragung der Institutionen an

oder von den Counties ist allerdings nicht während des vierjährigen Zeitraumes zwischen Parlaments-

wahlen möglich, um den Counties für den besagten Zeitraum eine finanzielle Planungssicherheit zu

gewähren. Insofern hängt das Ausmaß der zu erfüllenden Aufgaben durch die Counties von den Muni-

cipalities und deren Entscheidung über freiwillige Leistungen letztlich ab.

67 Vgl. OECD (2001), S. 13. 68 Vgl. zu diesem Absatz OECD (2001), S. 13 und 39.

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84

4.2.1.3 Aufgabenzuordnung in Budapest69

Die Aufgabenzuordnung in Budapest teilt sich zwischen dem Municipal Gouvernment Budapests und

den Distrikten auf. Das Municipal Gouvernment Budapests ist auf der einen Seite verantwortlich für

Angelegenheiten, die die ganze Hauptstadt betreffen. Dazu zählen bspw. folgende Aufgaben:

Tab. 6: Aufgaben des Municipal Gouvernments Budapests

Betrifft die Erfüllung von Aufgaben mehrere Distrikte, obliegt es dem Municipal Gouvernment Buda-

pests die Koordination der Distrikte bei ihrer Aufgabenerfüllung herzustellen. Zu diesen Aufgaben

zählen etwa die Unterhaltung öffentlicher Ausbildungsstätten, öffentliche Kultur, Sport, oder die Aus-

bildung für nationale und ethnische Minderheiten.

Die Distrikte ihrerseits übernehmen verpflichtend die Aufgaben der Betreibung von Kindergärten,

Primary Schools, Grundversorgung im Gesundheitswesen, Leistungen der sozialen Sicherungssyste-

me, die Bereitstellung von Trinkwasser in ihrem Zuständigkeitsbereich, die Erhaltung von örtlichen

öffentlichen Straßen und die Stärkung der Rechte nationaler und ethnischer Minderheiten.

69 Die Angaben zu diesem Abschnitt sind allesamt OECD (2001), S. 13 f, entnommen.

Ganz Budapest Städtische Entwicklungbetreffend Wasser- und Gasangebot

UmweltschutzHochwasserschutzFriedhöfeStrassenbeleuchtungweiterführende Ausbildungspezielle GesundheitsdiensteKinder- und Jugendschutzspezielle Dienste der sozialen SicherungTourismusöffentlicher Nahverkehr u.v.m.

Quelle: OECD (2001), S. 13.

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85

4.2.1.4 Aufgaben und Ausgaben

Die Aufgaben, die den Local Governments zugeordnet sind, werden der Anschaulichkeit halber meist

zu Bereichen gemäß ihres Gegenstandes zusammengefasst. Man kategorisiert die Aufgaben i.d.R. in

die Bereiche der Bildung, der Gesundheit, der Investitionen, des Wohnraums etc., der sozialen Leis-

tungen und Sonstigen.70 Die ausgabenträchtigsten Bereiche sind mit Bildung, Gesundheit und sozialen

Leistungen gegeben, wie folgende Tabelle zeigt:71

Tab. 7: Ausgaben der Local Governments nach Bereichen

1995 1997 1999 Ausgaben der Local Governments nach Bereichen

absolut in Mrd. HUF

% an ge-samten

Ausgaben

absolut in Mrd. HUF

% an ge-samten

Ausgaben

absolut in Mrd. HUF

% an ge-samten

Ausgaben

Allgemeine öff. Dienstleistungen 101,90 12,72 167,20 14,80 184,00 12,58

Verteidigung 0,30 0,04 0,30 0,03 0,60 0,04

Maßnahmen zur öff. Sicherheit 3,00 0,37 9,90 0,88 12,50 0,85

Bildung 239,10 29,85 322,70 28,57 338,00 23,10

Gesundheit 148,60 18,55 205,20 18,16 215,60 14,74

Soziale Sicherung und Wohlfahrt 103,10 12,87 140,80 12,46 181,40 12,40

Wohnraum und öff. Gebäude 103,60 12,94 156,60 13,86 197,20 13,48

Sonstiges 101,20 12,64 127,00 11,24 333,70 22,81

Gesamte Ausgaben 800,90 100,00 1129,70 100,00 1463,00 100,00

Quelle: IMF (2001), S. 190 f, eigene Berechnungen.

In den betrachteten Jahren betragen die Ausgaben für diese drei Aufgabenbereiche über 50% der ge-

samten jährlichen Ausgaben der Local Governments, wobei eine rückläufige Tendenz festzustellen ist.

Dies liegt besonders an dem rasanten Anstieg der Ausgaben für den Bereich Sonstiges.72

In Ungarn sind die Ausgaben i.d.R. der Staatsebene bzw. der Institution zugeordnet, die die Aufgabe

dem Recht nach zu erfüllen hat. Insofern ist dem Konnexitätsprinzip weitgehend Rechnung getragen.

So werden die Ausgaben für die die Local Governments betreffenden Bildungsaufgaben diesen aufge-

bürdet. Im Bereich der Gesundheitsversorgung sind die Ausgaben zweigeteilt. Zum einen existieren

die unmittelbaren Ausgaben für die Gesundheitsversorgung als solche.73 Hier werden die Ausgaben

zwar von den Local Governments getätigt, jedoch erhalten sie die finanziellen Mittel zur Deckung

dieser Ausgaben unmittelbar von dem National Health Insurance Fund.74 Hier fällt die Aufgabenerfül-

lung mit der Ausgabenbelastung scheinbar auseinander, da die angesprochenen Fonds in der Nomen-

klatur dieser Arbeit der Zentralebene zuzuordnen sind, weil ihr Zuständigkeitsbereich die ganze Nati-

70 Diese oder ähnliche Einteilungen nehmen Hegedüs (2002), S. 4, Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 36, OECD (2001), S. 29 f, vor. 71 Eine detailliertere Übersicht über die Ausgaben 2000-2003 bietet eine Übersicht in Anhang B. 72 Aus IMF (2001), S. 190 f, geht nicht hervor, welche der Ausgaben im Bereich Sonstige derart angestiegen sind. Somit bleibt die unbefriedigende Feststellung des Anstieges als solcher. 73 Diese Angaben und die des nächsten Satzes stammen von Balogh (2003). Es wird angenommen, dass sich die Aussagen von Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 36, auf diese ersten Ausgaben beziehen. 74 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 36.

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86

on umfasst. Jedoch erfüllen die Local Governments diese Aufgaben als Agenten des National Health

Funds,75 so dass die Konnexität der Ausgaben- und Aufgabenverantwortung auch hier erfüllt ist. Zum

anderen tragen die Local Governments aber die Ausgaben, die durch die Bereitstellung der Gesund-

heitsversorgung als Investitionsausgaben anfallen.76 Die Verantwortung für die Gesundheitsversor-

gung tragen trotz der zweigeteilten Ausgabenbelastung die Local Governments.

Im Bereich der sozialen Leistungen tragen die Local Governments die auftretenden Ausgaben nicht in

vollem Unfang selbst. Einige Teilbereiche der sozialen Leistungen finanzieren sie zwar vollständig

aus ihrem Budget, andere werden durch Zuweisungen der Zentralregierung oder der beteiligten Sozial-

fonds, wie bspw. des Social Security Funds oder des Labor Market Funds, getragen.77 Als Beispiel für

eine geteilte Ausgabenlast kann die Finanzierung von sozialen Einrichtungen genannt werden. Von

den hier anfallenden Ausgaben tragen die Local Governments rund 10% aus ihrem eigenen Mitteln,

etwa 15-16% werden von den Einrichtungen von den Teilnehmern als Beitrag erhoben, die verblei-

benden 75% übernimmt die Zentralebene, bestehend aus der Zentralregierung, dem Social Security

Fund und dem Labor Market Fund.78

Die Höhe der Ausgaben hängt dabei von der Quantität, Qualität und Organisation der Aufgabenerfül-

lung ab. Die Aufgabenerfüllung ergibt sich z.T. aus den Sectoral Laws und anderen Gesetzen, wo z.B.

Mindestanforderungen genannt sind, oder die Aufgabenerfüllung obliegt teilweise der freien Ausge-

staltung der Aufgaben durch die Local Governments im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Am Bei-

spiel der Organisation der Aufgabenerfüllung zeigt sich das Spektrum der Gestaltungsvarianten der

Local Governments deutlich.

4.2.1.5 Die Ausführung der Aufgaben

Mit der Aufgabenzuordnung ist den Local Governments die Erfüllung der Aufgaben übertragen wor-

den. Wie oben erwähnt, ist die Qualität, Quantität und Organisation der Aufgabenerfüllung nicht mit

dem Law on Local Self-Government bestimmt. Zur Erfüllung der Aufgaben haben sich bezogen auf

die organisationalen Formen aufgrund von Sectoral Laws, der Einführung steuerlicher Anreize priva-

ter Leistungserbringung und Lobbyismus alternative Aufgabenerfüllungsvarianten herausgebildet.79

Denn die Erfüllung muss nicht immer von den Local Governments selbst vorgenommen werden, son-

dern kann ausgelagert werden.80 Die ungarischen Local Governments haben sich in dieser Hinsicht

sehr innovativ gezeigt, und das ganze Spektrum von eigener Aufgabenerfüllung bis hin zur Übertra-

gung der Aufgabenerfüllung an private Unternehmen entwickelt.81 Die Verantwortung der Aufgaben-

erfüllung liegt dabei entweder bei der örtlichen Verwaltung direkt, bei den Local Governments gehö-

75 Ebenda. 76 Vgl. Balogh (2003) auch zum nächsten Satz. 77 Vgl. OECD (2001), S. 56. 78 Vgl. OECD (2001), S. 60. 79 Vgl. Hegedüs (2002), S. 22. 80 I.d.S. dazu allgemein Bird/ Ebel/ Wallich (1995), S. 34. 81 Vgl. Hegedüs (2002), S. 23, zu diesem und dem folgenden Absatz.

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87

renden Organisationen und Unternehmen, die aber rechtlich selbständig sind, u.a. auch eigene Perso-

nalpolitik betreiben können, bei Joint Ventures oder bei privaten Leistungserbringern. Die Vielfalt der

möglichen Rechtsformen soll dabei nur angedeutet sein.

Für eine Aufgabenerfüllung durch andere als direkt durch die Local Governments sprechen insb. zwei

Gründe. Zum einen kann die Effizienz, hier die Kosteneffizienz, gesteigert werden, da es Unterneh-

men in Ungarn möglich ist, Arbeitskräfte zu einem geringeren Lohn als bei Local Governments einzu-

stellen. Zum anderen bietet eine ausgelagerte Aufgabenerfüllung die Möglichkeit zur Umgehung

rechtlicher Einschränkungen, die Local Governments oder ihnen gehörende Organisationen und Un-

ternehmen betreffen können. Beispielsweise unterliegen die den Local Governments gehörenden Or-

ganisationen der staatlichen Rechnungslegung und sind somit nicht berechtigt, Mehrwertsteuerrücker-

stattungen zu fordern, was privaten Unternehmen möglich ist. Insgesamt zeigt sich in Ungarn, dass die

Aufgaben weithin ausgelagert sind. Das umfasst vor allem die sog. communal services, wie Stadtrei-

nigung o.ä.

4.2.2 Vergleich der Aufgabenzuordnung auf die Local Governments mit der normativen Theorie82

4.2.2.1 Subsidiarität, Konnexität, Autonomie

Die Ausgestaltung des passiven Finanzausgleichs in Ungarn beruht im wesentlichen auf dem Law on

Local Self-Government und ergänzenden Gesetzen wie etwa den Laws on Local Taxes (1990), dem

Property Transfer Act (1991), the Capitals and its Districts (1991) u.v.a.83 Der passive Finanzaus-

gleich in Ungarn ist so ausgestaltet, dass er das Subsidiaritätsprinzip, das Konnexitätsprinzip und das

Prinzip der Autonomie der Ebenen erfüllt.84

Das Subsidiaritätsprinzip, dessen Erfüllung ein grundsätzliches Prinzip in der EU ist, wird erfüllt, wie

schon die Aufnahme als zukünftiges Mitglied der EU anzeigt. Das Konnexitätsprinzip wird, wie be-

reits ausgeführt, realisiert. Die Ausgabenverantwortung liegt grundsätzlich bei der Ebene, die die Auf-

gabenkompetenz trägt. Damit sind die Anreize zu eigenverantwortlichem Wirtschaften der Ebenen

gesetzt. Auch das Prinzip der Autonomie ist in Ungarn erfüllt. Bislang ist zwar nur der passive Fi-

nanzausgleich beleuchtet worden, aber es wurde bereits deutlich, dass die Local Governments einen

hohen Grad an Autonomie bzgl. der Qualität, Quantität und Organisation der Aufgabenerfüllung ge-

niessen. Die Untersuchung des aktiven Finanzausgleichs wird dies in der Steuerpolitik bestätigen. Ein

weiteres Indiz dafür, dass in Ungarn auch das Prinzip der Autonomie verwirklicht ist, ist die Mitglied-

schaft Ungarns im Europarat, der in der European Charter for Local Self Government, z.B. in Art. 9,

eben dieses fordert, und deren Annahme eine Grundvoraussetzung zum Beitritt in den Europarat ist.85

82 An dieser Stelle soll nochmals betont werden, dass es hier um Aufgaben geht, die nicht von Privatpersonen dem ökonomi-schen Kalkül gerecht werdend, wahrgenommen werden können, sondern dem Staat obliegen. 83 Vgl. Ebel/ Varfalavi/ Varga (2000), S. 2. 84 Vgl. Ebel/ Varfalavi/ Varga (2000), S. 2 f, 85 Vgl. hier Engelschalk (1999), S. 66.

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88

Durch die Erfüllung des Autonomieprinzips ist hier ein im fiskalischen Sinne föderales System im-

plementiert.86 Damit ist gleichzeitig ein Vergleich mit der in Kapitel 1.1 und 3.1 vorgestellten norma-

tiven Theorie und ihrer Ergebnisse mit dem ungarischen Finanzausgleichssystem, d.h. hier bei der

Untersuchung der Aufgabenzuordnung auf die Local Governments ermöglicht.

4.2.2.2 Allokation

Die Aufgabenzuordnung auf die Local Governments erscheint pauschal den Anforderungen der nor-

mativen Theorie zu entsprechen. Die Local Governments übernehmen die Bereitstellung lokaler öf-

fentlicher Güter, wie die normative Theorie es der Tendenz nach empfiehlt.87

Lokale öffentliche Güter ohne Spillovers oder Economies of Scale

Die Empfehlung der normativen Theorie hinsichtlich der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter

ohne Economies of Scale oder Spillovers ist eindeutig. Solche Güter sollten von einer dezentralen

Ebene bereitgestellt werden, um eine effiziente Allokation, d.h. die lokalen Präferenzen der Bürger

bestmöglich bedienend und Kosteneffizienz verfolgend, zu sichern. In Ungarn ist diese Aufgabe den

Municipalities übertragen, die Bestandteil der dezentralen Ebene sind. Der unterschiedlichen Grösse

der Municipalities hinsichtlich Einwohner, Fläche, u.ä. kommt hier keine Bedeutung zu, weil die Ei-

genschaften der benannten lokalen öffentlichen Güter dahingehend unveränderlich sind. Die Aufgaben

der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter ohne Economies of Scale oder Spillovers ist daher mit

den Anforderungen der normativen Theorie konsistent.

Lokale öffentliche Güter mit Spillovers oder Economies of Scale

Die Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter mit Economies of Scale oder Spillovers soll der normati-

ven Theorie folgend dezentral wahrgenommen werden, weil es sich um ein lokales öffentliches Gut

handelt, aber es sollte tendenziell zentraler als die Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter ohne Eco-

nomies of Scale oder Spillovers wahrgenommen werden, um die Grössendegressionseffekte nutzen

und die Spillovers internalisieren zu können.88 In Ungarn ist diese Aufgabe den Counties und den Mu-

nicipalities jeweils für bestimmte Güter übertragen.

Die Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter mit Economies of Scale oder Spillovers durch die Coun-

ties ist im Einklang mit der normativen Theorie. Die Zuständigkeitsbereiche der Counties sind hinrei-

chend groß, um eine effiziente Allokation der Güter zu gewährleisten. Davon kann man ausgehen, da

nur 19 Counties und 22 Städte mit County-Status in Ungarn existieren.89 Ein lokales öffentliches Gut,

bei dem Economies of Scale auftreten und von den Counties angeboten wird, ist bspw. das Angebot

86 Siehe dazu Einleitung Teil B. 87 Vgl. Abb. 2. 88 Die Bereitstellung der Güter sei mit der Herstellung der Anschaulichkeit halber gleichgesetzt, s. Kapitel 1.1.1.2. Fielen diese beiden auseinander, wäre das Argument für eine zentrale Wahrnehmung abgeschmolzen, denn dann wäre eine dezen-trale Bereitstellung bei kooperativer Herstellung gleichwohl möglich, um die Economies of Scale zu nutzen, die bei der Herstellung anfallen. 89 Vgl. OECD (2001), S. 11.

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89

von Berufsschulen. Es ist davon auszugehen, dass sich innerhalb eines Counties genügend Schüler für

die Berufsschule finden. In kleinen Dörfern würde dies nicht der Fall sein. Von daher wäre eine ver-

pflichtende Bereitstellung von Berufsschulen in Municipalities nicht angemessen. Hier bilden die

Counties die adäquaten Aufgabenträger. Entsprechendes gilt für lokale öffentliche Güter, die mit Spill-

overs verbunden sind. Ein Beispiel dafür ist die Aufgabe der Koordination der Maßnahmen des Um-

weltschutzes, die Counties verpflichtend wahrnehmen müssen. Ohne eine County-weite Koordinie-

rung der Umweltschutzregelungen könnten einige Gebiete des Counties eigene Anstrengungen beim

Umweltschutz reduzieren, weil sie die positiven Spillovers der Umweltschutzbemühungen in benach-

barten Gebieten ausnutzen können, was ihre dominate Strategie ist (Free-Rider-Verhalten). Das

effiziente Umweltschutzniveau bliebe durch ein Auseinanderfallen der individuellen mit der

kollektiven Rationalität verfehlt. Durch die Aufgabenwahrnehmung der Counties werden die hier

auftretenden direkt horizontalen fiskalischen Externalitäten internalisiert.

Betrachtet man die den Counties zufallenden verpflichtenden Aufgaben insgesamt, so liegen sie alle in

der Bereitstellung dieser Art lokaler öffentlicher Güter. Die Zuordnung auf die Counties ist damit mit

der normativen Theorie konform.

Solche Güter werden z.T. aber auch von Municipalities übernommen. Dabei ist dies keine Fehlzuord-

nung, wenn die Municipalities hinreichend groß sind, eine effiziente Allokation, i.e. die Economies of

Scale nutzend und die Spillovers internalisierend, gewährleisten. Große Städte, die evtl. gleichzeitig

auch den County-Status besitzen, können dieser Anforderung nachkommen.

Das Problem besteht darin, dass diese Aufgaben für alle Municipalities verpflichtend sind. Diese sind

oftmals viel zu klein, um eine effiziente Allokation zu realisieren.90 Das resultiert aus der oben schon

erwähnten hohen Fragmentierung der Municipalities als Folge der Autonomiegewährung des Law on

Local Self-Government.91 Insofern entspricht die Ausgestaltung des passiven Finanzausgleichs in Un-

garn den normativen Vorgaben nicht. Belässt man die Aufgabe der Bereitstellung der entsprechenden

Güter dennoch bei den Municipalities, könnte man an einen verpflichtenden Zusammenschluß von

Municipalities bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben denken, bis dass die zusammengeführten Mu-

nicipalities eine hinreichende Größe aufweisen.92 Dieses Ziel wäre auch zu erreichen, indem man eine

Anreizstruktur schafft, dass sich kleine Municipalities freiwillig zusammenschliessen bzw. kooperie-

ren, um diese Aufgaben effizient wahrzunehmen. Das Law on Local Self-Government hingegen

schafft diese Anreize nicht, sondern fördert im Gegenteil die autarke Aufgabenbewältigung der ein-

zelnen Municipalities.93 Die Bereitschaft der Municiaplities zur gemeinsamen Aufgabenbewältigung

ist daher gering.94 Ferner könnte die Übertragung der Aufgaben an eine höhere Ebene oder eine einge-

richtete Institution, die für mehrere Municipalities die Aufgabe übernimmt, als Lösung in Betracht

90 Vgl. Davey (2002), S. 35, der dieses Problem allgemein anspricht und als Beispiel die Primary Schools benennt. 91 Vgl. Hegedüs (2002), S. 3, oder Davey (2002), S. 35, sowie OECD (2001), S. 10. 92 Vgl. Davey (2002), S. 36. 93 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 47, oder Hegedüs (2001), S. 134. 94 Vgl. Hegedüs (2001), S. 134, und Sivák (2003).

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90

kommen.95 Aufgrund konstitutioneller und anderer legislativer Hindernisse sowie der fehlenden politi-

schen Durchsetzbarkeit sind diese Vorschläge wohl nicht realisierbar.

Besonderes Augenmerk sei auf die Bereitstellung der Gesundheit und Bildung gelegt. Wie in Kapitel

1.1 angedeutet, ist die Zuordnung der beiden Güter pauschal nicht zu beantworten. Ungarn hat gemäß

der unterschiedlichen räumlichen Extensionen der einzelnen Unteraufgaben der Gesundheits- und

Bildungsaufgaben auf die Municipalities bzw. Counties und die Zentralregierung übertragen. So sind

die Primary Schools den Municipalities, weiterführende Schulen, Berufsschulen etc. den Counties

sowie Colleges und Universitäten der Zentralregierung als Aufgabenobjekte zugeordnet. Analog auf-

steigend ist die Aufteilung bei der Gesundheitserbringung gestaltet. Durch diese Aufteilung wird

gleichzeitig dem Auftreten von Economies of Scale und Spillovers Rechnung getragen. Economies of

Scale sind in Bezug auf die Bildung bereits am Beispiel der Berufsschulen aufgezeigt worden. Bei

Universitäten werden die Größendegressionseffekte noch markanter pro Ausweitungseinheit des Ein-

zugsgebietes sein, so dass man mittels einer tendentiell zentralen Zuordnung einen hohen Effizienz-

grad erreichen kann. Die zentralere Ebene als die Local Governments ist in Ungarn die Zentralebene.

Bei der Gesundheitserbringung zeigen sich vor allem positive Spillovers. So können bspw. gesunde

Arbeitskräfte, die in einer Municipality eine gute Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen kön-

nen, in anderen Municipalities ihre Arbeitskraft einsetzen, was für letztere Municipality einen positi-

ven Spillover darstellt. Nur durch Internalisierung kann eine effiziente Gesundheitsversorgung sicher-

gestellt werden.96 In Ungarn exisitieren daher genauere Regelungen zur Leistungserbringung im Ge-

sundheitswesen, die von der Zentralebene, genauer, dem National Health Insurance Fund ausgehen.97

Resümierend stellt man fest, dass auch im Bereich der Gesundheit und Bildung die Anforderungen der

normativen Theorie erfüllt sind.

Bewertung

Reflektiert man die Ergebnisse des Vergleichs der Ausgestaltung des passiven Finanzausgleichs mit

der normativen Theorie, wird deutlich, dass dieser weithin mit den normativen Anforderungen über-

einstimmt, abgesehen von den eruierten Problembereichen. Ein weites Forschungspotential besteht in

der Betrachtung der Aufgaben der Local Governments und ihren legislativen Verankerungen en detail.

Jedoch Aufgabe für Aufgabe zu untersuchen unter Berücksichtigung der einzelnen Strukturen der

Local Governments würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen.98

95 Vgl. Davey (2002), S. 36, in allgemeiner Form, auch zum folgenden Satz. 96 Vgl. die Ausführungen zu den direkten horizontalen fiskalischen Externalitäten in Kapitel 3.1. 97 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 36, Hegedüs (2002), S. 4. Davey (2002), S. 37, führt u.a. für diese beiden Bereiche an, dass Minimumstandards hier auch bei dezentraler Zuordnung möglich sind, wie westeuropäische Staaten demonstrieren. Jedoch setzt das strenge Anforderungen sowohl an das Finanzausgleichssystem selbst sowie an die politischen Kompetenz-verteilung und territorialen Abgrenzungen voraus. 98 Abgesehen von der Frage, wie sich die Grenzkosten und -nutzen bei weiterem Detailliertheitsgrad zueinander verhalten.

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91

4.2.2.3 Distribution und Stabilität

Distribution

Die Aufgabe der Distribution wird in Ungarn von der zentralen Ebene und der Ebene der Local Go-

vernments vorgenommen. Zu den bei der Distribution beteiligten Institutionen auf der Zentralebene

gehören die Zentralregierung, der Social Security Fund und der Labor Market Fund, die die Versor-

gung der Arbeitslosen, das Rentensystem, pensions-ähnliche Unterstützungen, finanzielle Unterstüt-

zungen im Krankheitsfall, Familienunterstützung, das System der Sozial- und Wohlfahrtsinstitutionen

der Zentralregierung und der Local Governments sowie die Bereitstellung von finanzieller Unterstüt-

zung von Insitutionen, die Leistungen im Sozial- und Wohlfahrtsbereich ausüben.99 Die Leistungen,

die die Local Governments in diesem Bereich zu erfüllen haben, sind oben bereits ausgeführt worden.

Die theoretischen Betrachtungen ergeben, dass zur Sicherstellung der Durchführung der Distributions-

aufgabe die zentrale Ebene die Distribution übernehmen sollte. Hier weicht die ungarische Praxis von

der Theorie ab. Ist jedoch die Mobilität in Ungarn gering, so befindet sich die aufgeteilte Distributi-

onsaufgabe dennoch im Einklang mit der Theorie. Denn für die Zuordnung auf die zentrale Ebene war

neben der Erkenntnis, dass die Distributionsaufgabe nicht eine Bereitstellung eines lokalen öffentli-

chen Gutes verkörpert, die interjurisdiktionale Mobilität, hier also zwischen den Local Governments,

ursächlich.100

Sofern eine geringe interjurisdiktionale Mobilität gezeigt werden kann, besteht auch bzgl. der Distri-

butionsaufgabe kein offensichtlicher Verbesserungsbedarf aus finanzföderalistischer Sicht anhand

oben herausgearbeiteter Kriterien.101 Dennoch bleibt vor dem Hintergrund des EU-Beitritts offen, in-

wiefern eine internationale Mobilität eine Reflektion über das bestehende System notwendig macht.

Stabilität

Der Ebene der Local Governments sind im Rahmen des Law on Local Self-Government keine Stabili-

sierungsaufgaben expressis verbis verliehen worden.102 Insofern fällt sie der zentralen Ebene zu.103

Gemessen an den Ergebnissen der normativen Betrachtungen im Kapitel 1.1 ist diese Zuordnung mit

den dortigen Anforderungen konsistent. Pauschal lässt sich auch hier keine Änderung gemessen an

den herausgearbeiteten normativen Anforderungen begründen.

99 Vgl. OECD (2001), S. 53. Dort erfolgt eine ausführliche Darstellung der einzelnen Komponenten im Sozial- und Wohl-fahrtssystem Ungarns. 100 Vgl. Kapitel 1.1.2. 101 Hegedüs (2001), S. 149, spricht von einer geringen Migration im Zusamenhang mit der Beleuchtung regionaler Disparitä-ten, aber er gibt keinerlei Quellen für diese Behauptung. 102 Diese Aussage kann zumindest aufgrund der vorliegenden Literatur nicht abgelehnt werden. Vgl. die Aufzählungen der Aufgaben der Local Governments in OECD (2001). Sivák (2003) unterstreicht dies, weist aber darauf hin, dass durch die den Local Governments obliegenden Minimumstandards in der Ausführung der verpflichtenden Aufgaben eine gewisse Stabilitätsaufgabe implizit gegeben ist. 103 Vgl. Lutz/ Ruggiero/ Spahn (1997), S. 662.

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92

Dennoch bietet gerade die Stabilitätsaufgabe den Mittelpunkt vieler Forschungen, die sich der Ent-

wicklung einer regionalen Ebene widmen.104 Wie oben angedeutet, sind die Mittel aus den EU-

Strukturfonds ein wesentlicher Motor der Bestrebungen zur Implementierung einer regionalen Ebene.

Vor diesem Hintergrund wird die Diskussion um diese Implementierung an Bedeutung gewinnen, je

näher der EU-Beitritt heranrückt. Insofern stellt sich die Frage, wie die Regionen de facto ausgestaltet

sein werden, wenn ihr Implementierungsprozess abgeschlossen ist, und welchen Einfluss die Regionen

auf das Wachstum und die Konjunktur haben werden.105 Konsequenter Weise muß man an dieser Stel-

le dann auch fragen, welchen Beitrag die EU-Strukturfondsmittel über die Regionen dabei leisten wer-

den.

4.2.2.4 Kriterium der politischen Partizipation

Das Kriterium der politischen Partizipation fordert eine Denzentralisierung, um bessere Chancen der

politischen Betätigung und verstärktes politisches Interesse der Bürger zu ermöglichen.106 Auf diese

Weise können Bürger eher ihre Präferenzen äußern und durchsetzen.107 In Ungarn gehörte zu den ers-

ten Maßnahmen zu Transformationsbeginn die Einführung von Local Governments. Wie oben be-

schrieben, erlauben sie einen hohen Grad an politischer Partizipation, insb. über die Wahlen der loka-

len Regierungsträger nach allgemeinem, gleichem, direktem und geheimem Wahlrecht.108 Insoweit ist

die ungarische Ausgestaltung der Dezentralisierung mit den Anforderungen hier konform.109

Allerdings ist die politische Partizipation in Ungarn auch auf zentraler Ebene sehr hoch, da es sich in

Ungarn um eine demokratische Republik handelt, deren Regierungen ebenso nach allgemeinem, glei-

chem, direktem und geheimem Wahlrecht gewählt werden.110 Daher besteht die politische Partizipati-

on in zentraler als auch in dezentraler Hinsicht. Dabei widerspricht die hohe Parizipation auf zentraler

Ebene den Anforderungen des Kriteriums nicht. Denn auf der dezentralen Ebene kann den Präferenzen

der einzelnen Bürger wesentlich mehr nachgegangen werden, als dies auf zentraler Ebene bei einer

höheren Zahl der Wähler der Fall sein kann. Insoweit kann man die Partizipationsmöglichkeit auf

zentraler Ebene als Zusatz ansehen.

Abschließend kann man festhalten, dass die Ausgestaltung des passiven Finanzausgleichs in Ungarn in

weiten Teilen den Anforderungen entspricht, die in Kapitel 1.1 herausgearbeitet wurden. Um den Ab-

104 Vgl. z.B. Kálmán (2002) und Quaisser/ Woodward (2002). 105 Gemäß der oben bereits zitierten Zimmermann/ Henke (2001), S. 184, muß jede Region wachstumsfreundlich sein, damit die gesamte Volkswirtschaft wächst. 106 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 1.1.4. 107 Vgl. i.d.S. Bird/ Ebel/ Wallich (1995), S. 5, die den Wunsch nach partizipatorischer Demokratie als natürliche Folge des Endes des zentralstaatlichen Systems bezeichnen. 108 Vgl. § 71 der ungarischen Verfassung, s. Petsche (1997), S. 126. 109 In seinem Aufsatz führt Sirchich (2002), S. 70 ff, an, wie sich das Verfassungsrecht und die Stabilisierung der jungen Demokratie in Ungarn entwickelt haben. 110 Vgl. §1 und 2 der ungarischen Verfassung; Elemente der direkten Demokratie sind Volksbegehren, Volksentscheide und Volksbefragungen. Darauf verweisen Petsche (1997), S. 126, und Sirchich (2002), S. 75.

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93

gleich der Ausgestaltung des ungarischen Finanzausgleichs zu komplettieren, sei im folgenden die

Praxis des aktiven Finanzausgleichs beleuchtet.

4.3 Der aktive Finanzausgleich in Ungarn

Das Law on Local Self-Government determiniert die Neuausgestaltung des passiven wie des aktiven

Finanzausgleichs.111 Vor dem Hintergrund der neuen Aufgaben- und Ausgabenzuordnung auf die

Zentralebene und die Ebene der Local Governments ergab sich die Notwendigkeit, den aktiven Fi-

nanzausgleich entsprechend auszugestalten, was insb. für die Einnahmenzuteilung auf die Local Go-

vernments zur Erfüllung ihrer oktroyierten Aufgaben und Deckung ihrer Ausgaben galt. Ausgangs-

punkt auch für diese Reform war das sowjetische System. Das Steuersystem war von einem übergro-

ßen staatlichen Sektor, einer hohen Umverteilungswirkung und extensiven Subventionen für Güter

sowie einer übermäßigen Abhängigkeit von Gewinnen der staatlichen Betriebe als Überweisungen an

den Staatshaushalt oder potentielle Steuerquelle gekennzeichnet.112

Die aktuelle Ausgestaltung des ungarischen aktiven Finanzausgleichs unterscheidet sich davon grund-

sätzlich. Im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen steht die Rolle der Local Governments, die ih-

nen im ungarischen aktiven Finanzausgleich zukommt. Local Governments ist es möglich, Gebühren

und Beiträge sowie eigene Steuern zu erheben. Dabei versteht man im Steuerzusammenhang unter

Local Governments allerdings nur alle Local Governments ausser den Counties, deren Einnahmen

nicht durch eigene Steuereinnahmen bestimmt sind.113 Sie partizipieren nur an dem Einkommensteuer-

aufkommen, welches im Rahmen des Revenue Sharing zwischen der Zentralebene und den Local Go-

vernments verteilt wird.114

Local Governments sind mit der Zentralebene im Rahmen intergouvernmentaler fiskalischer Bezie-

hungen sowohl über Zuweisungen als auch Revenue Sharing verbunden. An die Gliederung des Kapi-

tels 1.2 angelehnt erfolgt nun die Beschreibung und Bewertung dieser einzelnen Teilaspekte.115

111 Vgl. Lutz/ Ruggiero/ Spahn (1997), S. 660 f, oder OECD (2001), S. 10. 112 Vgl. Newbery/ Révész (2000), S. 209, und Jackson (2001), S. 13. 113 Hegedüs (2002), S. 7, OECD (2001), S. 42. Vigvári (2003) gibt an, dass die Counties und Städte mit County-Status eine Art Steuer erheben. Ihnen fallen die Einnahmen aus einer wertbasierenden „Steuer“ auf Erwerb von Realvermögen zu. 114 Aus den Angaben von Rozsi (2003). 115 Die Local Governments haben sich bis dato weitgehend auch über Privatisierungserlöse finanziert. Dieser Umstand hat nicht zuletzt dazu geführt, dass nur geringe Steuern erhoben werden mussten. Da die Zahl der vermarktbaren Vermögenswer-te der Local Governments bereits deutlich gesunken ist, werden sie als Finanzierungsquelle zukünftig nicht mehr ein großes Gewicht erlangen. Von daher sei nicht mehr weiter auf eine ausführliche Darstellung der Privatisierung und ihrer Erlöse eingegangen.

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94

4.3.1 Gebühren und Beiträge

Gebühren und Beiträge bilden die zweitgrößte Einnahmequelle der Local Governments aus eigenen

Mitteln nach den Steuern.116 Die Regelungen zur Etablierung von Gebühren und Beiträgen werden von

Erlassen der Zentralregierung und den entsprechend verantwortlichen Ministern festgelegt.117 Frei sind

die Local Governments in der Festlegung ihrer Miet- und Leasingzinsen für Immobilien oder Besitz

sowie die Gebühren und Beiträge, die sie für kommunale und Versorgungsleistungen erheben.118 In

diesem Rahmen können die Local Governments Gebühren und Beiträge erheben, wobei der Einzug

derselben bei der die Leistungen anbietenden Institution liegt.119 Festgesetzt und verkündet werden die

Gebühren und Beiträge mittels Dekreten der Local Governments.120

Gebühren und Beiträge werden im wesentlichen für die Leistungen der Kindergärten, Kinderkrippen,

Jugendherbergen und Wohlfahrtshäusern oder Essensversorgung in Bildungseinrichtungen erhoben.

Ferner werden Miet- und Leasingeinnahmen sowie die Gebühren und Beträge für die kommunalen

und Versorgungsbertriebe erhoben, die den einnahmenträchtigsten Teil bilden.121 Dagegen dürfen für

Bildungs-, Gesundheits- und Sozialleistungen keine Gebühren oder Beiträge erhoben werden.

Bei der die Leistung erbringenden Institution fallen die Gebühren und Beiträge als Einnahmen jeweils

zu. Werden Leistungen an Unternehmen ausgelagert, so zählen die Gebühren und Beiträge diesem

entsprechend nicht zu dem öffentlichen Haushalt des auslagernden Local Governments. Wird an öf-

fentliche Unternehmen ausgelagert, so werden die Einnahmen diesen zugerechnet, wenn sie getrennt

vom Haushalt des Local Governments betrieben werden.122 Dies bezeichnet man auch als off-

budgeting Einnahmen. Die off-budgeting Einnahmen, die nicht in einer staatlichen Statistik erfasst

sind, werden in ihrem Umfang auf rund 10-30% der Budgets der Local Governments geschätzt.123

Somit determiniert die organisationelle Struktur der Aufgabenwahrnehmung, wo die Einnahmen zuge-

rechnet werden.124

Die Gebühren und Beiträge steigen immer noch weiter an, jedoch verringert sich ihr Anteil an den

Einnahmen kontinuierlich.125 Das liegt darin begründet, dass die Leistungen zu off-budget Institutio-

nen oder privaten Unternehmen ausgelagert werden.

116 Vgl. IMF (2000), S. 190, oder IMF (2001), S. 190. Laut Kiss (2003) betrugen die Einnahmen aus Gebühren und Beiträgen im Jahr 2001 1,8% der Einnahmen der Local Governments nach Steuern mit 13%. 117 Vgl. OECD (2001), S. 43. Auch die Ausnahmen von den Gebühren und Beiträgen, die die Local Governments festlegen können, werden von o.g. Institutionen vorgegeben. 118 Vgl. OECD (2001), S. 44. 119 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 40, und OECD (2001), S. 44. Dort wird bspw. beschrieben, dass Gebühren für Leis-tungen in Kindergärten etc. nicht über den Kosten pro Kopf liegen dürfen, die mit der Leistungsentstehung verbunden sind, [d.h. die Durchschnittskosten dürfen maximal gefordert werden.] 120 Vgl. OECD (2001), S. 43. 121 I.d.S. Hegedüs (2002), S. 9, auch zum nächsten Satz. 122 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 40, auch zum folgenden Satz. 123 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 40, und dort angegebene Literatur. 124 Vgl. Hegedüs (2002), S. 9. 125 Vgl. IMF (2001), S. 190, und OECD (2001), S. 44.

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95

Neben Gebühren und Beiträgen bilden die Steuern die wichtigste Einnahmequelle der Local Govern-

ments, die sie im Rahmen gesetzlicher Vorgaben selbst beeinflussen können. Sie sind im folgenden

betrachtet.

4.3.2 Tax Assignment

Als elementarer Bestandteil des aktiven Finanzausgleichs wurde die Steuerzuordnung auf die Ebenen

eines föderalen Systems zu Beginn des Transformationsprozesses in Ungarn geregelt. Ungarn gestalte-

te als erste mitteleuropäische Transformationsökonomie sein Steuersystem in ein mit der Form der

Marktwirtschaft kompatibles System um, beginnend mit einer Neuregelung der Einkommensteuer am

01.01.1988.126 Mit dem Act on Local Taxes Nr. C in 1990 wurde die Zuordnung von verschiedenen

Steuern auf die Ebene der Local Governments determiniert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre

Aufgaben adäquat zu erfüllen, ihnen Instrumente zu einer hinreichenden finanziellen Ausstattung be-

reitzustellen.127 Der Act on Local Taxes, der zuletzt zum 01.01.03 modifiziert wurde, gibt den Local

Governments das Recht zur Besteuerung, so dass sie mittels der von den gewählten Vertretern des

Local Governments erlassenen Dekreten lokale Steuern einsetzen können.128 Die lokalen Steuern sind

dabei nur von den Bürgern des entsprechenden Local Governments zu tragen; ein Steuerzahler kann

nicht dazu verpflichtet werden, mehr als einmal Steuern auf dengleichen Steuergegenstand zu bezah-

len.129

Der Act on Local Transfers bestimmt fünf Arten von Steuern, die die Local Governments erheben

können: a) business tax, b) communal tax, c) urban land tax, d) the property tax, e) tourism tax.130

Dabei legt das Parlament die Steuerbemessungsgrundlage sowie Höchststeuersätze für die lokalen

Steuern fest.131 In diesem Rahmen können die Local Governments die lokalen Steuern erheben.132

Genauer liegt der Freiraum der Local Governments in der Bestimmung, welche Steuer sie in ihrem

Hoheitsgebiet einführen oder wieder aufheben wollen, das Einführungsdatum, den definiten und inde-

finiten Teil der Steuer, die Einführung zusätzlicher Steuerausnahmen zusätzlich zu den vom Parlament

bestimmten.133

126 Vgl. Newbery/ Révész (2000), S. 209. 127 Vgl. OECD (2001), S. 41. Die Abhängigkeit einer effizienten Dezentralisierung von einer adäquaten finanziellen Ausstat-tung der föderalen Ebenen braucht dabei nicht nochmals betont werden, vgl. hierzu Davey (2002), S. 38. 128 Vgl. OECD (2001), S. 42, auch zum nächsten Satz. Auf die Modifikation hat Kiss (2003) hingewiesen. Die Modifikation ist im Zuge der Rechtsangleichung für EU-Konformität durchgeführt worden und bezieht sich auf alle Bestandteile der loka-len Steuern, die von Unternehmen zu zahlen sind. Hier sind nun zur Vermeidung des Steuerwettbewerbs die Regelungen zur Ausgestaltung der Steuerausnahmen strikter gesetzt. 129 Vigvári (2003) gibt hier das Beispiel, dass Property Tax und Communal Tax miteinander kollidieren können. Da hier keine Doppelbesteuerung zugelassen ist, muß eine Steuer beschränkt werden. 130 Vgl. Hegedüs (2002), S. 7, auch zu folgenden beiden Sätzen. 131 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 38. Sie sprechen auch von der Festlegung von Mindeststeuersätzen. Kiss (2003) verneint diese Festlegung. 132 Vgl. OECD (2001), S. 6 und 17. 133 Vgl. OECD (2001), S. 42 und Vigvári (2003).

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Der Anteil der lokalen Steuern an den Gesamteinnahmen der Local Governments beträgt knapp 13%

(2001).134 Die Zahl der Local Governments, die wenigstens eine der Steuerarten erhebt, ist kontinuier-

lich von 73% (1996) auf 84% (1999) der Local Governments gestiegen.135 Die Einnahmen der lokalen

Steuern variieren dabei weit.136 So betragen die Steuereinnahmen bei manchen Local Governments

etwa 10-15% der gesamten Einnahmen, andere hingegen haben keinerlei Steuereinnahmen aus den

lokalen Steuern. Anhang C enthält eine Übersicht über die Zahl der steuererhebenden Local Govern-

ments, diese nach Steuerart sowie ihre Gesamtzahl 1991 bis 2001. Anhang D enthält eine detaillierte

Übersicht über die Einnahmen der lokalen Steuern von 1991 bis 2001. Nun folgend sind die verschie-

denen Arten der lokalen Steuern kurz vorgestellt.

4.3.2.1 Business Tax (lokale Gewerbesteuer)

Die lokale Gewerbesteuer ist die von den Local Governments am häufigsten erhobene und die auf-

kommensstärkste lokale Steuer.137 Sie wurde von 77% (2001) der Municpalities erhoben und ihr An-

teil am lokalen Steueraufkommen betrug rund 85,96% (2001).138 Steuerpflichtig ist die mit ständigem

oder zeitweiligem Charakter ausgeführte unternehmerische Tätigkeit im Zuständigkeitsgebiet einer

Municipality (§35 I Law on Local Taxes), Steuerpflichtiger ist der Unternehmer (§35 II Law on Local

Taxes).139 Die Steuer wird bei unternehmerischen Tätigkeiten und/ oder der Existenz der Zentrale oder

anderen Unternehmenseinheiten in dem Hoheitsgebiet des jeweiligen Local Governments fällig.140 Die

Steuer kann dabei bei privaten und öffentlichen Unternehmen erhoben werden.141 Der Höchststeuer-

satz wurde vom Parlament mit 2% ab 2000 für ständig ausgeführte und maximal HUF 5000 pro Ka-

lendertag bei zeitweilig ausgeführten Gewerbetätigkeiten festgelegt.142 Bei permanenten Unterneh-

menstätigkeiten wird die Steuer auf Nettoverkaufserlöse von verkauften Güter und Dienstleistungen,

abzüglich der Herstellkosten der verkauften Güter, des Wertes der Leistungen von Subunternehmern

und den Materialkosten erhoben.143 Bei temporären unternehmerischen Tätigkeiten kann die Steuer

nach der Zahl der Tage mit aktiver unternehmerischer Tätigkeit angepasst werden. Die lokale Unter-

nehmensteuer wird aber nicht auf Einzelhandelsverkäufe erhoben.144 Bei Finanzdienstleistern gelten

besondere Bestimmungen. So werden bei Banken und Versicherungen die gesamten Zinseinnahmen

134 Laut Angabe von Kiss (2003). 135 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 28. 136 Vgl. Hegedüs (2001), S. 140, auch zum nächsten Satz. 137 Vgl. Lutz/ Ruggiero/ Spahn (1997), S. 666, Hegedüs (2002), S. 8, und Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 39 und dort ange-gebene Quellen. 138 Siehe Kiss (2003) in Anhang E. 139 Festgelegt durch § 14 des Gesetzes Nr. CIX in 1997, gültig ab 01.01.1998, aus Law on Local Taxes C in 1990. 140 Inhaltlich § 36, 37 des Law on Local Taxes, festgelegt durch § 15 des Gesetzes Nr. CIX von 1997, gültig ab 01.01.1998. Vgl. auch OECD (2001), S. 21. 141 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 38. 142 § 40 des Law on Local Taxes bestimmt hierzu Näheres, auch die Abweichungen von obiger Regel für nur zeitweilig aus-geführte Gewerbetätigkeiten. Vgl. OECD (2001), S. 21. 143 Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich genau nach § 39, 39A des Law on Local Taxes; vgl. OECD (2001), S. 21, auch zum folgenden Satz. 144 Vgl. Hegedüs (2002), S. 8, und Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 38.

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bzw. die Technical Revenues besteuert. Damit sind die Finanzinstitutionen gegenüber anderen Unter-

nehmen ungleich gestellt.145

4.3.2.2 Communal Tax (Kommunalsteuer)146

Die Kommunalsteuer wird in §§23 ff des Law on Local Taxes geregelt. Sie besitzt zwei Ausgestal-

tungen. Zum einen bezieht sie sich auf Immobilien und wird im jeweiligen Hoheitsgebiet bei Privat-

personen erhoben, die diese Immobilien besitzen, sowie bei Privatpersonen, die Rechte an Wohnim-

mobilien, die anderen als natürlichen Personen gehören, halten. Sie kann maximal HUF 12000 pro

Steuergegenstand oder Mietrecht an Wohnimmobilien betragen.147 Diese Art der Steuerausgestaltung

wird von den Local Governments nach der lokalen Gewerbesteuer am zweithäufigsten erhoben.148 Ihr

Anteil am Gesamtsteueraufkommen der Local Governments ist mit 1,93% (2001) jedoch gering.149

Zum anderen kann die Kommunalsteuer bei Unternehmen erhoben werden. Sie bezieht sich dort auf

die Beschäftigung von Arbeitskräften. Die Steuerschuld ergibt sich als Produkt einer angepassten

durchschnittlichen Zahl der Mitarbeiter des Unternehmens im Hoheitsgebiet des jeweiligen Local Go-

vernments und einem Steuerbetrag pro Mitarbeiter. Dieser liegt bei maximal HUF 2000 pro Mitarbei-

ter.150 Wenn die Steuerpflicht nicht im gesamten Jahr besteht, ist der zeitanteilige Teil der Jahreshöhe

der Steuer zu berücksichtigen.151 Ihr Anteil am gesamten Steueraufkommen der Local Governments

beträgt etwa 0,45% (2001).152

4.3.2.3 Land Tax (Landsteuer)

Steuerflichtig ist die im Zuständigkeitsbereich eines jeweiligen Local Governments befindliche unbe-

baute Bodenfläche in der Innenzone.153 Die Landsteuer bezieht sich nur auf städtisches Land und wird

bei Eigentümern von brachliegenden Flächen, die im Hoheitsgebiet des jeweiligen Local Governments

liegen, erhoben.154 Steuerbemessungsgrundlage und Steuerschuldner werden in Regelungen festgehal-

ten mit Bezug auf die Property Tax.155 Der Steuersatz beträgt maximal HUF 200 pro m² oder 3% des

145 Vgl. Lutz/ Ruggiero/ Spahn (1997), S. 667. 146 Vgl. zu den Ausführungen zur Kommunalsteuer OECD (2001), S. 21. 147 Siehe § 26 Law on Local Taxes. 148 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 39, und dort angegebene Literatur. 149 Vgl. Kiss (2003) und Anhang E. 150 Laut § 29 I Law on Local Taxes. 151 Vgl. § 29 II Law on Local Taxes. 152 Vgl. Kiss (2003) und Anhang E. Von einer Bewertung der Tendenzen der Aufkommensanteile bei der Kommunalsteuer soll abgesehen werden. I.d.S. Balogh (2003b). 153 Gem. § 17 Law on Local Taxes, Ausnahmen von der Steuer werden in diesem Gesetz in § 19 geregelt. 154 Vgl. Hegedüs (2002), S. 8, Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 38. 155 Vgl. OECD (2001), S. 21.

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„korrigierten“ Wertes der Fläche.156 Die exakte Höhe der eingesetzten Steuersätze hängt von den Ent-

scheidungen der jeweiligen Local Governments ab. Der Anteil der Landsteuer an den gesamten Steu-

ereinnahmen der Local Governments betrug 2001 1,23%.157

4.3.2.4 Property Tax (Vermögensteuer)

In Ungarn wird die Property Tax, im Gesetzeswortlaut ist die Vermögensteuer genauer auf eine Bau-

werkssteuer eingegrenzt, nach dem Steuergegenstand unterschieden in zwei Formen: Zum einen für

Gebäude in Privatbesitz, zum anderen für in Handel und Industrie genutzes Vermögen,158 mit Aus-

nahme der in § 13 Law on Local Government von der Steuerpflicht befreiten Bauwerke.159 Die Local

Governments können eine oder beide Formen in ihrem Hoheitsgebiet erheben. Steuerpflichtiger ist

grundsätzlich der Eigentümer des Bauwerkes, bei mehreren Eigentümern sind diese im Verhältnis

ihrer Eigentumsanteile steuerpflichtig.160 Die Steuer kann von den jeweiligen Local Governments nur

für die in ihrem Hoheitsgebiet liegenden Vermögenswerten erhoben werden.161 Die Bemessungs-

grundlage ist in Abhängigkeit der Entscheidung der jeweiligen Municipality die in Quadratmetern

genutzte Grundfläche des Bauwerks oder der korrigierte Verkehrswert.162 Der maximale Steuersatz

beträgt in beiden Ausgestaltungen der Steuer HUF 900/m² oder 3% des „korrigierten“ Wertes.163 Die

jeweilige Höhe wird von den einzelnen Local Governments im Rahmen dieser Vorgaben autonom

gesetzt. Dass die Property Tax erhoben wird, wird in der Literatur begrüsst, denn das resultierende

Steueraufkommen kann sehr ertragreich sein.164 Dazu wird aber gefordert, die von der Zentralebene

ausgehende persönliche Steuerbelastung proportional zu senken, um keine Überbelastung der Steuer-

zahler mit ihren Konsequenzen, etwa Steuerflucht, zu erzeugen. Das Aufkommen dieser Steuer betrug

2001 9,97% der Steuereinnahmen der Municipalities.165

4.3.2.5 Tax on Tourism (Fremdenverkehrsteuer)

Steuerzahler der Fremdenverkehrsteuer ist jede natürliche Person, die für wenigstens eine Nacht als

Gast im Hoheitsgebiet des betreffenden Local Governments bleibt oder der Eigentümer eines Gebäu-

des, welches zur Erholung geeigent ist, aber nicht als Wohnung angesehen wird, das in dem entspre-

156 Vgl. § 22 Law on Local Taxes. Vgl. Dazu Hegedüs (2002), S. 8. Der “korrigierte” Wert der Fläche (siehe § 21 b Law on Local Taxes) beträgt 50% des “geschätzten” Wertes, der von dem jeweiligen Local Government determiniert wird und den Marktwert der Fläche widerspiegeln sollte. 157 Vgl. Kiss (2003) und Anhang E. 158 Vgl. § 11 Law on Local Taxes. 159 Vgl. Hegedüs (2002), S. 8, Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 38, auch zu folgendem Satz. 160 Näheres regelt § 12 Law on Local Taxes. 161 I.d.S. OECD (2001), S. 21. 162 Vgl. § 15 Law on Local Taxes. 163 Vgl. Hegedüs (2002), S. 8. Der “korrigierte” Wert ergibt sich analog in o.g. Berechnungsweise. 164 So äussert sich z.B. Hegedüs (2001), S. 140, auch zum nächsten Satz. Auch wenn durch eine intensivere Nutzung der Property Tax auf dezentraler Ebene die regionalen Disparitäten ansteigen werden, a.a.O., S. 149, und Hegedüs/ Kocacs (1994), S. 19. 165 Vgl. Kiss (2003) und Anhang E.

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99

chenden Hoheitsgebiet liegt.166 Bemessungsgrundlage sind die Anzahl der begonnenen Gästeüber-

nachtungen oder die auf diese entfallenden Unterkunftskosten oder die Grundfläche o.g. Gebäude, die

zur Erholung geeignet sind. Die maximalen Steuersätze für die verschiedenen Unterkunftsarten von

Touristen liegen bei HUF 300 pro Nacht eines Gastes, bei 4% der Unterkunftskosten und HUF 900/m²

bei o.g. Gebäuden.167 Steuerpflichtig sind nur Personen im Alter von 18 bis 70.168 Ausgenommen von

der Steuer sind Personen, die in Gesundheits- oder Sozialeinrichtungen bleiben, Studenten, etc. Das

Steueraufkommen der Fremdenverkehrsteuer ist gemessen an den gesamten Steuereinnahmen der

Local Governments sehr gering bei 1,69% (2001).169

4.3.2.6 Bewertung des Tax Assignments

Ob die Zuordnung der lokalen Steuern auf die Ebene der Local Governments mit den Anforderungen,

die im Theorieteil erarbeitet wurden, konsistent ist, lässt sich anhand einer nach den einzelnen lokalen

Steuern differenzierten Betrachtung feststellen.

Die Gewerbesteuer richtet sich auf einen mobilen Steuergegenstand. Bei dieser Art Steuergegenstand

empfiehlt die theoretische Betrachtung, die Steuer der zentralen Ebene zuzuordnen. Jedoch ist eine

dezentrale Zuordnung nicht ausgeschlossen, sofern die dezentrale Ebene keine non-benefit-

Besteuerung durchführt. Kann im ungarischen System der Nachweis gelingen, dass es sich bei der

Unternehmensteuer in den jeweiligen Local Governments um eine benefit-Steuer handelt, so ist ihre

Zuordnung im status quo mit den normativen Anforderungen konform.

Allerdings wird in Ungarn eine indirekt horizontale fiskalische Externalität in Form des Steuerwett-

bewerbs bei der Erhebung der Gewerbesteuer konstatiert, so dass sich die Stimmen zu einer zentralen

Zuordnung bzw. einer national einheitlichen Steuerausgestaltung in Bemessungsgrundlage und Steuer-

satz als Internalisierungsmaßnahmen mehren.170 Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind bei Steuer-

wettbewerb mit den normativen Anforderungen im Einklang. In diesem Zusammenhang ist es interes-

sant, dass über 20% der Local Governments, die die lokale Gewerbesteuer erheben, den Höchstsatz

fordern.171 Fraglich ist, welche Bedeutung dem Höchssteuersatz überhaupt zukommt, wenn er im

Steuerwettbewerb angesetzt werden kann und ob daher nicht vielmehr andere Ausgestaltungsmerkma-

le der Steuer von Bedeutung sind. Insofern müsste man den effektiven Steuersatz berechnen. Es stellt

sich darüberhinaus die Frage, ob der Gewerbesteuersatz in Ungarn wirklich ausschlaggebendes Krite-

rium für die interjurisdiktionale Standortwahl ist, oder die Gewichtung der Standortfaktoren einen

anderen Schwerpunkt aufweist.

166 Gem. § 30 Law on Local Taxes. Vgl. dazu OECD (2001), S. 21. 167 Gem. § 33 Law on Local Taxes, vgl. Hegedüs (2002), S. 8. 168 Vgl. OECD (2001), S. 21, auch zu folgendem Satz. Siehe zu diesem und dem folgenden Satz auch § 31 Law in Local Taxes.169 Vgl. Kiss (2003) und Anhang E. 170 Vgl. Lutz/ Ruggiero/ Spahn (1997), S. 667, und Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 40. 171 Darin kann ein Indikator dafür gesehen werden, dass sich der Bedarf an höheren Steuereinnahmen der Local Governments erhöht hat. Vgl. OECD (2001), S. 42.

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100

Ein analoges Ergebnis ergibt sich bei der Kommunalsteuer, die sich auf die Zahl der Arbeitskräfte in

Unternehmen bezieht. Arbeitskräfte könnten unternehmensintern umverteilt werden, so dass in den

Arbeitskräften ein mobiler Steuergegenstand gesehen werden kann. Die Argumentation hin zu einer

zentralen oder dezentralen Zuordnung entspricht der oben dargestellten.

Die Zuordnung der Land Tax, der Kommunalsteuer, in der Ausgestaltung, dass Privatpersonen Steuer-

zahler sind, sowie diese Property Tax auf die Ebene der Local Governments ist mit den normativen

Anforderungen konform, da es sich bei diesen Steuern um Steuern mit immobilen Steuergegenständen

handelt. Die normative Theorie fordert hier eindeutig eine dezentrale Zuordnung zum Erreichen der

allokativen Effizienz.172 Das ist im ungarischen Tax Assignment realisiert.

Für die Fremdenverkehrsteuer ist im theoretischen Teil der Arbeit keine explizite Zuordnungsempfeh-

lung gegeben. Es scheint jedoch angemessen, diese anhand des Grades der Mobilität zuzuordnen. Tou-

risten verkörpern einen mobilen Steuergegenstand, so dass entsprechend den theoretischen Ausfüh-

rungen eine Zuordnung auf die zentrale Ebene empfohlen ist, sofern es sich hier um eine non-benefit-

Steuer handelt. Sieht man in der Fremdenverkehrsteuer hingegen eine Benefit-Steuer, so kann eine

Zuordnung auf der Ebene der Local Governments dennoch effizient sein.

Die Argumentation anhand des Grades der Mobilität ist allerdings darin beschränkt, dass sie von der

vollkommenen Mobilität ausgeht. Wenn man bedenkt, dass sich der Tourismus oftmals nach den na-

türlichen Ressourcen in einem Local Government richtet (positive Korrelation zwischen Anzahl der

Touristen und Grad der Tourismusattraktivität in einer Jurisdiktion aufgrund natürlichen Ressourcen

unterstellt), ist die obige Argumentation nicht weiter verwendbar. Aufgrund der unterschiedlichen

Verteilung von natürlichen Ressourcen mit Tourismusattraktivität – man denke etwa an den Balaton

im Vergleich zu Ostungarn – in den Local Governments und damit der Touristen, wäre die Zuordnung

auf die zentrale Ebene mit angemessener finanzieller Beteiligung der jeweiligen Local Governments

der theoretischen Untersuchung nach effizient. Insofern kann die Zuordnung der Fremdenverkehrsteu-

er auf die dezentrale Ebene nicht gerechtfertigt werden. Ergo ist eine Zuordnung auf die zentrale Ebe-

ne von der theoretischen Seite eher zu unterstützen.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Zuordnung der lokalen Steuern in Ungarn mit Aus-

nahme der Fremdenverkehrsteuer durchaus mit den normativen Anforderungen übereinstimmt. Inso-

weit ist bezüglich des Tax Assignments wie auch des passiven Finanzausgleichs eine weite Konsistenz

der Theorie mit der Praxis in Ungarn zu konstatieren. Insgesamt wird deutlich, dass die Besteuerung

der Unternehmer bedeutungsvoller als die Besteuerung der Haushalte ist, da die Steuereinnahmen

durch die Gewerbesteuer alleine bei rund 85% (2001) der gesamten Steuereinnahmen der Local Go-

vernments liegen.173

172 Siehe Kapitel 1.2.1. 173 Eigene Berechnungen aus übergebenem Material von Kiss (2003).

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101

Zu bewerten verbleibt im Rahmen des Tax Assignments, inwiefern die Autonomie der Local Govern-

ments gegeben ist. Die Meinungen in der Literatur gehen dabei weit auseinander. Einerseits wird ar-

gumentiert, dass die Local Governments über eine recht hohe Autonomie verfügen, da sie innerhalb

der ihnen gesetzten Rahmen weitgehend über die in ihrem Zuständigkeitsbereich erhobenen Steuern in

Art und Höhe bestimmen können, ihnen damit die Aufgabe zur Formulierung einer eigenen Steuerpo-

litik gegeben ist.174 Andererseits wird die gleiche Argumentation benutzt, zu betonen, dass die Auto-

nomie der Steuern gering ist, da der Rahmen von der Zentralebene gesetzt wird und sich Local Go-

vernments lediglich darin mit ihrer Steuerpolitik bewegen können.175 Insofern ist es wohl eher eine

Frage der subjektiven Maßstäbe, ob man in der aktuellen Ausgestaltung des ungarischen Tax As-

signments die Autonomie der Local Governments in hohem oder niedrigem Grad verwirklicht sieht.

Fiskalische Autonomie, wie sie Grundbedingung einer föderalen Staatsebene ist, ist m.E. gegeben, da

die Möglichkeit zu einer eigenen Steuerpolitik in einem gesetzten Rahmen besteht.

4.3.3 Intergouvernmentale Transfers

Der ungarische aktive Finanzausgleich umfasst ein System intergouvernmentaler Transfers, sowohl in

Form der Zuweisungen als auch des Revenue Sharings.176 Die intergouvernmentalen Transfers fliessen

nur von der zentralen Ebene an die Ebene der Local Governments.177 Sie bilden für die Local Go-

vernments mit einem Anteil von 65-70% ihrer Gesamteinnahmen eine bedeutende Einnahmequelle, so

dass eine große finanzielle Abhängigkeit von den Transfers besteht.178 Charakteristisch für ein solches

System sind das Ausmaß seiner Vorhersagbarkeit der Transfers und die Anreize, die von ihm für Lo-

cal Governments hinsichtlich der fiskalischen Gleichheit und Effizienz ausgehen.179 Das ungarische

System der intergouvernmentalen Transfers vergibt die Zuweisungen anhand expliziter (auch kompli-

zierter) Formeln, die eine Komponente zum Ausgleich horizontaler Unausgewogenheiten enthalten

sowie eine komplexe Formulierung der Ausgabenbedürfnisse der Local Governments.180

Hinter der Ausgestaltung des Systems in Ungarn steht dabei die Forderung des Law on Local Self-

Government, dass „where a mandatory duty and/ or power is imposed on or assigned to a local go-

vernment, the Parliament is to provide the necessary funding for the performance and exercise of such

tasks and power, deciding on the amount and mode of the budgetary contribution.”181 Damit liegt ein

eindeutiger Anspruch auf den Ausgleich vertikaler Unausgewogenheiten vor. Dass auch die horizonta-

174 Vgl. zu dieser Meinung Hegedüs (2001), S. 139, oder OECD (2001), S. 42. 175 Vgl. hier etwa Kopanyi/ El Daher/ Wetzel (2000), S. 11 und 24. 176 Bei den intergouvernemtnalen Transfers ist zu beachten, dass die Distrikte aus Sicht des Finanzministeriums zu Budapest gezählt werden, mithin nur Budapest als ganze Stadt die Zuweisungen erhält, so dass sich daraus die Regelungen zur weite-ren Zuteilung der intergouvernmentalen Transfers zu den Distrikten in der Sonderrolle Budapests niederschlagen, s.u. nach Angaben von Rozsi (2003). 177 Laut Aussage von Rozsi (2003). 178 Vgl. Hegedüs (2002), S. 10, Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 41, und Kálmán (2002), S. 50. 179 Vgl. Kopanyi/ El Daher/ Wetzel (2000), S. 12. Sie verwenden den Begriff der „equity“, welcher hier mit fiskalischer Gleicheit übersetzt ist. Evtl. könnte man es auch mit dem „Abbau von Unausgewogenheiten“ übersetzen. 180 Vgl. Jackson (2001), S. 36, und die dort zitierte Literatur. 181 Zitiert aus OECD (2001), S. 34.

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102

len Unausgewogenheiten ausgeglichen werden sollen, ist gesetzlich nicht fixiert. Dennoch besteht ein

starker politischer Wille dazu.182 Nachfolgend soll beschrieben werden, wie das System der intergou-

vernmentalen Transfers in Ungarn diesen gesetzlichen Anforderungen gerecht werdend ausgestaltet

ist. Beginnend mit einem Überblick über die verschiedenen Zuweisungen wendet sich das Augenmerk

dann zum Revenue Sharing.

4.3.3.1 Zuweisungen

Den größten Bestandteil der intergouvernmentalen Transfers bilden die Zuweisungen der Zentralebene

an die Ebene der Local Governments.183 Sie betragen ca. 80% der gesamten Transfersumme im unga-

rischen intergouvernmentalen Transfersystem.184 Die Höhe und die Adressaten der Zuweisungen wer-

den in jährlichen Verhandlungen bestimmt, so dass die Zuweisungen für die Local Governments auf-

grund dieses Bargaining Prozesses mit einer gewissen Planungsunsicherheit behaftet sind. Die Zuwei-

sungen als solche lassen sich nach ihrem allokativen Ziel, ihrer Ausgestaltung, ob gebunden oder un-

gebunden, mit oder ohne Eigenbeteiligung etc. unterscheiden.185 Das State Budget Law beinhaltet die

verschiedenen Zuweisungskategorien.186 Die Einteilung der Zuweisungen verschiedenster Arten in

bestimmte Kategorien, wie sie nun folgend dargestellt wird, ist HEGEDÜS entlehnt.187 Danach werden

die verschiedenen Zuweisungen den Kategorien der a) Normative Subsidies, b) der Earmarked Trans-

fers und c) der Zuweisungen, die horizontale Unausgewogenheiten abschmelzen und d) Investitions-

zuweisungen.

Normative Subsidies

Die größte Transfersumme von der Zentralebene an die Ebene der Local Governments besteht in den

Normative Subsidies. Die Typologie der Normative Subsidies umfasst vier Formen: die (1) Pro-Kopf-

Zuweisungen, die eine Annäherung der Nachfrage nach öffentlichen Leistungen darstellen, sowie (2)

Zuweisungen für zentrale Leistungen der Local Governments, die sich nach der Anzahl der Leistungs-

empfänger richtet, (3) den Kapazitäts-Zuweisungen, die sich in der Höhe etwa nach der Anzahl der

Betten in sozialen Einrichtungen der Local Governments richten, und (4) Zuweisungen mit Eigenbe-

teiligung, die sich in ihrer Höhe auf das Steueraufkommen aus der Fremdenverkehrsteuer beziehen.188

182 Laut Angabe von Balogh (2003). 183 Man beachte, dass nur im Zusammenhang mit den lokalen Steuern nur die Municipalities zu den Local Governments gezählt werden, (s.o.). 184 Nach Angaben von Rozsi (2003). 185 Vgl. oben Kapitel 1.2.2.1 und Hegedüs (2002), S. 11 f. 186 Z.B. State Budget Law 2003, mit Hilfe von Sivák (2003) Einblick in ungarischen Originaltext. 187 Vgl. zu den Beschreibungen der Zuweisungen nun folgend Hegedüs (2002), S. 11 ff, und Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 41 ff, ohne dass es eines weiteren Hinweises bedarf. Die Anlehnung an die dortige Darstellung erscheint am besten von der den Schilderungen des Kapitels 1.2.2 zu entsprechen, wenngleich eine an der dortigen Gliederung orientierte Ausführung hier der beschreibenden Übersichtlichkeit halber nicht vorgenommen wird. 188 Vgl. dazu auch Hegedüs (2001), S. 136. Die Normative Subsidies gehen vom Finanzministerium Ungarns an die Local Governments; teilen diese die Zuweisungen weiter z.B. kirchlichen Krankenhäusern zu, so tangiert das nicht das Verhältnis des Finanzministeriums zu den Local Governments, laut Angaben von Rozsi (2003).

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103

Grundsätzlich sind die Normative Subsidies ungebundene, closed-ended Zuweisungen, die an jede Art

der Local Governments gezahlt werden kann.189 Eine Ausnahme besteht bei solchen der Form (2).

Sofern diese Zuweisungen kleiner als die Kosten zur Erfüllung der Leistung sind, d.h. das Verhältnis

der Zuweisungen zu den Kosten kleiner als 1 ist, tritt eine Bindung auf.190 Berechnet werden die Nor-

mative Subsidies auf der Grundlage von Indikatoren des Finanzbedarfs eines Local Governments für

die Aufgabenwahrnehmung insb. im Bereich der Bildung. Dabei spiegeln die Werte der Indikatoren

mehr und mehr nicht die Finanzbedarfe wider, sondern liegen weit darunter. So sind die Local Go-

vernments gezwungen, die daraus entstehenden Finanzierungslücken durch andere Einnahmequellen

als den Normative Subsidies zu füllen.191

Derzeit werden rund 47 verschiedene Normative Subsidies der verschiedenen Formen in Ungarn ge-

leistet.192 Die vom finanziellen Umfang her größten Bestandteile der Normative Subsidies sind für den

Bereich der Bildung und nachfolgend für Leistungen der sozialen Wohlfahrt geleistet worden (1998: ~

66%).

Earmarked Transfers from Central Government

Diese Art der Zuweisungen sind spezielle gebundene, closed-ended Zuweisungen.193 Ihr Anteil als

Zuweisungen von der Zentralebene an die Ebene der Local Governments ist in den zurückliegenden

Jahren deutlich angestiegen, beträgt 20-24% an den Gesamteinnahmen. Ihr jährliches Finanzvolumen

beträgt zwischen HUF 30-50 Mrd.. Die voluminöseste Zuweisung dieser Art sind die Zuweisungen

des Sozialversicherungssystems für die Gesundheitsversorgung unmittelbar an die entsprechenden

Institutionen, die als verpflichtende Aufgabe der Local Governments verankert ist (s.o.). Daneben sind

Zuweisungen, wie die Unterstützung von Feuerwehren, Theatern, die Defizitzuweisungen u.a. dieser

Kategorie zugeordnet.194 Hervorzuheben sind darunter die sog. Centralized Allocations, Zuweisungen,

die der Finanzierung spezifischer Aufgaben der Local Governments dienen. Die Ziele werden von der

Zentralregierung oder mittels parlamentarischer Vorgaben determiniert. Die Zuweisungen sind mit

oder ohne Eigenbeteiligung ausgestaltet195

189 Laut den Angaben von Vigváry (2003). 190 Kopanyi/ El Daher/ Wetzel (2000), S. 20, bemerken dazu, dass die optimale Reaktion der Local Governments in diesem Fall (und wenn die örtliche Gewichtung dafür niedrig ist) in der Reduzierung oder Einstellung der Aufgabenwahrnehmung für die durch die Zuweisungen betroffenen Bereitstellungsaufgaben liegt. Denn das Verhältnis der Zuweisungen zu den Kosten kann nicht nur aufgrund geringer Zuweisungen, sondern auch in Mißmanagement oder Überkapazitäten der Local Governments liegen. Eine Abgabe der entsprechenden Aufgaben an die Counties ist dann effizienzmindernd, wenn diese Aufgabe der normativen Theorie nach auf der Ebene der Local Governments wahrgenommen werden sollte. 191 Dabei können wohlfahrtsverschlechternde Reallokationen durchaus auftreten. 192 Einen Überblick über die verschiedenen vergebenen Normative Subsidies in den Jahren 1998 und 1999 ist in OECD (2001), S. 24 ff, gegeben. Diese entsprechen weitgehend den in 2003 bestehenden Arten, laut Rozsi (2003). 193 Laut Angabe von Vigvári (2003). 194 Hegedüs (2002), S. 13, listet eine Reihe weiterer Zuweisungen in diesem Rahmen auf. 195 Hegedüs (2002), S. 13, verwendet hier den Begriff der „ad hoc grants“. Aus dem Zusammenhang ergibt sich nicht eindeu-tig, ob er damit die Ausgestaltung ohne Eigenbeteiligung meint. In dieser Arbeit wird dieser Begriff wie oben angegeben aufgefasst.

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104

Equalization Grants

Wie bereits festgehalten, ist der Ausgleich horizontaler Unausgewogenheiten ein wichtiger Bestandteil

des Systems intergouvernmentaler Transfers. Durch Ausnutzung des horizontalen Effektes vertikaler

Finanzzuweisungen wird in Ungarn versucht, diesen Ausgleich zu erreichen. Dabei existieren zur Be-

rechnung des Finanzbedarfs und der Finanzkraft der Local Governments keine Berechnungsstandards.

In Ungarn existieren mannigfaltig Zuweisungen, die einen horizontalen Effekt besitzen. An dieser

Stelle sollen lediglich reine Zuweisungen, die sich nicht aus dem Zusammenhang mit dem Revenue

Sharing ergeben, betrachtet werden.196

Eine Zuweisung i.d.S. stellt die 1999 eingeführte Zuweisung „grant to equalize fiscal capacity“ dar,

die sich 1999 auf HUF 38 Mrd. und 2000 auf HUF 44 Mrd. belaufen hat. Sie gleicht die Finanzkraft

der Local Governments aus, die sich aus der lokalen Unternehmensteuer ergibt. Sie berechnet die sich

daraus ergebende Steuerkapazität eines Local Governments und weist dementsprechend finanzielle

Mittel bis zu einer bestimmten Höhe zu. Die Höhe hängt mit der Größe des Local Governments zu-

sammen: Je kleiner das Local Government, desto geringer die Zuweisung.197

Die sog. Zuweisung für Defizite wird Local Governments gewährt, bei denen ein Haushaltsdefizit

besteht, dass nicht auf eigenes Verschulden zurückzuführen ist. Das jährlich verabschiedete State

Budget Law determiniert jeweils die Anforderungen zum Erhalt dieser Zuweisungen, wobei sich die

Höhe nach den laufenden Ausgaben des betroffenen Local Governments richtet und nicht auf ein spe-

zifisches Ziel fixiert ist.198 Die Vergabe stützt sich dabei auf von den Municipalities geschätzten Aus-

gaben und Einnahmen. Die Zuteilungsquote von angefragten Zuweisungssummen und ausgezahlten

Mitteln schwankt mit der Zahl der Antragsteller und der Summen, die diese anfordern.

Investitionszuweisungen

Die Investitionszuweisungen unterstützen Investitionen von Municipalities, sofern diese in Bereichen

erfolgen, an die das Parlament die Vergabe knüpft.199 Man unterscheidet verschiedene Formen der

Investitionszuweisungen, von denen die sog. Targeted Subsidies, die Addressed Subsidies und die

Zuweisungen für regionale Entwicklung aufgrund ihrer hohen Bedeutung kurz näher vorgestellt wer-

den.

Targeted Subsidies sind gebundene, open-ended Zuweisungen mit Eigenbeteiligung, die für Projekte

spezieller nationaler Bedeutung gezahlt werden, wie sie durch das Parlament im Act on Addressed and

196 Auf vertikale Zuweisungen mit horizontalem Effekt im Rahmen des Revenue Sharing, wie ein bestimmter Teil der Einkommensteuer, wird weiter unten eingegangen. Vgl. Hegedüs (2002), S. 13. 197 Die Höhe der Zuweisungen pro ansässigem Bürger beträgt nach den Angaben von Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 43, für: Dörfer HUF 12500; Städte HUF 16500; County-„Hauptstädte“ HUF 17700; Budapest (mit seinen Distrikten) HUF 20000.198 Vgl. OECD (2001), S. 28. 199 Die Bereiche werden vom Parlament jährlich neu festgelegt, vgl. Hegedüs (2002), S. 15.

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105

Targeted Grants (1992/89) identifiziert sind.200 Sie werden jährlich neu bestimmt. Der Prozentsatz der

Eigenbeteiligung ist ebenfalls gesetzlich festgeschrieben und ist in Abhängigkeit von der Art des In-

vestitionsprojektes unterschiedlich hoch.201 Der Anteil der Zuweisung an den gesamten Investitions-

kosten liegt in etwa bei 50% der jeweiligen Investitionskosten, genauere Reglungen finden sich aber

im Act on Addressed and Targeted Grants.202 Jedes Local Government kann diese Zuweisungen

beantragen.203

Anders sind die Addressed Subsidies gestaltet. Ursprünglich wurden sie zur Finanzierung der Fortset-

zung oder Vollendung großer regionaler Entwicklungsprojekte, die vor der Einführung des neuen de-

zentralisierten Staatssystems begonnen wurden, eingesetzt. Nun erfolgt ihre Vergabe für diese und

neue Investitionsprojekte nach Ermessensentscheidungen auf zentraler Ebene.204 Zumeist werden In-

vestitionen gefördert, wenn sie Spillovereffekte zeigen.205 Addressed Subsidies sind gebundene und

open-ended Zuweisungen, die nur an Local Governments gezahlt werden können.206 Voraussetzung

für eine Zahlung dieser Zuweisungen ist, dass das beantragende Local Government über keine eigenen

finanziellen Ressourcen zur Durchführung dieses Projektes verfügt. Die Höhe der ausgezahlten

Addressed Subsidies sind Ergebnis eines Bargaining-Prozesses des entsprechenden Local Govern-

ments und der Zentralregierung, aber sie decken meistens 100% der Investitionskosten. Die Targeted

und Addressed Subsidies haben in 2000 einen Umfang von HUF 52,3 Mrd. aufgewiesen.207

Zuweisungen für die regionale Entwicklung sind eine weitere Quelle zur Investitionsfinanzierung. Sie

werden aus separaten Fonds der jeweils verantwortlichen Ministerien gezahlt. Seit Mitte 1996 werden

diese Zuweisungen durch die County Regional Development Councils verteilt. Über die County Regi-

onal Development Councils sind für die Local Governments in diesem Rahmen drei verschiedene

Zuweisungsarten möglich: Zuweisungen zur regionalen Gleichheit, Zuweisungen für Entwicklung

sowie Earmarked Decentralization Funds. Die Prioritäten der Investitionsprojekte für die Vergabe der

Mittel werden von den einzelnen Councils determiniert.

Damit sind die wesentlichen Formen der Zuweisungen im ungarischen System intergouvernmentaler

Transfers vorgestellt. Diese gilt es nun im Rahmen eines Vergleichs mit den im Kapitel 1.2.2 heraus-

gearbeiteten normativen Anforderungen zu vergleichen.

200 Vgl. Kálmán (2002), S. 42. 201 Vgl. die Angaben von Vigvári (2003). 202 Ebenda. Dazu ist zu berücksichtigen, dass von den Local Governments neben der Eigenbeteiligung eventuelle anfallende Extrakosten für das Investitionsprojekt zu tragen sind. I.d.S. orientieren sich die Targeted Subsidies nicht an den tatsächlichanfallenden Kosten. Darauf verweist OECD (2001), S. 27. Vgl. hierzu auch die Angaben von Sivák (2003). 203 Die Local Governments sind aus Sicht des Finanzministeriums die Adressaten der Zuweisungen, auch wenn diese die Zuweisungen etwa an öffentliche Unternehmen zur Durchführung des Investitionsprojektes geben, laut Angaben von Rozsi (2003).204 Hegedüs (2002), S. 15, sieht darin einen Bruch der ökonomischen Rechtfertigung der Addressed Subsidies. 205 Aus dem Interview mit Vagvari (2003), auch zu den folgenden Sätzen des Absatzes. 206 Dass die Addressed Subsidies nur an Local Governments zugewiesen werden können, wird in unveränderter Form gegen EU-Recht verstoßen, welches die Möglichkeit der Zuweisungen an alle Antragsteller vorsieht, die Projekte durchführen wollen, wie sie in den Anforderungen zum Erhalt der Zuweisungen beschrieben sind. Darauf verweist Vagvari (2003). 207 Vgl. Hegedüs (2002), S. 15.

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4.3.3.2 Bewertung des Zuweisungssystems

Eine verlässliche Zuordnung dieser Zuweisungen der Gliederung im theoretischen Teil der Arbeit

nach Allokations-, Distributions-, und Stabilitätsziel folgend ist aufgrund der mangelnden Ausführ-

lichkeit der verfügbaren Literatur nur eingeschränkt möglich. Dennoch kann man versuchen, eine der-

artige Zuordnung auf der Grundlage der vorliegenden Angaben zu erreichen und mit den normativen

Anforderungen zu vergleichen.

So können Normative Subsidies und Earmarked Transfers from Central Government, sofern sie der

Internalisierung von Spillovers oder der Förderung der Bereitstellung meritorischer Güter dienen, dem

Allokationsziel zugeordnet werden. Als dem Distributionsziel folgend können die Equalization Grants

und die Zuweisungen mit Eigenbeteiligung, die sich in ihrer Höhe auf das Steueraufkommen aus der

Fremdenverkehrsteuer beziehen, eindeutig identifiziert werden. Die Verfolgung des Stabilitätszieles

wird vor allem bei den Investitionszuweisungen offenbar, soweit mit den geförderten Investitionen

positive wachstums- und beschäftigungspolitische Impulse ausgehen.

Jedoch sind diese Zuordnungen zu den Zielen der Allokation, Distribution und Stabilität weder ab-

schließend noch eindeutig. So kann eine Zuweisung der Verfolgung mehrerer Ziele zuträglich sein,

gleichzeitig eventuell anderen Zielen schaden oder Wechselwirkungen mit anderen Zuweisungen auf-

weisen. Eine genauere Analyse kann daher nur mit detaillierten Informationen zu den einzelnen Zu-

weisungen erfolgen.208

Die Bewertung des ungarischen Zuweisungssystems als solches im aktiven Finanzausgleich fällt hin-

gegen eindeutig aus. Aufgrund des hohen Anteils der Zuweisungen an den Gesamteinnahmen der Lo-

cal Governments ist davon auszugehen, dass die Gestaltung des aktiven Finanzausgleichs in Ungarn

verbesserungswürdig ist. Die hohen Zuweisungssummen sind zum einen ein Zeichen dafür, dass die

eigenen Einnahmequellen der Local Governments, insb. die Steuern, ein zu geringes Aufkommen

erbringen.209 Somit befinden sich die Local Governments in einer hohen finanziellen Abhängigkeit

von der Zentralebene, was dem föderalen Gedanken widerspricht, da die fiskalische Autonomie der

Local Governments und damit ihr Charakter als föderale Staatsebene beschränkt wird.210 Gleichsam

besteht die Gefahr, dass die finanzielle Abhängigkeit in einer politischen Abhängigkeit mündet. Dafür

sind bereits Anzeichen gefunden worden, z.B. bei der Auswahl der Investitionsprojekte.211 Präferenzen

der Zentralebene können so den Local Governments aufgezwungen werden. Das bedeutet gleichzeitig,

dass die lokalen Präferenzen weniger berücksichtigt werden. Vom normativen Standpunkt aus ist dies

208 Sollten die Informationen vorliegen, ist es dennoch unwahrscheinlich, alle Wirkungen und Wechselwirkungen eindeutig und abschliessend zu identifizieren, wenn man bspw. bedenkt, wie hoch die Anzahl der vergebenen Normative Subsidies in Ungarn ist. Hier zeigt sich ein weiter Raum für zukünftige Forschungen. 209 Nur 13% der gesamten Einnahmen der Local Governments in 2001 waren eigene Steuern, nach Angaben von Kiss (2003). 210 Vgl. Kopanyi/ El Daher/ Wetzel (2000), S. 2 und 11. Sivák (2003) betont, dass die Frage der Autonomie hinsichtlich des Transfersystems strittig ist: gegen eine hohe Autonomie spricht der hohe Anteil der Zuweisungen an den Einnahmen der Local Governments, dafür spricht, dass ein grosser Teil der Zuweisungen an die Local Governments ungebunden ist, somit nach eigenen Vorstellungen allokiert werden können. 211 Vgl. Kálmán (2002), S. 42, und dort angegebene Quellen.

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wohlfahrtsverschlechternd, sind die Local Governments doch für die Wahrnehmung, Realisierung und

Förderung lokaler Präferenzen prädestiniert.

Interessant ist festzuhalten, dass die ungarischen Local Governments sich dieser Abhängigkeit zu fü-

gen scheinen, bzw. diese bewusst tolerieren.212 Die Bereitschaft und Kapazität, die Einnahmen aus

eigenen Quellen zu erhöhen, ist sehr gering, wenngleich sie von Municipality zu Municipality vari-

iert.213 Die Bereitschaft dazu ist bei den Local Governments aus vornehmlich zwei Gründen gering.

Einerseits bieten die Zuweisungen, wie etwa die Defizitzuweisungen, keinen Anreiz, diese Bereit-

schaft zu realisieren; gleichzeitig wird ineffizientes Ausgabeverhalten belohnt.214 Zum anderen sind

die politischen Kosten zur Amplifizierung der eigenen Einnahmequellen sehr hoch. So ist politisch

eine Ausgabe leichter zu tragen, wenn sie die örtliche Wählerschaft nicht bzw. nicht unmittelbar fi-

nanziell belastet.215

Hinsichtlich des ungarischen Zuweisungssystems kann insoweit konstatiert werden, dass es insb. einer

Stärkung der fiskalischen Autonomie der Local Governments bedarf, was eine Reduzierung der zen-

tralstaatlichen Zuweisungen bedeutet.

4.3.3.3 Revenue Sharing

Im System intergouvernmentaler Transfers ist auch das Revenue Sharing verankert. Drei verschiedene

Steuern werden im Rahmen des Revenue Sharing zwischen den ungarischen Staatsebenen aufgeteilt:

die Einkommensteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und die Grunderwerbsteuer.216 Letztere soll hier nicht

weiter ausgeführt werden.217

Einkommensteuer

Am 01.01.1988 ist die Einkommensteuer in Ungarn eingeführt worden mit der Forderung, das Ein-

kommensteueraufkommen auf die Municipalities gem. des Wohnsitzprinzips aufzuteilen.218 Seitdem

sind die Regelungen zur Einkommensteuer inkl. der Aufteilung des Steueraufkommens mehrfach ver-

ändert worden. Bemessungsgrundlage der ungarischen Einkommensteuer ist das Bruttoeinkommen

212 Vgl. Hegedüs (2001), S. 139, auch zu folgendem Satz. 213 Die Kapazität dazu zu erhöhen, ist eine Frage der Neugestaltung der Einnahmequellen der Local Governments, i.e. des Tax Assignments, der Verschuldungsrechte etc. 214 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 42. I.d.S. kann man hier die Ausführungen von Hegedüs (2001), S. 150, einfügen, der das ungarische Zuweisungssystem zum Management der Ausgaben als unzureichend ausgestaltet ansieht. 215 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 42, Hegedüs (2001), S. 140. Letzterer gibt das Beispiel, dass ein Tourist im Ver-gleich zu einem Bürger leichter besteuert werden kann, ohne unmittelbare politische Konsequenzen fürchten zu müssen, insb. im Hinblick auf lokale Wahlen. 216 Vgl. z.B. OECD (2001), S. 17 ff. Zu diesen Steuern könnte man ausserdem die Importzölle hinzuzählen, denn die Zollge-bühren (1998: HUF 40 Mio.) sind im wesentlichen den Counties und der Municipality Budapest zugeflossen. Darauf verwei-sen u.a. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 41. 217 Eine anschauliche Darstellung der vielfältigen Steuertatbestände, wie Schenkung, Erbe, Kauf, und der jeweils anfallenden Grunderwerbsteuer, ist in OECD (2001), S. 20, gegeben. Angemerkt sei an dieser Stelle nur, dass sowohl Municipalities, wie Counties, Städte mit County-Status, die Local Governments Budapests und die Zentralebene am Aufkommen der Steuer beteiligt sind. Dies ist besonders hervorzuheben, da im Zusammenhang mit Steuern i.d.R nur Municipalities unter dem Be-griff der Local Governments gefasst sind. Balogh (2003b) spricht hier von keiner Steuer, sondern betont, dass dies nur Ge-bühren sind, deren Aufkommen geteilt wird. 218 Vgl. Newbery/ Révész (2000), S. 214, und OECD (2001), S. 17.

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abzüglich diverser Freibeträge.219 Das Revenue Sharing der Einkommensteuer eines Jahres beruht

dabei auf den Zahlen bzgl. des Einkommensteueraufkommens von zwei Jahren zuvor, weil die statisti-

sche Erfassung der notwendigen Daten diese Zeit beansprucht. 220

Seit 2000 werden 40% des Einkommensteueraufkommens an die Local Governments im Rahmen des

Revenue Sharings zugewiesen.221 5% des im Revenue Sharing an die Local Governments fliessenden

Betrages werden direkt an die Municipalities zugewiesen, in denen das Einkommensteueraufkommen

entstanden ist. Die verbleibenden 35% des im Revenue Sharing geteilten Steueraufkommens wird

nach einem komplizierteren Verfahren zugeteilt. Das Verfahren ändert sich jährlich ein wenig. Hier

sei das Verfahren von 2001 erläutert.222

Von diesen 35% werden 28,05%-Punkte an die Municipalities und die Counties, obwohl sie keine

Steuer erheben dürfen, nach normativen Kriterien verteilt.223 Den Counties fliessen insgesamt 7,2%-

Punkte zu. Die Höhe der auf das jeweilige County entfallende Betrag ergibt sich als Summe aus drei

Elementen: erstens fließt jedem County ein lump-sum Betrag zu (HUF 293,3 Mio. in 2001), zweitens

wird pro Bewohner des Counties ein Betrag pauschal zugewiesen (HUF 710 in 2002), drittens werden

pro Bürger, der in einer von den Counties verpflichtend unterhaltenen Einrichtungen betreut wird, je

nach Betreuungsart ein Pauschalbetrag zugewiesen. Den Municipalities fliessen 20,85%-Punkte nach

normativen Regelungen zu, quasi ergänzend zu den Normative Subsidies.

Die verbleibenden 6,95% der an die Local Governments fliessenden Einkommensteuereinnahmen

werden auf die Municipalities verteilt.224 Dabei hängt die Höhe der den einzelnen Municipalities zu-

fliessenden Einkommensteueraufkommensanteile von ihrer Tax Power Ability ab. 225

Für jede Municipality wird die sog. Tax Power Ability berechnet. Die Tax Power Ability ist eine fikti-

ve Grösse, die sich aus zwei Summanden zusammensetzt. Der erste Summand sind mit den Zuweisun-

gen der Einkommensteuereinnahmen, die als Produkt eines pauschalen Pro-Kopf-Betrages und der

219 Vgl. Newbery/ Révész (2000), S. 212. Sie weisen darauf hin, dass selbst bei Vorliegen eines konstanten Grenzsteuersatzes der Durchschnittssteuersatz mit wachsendem Bruttoeinkommen ansteigt. Insofern ist die ungarische Einkommensteuer pro-gressiv. Genauer, sie ist indirekt progressiv. Sie betonen, dass damit die umverteilende Wirkung des Steuer- und Sozialversi-cherungssystems als Gesamtes untertrieben wird, da grosse Teile der Steuereinnahmen im Rahmen der sozialen Leistungen wieder an die Bürger zurückgegeben werden. Hier irren die Autoren, denn die Progressivität der Einkommensteuer untertreibt die Umverteilungswirkung nicht. Im Gegen-teil, die Progressivität hat umverteilenden Charakter, da hohe Einkommen mit einer relativ höheren Steuerschuld belastet werden als geringere Einkommen, wie leicht durch eine äquivalente Beziehung verschiedener Progressionsmaße, hier der Grenzsteuersatz > Durchschnittssteuersatz mit einer Residualelastizität < 1, gezeigt werden kann. Zur Definition der indirek-ten Progression und der Progressionsmaße sowie ihrer äquivalenten Beziehung, s. bspw. Homburg (2000), S. 71 und 76 f. Die Nutzung der Steueraufkommen für soziale Leistungen sind darüberhinaus umverteilend, da man davon ausgehen kann, dass diese Leistungen finanziell schwächer gestellten Personen in vergleichsweise hohem Prozentsatz ihrer Finanzmittel zugeleitet werden. 220 Vgl. Lutz/ Rugiero/ Spahn (1997), S. 668. Sie formulieren, dass dies eigentlich mit Vorteilen verbunden sei, denn durch die Verzögerung werden Steuerausfälle oder -rückgänge erst mit einer zweijährigen Verspätung wirksam. Dies kann bei konjunkturell bedingten Steuerausfällen oder -rückgängen vorteilhaft sein, weil dann Rezessionshöhepunkt und Einnahmen-rückgang zeitlich auseinanderfallen können, so dass die Local Governments nicht zu kontraktiv wirkenden Ausgabensenkun-gen im Rezessionshöhepunkt gezwungen würden. 221 Vgl. OECD (2001), S. 6, und Rozsi (2003). 222 Die Angaben aus dem Jahr 2001 sind die aktuellsten Daten, die aus dem ungarischen Finanzministerium erhalten wurden. 223 Die Angaben dieses Absatzes entstammen dem Interview mit Rozsi (2003). 224 Nach Rozsi (2003). 225 Die Angaben zur Berechnung der Tax Power Ability entstammen dem Interview mit Vigvári (2003).

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109

Anzahl der Bürger der Municipality verteilt an die jeweilige Municipality gezahlt wurden als vorerst

realer Betrag. Der zweite Summand ergibt sich mit den Einnahmen einer Municipality aus der lokalen

Unternehmensteuer. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden:

a) die Municipality macht von ihrem Recht Gebrauch und erhebt die lokale Gewerbesteuer.

Dann bilden diese Einnahmen den zweiten Summanden.

b) Die Municipality erhebt keine lokale Gewerbesteuer. Hier wird für den zweiten Summanden

eine Hilfsgröße herangezogen. Anstelle der Einnahmen der lokalen Gewerbesteuer werden

1,2% der gesamten Einnahmen der Körperschaftsteuer, die von der Zentralebene erhoben

wird, als Summand verwendet.226

Liegt die Tax Power Ability einer Municipality unter der durchschnittlichen Tax Power Ability aller

Municipalities, so wird die Höhe der normativ verteilten Einkommensteueranteile auf diese Municipa-

lities und die Höhe ihnen zufliessender Normative Subsidies erhöht, bis die Differenz zum Durch-

schnitt ausgeglichen ist.227 Liegt die Tax Power Ability hingegen darunter, erfolgt eine entsprechende

Reduzierung.228

Die politische Bedeutung der Einkommensteuer ergibt sich dadurch, dass sich ihr Aufkommen in we-

nigen Zentren, neben Budapest in größeren Städten, im wesentlichen ergibt.229 Das liegt nicht zuletzt

an Steuererleichterungen für Einkommen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit, so dass in vielen ländlich

geprägten Gebieten keine Einkommensteuereinnahmen anfallen.230 Die Bedeutung der Einkommen-

steuer als Einnahmequelle der Municipalities ist in der Vergangenheit deutlich zurückgegangen, von

24% (1990) auf 2% (2000) der gesamten lokalen Einnahmen.231

Bezüglich der Angaben zur Einkommensteuer variieren die Meinungen beträchtlich. VIGVÁRI formu-

liert einen anderen Verteilungsmechanismus der Einkommensteuer im Rahmen des Revenue Sha-

rings.232 ROZSI setzt die o.g. 6,95%-Punkte mit den „grants to equalize fiscal capacity“ gleich.233 HE-

GEDÜS führt die „grants to equalize fiscal capacity“ unter Zuweisungen auf. Letztere Einteilung wird

weiter verwendet.234 Vor dem Hintergrund dieser Schilderungen stellt sich die Frage, wie die Vertei-

lung der Einkommensteuer nun de facto ausgestaltet ist und wie sie zukünftig ausgestaltet werden

sollte.

226 Vigvári (2003) betont, dass dies nur möglich ist, da sowohl die Zentrale Steuerbehörde über die notwendigen Informatio-nen der Körperschaftsteuer und damit der Daten über die Unternehmen in einer Municipality verfügt. 227 Vgl. die Aussagen von Rozsi (2003), auch zum nächsten Satz. 228 Dabei wurde in dem Interview mit Rozsi (2003) nicht ganz eindeutig, ob diese Minderung bis zur Absenkung auf den Durchschnitt führen kann. 229 Vgl. Hegedüs (2001), S. 138, auch zu folgendem Satz. 230 Kiss (2003) gibt an, dass keine Einkommensteuern auf Einkommen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit zu zahlen sind, sofern der Vetrag zur Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Fläche eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren aufweist. 231 Vgl. Hegedüs (2002), S. 11. Er liefert auch Begründungen, warum diese Entwicklung beobachtet werden kann. Jackson (2001), S. 35, stellt empirisch fest, dass dennoch der Anteil der Einnahmen der Local Governments von der individuellen Einkommensteuer in Transformationsländern höher als in anderen (westeuropäischen) Ländern liegt. 232 Dieser Ansatz ist in Anhang G ausgeführt. 233 Im Interview mit Rozsi (2003). 234 Vgl. Hegedüs (2002), S. 13, und obige Ausführungen.

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110

Kraftfahrzeugsteuer

Die Kraftfahrzeugsteuer ist eine Steuer des Revenue Sharing, die in einem eigenen Gesetz determiniert

wird.235 Von der Zentralregierung wird die Steuer hinsichtlich Steuerschuldner, Steuerbemessungs-

grundlage, Steuersatzminimum und -maximum, und die Spanne für Ausnahmen bei der Steuer per

Gesetz bestimmt. Innerhalb dieses Rahmens werden die Steuersätze durch Erlasse der Local Govern-

ments festgeschrieben. Steuergegenstand sind dabei Kraftfahrzeuge, die einheimische Lizenz und

Nummernschilder haben. Die Einnahmen, die sich mit der Anwendung des Minimumsteuersatzes

ergeben, fließen hälftig dem entsprechenden local government und der Zentralebene zu. Sofern die

von einem Local Government bestimmten Steuersätze über dem von der Zentralregierung verlangten

Minimum liegen, fallen die Einnahmen, die sich aus der Steuersatzdifferenz ergeben, vollständig dem

Local Government als Einnahme zu. Die Bedeutung dieser Steuer ist für die Local Governments ge-

ring, da sie nur rund ein Prozent ihrer laufenden Einnahmen betragen. Im Jahr 2000 betrug ihr Auf-

kommen 20,8 Mrd. HUF.236

4.3.3.4 Bewertung des Revenue Sharings

Die Betrachtungen der normativen Analyse haben für die Einkommensteuer das Surcharging als Form

des Revenue Sharing angesehen, um die Vorteile einer dezentralen wie zentralen Zuordnung ausnut-

zen zu können. Die ungarische Einkommensteuer ist nicht als Surcharging ausgestaltet, sondern wird

als Steuer von der Zentralebene vereinnahmt, die die Municipalities anhand de lege lata festgehaltener

Regelungen an dem Steueraufkommen partizipieren lässt. Das birgt den Nachteil der finanziellen und

evtl. politischen Abhängigkeit in sich, wie sie oben bereits schon einmal angesprochen wurde, denn

die gesetzlichen Bestimmungen werden vom Parlament erlassen, d.h. von der Zentralebene selbst. Für

die Ausgestaltung als Surcharging sprechen sich mittlerweile viele Vorschläge zur Reform der Ein-

kommensteuer aus.237 Denn ein Surcharging enthält verglichen mit der derzeitigen Form ein höheres

Maß der fiskalischen Autonomie der Local Governments, da sie den Surcharging-Satz selber determi-

nieren könnten, damit einen gewissen Grad an Einfluss auf die Einnahmehöhe aus der Einkommen-

steuer hätten. Das käme einer lokalen Steuer näher. Um die Effizienz zu erhöhen, sollte die Einkom-

mensteuer daher als Steuer mit Surcharging ausgestaltet werden.

Die Rolle der Einkommensteuer bleibt darüber hinaus in der Diskussion, da ihre Entstehungsorte sehr

ungleichmäßig über Ungarn verteilt sind. Darauf beruhend hat auch ihre Redistribution, die sich z.T.

am Entstehungsort orientiert, einen horizontalen Ausgleichseffekt. Aufgrund dessen, dass in Ungarn

ein hoher Bedarf am Ausgleich horizontaler Unausgewogenheiten besteht,238 stellt sich die Frage, wel-

chen Beitrag die Einkommensteuer hier leisten kann bzw. sollte. Ferner schliesst sich die Frage an, ob

235 Vgl. OECD (2001), S. 19, zu diesem Absatz. Balogh (2003b) bemerkt, dass seit 01.01.2003 das Kraftfahrzeugsteuerauf-kommen vollständig den Municipalities zufällt, und damit keine Steuer im Revenue Sharing, sondern eine lokale Steuer ist. 236 Vgl. hier Hegedüs (2002), S. 11. 237 So z.B. Hegedüs (2001), S. 138, Lutz/ Ruggiero/ Spahn (1997), S. 668 und 677. 238 Vgl. Hegedüs (2001), S. 149.

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111

eine Reform des aktiven Finanzausgleichs nicht die Etablierung eines horizontalen Finanzausgleichs

beinhalten sollte. Denn die Summe der horizontalen Effekte im vertikalen aktiven Finanzausgleich,

wie sie momentan u.a. von der Einkommensteuer ausgehen, können die horizontalen Unausgewogen-

heiten nie vollkommen ausgleichen (s.o.).

Wird die Einkommensteuer, wie oben gefordert, als Surcharging ausgestaltet, wird die Rolle als Ele-

ment eines eventuell neu institutionalisierten horizontalen Finanzausgleichs schwierig. Denn zum ei-

nen müsste festgelegt werden, aus welchem Anteil am Einkommensteueraufkommen die Redistributi-

on erfolgen sollte. Es ist unwahrscheinlich, dass die Local Governments ihr Aufkommen aus den Sur-

charges dazu bereitstellen werden, denn dann bestünde kein Anreiz mehr, mittels höherer Surcharges

die eigenen Einnahmen zu erhöhen, zumal bei Vorliegen von Nicht-Überwälzbarkeit der mit der Steu-

ererhebung einhergehenden Lasten. Da die Einkommensteuer aber auch für die Zentralebene einen

großen Anteil ihrer Gesamteinnahmen bedeutet, ist es unwahrscheinlich, dass sie diesen ohne entspre-

chenden Ausgleich zur Redistribution bereitstellt.239

Zum anderen entstehen bei Surcharging fiskalische Externalitäten, genauer indirekt vertikale fiskali-

sche Externalitäten. Aus dem Tax Base Overlap können effizienzmindernde Impulse ausgehen, wie in

Kapitel 3.1 beschrieben. Diese gilt es zu internalisieren. Folglich wäre bei der Ausgestaltung der Ein-

kommensteuer sowohl dem Problem der fiskalischen Externalität als auch dem Ziel der Distribution

gerecht zu werden.

Betrachtet man diese Ausführungen, so wird offenbar, dass mit einer Einkommensteuer mit Surchar-

ging die Verfolgung des Ausgleichs horizontaler Unausgewogenheiten sehr schwierig wird. Folglich

bleibt die Adäquanz der Einkommensteuer als Instrument für dieses Ziel eher fraglich. Deshalb könnte

man für die Herausnahme der Einkommensteuer aus dem Kanon der für den Ausgleich horizontaler

Unausgewogenheiten eingesetzten Steuern votieren, sofern sie den Anforderungen der normativen

Theorie folgend als Steuer mit Surcharging ausgestaltet wird.

Die Rolle der Kraftfahrzeugsteuer im Revenue Sharing des ungarischen Finanzausgleichs ist sehr ge-

ring. Betrachtet man den Anteil des Aufkommens dieser Steuer an den Gesamteinnahmen der Local

Governments, ist fraglich, warum die Steuer überhaupt auf zwei Ebenen verteilt wird.240 Insb. mit der

Tatsache, dass der auf die Zentralebene entfallende Anteil der Kraftfahrzeugsteuer auch gering ist.241

Somit könnte in der Zuordnung der Kraftfahrzeugsteuer als lokale Steuer eine Effizienzsteigerung

liegen, sofern die Kosten der Kraftfahrzeugsteuer als lokale Steuer geringer sind, als wenn ihr Auf-

kommen aufgeteilt wird. Man denke hier etwa an die Kosten, die bei der Berechnung der jeweiligen

Anteilssummen anfallen. Ferner würde dies eine erhöhte fiskalische Autonomie der Local Govern-

ments bedeuten, insb. wenn als finanzieller Ausgleich zwischen beiden Ebenen Zuweisungen der

239 Man beachte, dass 60% des Einkommensteueraufkommens pro Jahr auf die Zentralebene entfallen. 240 Dabei wird der Anteil der Kraftfahrzeugsteuer an den Steuereinnahmen der Zentralebene wohl noch geringer sein. 241 Laut Jahresabschlußgesetz des Staatsbudgets 2003 (a vonatkozó zárszámadási törvények és az 2003 as költségvetési tör-vényjavaslat) haben sich die Steuereinnahmen des Zentralbudgets 2000 wie folgt aufgeteilt: VAT 38,0%, Konsumsteuer 18,5%, PIT 23,7%, Körperschaftsteuer (ohne Finanzinstitute) 10,3%, Zölle und Importgebühren 4,3% und sonstige Steuern 5,2%, worunter auch die Kraftfahrzeugsteuer fällt.

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112

Zentralebene an die Ebene der Local Governments entsprechend gemindert würden. Es bleibt daher

nur zu untersuchen, welche Kosten mit der Verlagerung der Kraftfahrzeugsteuer als lokale Steuer ein-

gespart werden könnten, um eine potentielle Effizienzsteigerung zu realisieren. Als Steuer im Revenue

Sharing scheint sie aufgrund der geringen Aufkommensgröße vor diesem Hintergrund nicht angemes-

sen zu sein.

Zusammenfassend kann man sagen, dass im Bereich des Revenue Sharings eine Übereinstimmung der

ungarischen Praxis mit den normativen Anforderungen weitgehend besteht bzw. im Falle der Kraft-

fahrzeugsteuer nicht zu bestehen scheint. Für letztere Steuer wurde schon ein Verbesserungsvorschlag

unterbreitet.

4.3.3.5 Sonderrolle Budapests242

Budapest ist in 23 Distrikte unterteilt. Die Distrikte und das Municipality Gouvernment sind gleich-

rangig als Local Governments. Ein Unterschied besteht jedoch bzgl. der Rolle für die Verteilung der

Einnahmen. Das Law on the Capital (1990) und die Amendments (1995) bestimmen, dass die Ein-

nahmen aus der Einkommensteuer, den Normatives Subsidies, die sich nach der Anzahl der Lei-

stungsempfänger richten, und der lokalen Unternehmensteuer auf die Distrikte und das Municipality

Gouvernment aufgeteilt werden sollen. Dieser Einnahmenpool wird als Quelle für gap-filling Zuwei-

sungen verwendet. Die Auszahlungen orientieren sich an den Finanzbedarfen der einzelnen Distrikte

bzw. des Municipality Gouvernments und ihrer Finanzkraft.243 Der Anteil der umverteilten Einnahmen

betrug 2000 für die Distrikte 52% und das Municipality Gouvernment 46% der gesamten anfallenden

Kosten. Die Wirksamkeit dieser Reallokation der Einnahmen innerhalb Budapests wird allerdings

aufgrund der ungleichmässigen Verteilung der Vermögenswerte etc. bezweifelt. Darüberhinaus betont

TEMESI das politische Konfliktpotential, das in der Sonderrolle Budapest liegt.244 Seit bei der letzten

Wahl 16 der 23 Distrikte von den Sozialisten gewonnen worden sind, hat sich aus diesen 16 Distrikten

eine starke Koalition gebildet, um gemeinsam für die Koalition als auch jeweils für sich selber höhere

Zuweisungen von dem Municipality Gouvernment Budapests zu bekommen.

4.3.3.6 Staatsverschuldung

Mit dem Law on Local Self-Government wurde den Local Governments das Recht verliehen, sich zur

Finanzierung von Investitionsprojekten oder Deckung von Budgetdefiziten auf dem Kapitalmarkt zu

verschulden.245 Die Verschuldungshöhe war bis 1994 unbegrenzt. 1995 wurden seitens der Zentralre-

242 Vgl. zu den Ausführungen in diesem Unterkapitel Hegedüs (2002), S. 14. 243 Der Finanzbedarf bestimmt sich hier nach dem Niveau der entsprechenden Leistungen und den mit ihnen geschätzten verbundenen normativen Kosten. Die Finanzkraft ergibt sich in diesem Fall aus den Gebühren und Beiträgen sowie den Zuweisungen von der Zentralebene, die mit diesen Leistungen verbunden sind. Vgl. Hegedüs (2002), S. 14. 244 Die Angaben zu diesem und dem nächsten Satz entstammen dem Interview mit Temesi (2003). 245 Vgl. Drummond/ Mansoor (2002), S. 28, Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 44, Hegedüs (2002), S. 7.

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113

gierung zwei die Verschuldung restringierende Gesetze erlassen, da sie in der Verschuldung der Mu-

nicipalities eine Quelle makroökonomischer Gefahren sah.246

Die erste Restriktion der Verschuldung limitiert die maximale Verschuldungshöhe auf 70% der lau-

fenden Einnahmen des entsprechenden Local Governments.247 Zu den Verschuldungsinstrumenten

zählen die Kreditaufnahme und damit verbundene Ausgaben, Staatsanleihen, die Bereitstellung von

Garantien und Sicherheiten sowie Leasing.248 Die laufenden Einnahmen berechnen sich als Summe

der lokalen Steuern, Zinseinnahmen, Gebühren, Beiträge und Geldstrafen, Einnahmen aus Assetver-

käufen und anderen spezifischen Einnahmen abzüglich der kurzfristigen Verbindlichkeiten und Ver-

pflichtungen, die im betreffenden Jahr fällig sind, und der von der Zentralebene erhaltenen Zuweisun-

gen.249

Die Local Governments sind niemandem bzgl. ihrer Verschuldungspolitik Rechenschaft schuldig,

Verschuldung im Ausland ist möglich und nur durch die gleichen Gesetze wie die nationale Verschul-

dung eingeschränkt.250 Die Local Governmens nehmen die Kredite unter geschäftsüblichen Bedingun-

gen auf, jedoch wird die Kreditsumme zumeist im Tenderverfahren vorher an die Banken vergeben.

Die Banken, bei denen die Local Governments ihre Guthaben hinterlegt haben, bieten meistens die

besten Konditionen und werden dann auch zum Kreditor der Local Governments. Zur Sicherung der

Kredite sind gewisse Kernvermögenswerte der Local Governments ausgenommen, wie etwa die Ein-

nahmen aus der Einkommensteuer.251

Das zweite von der Zentralregierung in diesem Zusammenhang erlassene Gesetz ist das Bankruptcy

Law. Ungarn ist eines der wenigen Länder, das über eine Insolvenzregelung für Local Governments

verfügt.252 In einem legislativ genau festgelegten Verfahrensablauf können Kreditoren oder Local Go-

vernments selber Insolvenz bei Gericht anmelden, sofern die Local Governments oder ihre budgetären

Organisationen 60 Tage mit einer Schuldbegleichung im Rückstand stehen.253 Bedeutend ist, dass ein

solches Local Government für die Zeit des Insolvenzverfahrens nur die verpflichtenden Aufgaben zu

erfüllen hat, für die es von der Zentralebene Zuweisungen erhält. Eine finanzielle Unterstützung durch

die Zentralregierung ist weitgehend beschränkt, teilweise auf Rückzahlungsbasis angelegt. Die Zent-

ralregierung hat das Recht, für die Dauer des Insolvenzverfahrens eine Person zur Kontrolle der loka-

len Finanzen einzusetzen.254

Betrachtet man die derzeit gültigen Regelungen zur Verschuldung der Local Governments, so sind sie

in der Nomenklatur des Kapitels 1.2.4 als Rules-based Approach to the Control of Subnational Borro-

246 Vgl. Hegedüs (2001), S. 141. 247 Diese Verschuldungsregeln, §88 I Law on Local Self-Government, gilt für alle Local Governments, d.h. auch für das Municipality Gouvernment Budapests sowie für die Distrikte an sich, von Vigvári (2003). 248 Vgl. OECD (2001), S. 46, auch zu folgendem Satz. 249 Zu den Verbindlichkeiten zählen nicht die „cash-flow credits, which are used to ensure funding of local government ope-rations“, s. Nam/ Parsche/ Reichl, S. 45. Daneben Vigvári (2003). 250 Vgl. zu diesem Absatz OECD (2001), S. 46. 251 Vgl. Drummond/ Mansoor (2002), S. 29, und OECD (2001), S. 46, auch zu weiteren Bestimmungen der Kreditvergabe. 252 Vgl. Drummond/ Mansoor (2002), S. 29. 253 Vgl. zu dem Verfahren die auführliche Darstellung in OECD (2001), S. 47 f. 254 Vgl. Drummond/ Mansoor (2002), S. 29.

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114

wing zu identifizieren. Es besteht der Vorteil einer genauen Kontrolle der subnationalen Verschul-

dung, so dass makroökonomische Gefahren gebannt werden können, wie es Ziel der ungarischen Zent-

ralregierung ist. Daher ist ein adäquates Instrument der Kontrolle subnationaler Staatsverschuldung

gewählt worden.

Empirische Untersuchungen haben aber ergeben, dass die Local Governments sich bis dato eher kon-

servativ bei der Verschuldung auf Kapitalmärkten verhalten, damit keine makroökonomische Gefahr

hiervon ausgeht.255 Sie finanzieren Haushaltsdefizite vorwiegend mit Erlösen aus der Privatisierung

oder angehäuften Eigenmitteln. Diese Verfahrensweisen wurden durch die Privatisierungsbestrebun-

gen und die hohe Inflation, i.e. auch hohen Zinsen zur Eindämmung derselben, initiiert bzw. amplifi-

ziert. Aber auch die hohen Zuweisungssummen im Rahmen des Systems intergouvernmentaler Trans-

fers minimieren die Anreize zur Verschuldung der Local Governments. Die Einführung der Verschul-

dungsgrenze durch die Zentralregierung scheint damit verfrüht. Allerdings zeichnet sich ab, dass die

Erlöse aus der Privatisierung mit dem an noch im öffentlichen Besitz befindlichen Bestand an ver-

marktbaren Vermögenswerten sinken werden und die Inflation, und damit die Zinsen, fallen werden.

Daher gehen Schätzungen von einer steigenden Verschuldungsrate der Local Governments zukünftig

aus. Die Verschuldungsrestriktion durch die Zentralregierung scheint somit adäquat vorausschauend.

4.3.3.7 Tax Administration

In Ungarn ist die Steuerverwaltung aufgeteilt. Die zentrale Steueradministration verwaltet die Ein-

kommen- und Körperschaftsteuer sowie die Verkaufssteuern.256 Die Zölle, Revenue Taxes und die

Kraftfahrzeugsteuer für ausländische Kraftfahrzeuge werden von den Zollbehörden und sog. Excise

Guards verwaltet.257 Die Municipalities übernehmen die Administration aller lokalen Steuern und der

Kraftfahrtzeugsteuer für einheimische Kraftfahrzeuge.

Die Municipalities sind dafür verantwortlich, die Steuerschuld eines Steuerschuldners für jede lokale

Steuer zu bestimmen.258 Die Steuerschuldner sind dabei verpflichtet, sich bei der entsprechenden Be-

hörde registrieren zu lassen und ihre Steuerpflicht wahrheitsgemäß bekannt zu machen. Dies gilt hin-

sichtlich aller von den Municipalities verwalteten Steuern. Dieser Verpflichtung kommen nicht alle de

jure bestimmten Steuerschuldner nach. In Ungarn ist daher die Zahl der potentiellen örtlichen Steuer-

schuldner und besteuerbaren Vermögenswerten unbekannt. Gleichwohl liegen die Strafen für die

Nichtbezahlung einer Steuer sehr hoch. Die Rate der Steuerrückstände, die als Indikator der Steuer-

255 Vgl. Nam/ Parsche/ Reichl (2001), S. 44, OECD (2001), S. 47, auch zu dem gesamten Absatz. 256 Vgl. zu diesem und den nächsten beiden Sätzen OECD (2001), S. 15. Grunderwerbsteuern werden von den Counties und den Budapester „Duty Offices“ der Local Governments eingesetzt und verwaltet; man berücksichtige den umstrittenen Cha-rakter dieser Einnahme, s.o.. 257 Mit Revenue Taxes könnten laut Meyer (2003) Erlössteuern gemeint sein. 258 Vgl. Kopanyi/ El Daher/ Wetzel (2000), S. 26, für diesen Absatz.

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einnehmung gilt, schwankt zwischen den Municipalities beträchtlich zwischen 11% und 2% der lau-

fenden Steuereinanhmen des jeweiligen Local Governments.259

Als wesentliches Problem der munizipalen Steuerverwaltung gilt der Mangel an qualifiziertem Perso-

nal, technischer Ausstattung und Erfahrung bei der Steuereinnehmung, so dass die Effektivität der

Steuereinnehmung reduziert ist.260 Für einen Erfahrungsaustausch zwischen den munizipalen Steuer-

behörden scheint es keine Kooperationen zu geben. Auch die unterstützende Stärkung der Steuerver-

waltung durch die örtlichen Exekutivorgane wird vermisst. Zudem scheint der politische Wille nicht in

der Förderung der Steuerzahlmoral anzustreben, die durch eine effektivere Steuereinnehmung und

-eintreibung bedeutend höhere Steuereinnahmen erzielt werden könnten.

Vergleicht man die theoretischen Ausführungen zur Steueradministration, so besteht in Ungarn ein

System, bei dem beide Staatsebenen an der Verwaltung beteiligt sind, die auch Steuern aus dem Reve-

nue Sharing für sich gegenseitig einnehmen (Fall (c)). Hinsichtlich der Nutzung der Economies of

Scale in der Steuerverwaltung ist die ungarische Praxis mit den theoretischen Anforderungen im Ein-

klang, denn die lokalen Steuern werden von den Municipalities verwaltet, Steuern, bei denen die Eco-

nomies of Scale deutlicher hervortreten, etwa der Einkommensteuer, werden von der Zentralebene

verwaltet. In gleichem Sinne lässt sich die Nutzung örtlicher Kenntnisse hier als Argument für eine

effiziente Zuordnung der Steuerverwaltung anführen, die insb. bei den lokalen Steuern erheblich ist.

Dass die ungarische Praxis nicht effizient ist, zeigt die mangelnde Ausstattung an hinreichender Tech-

nik. Dieses in Transformationsländern verbreitete System führt zu einer interjurisdiktionalen Un-

gleichbehandlung der Steuerpflichtigen. Das ist im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht

effizient.

Auch hinsichtlich der Effektivität, i.e. der Herbeiführung der Steuerehrlichkeit, ist die ungarische loka-

le Steuerverwaltung nicht optimal ausgestaltet. Zu groß sind die Freiräume, die Steuerschuldnern ge-

geben werden, sich zu registrieren oder wahrheitsgemäß Angaben zu machen, weil eine Steuerverfol-

gung nur elementar ausgeprägt ist.

In summa kann man festhalten, dass die Zuordnung der Steuerverwaltungshoheit in weiten Teilen mit

der Theorie vereinbar ist. Die Effizienz wird lediglich durch mangelnde Ressourcen eingeschränkt.

Sobald den munizipalen Steuerverwaltungen grössere Ressourcen zugeteilt würden, könnte man die

Effizienz steigern. Gleichzeitig würde sich die Effektivität erhöhen, sofern die Ressourcen auch zur

Stärkung der Steuereintreibung verwendet würden.

259 Vgl. Garzon, H. (1998), in Kopanyi/ El Daher/ Wetzel (2000), S. 26. Dabei beziehen die Angaben nur Steuerrückstände mit ein, die von bekannten Steuerschulden, die bislang nur teilweise gezahlt wurden, ausstehen. Steuerschulden, die aus mangelnder Registration oder bislang erfolgten Zahlung noch ausstehen, werden nicht mit einbezogen. Das würde die Pro-zentzahlen sicherlich deutlich ansteigen lassen. 260 Vgl. auch zu diesem Absatz Kopanyi/ El Daher/ Wetzel (2000), S. 26. Sie beschreiben die Steuereinnehmung daher als praktisch willkürlich.

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116

5 Reformbedarf des ungarischen Finanzausgleichs?

Der Vergleich der Ausgestaltung des vertikalen passiven und aktiven Finanzausgleichs in Ungarn mit

der betrachteten normativen Theorie föderaler Staatssysteme zeigt, dass in weiten Teilen eine Überein-

stimmung mit der normativen Theorie vorliegt. Diskrepanzen in einzelnen Elementen des Finanzaus-

gleichs und deren potentielle Lösungen sind bereits in den jeweiligen Bewertungen im vorangehenden

Kapitel angesprochen worden. Diese Elemente anders zu gestalten, ist nur im Rahmen einer unfassen-

den Reform möglich, da sie mehrere Bereiche sowohl des passiven als auch des aktiven Finanzaus-

gleichs tangieren.

Neben dem Reformbedarf, der sich aus oben geschildertem Vergleich ergibt, begründen weitere we-

sentliche Sachverhalte eine Reform des ungarischen Finanzausgleichs: Der politische Wille zum ver-

stärkten Abbau horizontaler Unausgewogenheiten, der Abbau der hohen Fragmentierung der Ebene

der Local Governments sowie der Beitritt zur EU im kommenden Jahr.

5.1 Weitere Gründe für eine Reform des ungarischen Finanzausgleichs

5.1.1 Horizontale Unausgewogenheiten

Die horizontalen Unausgewogenheiten in Ungarn sind bis dato sehr ausgeprägt. Gebiete, wie etwa die

Region Nyugat-Dunántúl oder Budapest sind verglichen mit ostungarischen Gebieten wirtschaftlich

bevorteiligt. Obgleich es keine gesetzliche Grundlage zum Abbau horizontaler Unausgewogenheiten

gibt, ist dieser Teil des politischen Willens, der konsequent verfolgt werden soll.261 Den Abbau der

horizontalen Unausgewogenheiten aber gesetzlich zu verankern, wird nicht angestrebt, denn die adä-

quate Gesetzesform für einen solchen Inhalt würde für Gesetzesänderungen im Parlament eine Zwei-

drittel-Mehrheit erfordern, die aufgrund des ungarischen Multiparteiensystems schwierig zu erreichen

scheint.

Die Verfolgung des politischen Willens an dieser Stelle zöge eine Reform des bestehenden Finanzaus-

gleichssystems nach sich, da zum einen die Strukturen des vertikalen Finanzausgleichs zur Erhöhung

des horizontalen Effektes verändert werden müssten, zum anderen horizontale Unausgewogenheiten

durch einen vertikalen Finanzausgleich nicht vollkommen eleminiert werden können, so dass für die

Implementierung eines horizontalen Finanzausgleichs argumentiert werden kann.

261 Laut Aussage von Sivák (2003), auch zum folgenden Satz.

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117

5.1.2 Hohe Fragmentierung der Ebene der Local Governments

Wie bereits im vorangehenden Kapitel geschildert, ist die Ebene der Local Governments durch eine

hohe Fragmentierung gekennzeichnet, die oftmals eine Ausnutzung von Economies of Scale nicht

ermöglichen.262 Da eine freiwillige Kooperation der Local Governments zur Ausnutzung der Econo-

mies of Scale, und damit der Erhöhung der Effizienz ihres Vorgehens, zumeist nicht sichtbar ist und

auch von z.B. dem Finanzministerium nicht erzwungen werden kann,263 kann man hierin einen

Reformbedarf erkennen und begründen.

5.1.3 Beitritt Ungarns in die EU

Im Mai 2004 wird Ungarn der EU beitreten. Der bestehende nationale Finanzausgleich wird in ein

komplexeres System eingebunden. Die EU wird als supranationale Ebene eine grössere Rolle für den

ungarischen Finanzausgleich einnehmen, zumal mit dem Betritt Zahlungen an die EU sowie Mittel

von der EU erbracht werden müssen bzw. geleistet werden. Daraufhin ist der nationale Finanzaus-

gleich anzupassen.264 Der bestehende nationale Finanzausgleich – von den Finanzbeziehungen über

die PHARE-, SAPARD- und ISPA-Programme abgesehen – ist z.B. um eine regionale Struktur zu

ergänzen, um von Finanzmitteln der supranationalen Ebene zu partizipieren. Erste Schritte zur Errich-

tung der regionalen Ebene sind oben bereits geschildert worden. Ferner wird es notwendig sein, die

Rechtskonformität mit EU-Recht umfassend herzustellen. Wie am Beispiel der Addressed Subsidies

aufgezeigt, sind derzeit einige Finanzausgleichsregelungen in Kraft, die gegen geltendes EU-Recht

verstoßen. Auch in diesem Rahmen ergeben sich zwingend Reformbedarfe.

Vor diesem Hintergund ist es möglich, einen Reformbedarf anhand theoretischer Überlegungen und in

einem Zusammenspiel mit politischen Motivationen herauszustellen und mögliche Richtungen aufzu-

zeigen. Jedoch sind die Reformen in der Realität zu erarbeiten und umzusetzen. Die Rückbesinnung

darauf, dass Dezentralisierung in ökonomischer und politischer Hinsicht zu interpretieren ist, verspürt

mit der Translation der aufgezeigten Reformbedarfe in praxi, i.e. die innen-, finanz- und rechtspoliti-

sche Realität, die Amplifizierung ihrer Bedeutung. Ohne eine fundierte Kenntnis dieser Realitäten in

Ungarn zu haben, ganz abgesehen von einer Kenntnis der ungarischen Mentalität bzgl. ihrer Abnei-

gungen gegen bestimmte Ausprägungen des Finanzausgleichssystems,265 ist es vermessen, einen eige-

nen Reformvorschlag des ungarischen Finanzausgleichs zu präsentieren. Daher werden im folgenden

zwei Reformvorschläge, die aktuell im ungarischen Parlament diskutiert werden, näher vorgestellt.

262 Siehe Kapitel 4.1.1.1 und 4.2.2.2. 263 Nach Aussage von Rozsi (2003). 264 Nach Sivák (2003) besteht aufgrund der Tatsache des EU-Beitritts Ungarns kein Anlass zu grundlegenden Veränderungen des ungarischen Finanzausgleichssystems, da es weit entwickelt ist. Er betont den Reformbedarf primär aus nationaler Moti-vation heraus. 265 Auf diese Abneigungen wird später nochmals eingegangen.

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118

5.2 Aktuelle Reformbestrebungen

In den Interviews wurde deutlich, dass die Ungarn die Reformbedürftigkeit ihres Finanzausgleichssy-

stems als wichtigen Bestandteil zukünftiger Veränderungen Ungarns ansehen. Die Zentralregierung

sieht als wichtigsten Grund zur Reform des ungarischen Finanzausgleichs die hohe Fragmentierung

der Ebene der Local Governments an.266 Ziel der Reformen soll demnach primär sein, die Ausnutzung

von Economies of Scale auf der Ebene der Local Governments zu erhöhen. Die beiden vorzustellen-

den Reformmodelle beruhen, wie die Ausgestaltung des jetzigen Finanzausgleichs auch, auf prakti-

schen, weniger auf theoretischen Fundamenten. Die zwei Reformmodelle sind in der Diskussion und

noch nicht abschliessend in ihrer Ausgestaltung eruiert, dennoch sollen die bislang öffentlich zugäng-

lichen Informationen über diese Vorschläge dargestellt werden, ohne eine Wertung über die Präferen-

zen im Parlament abgeben zu können.

5.2.1 Reformvorschlag I („County-Lösung“)267

In der County-Lösung wird ein Finanzausgleichssystem vorgeschlagen, welches zwei bzw. drei Ebe-

nen umfasst. Sowohl für die Counties als auch für die Municipalities sollen im passiven Finanzaus-

gleich keine Modifikationen im Sinne einer Reduzierung ihrer Aufgaben erfolgen. Beide Ebenen sol-

len politisch autonom und gleichberechtigt bleiben. In diesem Sinne bleibt eine zwei Ebenen umfas-

sende Struktur erhalten. Bzgl. finanzieller Angelegenheiten sollen die Counties den Municipalities in

einer zweiten subnationalen Ebene, i.e. insgesamt einem drei Ebenen umfassenden System, überge-

ordnet werden.268 Die Zentralebene soll im Vergleich zu ihrer jetzigen Rolle im Finanzausgleichs-

system keine Modifikation erfahren.

Abb. 10: County-Lösung

266 Nach Angaben von Sivák (2003), auch zu den folgenden beiden Sätzen. In einigen Interviews wurde betont, dass auch die Unübersichtlichkeit, die sich aus der Vielfalt der für den Finanzausgleich notwendigen Gesetze ergibt, eine Reform unum-gänglich werden lassen. 267 Die Angaben zu den Reformvorschlägen I und II entstammen Aussagen Siváks (2003). 268 Die Sonderrolle Budapests wurde in dem Interview mit Herrn Sivák (2003) nicht eruiert.

Zentralebene

Eigene Darstellung.

Zweite subnationale EbeneCounty A County B County C

Municipality BA

Municipality BB

Municipality BC

Municipality BD

Municipality CA

Municipality CB

Municipality CC

Municipality CD

Municipality AA

Municipality AB

Municipality AC

Municipality AD

Regionen

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119

Welche Aufgaben durch die Schaffung der zweiten subnationalen Ebene in finanziellen Angelegenhei-

ten für die Counties anfallen und wie die genaue Ausgestaltung des aktiven Finanzausgleichs aussehen

sollte, ist z.T. noch nicht abschliessend diskutiert oder nicht veröffentlicht.

Gegen die County-Lösung spricht primär die historisch in dem sowjetischen Council-System begrün-

dete politische Abneigung gegen eine gestärkte Rolle der Counties.269 Desweiteren ist fraglich, ob eine

Überordnung der Counties in finanziellen Angelegenheiten die Autonomie der Municipalities nicht

auch darüber hinaus verringert. Aufgrund der vorliegenden Informationen ist eine Analyse hinsichtlich

der Konformität des Vorschlages mit den normativen Anforderungen nicht möglich. Der Vorschlag ist

allerdings hinsichtlich der Zielsetzung der ungarischen Regierung, i.e. primär des Abbaus der Frag-

mentierung, zu bewerten. Bzgl. der finanziellen Angelegenheiten wäre die Fragmentierung reduziert,

jedoch bliebe sie in politischer Hinsicht weiter stark ausgeprägt. Der Vorschlag erfüllt das vordring-

lichste Ziel der ungarischen Regierung also nur partiell. Bezüglich des Abbaus horizontaler Unausge-

wogenheiten ist keine abschliessende Bewertung möglich, da keine näheren Angaben zu Maßnahmen,

die diesem Ziel dienen, gemacht worden sind. Festzuhalten ist ferner, dass die Rolle der statistischen

Regionen Ungarns auf ihr jetziges Ausmaß beschränkt bliebe. Sie dienen damit im wesentlichen als

zukünftige potentielle Regionen für EU-Strukturfondsmittel, bleiben aber nur ein statistisches Kon-

strukt und werden damit keine föderale Ebene im Staatssystem.

5.2.2 Reformvorschlag II („Regionen-Lösung“)

Die Regionen-Lösung besteht aus einem drei Ebenen umfassendem Finanzausgleichssystem, die hie-

rarchisch strikt eingeordnet sind. Die oberste Ebene bildet die Zentralebene, die mittlere Ebene besteht

aus den sieben bestehenden statistischen Regionen, die nicht mehr nur statistischen Zwecken dienen,

sondern eine föderale Staatsebene werden. Die untere Ebene wird von den Municipalities gebildet.270

Ergo sind Regionalebene und Ebene der Municipalities subnationale Ebenen. Folgende Darstellung

veranschaulicht diesen Vorschlag.

269 Vgl. zu diesem und dem nächsten Satz die Aussagen Siváks (2003). 270 Auch hier wurde die Sonderrolle Budapests nicht angesprochen.

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120

Abb. 11: Regionen-Lösung

Die Municipalities sollen dabei alle ihre bisherigen Aufgaben behalten sowie ihre politische Autono-

mie. Die Counties sollen im wesentlichen als administrative Staatsorgane funktionieren, die einen Teil

ihrer Aufgaben an die Regionen abgeben. Für die Regionen wird diskutiert, dass sie neben den von

den Counties übertragenen Aufgaben eine größere Rolle bei der Finanzierung der Local Governments

spielen sollen, so etwa eigene Steuern erheben können. Insofern wird ebenfalls eine Steuerreform dis-

kutiert. Als EU-NUTS II Regionen werden ihnen auch Strukturfondsmittel zukommen können. Ge-

nauere Angaben über die Ausgestaltung des aktiven Finanzausgleichs zu dieser Lösung liegen noch

nicht vor. Darüberhinaus ist ein horizontaler Finanzausgleich zwischen den Regionen zum Abbau der

horizontalen Unausgewogenheiten in der Diskussion.

Eine Bewertung dieses Vorschlages anhand der Allokations-, Distributions-, und Stabilitätsziele sowie

dem Kriterium der politischen Partizipation vorzunehmen, kann aufgrund der nur andeutenden Infor-

mationen nicht erfolgen. Eine Betrachtung der Regionen-Lösung vor dem Hintergrund o.g.

Reformgründe ist dennoch möglich. Die Regionen-Lösung erscheint besser als die County-Lösung

geeignet, horizontale Unausgewogenheiten abzubauen, die Fragmentierung zu verringern und die

Problematik der EU-Strukturfondsmittel zu lösen. Zum einen ist die Zahl der Regionen geringer als

Zahl der Counties, sie umfassen jeweils größere Gebiete, so dass Größendegressionseffekte alleine

anhand der Gebietsaufteilung genutzt und finanzielle Angelegenheiten gebündelter als bei der County-

Lösung behandelt werden können. Zum anderen wird die politische Abneigung, die gegen die County-

Lösung spricht, umgangen. Gegen die Regionen-Lösung spricht, dass sie Neuland für Ungarn darstellt,

die mit großem innenpolitischen Konfliktpotential verbunden ist.271 Dies wird offenbar, wenn man

überlegt, dass schon bei der Auswahl des Sitzes einer Region zwischen mehreren County-Sitzen der

Region zu wählen ist. Ferner muss diskutiert werden, inwiefern verhindert werden kann, dass 271 Nach Aussage von Sivák (2003), auch zum nächsten Satz.

Municipality BA

Municipality BB

Municipality BC

Municipality BD

Municipality CA

Municipality CB

Municipality CC

Municipality CD

Municipality AA

Municipality AB

Municipality AC

Municipality AD

Zweite subnationale EbeneRegion A Region B Region C

Zentralebene

Counties

Eigene Darstellung.

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wählen ist. Ferner muss diskutiert werden, inwiefern verhindert werden kann, dass wohlhabende Re-

gionen versuchen, sich abzuspalten, oder ihren Einfluss auf Entscheidungen, die ganz Ungarn betref-

fen, zu erhöhen.

Welche Lösung aus ökonomischer Sicht umgesetzt werden sollte, ist aufgrund der geringen Informati-

onen über die Reformansätze, insb. die Ausgestaltung des aktiven Finanzausgleichs, nicht möglich. Es

bleibt abzuwarten, welche Ausgestaltungen im ungarischen Parlament verabschiedet werden.272 Wich-

tig zu bemerken ist, dass bis zum EU-Beitritt eine Neuregelung gefunden werden soll. Aufgrund der

Dauer des legislativen Prozesses muß insoweit bereits in diesem Jahr ein wesentlicher Teil der Reform

des ungarischen Finanzausgleichs initiiert und umgesetzt werden. Hier wird deutlich, welche Brisanz

im Thema des Finanzausgleichs in Ungarn derzeit liegt.

272 Nach Aussage von Sivák (2003), auch zu den folgenden Sätzen des Absatzes.

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122

„I was all adrift amongst a thousand contradictory hypotheses,

but I could not lay hold of one.”

Jules Verne, Journey to the Centre of the Earth, 1864.

D Anmerkungen und Schlusswort

Die Ausgestaltung des ungarischen Finanzausgleichs liegt momentan in höchstem politischen Interes-

se. Die Diskussionen um eine Reform des bestehenden Finanzausgleichs beschäftigt das ungarische

Parlament mit großer Intensität. Den Diskussionen wird ein hohes innenpolitisches Konfliktpotential

zugeschrieben, welches aus der Tragweite der Entscheidungen für die bestehenden Local Govern-

ments als auch für die Parlamentarier selbst, als gewählte Volksvertreter, resultiert.1

In den voranstehenden Kapiteln sind normative Anforderungen an die optimale Ausgestaltung eines

föderalen Finanzausgleichs erarbeitet und die ungarische Praxis mit diesen verglichen worden. Aus

ökonomischer, politischer und rechtlicher Perspektive konnten Reformbedarfe hergeleitet werden. Die

Reformbedarfe aus ökonomischer Sicht wurden näher beleuchtet. Eine Betrachtung der derzeitigen im

Parlament diskutierten Reformvorschläge rundete die Studie Ungarns ab. Welche Reformen in Ungarn

umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Dass eine hohe Dringlichkeit zu einer Reform vor dem Hinter-

grund des EU-Beitrittes Ungarns besteht, wurde bereits oben angesprochen.

Um den Vergleich zwischen den normativen Anforderungen und der ungarischen Praxis allerdings

vollziehen zu können, wurde implizit eine strenge Annahme getroffen. Es wurde implizit vorausge-

setzt, dass die Erfüllung der Annahmen, die bei der Ableitung der normativen Anforderungen getrof-

fen wurden, hinreichend gegeben ist. Diese Erfüllung vorauszusetzen ist notwendig, um überhaupt

einen Vergleich der Praxis mit der Theorie vollziehen zu können. Die implizite Unterstellung ist si-

cherlich ein Angriffspunkt der Nachhaltigkeit der Untersuchungen der Arbeit, dem nur durch einen

Beweis eines Zutreffens der Annahmen in Ungarn begegnet werden kann. Dieser Beweis sollte Be-

standteil einer vertiefteren Untersuchung des ungarischen Finanzausgleichs sein.

Rückblickend auf die Informationen zur Ausgestaltung des ungarischen Finanzausgleichs war die

Vielfalt der Angaben zu den einzelnen Elementen frappierend. Gleichwohl gesetzliche Regelungen

existieren, waren die Meinungen, insb. über die Verteilung der Einkommensteuer im Revenue Sha-

ring, unterschiedlich. Dies mag zum einen an den häufigen Änderungen der Regelungen liegen, die im

wesentlichen durch das State Budget Law jährlich erfolgen, zum anderen mögen sich evtl. Probleme in

der Übersetzung aus dem Ungarischen ergeben haben. Welche Meinung nun den gesetzlichen Rege-

lungen entspricht, ist der Autorin aufgrund des Mangels an Kenntnissen der ungarischen Sprache nicht

1 Darauf verweist Sivák (2003) bzw. Vigvári (2003).

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123

zu bewerten möglich. Eine Abwägung des Gewichts der Aussagen schriftlicher und mündlicher Quel-

len, um diesen Mangel auszugleichen, kann und möchte die Autorin nicht durchführen.

Abschließend kann man festhalten, dass der ungarische Finanzausgleich einen weiten Raum für Unter-

suchungen der Ausgestaltung eines Finanzausgleichs bietet und weiterhin bieten wird, wie der Re-

formbedarf andeutet. Die politische Brisanz, die diesem Thema in Ungarn zukommt, erhöht die Not-

wendigkeit, diese Untersuchungen kontinuierlich durchzuführen, Reformen einzuleiten und umzuset-

zen.

Page 137: Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie … · 2010-06-28 · Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns von Sibylle Wagener ∗ Abstract

VII - X

Anhang A: Die Counties und Regionen Ungarns

Die 19 Counties Ungarns:

Die Regionen Ungarns:

• Mittelungarn (Közep-Magyarország) - Budapest und Pest,

• Mittleres Transdanubien (Közep-Dunántúl) - Fejér, Komárom-Esztergom und Veszprém,

• Westliches Transdanubien (Nyugat-Dunántúl) - Gy r-Moson-Sopron, Vas und Zala,

• Südliches Transdanubien (Dél-Dunántúl) - Baranya, Somogy und Tolna,

• Nordungarn (Észak-Magyarország) - Borsod-Abaúj-Zemplén, Heves und Nógrád,

• Nördliche Tiefebene (Észak-Alföld) - Hajdú-Bihar, Jász-Nagykun-Szolnok und Szabolcs-

Szatmár-Bereg,

• Südliche Tiefebene (Dél-Alföld) - Bács-Kiskun, Békés, Csongrád.

Quelle: Bild von Ungarische Botschaft (2003a); http://www.ekormanyzat.hu/deutsch?kateg=deutsch:1420 am 14.02.2003 und Materialien übergeben von Kiss (2003), aus ungarischem Finanzministerium.

Page 138: Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie … · 2010-06-28 · Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns von Sibylle Wagener ∗ Abstract

Anhang B: Balance sheets of local governments and local governments of minorities Expenditures 2000 2001 approved 2001 2002 expected 2003 approved Regular personnel payments 374644,0 415680,0 452917,5 632600,0 805270,0Non-regular personnel payments 99379,6 99632,0 109931,8 120000,0 120000,0External personnel payments 21737,6 22473,0 24096,5 25000,0 25000,0Total personnel 495761,2 537785,0 586945,8 777600,0 950270,0Social Security Contribution and Employer's Contribution 173474,6 177489,0 193643,1 241050,0 322430,0Health Contribution 25989,6 25353,0 27214,0 30030,0 23170,0Social Security Contribution, employer's contribution and health contribution 199464,2 202842,0 220857,1 271080,0 345600,0Operations and Maintenance 396890,7 373007,6 424685,2 437700,0 448700,0Balance of VAT on operational purposes 66294,6 62200,0 73623,3 75800,0 77200,0Other current expenditure 12314,4 13500,0 15149,7 15500,0 15500,0Interest Payments 9258,0 6000,0 9499,4 6200,0 6200,0Total operational 484757,7 454707,6 522957,6 535200,0 547600,0Current (operating) expenditures 1179983,1 1195334,6 1330760,5 1583880,0 1843470,0Purchases of land, tangible and intangible assets 186651,0 165987,9 236835,6 222455,2 175847,4Purchases of shares 4302,3 5000,0 8376,4 6000,0 6000,0Capital transfers within state budget 1228,6 4000,0 1028,0 1000,0 1000,0Capital transfers to central budget authorities 1194,0 3518,0 837,6 3432,0 3432,0Capital transfers to Social Security Funds 2,1 0,0 2,5 0,0 0,0Capital transfers to extra-budgetary Funds 32,5 482,0 187,9 468,0 468,0Capital transfers outside government 36398,0 33500,0 36168,3 36000,0 36000,0Renovation of fixed assets with great value and their VAT 49125,3 45300,0 50800,8 41814,0 41000,0Balance of VAT on accumulation purposes 42884,7 40000,0 52410,6 51000,0 39860,0Capital expenditures and expenditures on accumulation purposes 320589,9 293787,9 385619,7 358269,2 299707,4Extragovenmental transfers on operational purposes 43088,9 34100,0 67328,3 73500,0 75000,0Intragovernmental transfers on operational purposes 2010,1 2400,0 2217,0 2500,0 2600,0To central budget authorities 1321,5 1823,0 1900,0 1900,0To Social Security Funds 133,0 444,0 462,0 462,0To extra-budgetary Funds 555,6 133,0 138,0 138,0Social policy transfers 89624,7 120075,0 96026,6 118000,0 132188,0Cash grants to households 5165,0 5000,0 5812,0 6250,0 6500,0Total grants, deductions and other current transfers 139888,7 161575,0 171383,9 200250,0 216288,0Total current, capital expenditures and expenditures on accumulation purposes, grants, deductions and other current transfers 1640461,7 165697,5 1887764,1 2142399,2 2359465,4general and special reserves 3500,0 Lending 10632,0 14680,8 12000,0 Total expenditures (GFS) 1651093,7 1654197,5 1902444,9 2154399,2 2359465,4Loan repayments 13388,8 12000,0 17887,8 10000,0 15000,0Purchases of long-term maturity securities, state bonds, other 32933,3 10000,0 26223,5 6000,0 6000,0Balance of buying and selling of short term securities 7263,8 5000,0 5000,0 5000,0Total outlays 1704679,6 1681197,5 1946556,2 2175399,2 2385465,4Closing money stock 131525,3 178497,0 Total 1836204,9 1681197,5 2125053,2 2175399,2 2385465,4Quelle: Materialien übergeben von Rozsi (2003) aus ungarischem Finanzministerium.

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Anhang G: Vigvári (2003) zur Einkommensteuer

Die 40% der Einkommensteuereinnahmen, die an den Municipalities zugeteilt sind, werden nicht nach

einem Mechanismus auf die einzelnen Municipalities verteilt. 37,5% dieser Einkommensteuereinnah-

men werden an die Municipalities als Produkt eines pauschalen Pro-Kopf-Betrages und der Anzahl der

Bürger der Municipality verteilt. Die verbleibenden 62,5% werden als Produkt aus pauschalem Pro-

Kopf-Betrag und der Anzahl der Schülerinnen und Schüler in Primary Schools verteilt. Doch diese

Beschreibung ist sehr unpräzise, denn es gibt einen Korrekturmechanismus bei der Zuteilung der Re-

venue Shares auf die einzelnen Municipalities.

Für jede Municipality wird die sog. Tax Power Ability berechnet. Die Tax Power Ability ist eine fikti-

ve Größe, die sich aus zwei Summanden zusammensetzt. Der erste Summand sind mit den Zuweisun-

gen der Einkommensteuereinnahmen, die als Produkt eines pauschalen Pro-Kopf-Betrages und der

Anzahl der Bürger der Municipality verteilt an die jeweilige Municipality gezahlt wurden als vorerst

realer Betrag. Der zweite Summand ergibt sich mit den Einnahmen einer Municipality aus der lokalen

Unternehmensteuer. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden:

a) die Municipality macht von ihrem Recht Gebrauch und erhebt die lokale Unternehmensteuer.

Dann bilden diese Einnahmen den zweiten Summanden.

b) Die Municipality erhebt keine lokale Unternehmensteuer. Hier wird für den zweiten Summan-

den eine Hilfsgrösse herangezogen. Anstelle der Einnahmen der lokalen Unternehmensteuer

werden 1,2% des gesamten Einnahmen der Körperschaftsteuer, die von der Zentralebene er-

hoben wird, als Summand verwendet.1

Liegt die Tax Power Ability einer Municipality unter 60% des Durchschnitt der Tax Power Ability der

Municipalities gleicher Größe, d.h. Stadt, großes oder kleines Dorf, so wird fliessen ihr zusätzlich zu

den als Produkt eines pauschalen Prokopf-Betrages und der Anzahl der Bürger der Municipality ver-

teilten Revenue Shares weitere Zuweisungen zu. Entsprechend wird bei einer Tax Power Ability über

100% eine Kürzung dieser Zuweisungen vollzogen.

1 Vigvári (2003) betont, dass dies nur möglich ist, da sowohl die Zentrale Steuerbehörde über die notwendigen Informationen der Körperschaftsteuer und damit der Daten über die Unternehmen in einer Municipality verfügt.

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XIII

Interviewpartner

Dr. Lázsló Balogh Budapest University of Economic Sciences and Public Administration Interview am 03.02.2003 (2003) Interview am 05.02.2003 (2003a) Interview am 07.02.2003 (2003b)

Dr. Zsófia Kiss Ministry of Finance – Hungary Department for Duties and Local Taxes Interview am 05.02.2003 (2003)

Prof. Dr. Dietmar Meyer Budapest University of Economic Sciences and Public Administration Interview am 07.02.2003 (2003)

Frau Judit É. Rozsi Ministry of Finance – Hungary Deputy General Director Local Governments and RegionalDevelopment Department Interview am 05.02.2003 (2003)

Dr. Jószef Sivák Prime Minister’s Office Chief Advisor of the Cabinet Office Interview am 06.02.2003 (2003)

Herr Sándor Temesi Press Chief of IXth District/ Ferencváros Interview am 03.02.2003 (2003)

Dr. András Vigvári ÁSZ FEMI Research and Development Institute of the SAO Senior Advisor Interview am 04.02.2003 (2003)

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BERG Working Paper Series on Government and Growth

1 Mikko Puhakka and Jennifer P. Wissink, Multiple Equilibria and Coordination Failure in Cournot Competition, December 1993

2 Matthias Wrede, Steuerhinterziehung und endogenes Wachstum, December 1993

3 Mikko Puhakka, Borrowing Constraints and the Limits of Fiscal Policies, May 1994

4 Gerhard Illing, Indexierung der Staatsschuld und die Glaubwürdigkeit der Zentralbank in einer Währungsunion, June 1994

5 Bernd Hayo, Testing Wagner`s Law for Germany from 1960 to 1993, July 1994

6 Peter Meister and Heinz-Dieter Wenzel, Budgetfinanzierung in einem föderalen System, October 1994

7 Bernd Hayo and Matthias Wrede, Fiscal Policy in a Keynesian Model of a Closed Mone-tary Union, October 1994

8 Michael Betten, Heinz-Dieter Wenzel, and Matthias Wrede, Why Income Taxation Need Not Harm Growth, October 1994

9 Heinz-Dieter Wenzel (Editor), Problems and Perspectives of the Transformation Process in Eastern Europe, August 1995

10 Gerhard Illing, Arbeitslosigkeit aus Sicht der neuen Keynesianischen Makroökonomie, September 1995

11 Matthias Wrede, Vertical and horizontal tax competition: Will uncoordinated Leviathans end up on the wrong side of the Laffer curve? December 1995

12 Heinz-Dieter Wenzel and Bernd Hayo, Are the fiscal Flows of the European Union Budget explainable by Distributional Criteria? June 1996

13 Natascha Kuhn, Finanzausgleich in Estland: Analyse der bestehenden Struktur und Über-legungen für eine Reform, June 1996

14 Heinz-Dieter Wenzel, Wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven Turkmenistans, July 1996

15 Matthias Wrede, Öffentliche Verschuldung in einem föderalen Staat; Stabilität, vertikale Zuweisungen und Verschuldungsgrenzen, August 1996

Page 155: Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie … · 2010-06-28 · Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns von Sibylle Wagener ∗ Abstract

16 Matthias Wrede, Shared Tax Sources and Public Expenditures, December 1996

17 Heinz-Dieter Wenzel and Bernd Hayo, Budget and Financial Planning in Germany, Feb-ruary 1997

18 Heinz-Dieter Wenzel, Turkmenistan: Die ökonomische Situation und Perspektiven wirt-schaftlicher Entwicklung, February 1997

19 Michael Nusser, Lohnstückkosten und internationale Wettbewerbsfähigkeit: Eine kritische Würdigung, April 1997

20 Matthias Wrede, The Competition and Federalism - The Underprovision of Local Public Goods, September 1997

21 Matthias Wrede, Spillovers, Tax Competition, and Tax Earmarking, September 1997

22 Manfred Dauses, Arsène Verny, Jiri Zemánek, Allgemeine Methodik der Rechtsanglei-chung an das EU-Recht am Beispiel der Tschechischen Republik, September 1997

23 Niklas Oldiges, Lohnt sich der Blick über den Atlantik? Neue Perspektiven für die aktuelle Reformdiskussion an deutschen Hochschulen, February 1998

24 Matthias Wrede, Global Environmental Problems and Actions Taken by Coalitions, May 1998

25 Alfred Maußner, Außengeld in berechenbaren Konjunkturmodellen – Modellstrukturen und numerische Eigenschaften, June 1998

26 Michael Nusser, The Implications of Innovations and Wage Structure Rigidity on Eco-nomic Growth and Unemployment: A Schumpetrian Approach to Endogenous Growth Theory, October 1998

27 Matthias Wrede, Pareto Efficiency of the Pay-as-you-go Pension System in a Three-Period-OLG Modell, December 1998

28 Michael Nusser, The Implications of Wage Structure Rigidity on Human Capital Accumu-lation, Economic Growth and Unemployment: A Schumpeterian Approach to Endogenous Growth Theory, March 1999

29 Volker Treier, Unemployment in Reforming Countries: Causes, Fiscal Impacts and the Success of Transformation, July 1999

30 Matthias Wrede, A Note on Reliefs for Traveling Expenses to Work, July 1999

31 Andreas Billmeier, The Early Years of Inflation Targeting – Review and Outlook –, Au-gust 1999

Page 156: Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie … · 2010-06-28 · Fiskalischer Föderalismus Theoretische Grundlagen und Studie Ungarns von Sibylle Wagener ∗ Abstract

32 Jana Kremer, Arbeitslosigkeit und Steuerpolitik, August 1999

33 Matthias Wrede, Mobility and Reliefs for Traveling Expenses to Work, September 1999

34 Heinz-Dieter Wenzel (Herausgeber), Aktuelle Fragen der Finanzwissenschaft, February 2000

35 Michael Betten, Household Size and Household Utility in Intertemporal Choice, April 2000

36 Volker Treier, Steuerwettbewerb in Mittel- und Osteuropa: Eine Einschätzung anhand der Messung effektiver Grenzsteuersätze, April 2001

37 Jörg Lackenbauer und Heinz-Dieter Wenzel, Zum Stand von Transformations- und EU-Beitrittsprozess in Mittel- und Osteuropa – eine komparative Analyse, May 2001

38 Bernd Hayo und Matthias Wrede, Fiscal Equalisation: Principles and an Application to the European Union, December 2001

39 Irena Dh. Bogdani, Public Expenditure Planning in Albania, August 2002

40 Tineke Haensgen, Das Kyoto Protokoll: Eine ökonomische Analyse unter besonderer Be-rücksichtigung der flexiblen Mechanismen, August 2002

41 Arben Malaj and Fatmir Mema, Strategic Privatisation, its Achievements and Challenges, Januar 2003

42 Borbála Szüle 2003, Inside financial conglomerates, Effects in the Hungarian pension fund market, January 2003

43 Heinz-Dieter Wenzel und Stefan Hopp (Herausgeber), Seminar Volume of the Second European Doctoral Seminar (EDS), February 2003

44 Nicolas Henrik Schwarze, Ein Modell für Finanzkrisen bei Moral Hazard und Überinves-tition, April 2003

45 Holger Kächelein, Fiscal Competition on the Local Level – May commuting be a source of fiscal crises?, April 2003

46 Sibylle Wagener, Fiskalischer Föderalismus – Theoretische Grundlagen und Studie Un-garns, August 2003