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Eulogius [microform] : Drama - University Library...T">•ijrHKs EinMannausdemVolkeinStrassburg ^inealteGärtnerin DerBürgerRobespierre FünfRevolutionsrichterinP^ris DerStaatsbüttel

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  • dEulogiusDrama

    Don

    (Eduard Ißeinacher

    Den BOhnen oegenober als manusKrtpt vervieiiaittgt.

    Diese« Manuskript darf vom Empf&nger weder verkauft noch ver-liehen werden. Wird das Stfick nicht zur Anffflhmng angenommen, soist das Mannskript an den Verlag znrflckznsenden.

    Das Ausschreiben der Rollen ist nicht gestattet.Das Aufführungsrecht ist allein zu erwerben, das Material s.a be-

    ziehen vomChronos Verlag G. m. b. H.

    Stuttgart, Neckarstr. t21-123.

  • f .)-.] :;-".*--''>}t^:^i

  • Oo ' \Personen:

    Sulogius Selineider'n

    Seine' SchTOster . >i

    äuerkel, sein SchreiberJoseph StP-iuta, Bürger in Barr2iiifli StaiDia, seine FrauSarah Stamci, seine TochterSine Gruppe von Anhängern des SulogiusJlhel und Sohorsch, seine Gehilfen

    ^ 12in Lockspi-UelDer Strassburjer Henker

    '^'i Poliz isten-> ifäscher, erster, zinoiter, dritter Führer derselben

    Der Schmied -von Klingental^ ?in alter Ikiagister

    •N i^eister Balz er:^ 'Sinige Burschen

    Volksmenge in StrassburgJionet, Biirgerraeister in Strassburg

    ^ Volksabg^ordnete, revoluticmäre /mtspersonen

    JRin Pariser RepräsentantRepublikanische Reiter^in ISinzelner (lange Nase, tief beschattete Augen,^ «Bissliche Ohren, schvranes illeid)

    ^ St. Just und Lebas, VolksrepräsentantenDer Bürger OberlinDessen Schwester c

    . vj ^in Steinfäler V

    ^^ Der Pfarrer von DorlisheifflVolk in Dorlisheiia^uünstertäler Burschen und toädohenDie Nationalgarde von BarrPestgäste in BarrEin Gardist •

    Adaaij Sohang, Toni, Mbros, Gardisten

    ^^5!

    [ •iS:J,^iäf',- AÜL-üi, ':^tt-

  • !• T ">• ijrHKs

    Ein Mann aus dem Volke in Strassburg^ine alte GärtnerinDer Bürger RobespierreFünf Revolutionsrichter in P^risDer StaatsbüttelSeine z-./ei KnechteHenker von PnrisStimme eines Büttels

    Zeit: Französische Revolution.

    Orte: Strassburg, Klingental, Münster,Dorlisheim, Paris.

    Zur Spielführung:Gegenwartstempo, nicht historischesGenrebild

    !

    '..'enige Dekorationen.

    Die Uärmszenen sind entsprechend den Büh-nenverhiältnissen p.bzutönen. Der Lärm d^rf das'•Ithos der Situationen nicht ersticken, es rauss .vielmehr dieses in den Lautgebungen der Massenseinen mächtigsten Atom finden.

  • 'WT¥WTlW'

  • ' "^' 'm~T'^^t!«f

    - 2 -

    unter euch installiert und über der Frei-heit gewacht? (^r weint betrunken auf.)Und im Schlafe wolltet ihr mich verratenan die schändliche Oe sterreicherin, anden mordschnaubenden Capet, an ihren par-fürastinkenden Zuhälter, den Affon Diet-rich! - Aber ich habe gesiegt l Der Argeswar ein halbes Stündchen früher auf alsdie gegen das Licht verschworene Bande,die Sonne ist aufgegangen, obwohl die Fle-dermäuse sich verschworen hatten, und dasAngesicht der heiligen Mutter des Lebenswar rot vor Zorn über den tückischen Mord!ITöpflein ab, Herr Capet ! Grüsse die Frei-heit 1 - Kopflein ab, Frau Oesterreicherin,nimras an den Haayen und legs in den Korb,die Freiheit sammelt reifes Obst ! - Köpf-lein ab, süsser Dietrich! Legs deiner

    / Holden zu Füssen und fahre im monarchi-stisch konstituierten Jenseits fort, derHochgeborenen deine Anbetung zu widmen! -

    Strsssburg, ich fordere dich auf, mit mireinzustimmen in den Fluch der TDwigkeitengegen die Wiener Harensohande ! Denn ichvorkündige euch, dass ich euch alle be-freien werde, und wenn nicht einer eurerK'dpfe dabei auf dem Stengel bliebe! (Dader alte J/Iagister des Weges herkommt)He! Ha! Heia! Was willst du von mir? Wasvertrittst du mir den Weg?

    DER ALTS MAGISTER: Ich vertrete dir nicht den Weg,ich ging friedlich an dir vorbei. Aber dugehst auf mich los wie ein Oger und bla-sest mir deinen Dampf ins Gesicht ! Tifassoll's, Kirger?

    EüLOGIüSi Leugnest du, Mistkistler von einem Gi-

  • - 3 -

    rondisten? Du willst was von mir! Herausmit dar Sprache! (Er zieht den Säbel, be-droht den Magister.

    )

    D^S MAGISTER ! Ich will von dir nicht raehr sls vonsllen.

    BüLOGIUS: Und wss willst du von allen.' ...ach keineAusflüchte, du dunkler Naohthund, oderich stecke dir einen eisernen Brocken indie Zähne, dass du die Ev/igkeit lang da-ran kauen sollst! ''.'ias hast du angez eile It

    ,

    um nioine Sicherheit zu bedrohen'?DER MAGISTER: Sicherheit bedrohen.'' '«ie soll ich

    . . denn das machen, du Simpel, wenn mir dieOhren heulen vor liinger? De musst du dichan Leute wenden, deren Geschäfte bessergehn als meins, neugebackene Bürgermeisteraus der Savauerei und so! Ich bin ein ar-mer Teufel, und die beissen niisht...

    EULOGIUS: Also anbetteln willst du michVDER MAGISTER: ¥eils doch Nacht ist und man einan-

    der nicht genau sieht, warum nicht? AmTag würde ich mich schämen, aber in derNacht sind alle Bettler grau.

    EULOGIUS I Ich gebe nichts. Wer nicht arbeitet,der soll auch nicht essen, das ist derAnfang der Freiheit.

    DfiR MAGISTER: Mein anaer Kopf arbeitet Tag undNacht. Aber war hat eine Anerkenntnisdafür?

    EULOGIUS: Die Arbeit des Geistes wird umsonst ge-leistet. Anspruch auf Versorgung durchdie Gesellschaft kann sich nur auf realeLeistungen gründen. Ich werde ernährt

    . . für meine Arbeit, die Ratten des Volks-verrats aus ihren Löchern zu treiben.^Meine Freiheitsgesänge spritze ich ohne

  • r -•'r*?»

    « 4 •

    Entgelt in die Menschheit hinaus.DER M'^GIST^jRi Ich aber habe die Bettler lieb.BULOGIÜS: Ilab ich dich? Bettler... hast sie

    lieb? Die Reden kennt man! Du bistdas gefährlichste Individuunij des sichini Dunkeln der Erde herumtreibt... (Fasstihn am Halse. ) Gesteh! Du bist der liebeGott

    !

    DER MAGISTER : ( Bchwe igt .

    )

    EÜLOGIÜS: Gesteh!DER MAGISTER: (schweigt.)EULOGIüS: Ich kenne dich, Bürger Deus! Ich habe

    dich lange genug vor daa Altare ange-plärrt ? 1/ie oft habe ich dich geciacht,wenn ich das Sprüchlein quäkte und dasZibörchen schwenkte! Ich sagte das Sprüch-lein, und du warst geniacht und hattestdazusein, ob der Eulogius nun die Nachtdurohgesoffen hatte oder nicht. Dea Be-fehle des Priesters konntest d« dichnicht entziehen. Ach du lieber Gott, wasbist du doch für ein armer Teufel f Aberdas hast du ja eben selber gesagt... Nun,ich beschäftige mich nicht mehr mit dir,von mir aus wirst du nicht mehr in jeneSchraube geklemmt... Aber was solls jetzt?

    , He? ! Du solltest dich schämen, mir vorder Türe herumzustehnj Du weisst, dassdu abgesetzt bist! Halte dich an das Dei-ne, bewohne in Frieden die Vergangenheitund mische dich nicht in die Gegenwart,die dir so untersagt ist wie die Zukunft

    !

    Bist du abgesetzt oder nicht? Kannst dudich verteidigen? Bist du zu Rocht abge-setzt oder nicht?

    DER MAGISTER: (schweigt.)

  • - 5 -

    EULOGIUS: Du h>3st deine Sache schlecht gemacht.V.'enn dich einer fragen sollte: der Sulo-gius hat's gesagt und steht dafür ein.Imraer h?ir>t du dir die olondesten Indivi-,duen zu deiner Vfrtrstunt;; ausgesucht.Soll ich dich ?n den Sohnösmörder Abrahs!^erinnern, an den Betrüger Jakob, an denzweifelhaften Josef, den Silberdieb Liau-sche, den Ehebrecher Dawid? Ich will dieListe deiner Ausenvählten nicht fortset-zen. - - die Beispiele stinken aus derjüngsten Vergangenheit in unsere nochnicht ganz gesäuberte Gegenwart hinein!

    DER i-iAGISTSR: (schweigt.)EULOGIUS t Erleuchtete K'öpfe dagegen hast du stets

    abgelehnt. Den hochbegabten Istaael lies-sest du um eines sehr zweifelhaften Erbenwillen in die \Juste Verstössen. JenenJesus liessest du aci Kreuze verschmachten,indes du weichlich auf die Trauergesängedeiner Erz-Pensionsbeziehcr lauschtest.Und um von mir zu reden, was hätte ichaus der Hdrde deiner Christen machen kön-nen, wenn ich freie Hand gehabt hätte!Aber du liessest es zu, dass dein hoherOberhirte laich von der Bonner Universitätfortekelte I Da half keine Emser Punktation,ich musste fort, und das Volk musste indie alte Finsternis zurückgestossen wer-den. Und wie sch'ön war es am Rheine. . .Gottogott, das liebe, herrliche, schnucke-lige Bbnnchen!

    DER MAGISTER: li^.s ist B'önnohen?EULOGIUS: Kurz und gut, du bist abgesetzt und

    wirst ersetzt, und wer auf dich versessensein will, dem wird das Xöpflein herunter-

  • 1-7W^

    gesetzt und er selber durch einen besserzu erziehenden NachvAichs fortgesetzt,Punktum, Strich. Punkt ist die Guillotine,Strich ist die bessere Zukunft. BastalIch habe lejige genug mit dir geschviätzt.- Melde dich morgen bei den "öffentlichenArbeiten, wenn du Beschäftigung suchst.Gute Nacht, lieber Gott!

    DER M/.GISTER: Gute Nacht, Herr Pfarrer!EÜLOGIOS: (kommt zurück) Was? Pfarrer hast du ge-

    sagt? Bin ich ein Pfarr? Biri ich deinPfarr? He? Willst du .Ansprüche auftun?Ich v/ill dir eins sagen und das andereauch gleich: du bist nicht, und ich bindein Pfarrer nicht. Ich will dir gestehen,ich hebe heute noch gewisse Sympathieenfür dich übrig - aber du bist nicht, dieSympathieen sind gegenstandslos und wer-den zum Schweigen verwiesen, ^^enn du abernoch nicht glauben solltest, dass du nichtbist, so soll dir binnen sechs Monatender gründlichste Beweis erbracht werden,mit dem in der Tasche du dich getrost indas Erbbegräbnis des Arimathia begebenkannst, um deinem Sohne Gesellschaft zuleisten, mit dessen Namen so herrlichSchindluder gespielt wird. ¥etten: Schlagein! Birnen sechs Monaten bist du über-zeugt und futsch!

    DER MAGISTER: (schlägt ein.) In sechs Monatensehn wir uns wieder. (Die Münsterglockeschlägt.) Eins - zwei - drei. In sechsMonaten um drei Uhr in der Nacht. AufWiedersehn, Eulogius

    !

    EüLOGIUSi Ab! (Er schickt einen Fusstritt hinterihm her.) Du Zottel! Du Trottel! Narr,

  • - 7 -

    abgesetzter, Gespenst! Larve aus Oeschlechts-schXeiji und Pfaffenbetrug! Bastard derMesse! Es ist unerhört, wss für Indivi-duen den heimkehrenden Bürger belästigen.Aber das kommt von der elenden Strassen-be leuchtung in diesem Knausernest. Ha!Ihr sollt mich kennen lernen! Euch willich aufklären, dass ihr mit den Füssensehn k'önnt, wo Barthel den Most holt!(Er länat an seiner Haustüre.) IVo istdas Schlüsselloch?

    DK SCHviSSTER DES EULOGIÜS: ("öffnet von inne«.)Bist du es, Hansj'örg?

    EULOGIÜS: Ich bin der Johannes Georgius Schneide- , _rus EulogiuB exzellentissimus citoyen \ iBürger... Sohwesterle, ich bin beleidigt %\worden! (Fällt ihr um den Hals, mit ihr v^' "^

    hinein.) '^|(Sine Minute Zwischenvorhang bei verdun- f^kaltem Hause. Dann: derselbe Schauplatz.Man h'ört Tosen von ferne und aus der Nä-he einige grelle Pfiffe.)

    EULOGIÖS: (reisst ein Fenster auf, schreit aufdie Strasse herab) luer pfeift denn da?

    .Hier pfeife ich! (Er versucht zupfeifen.) Hier pfeife ich, sag ich,und sonst pfeift hier keiner! Ich pfeife,und ich tanz ! Ich bin der Bürger 'öffent-licher Ankläger! Wer nicht tanzt, denklage ich an, der tanzt auf die Küi^ungs-bank! Tanze, Bürgermeisterchen, tanzt, ;.Bürger Munizipalräte, tanze, Kanaille! "*^

    Blessing, alter Affe, her zum Tanz 1Meinst, du kannst dich drücken, weil du ^mir zu der Pfarrei geholfen hast! Ich '^will dir die Platte heizen, alter Bär!

  • 'T^TTS? '^iW-vi

    - 8 -

    Was die Luft dick ist! Nirgends in derWelt ist die Luft so dick wie in dieserTrerwUnschten neuen Heimatstadt meinerzarten Selbheitf '.ler kann noch abaen,wie sich's gehört, wenn er zv/ei Jahre indiesen Dünsten raitgebrodelt hat! DieseStadt hat zu viel Wasser! Deshalb sind«ie auch so aufgeschvremait und verfressen.

    Argentina! Mein Argentinchen, konimtkiit avifs Guillotinchen, ich will dir zurAder lassen, denn du bist zu voll! (?,terbricht sich auf die Strasse hinab.)Die Luft ist ganz dick! Diese protestan-

    l tischen Dickköpfe haben die Apokalypsemeuchlerisch in ihren magenst impfendenDialekt übersetzt, davon ist alles sozugesohwollen! Mädel, hebe das Röckchen,denn das Geheimnis der Glückseligkeitmuss apokalyptiert werden. o (gähnt.;

    MEISTER BALZERs (ebenfalls betrunken) loh willheim. Ich will heim, no ich daheim bin.Ich will doch sehn, ob ich daheim bin,wo ich daheim bin, oder wer da d'\heimist, wo ich daheim bin! (lür rutscht aus,fällt.) Sauerei! Sauhund! Dreckspatz!

    EULOGIüSi Bist du noch da? \i&s willst du dennnoch?

    BALZBRi Wenn man kotzen muss, kotzt man mittenauf die Strasse und nicht neben hin, woehrliche Bürgersleute heimgehn wollen.

    EULOGiaS: Bist du's?BALZER: Ja, ich. Ich bin der Citoyen Meischter.BÜLOGIÜS: Du wirst abgeschmackt mit deinen Wie-

    derholungen. Ich habe dir gesagt, dubist nichts! Du bist weder Meister derLage noch ein Meister überhaupt. Was

  • — 9 -

    krakehlst du noch? Kein Urteil über dichsteht fest, und ich sage dir, dass du esin sechs ilonaten grinsend oder blinsendbestätigen wirst i

    BALZEE» Du hast mir überhaupt nichts zu sagen.Korm;i herunter und bringe einen nassen Lap-pen mit, dass du mich abputzest, denn duhast iaich angspucict, du Schiaierfinlc, duSüffel!

    EULOGIÜS« loh spucke, so viel ich spucken will!'s trifft allemal einen verfluchten Ari-stokraten wie dich!

    BALZER: Du trauriger KaiblEULOGHJS: läache keinen Kralcehl und gehe heiia!B-AI2ERs Ich bin ein angesessener Handvförksaie ister,

    mein Vater ist auch ein angesessener Hand-werksmeister ge^resen, und ich brauchenicht in deiner Lache heruiozusitzen, wannich heimgehn will, wo ich daheLa bin,du Horgeloffener!

    EULCXjIÜSt Das hast du zum Bürger Sulogius gesagt!BALZER» Bißt du der Heilohgius?EüLOGIUS: Du sollst es schauerlich begreifen!BALZEE» Mörder, Schuft, Presser, Säufer, verhur-

    ter Pfaff , Bedrücker, Dieb, Stehler,Wackes, Tyrann!

    SULOGIUS» (weint betrunken) V«as hast du gesagt!BILZER» Sch'ädlicher Meltau! Tirann! Tirann! Tirann!

    Kotz auf die Jiensohen, verschwelgter Ti-rann !

    SULOGIUS» Citoyen Meistor, du hast die Freiheitin meiner Person beleidigt ! Ich klage dichder aristok»atischen Umtriebe an und ver-urteile dich zum Tode. (Er schwenkt denSäbel vor dem Fenster.

    )

    BALZER» Du Stinker! Mit dem Tasohentüchel in der

  • PJ;^ -™.,~...Tr-..(j-,^,, I 1^ i'-K'!'\*M^'i\/Jll^WflVI.'!n '

    - 10 -

    Hand bist du vom Rollwagen herabgosprun-gon, wo du dich angehenkt hattest, undjetzt luaohst du den Herrn! Aber dasLand ist ja nur da, dass jeder harein-läuft, sich mästet und die eingosessenenBewohner schindet! Du Räuber! Du hastBlut und Tränen über die Häupter derFamilien gebracht ! Du hast in der Stadtgeh'iust wie ein Erdbeben! Du bist derVerderber, du V/aisenraacher. .

    .

    EULOGIÜS: Vater der ".'aisen, das bin ich!B'LZER: Du verdirbst uns alle ! Ich vorfluche

    dich! Noch einmal Tirannl Zehnmal Tirann!Tausendmal Tirann! In die TCwigkeit sol-len dir die Ohren göllen, ich verfluchedich! Tirann, Tirann, Tirann!

    ÜIULOGIÜS: Da! (Er wirft den Säbel.)BALZER: (schreit auf) Ich bin gestochen! Jetzt

    hat er mich auch noch umgebracht

    !

    EULOGIüSt Hat's diohj .BALZER I Tirann!DIE SCHVESTERf (neben Eulogius am Fenster) Um

    Gottes willen, was ist gesohehn?EULOGIUS: Hebt ihn auf!BALZER: Er hat mich mit dem Säbel geworfen! Er

    hat einen eingesessenen Bürgersmann umsLeben gebracht! (Wimmert.)(Eulogius mit der Schwester aus der Tü-re.)

    EULOGIUS: Bist du's, Bürger?BALZER: Du hast ^ich umgebracht! Dich soll die

    Furi sehlagen

    !

    DIE SCITv/ESTER: Da liegt der Säbel. Der Mann istnicht getroffen!

    EULOGIUS: Du!BALZER: Ich!

  • - 11 -

    EÜLOGIÜS: Ich bin doch kein Tirann!BALZERi Du bist kein Tirann? Dann ist der Diet-

    rich einer in der Kalkgrube, wo ihr ihnverscharrt habt 1

    EüLOGrIUS: Ich bitt ditih, üann! Ich liebe alle gu-ten Menschen!

    BALZER j Du fährst mit deiner Guillotine im Landherum und machst alle guten Ivienschen hin,du Bluthund!

    EULOGIUS: (zur Schwester) Das ist mein Lohn indieser Vielt der Meister, der Eingesesse-nen, für die ich mich verzehre! Ich machesie zu Menschen, und sie heissen mich ei-nen Bluthund! Ich bin ein Mikan, dennich nähre euch ündsinkbare mit dem Blutemeines weichen Herzens und führe dasSchwert gegen meine Natur

    !

    BALZER« Yiias bist du? ..EULOGIüS« Ein Pelikan!BALZER» Nein, ein Tirann!

  • -r^f^mf:'

    - 12 -

    sehe Rufe ! Es ist ein grosser Lärm in derStaat! (Der Lärm Wächst.) Das koratat vondrüben her - wo -wir die Guillotine aufge-stellt hsben. . . Da hat am Ende die vYachegeschlafen... Ich hin nüchtern! - Ichgehe, nach dem Rechten zu sehn!

    «:iN BURSCIS: He du!15UL0GIÜS: :/as treibst du um die Zeit suf der

    Str'^sse, junger BürgerJBURSCHE: Ich trage meine Läuse an die Luft, sie

    können die Sonne nicht leiden. Bist duder ^logius?

    EüLOGIüSi Du kennst mich!BURSCHE: '-Jeisst du, was das für ein Krach ist?EULOGIüSs Das wird sich findm!BURSCHE: Soll ich dir's sagen?SULOGIüS: Ich werde selbst zusehn.BURSCHE: Das sind lauter Burger Bürger, die brül-

    len so viehmässig da. Sie haben sich aufdem paradeplatz versammelt, um sich inder Marseillaise zu üben. Da h"t sich ei-ner den Knochen an die Guillotine gestos-sen, der brüllt so, und die andern helfenihm. Ich habe gehört, sie führen diesch'öne Maschine die Minstergasse heraufund wollen den Heuloohs vor seinem Hausemotzen. Sie singen ein ganz neues Revolu-tionslied, das heisst» Heuloohsiüss zumLnnd n'iss ! Es geht fast wie die Carraagnöle,wenn man' s so singt!

    EULOGIUS: (sucht ihn am Kragen zu fassen) Dirwill ich Musik beibringen!

    DER BURSCHE: (entspringt) Heulochsiüss zuai Landnüss !

    EULOGIUS: Dich treff ich wieder einmal! Dein Ge- .sieht kenn ich!

  • -13 -

    BURSCHE« Seppel uf der ^iiese,Seppe 1 uf der Gass

    !

    Seppel he.t geschisse,Heulochs, merkst du das?(Er pfeift grell. Zahlreiche 2chos ausden Gassen. Schreien und Laraien. Man hörtdas Tosen dar auf plumpen Rädern rollen-den Guillotine.)

    DIE SCH-iESTER: Komm, Eulogius !EULOGIUS: Hier steh ich!DER BURSCHE:

    Nehmt den Heulochs sein SäbeleUnd paolct ihn auf ein "vägeleUnd leert ihn in den Rhein,Da gh'drt der Schuft hinein!

    EULOGIUS« (sohiesst gegen den Burschen. Dieserbrüllt Spott zurück.

    )

    iiENGE AUS DEM GASSEN: Eilogiüss zum Land nüss!(Tiederholt.) ;,

    DIE SCHiiESTER: Hinein, Eulogius! was stehst dudem feigen Pack?

    BAIjZERj Der Spatz kommt! Hörst ihn brummen? DerSpatz! Gleich sperrt er den Schnabel auf!

    EULOGIUS: Da ist mein Posten! (Schultert den Sä-bel.)

    BALZER: Hörst du*s rollen? Das ist das iv'ägele,wo das Gälgele mit dem rutschi^en^iesser-le draufsteht, da legen sie dich gleichdrunter I ~-

    EULOGIUS; (gegen die andringende Menge) Viasgibt's da? Ist das ordentlicher BürgerWerk, in nachtschlafender Zeit auf denStrassen zu toben? Jeder gehe heim undhüte sich vor der Strenge des Gesetzes!

    DER BURSCHE: Das ist er! (Vdldes Pfeifen und Lär-men. )

  • * 14 -

    EULOGIUS: (den Säbel schwingend) Auseinander!(Gebrüll dar Ivlenge. Steine fliegen.)

    DIE SCfTi^STER: Hinein! (Sie reisst ^ulogius indas Haus und schlägt im letzten Augen-blick, da einige Männer sich eindrängenwollen, die Türe dröhnend zu. Gelcnirschdes Schlüssels.)

    B.ALZER: Tretet die Tür hinein! Dem Hergeloffenenseine Tür hebt doch nicht, wenn einerrecht drantritt

    !

    (Man bestürmt die Tür. Sie hält stand.Indessen kommt die ganze ifasse vor demHause zusammen. Während wie oben dasLied "Nehmt dem Ifeulochs sein Säbele"gesungen wird, führen sie die Guillotinevor dem Hause auf.)

    DIE MENGE: (nachdem die Guillotine steht) Schnie-der! Schnieder! (Rythmisch hetzendesGebrüll) Sehnieder erüssl Schnieder

    . erÜBs ! Rissen im Schnieder d Gurigelerüss! (Wiederholt.)

    BALZER: (steht, überbrüllt die andern) Rissedem Hergeloffene d Gurigel erüssl

    EULOGIUS: (am Fenster) Her, wer ein Mann ist!Hoch die Republik! Es lebe die Guilloti-ne der Republik!(Brüllen und Ansturm der Menge. DieSchwester reisst Eulogius zurück undsohliesst den Laden.

    )

    Vorhang

  • - - 15 - .

    II.

    (Der Vorhang hebt sich zwei Linuten nach Schlussdes ersten Bildes wieder. Völliges Dunkel. Das To-ben der Lenge, die Schlags, durch ^Teiche die Guil-lotine zertrürarnert -.Tird, sind vernelKiilich. Sulo-gius und die Sohvraster oiit einer ganz schvfachenLaterne.

    )

    EULOGIüS: Ich gehe zurück!DIE SCH'.SSTER: Sulogius ! Sei gut, sei vernünftig I

    Der Tag hat diwh überanstrengt, verwirrt!Du bist doch wie ein Schlafender! Lassmich dich fuhren!

    EULOGIÜS; Ich lasse mich nicht führen - vom Pfademeii.or Pflicht ab ! Ich habe Unrecht ge-tan! Ich bin ein Schurke, dass ich mitdir durchs Kuchenfenster kroch, wihrendvor dem Hause d^^s Märtyrertuui auf michwertete, nach mir rief!

    DIE SCKjESTI-^R: (packt ihn fest) KoiiivJEULOGIÜS: Begreife doch, dass ich mit Gott gewet-

    tet habe !DIE SCEvESTEH: Bürger Eulogius, du bist noch be-

    trunl'en! Bür[',cfr Eiilogius! Ich bin dieRepublik! Du weis st, dass mit mir nichtzu spassen ist! Ich befehle dir gesetz-lich, dass du dain Leben doi- r?publikani-'johen Sache er-'i tst. VorA^itsI

    EULOGIÜS: v.:-dn?DIE SCxr..ESTEl^: Zu dem Scbarkün .uonet, der väeder

    einraal gegen diol. hat hetzen lassen, ".sirv/ollen ihn mittan in der Nacht aus seiner1. airerie heraus ^ohreien und zur Verant-wortung zieh?n.

    EULOGIÜS: Ja, das wollen wir! i-^onet, nimm dich

  • ^"^^

    - 16 -

    zusammen! (Zieht den Säbel, rennt, die

    Schwester ihm nach.

    )

    DI^ SCHraSTRR: (im Abgehn) Hörst du den Krach?

    Die Guillotine stürzt?

    (Gebrüll der Men^e stuf dem fföhepunlct .

    )

    Vorhang.

  • - 17 -

    III.

    (Nach einer Pause von fünf I/linuten. - Am Parade-platz . - Dokoi-ation: ein Haus, nur von der Fassa-de zu sehn. Devor eine hölzerne Tribüne. La Hin-tergrund mit der Illusion iToiter Entfernung dieobersten Stoolrwerke und Dächer von der andern Sei-te des Platzes, darüber Horizont. - Auf der Tri-büne Eulogius, Jaonet,. Abgeordnete. - Die Buhneist gedrängt voll schweigend sohauendan Volks;auf der Strasse fahren in endloser Reihe die Kano-nen des Generals Dieche vorüber. SohiuetterndeKriegsmusik setzt von Zeit zu Zeit ein.)

    T5UL0GIÜS; Ich schtieisse euch raein Amt vor diePüsse, ihr falschen Brüder!

    EONET: (Blick.)EULOGIUS: Ich fechte nicht mit Blicken I Ich ver-

    lange, dass mir endlich Rede gestandenwird! Ich will nicht ewig der Narr sein,der auf Leder beisst

    !

    MONET« Vi/er soll dir Rede stehn? Niemand weigertsichi

    EULOGIUS I Du selbst!MONET ! Ich bin hier. Aber ich gehe dann mit dir.

    Warum hier streiten? Vielleicht ist esnicht für diese (deutet auf die kenge),was wir zu sprechen haben.

    EULOGIüSt Gerade für die ist's! ^

  • ftsy

    - 18 ^

    Augen und Mäulern her anstinkt

    !

    IdONET: (tut vornehm) Worüber klagst du?EÜLOGIÜS: Waixun ist die zerschmissene Guillotine

    vor meiner Türe noch nicht weggeräumt?MON^T: ^s wird Anstalt dazu getroffen.EÜLOGIÜS s Drei Tage lang sperrt der Tiust nun

    schon die Strasse. Kein if?.gen kann durch,und dar Fussgänger stolpert und mussklettern, um vorbeizukommen. Dabei istes den ganzen Tag eine Prozession durchdie Gasse ! Jede antirevolutionäre Kanail-le will auf meine Schande und Spott imVorübergehn herabschielen künnen. Sierülpsen vor Behagen, wenn sie sich dasGrinsen verbeissen, weil sie denken, ichsteh hinter dem Vorhang und passe auf,wer sich freut. Das ist euer Werk undAnstalt

    !

    MONET: V/essen?SÜLOGIÜS: Deins und deiner Clique!MONET: (Achselzucken.)EÜLOGIÜS: Ihr seid die wahren Beinsteller der

    ' marschierenden Freiheit! Neidisches Ge-zücht, das sich hier breitmacht wie derSchwamm im Gebälk! Ihr seid die Brems-klötze am Siegeswagen der revolutionärenInitiative! Nichts fürchtet ihr mehr, alsdass unsere Sache wirklich und gründlichsiegen könnte. Das Wasser muss trübebleiben, damit für euch was zu fischenbleibt . - Wie lange habe ich mit euch umdas Revolutionsgericht gehadert! IhrSchufte! Es gab eine Zeit, als mit weni-gen Kbpfen alles zu gewinnen war. Amersten Tag musste es heissent Kopf ab demersten Patriotenhasser, Kopf ab dem er-

  • -la-

    sten Assignatenverächter, dem erstenPreistreiber, Goldrerstecker, Viucherer!

    Die ersten hätten fallen müssen,unverzüglichi Aber Tfas habt ilir aus mei-nen Anträgen für Urteile geniacht? Zottel-gericht! Heiralichs Dietrichisten vfarendie Beisitzer, ein faulender Schwacm vonFeigheit und Gedankenlosigkeit das Ganze- - und ihr wolltet es nicht anders!Künstlich habt ihr die Frechheit deshalbaristokratischen Gezüchts grossgezo-gen, das uns jetzt übenmchert

    !

    MONETs Ich verfügte nicht über die Sinflüsse^die du mir zuzuschreiben scheinst, '«askonnte ich tun?

    SULOGIüSt Schwindler f Die 7

  • - 20 -

    nicht so?MONET» Du verd'ächtigst mich falsch. Es ist nicht

    so.

    EULOGIÜS: Dann hast du auch nicht helfen nachi. P?.ris berichten, weil ich die Umtriebo

    des Halbdunkels ans Licht riss, euch dieListe der Dietrichisten übergab, Unfrie-den wollt ich stiften unter friedlichenRepublikanern, um die Piopublik in Verwir-rung zu stürzen, sie dem Schwert der Ty-rannen zum wehrlosen Opfer zuzurichten?

    MOFilTt . Hicht ioh habe diese Schrift verfasst.EULOGIÜS: Hast du deinen Namen d?.2ugesetzt oder

    nicht? Sage immerhin nein! Ich weiss wasu ich weiss. Ich weiss Gott sei Dank auch,

    fdass ioh euoh niedergeschimpft habe, wie

    i,: ich mein Leben lang alles verie\Amderisohe

    'i Gezücht niederzusohimpfen hoffe, das sich

    Igegon mioh erheben wird. Noch bin ich der

    I!5ulogius, und noch seid ihr Gewürm! Aber

    I ich weiss nicht, ob es mich euer nooh er-r barmo, und ich bin nicht entschlossen,

    p fernerhin für euch den wilden Mann zu

    Ispielen, der die Spatzen schrepkt, bis

    \man ihn unter Hallo verbrennt. Füllt eure

    ' Augiasställe an so hoch ihr wollt, iohhabe die Lust verloren, euer Herkules zusein. Nehrat mein Amt zurück, ich habe esverwaltet wie einer, der dumm und gläubigist. Gebt es einem, der euerer Gesell-schaft würdiger ist

    !

    MONST» Bürger Eulogius, ich kann nicht denken,dass du ohne deine revolutionären ^emterleben könntest.

    EULOGIÜS: Ich habe gelebt und war jemand, ehe manvon Revolution gehört hatte. Ich war Hof-

  • - 21 -

    prediger, ich v/ar akademischer Lehrer,

    ich v/p.r als Dichtor Lehrer einer grossenNation und hsbe geistiges Licht gespen-det zum Trotz den dunkeln Verhältnissendes bürgerlichen Lebens in jenen Land-strichen. Ich habe die Fackel hochgehal-ten und nicht nach rechts und links go-sehn, sonst \'f&re ich heute Bischof undmorgen Kardinal. Ich h-^be es nicht be-gehrt - und ich begehre heute nicht, Koa-misBar eines Volkes zu sein, das iuir itiss-trauen und Uebelvfollen täglich vor dieTüre streut. Lasst mich als Tagelöhnermein Brot verdienen oder die Kn'äbleinlesen und schreiben lehren! Ich bin re-signiert !

    MONET: Du hast den Repräsentanten 'öfter solche^Äinsohe nicht vorenthalten. Es ist mehr-mals darüber nach Paris berichtet worden.Man hat es nicht für gut gefunden, aufdich zu verzichten. Man glaubt, dass dumanche Schwierigkeiten und unvermeidlicheVt'idrigkeiten infolge deines feurigen Teu-peramentes zu wichtig nimmst, dich da-durch erschrecken und aufreizen lassest.Aber eben dieses feurige Temperament hatdich ja der Revolution in die Anae getrie-ben, und um dieses Feuergeistes vrillenkann auch die Not und 6ef«hr leidende Re-publik auf deine wichtigen Dienste nichtverzichten. So meinte ich es, wenn ichsagte, dass du ohne Amt nicht leben kannst

    t

    du selbst wirst es nicht über dich gewin-nen, die grosse Sache im Stiche zu las-sen. Vi{ir stehn doch alle im Schatten derrIdee I Das Gewissen muss uns abhalten, un-

  • S«?fW«?fiyp

    - 22 -

    sere Beschwerden, die immerhin in man-chen Punkten gerechtfertigt sein mögen,zu Konflikten von zerstörender virkungzu machen.

    EÜLOGIUS: Und mich muss meine gesunde Vernunftabhalten, mich mit meinen gerechten Be-sch^7erden durch solche allgemeine Redens-arten abspeisen zu lassen. Wer so schwätztsie du da, den nenne ich einen dreistenSchlingel, der meint, es f^slte Bauern ander Nase zu führen.

    MOIRT: Ich habe das Allgemeine nicht gesagt, umdas Besondere zu vermeiden. Ich bestehedarauf, dass ich nicht schuld bin, vrenndie Bevölkerung deine aufopfernde Tätig-keit noch nicht gebührend schätzt. Esgeht dir nicht anders als der Republikselbst: manche Kreise müssen sie erstrecht begreifen lernen, um sich an siezu gewöhnen und sie endlich zu lieben.Du bist ungeduldig. Auch wir warten« aufeine Liebe, die wir noch nicht gefundenhaben. Du wirst deinen Lohn dahinnehmen,wenn das Volk reifer geworden sein wird.Für heute kann die Republik, ich wieder-hole es, nicht auf dich verzichten. Bur-ger Abgeordaete ! Ich beantrage, dass wirden Bürger Eulogius dringend ersuchen,seine revolutionären Aemter weiterhinzum Besten der Republik auszuüben.

    EH^ ABGEORDNETER: Bürger Eulogius, wir haben vol-les Vertrauen zu dir, vfir haben nieman-den, der dich jetzt ersetzen könnte, dieRepublil: braucht dioh, du musst bleiben!(Bietet ihm die Hand.)

    EULOGIUS: (schlägt nach Zögern ein) Bleiben...

  • V'' ' ' _ -' ''.

    '

    - 23 -

    bis ihr mich an die Knechte der Tyrannei

    )

    verraten haben werdet - ihr Otterngezüch-te !(Der Vorbeimarsch der Artillerie dauertfort. Betontes Tromaeln in schweren Tak-ten. )

    MONET: Dies geschieht einzig zur lÄahrung deinesAnsehns, Eulogius!

    EüLOGIüSj (Hohngelächter, in vrelches das Volkeinstimmt.)

    Vorhang.

  • - 24 -

    (Der Vorhang hebt sich vier iliriuton nach Schlussdes vorigen Bildes, llocht. Regen. Eine dunlcle Gas-se. - Tüulogius kommt d&her, in der Linken einenRegens China haltend, in der Rechten ein 'valdhorn.Er bläst Signale

    .

    )

    EULOGIÜS: Tätätätä! Heraus, Kanaille! Meinen Feindwill ich sehn ! Ich bin besoffen, aber be-reit zum Kampfe ! Ihr Lumpen ! Ich habe essatt, gegen weichende Nebel und Icorkene"'fände zu rennen. Feinde heraus, sag ich!(Er bläst ein Signal.) Heraus! Da stehioh! Wer will etwas von mir? "er sagt,ich sei ein Tirann? Steh mir, bringt ei-nen S'äbel mit und schlag mich tot, wennich dein Tirann bin! Aber ihr seid ja vonTeig, von Kinderbrei! 'fenn raan euch an-fasst, so verlauft ihr einem unter denHänden. Sag ich Halunk, so säuselt* s zu-

    xvicki Wie meintest du, Bürger Eulogius?Sag ich, ihr verleiimdet mich als Schurkenhinter meinem Rücken, so lispelt's:nein, Bürger Eulogius, niemand ßchätztdich höher als wir! Monet, Llonet ! Wenn duein Zehntel so mutig Vdrst wie hinterlis-tig - wir wollten so abgerechnet haben,dass der Eulogius sich in seiner Haut vroh-ler fühlte als heutJ (Er bläst.) Feindeheraus! He! Holla! Heraus! Der Eulogiussteht ganz allein auf der Gassei Vifill ihmkeiner den Schädel einschlagen? Seit wannliebt ihr mich denn so? - Ihr Feiglinge!Keiner zeigt sich, wo ein Licht hinter denLäden war, ist es ausgegangen! Vie wenn

  • - 25 -

    sie bis an die Nasen in den Kissen steck-ten,tun sie, wie wenn sie schliefen undnichts von der Welt wüssten! Dabei stehnsie an allen Penstern und horchen, wasder Unmensch troiapetet, und flüstern mit-einander, ob sie' s behalten sollen, damitsie einmal gegen mich zeugen können, wennes so weit gekommen ist, wie sie es gernhätten f Ihr Unmenschen! Ihr seid die Un-menschen! Ich bin ein armer Sisyphus, a-ber ihr seid schamlos grinsende hohlel'öchrige Fässer! Heraus, sag ich! (Erblädt, wirft das Waldhorn gegen einen Fen-sterladen. )

    Vorhang.

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    - 26 -

    V,

    (Der Vorhang hebt sich sechs Minuten nach Schlussdes vorigen Bildes. Estrade vor dem Stadthaus amBroglieplatze. Hier Monet und die Repräsentsjitender Republik. Auf dem Platze die Volksmenge. Aufder Strasse am Platze hin Durchmarsch. Eine grosseAbteilung von Reitern.)

    EIN MANN: Ich glaube, jetzt koiniat iöisik.EIN ANDERER: Ja, es scheint, man hört etwas.

    (Eine Musikkapelle zieht vorbei.)EIN LOCKSPITZZL: Das ist Musik!DIE BUERGER: (schweigen nachdrücklich.)DER LOCKSPITZEL: Es ist einem doch nicht jeden

    Tag ums Musizieren!MANN: Die Soldaten sind hübsch.DER ANDERE« Hab eigentlich kein Galgengesicht un-

    ter den Buben gesehn. *

    DER LOCKSPITZEL: (wendet sich achselzuckend.)BURSCHEN und MAEDCH5N: (drängen sich, einen Zug

    bildend, parallel zum Durchmarsche durchdie Menge. Sie singen. Arm in Arni ziehend,dreimal, immer lauter und übermütiger,das Liedi)Hans im SchnakenlochHat alles, was er will.Und was er will, das hat er nicht.Und was er hat, das will er nicht,Hans im SchnakenloohHat alles, was er will!

    DER LOCKSPITZEL: (zu einem alten Hanne) SchwereZeiten für das Land.

    DER ALTE MANN: Wie' s der da droben gibt. Das Landkann etwas aushalten, es ist danach.

    EIN BURSCHE: Fehlt dem da etwas?

  • - 27 -

    DER ALTE MMN: Es scheint. Er hat mich gefragt,ob das keine schwere Zeit ist für' s Land.Er will's scheint's wisse«.

    DER BURSCHE: Der sucht etwas.ZWEITER BURSCHE: Einen Giiapel sucht er!DRITTER BHRSCHE: Das ist einer von denen, die das

    Lockpfeifohen blasen! He du!DER LOCKSPITZEL: (sucht Deckung hinter Wächstste-

    hendon.

    )

    DRITTER BURSCHE: Bleib doch da, wenn man dir et-was zu sagen hat 1 (Er packt den Lock-spitzel im Genick.) Geh zu deinem Heuloohund sag ihm, du hattest ihm gerne einenauf die Maschine geliefert, aber auf demPlatz da laufen lauter gestempelte Patrio-ten herum, alles Nr. 1, mit fje.sser undSeife gewaschen - hopp t(Die Burschen vrarfen den Lockspitzel überdie Köpfe der Vornstehenden iveg zwischendie vorüberreitenden Soldaten hinein. Ge-schrei, Verwirrung.)

    MONET« (bedeutet einen Polizisten, der dienst-eifrig herbeistürzt).

    DER POLIZIST: ^Was gibt's da? (Zu den Burschen)Ihr seid's gewesen! ifer seid ihr? Viieheisst du?

    DE BURSCHEN: Der Hans im Schnakenloch! (Sieschlagen den Polizisten nieder, entwei-chen. - Polizei drängt die kenge mit bru-talen Schlägen zurück. Der Platz wirdfrei. Der niedergeschlagene Polizist wim-mert. Man trägt ihn fort. Inzwischen Tährtder Wagen mit der Guillotine auf. Ryth-misoh sich steigernde Rufe der Menge»"Sohnieder! Sohnieder! Schniederl")

    EULOGIÜS» (brüllt) Halt! (Springt vom Pferde,

  • 1"

    - 28 -

    erkletteirt das Gerüst der fahrbaren Guil-lotine, hebt die Hand. Stillschweigen.)Die Polizisten sollen noggehn] Fürchteteuch nicht, ihr Leute! Konaat her! Die Po-lizei geht fort! Der Sulogius will miteuch einiaal reden! Hört her, es geht euchan, was der Sohnieder redet! (Die Poli-zisten gehn, nachdem sie einen "ink Monetserhalten haben, zurück. Die Menge fülltden Platz wieder.) Ich habe euch h'örenden Hans im Schnakenloch singen. Ist einsoh'dnes Lied und passt gut ins ^Isass,jeder darf*s ruhig einmal im Tage singenund sich sein Teil dabei denken. Singeden Hans im Schnakenloch und verwunderdich über dein schiefes Maul I Das ist einguter Spruch> fast wie ein Doktorsrezept.Aber der Hans im Sohnakenloch ist nichtfür alles gut. Hier handelt sich's um et-was ganz anderes als den Hans im Sohnaken-loch. Jetzt daherstehn« murmeln und hin-ter den zusammengepfetzten Lippen brummenwie die Schulbuben und den Hans im Schna-kenloch singen, das kommt mir vor wie denEsel am Schwänze aufzäumen oder den Stieram Euter fassen! (Grosses Gerächter, Rufe.)Ja, lacht nur I Ich wollte, ihr lachtetüber andere Sachen auch, die Tächerlichersind und doch Unheil bringen, weil mannicht bei Zeiten darüber gelacht hat.Wenn ich so etwas sage wie den Stier amTüuter fassen, dann lacht ihr und sagt wo-m'öglich, der geschuggte Pfaffe weiss nochnicht einmal, was ein Stier und was eineKuh ist. Wenn aber gewisse satansm'assigeSchufte zwischen euch herumschlüpfen \ind

  • - 29 -

    Reden fallen lassen wie« der Eulogiusist ein Peind der Republik, der Eulogiusist ein blutiger Misanthrop, der Eulogiushat's nur auf das Schinden und Köpfen ab-gesehn, der Eulogius will uns das Sls'äs-sisch-Reden verbieten, der Eulogius haltsheimlich mit den Oesterreichemt dannliHngt ihr eure dicken Köpfe hin, und dieOhren gehn euch auf wie die Krautbl'ätter,dass inr ja kein '^förtchen von dem Unsinnverliert! Um Gotts willen, wenn einem et-was entginge, was der Eulogius wieder an-gestellt haben soll! Das wläre ja.kein Un-glück! Da wäre es einem ja nicht mehrwohl in der Haut, wenn der Eulogius nichtder Bluthund iv'are, auf den man sohim.pfenkann, weil er einem die Ruhe im Lebennicht lässt und alles hinmachen v.ill!(Er deutet auf ainen einzelnen) He du!Gut, dass ".vir uns da vrie dert reffen! Bleibnur stehn, verdrück dich nicht ! Haltetihn, Leute! Es geschieht ihm nichts, ichgeb mein Ehrenwort ! Ja, den, mit dem lan-gen Zinken und den schönen Pflaumenaugenund den Ohren wie aus Saublase ausge-schiiitten! Immer daher, Bürger! "inir wol-len unser Gespräch fortsetzen! Es ist sointeressant, dass alle etwas davon habenmÜEsen! (Der Einzelne ->vird von Anhängerndes Eulogius unter Hallo auf das Guillo-tinengerüst geschleppt.) Salut, Bürger!liie läuft's? Vifarum so trübsinnig? He?Der TfYein ist doch echt gewesen im Fuchsam Buckel? Mit dem habe ich nämlich ge-stern im Fuchs am Buckel eine Flasche aus-gestochen. Es war schon dunkel, und der

  • -.30 -

    Wirt hat aus republikanischer Sparsam-keit noch kein Licht angesteckt. Da istgut schlucke In und gut munkeln, so imDunkeln. Und weil ich in Stimmung kamund mir wohl wurdo, weil ich dss gebrann-te Herz leid für einen Augenblick vergass,das ihr Narren mir jeden Tag antut, solöste sich meine Zunge, und ich machtees wie alle Strassburger, denen das Herzaufgeht, ich fing an auf den HerrgottsMillionen Kaiben, den ^logius zu schimp-fen. (Gelächter.) '-'as lacht ihr denn?Es ist eine gut republikanische Uebung,von Zeit zu Zeit auf sich selbst zusehimpfen. Hielte sieh jeder an diesegute Regel und Uebung, so würde auf meinarmes Haupt viel weniger Mist abgeladenals jetzt, wo jeder sich für den keuschenJoseph hält und auf fantastische Art demarmen geplagten üXilogiup die Merkmaleseiner eigenen, faraonischen Gesinnunganhängt. Was aber diesen meinen Zechge-nossen da angeht I kaum sag ich, nachdemich ein Halbschoppenglas gestürzt undeinmal gegähnt habe» "Der ühilogius hängtmir zum Halse heraus, ich kann's baldnicht mehr ausstehn mit dem!", da fälltdieser Mensch, der ist was ich heisse,nämlich ©in Hosenlottel ein Schneider,fällt mir in die Rede und kann sich nichtgenug eilen, dass er's auch herausbringt»eh ich vielleicht sonst was über den gros-sen Tirannen beibringe, "Das ISinster willer jetzt auch in die Luft sprengen!" bläster mir in die Ohren, dass ich husten muss,solch einen Weindunst gab er mir nebenher

  • mifw^ff'^F^i^i^'''^

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    in die Nase hinein! (Gegen den einzelnen)Ist's wahr oder nicht?

    DIE ANHAENGE:^ des EüLOGIüSs (brüllen) Ist's wahroder nioht?

    DER EINZELNE! (plärrt laut wie ein kleines Kind.)EULOGIUS: (schreit dem Einzelnen ins Ohr) Obs

    wahr istr? l/.ahr? !?DER EIKZELl\ra: (Zuckungen.)DIE ANHAENGER: T«ahr oder nicht?! V»ahr oder nicht?!

    DER EINZSLI«; i (Flehensgeb'ärde.

    )

    EULOGIDSi Antwort, Kerl! Sag nein, und du kannstgehn! Wahr!

    DIE ANHAENGER I Ist's wahr?DER EINZELNE: (nickt mit dem Kopf, knickt mit dem

    Koerper.)EULOGIUS: Es ist wahr! Er hat's gesagt! Nun! »lie

    ist's? Du da, Bürger, was sagst du dazu,wenn einer herumredet, du wollest dasMünster in die Luft sprengen?

    DER GEFRAGTE: Da lache ich nur.'(Gelächter rauscht kurz auf.)

    EULOGIUS: Gut gesagt! Ganz so mache ich' s auch,in diesem Falle, wo der Unsinn offenbarist. Es gibt aber Fälle, wo der Unsinnnioht am Tage liegt, es gibt Uigen, diebedeutend glaublicher klingen als diese IWie soll ich mich gegen solche weh-ren? Wie? Und wird nicht alles M'dglichegeglaubt, was sichtlicher Wahnwitz ist?Hat der arme Teufel da nicht ehrlich ge-glaubt, der Eulogius woll ein paar hun-dert Fass Pulver unter das Jäinster vergra-ben und euch alle in die Luft sprengen?Er hat's geglaubt, sage ich euch, und erwar damit noch lange nioht doppelt soleichtgläubig wie ihr. Sollte man aber

  • - 32 -

    k

    denen, die solche Teufeleien in die Weltsetzen, nicht den verfluchten verletimde-rischen Kopf zwischen die zwei Balken dasperren und das Ding, das da oben so bis-sig herunterguclrb, drüber hinunter schnur-ren lassen? Ich frage euch, ob der nichtdes Todes schuldig ist, der die Purie desBürgerkriegs über eure ffäupter zu bringentrachtet! (Die Anhänger brüllen Beifall.)Mitbürger, ihr seid nicht gerecht gegenmich. Ihr seid nicht gerecht gegen dierepublikanische Sache. Ihr hangt euchwie die Weiber und wie die kleinen Kin-der an die "Flinzelheiten und Nebensäch-lichkeiten und seht nicht das Ganze. -Bürger, geh heim, ich glaube, du musstdeine Kleider putzen lassen! - (Der Ein-zelne wird von dem Gerüst herabgezogenund unter höhnischen Zurufen fortgescho-ben,) - Ihr seht das Acusserliche, sehtdas Kleine, was euch nir;ht passt, unddas Grosse, in dem unsre Herzen eins sind,seht ihr nicht. Da reitet er wieder durchdie Stadt, der Eulogius, der Bluthund,hat eine knallrote Pelzmütze auf viie soein kopfabschneiderischer Husar aus derHangerei, hat einen Rock mit Vollnonds-kn'öpfen an wie ein T/Jusketierer, scLvrenktden viohr"ftssigen Säbel um die Bsine, führttausend Mann Reiter durch die Stadt, lau-ter Kerle, die aussehn, wie wenn sie amliebsten gleich Feuer unter alle Dächerspucken wollten, und die Maschine, mitder sie aus lebendigen Menschen so etwaswie gemetzelte Sauk'örper machen, habenBie auch m.it. Herrgott, diese Rottet Da

  • *r"

    - 33 -

    heisst'^s aber glotzen! Da heisst^s aberdas Maul zukneifen^ dass nicht heraus-kommt, was wir denken, da he is st 's mitden Zähnen gegeneinanderboissen, dasses knirscht und knarfelt! So steht ihr,so seht ihr's an! Dass aber der Eulogius,der da so frech herumzieht, für eureFreiheit sein Leben hergibt, das sehtihr nicht. Dass diese tausend Eisenfres-ser eure Diener und Knechte sind, diekeinen emdern Sinn haben als über euerHeil zu wachen, das seht ihr nicht!( fföhniseher Zwischenruf I "Salüt! Salut!")Salut i Ja salüt! XJms Heil ist's zu tun,das Heil steht auf dem Spiele! Gegen un-ser Heil Wftffnen sich die Tyrannen Euro-pas ! Zu unserm Heil müssen wir stehnals Männer, v»nn wir nicht in kurzenVfochen das Los der feigen Lumpen ausTöf-feln wollen! Ihr sollt euch begeisternfür euer Heil, das ist's! Ihr sollt feu-rige Republikaner sein und nicht ein lau-es, träges Bürgersschlenderpaok, dasist's! Ich sage euch, in dem Augenblick,wo ihr das Terdammungsinürdige ßrosstunmit eurer Spottlust in den Graben werftund eure Herzen ergebt zu der grossen Sa-che der Freiheit, die eure eigene Sacheist, werden wir ein Herz und eine Seelesein! Was misstraut Ihr der Freiheit?Hat euch nicht ihre strahlende Aufrich-tung in Amerika drüben begeistert? Undwisst ihr so gar nichts von eurer VäterLos? Vijoher sind «ure Väter, eure Gross-väter in diese Stadt hereingekommen, umdas hier stockende Blut aufzufrisohen?

  • - 34 -

    Keiner ist unter euoh, der nicht Blutvon jenen Bauernhelden in seinen Adernträgt, von jenen Opfern des heiligen (Je-dankens, die durch den Lothringer Tyran-nen bei Lupstein geschlachtet sind inunerhörten Massen! Ksiner ist unter euch,dessen Väter nicht Schimpf und Hochmut,Geis sei und Verspottung, Schindung undPlage einer teuflischen Aristokratanhor-de erduldet hätten! Ich schreie; erin-nert euch! Ermannt euch! Werdet ihrselbst ! Nie hört der Arm der Hochmütigenzu drohen auf! Glaubt nicht, dass ihrgemütlich leben und Frieden haben konntet,wenn die Kriegsfackel der Freiheit nichtlohte! Ich sage euch, entweder -^ir sie-gen und führen' b glorreich durch, oderübermorgen küsst ihr die Stiefel derköniglichen Adelsklique, und eure /."ichtersind Putter für jeden hochnäsigen Junker,der seinen Rotz an ihnen anzuputzen be-liebt. Ihr hieltet euch bislang für ei-ne freie Stadt: nun, es trete ein Gärt-ner oder ein Tagelöhner oder ein einfacherMann aus euoh henror und strafe mich lü-gen, dass er nicht da und da in seinemLeben die Verachtung der städtischen Ari-stokratie gespürt habe! Es hebt keinerdie Hand, es öffnet keiner den Mund -es Twäre denn ein Judas! - Kein Judassteht auf! Wir wissen, wie wir zusammen-gehören, und tun was es geht ! Und bo rufeich euoh auf, bekennt euoh zu eurer eige-nen Sache und zu eurem eigenen Heil! Ichbiete euch im Namen der Republik beideHiände ! ^s lebe die Mutter der Armen und

  • ^yg^^^fffr^-x'y^rr^'p^^.}lP'K-i»»!t':;'';'iff.T^).fy*v'

    - 35 -

    der Unterdrüolcten, der Bedrohten und zurWahrung des Rechtes Gewillten! - Freiheit,Gleichheit, Brüderlichkeit! - Vor derallgemoinen Eintracht, vor der wachsendenrepublikanischen Tugend, vor dem siegen-den Frühling dar Völker schT.Tinde die trau-rige Notwendigkeit dieses Schreckensge-rüstes 1Ein Herz und eine Seele!Es lebe die Republik!(Schwacher Beifall der Anhänger. Schwei-gen der Menge.

    )

    EIN PARISER RAPRASSENTANT : (zu Honet) Wer autori-sierte den Mann zu solchen Reden, diemir - - lästig vorkommen?

    MONET: 0, es ist so ein teutonischer Stil!

    Vorhang.

  • - 36 -

    VI.

    (Der Vorhang hebt sich nach einer Pause von achtMinuten. Im Hause des Waffenschmieds von Klingen-tal. - Eulogius. Der Schiaied. Sie sitzen am Tisch.V/einflasche, Gläser.)

    EÜLOGIOS: Die Revolution ist verschisBen, sageich dir. Verblasen in den Wind ist sie,sage ich dir, pfft ! Es ist keine Freudeund wärmt einem das Herz nicht mehr, da-beizusein. Wir müssen in der Sache er-saufen, weil wir sie verwässert haben.Wir waren im Anfang moralische Sohleim-köche, als wir hätten apokalyptischeWürgengel sein müssen. Mit einem einzi-gen, schnellen, blutigen Schnitt hättenwir die verruchte Vergangenheit von ei-ner reinlichen ZuTcunft scheiden können.Ich bin nicht gehört worden, als ich inden ersten Wochen darnach schrie. Und nunist's vorbei. Der Schleim wuchert überim Lande, es ist zu allem zu spät. Esist nicht mehr aufzukommen. Da ziehe ichherum mit der Kopfmaschine wie ein Tür-kenpapst, fasse nicht einen von fünfzigan, die ich fassen müsste, lasse von denGefassten noch die meisten laufen, habenoch keine dreissig geliefert und bindoch verschrien als ein anderer Tamerlan,und wo ich mich zeige, ist gegen die Re-publik mehr gehetzt durch mein blossesrotes Fratzengesicht als durch die mäch-tigsten lügen der Pfaffen. Nein, essteckt kein Spass mehr hinter der Guillo-tine, keine Herzensfrbhlichkeit, kein

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    Glaube, V:©in Gedeihen.DTüR SCaivHED: Du siehst zu schwarz, Bürger Eulo-

    gius ! So der nachzügliche, nachhaltige,breite Schrecken hat auch seine gute iJir-kung. Du bist schon ein zu grosses Her,Bürger Bulogius ! Dia siehst die Dingeschon ein bischen zu sehr von oben herab,nicht so wie wir einfachen Kerle, dielaitten drinstecken und alles erfahren.Ich kann dir sagen, seit sie wissen undsehn, dass die Republik eine Guillotinehat, und dass man drunter kocuuen kannunter die Guillotine, seither haben sievor der Republik doch einen andern Res-pekt. Früher meinten sie, nur in Pariskonnte man gek'öpft werden, und Paris istweit, hat auch von uns keiner. etwas dortzu suchen.

    EüLOGIüS« Es ist keine Freude dabei. Es sind zuwenige, die für das Grosse glühen undbrennen. .

    DER SCHMIED: fle, das kann ja noch kommen. .

  • **pr'"**«Hii^i,pii-7''«.-rf-

    - 38 -

    anders aus als früher, das darfst du mirglauben. Man rauss nur unverdrossen sein.Zeigt eure Krallen, schlagt aber nichtjeden gleich zusammen, der's einmal ver-dient hätte ! Iraraor ein bischen dem Mittel-weg nach, wenn' s doch nicht aufs ersteMal durch und durch gegangen ist, sobreitet man sich aus. Kur nicht zu streng,nicht abschreckend sein! Wenn' a nach demStrengsten gehn sollte - ich fürchte, inKlingentfl wäre ich der einzige, der sei-nen angewachsenen Kopf behalten dürfte.Die Menschen können sich etwas Neuesnicht so rasch ausdenken. Wenn man ihnenaber Zeit lässt, zeigt, dass man dieMacht hat und auch ein bischen langpnitigsein kann, dann konmt' s den Dümmsten.

    EÜLOGIDS: Dein Gefasel macht mich rasend. DerTeufel schlage drein, dass du nur zurecht hast

    !

    DER SCHMIED» Eben das ist's. Ich täte auch an-ders, wenn' s etwas hülfe! Aber es istbesser, sie langsam an den Nasen führen,sonst bleiben einem die Nasen in derHand, und die Menschen bleiben der Guggugweiss wo. Nur nicht gleich k'öpfen, wennsnicht grade ein grosser Mogul ist, dem'

    s

    die meisten gönnen! Ca haben wir so einentraurigen Lumpen, einen Steinfaler imKasten, hat Assignaten verweigert, woll-te seinen Krempel nur gegen Gold herge-ben. Ich muss ihn dir denunzieren, sagedir aber, die Republik wird deswegennicht gesünder, wenn du den armen Hundaufs Brettchen legst. Gib ihm einen Trittin den Hintern und wirf ihn die Treppe

  • - 39 -

    hinunter, dann geht er heim und verkün-digt's ihnen, dass der Staat ihm expressverboten habe, die Assignaten zu verach-ten. Das macht Eindruck. Köpfst du ihnaber, so geht das Geschrei durch die gan-zen Berge.

    EULOGIUSs Verdient hätte er's, und das Gesetzwill's. Freilich, es kaiiien andere vorihm, vrenn der Staat gesund vjerden sollte.7ifer weiss, ob dieses ekelhafte Gemetzelunter der geführten Masse nicht zu er-sparen ^/äre, wenn man auf einen Tag allewelschen Bettler aufhöbe, die in Strass-burg herumschmarotzen!

    DER SCHMIED« Ja, mit denen hat die Freiheitschwer Kirschen essen... (Hebt das Glas.)Alle Gebott sante I(Sie trinken.)

    POLIZIST: (in der Türe) Da ist der Steinfäler.(Er schiebt den Steintäler in das Zimmer.)

    DER SCH&IIED» (Eulogius zublinzelnd) Dieser Lan-desverräter will kein republikanischesGeld nehmen. Das Gold der Tyrannen istihm lieber als die TiVertscheine der Frei-heit !

    EULOGIUS« (brüllt) Kopf ab!POLIZIST« Soll ich ihn auf die Guillotine führen?DER STTÜUITAELER« üesieh!EULOGIUS« Dir will ich mesieh! Du hast die Todes-

    strafe verwirkt

    !

    DER STEINTAELER: (steht stumm mit schreckhaftaufgerissenen Augen.

    )

    DER SCHMIED« Soll man ihn gleich k'öpfen?EULOGIUS: Rein, er soll warten. Ich will erst

    essen. T/7enn ich ihn k*6pfe, so will ichauch dabei sein und zusehn, sonst meint

  • - 40 -

    er, ich fürchte mich vor dem Tode.D^R STT5INTABL^Rt Ivlesieh!

    ,

    SULOGIUS: Nix Monsieur! Bürger heisse ich, ge-nau wie du ! T?ur erlaube ich mir nichtwie du freche Verst'ÖBse gegen das Gesetzder allgemeinen Bürgerschaft.

    DER SCHMIED: Du redest zu hoch mit iha, Bürgerülulögius ! Der versteht nicht, was dumeinst ! Ist so ein armer Stinlcer aus demSteintal, ein Uunpensanmler, ist in einerverlassenen Handshütte aufgewachsen,kann nicht deutsch und nicht franz'ösiseh,ist eine lausige Rasse, man darf sienicht für ganze Menschen nehmen.

    DER STEINTAEL5R: Kesieh!EULOGIüSi Bürger Kommissär heiss ich!Z^TEITER POLIZIST: Bürger Eulogius! Der Bürger

    Oberlin aus ¥altersbaoh will mit dir re-den.

    EULOGIUS« Bürger Oberlin?DER SCHMIED: He ja, der Oberlin aus Waltersbach,

    ein nützlicher Mann, ist für seine Loya-lität bekannt und gilt viel beim Volk.Hat ihnen ihr ganzes Tal wieder «nifgei&'d-belt, sozusagen, und sie aus dem Dreokherausgerissen. Ist zwar Pfarrer geiwsen,solange es dergleichen gab, muss abertrotzdem als der nützlichste Mann in denganzen Vogesen anerkannt werden, daslas st Ihn der Neid.

    OBERLIN I (in der Türe) Ich stehe vor dem Bürger •

    Eulogius Schneider?EULOGIUS. Bürger Oberlin? Setze dich! Was sollstOBERLIN I Bürger Schneider! Dieser Mann ist dir

    vorgeführt worden, damit du über ihn rich-test. Du siehst ihn hier zum ersten Male«

  • wwr^^^'- •'''''

    - 41 -

    ich aber kenne ihn seit «wanzig Jahren.Darum \

  • - 42 -

    nicht dein Land verschlingt ! loh meine^das begreift ein Sefaulkindl

    OBF.RLIN: Es gibt begabte Schulkinder, es gibt sol-che, die schwer lernen, es gibt solche,denen das Einfachste sehr schwer Tallt.Sieh doch hin, Bürger! Sieh hin, schenkeihm zirei Blicke, dem Menschen! ^r stehtdoch da und sieht auf dich und ist einKensch

    !

    EULOGIÜS: Das Gesetz hat die Augen verbunden, daswar vor zweitausend Jahren und soll heutenicht anders werden, solange ich Vernunftund ^'ifillen habe.

    OB^RLIN: Bürger Eulogius ! Wenn du mir sagen kannst,dass du nichts getan habest, seitdem duder Republik dienst, was Unrecht war undder Republik mehr schadete als das Ver-gehn dieses Mannes, so will ich schweigen,und du magst ihn richten. Immerhin aber:sieh ihn vorher an!

    EDLOOIüSi Oberlin, du bist kühn!OBERLIN: Ich habe dem Menschen in das Gesicht ge-

    sehn, dem gegenüber ich es wage, kühn zusein.

    EULOGIUS: Meine Seele steht nicht in meinem Ge-sichte, fürwahr nicht! lÄchle nur! MitLavaterei wirst du an mit abgleiten! Ichbin wahrlich anders, ganz anders als dieMaske, die ieh da trage! - Aber wozu dieReden? Mein Entschluss stand fest, ehedu kamst. Und du hast wohl recht: derSinn des Gesetzes schwebt über dem Wort-laut, er ist nicht darin verkerkert. (Erspringt auf, geht auf den Steintäler zu,

    packt ihn am Halse.) Du Lümmel von einem^fhieherer, warum hast du das Geld der Re-

  • - 43 - ^

    publik vemeigert? Kanaille von eineinAristokraten! Xinderm'örder

    !

    "^

    D1?R STEINTAELSR: Messieh. .

    .

    EüLOGIüSi Ich hau dir den Kopf ebl ::DER STEINTAELER: Nicht wieder... itsssieh! (Puss-

    fall.) Mejne Kinden! Isch bin eine Vattervon iPamill!

    EüLOGIüSi Was bist du? Ein Aristokrat bist du,und wenn ich dich wieder unter die Fingerbekorüme, k'öpfe ich dich, du Schandfleckdes Vaterlandes! Hinaus!(Der Polizist öffnet die Türe. Schneiderberördert den Mann durch einen Tritt hin-aus. Man hört ihn die Treppe hinunterfal-len. Eulogius geht naoj, schimpft dieTreppe hinunter.

    )

    DER SCIMIED: (lachend, da Eulogius wieder ein- '.<

    tritt.) Der soll nicht die Stiege hinun- 5tergepoltert sein mit seinen dicken Holz-pantoffeln! Das hast du gut gemacht, Eu-logius! Der weiss jetzt, was Assignatensind, und ausserdem hat er die Grossmutder Republik an seinem eigenen Hinterteilerfahren! Es wird vielen eine Lehre sein.Trinken wir eins drauf! (Er Schenkt ein,stellt auch vor Oberlin ein Glas undschenkt es, da Oberlin abwinkt, halbvoll.)

    EULOGIUS« (giesst das Glas hinunter.) Es ist kei-ne Freude und keine Zuversicht dabei.

    DER SCHMIED: (schenkt wieder voll) Du siehst zuschwarz, Eulogius! Trink noch eins, damitdir besser wird!

    EULOGIUS t Wenn ich das alles so hinuntersehwemmenkönnte, was mir im Halse sitzt und wUrgt...1

    DER SCa&IEDi Das wird kommen, je mehr und mehr

  • «5*F' ' ^. —r^v- : '-'fyjr-^ju.t^ 'WI»!'W»»M«ll'

    - 44 -

    deine Arbeit Früchte trägt, die Republiksioh befestigt und beruhigt und deinegrossen Verdienste anerkennt werden. Esmuss uns halt allen noch viel besser gehn.Man glaubt ja nicht, was der Mensch alleszustandebringen kann, wenn er nur ein bis-chen Glück hat und vergnügt sein kann.Hab ich recht oder nicht, Bürger Oberlin?

    OBERLIN: Die wahre Fröhlichkeit ist ein :iuell desGuten und V/ohlgefalligen.

    DER SCHMITüD» Das ist, was ich sage. loh will jetztnach dem Sünder da drunten an der Treppesehn, ob er sich kein Bein verstaucht hat.Ihr werdet mich solange nicht brauchen.(Ab mit dem Polizisten.)

    SULOGIUS s Nun?OBERLIN: (schweigt. Nimmt einen kleinen Schluck

    aus dem 'Teinglase.)EULOGIOS: Bist du mit mir zufrieden, Bürger Ober-

    lin?OBERLIN: Ja und nein.EULOGIüS: ¥as habe ich falsch gemacht?OBERLIN« Du hättest den Menschen nicht treten sol-

    len.

    EULOGIÜS« Ich habe ihn nicht gefährlich getreten.Er hat sich nichts gebrochen. Meinst du,der Tritt schadet ihm etwas?

    OBERLIN« Nein. Ich glaube nicht, dass du ihn getre-ten hättest, wenn der Tritt für ihn Schadehätte werden müssen.

    EULOGIÜS« Dann ist's ja in Ordnung.OBERLIN« Ich habe mich nicht deutlich ausgedrückt.

    Meinem Steintäler Jungen wird dein Trittniclxt schaden. Aber was wird er für dichfür Folgen haben? Und vielleicht, was fürDinge müssen in deinem Sein gelaufen sein.

  • - 45 - .

    dass du diesen Tritt tun ausstest

    !

    EÜLOGIÜS: Das ist Mystizismus, Bürger Oberlin!Ich Kätte gedacht, dir sei bekannt, dass

    wir diese Nebsl lange schon vor der jetzi-gen Älarung der gesellschaftlichen Dezie-

    "^. hangen unter den üenschen aus der Mensch-

    heit hinausgeklärt haben. Du bist altmo-'disch, aber ich sehe zu meiner Beruhigung,dass du so altmodisch bist, dass du derneuen Sache nicht schadest.

    OBERLIN s Ich habe dir geantwortet, weil du michfragtest.

    EULOGIUS: Du hast mir nicht alles gesagt. Inlaskann denn für mich die Folge des Trittessein, den dein Steint'aler Nickel inzivi-sehen längst versaust hat? Vierde ich wie-dergetreten werden?

    OBERLIN I Im Gegenteil. Du hast getreten, und duwirst solange weitertreten müssen, bisdir der Tritt, den du geben wirst, tau-sendmal mehr Pein machen wird als derPeitschenhieb, den du empfangen k'önntestund nicht empfängst. Du wirst noch darumwinseln, getreten zu werden, und dochwirst du weitertreten müssen.

    EULOGIUS t In alle Ewigkeit am Ende?OBERLIN: Üe dürfte ich von der Ewigkeit sprechen?

    Es war einer; der es durfte, und seineRede blieb lebendiges Gleichnis, dem^achstume und der göttlichen Wandlungoffen, ^ie sollte ich t'otende Festsetzun-gen über die Zunge bringen wollend

    EULOGIUS < Du bist ein Erzmystiker, aber es istetwas an deinen Spekulationen, was aufSinn deutet. Bist du derselbe, der inseinem Studierzimmer eine Landkarte tou

  • f* x.,:• -'> •-ri^.o:^)T^~-"'

  • - 47 -

    EULOGIÜS: Ich saga es ja, mein Gesicht ist eineMaske erster Ordnung. Selbst Oberlin,der die Karte vom Jenseits hat, dringtnicht durch sie!

    OBERLIN: Bürger Eulogius, du bist walirlioh unru-hig, du bist verzagt in deinem Innersten,zum Meinen verzagt l

    EULOGIÜS: "vnahrlioh ist mir' s ziua Keinen, aberwas du sagst, ist falsch. Du siehst etwas

    Richtiges, aber du siehst es in den Ver-zerrungen deiner theologischen Hohlspie-gel. Ich bin nicht unruhig und verzagt,sondern ich bin traurig und zornig, weilich sehe, auf welches Lumpengesindel derGedanke der Freiheit sich niedergelassenhat. Aber ich bin nicht verzagt, ichbin's nicht I Denn ich hoffe auf die kom-menden Geschlechter.

    OBERLIN« (sieht ihn schweigend an.)EULOGIUS: Ich habe einen Glauben; du meinst, ich

    habe keinen. . . oder ein ganz andererschlafe vielleicht in mir. Aber ich habeden, der nötig ist, den ich der Ti«eltschulde, und es ist mir ein heiligerGlaube

    .

    OBERLIN« '"ifas sagt der Spiegel deines Lebens dexu?EULOGIUS« Bah! Du bist doch ein Pfaffe! »«eil ich

    wUst aussehe, weil ich saufe und brülle,muss ich dir ein armer Sünder sein, einünglüokswurm I Aber ich sage dir, ichhabe Zeiten in meinem Leben gehabt, woich nicht soff und nicht brüllte, son-dern war wie euer einer ordentlich undden Menschen wohlgerällig. Und dieserordentliche und wohlgerällige Eulogius,der war der Schurke und Greuel, den ihr

  • ir»-iw.nipr

    - 48

    OBKRLIN

    :

    ^ULOGIÜSOBERLIN

    :

    EULOGIÜS

    OBRRLIN

    :

    ÜIULOGIÜS

    OBERLIK

    .

    EULOGIUSOBERLIN

    :

    EULOGIÜSOBERLIN

    :

    EULOGIUS

    im jetzigen saufenden und tobenden Eulo-gius seht. «Venn ich soff, war ich je undje ein Kerl, an dem Gott Wohlgefallen ha-ben müsste, wenn er ^Väre.Er hat '/ohlgefallen an jedem seiner Ge-schöpfe, auch an den l'ästernden und ab-trünnigen, und umfasst sie selbst imSchosse der Hölle.

    : Er ist nicht.Und doch suchst du ihn.

    : (nach einem Kampf der Blic^ce und Mienen)¥i?as soll ich tun?Tue Busse

    !

    : üie kann ich Busse tun?Das frage ihn

    !

    : Ihn? Bist du nicht seine Stimme?Das Kind rät nicht, wenn der Vater zuge-gen ist, der Knecht ordnet nicht an,wenn der Herr im Hause wohnt. Er ist hier,du stehst vor ihm selbst. Er hört, so re-de du! Er hat einen J.fund, zu reden indich, so frage ihn! Wirf dich hin vor ihn,schlage deine Hände zusamiuen, ringe imGebete mit ihm und lasse ihn nicht, ersegne dich denn

    !

    ! Nein!(schweigt.)

    ! Vielen Verfuhrern bin ich begegnet, undkaum einer vmr, auf den ich nicht hörte,denn ich bin ein schwacher Mensch undwerfe mich gerne hin an das Neue, dasmich lockt. Du aber bist von allen Ver-führern der scheusslichste. Denn du willstmich zum ekeln Egoismus anleiten, zurkleinlichen und schäbigen Sorge um daseigene Seelenheil, zun Verrat an der Sa-

  • - 49 -

    che aller. Was liegt euch daran, wenndie Welt im Dreck erstickt, solange euchder Swigkoits-Spitalplatz iir. Himiael ge- .sichert ist ! Ihr wahren Schaiksknechte

    !

    OBSRLIIJs Mein Heil ist aller Heil. Deine Erlösungist aller Erlösung,. Aber ich locke dichnicht. Das sei ferne von mir. Du hastmich gefragt, und ich habe geantwortet.MVigest du dem überlassen sein, der an-pocht zu seiner Zeit ohne mein Zutun, unddu wirst ihm "öffnen ohne meinen Rat undBitten!

    EÜLOGIUS: Schon wieder eine Wette.OBERLIN: Nenne es, wie du willst.EÜLOGIÜS: Dass die Froramen das Bekehren nicht

    sein lassen können. Ihr seid wie die al-ten Kuppelweiber I

    OBERLINi (schweigt.)EULOGIUS: Koch ein Wort

    !

    OBERLINj Rede!EULOGIUS: Deinen Steinfäler habe ich von der

    Guillotine hinuntergejagt - mit jenemTritt, der mir vermutlich eine halbe E-wigkeit lang so übel bekommen wird. .

    .

    Vifie aber kannst du selbst mit solchen An-sichten ein loyaler Bürger sein?

    OBERLIN: Hast du so ganz vergessen, vras in jenemBuche steht?

    EULOGIUS: Gebt dem König, was des Königs ist: einschöner Trost für die Republik!

    OBERLIN: Es ist keine Obrigkeit anders denn vonGott.

    EULOGIUS: Glänzend - Herr Bibelfest!OBERLIN: Die Obrigkeiten können wechseln, der da

    droben aber bleibt.EULOGIUS: Das heisst also, wir haben uns getäuscht.

  • - 50 -

    als vir den da droben absetzten? Daskouant mir beklenuaond vor! Wir sind Ob-rigkeit, sind also von dem da droben.ITir haben den da droben abgesetzt ^ waskann er dagegen tun? Er muss sich zu-frieden geben, da er uns Vollmacht gege-ben hat . Wie z lebst du dich aus der Klem-me, Bürger Oberlin? Ich frage dich alsKommissar der Republik!

    OBERLIN: (lächelnd) Eulogius, ^logius, du machstein Gesicht vrie die Büblein von elf Jah-ren, wenn sie schelmisch sind!

    EULOGIUS 1 Hier handelt es sich nicht um Schelme-rei, sondern um deinen Kopf, Pfarrer!

    OBERLIN 1 Was willst du?EULOGIUS: Gehorsam!OBERLIN: Allen, den Menschen zu verlangen haben,

    biet ich euch. Meine Talleute gehn inFrieden ihrem schweren Tagewerke nach.Ihr mögt die Welt verwalten, solange euchdie Stelle gegönnt ist! Wir fallen euchnicht in die Arme.

    EULOGIUS « Unterwerfung

    !

    OBERLIN: Tfer hat sich erhoben gegen euch?EULOGIUS: Du sollst aufhören, in deinen Nebeltä-

    lem den Aberglauben zu verbreiten undzu nähren, der die Fessel der Völker ist!

    OBERLIN I Ich sollte Gott verleugnen?EULOGIUS: (brüllt) Gott verleugnen, Pfäff I Ja,

    Gott verleugnen! Jetzt wird's ernst!Jetzt hört die liebe Obrigkeit auf zuspassen, sich an der Nase führen zu las-sen! Wir kennen dich und deine heimliehenGedanken! Du Bohrwurm! I>i friedfertigerMordgeselle! Ich weiss, was deine Sanft-heit bedeutet, und ich will ihr den Sta-

  • pS?!^5Sf!p^||B^!ppP!WBWW5P7^!?^ - > '^ST^-^N •!: "T' "•.r-'--^wp«H!?r?'T^

    ^51-

    chel ausziehen, der Sanftheit! Farbe be-kennen heisst's jetzt auf einmal, unä weh

    "^ dir, wenn deine Farbe Verrat ist!OBFiRLIWi Gott verleugnen?PJULOGTJS: Gott verleugnen - oder die Guillotine!OBERLIK: Lass mich dehn abführen! Aber glaubst du,

    dass Gottes Ifeupt mit dem meinigen fallenwird?(Der Schmied tritt ein, hustet, Gebärden.)

    EüLOGiüS: (lacht) Ich habe mich von dir hinreis-sen lassen. Pfaff , du kannst einen gesun-den Menschen zum Rasen bringen. Geh undlass mich in Frieden, denn mir graust'

    s

    vor dir!OBERLIH2 (geht auf die Türe zu.)EULOGIDS: Halt! Ich habe dir meine irörderhbhle

    aufgetan! Nun sei ehrlich! Nur ein einzi-ges MaJ. in deiner ganzen theologischenLaufbahn! Sag mir, was du mir wünschest -

    und dann auf Niiiimerwiedersehn!OBERLIN: Der Herr segne dich und behüte dich! Er

    lasse sein Antlitz leuchten über dir undsei dir gnädig! Er erhebe sein Antlitzüber dir und schenke dir Frieden!

    Vorhang

  • - 52 -

    VII.

    (Der Vorhang hebt sich nach zehn Minuten. - InJfiinster in den Vogesen. Das Ziimner des T^logius.Man sieht durch das Fenster auf einen Postplatz

    .

    Karussell, Schaukeln, Liusik, Tanz, Lärm.Eulogius, die Schwester.)

    DIE SCIT.J^STRR: (auf den Platz hinuntersehend)Was ist denn das für eine Puppe?

    TCULOGIUSs Das ist keine Puppe, das ist das Sym-bol unsrer G'dttin oder Staatsente leohie,Uta es rational zu benennen, Vernunft.Ich habe heute früh vor ihr einen Volks-dienst gehalten. Ich kann dir sagen,ich hatte ein Gefühl dabei wie bei derersten Messe J

    DIE SCH'/EST'^R: Mir ist entsetzlich angst bei demallem.

    EULOGIUSt ?iarum bist du mir nachgereist?DIE SCffiffiSTER: Aus Angst. Hansjörg, Hansj'örg,

    was soll aus uns werden in diesem toben-den Lande, unter lauter Hassem!

    EULOGIUS: Du lassest dich von deinen Stimmungenhinreissen und unterdrücken, Soh'äflein!Kopf hoch! Unser Schicksal machen wir!Lass dich nicht unterkriegen, wenn dieseAnstürme über dich kommen! Denke dran,du bist meine tapfere Bürgerin Lies!

    DIE SCHtffiSTER: Sulogius I Wenn ich denken müsste,dass die alten Leute in Wipfeld Nachrichtbekämen, dass wir beide...

    EULOGIUS: Die Nachricht werden sie nicht bekom-men, dafür lass mich einstehn! So geht'smit uns nicht aus

    !

    DIE SCHWSSTER: Aber du rausst etwas tun! V/as willst

  • - 53 -

    du tun, dass sie dich nicht Tällen? Tues rasch, Hansj'örg, tu es unverweilt,

    dann es ist hohe Zeit!

    EULOGIUS: Ivioine Karten liegen offen, meine Füh-rung ist makellos, l'as sollte ich Ueblesgetan haben? Die Aristokraten habe ichin ihre hintersten Löcher gescheucht,die Viucherer, Preistreiber, Assignaten-vorweigerer habe ich vernichtet - wasfür Vomürfe soll man mir daraus machen?

    Dil? SCEvESTBR: Du WBisst nicht, wie sie dich inStrassburg hassen! Du weisst nicht, wieÜonet und die Seinen gegen dich hetzenund bohren! lieh dir, wann du nach Strass-burg zurückgehst ! Sie haben dich zum Sun-denbock bestimmt, und sie worden dich op-fern. Die neuen Repräsentanten sind da,St. Just und Lebas, Monets Spiessgesellen,er hat ihr Qhr und blast hinein, was erwill. Ihm glauben sie aufs l;

  • - 54 -

    gen, Gastmähler und Gelage nicht ver-sehaäht und aus dem Feste der Freiheiteine fratzenhafte Bluthochzeit gemacht.

    EULOGIÜSt Wie die Schufte zu lügen verstehn, in-dem sie Tatsachen aufreihen! Mathematischbewiesener Schwindel! (Hasseslaut.)

    DI^ SCE.'^ST^R: Machtfülle habest du an dich geris-sen zum Spott deinem republilcanischen Auf-trage. Den Töchtern Bf.rra habest du des-potisch befohlen, deinem alten MitpfaffenPHink zu Thrillen zu sein, und habest denOrtschaften eine Hochzeitssteuer nachSehätzung auferlegt. Du habest dich zumG'ötzen der Republik gemacht, du übestVerrat im. Auftrage Oesterreichs! DurchHochgepränge, Tyrannenlaunen und unmässi-ge Grausamkeit machest du dem Volk denrepdblikanisohen Gedanken blutatinkendund .Tider lieh.

    EüLOGIüS: Wenn' s sonst nichts ist - diese hübschenLobreden kenne ich schon lange auswendig,liebes Schwesterchen!

    DIE SCH-VESTER: Sie sagen, du seiest eine schwarzeSchlange, und man müsse dir den Kopf zer-treten 1

    EULOGIUSs Eher werde ich sie in die Ferse stechen- oder vielmehr in ihre verdammten Eeuch-lerfratzen, hinein! Denn ich fürchte sienicht und habe oft genug den Kübel gegensie ausgegossen, sie aber kriechen weg,

    ^

    wenn ich den Schritt auf ihre Erbärmlich-|

    keit lostrage!DIE SCffVESTER: Sie warteten, sie warteten! Sie sa-

    hen zu und schrieben auf! Aber der Tagkommt, wo sie finden, dass ihr Süppleingekocht sei I Der Tag ist da ! Kit dich vor

  • - 55 -

    Strassburgl Sit dich vor diesem Land,das im Feuer steht f

    15ÜL0GIUS: Ich gehe drauf los, straoks und lait of-fenen Augen!

    DIE SCSVESTTüRi (-auf den Knien) Flieh aus doüiLande! Lass uns fliehen! Auf dieses Landhaben* s die Teufel abgesehn!

    BULOGIÜS: Dartifa ist es ein P^rndies. Ich bleibeund mache meinen ^>'eg, ob er uiich nun un-ter die blanke Schneide fuhrt oder überdie Glatzen jener Heuchler hinweg! Stehauf, Schwesterchen! Gib uiir einen Russ,tröste mich und rede mir iiut ein! lohbrauche ein tapferes Herz > das zu mirsteht und glaubt, was ich glaube

    !

    DIE SCafflSTER« Ich glaube, was du willst undsagst, aber mein Herz ist fürchterlichzusammengepresst i

    EULOGIÜS« Und wenn es würo, meine Bahn dort hin-aus liefe... Ol Ich lege Jceinen unbilli-gen, übenaässigen T/ert auf das Leben.Ich lasse mich genügen an der Zeit, diemir in Ehren besehieden ist. Immer binich sie selbst, die Revolution, und habei&re heisse Seele unvermisoht, keusch!Blind gläubig stürme ich zu, untheoretisoh,und wenn es mein Schicksal will, schöp-ferisch! Nicht der da flieht, sch'öpftdas zukünftige Leben nach seinem Bilde!

    DIE SCffijESTER: Du sprichst so sch'önl Du bist sogross! (Sie fällt ihi in die Anue.) Undich bebe vor Angst und Grauen! dassich ©in Weib bin! ¥äre ich ein Engel desFeuers und der Flamme, mit dem loderndenSchwerte zöge ich vor dir her und Hütetedich vor deinen entsetzlichen Feinden!

  • - 56 -,

    EÜLOGIUSj Du bist's, Schv/esterohen, du bist's!^7en hat der Hansjörg in seinen bitterstenStunden gehabt als dich? Du bist's, dubist immer mit mir gegangen, und ich ha-be mich deines Schattens und deiner Feu-er getröstet. Habe Alut, denn de ins Seeleist innig bei mir, und ich furchte michnicht I

    DIE SCWiESTER: (weint an seiner Brust.)EÜLOGIUS: Hör zu, Schwesterchen! IVenn ein Gewit-

    ter poltert, so muss man denken, dp.ss esgute lüfte und heiteren Sonnenschein an-künde. Wie, ivenn deine Angst etwas ande-res wäre, als du meinst? Wenn der grosseFeind rings um uns nichts anderes wäreals die Wolke um den Gott und Mann, dendu lieben wirst, und das Gr?uon, das dichschüttelt, die Ahnung; jener Todesschmer-zen, die dem Tfeibe das Leben und den lieb-lichsten Segen bringen?

    DIE SCHWESTER: (schüttelt den Kopf.)EULOGIUS: Lass mich etwas fragen. Lies, Gutes!

    Du liebst den Merkel!DIE SCHWESTER! (reisst sich los, steht traumhaft

    eretarrend) Ich... weiss... nicht...EULOGIUS t (ein nicht rohes, bubenhaft gutiges La-

    chen. )RUFE VCM FESTPL-MZ HER: Jungfer Sohnieder ! Jung-

    fer Schnieder ! Junffer Schnieder !EULOGIUS: Sie rufen dich!DIE SCffi'raSTER. Was wollen sie von uns?RUFE: Jungfer Schnieder!

    (Es wird eine mit Girlanden umzogene Lei-ter am Fenster aufgestellt. Mehrere Jain-stertäler Mädchen klettern herauf und ru-fen unter Lachen und Kichern in das Zimmer

  • - 57 -

    herein.)DIE üUENSTERT^'ffiLERINNEN s Jungfer Schnieder, du

    sollst mit uns tanzen!EULOGIÜS: Sie kotmut - aber ich auch! (Er geht auf

    die ii'ädchen los. Sie r'äuiaon unter Hallodie Leiter. Dia Rufe "Jungfer Schnieder!"dauern an.

    )

    ^ULOGIÜS» Du siehst, nicht ganz alle hassen uns.Geh hinaus, sei heiter, spiele mit ihnen!Du tust's für unsere Sache. Ich koaiine au-genblicklich nach.

    DIE SCHWESTER: (küsst ihm die Hand. '»Vill zur Türe.Er hebt sie auf die Leiter am Fenster.

    )

    BüLOGIDSi (ruft hinab) Da habt ihr sie! (Sie wirdmit Lärm unten empfangen, indem ein Bur-sche sie die Leiter hinabträgt.) Ich kom-me gleich nach! (Neue rauschende Tansmu-Bik.)

    EULOGIUS: (geht auf und ab - ein In-sich-zusammen-sinken.) Du bist z\x klug, SchweaterohenlDu siehst zu hell, Schwesterchen! Duweisst zu viel! ^«ie soll man leben, wennman weiss, dass man auf die Ouillotineloslebt! Ha! - Sie haben' s auf mich abge-sehn, und sie werden mit mir fertig wer-den, ich seh' s ! Und ich kann nicht auswei-chen. Und wenn ich fliehen wollte... dasind doch die, die von mir hinübergeschicktsind, die... wieviel sind's.' (Er zählt,in die Luft deutend) Einer, zwei, drei,vier, fünf achtundz wenz ig. . . diestehn am Rhein und halten l^Vache, dass ichnicht hinüberkann. Die stehn auch an derSchweiz ergrenz e und halten Tvache, dass ichnicht hinüberkann. Die sind über die ganzeErde und \TOisen die Leute an, dass sie

    :t

  • ' » .~i^:."5T'T^^'^^W

    - 58 -

    mich verfluchen, wo ich mich zeige. -Und der Oberlin, der Pfaff mit seinemsanften Bonem und mit seinem Segen! Derist's am allermeisten, der hat mir voll-ends das Genick verdreht und das Kreuzgehrochen! Das ist der Pfaff -illor Pfaf-fen, gegen den war ich in meinen pfäf-fischsten Zeiten ein Waisenknabe an Pfäf-ferei. Wie er mich liebhat, und v/ie ermir das Kreuz bricht, unerbittlich! Gibtsetwas Härteres, Grausameres, Unraensohli-cheres als diese Liebe? du Jehovasdie-norl - Aber er hat recht, er hat recht,und die Schwester hat auch recht ! Es gehtab^kfärts, es geht hinunter in den rotenStrudel, und alle stehn am Ufer und has-sen mich und sehn, wie es mich hinunter-schlürft, und da ist nicht einer, dersagte, es sei schade um mich! - Oder wä-re einer da? - Ich war ein gelehrterPfaff, ich war ein beredter Pfaff, ichwar ein Pfaff, der sich in der Vfelt zu-rechtzufinden wusste. Warum hast du dichnicht genügen lassen an deiner Pfäfferei,du Narrenpfaff! Nun ist's da - zeigt dierote Fratze - reisst das Gebiss auf!...Pah! Rüstet gegen mich mit Feuer, ^isenund giftiger Rode, beisst mich ins Herzmit entmutigender Einflüsterung. . . undwenn ich wackelte und schlotterte vorAngst... - eins habe ich noch da drin imBrustkasten, das bleibt bei mir und istimstande, zu speien auf das Schicksal,das ihr mir kocht , . . -Ist's Mut oder was?Name ist Dunst

    !

  • - 59 -

    Ich will es Frechheit nennenund nach meiner Guillotinenstunde jubeln!Merkel! Schreibersknecht! Bürger Tinten-kanaille ! Her

    !

    MERIGDL, DER SCHREIBER DBS EULOGIÜS: (in der Türe)Ich bin da.

    EÜLOGIUS: Bring dein Schreibzeug!MERKEL» (tritt ein mit Tintenfasa, Federn, Papier,

    Streusandbüchse) Ich habe alles da.EÜLOGIUS: Sitze! Schreibe!MERKEL« (schneidet eine Feder zurecht.) Gleich!

    Uebrigens, weiss der Bürger Eulogius,dass sie ini Sundgau den Landstura gegenuns aufgeb4ten haben?

    EULOGIÜS« Der Bürger Eulogius weiss alles.MERKEL: Sie sollen schon einen oder zwei Tage

    weit vorgerückt sein. Einer hat eine Pro-klamation gesehn, dass sie uns an derGuillotine aufhängen wollen. Auf deinenKopf haben sie einen Preis gesetzt.

    EULOGIUS« Das sind unwesentliche Scherze. Vtirkehren ohnehin nächstens um. Und wennwir wiederkommen, so bringen wir Beglei-tung mit, die sich vor dem SundgauerLandsturm nicht fürchtet.

    MERKEL« Das sage ich ja immer: nur kaltes Blut!EüLOBIOSi Schreibe! - An die Bürgerin Sarah Stamm.

    Im Hause des Bürgers Joseph Stamm, Kauf-mann in Barr. - Reizende Bürgerin! Deinebürgerlichen Tugenden, welche Blütender Menschlichkeit sind, haben meinen

    .

    Kopf entzückt und mein Herz entzündet,loh biete dir meine Hand. Schenke mirdie deine 1 loh werde dich in die irdi-schen Himmel des bürgerlichen Glückeseinführen.

    I!

  • p-T-^r

    - 60 -

    MERKEL: ... einführen.EULOGIÜS: (unterschreibt den Brief) Eulogius

    Schneider. Sand drauf! Du potschierstden Brief und gibst ihn dem Völtzel;Berger begleitet ihn. Sie sollen Galoppreiten!

    MERKEL: Galopp. Ich gratuliere übrigens.EULOGIÜS: Danke dir. -Vas sagst du zu der --ahl?IÄERKKL: Ich sage garnichts, aber wenn die

    einmal in der ^'/iege brüllen - da wirdman drei Strassen weit h'ören können, dassda junge Republikaner auf ihre Milchwarten! Die Stimme bekommen sie vom Papamit.

    EULOGIUS: (lacht, sehlägt ihn auf die Achsel)Gut gesagt ! Ich will dir mit dem gleichenKompliment dienen, wenn du Gelegenheitdazu gibst

    !

    MIÜRKEL: Wer weiss...EULOGIUS: Nimm ein anderes Blatt f Schreibe wei-

    ter! - An die Bürger St. Just und Lebas,Volksrepräsentanten. Strassburg. Durchdie glorreiche Feier des Vernunftfestesim Münster ist meine augenblickliche Sen-dung mit grossem. Nutzen für die Sacheder Republik abgeschlossen. Die Spur mei-nes Weges ist gekennzeichnet durch dieVernichtung der aristokratischen Elemen-te, die noch den Frieden störten, unddurch die republikanische Erweekung undBegeisterung der Jugend. Ich kehre zu-rück, um Rechenschaft zu verlangen vongewissen Elementen, die wenn auch vergeb-lich versuchten, die Ernte meiner segens-reichen Tätigkeit durch übla Ausstreuun-gen zu verderben.

  • - 61 -

    «uEHKEL» . . . verderben.Ii)UL06lü3s (unterzeichnet) Mit Eilboten! - .«eiter!

    An die Bürger Beigeordneten in Barr. Ichbin ein Feind des unbürgerlichen Prunkesund der Verhiau-ielung einzelner, die stetsnur Diener der grossen Sache sein werden,ansonst sie zu vernichten sind. Ich bitteeuch zu sorgen, dass ich demniächst ohnealles Aufsehn erapfangen werde, wenn ichnach Barr komiae> um aieine eigenen Ange-legönheiten zu betreiben, üit revolutio-närem 6ru8s. .

    .

    iiSRKRL: . .. Gruss.^ULOGIüS: (unterzeichnet) Geht mit dötu. andern zu-

    gleich.MERiffiL: Üb ja. Die vyerden sich ^vundern. A-ber wp» .

    ruia so streng, so katomajorischV Imeiaschadet* s, >renn uns die llationelgarde ab-holen viürde? E^ \f&re lustig für uns unddeoL alten Stp^aux eine Ehre, wie er nochkeino genossen hat.

    EÜLOGIUS: Die Idee verbietet's. Dasta. Schreib!- An den Bürger Robespierre. Paris. Ineinem glorreichen Zuge, der die Republikund ihre Tugenden über diesem. Lande strah-lend aufrichtete, vrerde ich zurückgewor-fen durch einen Aufstand, den die vjühle-reien meiner Neider, der gerährlichstenBlutsauger am Leibe der Republik im Sund-gau angestiftet hat. Ich bin der Sklaveder Tugend, die nur sich kennt und ver-breoheriches Erbarmen verachtet. Ich stel-le die Tugend und ihren Kampf gegen denVerrat im eigenen Lager unter deinen per-sönlichen Schutz . Ich verlange eine Kom-mission zur Untersuchung der gegenrevolu-

    lÄi...

  • - 62 -

    tion*ären Machenschaften eines Klüngelsvon heimlichen Jaonarehisten, der seinenSitz in Strassburg hat, und dessen Anhän-ger ich bezeichnen 'werde.

    i^RKEL: Bezeichnen werde.EULOGIüSj (unterzeichnet) '7ird dreifach gesiegelt.

    Abar wen soll ich damit schio'ken? - Ich%Teiss keinen - als dich!

    MERKÜL: Soll ich damit reiten?l^LOGIUS: Aber über 'vsiesen, dass du gal^spieren

    kannst

    !

    ilBRKEL : Ich mach' s

    .

    EDLOGKTS: ';/enn du wieder nach Strassburg kannst,sind wir auch da. Die Lies ^fird dir einBotenbrot rüsten.

    JISRKEL: (packt zusanmen) Nix wie nach Paris!KULOGIOSt Galopp! - Ich dank dir! (Händeschütteln.)

    (Merkel ab.)EULOGIUS: (geht auf und ab. Nach einer ^eile.

    Während sein Name Tcm Festplatze her wie-der gerufen wird) Abel! Schorsehi

    DIE BRIDEN GT?HILPKN ABT5L UND SCHORSCH» sas willstdu?

    GULOGIüSt Macht alles fertig! Lasst zusammenpak-ken! Morgen ziehn wir ab. In der Frühe!Ich will den Schimmel reiten.

    ABBLi Den Schimmel.SCHORSCHt -.'0 geht's hin?EüLOGIüSi Nach Dorlisheim.ABEL» \7egen dem "schicket euch in die Zeit?"SCHORSCH« rillst du den Pfarrar von Dorlisheim

    in die bbse Zeit schicken?EULCGIÜS: Im Gegenteil, in die Ewigkeit. Da ist

    er von Berufs wegen zuhause.ABELt (Schorseh anstossend) Das weiss der Eulo-

    giüss noch von früher, hat mit seiner K6-

  • lg£ Kl'^^

  • ^yjMWfrr«^^'

    - 64 -

    VIII.

    (Der Vorhang hebt sich nach vier Jslinuten.Dorlisheim. Platz. Heroufstarrende Volkscaenge,Jra Vordergrund die Guillotinentribüne. - Der Pfar-rer von Dorlisheim; ein filter M^nn; Soutane, Je-suitenhut. - Der Henker. - Vor der Guillotinen-tribüne ".'achen, Gewehr bei Puss. Tronimelv/irbel.

    )

    DER PFARI^'^R: (nach dem Trommeln) Allez hopp,köpft miorh jetzt \

    DER H^HKERt Du wirst warten können.DER PFARJT^Hf ?.a ist nicht nötig, dass ich mich

    hier Tanger aufhalte. Meine Arbeit istgetan auf dieser "i'elt. (Zur llenge) Lebetwohl, ihr lieben Kinder lein! Euer Vaterim Himmel behüte euch und geleite euchgnadig durch diese bösen Zeiten bis zurEmpfängnis seines ewigen Heiles. Amen.

    DIE IfcTSNGE! (dumpfes Munaeln wiederholt das Amen.)DER HSNICERt Hfllt's Maul! Du h^st d-^s "ort lange

    genug geführt in Dorlisheim! Das wissenI sie schon auswendig! (Da man auf de»

    Platze murrt) ^er bnunmt da? ^fer willetwas ?(Brüllen. Einzelne Fäuste fahren hoch.Die Wachen nehmen das Gewehr auf.)

    DER PFAH*?ER: Stecke dein Schwert in die Scheide,Ambros, und mache deinen Arm wieder hin-unter, denn ich will deinen Ann nicht inder Höhe sehn! Meinst du, wenn Gott michunwürdigen Menschen aus den Händen diesererretten wollte, er würde nicht seine Le-gionen Engel schicken?

    EULOGIÜS: (springt auf die Tribüne) Er wird'sbleiben lassen, der gute lüann! Er ist

  • - 65 -

    selber unter die Sansldilotten gegangen.(Lachen der I

  • - 66 -

    tan hast. Deine Reden, die du unter denLeuten geführt hast, sind uns bekannt ISie beiveisen den Sinn, den vrir in deinenzweideutigen Knnzelreden gefunden haben.Pfui dich, alter Lügner und Verführer!(Empörte Schreie. Der Pfarrer ^•rinktSchweigen.

    )

    DER PFARRER: Ich bin ein gebrechlich altes Menn-lein, du kannst mich schimpfen, und ichkann dich nicht strafen. Aber das sageich dir, du hochmütiger, frecher, schel-tender Mensch, dass dir die Verdanuanisauf der frechen Stime geschrieben steht.Du bist ein greulicher, m'örderischerMann, und dich reiten die Teufel, denendu deine Seele verschrieben hast, vonLästerung zu Lästerung, von Mord zu Mord,und die Erde schwitzt Blut unter jedemdeiner verruchten Tritte ! Du rasestteuflisch gegen die Menschen und gegenGott, du bist ein wahrer Satan, den Men-schen und den Engeln feind, und tuestSchaden und Verdammnis bis du überantwor-tet werdest in den Pfuhl, aus dem du her-aufgekommen bist. '.7eh dir, schrei ich,und seufze Gott gnade dirl Betet für ihn,meine Schäflein, wenn die Stunde seinesFalles gekommen sein wird. Dieses Testa-ment hinterlasse ich euch!

    EÜLOGIOS: Kennst du dein Gift in so milde Papier-chen wickeln? Ich danke für deine Gebete

    !

    Ich brauche sie nicht ! Und ihr d? aufdem Platze! Tut eure Bürgerpflichten,das wird für eure l/eiber und Kinder bes-ser sein als die faule Beterei: so sagtdas Vaterland, dem ihr jede Lunge voll

  • - 67 -

    Luft schuldig seid, die ihr atmet. Führt

    ihn- hin! Schnallt ihn auf! Trocualer, eu-

    ern Marsch!(Guillotinenmarsch.

    )

    Vorhang

  • "^W

    - 68 -

    IX.

    (Vorhang auf nach drei Minuten. - Tisch und dreiStühle vor Zwischenvorhang. (Zimmer in Ratshauszu Strossburg.) - Monet, St. Just, Lebas in er-regtem Auf- und Abgehn.)

    ST. JUST: Ich kann nicht ohne vTeiteres einschlagenwie Lebas. Ihr beneidet ihn eben!

    L5BASs Uhd wenn sie ihn beneiden? Wer beneidetwen nicht? Die Instinkte sind da, manmuss sie lassen wie sie sind und sie zumVorteil des Staates lenken.

    MONETi Warum sollte ich den Teutonen beneiden?Wenn ich diesem Laster fröhnte, so würdeich mir andere aussuchen, die Aussichthaben, es weiter zu bringen als ich. Die-ser Eulogius aber bringt sich mit seinenwahnwitzigen Elogen firüher oder späterins Verderben, ob ich ihn beneide odernicht, irdchte er randalieren, soviel erLust hat, wenn er nicht der Republik denBoden abgrübe! Er verhetzt das Land gegenuns, unerhört! Hat man euch noch nichtauf der Strasse nachgesohimpft : IfelscherHund!?

    ST. JUST: Ich glaube, ich habe eirwial von weitemso etwas gehört, Monet. \is.s hast du demkühnen Rufer bezahlt?

    LSBAS: Spass beiseite! Wir sind uns darüber ei-nig, dass Monet nicht der Freund desSchneider ist. Du beneidest ihn nicht,Monet; nun, so gib zu, dass er dir zumSpeien ist - sagen wir durch seinen Ak-zent I

    MONET: Ich hasse ihn.

  • Hnw«S!>;

    LE3AS« Du hassest ihn, gut. Und v/ir sagen dir,dass wir ihui deswegen, vjeü du ihn has-sest, noch kein Härchen icrüuimen lÄirden,Im Gegenteil! ^'s nibt für den Staat nichtsVorteilhafteres als den gogonsoitij^enHßss der i3eaiii.ten. Der Heid ist die ^elleder grossen Leistungen, '»ia aber, meinlieber St. Just, '/enn es das "vfohl derRepublik wollte, dass ^.rir doui kleinli-

    . chen Hasse dieses Kankers laonet freienRauiii gäben und den guten, grossmütigeiri,immer tat igen Kuloj^ius als Schlacht laiüUiauf deca Altare des Vaterlandes opferten- ich meine, nach der ^..ethode unseresverehrten Oberpriesters Guillot?

    ST. JUST» Ich hasse den iaacchiavellismus. Ister schuldig, so k'öpft ihn. Ist er a"bernicht schuldiger, als ich ihn bishergefunden habe, so vrerde ich niemals meinJa geben zu eineui Justizmorde!

    L^üBAS: '.iSiS heisst schuldig, was heisst unschul-dig? Eulogius sieht aus \/ie ein Feuer-teufel. 13r hat es unternommen, den Staatin gewissen Handlungen zu vertreten. Erhat also den Staat in den Übeln Ruf ge-bracht, gewissermassen eine feuerteufli-sohe Gesellschaft zu sein. Das ist einKapitalverbrechen, das nicht wegzudivi-dieren ist, und auch wenn ihm. die Ab-sicht gefehlt haben sollte, so dürftedas ihn nicht vor der Strafe schützen.Ferner hat er eine verwerfliche Nachläs-sigkeit in Bezug auf gewisse Patrizier-familien, deren verräterische Gesinnunger nicht zu entlarven vermochte, und diedeshalb heute noch im Genüsse ihrer Rie-

  • 70 -

    MONET:

    LEBAS:

    senverm'ögen sind, welche der Staat fürseine h'dheren Zwecke so dringend lirau-ehen würde.Wir haben das Volk beleidigt und heraus-gefordert, verstinmt und vergewaltigt.Riner muss fallen - ihr könnt ja michaussuchen - oder der Makel der gesetzlo-sen Gewalttat bleibt an der Republik han-gen!Wenn du nicht überzeugt bist, dass Schnei-der die Republik schlecht veirtritt,St. Just, so lies den Bericht über denRumor, mit dem er die Hinrichtung desDorlisheimer Pfaffen veranstaltet hati

    ST. JÜST: Ich habe gelesen. Man kann sagen, erhabe unnötig gereizt, man kann auch sa-gen, er habe seinen Mann männlich ge-stellt und so durch entschiedene Wortein der schwankenden Menge einen nachhal-tigen Eindruck unserer republikanischenUnbeugsamkeit hervorgerufen. Ich müsstedie Verhältnisse genauer kennen, xun zuurteilen.Ich kenne die Verhältnisse soweit, dassich sagei dem Lande muss ein blutigerBrocken hingeworfen werden, um gewisseAusgleiche der Volksstimmung zu bewirken.Findet mein Hinweis keine Billigung, som'öge der ablehnende Teil sich bereit er-klären, die Verantwortung zu tragen!St. Just, ich bewundere die Strenge dei-ner Tugend und noch mehr die stählerneUnbeugsamkeit deines lifutes.

    '/as heisst das?Diesen Schneider decken - das heisst...Robespierre V/iderstand leisten.

    MONET

    i

    lEBAS:

    ST. JÜSTLEBAS:

  • - 71 -

    ST. JÜST: Das... wusste ich nicht, üebrigenshabe ich. kein Interesse an den Schicksa-

    ' len des Schneider.LEBAS: Dann waren wir ja einig, und missten es

    nicht! (Er lacht.) .

    Vorhang'

  • ßr??«?

    - 72 -

    X.

    (Nach v3.er Uinuten Vorhang auf.Garten an ISigel bei Barr. Aussicht ins Rheintal.Das Verlohungsfest des ^ulogius. üeber die Bühnelustwandelnde Festgäste. ^ulogius mit Sarah Stamiü.)

    inJLOGIÜS: ./eich ein Land, welch ein Land!S'Jl/H: Ich kenne es. .ar sind jetzt seit v