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GesundheitsUni Jena www.gesundheitsunijena.de Jahrestagung 2009 Do it yourself! Verbesserung der Informationen durch die Selbsthilfe Dr. Sylvia Sänger [email protected]jena.de www.gesundheitsunijena.de

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Jahrestagung 2009

Do it yourself!Verbesserung der Informationen durch die Selbsthilfe

Dr. Sylvia Sä[email protected]‐jena.de

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Was häufig von Patienten beklagt wird:● Ärzte hören zu wenig zu, haben zu wenig Zeit● Aufklärung und Beratung sind unzureichend● Ärzte sprechen in einer unverständlichen Wissenschaftssprache● Ärzte üben Druck in Richtung bestimmter Behandlungsmethoden aus● Ärzte legen ihre Interessen und Informationsquellen nicht offen● Patienten stehen bei Behandlungsfehlern allein ● Patienten wissen nicht, was der Arzt für die Behandlung abrechnet● Wartezeiten und Dienstleistungsqualität sind unzureichend

Quelle Stötzner, K.: Einbindung von Patienten und ihren Anliegen in die evidenzbasierte Medizin. ZaeFQ 2001; 95: 131–136

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Patienten möchten:

• verstehen, was nicht in Ordnung ist • eine realistische Vorstellung der Prognose erhalten • das Arztgespräch bestmöglich nutzen • die Abläufe von Untersuchungen und Behandlung verstehen • die wahrscheinlichen Ergebnisse von Untersuchungen und

Behandlungen verstehen• Unterstützung erhalten und Hilfe bei der Bewältigung • darin unterstützt werden, selber etwas zu tun• ihr Hilfsbedürfnis und ihre Besorgnis rechtfertigen • andere darin unterstützen, sie zu verstehen • lernen, weitere Krankheit zu verhindern • wissen, wer die besten Ärzte sind

Coulter A, Entwistle V, Gilbert D. Sharing decisions with patients: is the information good enough? BMJ 1999;318(7179):318-22

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Sozialgesetzbuch, 5. Buch§ 1 Solidarität und Eigenverantwortung

…Die Versicherten sind für ihre Gesundheitmitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden….

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● Seltene Krankheiten werden oft spät erkannt.

● Der Informationsbedarf der Betroffenen ist hoch.

● Es gibt (meist) wenige wissenschaftliche Nachweisezur Wirksamkeit von Behandlungen.

● Die Anzahl der Betroffenen einer seltenen Erkrankungist gering.

Selbsthilfe bei seltenen Erkrankungen:Die große Herausforderung

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Kann hier die evidenzbasierte Medizin helfen?

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Unter Evidenzbasierter Medizin ("evidence based medicine") oder evidenzbasierter Praxis ("evidence based practice") im engeren Sinne versteht man eine Vorgehensweise des medizinischen Handelns, individuelle Patienten auf der Basis der besten zur Verfügung stehenden Daten zu versorgen. 

Diese Technik umfasst die systematische Suche nach der relevanten Evidenz in der medizinischen Literatur für ein konkretes klinisches Problem, die kritische Beurteilung der Validität der Evidenz nach klinischepidemiologischen Gesichtspunkten; die Bewertung der Größe des beobachteten Effekts sowie die Anwendung dieser Evidenz auf den konkreten Patienten mit Hilfe derklinischen Erfahrung und der Vorstellungen der Patienten.

http://www.ebm‐netzwerk.de/grundlagen/definitionen

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Stufen der Evidenz / levels of evidence / Evidenzhierarchiewww.ebm‐netzwerk.de/arbeitsmaterialien

Niedrige Evidenzstufe• Erfahrungen / Meinungen anerkannter Autoritäten

Mittlere Evidenzstufe• Studien (nicht randomisiert)

Hohe Evidenzstufe• Mathematische Auswertung „guter“ Studien

zur gleichen Fragestellung• „Gute“ Studien (randomisiert, kontrolliert)

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Nach: Manual Patienteninformation http://www.aezq.de/edocs/pdf/schriftenreihe/schriftenreihe25.pdf und Gute Praxis Gesundheitsinformation des DNEbM e.V. 2009 (in Bearbeitung)

Evidenzbasierte Patienteninformationen

• berücksichtigen die zum Zeitpunkt der Erstellung vorhandenen besten undaussagekräftigsten Daten (qualitativ beste Studien) zu den untersuchten Themen durch die systematische Suche, Auswahl, kritische Durchsicht und Bewertung von Literatur. 

• stellen das Fehlen von Evidenz klar dar

• enthalten als „Erfolgsfaktoren“ der Behandlung solche, die für Patientenbedeutsam sind. Dies sind insbesondere die Lebenserwartung und dieLebensqualität. 

• stellen wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeiten in einer für Laien relevanten und verständlichen Form dar (Risikokommunikation).

• leisten einen Beitrag zu realistischen Erwartungen der Bürger und Patienten

• berücksichtigen die Erfahrungen und Bedürfnisse betroffener Patienten

• vermeiden Interessenkonflikte

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Ärztliche Erfahrung

ExterneEvidenz

Externes Wissen aus systematischer 

Forschung

Erfahrungen und Präferenzen des/der Patienten

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Wenn es aber keine oderkaum  Daten gibt?

Was dann?

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ÄrztlicheErfahrung

ExterneEvidenz

Externes Wissen aus systematischer

Forschung

Erfahrungen und Präferenzen

des/der Patienten

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Manchmal ist die einzige Evidenz, dass man jemanden kennt, der weiß, wie es geht...

Sir Muir A Gray

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In den 50er Jahren hüteten Ärzte ihre „Geheimnisse“ vor den Patienten.

Noch vor 25 Jahren hielten Ärzte es für gefährlich, Patienten die Wahrheit über eine schwerwiegende Krankheit zu sagen.

Krankenakten wurden früher mit dem Vermerk „Vertraulich“versehen – sie gehörten nicht in die Hände der Patienten. 

Anderseits können Patienten heute oft ihre gesundheitliche Situation nicht beschreiben und wissen häufig nicht, welche Medikamente sie einnehmen...

Peter D Toon; The Resourceful PatientJ R Soc Med. 2002 September; 95(9): 469–470.

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Wir brauchen:

Ein Umdenken bei Ärzten undPatienten!

Die Selbsthilfe kann hier eine bedeutende Rolle spielen!

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Nach: Coulter A, Entwistle V, Gilbert D. Sharing decisions with patients: is the information good enough? BMJ 1999;318(7179):318‐22

Verständliche Erklärungen medizinischer Grundlagen (Erkrankung, Diagnostik, Behandlung) und Übertragung auf die individuelle Situation

Anregungen zur Unterstützung der Arzt‐Patienten‐Kommunikation(Nutzen / Risiken !!!)

Anleitung zum Selbstmanagement

Hilfe bei der Beurteilung von Leistungen im Gesundheitssystem

Elemente einer guten Patienteninformation

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Der Weg zu guten Patienteninformationen

● systematische Recherche● Berücksichtigung von Patienten‐Erfahrungen● Relevanz der Behandlungsziele (für den Einzelfall)● Berücksichtigung formaler Qualitätsanforderungen● Sicherstellung der Verständlichkeit● Effektive Verbreitung● regelmäßige Überarbeitung

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Systematische Recherche

● Datenbanken (www.pubmed.gov, orphanet.de)

● Health Technology Assessment (www.dimdi.de)

● Literatur (www.zbmed.de)

● Leitlinien (leitlinien.net)

● Graue Literatur (scholar.google.com)

● „Dr. Google“

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Berücksichtigung von Patientenerfahrungen

● strukturierte Krankheitsbeschreibung ● systematische Erhebung der Erfahrungen

.org

.de

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Relevanz der Behandlungsziele (im Individualfall)

● Lebensqualität● Lebensverlängerung● bessere soziale Teilhabe● weniger Heil‐ und Hilfsmittel● weniger Arztbesuche oder Klinikaufenthalte● bessere Alltagsbewältigung● ....

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Berücksichtigung formaler Qualitätsanforderungen

• Klare Formulierung der Ziele und Zielgruppen

• Angabe von Literatur‐Quellen und weiteren Hilfsangeboten

• Angaben zu den Autoren

• Angaben zur Aktualität

• Ausgewogenheit und Unabhängigkeit

• Beschreibung von Unsicherheiten

• Darstellung aller möglichen Behandlungsoptionen

• Erklärung der Behandlung einschließlich Nutzen und Nebenwirkungen 

• Erklärung des natürlichen Krankheitsverlaufes

• Verständlichkeit

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Berücksichtigung formaler Qualitätsanforderungen

Patientenorientierte Krankheitsbeschreibung (PKB) nach ACHSE‐Kriterien

I. Erstellung und formale Aspekte1. Nennung der Verfasser2. Gemeinsame Redaktion von Arzt und diagnosespezifischer Patientengruppe3. Verfügbarkeit in Landessprache4. Erstellungs‐ bzw. Aktualisierungsdatum5. Patientenverständliche Ausdrucksweise6. Internetzugang

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II. Ärztlich‐wissenschaftliche Informationen7. Häufigkeit8. Ursache9. Symptome und Differentialdiagnostik10. Formen des Krankheitsverlaufs und Prognose11. Früherkennung12. Therapie13. Vorbeugende Maßnahmen (Prävention)14. Genetische Beratung (einschließlich Indikation und Verfügbarkeit

molekulargenetischer Diagnostik)15. Empfohlene Untersuchungsmethoden für Verlaufsdiagnostik

Berücksichtigung formaler Qualitätsanforderungen

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Berücksichtigung formaler Qualitätsanforderungen

III. Krankheitsbewältigung, Kontaktaufnahme und Information zu ärztlichen Spezialisierungen16. Hilfen bei der Krankheitsbewältigung und Lebensplanung17. Kontaktaufnahme mit einer Patientenorganisation / Patientengruppe18. Hinweise auf Spezialsprechstunden, Spezialambulanzen oder andere diagnosespezifisch ausgerichtete Zentren

IV. Weiterführende Hinweise und Links19. Informationen für Patienten, Ärzte und andere Professionelle20. Optional: Informationen für Ärzte und andere Professionelle

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QualitQualitäätsts‐‐KennzeichnungenKennzeichnungen•• Transparenzsiegel, Transparenzsiegel, www.afgis.dewww.afgis.de•• EthikEthik‐‐Kode, Kode, www.hon.chwww.hon.ch•• Zertifikat, Zertifikat, www.urac.orgwww.urac.org

VerfahrenVerfahren•• Bewertete Informationen: Bewertete Informationen: www.patientenwww.patienten‐‐information.deinformation.de•• Anzeige von QualitAnzeige von Qualitäätskennzeichnungen: tskennzeichnungen: www.medinfo.dewww.medinfo.de•• Automatisierte Bewertung: Automatisierte Bewertung: www.medieq.orgwww.medieq.org•• Schwarze Listen: Schwarze Listen: www.quackwatch.orgwww.quackwatch.org

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Sicherstellung der Verständlichkeit

● wissenschaftliche Überprüfung mitScore‐Systemen− http://www.doku.net/artikel/lesbarkei0.htm− Sich verständlich ausdrücken. 4.gänzlichüberarbeitete Auflage München, Reinhardt Verlag1981, 7. erweiterte Auflage 2002 (mit I. Langer undR. Tausch). Auch in Kroatisch. 8.Aufl. 2006.

● Praxistext vor Veröffentlichung(Fokusgruppe)

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Effektive Verbreitung

●Wege klären● Beteiligte festlegen● Strategie der kontinuierlichen Öffentlichkeitsarbeit festlegen

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Regelmäßige Überarbeitung

● „Verfalls“‐Datum festlegen● „Watchdog“‐System einrichten● Nutzerfeedback berücksichtigen

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Phase 1: Planung der Patienteninformation

●Wer soll an der Erstellung beteiligt werden? ●Welche Fragen soll die Information beantworten?●Welches Medium soll gewählt werden?●Wie soll die Information finanziert werden?●Wie soll die Information bekannt gemacht werden?● Ist die kontinuierliche Aktualisierung eingeplant?

Ressourcen planen!!!

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Phase 2: Erstellung der Patienteninformation

● Suche nach wissenschaftlicher Evidenz  ● Suche nach sozialer Evidenz (Erfahrungen)● Berücksichtung formaler Qualitätsanforderungen● Prüfen auf Korrektheit● Praxistest● Druck / Veröffentlichung●Methodenreport!

Systematische Durchführung!!!

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Phase 3: Verbreitung

● Patienten  ● Öffentlichkeit● Fachöffentlichkeit

Ziel: Implementierung!!!

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Phase 4: Überarbeitung

● regelmäßiger Modus● Umgang mit neuen Erkenntnissen

Lebenszyklus von Informationen!