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120 Full Paper Die Suche nach dem sichersten Ort der Schweiz – GIS-Analyse zur Platzierung von möglichen Tiefenlagern für radioaktive Abfälle Searching for the Safest Place in Switzerland – GIS Analysis for the Placement of Possible Deep Geological Repositories for Radioactive Waste Michael Ruff 1 , Wilfried Albert 1 1 Nationale Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), Wettingen · [email protected] Zusammenfassung: Im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager Etappe 2 sollten 6 geologische Standortgebiete nach sicherheitstechnischen Kriterien verglichen werden. Eine wichtige Grundlage da- für besteht in der räumlichen Lage des potenziellen Tiefenlagers. Am Beispiel des Wirtgesteins Opali- nuston wird dargestellt, wie durch einen GIS-Verschnitt in einem iterativen Verfahren optimierte La- gerperimeter ausgewiesen wurden. Die Lagerperimeter beschreiben die räumliche Ausdehnung des Be- reichs, in dem das Tiefenlager gebaut werden könnte, projiziert auf die Erdoberfläche. Aufgrund des Vergleichs der Ergebnisse und weiteren Kriterien zur Sicherheit wurden zwei Gebiete für die weiteren Untersuchungen von der Nagra vorgeschlagen. Schlüsselwörter: Radioaktiver Abfall, geologisches Tiefenlager, Opalinuston, Lagerperimeter Abstract: In Stage 2 of the Sectoral Plan for Deep Geological Repositories, 6 geological siting regions were compared according to safety criteria. One of these criteria is based on the spatial position of the potential repository. Using the example of the Opalinus Clay host rock, a workflow is presented show- ing how optimized disposal perimeters are defined in an iterative process based on a GIS analysis. The disposal perimeters describe the spatial extent of the potential deep repository area, projected on the surface. Based on the results and additional safety criteria, Nagra has recommended two geological siting regions for further investigation. Keywords: Radioactive waste, deep geological repository, Opalinus-Clay, disposal perimeter 1 Einleitung Das Verfahren zur Standortwahl von Lagern für die Entsorgung von radioaktiven Abfällen in der Schweiz ist im Sachplan geologische Tiefenlager (SGT) festgelegt und in mehrere Etappen aufgeteilt (BFE, 2008), dabei hat die Sicherheit oberste Priorität. In Etappe 1 wurden sechs geologische Standortgebiete für schwach- und mittelaktive Abfälle (SMA) und drei Standortgebiete für hochaktive Abfälle (HAA) vorgeschlagen (Nagra, 2008). Diese Auswahl wurde durch den Bundesrat im November 2011 gutgeheißen. In Etappe 2 wurde ein Einengungsvorschlag auf mindestens zwei geeignete Standortgebiete pro Lagertyp erarbeitet. Dabei konnte ein Standortgebiet nur dann zurückgestellt werden, wenn es eindeutige sicherheitstechnische Nachteile im Vergleich zu den übrigen Gebieten hat (Nagra, 2014a). AGIT Journal für Angewandte Geoinformatik, 3-2017, S. 120-129. © Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH · Berlin · Offenbach. ISBN 978-3-87907-633-8, ISSN 2364-9283, eISSN 2509-713X, doi:10.14627/537633013. Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verbreitet wird (http://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/).

Die Suche nach dem sichersten Ort der Schweiz – GIS ...€¦ · 120 Full Paper Die Suche nach dem sichersten Ort der Schweiz – GIS-Analyse zur Platzierung von möglichen Tiefenlagern

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120 Full Paper

Die Suche nach dem sichersten Ort der Schweiz – GIS-Analyse zur Platzierung von möglichen Tiefenlagern für radioaktive Abfälle

Searching for the Safest Place in Switzerland – GIS Analysis for the Placement of Possible Deep Geological Repositories for Radioactive Waste

Michael Ruff1, Wilfried Albert1 1Nationale Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), Wettingen · [email protected]

Zusammenfassung: Im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager Etappe 2 sollten 6 geologische Standortgebiete nach sicherheitstechnischen Kriterien verglichen werden. Eine wichtige Grundlage da-für besteht in der räumlichen Lage des potenziellen Tiefenlagers. Am Beispiel des Wirtgesteins Opali-nuston wird dargestellt, wie durch einen GIS-Verschnitt in einem iterativen Verfahren optimierte La-gerperimeter ausgewiesen wurden. Die Lagerperimeter beschreiben die räumliche Ausdehnung des Be-reichs, in dem das Tiefenlager gebaut werden könnte, projiziert auf die Erdoberfläche. Aufgrund des Vergleichs der Ergebnisse und weiteren Kriterien zur Sicherheit wurden zwei Gebiete für die weiteren Untersuchungen von der Nagra vorgeschlagen.

Schlüsselwörter: Radioaktiver Abfall, geologisches Tiefenlager, Opalinuston, Lagerperimeter

Abstract: In Stage 2 of the Sectoral Plan for Deep Geological Repositories, 6 geological siting regions were compared according to safety criteria. One of these criteria is based on the spatial position of the potential repository. Using the example of the Opalinus Clay host rock, a workflow is presented show-ing how optimized disposal perimeters are defined in an iterative process based on a GIS analysis. The disposal perimeters describe the spatial extent of the potential deep repository area, projected on the surface. Based on the results and additional safety criteria, Nagra has recommended two geological siting regions for further investigation.

Keywords: Radioactive waste, deep geological repository, Opalinus-Clay, disposal perimeter

1 Einleitung

Das Verfahren zur Standortwahl von Lagern für die Entsorgung von radioaktiven Abfällen in der Schweiz ist im Sachplan geologische Tiefenlager (SGT) festgelegt und in mehrere Etappen aufgeteilt (BFE, 2008), dabei hat die Sicherheit oberste Priorität. In Etappe 1 wurden sechs geologische Standortgebiete für schwach- und mittelaktive Abfälle (SMA) und drei Standortgebiete für hochaktive Abfälle (HAA) vorgeschlagen (Nagra, 2008). Diese Auswahl wurde durch den Bundesrat im November 2011 gutgeheißen.

In Etappe 2 wurde ein Einengungsvorschlag auf mindestens zwei geeignete Standortgebiete pro Lagertyp erarbeitet. Dabei konnte ein Standortgebiet nur dann zurückgestellt werden, wenn es eindeutige sicherheitstechnische Nachteile im Vergleich zu den übrigen Gebieten hat (Nagra, 2014a).

AGIT ‒ Journal für Angewandte Geoinformatik, 3-2017, S. 120-129. © Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH · Berlin · Offenbach. ISBN 978-3-87907-633-8, ISSN 2364-9283, eISSN 2509-713X, doi:10.14627/537633013. Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verbreitet wird (http://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/).

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Für die Einengung wurde gemäß SGT und weiterer Vorgaben des Eidgenössischen Nuklear-sicherheitsinspektorats (ENSI, 2013) für jedes Standortgebiet eine provisorische Sicherheits-analyse und gestützt darauf eine vergleichende Gesamtbewertung durchgeführt. Der Vor-schlag der Nagra für die nachfolgende Etappe 3 wurde im Januar 2015 veröffentlicht und wird momentan von den Aufsichtsbehörden begutachtet. Ein definitiver Entscheid vom Schweizer Bundesrat wird Ende 2018 erwartet.

Für die Bewertung der Standortgebiete wurden zahlreiche Einzelkriterien herangezogen. Ei-nige dieser Kriterien (z. B. Langzeitstabilität und bautechnische Machbarkeit) haben einen engen Zusammenhang mit der räumlichen Position des potenziellen Lagers sowie der Lage des Wirtgesteins im Allgemeinen. Daher bot sich für einen Teil der Analysen ein GIS-gestütztes Verfahren an, welches im Folgenden am Beispiel des potenziellen Wirtgesteins Opalinuston vorgestellt wird.

Zu den Kriterien, welche in die GIS-Analysen eingeflossen sind, gehören unter anderem der minimale Abstand der potenziellen Lagerebene zur Terrainoberfläche, der minimale Abstand der potenziellen Lagerebene zur Erosionsbasis (Schnellmann et al., 2014 und Kapitel 2.3.4), die maximale Tiefenlage der potenziellen Lagerebene, der Abstand zu wichtigen Störungs-zonen sowie auch die resultierende Fläche der potenziellen Lagerebene und deren minimale Breite. Eine detaillierte Auflistung aller Kriterien sowie eine umfassende Begründung für jedes einzelne Kriterium finden sich in Nagra (2014a).

Abb. 1: Schematische Darstellung eines geologischen Profils durch ein Standortgebiet und der im GIS-Prozess berücksichtigten Anforderungen an ein geologisches Tiefenla-ger. 1: minimaler Abstand zu Terrainoberfläche; 2: minimaler Abstand zu Top Fels; 3: minimaler Abstand zu Erosionsbasis; 4: maximale Tiefenlage unter Terrain; 5: mögliche Lagerebene im Wirtgestein, welche alle genannten Anforderungen erfüllt.

Für jedes Standortgebiet sollten ausgehend von vorgegebenen Mindestanforderungen die räumlich relevanten Kriterien im Rahmen der GIS-Analysen so lange optimiert werden, bis die bestmögliche Position für ein potenzielles Lager gefunden wurde (Abb. 1). Die iterativ

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optimierte Lage floss als „maßgebender Lagerperimeter“ in die vergleichende Gesamtbewer-tung ein (Nagra, 2014a). Da bei der Optimierung der Kriterien unterschiedliche Szenarien z. B. zur Langzeitentwicklung zugrunde gelegt werden mussten, wurden in Ergänzung zu dem jeweiligen „maßgebenden Lagerperimeter“ auch „alternative Lagerperimeter“ berechnet und in der Gesamtbewertung berücksichtigt. Zusätzlich weisen alle Grundlagendatensätze Ungewissheiten auf, die ebenfalls bei der Berechnung und Bewertung mitberücksichtigt wer-den mussten.

2 Methode

2.1 Funktionsweise

Der Optimierungsprozess musste so variabel wie möglich gestaltet werden, um eine Vielzahl möglicher, unterschiedlicher Szenarien berücksichtigen sowie Sensitivitätsstudien durchfüh-ren zu können. Obwohl ein Teil der Grunddaten für die Analyse in 3D vorlagen, wurde für diese Etappe beschlossen, die Analyse mit 2D-Geodaten im GIS auszuführen. Die Präzision der 3D-Modelle war für eine 3D-Analyse in dieser Phase noch nicht ausreichend. Außerdem sollte der technische Aufwand möglichst gering gehalten werden, um ein hohes Maß an Fle-xibilität zu ermöglichen.

Hierzu wurde im GIS aus 3D-Modellen, Raster- und Vektordaten ein gemeinsamer Polygon-Datensatz („Union-File“) erstellt, aus dem mit einfachen SQL-Abfragen die Teilflächen aus-gewählt werden konnten, die den gewünschten Anforderungen entsprachen. Eine Prozess-skizze mit den Grundlagendaten gibt Abbildung 2 wieder. Der Vorteil des „Union-Files“ lag u. a. darin, dass die Ergebnisse der SQL-Abfragen direkt im Datensatz sichtbar waren und somit der Zeitbedarf für die iterative Auswertung erheblich reduziert wurde.

Abb. 2: Schematische Darstellung des Workflows zur Erstellung des Grundlagendatensatzes und der verschiedenen Lagerperimeter (Erklärung der Datenebenen siehe Text)

Zu meidendetekt. Zonen

RegionaleStörungszonen

ErosionsbasisTop FelsDHMBasis

Opalinuston

ÜbertiefteTäler

Abstand zuTerrain

Abstand zuTop Fels

Abstand zuErosionsbasis

Klassifizieren und Vektorisieren

Buffer

Union

Anforderungen A „Union File“ Anforderungen B

LagerperimeterA

LagerperimeterB

Standortgebiet

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2.2 Umsetzung

Die Nagra benutzt ArcGIS für die Verarbeitung von Geodaten. Die geologischen 3D-Mo-delle, welche ursprünglich in GoCAD konstruiert wurden, mussten für die Arbeiten in Ras-terdaten konvertiert werden. Aufgrund des regionalen Arbeitsmaßstabs und der (Un-)Genau-igkeit in den geologischen Datengrundlagen wurde eine Zellengröße von 25 m gewählt. Die Datenhaltung aller Grundlagendaten erfolgte als File Geodatabase. Die Derivate in Form der Lagerperimeter (s. u.) wurden als Shapefiles exportiert.

Alle Arbeitsschritte wurden in Python Skripten programmiert und auch dokumentiert. So konnten sie zusammen mit den Grundlagendaten durch die Aufsichtsbehörden optimal nach-vollzogen und kontrolliert werden.

2.3 Datengrundlagen

Digitales Höhenmodell (DHM)

Obwohl für die einzelnen Standortgebiete auch detailliertere Laserscanning Daten zur Ver-fügung standen, wurde für die Analyse mit dem digitalen Höhenmodell der Schweiz (Swiss-topo DHM25) gearbeitet. Dessen Zellengröße von 25 m war für die regionale Betrachtung ausreichend. Alle anderen Datensätze wurden entsprechend an diese Zellengröße angepasst.

Basis Opalinuston aus geologischen Schichtmodellen

Für die Analysen des Opalinustons als Wirtgestein wurde der seismische Bezugshorizont Top Lias (geologisch identisch mit der Basis Opalinuston) verwendet. Die Lage dieses Hori-zonts wurde aus seismischen Profildaten und Bohrungsdaten in vier getrennten geologischen 3D-Schichtmodellen (Nagra 2014b) konstruiert.

Die 3D-Modelle wurden ursprünglich in GoCAD erstellt. Für die Verwendung im GIS wur-den die einzelnen Horizonte in je vier Raster mit der Zellengröße 25 m exportiert und danach in einen gemeinsamen Rasterdatensatz zusammengeführt (Abb. 3).

Top Fels Modell

Als Modell der Felsoberfläche unter den Quartären Ablagerungen wurde durch die Interpo-lation von Bohrungen und lokalen Modellen aus der Literatur ein aktualisiertes regionales Modell (Pietsch & Jordan 2014) erarbeitet. Das Top Fels Modell wurde als Raster erstellt und mit einer Zellengröße von 25 m an das DHM angepasst.

Lokale Erosionsbasis

Die „lokale Erosionsbasis“ stellt eine Fläche dar, welche durch die Höhenlage der Achsen der Haupttäler aufgespannt wird. Die Abtragung der lokalen Seitentäler und Hänge stellt sich asymptotisch auf dieses Niveau ein. Substanzielle Erosion unter die „lokale Erosionsbasis“ ist nur durch glaziale Tiefenerosion möglich (s. a. Schnellmann et al., 2014 und Nagra, 2014c). Die Erosionsbasis wurde zusammen mit dem Top Fels Modell erarbeitet und als Raster mit 25 m Zellengröße erstellt.

Abgeleitete Grundlagen aus Erosionsbasis, DHM und Top Fels

Für die oben genannten Anforderungen konnten nun weitere Grundlagendaten errechnet wer-den: der Abstand der Basis Opalinuston zu DHM, Top Fels und Erosionsbasis. Dafür wurden jeweils die Differenzen (also der vertikale Abstand) der Raster bestimmt, das Ergebnis in

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Klassen zu 10 m aufgeteilt und vektorisiert. Als Klassenwert wurde jeweils die Mitte des Bereichs gewählt (z. B. 5 für Klasse 0-10, 15 für Klasse 10-20 usw.). Die 10-m-Klassen wur-den im Rahmen der Genauigkeit als hinreichend genau für die weiteren Berechnungen be-trachtet.

Abb. 3: Lage der fünf Nordschweizer Standortgebiete und einige der verwendeten Daten-grundlagen

Regionale Störungszonen und zu meidende tektonische Zonen

Auf der Grundlage von geologischen Karten, neuen Kartierungen und Seismik-Interpretati-onen wurden zwei Polygon Features erstellt (Abb. 3). Dies waren zum einen die „Regionalen Störungszonen“, welche klar definierte Störungszonen und deren unmittelbare Umgebung ausweisen und die in keinem Fall für ein Tiefenlager infrage kommen. Zum anderen die „zu meidenden tektonischen Zonen“, welche bestehend auf Beobachtungen und konzeptionellen Überlegungen möglicher Bewegungen im Rahmen des Optimierungsprozesses gemieden werden sollten. Beide Zonen wurden von Hand und mit einem ausreichenden Sicherheitsab-stand digitalisiert (Nagra, 2014b). Die „regionalen Störungszonen“ wurden für eine zusätzli-che Sicherheit in der weiteren Verarbeitung mit einem Puffer von 200 m umgeben.

Übertiefte Täler

Für einen erhöhten Sicherheitsabstand gegen glaziale Tiefenerosion wurden die bestehenden glazial übertieften Talschaften aus den Datensätzen Top Fels Modell und lokalen Erosions-basis ausgewiesen. Zunächst wurde die Differenz aus beiden Datensätzen gerechnet und da-

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nach alle Zellen ausgewählt, in welchen der Top Fels mehr als 50 m unterhalb der Erosions-basis lag. Die so ausgewählten Bereiche der übertieften Täler wurden in ein Polygon Feature überführt.

Geologische Standortgebiete

Sechs potenziell mögliche Standortgebiete für geologische Tiefenlager sind in Etappe 1 des Sachplans geologisches Tiefenlager festgelegt und als Polygon Feature abgelegt worden.

Zusammenfügen der Datenebenen

Um die genannten Datenebenen in ein gemeinsames Polygon-Feature zu vereinigen, wurde zunächst für jedes der vier Teil-Perimeter ein leeres 25 25 m Gitter erstellt (Fishnet), die einzelnen Raster in Punkt-Features umgewandelt und danach die Attribute der einzelnen Ebe-nen an das Gitter angehängt (Spatial Join). Die Ebenen „Regionale Störungszonen“, „zu mei-dende tektonische Zonen“ und „übertiefte Täler“ wurden dann jeweils mit Union angefügt. Das resultierende Feature wurde vereinfacht (Dissolve auf alle Attribute) und die vier Teil-gebiete zu einem gemeinsamen Feature vereinigt. Das resultierende „Union-File“ verfügte damit über die Attribute in Tabelle 1.

Tabelle 1: Aufstellung und Erklärung der Attribute des „Union-Files“

Attribut Erklärung

Perimeter Abkürzung des Namens des Teilperimeters (JO, JS, NL, ZN, SR)

dhm_tli Differenz von DHM und Top Lias, klassiert

bqu_tli Differenz von Basis Quartär und Top Lias, klassiert

erb_tli Differenz von Erosionsbasis Fels und Top Lias, klassiert

Reg Regionale Störungszone (0 = Ausserhalb, 1 = Innerhalb)

KTZ Zu meidende tektonische Zone (0 = Ausserhalb, 1 = Innerhalb)

Utt Übertiefte Täler (0 = Ausserhalb, 1 = Innerhalb)

SMA Lage in Perimeter SMA (0 = Ausserhalb, 1 = Innerhalb)

HAA Lage in Perimeter HAA (0 = Ausserhalb, 1 = Innerhalb)

Bestimmung der Lagerperimeter

Auf Grundlage des „Union-Files“ und dessen Attributen (Tabelle 1) war es möglich, die not-wendigen GIS-Anforderungen (Abb. 1) zu formulieren und es war sofort ersichtlich, welche Bereiche diese Anforderungen erfüllten (Abbildung 4). So konnten die Anforderungen itera-tiv für jedes Standortgebiet optimiert werden.

Nach der Formulierung der Definition Query und der daraus resultierenden Auswahl wurde die selektierten Flächen mit einem Python Skript in ein neues Feature exportiert. Mit einem inneren und äusseren Puffer und einer wählbaren Mindestbreite (1.500 m, 1.000 m, 700 m etc.) und Mindestfläche (durch die Lagergeometrie vorgegeben, z. B. 4 km2) wurden Poly-gone gewonnen, die für den Vergleich der einzelnen Szenarien und Standortgebiete verwen-det werden konnten (Nagra, 2014a). Das Skript speicherte auch die verwendete Definition Query und weitere Informationen in einem Log-File ab, um die Grundlagen zu jedem Szena-rio zu dokumentieren. Die Log-Files waren aufgrund der unterschiedlichen Bearbeiter, des

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iterativen Vorgehens und der großen Zahl der Szenarien eine unerlässliche Grundlage für die Nachvollziehbarkeit der GIS-Arbeiten.

Abb. 4: Darstellung des „Union-Files“ (graue Flächen). Mit einfachen Definition Queries (= SQL-Abfragen) kann der Benutzer beliebige Anforderungen stellen und sieht auf einen Blick, welche Bereiche des Standortgebietes diese Anforderungen erfüllen (blaue Flächen).

Die resultierenden Polygone, welche aus den einzelnen Szenarien entstanden, wurden „La-gerperimeter“ genannt. Sie beschreiben die räumliche Ausdehnung des Bereichs, in der das Tiefenlager gebaut werden könnte, projiziert auf die Erdoberfläche.

3 Ergebnisse

3.1 Lagerperimeter

Es muss betont werden, dass die Anforderungen für alle Standortgebiete aufgrund der unter-schiedlichen geologischen Verhältnisse auch unterschiedlich formuliert wurden. Für jedes Standortgebiet wurde ein Szenario entwickelt, welches die Anforderungen am besten erfüllt. Der Lagerperimeter dieses Szenario wurde als „Referenzfall“ oder „maßgebender Lagerpe-rimeter für die Einengung“ bezeichnet und für den sicherheitstechnischen Vergleich heran-gezogen. Es wurden jedoch noch weitere Szenarien verwendet und verglichen (alternative Lagerperimeter), um die Bedeutung alternativer Szenarien und von Unsicherheiten in den

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Daten bewerten zu können. Insgesamt wurden im Rahmen der Arbeiten über 100 verschie-dene Lagerperimeter erstellt und ausgewertet. Für die geologischen Tiefenlager für SMA und HAA wurden unterschiedliche Anforderungen formuliert. Die „maßgebenden Lagerperime-ter“, welche im sicherheitstechnischen Vergleich (Nagra, 2014a) verwendet wurden, sind in Abbildung 5 aufgezeigt.

Abb. 5: Die „maßgebenden Lagerperimeter“ der 5 Nordschweizer Standortgebiete für den sicherheitstechnischen Vergleich. Von der Nagra wurden die beiden Gebiete Jura Ost und Zürich Nordost für vertiefte Untersuchungen vorgeschlagen.

3.2 Unsicherheiten des Datensatzes Basis Opalinuston

Von den verwendeten Datengrundlagen hat die Basis Opalinuston die relevanteste Ungewiss-heit bzgl. ihrer tatsächlichen Tiefenlage. Meier et al. (2014) haben die Tiefenungewissheit des Reflektors Top Lias in der Interpretation der Seismik für jeden CDP (Untergrundpunkt auf der seismischen Linie) quantifiziert, die in ein flächenhaftes Raster mit Berücksichtigung des Abstandes zur nächsten seismischen Linie überführt wurde (Becker et al., 2015). Dieses Raster der Ungewissheit Top Lias wurde als Grundlage für Sensitivitätsüberlegungen bei der Lagerperimeterberechnung verwendet. Analog des oben beschriebenen Verfahrens wurde auch je ein „Union-File“ mit positiver und negativer Ungewissheit erstellt (Abb. 6) und dar- aus analog zu den oben beschriebenen Lagerperimetern „tiefere“ und „untiefere“ Versionen der Lagerperimeter gewonnen.

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Abb. 6: Raster zur Bestimmung der Ungewissheit in der Tiefenlage von Top Lias

3.3 Sicherheitstechnischer Vergleich

Die Lagerperimeter stellen eine wesentliche Grundlage für die Dokumentation der Szenarien und die weiteren Diskussionen des sicherheitstechnischen Vergleichs. Außer den Lagerperi-metern wurden noch viele weitere (nicht GIS-)Faktoren im sicherheitstechnischen Vergleich berücksichtigt (Nagra, 2014a). Die Auswertung ergab, dass aus Sicht der Nagra die Stand-ortgebiete Südranden, Nördlich Lägern und Jura Südfuß eindeutige sicherheitstechnische Nachteile gegenüber den anderen Gebieten aufweisen. Deshalb wurden im Januar 2015 von der Nagra die beiden Standortgebiete Jura Ost und Zürich Nordost für vertiefte Untersuchun-gen in SGT Etappe 3 vorgeschlagen.

4 Ausblick

Der aktuelle Standortvorschlag wird derzeit von den Bundesbehörden und den beteiligten Kantonen geprüft. Der definitive Entscheid des Bundesrates, welche Gebiete in Etappe 3 untersucht werden sollen, wird Ende 2018 erwartet. Die langfristigen Planungen der Nagra sehen eine Inbetriebnahme des SMA Lagers ab 2050 und des HAA Lagers ab 2060 vor.

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Die GIS-Analysen waren ein sehr hilfreiches Werkzeug in der Etappe 1 und 2 des Sachplans geologisches Tiefenlager. Auch in der folgenden Etappe 3 werden GIS-Analysen wieder ei-nen wesentlichen Beitrag zum Vergleich der Standorte leisten. Dabei wird jedoch die Ver-wendung von 3D-Geodaten und deren Auswertung verstärkt in den Fokus rücken.

Literatur

Alle genannten Berichte sind über die Nagra-Homepage beziehbar (www.nagra.ch). BFE (2008). Sachplan geologische Tiefenlager: Konzeptteil. Bern: Bundesamt für Energie

BFE. ENSI (2013). Präzisierungen zur sicherheitstechnischen Methodik für die Auswahl von min-

destens zwei Standortgebieten je für HAA und SMA in Etappe 2 SGT. ENSI 33/145 (Ja-nuar 2013). Brugg: Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI.

Meier, B., Kuhn, P., Muff, S., Roth, P., & Madritsch, H. (2014). Tiefenkonvertierung der regionalen Struktureninterpretation der Nagra 2D-Seismik 2011/12. Nagra Arbeitsbe-richt NAB 14-34. Wettingen: Nagra.

Nagra (2008). Vorschlag geologischer Standortgebiete für das SMA- und das HAA-Lager, Darlegung der Anforderungen, des Vorgehens und der Ergebnisse. NTB 08-03. Wettin-gen: Nagra.

Nagra (2014a). SGT Etappe 2: Vorschlag weiter zu untersuchender geologischer Standort-gebiete mit zugehörigen Standortarealen für die Oberflächenanlage. Sicherheitstechni-scher Bericht zu SGT Etappe 2, Sicherheitstechnischer Vergleich und Vorschlag der in Etappe 3 weiter zu untersuchenden geologischen Standortgebiete. NTB 14-01. Wettin-gen: Nagra.

Nagra (2014b). SGT Etappe 2: Vorschlag weiter zu untersuchender geologischer Standort-gebiete mit zugehörigen Standortarealen für die Oberflächenanlage. Geologische Grund-lagen, Dossier II, Sedimentologische und tektonische Verhältnisse. NTB 14-02, II. Wet-tingen: Nagra.

Nagra (2014c). SGT Etappe 2: Vorschlag weiter zu untersuchender geologischer Standort-gebiete mit zugehörigen Standortarealen für die Oberflächenanlage. Geologische Grund-lagen, Dossier III, Geologische Langzeitentwicklung. NTB 14-02, III. Wettingen: Nagra.

Pietsch J., & Jordan P. (2014). Digitales Höhenmodell Basis Quartär der Nordschweiz – Version 2014 und ausgewählte Auswertungen. Nagra Arbeitsbericht NAB 14-002. Wet-tingen: Nagra.

Schnellmann M., Fischer U., Heuberger S., & Kober F. (2014). Erosion und Landschaftsent-wicklung Nordschweiz: Zusammenfassung der Grundlagen im Hinblick auf die Beurtei-lung der Langzeitstabilität eines geologischen Tiefenlagers (SGT Etappe 2). Nagra Ar-beitsbericht NAB 14-025. Wettingen: Nagra.