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Die Geologie Europas - Hörbücher · durch den Ural im Osten, der Europa von Asien trennt, durch das Polarmeer und den Atlantischen Ozean im Norden bzw. Westen sowie das Mittelmeer

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GrahamPark

Die Geologie Europas

Aus dem Englischen von Heiner Flick

WBG� Wissen verbindet

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Englische Originalausgabe © Graham Park 2014

This translation ofThe Making of Europe - A geological history is published by arrangement with Dunedin Academic Press Limited, Edinburgh, Scotland.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografiej

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,

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© 2015 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.

Producing: Palmedia Publishing Services GmbH, Berlin Textredaktion: Diana Lindner

Satz: Hella Baumeister Einbandgestaltung: Peter Lohse, Heppenheim

Einbandabbildungen: Großes Bild: Giant's Causeway, Nordirland © Stefano Viola - Fotolia.comj Bildleiste von li. nach re.: White Cliffs, Dover © mirrormere - Fotolia.comj

Stromboli © glucchesi - Fotolia.comj Gefalteter Kalkstein, Kreta - Matauw - Fotolia.comj Dolomiten, Rosengarten © vencav - Fotolia.com

Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-26720-0

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-74062-8

eBook (epub): 978-3-534-74063-5

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort VII

1 Einführung 1

2 Die Bildung von Baltica - "Proto-Europa" 14

3 Alt-paläozoisches Wachstum von Proto-Europa 28

4 Die Kaledonische Orogenese 44

5 Die Erweiterung Europas im jüngeren Paläozoikum 62

6 Variszische Orogenese 76

7 Europa im Mesozoikum bis mittleren Känozoikum 98

8 Die Alpidische Orogenese 116

9 Jungtertiär und Quartär in Europa 148

Glossar 158

Anhang 171

Weiterführende Literatur 173

Index 175

Bildnachweis 182

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Vorwort

Der geologische Bau Europas ist - im Detail betrach­tet - äußerst kompliziert, und bei Reisen durch den Kontinent begegnet man mit großer Wahrscheinlichkeit einer bemerkenswerten Vielfalt sehr unterschiedlicher Gesteinstypen unterschiedlichen Alters. Ein Buch, das versucht, den geologischen Bau und Werdegang Europas umfassend zu beschreiben, würde deshalb den Rahmen sprengen. Dieses Buch bemüht sich dagegen, die geologische Entwicklung dieses Kontinents so dar­zustellen, dass die Art und Weise sichtbar wird, wie der heutige komplizierte Aufbau zustande gekommen ist.

Europa als geografische Einheit ist, geologisch betrachtet, vergleichsweise jung. Seine gegenwärtige Form entstand vor etwa 20 Millionen Jahren während des Höhepunkts der Alpidischen Gebirgsbildung (Orogenese). Seitdem erfuhren lediglich die Küsten­hauptsächlich durch Meeresspiegelschwankungen -noch größere Veränderungen. Vor der alpidischen Gebirgsbildung, durch die eine ganze Reihe von Gebirgen an seiner Südseite hinzukam, bestand der europäische Kontinent aus einem alten präkambri­schen Kern oder Kraton. Dieser war auf drei Seiten von den Resten alter Gebirge umgeben, die auf der Nordwestseite aus der Kaledonischen Orogenese und auf der Süd- und Ostseite aus der Variszischen (Herzynischen) Orogenese hervorgegangen waren.

Dieses Buch beschreibt, wie Europa im Verlauf der Erdgeschichte aus zahlreichen Krustenteilen zusammengefügt wurde, von denen manche erheb­liche Entfernungen auf dem Globus zurückgelegt haben. Ausgangspunkt unserer Betrachtungen ist der präkambrische Kern Europas, die sogenannte Osteuropäische Plattform. Diese resultiert selbst aus dem Zusammenschluss noch älterer Festlandmassen im Verlauf mehrerer präkambrischer Gebirgsbildungen.

Während der Kaledonischen Orogenese am Ende des älteren Paläozoikums kollidierte der ehemalige, üblicherweise als "Baltica" bezeichnete Kontinent - mit dem Baltischen Schild (Fennoskandia) als Kern - mit der nordamerikanischen Festlandmasse unter Bildung des Großkontinents Laurussia.

Die Variszische Orogenese mit ihrem Höhepunkt gegen Ende des jüngeren Paläozoikums führte zum Zusammenschluss Nordeuropas mit einem Großteil der Kruste von Mittel- und Südeuropa, deren

präkambrische Kerne zum südlichen Großkontinent Gondwana gehört hatten. Die Angliederung Sibiriens an der Ostgrenze Europas unter Auffaltung des Urals vervollständigte die Bildung des nunmehr Pangäa genannten Großkontinents.

Diese Teile Europas blieben nahezu das ganze Mesozoikum hindurch mit Nordamerika verbunden und trennten sich erst vor ungefähr 6S Millionen Jahren mit der Öffnung des Atlantiks.

Schließlich entstand im Meso- bis Känozoikum mit der Alpidischen Orogenese am Südrand Europas eine größere Anzahl von Gebirgen, darunter die Pyrenäen, die Betische Kordillere, die namensgebendenAlpen, die Karpaten, der Apennin, die Dinariden und der Kaukasus. Damit war der tektonische Zusammenschluss des euro­päischen Kontinents beendet.

Vom Leser wird erwartet, dass er mit den grund­legenden geologischen Begriffen und Vorstellungen vertraut ist. Mitunter weniger bekannte technische Begriffe werden durch Fettschrift hervorgehoben, wo sie zum ersten Mal im Text auftauchen und wo sie erst­mals definiert werden. Sie werden zudem im Glossar am Ende des Buches erläutert. Im Anhang sind die wichtigsten geologischen Zeiteinheiten tabellarisch zusammengefasst. Da sich dieses Buch vor allem mit der tektonischen Entwicklung befasst, werden andere geologische Aspekte möglichst leicht verständlich behandelt. Für gängige Gesteine werden die alltägli­chen Begriffe wie "Sandstein" den strenger definierten Begriffen wie z. B. "Siliziklastika" vorgezogen.

Schließlich werden im zweiten Teil der Einführung die Grundlagen der Plattentektonik erläutert, die die Bildung von Orogenen und die Entwicklung der Kontinentalkruste steuert. Erfahrenere Leser werden mit diesem Abschnitt vertraut sein und können direkt zu Kapitel 2 gehen.

Danksagung Der Verfasser schuldet Professor John Winchester und einem anonymen Review-Leser großen Dank für viele hilfreiche Korrekturen und Vorschläge, die dieses Buch wesentlich verbessert haben. Weiterhin dankt der Verfasser seiner Ehefrau für die sorgfältige Durchsicht des Textes auf seine allgemeine "Lesbarkeit" sowie für ihre nicht nachlassende Unterstützung.

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Einführung

Die europäische Landschaft

Europas Gestalt Der europäische Kontinent wird geografisch begrenzt

durch den Ural im Osten, der Europa von Asien trennt,

durch das Polarmeer und den Atlantischen Ozean

im Norden bzw. Westen sowie das Mittelmeer im

Süden (Grafik 1.1). Europa, das grob die Form eines

Dreiecks aufweist, wird am Rand von Gebirgsketten

CJ CJ

CJ

CJ

Paläozoische Gebirge

Alpidische Gebirge

Präkambrische Massive

Paläozoische Massive

Atlantik

Färöer 'V

Europäisches Nordmeer

gesäumt: Neben dem Ural im Osten sind es im Süden

die Pyrenäen, Alpen, Karpaten und der Kaukasus

sowie im Nordwesten das Skandinavische Gebirge

mit seiner Verlängerung in südwestlicher Richtung

nach Schottland. Innerhalb dieser Grenzen weist der

Kontinent beträchtliche Höhenunterschiede auf.

Verhältnismäßig weit gespannte, konturlose Ebenen

werden von häufig bewaldeten Mittelgebirgsmassiven

unterbrochen, z. B. dem Zentralmassiv in Frankreich,

\

\

Moskau. \

\

\

\

\

\

Ural­Orogen

ASIEN

600

___ Grenze der tektonischen Provinz

---Alpidische Front

Grafik 1.1 Hoch- und Mittelgebirge: geologische Bedeutung wichtiger topografischer Kennzeichen Europas. Tiefebenen wurden

weiß gelassen. Gebirgszüge: Bet, Betische Kordilleren; Ju, Jura; Kan, Kantabrisches Gebirge; Pyr, Pyrenäen; SH, Schottische Hochlande.

Mittelgebirge: AM, Armorikanisches Massiv; BM, Böhmisches Massiv; CM, Cornubisches Massiv; FZ, Französisches Zentralmassiv; Hk,

Heiligkreuzgebirge; IM, Iberisches Massiv; RM, Rheinisches Massiv; Sw, Schwarzwald; US, Ukrainischer Schild; Vo, Vogesen.

Ländergrenzen sind grün.

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Abbildung 1.1 Satelliten aufnahme eines Teils von West- und Mitteleuropa mit wichtigen tektonischen Elementen. NASA image, mit

freundlicher Genehmigung von Visibleearth.

dem Schwarzwald in Deutschland oder dem Böhmischen Massiv in Tschechien, um nur einige wenige zu nennen. Auf Satellitenaufnahmen treten die meisten deutlich hervor (Abbildung 1.1).

Diese geografischen Auffälligkeiten sind ein Abbild der geologischen Geschichte Europas. Die Gebirgsketten entsprechen Gebirgsbildungszonen (Orogengürteln): die Kaledoniden entstanden im Alt-Paläozoikum, der Ural im Jung-Paläozoikum und die Alpen im Mesozoikum bis Känozoikum. Auch die Mittelgebirge haben einen geologischen Ursprung: Dabei handelt es sich um prämesozoisches Grundgebirge, das aus einem jüngeren, meist sedimen­tären Deckgebirge herausragt.

Andere Eigenheiten der europäischen Landschaft verlangen ebenfalls eine Erklärung: Warum z. B. sieht die Mittelmeerküste auf den ersten Blick so seltsam aus mit den nach Süden vorspringenden Gebirgszügen des Korsika-Sardinien-Archipels, Italiens und Griechenlands? Hat die annähernd qua­dratische Iberische Halbinsel, die Europa nicht ganz

zugehörig wirkt, eine gesonderte Bedeutung? Die Britischen Inseln mit Irland, jetzt vollständig losgelöst, sind von Europa nur durch ein flaches Meer und nicht durch einen Ozean getrennt. Sie sind deshalb eindeu­tig ein Teil von Europa. Wie jedoch entstand dieser Meeresraum? All diese geografischen Gegebenheiten sind das Ergebnis tektonischer Bewegungen, die zu Europas geologischer Geschichte gehören.

Die Küstenlinie Die gegenwärtige Küstenlinie Europas mit ihrem vertrauten Umriss ist eine verhältnismäßig junge Erscheinung und vor allem stets abhängig vom Verlauf der Strandlinie. Bereits geringe Veränderungen im Niveau der Strandlinie können in tiefliegenden Bereichen wie z. B. den Niederlanden, Südostengland und der Ostseeküste bedeutende Auswirkungen auf den Umriss des Kontinents haben. Solche Veränderungen haben sich nachweislich seit dem Ende der jüngs­ten Eiszeit zugetragen, sind also aus verhältnismä­ßig junger geologischer Vergangenheit. Während der

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Einführung 3

letzten 10 000 Jahre ist das Niveau der Strandlinien in Nordeuropa um mehrere zehn Meter gestiegen, was anhand der gehobenen Strände Schottlands und Skandinaviens gut nachvollzogen werden kann (Grafik 1.2, Abbildung 1.2). Dies wird in Kapitel 9

besprochen. Da große Mengen Wasser während des Höhepunkts

der Eiszeit in den Eisschilden gebunden waren, befan­den sich weite Teile des Nordseebeckens und des Ärmelkanals oberhalb des Meeresspiegels, der unge­fähr 120 Meter tiefer lag als heute. Frühe Menschen konnten leicht vom angrenzenden Festland zu Fuß nach England gelangen (Grafik 1.3). Noch vor gut 10 000 Jahren lag zwischen Ostengland und Dänemark ein großes Landgebiet, als Doggerland bezeichnet, das von mesolithischen Jägern besiedelt wurde, wie im Torf gefundene Feuerstein- und Knochenwerkzeuge zeigen.

Präzise Höhenmessungen der letzten Jahrzehnte belegen ein kontinuierliches Bewegungsmuster für Nordeuropa: Schottland und Skandinavien werden um einige Millimeter im Jahr gehoben (Schottland bis zu fünf Millimeter, Skandinavien bis zu lS Millimeter), während die Gebiete weiter im Süden, einschließlich Südostengland und die Niederlande, in vergleichbarer Größenordnung absinken. Es ist zu vermuten, dass diese Bewegungen durch den langsamen Ausgleich der Kruste auf das Abschmelzen der nordeuropäischen Eiskappe hervorgerufen werden.

Andere Küstenveränderungen aus jüngster geolo­gischer Vergangenheit, für die es historische Belege gibt, sind die Folge von Erdbeben oder vulkanischer Aktivität. Das gilt besonders für die Mittelmeerküste. Die Säulen des Serapistempels bei Pozzuoli in der Bucht von Neapel, beschrieben von Charles Lyell in seinen Principles 01 Geology im Jahr 1837 (Abbildung 1.3), sind ein klassisches Beispiel für Veränderungen des Meeresspiegels. Die Löcher von Bohrmuscheln in diesen Marmorsäulen zeigen, dass der Tempel unter den Meeresspiegel abgesunken und dann wieder auf­gestiegen war. Diese Bewegungen schrieb Lyell der vulkanischen Aktivität zu.

Ein weit spektakuläreres Beispiel betrifft die Flutung des Mittelmeerbeckens, die sich als plötzli­ches, vermutlich katastrophales Ereignis vor ungefähr fünfMillionenjahren ereignete, nachdem die schmale Landbrücke in der Straße von Gibraltar durchgebro­chen war. Vor diesem Ereignis war das Mittelmeer ein Binnenmeer, in dem sich Salze ablagerten. Vor

t

200 km

Grafik 1.2 Nacheiszeitliche Hebung von Skandinavien. Höhen­

linien in Metem für die Niveaus der Strandablagerungen. Die Form

der Hebung deutet einen Dom an, dessen Zentrum den mächtigs­ten Bereich der Eisdecke kennzeichnet. Nach Zeuner (1958).

Grafik 1.3 Doggerland. Rekonstruktion der Küstenlinie von Britan­

nien und Nordwesteuropa vor ungefähr 10000 Jahren. Die große Landmasse von Doggerland verbindet Britannien mit Festlandeu­

ropa. Früherer Rhein und frühere Themse münden direkt in den

Ärmelkanal. Verändert nach einer Karte von Max Naylor, Wikipedia.

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4 Die Geologie Europas

Abbildung 1.2 Gehobener Strand, dahinter ein früheres Meereskliff, Hebriden, Nordwestschottland. © George Bernard/Science Photo

Library.

5,33 Millionenjahren wurden diese Salze dann plötz­lich von marinen Sedimenten überlagert. Ein ver­gleichbares, jedoch viel jüngeres Ereignis verursachte die plötzliche Flutung des Schwarzmeerbeckens vor etwa 7600 Jahren, die manche für die weitverbreiteten Mythen der Sintflut verantwortlich machen.

Die Beispiele zeigen, dass Vertikalbewegungen der Erdoberfläche in Relation zum Meeresspiegel vor (geologisch gesehen) relativ kurzer Zeit vorkamen und von Ort zu Ort verschiedene Ursachen hatten. Dabei kommen Meeresspiegelschwankungen allein als Ursache nicht in Frage, sondern der Untergrund selbst hat sich relativ zum Meeresspiegel nach oben oder nach unten bewegt. Auch langsame Horizontalbewegungen können nachgewiesen werden: Über einen Zeitraum von mehreren Jahren haben wiederholte genaue GPS­Messungen ergeben, dass der Alpidische Gebirgsgürtel um bis zu zwei Millimeter im Jahr zusammengescho­ben wird.

Damit ist leicht zu erkennen, dass es in Europa auch noch in geologisch jüngster Zeit Krustenbewegungen gab, von denen manche erhebliche Änderungen der

Küstenlinien bewirkt haben. Das Ziel dieses Buches ist es, solche tektonischen Prozesse in die ferne geologische Vergangenheit zu übertragen und daraus Rückschlüsse zu ziehen, wie Europa entstanden ist.

Die Rekonstruktion der

geologischen Vergangenheit

Aussagemöglichkeiten geologischer Standard karten Eine Karte, die detailreich die Geologie von Europa darstellen soll, muss sehr vielschichtig und sehr groß sein, um Nutzen zu bringen. Darüber hinaus ist ihr Nutzen durch ihren Zweck eingeschränkt: Die meisten Standardkarten zeigen normalerweise die Verteilung der Gesteine entsprechend ihrem Alterj je feiner die Altersunterteilung gewählt wird, desto komplexer wird die Karte. Solch eine Karte zeigt das Alter (und/ oder die Art) des Gesteins jeder bestimmten Lokalität, sie erläutert aber nicht die geologische Geschichte des betreffenden Ortes.

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Einführung 5

Paläogeografie

Für den Zweck dieses Buches, das sich mit der Erdgeschichte von Europa befasst, ist es notwendig, die Verteilung der Gesteine für die verschiedenen Epochen der geologischen Vergangenheit auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse abzuleiten. Mit anderen Worten: Wir sind von der Interpretation der gegenwärtigen Geologie abhängig - sowohl von den an der Oberfläche sichtbaren Gesteinen als auch, noch wichtiger, von Kenntnissen zum Untergrund, die aus Bohrungen, Bergwerken und indirekt durch geophysi­kalische Geländeaufnahmen gewonnen werden.

Um herauszufinden, wie die gegenwärtige geologi­sche Beschaffenheit Europas zustande gekommen ist, müssen die Veränderungen der paläogeografischen Verhältnisse des Kontinents im Zeitverlauf rekonstru­iert werden. Solche Rekonstruktionen hängen in hohem Maße von der Qualität der Erkenntnisse ab - dies wird umso schwieriger, je länger die Zeit zurückliegt. Es lassen sich jedoch genügend Informationen sammeln, um ein einigermaßen genaues Bild der Paläogeografie des Kontinents bis zurück ins Kambrium, und an einigen Stellen bis ins Präkambrium, zu entwerfen. Das sind die Grundlagen für die Rekonstruktionen in den folgenden Kapiteln.

Gesteine eines bestimmten Alters oder einer bestimmten Art sind nicht gleichmäßig verteilt. Gesteine der Hoch- und Mittelgebirge unterscheiden sich im Allgemeinen von Ort zu Ort stark hinsichtlich Art und Alter, in Ebenen und Tiefländern sind sie über weite Gebiete hingegen einheitlich. Offensichtlich führen die für die Gebirgsbildung (d. h. Orogenese) verantwortlichen Prozesse Gesteine unterschiedlicher Herkunft zusammen. Um das zu verstehen, müssen die beteiligten plattentektonischen Prozesse bekannt sein. Im Gegensatz dazu repräsentieren die großen Gebiete mit typischerweise horizontaler oder nur wenig geneigter Lagerung stabile Krustenregionen, die, seitdem die Gesteine abgelagert wurden, keiner bedeu­tenden Deformation mehr unterworfen waren. Solche Gebiete werden als Kratone bezeichnet und nachfol­gend diskutiert.

Die orogene Grundstruktur

Europas

Die Erdgeschichte war von Zeitabschnitten erhöhter tektonischer Aktivität geprägt, die in der Bildung von Orogenen mündete. In Europa hat es im Verlauf des

Abbildung 1.3 Serapistempel.

P R I N C I P L E S

Die Löcher der Bohrmuscheln (dunkle

Bänder auf den Säulen des Tempels)

belegen, dass der Tempel unter den

Meeresspiegel gesunken war und später

in seine heutige Position gehoben wurde.

T itelbild der Principles of Geology von

Charles Lyell, Auflage von 1837. GEOLOGY;

THE llODERN CHANGES OF THE EARTH AND ITS IIiIIABITANTS

SIR CHARLES LYELL, M.A. F.R.S. �J<;�·ru.lPf.>n" OF ru� OEOLOOICAL ��!XI": Am!!OIl 0''',. " .... U.!.�o-

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6 Die Geologie Europas

EUROPÄISCHE OROGENESEN

Orogenese angenäherter

Ära Zeitraum

Alpidisch 65-2,5 Ma Känozoikum

Variszisch (Herzynisch) 380-290 Ma Jung-Paläozoikum

Kaledonisch 490-390 Ma Alt-Paläozoikum

Timanidisch 620-550 Ma Jung-Proterozoikum

Svekonorweg isch 1,25 Ga-900 Ma Mittel-Proterozoikum

Gotidisch 1,75-1,5 Ga Alt-Proterozoikum

Svekofennidisch 2,0-1,75 Ga Alt-Proterozoikum

Lopisch 2,9-2,6 Ga Jung-Archaikum

Saamisch 3,1-2,9 Ga Mittel-Archaikum

Tabelle 1.1 Zeitspannen der europäischen Orogenesen.

Krustenprovinzen des europäischen Kontinents

CJ

CJ

CJ

CJ

CJ

Osteuropäische Plattform + Lewisischer Block (Alt- bis Mittel-Proterozoikum)

Timanidisch

Kaledonisch

Variszisch

Alpidisch

50°

Ozean-

Phanerozoikums drei solcher Orogenesen gegeben: die Kaledonische, die Variszische und die Alpidische Orogenese (Tabelle 1.1). Jede dauerte viele Millionen Jahre und erfasste große Teile des Kontinents, während Gebiete außerhalb dieser Gürtel relativ wenig betrof­fen waren. Weitere Orogenesen lassen sich für das Präkambrium nachweisen, davon werden hier aber nur drei näher betrachtet: die Svekokarelidische, die Svekonorwegische und die Timan-Orogenese.

Die "Bausteine" Europas Geologisch betrachtet besteht Europa aus einem prä­kambrischen Kern - dem Osteuro päischen Kraton, dem sich in der Phanerozoischen Ära drei größere Krustenblöcke anschlossen:* die Kaledoniden im Westen und Nordwesten (einschließlich des

Asien

50°

60°

Asien

Grafik 1.4 Die Bausteine Europas. Der Osteuropäische Kraton ist umgeben von jüngeren Orogengürteln: den Kaledoniden im Westen,

den Timan- und Ural-Gürteln im Osten sowie den Variszischen und Alpidischen Gürteln im Süden. Der Lewisische Block im äußersten

Nordwesten, während der Kaledonischen Orogenese angegliedert, war ursprünglich ein Teil Nordamerikas. Bet, Betische Kordiliere; TTZ,

Teisseyre-Tornquist-Zone; Pyr, Pyrenäen. Ländergrenzen sind Grün.

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Einführung 7

Lewisischen präkambrischen Blocks), die Varisziden im Südwesten und die Alpidisehen Gebirge im Süden (Grafik 1.4). Auf der Ostseite kamen die Orogengürtel vom Timan zum Ende des Präkambriums und vom Ural im späten Paläozoikum bis frühen Mesozoikum hinzu (siehe Anhang zur geologischen Zeittabelle). Der weitaus größte Krustenblock, fast die Hälfte des Kontinents, wird vom Osteuropäischen Kraton (= Osteuropäische Platte) gebildet. Die kaledonischen, variszischen und alpidischen Blöcke machen jeweils zwischen einem Viertel und einem Fünftel aus, wobei ein großer Teil heute unter Wasser liegt.

Europas älteste Gesteine sind über drei Milliarden Jahre alt. Zu dem Zeitpunkt jedoch existierte Europa noch nicht als erkennbare Einheit. Die Bildung des Osteuropäischen Kratons war zum Ende des mittle­ren Proterozoikums* vor etwa einer Milliarde Jahren abgeschlossen, was bedeutet, dass das anschließende geologische Wachstum Europas lediglich die letzten 20 Prozent der Erdgeschichte in Anspruch genommen hat.

Geologische Arbeitsmethoden

"Fakten" und Folgerungen Die Rekonstruktion der Erdgeschichte, selbst wenn sie gut begründet und allgemein akzeptiert ist, beruht auf der Interpretation von Belegen - d. h. von geolo­gischen "Fakten". Es ist wichtig für diejenigen Leser, denen vielleicht die geologische Arbeitsweise nicht vertraut ist, die Einschränkungen zu verstehen, die durch die zur Verfügung stehenden konkreten Daten bedingt sind. Wie schon erläutert, befasst sich dieses Buch hauptsächlich mit der Rekonstruktion und Beschreibung der Paläogeografie Europas zu bestimmten geologischen Zeitabschnitten. Das konkrete Material, auf dem die Rekonstruktion des Milieus eines solchen Zeitabschnitts beruht, könnte ein bestimmtes Gestein sein, z. B. ein Kalkstein des betreffenden Alters, der in einem bestimmten Gebiet an der Oberfläche oder in Bohrungen angetroffen wird. Dessen Alter ist normalerweise nicht strittig und könnte sogar als "Fakt" angesehen werden. Verstreute Beobachtungen zu einem Gesamtbild eines großen Gebiets zusammenzufügen, ist aber schon viel unsi­cherer und abhängig vom Abstand der einzelnen Beobachtungspunkte.

Folgerungen zum tektonischen Milieu basieren auf der Interpretation von sedimentären und mag­matischen Gesteinsfolgen, auf die nachfolgend ein­gegangen wird. Diese Folgerungen sind nur soweit zutreffend wie die Theorien, die die Gesteine mit ihrem Entstehungsmilieu verbinden - und diese können sich mit künftiger Forschung ändern. Die größte Unsicherheit der Interpretationen betrifft die tektonische Entwicklung bestimmter Orogengürtel: Wo kommen die verschiedenen Gesteine her und wie wurden sie zusammengefügt? Interpretationen werden normalerweise in Form von schematischen Querschnitten dargestellt - eine Form, die von Geologen gewählt wird, um die oft spekulative Natur der Rekonstruktionen zu betonen. Diese sind bewusst vereinfacht und stilisiert, um eine jeweils bestimmte Interpretation zu illustrieren, und müssen deshalb in diesem Sinne betrachtet werden.

Sediment-Vergesellschaftungen

Einzelne Sedimentgesteinstypen wie Sandstein oder Tonstein sind allein nicht besonders aussagekräftig hinsichtlich des tektonischen Milieusj nützlicher sind ihre Vergesellschaftung mit anderen Gesteinstypen und ihre Verbindung mit Umweltindikatoren wie bestimmten Fossilien. In den folgenden Kapiteln wird die geologische Geschichte der verschiedenen Teilbereiche Europas hinsichtlich ihres tektoni­schen oder paläogeografischen Milieus beschrieben. Zu diesem Zweck werden die Sedimentgesteine zu Fazies-Vergesellschaftungen zusammengefasst. Die wichtigsten werden hier nachfolgend beschrieben.

Kontinentale Fazies Auf dem Festland gebildete Sedimente werden von rot gefärbten Ablagerungen (Rotsedimenten) dominiert, eine Folge der Oxidation des enthaltenen Eisens. Sie variieren von groben Brekzien und Konglomeraten, durch Sturzfluten in aridem bis semiaridem Klima abgesetzt, bis hin zu Tonsteinen, die in flachen Seen zur Ablagerung gekommen sind. Letztere können eine nichtmarine Fauna oder Flora enthalten, im Allgemeinen sind jedoch solche Fossilien selten. Klastische Ablagerungen in Flüssen sind nicht immer rot und in manchen Fällen schwer von flachmari­ner Fazies zu unterscheiden. Eine Übergangsfazies

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8 Die Geologie Europas

zwischen Land und Meer stellen Ästuare dar mit ent­sprechender Mischung der Ablagerungen.

Schelffazies

Auf einem stabilen Schelf (oder der Kontinental­

plattform) abgelagerte Sedimente bestehen typischer­weise aus gut sortierten und gleichmäßig geschichteten Sand-, Kalk- und Tonsteinen. Deren relativer Anteil hängt eher von der Anlieferung des klastischen Materials als von der Wassertiefe ab. Zu Zeiten nach­lassender Zufuhr von klastischem Material, wenn nahe­liegende Gebirgsregionen und damit die Liefergebiete weitgehend erodiert sind, überwiegen Kalk- und Tonsteine. Das Umgekehrte dürfte für Sandsteine gelten. Flachmarine Faunen herrschen auf dem Schelf vor.

Fazies des Kontinentalhangs

Der Kontinentalhang ist üblicherweise weiter von den Liefergebieten entfernt und liegt in tieferem Wasser. Anstelle von Kalksteinen sind Tonsteine typisch, dazu kommen Silt- und Sandstein, Fossilien sind rar. In dieser verhältnismäßig steilen Übergangsfazies vom Schelf zur Tiefsee wird nur wenig Sediment abgelagert. Das charakteristischste Merkmal sind jedoch die Canyons, die Suspensionsströmen (d. h. den Turbiditen) einen Weg zur Tiefsee bereiten. Suspensionsströme entste­hen durch Instabilitäten auf dem kontinentalen Schelf, zum Beispiel hervorgerufen durch Erdbeben. Dies führt dazu, dass Sedimentmassen den Kontinentalhang mit großer Geschwindigkeit hinunterfließen und eine spezifisch sortierte klastische Sedimentmischung auf dem Ozeanboden ablagern. Das auf diese Weise entstandene typische Sediment ist die Grauwacke.

Submarine Rutschsedimente dieser Art sind vor allem verknüpft mit Subduktionszonen, wo sie teilweise oder ganz die Tiefseerinne füllen (siehe Grafik 1.6B). Der Begriff Flysch wird oft benutzt, um den von diesen Sedimenten beherrschten Sedimentverband zu beschreiben. Die in diesem Milieu entstandene Abfolge solcher Sedimentmassen findet sich verbreitet im Akkretionskeil vor dem aktiven Kontinentalrand.

Fazies der Tiefsee

Sedimente des tiefen Ozeans liegen normalerweise fern von der Zufuhr von klastischem Material und werden deshalb von Tonsteinen dominiert. Feingeschichteter gebänderter Hornstein, der durch den Zerfall

kieseliger Mikroorganismen entsteht, nimmt in tiefem Wasser den Platz von Kalksteinen ein, wo Karbonate nicht gebildet werden können. Solche Sedimente sind häufig mit Ozeanboden-Basalten vergesellschaftet.

Beispiel einer paläogeografischen Karte

Grafik 1.S stellt eine paläogeografische Rekonstruktion für einen Teil Westeuropas im frühen Karbon dar. Im Norden befindet sich zu dieser Zeit ein Landgebiet, das aus älteren, vor allem kambrischen und präkambrischen Gesteinen besteht, die erodiert werden und Sediment in die weiter südlich gelegenen Gebiete liefern. Diese Landrnasse wird von einer schmalen Zone konti­nentaler (d. h. nichtmariner) Sedimente vom Typus Old-Red-Sandstein gesäumt - roten Sandsteinen und Konglomeraten, die Gerölle der Landrnasse im Norden enthalten. Nach Süden zeigt die Karte flach­marine Sand- und Tonsteine, die weiter südwärts in Kalksteine übergehen und die eine Flachwasser-Fauna enthalten (z. B. Muscheln und Brachiopoden). Diese wiederum gehen noch weiter südlich in die Fazies des tieferen Wassers über, hauptsächlich mit Tonsteinen und einer pelagischen Fauna (z. B. Cephalopoden). Die genannten Gesteine sind nicht an der Oberfläche aufgeschlossen, da sie von Gesteinen aus der Kreidezeit und jünger überlagert sind. Sie werden vornehmlich aus Bohrungen und aus der Extrapolation von Gebieten abgeleitet, wo sie zutage treten.

Grundlagen der Plattentektonik

Wie Material der Kruste hinzugefügt wird

Für ein besseres Verständnis, wie Europa geologisch gewachsen ist, muss man die verschiedenen plat­tentektonischen Prozesse verstehen, die für dieses Wachstum verantwortlich sind. Die Erdkruste wächst durch Hinzufügen magmatischer Gesteine, die entwe­der durch Extrusion an der Oberfläche oder Intrusion unterhalb entstehen. Zum einen ist das Wachstum also die direkte oder indirekte Folge der Subduktion von ozeanischen Platten und zum anderen die Folge der Injektion von Magmen an sich weitenden Riftzonen. Bei der Beschreibung der Wachstumsprozesse von Europa in den folgenden Kapiteln wird zwischen "aktiven" und "passiven" Kontinentalrändern unter­schieden. Bei einem aktiven Kontinentalrand ist der Subduktionsprozess mit Vulkanismus verbun­den, entweder am Rand des Kontinents oder entlang

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Einführung 9

eines Inselbogens vor dem Kontinent. Über einen langen Zeitraum hinweg können am Kontinentalrand mehrere vulkanische Inselbögen, zusammen mit der Sedimentfüllung von zwischenliegenden Becken, hin­zukommen. Der Kontinentalrand wächst somit durch allmähliche Anlagerung von solchem Material und wird oft auch als Akkretionsrand bezeichnet.

Akkretionsränder

Die Grafiken 1.6A und B zeigen die Auswirkung der Subduktion an einem Kontinentalrand. Das Aufschmelzen ozeanischer Kruste entlang der sub­duzierten Platte erzeugt Magma, das durch die Lithosphäre hindurch aufsteigt und eine Vulkan kette bildet. Diese liegt entweder auf bestehender kontinen­taler Kruste oder auf ozeanischer Kruste in Form eines vulkanischen Inselbogens. Die Dehnung der Kruste über der Subduktionszone kann zudem zu einem neuen Ozeanbecken führen, das als Backarc-Becken

bezeichnet wird. Mächtige Abfolgen von Sedimenten und Vulkaniten bilden sich sowohl in der Tiefseerinne

x

über der Subduktion als auch im Backarc-Becken. Die Ablagerungen in der Tiefseerinne bestehen typischer­weise aus dem vom Kontinent gelieferten vulkanoge­nen Material und gröberklastischen Sedimenten (vor allem turbiditischen Grauwacken), die mit zunehmen­der Entfernung vom erodierten magmatischen Bogen feinkörniger werden. Den Tiefseeboden jenseits der Tiefseerinne und der Sedimentzufuhr bedecken Tonsteine und gebänderte Hornsteine.

Die Auswirkungen der fortdauernden Vorgänge an aktiven Kontinentalrändern sind schematisch in Grafik 1.6C zusammengefasst. Aufeinanderfolgende vulkanische Inselbögen werden inaktiv und dem Kontinentalrand hinzugefügt, der entsprechend in die Breite wächst und einen ausgedehnten Orogengürtel bildet. Diese Art eines akkretionären Orogengürtels sieht man heutzutage im Kordillerengürtel des westli­chen Nord- und Südamerika und bei den Inselketten von Indonesien - beide grenzen an einen Ozean.

Kollisionszonen

Die andauernde Subduktion ozeanischer Kruste führt letztendlich zur Kollision zweier Kontinente, wie in Grafik 1.6C gezeigt. Infolge solch einer Kontinent­Kontinent-Kollision entsteht ein breiter Orogengürtel, in dem magmatische und tektonische Aktivitäten allmählich nachlassen und der Zusammenschub ein Ende findet. Das Orogen kühlt sich allmählich ab,

Grafik 1.5 A. Paläogeografische Karte.

B. Änderungen der Sedimentfazies von der Küste zum Kontinentalhang. Man beachte, dass die Faziesgrenzen ihre Position mit der Zeit leicht ändern und dadurch Änderungen in der Art und Menge der Sedimentzufuhr widerspiegeln.

y Küstenebene Schelf Meeresspiegel

Erosions-gebiet Kontinentalabhang

terrestrische Karbonate klastische Gesteine

B flachmarine pelagische Turbidite klastische Gesteine Tonsteine

Page 15: Die Geologie Europas - Hörbücher · durch den Ural im Osten, der Europa von Asien trennt, durch das Polarmeer und den Atlantischen Ozean im Norden bzw. Westen sowie das Mittelmeer

10

kontinentale Backarc-

Kruste Becken

Die Geologie Europas

vulkanischer Tiefseerinne Bogen

Ozean

100 km] -=�==����====::����;;;;�========�/ ozeanische

_

Kruste

_------ lithosphärischer Mantel

2

3

Asthenosphäre

Oberer Mantel

ASubduktion

vulkanischer Bogen Tiefseerinne Tiefsee

Kompressionszone

Meeres-

• -...... ;;;;;;;;;;=:::::::=t-----rt'-----------''----I�...:..:..:...:..:..:.:.:..::.-=--I spiegel kontinentale

• Oberkruste •

Kontinental­platte A

Mikro-Backarc- platte B Becken

��

B charakteristische Ablagerungen an einem aktiven Plattenrand

vulkanischer Insel bogen Kontinental­

platte C

ozeanische Kruste

vulkanischer Bogen .------- Oroge

�orogen

/V /V /V �.L-I_----, /V /V

------'

C Akkretion an einem aktiven Plattenrand

Grafik 1.6 Merkmale eines aktiven

Kontinentalrands.

A. Subduktion ozeanischer Lithosphäre

unter einen Kontinentalrand; Dehnung

über der Subduktionszone erzeugt ein

Backarc-Becken hinter einem vulkanischen

Inselbogen.

B. Charakteristische Abfolgen und Struk­

turen eines subduktionsbezogenen

Vulkanbogens.

C. Drei Stadien in der Entwicklung eines

Orogengürtels als Folge der Akkretion eines

vulkanischen Inselbogens an einen aktiven

Kontinentalrand.