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gi Geldinstitute 4/2020 B1618 51. Jahrgang Ausgabe 4/2020 +++ SPECIAL +++ Security for Finance and Insurance Daten treiben Kosteneffizienz Ansgar Steden, Vice President Banking DACH bei Diebold Nixdorf, spricht im Interview über Vorbilder, partnerschaftliche Kooperationen und Zukunftsszenarien. Machine-to- Machine-Payments Bug-Bounty als Security-Strategie Physische Sicherheit in der Bankfiliale

Daten treiben Kosteneffizienz · Aber der Onlinehändler müsste auf die Zahlung solange warten, bis der Kühl- ... Managing Consultant und Experte für Pro-jektmanagement, Payments

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B1618 51. Jahrgang Ausgabe 4/2020

++ + SPECIAL +++Security for Financeand Insurance

Daten treiben KosteneffizienzAnsgar Steden, Vice President Banking DACH bei Diebold Nixdorf, spricht im Interview über Vorbilder, partnerschaftliche Kooperationen und Zukunftsszenarien.

Machine-to- Machine-Payments Bug-Bounty als Security-Strategie

Physische Sicherheit in der Bankfiliale

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22 STRATEGIE

Den Einkauf zahlt die MaschineOhne Machine-to-Machine-Payments (M2M-Payments), also autonom zwischen

Maschinen getätigten Zahlungstransaktionen, wird das Internet of Things Stückwerk

bleiben. Damit das nicht passiert arbeiten Politik und Wirtschaft daran, rechtliche und

technische Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Zahlungsdienstleister tun gut daran,

sich bereits jetzt Gedanken über die Implementierung zu machen.

Das Internet of Things (IoT) ist auf dem besten Weg, die Welt zu verändern. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht die Dimensionen: Aktuell sind etwa 27 Milliarden vernetzte Geräte im Einsatz, Experten rechnen bis 2025 mit einer Verdreifachung. Die zu erwartenden ­Benefits­sind­vielfältig.­So­ist­eine­höhe-re­Wertschöpfung­durch­präziseres­Pro-zesswissen­ möglich,­ ebenso­ genauere­Lagebilder, Reaktionen in Echtzeit, neue Fähigkeiten­ von­ Systemen­ und­ vieles­mehr. Das Wissen um Vorgänge und Interaktionen verbessert die Entschei-dungsgrundlage für künftiges Handeln, senkt Kosten und erlaubt die Konzeption individuellerer­Problemlösungen.­Auch­müssen Geräte für bestimmte Leistun-gen nicht mehr gekauft, geleast oder ­gemietet­werden.­ Stattdessen­wird­ die­Nutzung abgerechnet.

IoT braucht autonome Bezahlverfahren

Aber wer bezahlt wie und wann eben die-se Abrechnung? Die Frage ist zu klären, wenn­das­IoT­seine­Wertschöpfungskraft­heben soll. Denn bislang lassen sich Zah-lungen für erbrachte Leistungen zwar automatisiert einfordern, für die Bezah-lung aber muss der Mensch selbst han-deln, indem er die Transaktion autorisiert. Das kostet Zeit, ist fehleranfällig und

bringt­so­den­Gesamtprozess­ins­Stocken.­Beispielsweise wäre ein intelligenter Kühlschrank in der Lage festzustellen, dass die Milch aufgebraucht ist. Auch die Nachbestellung würde funktionieren. Aber der Onlinehändler müsste auf die Zahlung solange warten, bis der Kühl-schrankbesitzer­die­Summe­freigibt.

Die­Lösung:­vollkommen­autonome­Zah-lungsströme­ zwischen­ Geräten,­ soge-nannte­Machine-to-Machine-Payments.­

gi Geldinstitute  4 | 2020

Autor: Michael Titsch, Managing Consultant und Experte für Pro-jektmanagement, Payments und Banking

Bei der Implementierung von M2M-Payments sind vielfältige Fragestellungen zu klären, mit deren Beantwortung möglichst bald begonnen werden sollte

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23STRATEGIE

Nur damit werden alle Vorteile des IoT nutzbar sein. Das Marktpotenzial ist enorm, denn es ist mit bis zu 85 Milliar-den Transaktionen bis 2027 alleine im Euroraum zu rechnen. Diese Dimension zeigt, warum Zahlungsdienstleister sich möglichst­bald­auf­den­Markt­der­M2M-Payments­vorbereiten­sollten.

Rechtliche Voraussetzungen

Zunächst einmal müssen die rechtlichen Grundlagen­vorhanden­sein.­So­fehlt­es­Maschinen bisher an einer eigenen Rechtspersönlichkeit,­was­Regelungen­zu­Haftung­ und­Authentifizierung­ verhin-dert. Entsprechende Vorschriften sind national und international in Arbeit.

Die­ zweite­ Schwierigkeit­ liegt­ in­ der­Schaffung­ rechtsverbindlicher­Maschi-nenidentitäten.­ Schließlich­ muss­ jede­Handlung eindeutig einer bestimmten Maschine zuzuschreiben sein. Hier wird vermutlich alles auf die Verwendung ­digitaler­ Zertifikate­ hinauslaufen.­ Für­deren universelle Gültigkeit bedarf es der Einschaltung neutraler Instanzen, beispielsweise der Bundesdruckerei oder­GlobalSign.

Grundlegende Handlungsfelder

Sind­diese­Herausforderungen­zufrieden-stellend bewältigt, steht der Implementie-rung­von­M2M-Payments­an­sich­nichts­

mehr im Wege. Da es aber eine ganze Reihe unterschiedlicher praktischer ­Aspekte­ gibt,­ zu­ denen­ Standards­ und­Handlungsempfehlungen zu entwickeln sind, sollten Finanzdienstleister mit den Vorarbeiten beginnen.

Die Themenfelder im Einzelnen:

• Sicherheit von Maschinen­ Offene­Schnittstellen,­Datenaustausch­

mit Drittanbietern, ein hoher Vernet-zungsgrad­und­vielfach­einfache­Soft-ware­bieten­Angriffsflächen­für­Cyber-kriminelle.­ Der­ potenzielle­ Schaden­durch­unbefugt­ausgelöste­M2M-Zah-lungsströme­ ist­ enorm.­Hier­ sind­ vor­allem die IoT-Betreiber gefragt, in en-ger Abstimmung mit den Zahlungs-dienstleistern­ einer­ möglichen­ Ver-trauenserosion vorzubeugen.

• Digitales Onboarding­ Die­Anmeldeverfahren­ zu­M2M-Pay-

ments für eine erste Gerätegenerationließen­sich­vielleicht­noch­manuell­be-wältigen. Bei einer millionenfachenEtablierung autonomer Maschinen istdem aber nur noch digital und vollauto-matisiert nachzukommen.

• Compliance für Maschinen­ Hieß­es­bislang­„Know­your­customer“­(KYC),­wird­zukünftig­„Know­your­ob-ject“­(KYO)­wichtig.­Finanzdienstleis-ter­müssen­Prüf-­und­Dokumentations-prozesse hinsichtlich der Vertrauens-

würdigkeit und wirtschaftlichen Zuord-nung einer Maschine entwickeln.

• Identifikation vonMaschinen zahlungen

­ Die­Zahlungsverkehrssysteme­müssen­um Felder und Funktionen zur eindeu-tigen Zuordnung einer Maschine erwei-tert werden, etwa deren Autorisierungs-methode­oder­das­Identitätszertifikat.

• Verarbeitung vonRückinformationen

­ Maschinen­müssen­–­je­nach­genutztem­Zahlverfahren – auch in der Lage sein,prozessuale­und­ technische­Störungen­zu verarbeiten. Das umfasst insbeson-dere Fälle wie

- Dispositionsprüfung mit negativemErgebnis,

- fehlende Zahlungseingangsbestäti-gungen,

- Widerruf von Zahlungen,- technische Unterbrechungen in der

Zahlungskette,- Angriffe auf die Maschine und- Erkennen von Betrugsfällen.

• Komplexes ReportingAufbereitung und Abrechnung von ma-schinellen Nutzungsdaten sowie zusätz-lichen Informationen über die Maschi-nen müssen für unterschiedliche Re-portings­konfiguriert­sein.­Entsprechend­hohen Anforderungen unterliegt dieDatenstruktur.

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Entscheidung für ein Bezahlverfahren

Wichtig ist auch die Wahl des geeigneten Verfahrens für intermaschinelles Bezah-len, gekoppelt mit der Überlegung, über welche Infrastrukturen die Abrechnung beim Kunden erfolgen soll:

•­­Klassischer­Zahlungsverkehr­–­SEPA-Verfahren der Kreditwirtschaft

• Kartengestützter Zahlungsverkehr – Debit- und Kreditkarten

• E-Geld – geschlossene virtuelle Konto-systeme

•­­Digitales­Geld­–­Unbacked­Coins­bezie-hungsweise­Stable­Coins

Da für das IoT mit vielen Transaktionen von Kleinstbeträgen zu rechnen ist, dürf-ten­ Kryptogeld-­ und­ E-Geld-Lösungen­besonders­attraktiv­sein.­Denn­sie­eröff-

nen­die­Möglichkeit,­auch­Dienstleistun-gen von nur geringem Wert – selbst unter einem­Cent­–­wirtschaftlich­abzurechnen,­beispielsweise die Nutzung einer Glüh-birne­ im­Smart­Home.­ Sie­ sind­ zudem­unabhängig von klassischen Finanz-dienstleistern integrierbar. Allerdings muss­Kryptogeld­die­Fähigkeit­zur­Echt-zeitverarbeitung­ großer­ Transaktions-mengen noch beweisen.

Zudem­stellt­sich­bei­Unbacked­Coins­die­Frage nach dem Umgang mit starken Wertschwankungen. Zur Verwendung der Bezahlverfahren im IoT kommt ins-besondere eine Wallet in Betracht, in der Zugangsdaten für verschiedene Zah-lungsnetzwerke hinterlegt sind. Nutzt eine Maschine die Wallet, so wird die priorisierte Zahlmethode automatisch verwendet oder durch Auswahl ein alter-natives Zahlungsverfahren bestimmt.

Darüber hinaus hat die Finanz industrie mit­ ihren­Bezahlverfahren­ ­Instant­ Pay-ments­und­Request­ to­Pay­die­Basis­für­die Nutzung im Internet of Things geschaffen.

Folgen für das Geschäftsmodell

Neben diesen eher technischen Angele-genheiten sollten sich Finanzdienstleister darüber klar werden, wie sie am künfti-gen­Markt­für­M2M-Payments­auftreten­wollen. Bleiben sie reine Infrastruktur-anbieter oder entwickeln sie selbst Kun-denlösungen­ und­ datenbasierte­ Ge-schäftsmodelle?­Für­die­zweite­Strategie­spricht die Tatsache, dass die Zahlungs-dienstleister auf einem gewaltigen Daten-schatz sitzen, der durch die Zunahme von IoT-Geräten noch weiter anwachsen dürf-te – mit der Folge, dass sich zusätzliche Geschäftspotenziale beziehungsweise -modelle­ergeben.­So­lassen­sich­zum­Bei-spiel auf Basis detaillierter Verbrauchs-daten an diese angepasste Finanzierungs-modelle entwickeln. Finanzdienstleisterkönnten­ auch­Datenmarktplätze­ organi-sieren­oder­ als­ zentrale­FX-Plattformen­für digitale Währungen auftreten.

Aber dafür muss es den Anbietern gelin-gen,­sich­„auf“­den­Maschinen­zu­platzie-ren, um sich diese Daten zu sichern. Zu-mindest aber müssen sie als Aggregator fungieren, der die Nutzungsdaten zu Zahldaten bündelt und diese transferiert. Denn der Wettbewerber, der über die pri-mären Nutzungsdaten verfügt, wird am Ende­demjenigen­überlegen­sein,­der­nur­die sekundären, sprich abgeleiteten Zahl-daten des Kunden kennt.

Gerade im Hinblick auf eine Rolle als Datenaggregator­ könnten­ Zahlungs-dienstleister­ zudem­ für­ das­ nötige­Ver-trauen bei allen Beteiligten sorgen. Denk-bar wäre zum Beispiel die Funktion als eine­Art­Clearing-Stelle­für­sichere­digi-tale­Identitäten­und­valide­Daten.­Schließ-lich­genießen­sie­ein­hohes­Vertrauen­hin-sichtlich Identitätsverwaltung, Daten-schutz­und­auch­IT-Security.­Ein­Aspekt­dabei ist die Tatsache, dass – wie die Bei-spiele von Google, Facebook und Apple zeigen­–­derjenige­Player­den­­Hebel­für­weiteres Geschäft in der Hand hält, der die digitalen Identitäten kontrolliert.

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Übersicht über die denkbaren Bezahlverfahren für M2M-Payments

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Veränderungen in der Kundenstruktur

Auch der Vertrieb der Zahlungsdienst-leister wird sich mit steigender Bedeu-tung­ von­ IoT­ und­M2M-Payments­ neu­aufstellen müssen. Denn die Bedeutung von­Ökosystemen­wächst,­etwa­beim­au-tonomen oder teilautonomen Fahren. Dann entscheidet nicht mehr der einzelne Wirtschaftsteilnehmer, über welche Be-zahlverfahren­ er­Produkte­ oder­Dienst-leistungen­abrechnet.­Stattdessen­muss­er­die­Möglichkeiten­des­Ökosystems­ver-wenden, innerhalb dessen er sich gerade bewegt. Beispielsweise gibt der Flot-tenanbieter vor, wie und womit Kraftstof-fe beziehungsweise Energie für ein Fahr-zeug zu bezahlen sind. Für die Ver-triebsorganisationen bedeutet das einen – teilweisen – Abschied von der Betreuung einzelner­Unternehmen­oder­Privatkun-den­hin­zur­Betreuung­von­Ökosystemen.

Systemlandschaften an der Belastungsgrenze

Bereits­jetzt­sollten­Zahlungsdienstleister­Investitionen in ihre IT-Infrastruktur planen. Denn: Die Anforderungen von M2M-Payments­an­die­Lastfähigkeit,­die­Verfügbarkeit­und­die­Skalierbarkeit­sind­

mit­den­historisch­gewachsenen­System-landschaften der europäischen Finanz-dienstleister nicht auf Dauer zu erfüllen. Künftig­müssen­Zahlungsverkehrssyste-me­und­ihre­Umsysteme­maschinelle­von­nicht-maschinellen Zahlungen unter-scheiden­ können,­ da­ diese­ nach­ unter-schiedlichen­Regeln­ablaufen.­Sie­müs-sen das Onboarding von Maschinen auto-matisiert durchführen sowie Identitäten und Zertifizierungen verifizieren. Das bereits beschriebene KYO muss in den Systemen­abgebildet­und­organisiert­sein.­Hinzu kommen Rückinformationen aus System-­ und­ Prozessstörungen­ sowie­ deren Verarbeitung.

Zugleich sind künftig signifikant mehr Transaktionen zu bewältigen, bei paralle-ler Zunahme der Bedeutung von 24/7/365-Betriebsmodellen und Echtzeit-fähigkeit.­Zwar­können­auch­im­IoT­Zah-

lungen mit einem zeitlichen Abstand zum Grundgeschäft akzeptabel sein. In vielen Fällen dürfte aber erwartet werden, dass auf den sofortigen Informationsaustausch beziehungsweise die sofortige Leistungs-erbringung oder Nutzung auch eine unmit-telbare­Zahlungsauslösung­durch­die­Ma-schine­folgt.­Hostbasierte­Lösungen­oder­Downtimes für das Einspielen neuer Re-leases werden damit immer inakzeptabler.

Die Zeit läuft

Angesichts des Klärungsbedarfs, der Infrastrukturarbeiten und Grundsatz-entscheidungen wird klar, dass die Zeit gegen die Zahlungsdienstleister läuft. Eine prognostizierte Verdreifachung der IoT-Geräteanzahl innerhalb von gerade einmal­ fünf­ Jahren­ ist­ ein­klares­Signal­zum Aufbruch in die neue Zeit eines ­Internet­of­Payments.

Aktuelle StudieDetails und weitere Informationen zu Herausforderungen und Chancen durch M2M-Payments für Zahlungsdienstleister sind in der unlängst erschienenen Stu-die „Internet of Payments“ des Hamburger Beratungs- und Softwarehauses PPI nachzulesen. Diese kann auf der Website von PPI kostenlos angefordert werden: www.ppi.de/studie-iop

Beim Eintritt in den Markt von M2M-Payments müssen Finanzdienstleister eine Grundsatz-entscheidung treffen, deren Richtung von verschiedenen Treibern bestimmt wird