Anyone Can Edit': Vom Nutzer zum Produtzer (2009, Münster Version)

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Guest lecture at the University of Münster, 29 May 2009.

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‘Anyone Can Edit’:Vom Nutzer zum Produtzer

Dr Axel BrunsCreative Industries Faculty

Queensland University of TechnologyBrisbane, Australien

a.bruns@qut.edu.au – http://snurb.info/ – http://produsage.org/

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Der Produtzer

‒ Kein Schreibfehler…

‒ Produtzer machen:• benutzergelenkte

Inhaltsproduktion – Produtzung

‒ In vielen ‘Web 2.0’-Umgebungen

(Image: http://flickr.com/photos/stabilo-boss/93136022/)

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‒ Traditioneller Nachrichtenprozeß:

(aus Bruns, Gatewatching: Collaborative Online News Production, 2005)

Nachrichtenproduktion

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‒Gatewatcher-Nachrichtenprozeß:

(adaptiert von Bruns, Gatewatching: Collaborative Online News Production, 2005)

‒ verschiedene Varianten sind möglich

Nachrichtenprodutzung

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(http://labs.digg.com/stack)

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Implikationen des Gatewatching

‒ Mögliche neue Rolle für ‘open news’:• ‘bottom-up’ statt ‘top-down’ Berichterstattung• multiperspektivische Berichterstattung (Herbert Gans)• demokratischer, dialogischer, deliberativer Journalismus

(Dan Gillmor: ‘from lecture to conversation’)

‒ Implikationen für den Mainstreamjournalismus:• Journalisten und Redakteure werden umgangen• Korrektiv und kritischer Beobachter für Mainstreamnachrichten

(Herbert Gans: ein ‘second tier’ von Berichterstattern)• Untergrabung der Unterschiede zwischen Produzenten und

Konsumenten

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Open News und Open Source‒ Übertragung der Open-Source-Selbstdefinition auf ‘open news’:

The basic idea behind open source is very simple: When programmers can read, redistribute, and modify the source code for a piece of software, the Software evolves. People improve it, people adapt it, people fix bugs. And this can happen at a speed that, if one is used to the slow pace of conventional software development, seems astonishing.

We in the open source community have learned that this rapid evolutionary process produces better software than the traditional closed model, in which only a very few programmers can see the source and everybody else must blindly use an opaque block of bits.

(Opensource.org)

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‒ Niedergang der traditionellen Produktionslogik:

Produzent Vertreiber Konsument

(Marktforschung Produzent Vertreiber Konsument)

(Konsumentenideen Produzent Vertreiber Konsument)

Jenseits von ‘Produktion’

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Was passiert hier?

‒ Trends zu:• Prosumer (Alvin Toffler)?• Citizen-Consumer (John Hartley)?• Pro-Am-Produktion (Charles Leadbeater & Paul

Miller)?• nutzererstellte Produkten, von einer neuen

‘Generation C erstellt (Trendwatching.com)?• ‘Harnessing the Hive’ durch kommerzielle Interessen

(J.C. Herz)?

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Jenseits von ‘Produkten’‒ Traditionelles Bild von Produkten:

• existieren in klar abgegrenzten Versionen; Produzent kontrolliert die Öffentlichmachung

• Vertrieb von Produkten ist durch Produzenten und Vertreiber kontrolliert (und kontrollierbar), nicht durch Konsumenten

• Konsumenten sind relativ isoliert – schwache Gemeinschaftsverbindung, und in erster Linie hierarchische Direktverbindung mit Produzenten

• Hauptgeschäft liegt im Verkauf urheberrechtlich geschützter Produkte

‒ Im benutzergelenkten, digitalen Umfeld nicht unbedingt korrekt:

• neueste Revision immer sofort erhältlich – z.B. open source, Wikipedia

• Inhalte online direkt abruf- und veränderbar – Nutzer werden Produtzer, Vertreiber durch Technologie ersetzt

• Konsumenten organisieren sich in heterarchischem System von Fan-, Interesse-, Entwicklergruppen

• Hauptgeschäft liegt in der Anbietung nützlicher Services im Umfeld frei erhältlicher Inhalte

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creativeindustries.qut.com(http://www.research.ibm.com/visual/projects/history_flow/capitalism1.htm)

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Eine neue Produktionslogik?

(als Produzent)

Produtzer

(als Benutzer)

Inhalt Inhalt

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Allgemeine Merkmale‒ Allgemein beobachtbare Produtzungsprinzipien:

• Offene Teilnehmerschaft, gemeinsame Bewertung – falls ausreichend groß und divers, kann die Gemeinschaft insgesamt mehr beitragen als ein geschlossenes Team von Produzenten, unabhängig von deren Qualifikationen

• Fließende Heterarchie, Ad-Hoc-Kontrolle – Produtzer beteiligen sich, wo individuelle Fähigkeit, Interesse, und Wissen das sinnvoll machen; dies ändert sich über die Laufzeit des Produtzungsprojekts

• Unfertige Artefakte, fortlaufender Prozeß – Inhalte in Produtzungsprozessen werden fortlaufend weiterentwickelt, und sind daher immer unfertig; ihre Entwicklung folgt evolutionären, iterativen, palimpsestischen Pfaden

• Gemeinsamer Besitz, persönlicher Ruhm – Teilnehmer erlauben (zumindest nichtkommerzielle) Benutzung und Weiterbearbeitung ihres geistigen Eigentums, und werden durch das Statuskapital entlohnt, das ihre Teilnahme generiert

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Produtzung

‒ In vielen Bereichen sichtbar:• Open-source-

Softwareentwicklung• Bürgerjournalismus

∘ Politische Blogs∘ Open news – z.B. Slashdot,

Indymedia, OhmyNews

• Wissensmanagement∘ Wikis – z.B. Wikipedia∘ Social bookmarking – z.B.

del.icio.us, digg∘ Geotagging – z.B.

Google Earth, Frappr

• Multi-User-Computerspiele∘ z.B. The Sims, Everquest,

Second Life, Spore

• Inhaltsverbreitung und kreative Zusammenarbeit∘ z.B. Flickr, ccMixter, YouTube

, Jumpcut, Current.tv

• Produktrezensionen∘ z.B. Epinions, IgoUgo

• Automatische Aggregation∘ Google, Amazon, last.fm

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Produtzung

‒ Jenseits von Produktion:• ‘anyone can edit’ – Nutzer werden Produtzer von Inhalten• Inhalte sind nicht länger klar abgegrenzte Produkte – sie sind

kurzzeitige Artefakte eines fortlaufenden Prozesses• Nutzung und Produktion sind zunehmend, unauflösbar

verwoben• klare Abgrenzungen zwischen Produzenten, Vertreibern, und

Konsumenten sind nicht länger zutreffend• eine neue “Generation C” von Inhalts-Produtzern?

dies ist Produtzung(engl.: produsage)

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Online-Projektstandort

durch Gemeinschaft oder Firma erstellt, als Heimat für das

Produtzungsprojekt

(z.B. Wikimedia Foundation; Google;

SourceForge)

kommerzielle / Non-Profit-Abernte von nutzererstellten Inhalten

(z.B. The Sims, Wikipedia auf CD-ROM)

kommerzielle / Non-Profit-Services zur Unterstützung der Produtzung

(z.B. Red Hat, SourceForge)

kommerzielle Aktivitäten durch Nutzer selbst, auf Produtzung aufbauend

(z.B. Support-Services, Konsultationen, Inhaltsangebote)

anfängliche Kontributionen von geistigem Eigentum durch Teilnehmer, aus freien Quellen,

oder durch kommerzielle Unterstützer kollaborative, iterative, evolutionäre, palimpsestische

benutzergelenkte Inhaltserstellung

nützliche Inhalte, oft von professioneller Qualität, werden erstellt

Produtzungsprojekt(von Produtzern betrieben)

Eine neue Logik

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Kollektive Intelligenz

‒ Implikationen von Produtzung:• neue Gemeinschaftsstrukturen?• neue künstlerische Formen – kollaboratives Schaffen?• neue Möglichkeiten für (e-)Demokratie?• neue Anwendungen für kollektive Intelligenz (Pierre Lévy)?

• Nachhaltigkeit freiwilliger Arbeit?• Effekte kommerzieller Nutzung?

∘ vgl. JC Herz: ‘harnessing the hive’∘ wie weit von hier zur Ausnutzung (d.h. ‘hijacking the hive’)?

• Nutzung und Kontrolle geistigen Eigentums?• Vertrauen, Autorität, Verantwortung, Rechenschaft?

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Produtzung und Wirtschaft

‒ Ökonomisches Potential:• billige Zuarbeiter für kommerzielle Produzenten• neue Mischmodelle für Pro-Am-Inhaltserstellung• zwiespältige Reaktion aus der Wirtschaft:

∘ Opposition: z.B. Softwareindustrie, Journalismusindustrie∘ Interesse: z.B. Computerspiele, Tourismus, Werbung,

Produktentwicklung

• wichtige Impulse für Prozeß- und Produktinnovation

• Kreativität und Innovation international zunehmend Schwerpunkte in der Wirtschaftsentwicklung∘ z.B. China: von ‘made in China’ zu ‘created in China’

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Geistiges Eigentum‒ Zwiespältige Verbindung zwischen Produtzung und geistigem

Eigentum:• innovative Nutzung neuer Lizenzmodelle (z.B. Creative Commons)• komplexe Eigentumsverhältnisse in Projekten mit vielen Teilnehmern

(z.B. Wikipedia)• Teilnehmer nicht unbedingt über Rechte und Pflichten im Klaren

• widersprüchliche Stellung der etablierten Copyright-Industrien ∘ sowohl “Rip. Mix. Burn.” als auch Verfolgung von Filesharern∘ sowohl “Take Down Notices” als auch Werbeeinnahmen von YouTube

• mögliche Unterminierung von Produtzerinnovation durch repressive IP-Regime∘ mögliche ökonomische Implikationen∘ vgl. China: Wirtschaftswachstum auch durch lasches IP-Regime gefördert

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Politische Implikationen‒ Ein nachindustrielles Politikmodell?

• wachsender Effekt von Produtzernachrichten auf politische Prozesse∘ mehr Dialog und Deliberation,∘ oder mehr Streit und Konflikt?

• Rückzugsgefechte von Politikern und Nachrichtenorganisationen gegen Bürgerjournalisten – nicht nur in autoritären Regimen

• Divergenz von alternativer und Mainstream-Berichterstattung (z.B. Howard Dean 2004, Australien 2007, Obama und McCain 2008)

• wachsende ‘Digital Divide‘ zwischen konventionellen Medienbürgern und neuen Produtzer-Bürgern?

Ist es möglich, durch Produtzungsprojekte Bürger dazu zu bewegen, von passiven Konsumenten zu aktiven Produtzern unserer Demokratien zu werden?

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Virales Marketing

Axel Bruns

Senior Lecturer

Creative Industries Faculty

Queensland University of Technology

Brisbane, Australien

a.bruns@qut.edu.au

http://snurb.info/

http://produsage.org/

http://gatewatching.org/

Blogs, Wikipedia, Second Life, and Beyond:From Production to Produsage (Peter Lang, 2008)

Uses of Blogs, eds. Axel Bruns and Joanne Jacobs (Peter Lang, 2006)

Gatewatching: Collaborative Online News Production (Peter Lang, 2005)

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