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Drei Mode-Ikonen im Portrait

Coco Chanel, Jil Sander und

Vivienne Westwood

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Coco Chanel – Der märchenhafte Aufstieg einer Näherin

aus der Provinz zur Pariser Modeschöpferin

Coco Chanel, eigentlich Gabrielle Bonheur Chasnel, wurde am 19. Au-gust 1883 als zweite Tochter eines Straßenhändlers in Saumur in der Auvergne geboren.

Sie war ein uneheliches Kind. Die Mutter, die die Ehe vortäuschte, ließ ihre Tochter auf den Familienna-men des Vaters taufen. Durch einen Schreibfehler im Taufbuch wurde das „s“ im Namen übersehen und auch später nicht wieder korrigiert. Aufgewachsen ist Chanel in ärm-lichen Verhältnissen. Als sie zwölf Jahre alt war, verstarb die Mutter. Der Vater, der das Sorgerecht erhielt, gab sie und ihre ältere Schwester in die Obhut eines Waisenhauses.

Mit Erreichen des 16. Lebensjahres wurde Chanel aus dem Waisenhaus entlassen. Sie begann zunächst als Näherin zu arbeiten und zog später nach Paris, um in diversen Nacht-clubs als Sängerin und Tänzerin aufzutreten. Hier erhielt sie den Bühnennamen „Coco“, der nach einer Weile auch ihr Rufname wurde. Ab 1909 arbeitete sie als Modistin in Paris. Ihr Wunsch war es, sich als Hutmacherin selbstständig machen zu können.

Ein wohlhabender Verehrer stellte ihr 1910 die finanziellen Mittel zur Verfügung, und so konnte sie im Atelier eines Wohnhauses mit der Produktion von Hüten nach eige-nem Design beginnen. Der Verkauf ihrer Arbeiten lief bestens, so dass sie schon nach kurzer Zeit ihr erstes Hutgeschäft in Paris eröffnen konn-te. Als sie im Auftrag der Kunden auch Kleider entwarf, entstanden völlig neue, schlichte Kleider in groß-flächigen Grundfarben.

Kleider von Coco Chanel wurden zum edlen Luxus-Produkt der Pariser Szene und schon 1914 eröffnete sie unter ihrem Namen erste Boutiquen in Deauville und Biarritz. Ab 1918 lancierte sie Pyjamas für Frauen, der bisher nur den Männern vorbehal-ten war. 1919 eröffnete sie einen Modesalon in Paris. Chanel zeigte sich nicht nur als herausragende Modeschöpferin, sondern auch als erstklassige Geschäftsfrau.

Ihren Durchbruch vollzog sie aller-dings nicht mit ihrer Mode, sondern 1923 mit dem Parfum „Chanel Nr. 5“. Dieser Duft war auch der erste, der unter dem Namen des Schöpfers präsentiert wurde. 1926 entwarf sie das erste „Kleine Schwarze“. Schlag-zeilen machte sie Anfang der 1930er Jahre, als sie mit den Nationalsozi-alisten sympathisierte. Auch einige Freundschaften zu hochrangigen deut- schen Offizieren aus dieser Zeit

wurden ihr vorgewor-fen.

Während des Krieges

zog

sich Chanel ab 1939 aus dem Ge-schäftleben und allen Aktivitäten zurück. Ihre Zeit nutzte sie, um eine neue Kollektion zu entwerfen. Als Vorbild und Inspiration dienten ihr die Uniformen des Zweiten Welt-krieges. Vorlagen aus dieser Zeit be-einflussen bis heute den typischen Chanel-Stil. Ihr Geliebter und früher Geldgeber Arthur Capel heiratete in England und verunglückte wenige Monate später tödlich bei einem Autounfall an der Côte d’Azur.

Chanel war außerdem mit Pablo Picasso, Sergej Diaghilew, Jean Cocteau und Igor Strawinsky eng befreundet. Im Privatleben Chanels scheiterten zahlreiche Beziehungen, so auch die Verbindung mit dem rus-sischen Fürsten Dimitri Pawlowitsch, den sie Ende des Krieges kennen ge-lernt hatte, und die Freundschaft mit dem Herzog von Westminster, Hugh Richard. Erst 1954 kehrte Chanel wieder ins Berufsleben zurück.Ihre zu Kriegszeiten entstandene Kollektion wurden nun produziert.

Der Erfolg in den USA war überwäl-tigend. Vor allem hier traf sie den Zeitgeist. Damit stellte sich auch der internationale Durchbruch des Hauses Chanel ein. Erstmals in der Geschichte der Mode waren Frauen in den zweiteiligen Kostümen von Chanel gleichberechtigt. Ihre Kostü-me aus körnig weichen, melierten Tweeds mit aufgesetzten Taschen beeinflussten die Mode des 20 Jahrhunderts nachhaltig.

Die bis ins hohe Alter aktive Coco Chanel starb am 10. Januar 1971 während der Vorbereitungen für eine weitere Kollektion im Alter von

87 Jahren in Paris.

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Chanel Nr.5: Siegeszug nach Werbung von Marilyn Monroe Gabrielle „Coco“ Chanel lehnte ursprünglich Parfums ab: „Frauen parfümieren sich nur, wenn sie schlechte Gerüche zu verbergen haben.“ Heute ist die wichtigste Kreation aus den Chanel-Labors, Nº 5, ein Kultduft, der – vor allem zu Weihnachten – verschenkt wird. Cocos Liebhaber, der Großfürst Dmitri Pawlowitsch Romanow, machte die längst erfolgreiche Modemacherin 1920 mit dem Par-fumeur Ernest Beaux bekannt. Der Franzose hatte in Russland den Vor-gängerduft „Bouquet de Catherine“ 1913 auf den Markt gebracht. Dort war er aber mäßig erfolgreich.In Frankreich experimentierte der Parfumeur weiter mit dem Duft – der als einer der ersten synthetische Komponenten enthalten sollte, wodurch die Haltbarkeit verbessert und die Fettigkeit des enthaltenen Mairosen- und Jasminöls neutrali-siert wurden.

Coco Chanel testete die Duftvarian-ten und entschied sich für das fünfte Fläschchen – das sie als Weihnachts-geschenk für ihre besten Kundinnen erwarb. Auf die Frage, wie sie das Parfum nennen wolle, soll Coco ge-antwortet haben: „Ich lanciere meine Kollektion immer am fünften Tag des fünften Monats, die Fünf scheint mir Glück zu bringen.“ Erst 1922 – als die beschenkten Kundinnen Nachschub verlangten – wurde Chanel Nº 5 zum Verkauf angeboten.

Während sich Coco um die Entwick-lung des Modehauses selber küm-merte, trat sie die Rechte an ihren Düften 1924 an Theophil Bader und Pierre Wertheimer ab. Die Couturiere

fühlte sich jedoch übervorteilt und kämpfte um eine finanzielle Abgel-tung.

1954 ging die Marke Chanel kom-plett in Wertheimer-Besitz über. Mit der Einigung kassierte Coco Chanel aber genug, um mit ihrer Modelinie neu durchstarten zu können. Das war auch das Jahr, in dem Marilyn Monroe mit ihrer Aussage: „Zum Schlafen trage ich nur zwei Trop-fen Chanel Nº 5“ den endgültigen Siegeszuges des intensiven Duftes besiegelte.

Coco Chanel starb am 10. Januar 1971 87-jährig – an einer neuen Kol-lektion arbeitend. Der damalige Ruf des Labels, Mode für reiche, ältere Damen zu kreieren, änderte sich erst durch Karl Lagerfeld. Der Deutsche begann 1983 für Chanel Mode zu entwerfen und das Haus zu seinem alten Ruhm zurückzuführen.Wie groß das Reich der Wertheimers heute ist, ist durch ein komplexes Firmenkonstrukt kaum darstellbar, attestiert das Wirtschaftsmagazin Forbes.

Seit 1968 werben in aufwändig ge-stalteten Spots Schöne aus der Welt des Films für die Parfums – derzeit Audrey Tautou, die Hauptdarstellerin in der jüngsten Verfilmung über die

Gründerin des Hauses.

KultfaktorChanel Nº 5 ist der erfolgreichste Damenduft aller Zeiten. Der Herstel-ler schätzt, dass alle 30 Sekunden ein Flakon verkauft wird. Marilyn Monroe verhalf dem Parfum zum endgültigen Durchbruch. 1954 sagte sie: „Zum Schlafen trage ich nur zwei Tropfen Chanel Nº 5.“

Meilensteine1920 suchte Coco Chanel die fünfte Variante eines Duftes von Ernest Be-aux als Weihnachtsgeschenk für ihre Kundinnen aus. 1922 verlangten die Modekundinnen Nachschub – der Verkauf startete. Die Gratiswerbung durch Marilyn Monroe 1954 erledig-te den Rest.

MarkenmacherCoco Chanel hat nicht nur die Mo-dewelt revolutioniert, indem sie die Frauen von den Korsagen befreite.

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Jil Sander – Die hanseatische Vertreterin

setzt auf Schlichtheit und Klarheit

Jil Sander wurde als Heidemarie Jili-ne Sander am 27. November 1943 in Wesselburen bei Hamburg geboren.Bereits in jungen Jahren zeigte sie ein außergewöhnliches Modebe-wusstsein, als sie in den 1950er Jahren statt Petticoats Hosen anzog. Nach dem Besuch der Realschule begann Sander ein Studium des Textilingenieurswesens. Nach ihrem Abschluss siedelte sie in die Verei-nigten Staaten über. Dort war sie in Los Angeles als Redaktionsassisten-tin bei der Zeitschrift „McCalls“ tätig. Zwei Jahre später kehrte sie nach Deutschland zurück.

Sie ließ sich in ihrer Heimatstadt Wesselburen nieder und arbeitete als Modejournalistin in Hamburg für die Zeitschrift „Constanze“ und spä-ter bei „Petra“. 1967 machte Sander sich selbstständig. Sie eröffnete ihre erste Modeboutique im Hamburger Stadtteil Pöseldorf in der Milch-straße, in der sie neben Mode aus Paris auch eigene Entwürfe anbot. 1974 stellte sie erstmals ihre eigene Kollektion in der Öffentlichkeit vor, mit der sie aber zunächst nicht den großen Wurf machte. Erst zwei Jahre später ver-half ihr

der

Zwiebel-Look beziehungsweise Lagen-Look & Kombinationsmode zum großen Erfolg.

Schon zwei Jahre später, 1978, ergänzte Sander als erste deut-sche Designerin ihre Mode mit der berühmten Pflegeserie „Jil Sander Woman Pur“. Für ihr Parfum warb sie mit ihrem eigenen Gesicht. Im gleichen Jahr führte die japanische Modezeitschrift „High Fashion“ Sander als eine der zwölf weltbes-ten Modedesignerinnen auf. In den Vereinigten Staaten machte sie sich mit der betonten Schlichtheit ihres Stils einen Namen als „Queen of the Less“. 1983 fasste Sander mit ihrer Mode auf dem italienischen Markt Fuß. Es folgten Niederlassungen in New York, in asiatischen Metropolen und in Paris.Im Jahr 1984 entwarf sie Accessoires und Brillen, und 1986 komplet-tierten Ledermäntel, Strickwaren, Krawatten und Einstecktücher das Kreativangebot Sanders. Längst wa-ren ihre Produkte zu angesehenen Markenwaren geworden. Sie wurde eine der bedeutendsten Führungs-persönlichkeiten im internationalen Modemarkt und machte die deut-sche Mode nicht nur im Inland und weltweit populär, sondern setzte dabei auch neue Trends. Sander wurde zur bekanntesten deutschen Modedesignerin. Sie legte dabei viel Wert auf die Qualität nicht nur des Materials, sondern auch der Verar-beitung und des Entwurfs.

Die Modezarin bevorzugte persön-lich Hosenanzüge und einfache Blazer. Überhaupt neigte sie zur Schlichtheit in der Mode. Sie ver-mied überflüssige Details, wobei sie dennoch zur Avantgarde tendierte.

Diese Auffassung hatte sie sich zur Maxime gemacht und zeichnete ihr Design aus. Sander realisierte ihre Vorstellungen in klaren, stren-gen Linien als eleganten Stil, der in feinsten Materialien sichtbar wurde. Neben dem großen Erfolg in der Mode glänzte Sander auch als Unter-nehmerin. Sie baute sich ein interna-tionales Unternehmen auf.

Im Jahr 1989 wurde ihre Firma zur Aktiengesellschaft und an der Börse notiert. 1993 eröffnete sie den ersten Flagshipstore in der interna-tionalen Modemetropole Paris, mit dem sie auf über 900 Quadratme-tern auf vier Stockwerken verteilt aktuelle Modetrends präsentierte. 1997 nahm sie erstmals Herrenmo-de in ihre Kollektion auf. 1999 ging das Unternehmen Sanders in den italienischen Prada Konzern über, der die Aktienmehrheit erlangt hatte. Zunächst sollte die Designe-rin weiterhin für den Entwurf der Kollektionen verantwortlich sein, doch diese Tätigkeit gab sie wegen Missverständnissen mit der neuen Geschäftsführung schnell auf.

Zum Jahresbeginn 2000 schied Sander als Vorstandsvorsitzende der Jil Sander AG aus. Der Jil-Sander-Konzern galt mit einem Umsatz von 226,6 Millionen D-Mark als einer der profitabelsten auf dem internationa-len Modemarkt. Im Mai 2003 kehrte sie als Designerin in ihr früheres Un-ternehmen zurück. Wegen Differen-zen mit dem ehemaligen Gucci-Ma-nager Gian Giacomo Ferraris, der die Leitung von Jil Sander übernommen und einen umstrittenen Sparkurs an-geordnet hatte, trennte sich Sander jedoch Mitte November 2004 erneut und endgültig von der Modefirma.

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Hier zwei Beispiele aus der Uniqlo-Kollektion von Jil Sander. Die Hanseatin hat 2009 einen Bera-tervertrag mit einem japanischen Be-kleidungskonzern abgeschlossen und arbeitet seitdem für das japanische La-bel Uniqlo (die Abkürzung für Unique Cloth), vergleichbar mit der amerikani-schen Marke Gap – die Entwürfe sind massentauglich und erschwinglich.

Kurz notiert – Wissenswertes über Jil Sander

Ihre Unternehmensphilosophie spricht für sich: „Gutes Design, erst-klassiges Material, höchste Qualität in der Verarbeitung“

1968 Eröffnung der ersten eigenen Boutique in Hamburg-Pöselsdorf

1973 Präsentation der ersten eige-nen Kollektion

Von Juni 1989 bis Ende Januar 2000 war sie Vorstandsvorsitzende der Jil Sander AG.

1985 erhielt sie den Couturier-Preis in Paris.

Die Mode von Jil Sander ermöglicht also auch Luxus für viele Menschen, die über ein wenig mehr Zeitgeist und Klassik in ihrem Kleiderschrank verfügen möchten. Für diese Art von Understatement und die vielfältigen Leistungen in der Modebranche wurde sie sogar mit dem Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausge-zeichnet.

Jil Sander gab als Nachfolgerin von Karl Lagerfeld eine Gastprofessur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien.

Anfang der neunziger Jahre wurde die von den Laufstegen propagier-te Mode androgyner. Die von Jil Sander in hauchzarten und doch schlichten Kreationen über den Mailänder Catwalk geschickten Supermodels wirkten so elfengleich, dass sich der Spruch „Jil Sander is hot Armani not.“ etablierte.

Der deutsch-englische Sprachmix, dessen Sander sich bedient, wurde von der Öffentlichkeit mit Befrem-den zur Kenntnis genommen und stark kritisiert. Sander wurde dafür 1997 vom Verein Deutsche Sprache mit dem Titel „Sprachpanscher des Jahres“ ausgezeichnet.

In der Mitte rechts Werbung für einen Duft von Jil Sander. Er wurde von ihr für die selbstbewusste Frau kreiert und öffnet das blumig-fruchtige Herz mit Noten aus Rosa Pfeffer, Lavendel und frischer Mandarine. Links davon schicke Handtaschen. Unten rechts und im Hintergrund der linken Seite einige Kleider aus ihrer Kollekti-on vom Frühjahr/Sommer 2011. Unten links ein Beispiel aus ihrer Navy-Kollektion.

Jil Sander – Die hanseatische Vertreterin

setzt auf Schlichtheit und Klarheit

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Vivienne Westwood – Die unkoventionelle Queen of Punk:

“Mode hat immer etwas mit Sex zu tun“

Vivienne Westwood, mit bürgerli-chem Namen Vivienne Isabel Swires, wurde am 8. April 1941 im britischen Tintwistle geboren.Bereits als Sechzehnjährige bewies sie einen ungewöhnlichen Ge-schmack für Kleider, der sich nicht nach dem aktuellen Modetrend richtete. 1958 zog Westwood nach London. Dort ließ sie sich zur Lehre-rin ausbilden. Sie heiratete 1962 den Werkzeugmacher Derek Westwood. Aus dieser Verbindung ging Sohn Benjamin hervor. Doch die Ehe dau-erte nicht lange und Vivienne West-wood trennte sich von ihrem Mann. Mitte der 1960er Jahre machte sie die Bekanntschaft zu dem Kunststu-denten Malcolm McLaren. Er war der Kopf der Pop-Gruppe „Sex Pistols“. McLaren war ein provozierender Typ.

Diese Einstellung gefiel Vivienne Westwood. Malcolm McLaren lief in grünen Damenschuhen, die fluo-reszierten, und in engen Lederho-sen herum. Zusammen eröffneten sie ein Geschäft in London, in dem sie Mode und Musik verkauften. Immer wieder nannten sie den Laden um und organisierten das Sortiment neu. Zu den Angeboten zählte unter anderem Fetischwa-re wie Latex-Wäsche, gelöcherte T-Shirts oder Strapse. Westwood und McLaren bekamen 1966 den gemeinsamen Sohn Joseph. Westwood begann für das Geschäft eigene Mode zu entwerfen, die sie auch selbst anfertigte. Wie bereits seit früher Jugend war sie eine Anhängerin des ungewöhnlichen Modestils, der sich nicht nach Trends richtete.

So kreierte sie beispielsweise Kleidung mit Reißverschlüssen an

ungewöhnlichen Platzierungen oder Negligés aus Gummi mit Perlen-glanz. Auch fertigte sie die Bühnen-kleidung für die Mitglieder der „Sex Pistols“. Dabei entdeckte sie ihre kreativen Fähigkeiten zum eigenen Entwurf. 1976 trat sie dann mit dem Modenamen „Punk“ an die Öffent-lichkeit. 1981 präsentierten West-wood und Malcolm McLaren ihre „Pi-raten“ genannte Kollektion erstmals auf dem Laufsteg. Damit begann der Betrieb einer gut funktionierenden Mode- und Designwerkstatt. Aus der Modepräsentation wurde eine richtige Show mit kleinen Events.

Mit dem Erfolg dieser Veranstaltung gelang ihr der Sprung in die kom-merzielle Modebranche. Von da an verfolgte Westwood konsequent ihre Karriere als Modedesignerin. Sie trennte sich von Malcolm McLa-

ren. Die

Ver-bin-dung

blieb zu-

nächst ein Arbeitsverhältnis, das sich dann 1983 ganz auflöste. Im gleichen Jahr machte sie die Bekanntschaft von Carlo D`Amario, der sie als Modedesignerin und ihr Unternehmen förderte. Seine Un-terstützung war von einer solchen Tragweite, dass Westwood ohne ihn nicht die Bedeutung in der Mode-branche erreicht hätte, die sie dann einnahm. Westwood verließ England und siedelte nach Italien über.

Dort ging sie eine Kooperation mit dem Modeschöpfer Giorgio Armani ein. Mittlerweile vertrat Westwood eine jugendliche und farbenfrohe Li-nie. Nachdem sie 1986 nach London zurückkehrte und Konkurs ange-meldet hatte, eröffnete sie mit Hilfe ihres Sohnes Joseph und ihrer Mut-ter ein anderes Modeunternehmen. 1989 folgte Westwood einem Ruf als Professorin für Mode an die Wiener Hochschule für angewandte Kunst. Dabei machte sie die Bekanntschaft

des weitaus jüngeren Andreas Kronthaler, den sie 1992 heiratete. Mit

der Zeit gewann West-wood auch international

die gewünschte Anerkennung als Modedesignerin.

Internationale Preise zeichnen ihr erfolgreiches Schaffen aus. So erhielt sie beispielsweise in den Jahren 1991 und 1992 den

Preis „British Designer of the Year“. Ebenso 1992 nahm Westwood als Professorin für Mode eine Lehrtätig-keit an der Hochschule für Künste in Berlin an. Im Jahr darauf kam ihre erste Duftlinie auf dem Markt. Ihre Kollektionen werden international vertrieben. Besonders in Japan stell-te sich ein großer Erfolg ein.

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Kurz notiert – Wissenswertes über Vivienne Westwood

Sie gilt als Initiatorin der Punkrock-Mode.1970 eröffnete ihre erste Boutique in London.

Westwood entwarf die Sado-Maso-Monturen für die Musiker der „Sex Pistols“

1996 präsentierte sie ihre erste rei-nen Männerkollektion in Mailand.

1997 wurde die britische Modedesi-gnerin mit dem Preis für hervorra-gende Exportleistungen ausgezeich-net.

Im Juni 2004 wurde Vivienne Westwood im Rahmen des „World Woman´s Award“ in Hamburg von Michail Gorbatschow mit dem „World Fashion Award“ ausgezeich-net. Von Prinz Charles wurde ihr im Juni 2006 der Titel „Dame Com-mander of the Order of the British Empire“ (DBE) verliehen.

Westwood schneiderte das Hoch-zeitskleid für Dita von Teese, welches sie bei ihrer Trauung mit Rock-Sän-ger Marilyn Manson trug.

Sie besitzt mittlerweile die Rechte an einem eigenen Schottenmuster – das „Mac Andreas“.

Vivienne Westwood entwarf früher nur Kleidung für „Teds“.

Westwood ist eine ausgebildete Lehrerin.

Vivienne Westwood trug den Spitz-namen „Queen of Punk“.

Oben links ein Bild von der Präsentation ihres „Red-Labels“ im Frühjahr 2009. Auffällig ist das verwendete Karomuster. Rechts oben Schuhe im typischen Style von Westwood. Besonders markant: die punkigen „Stacheln“, die die Schuhe umsäumen. Die zwei Fotos ganz unten zeigen ebenfalls zwei Modelle aus der aktuellen „Red-Label“-Kollektion. Die beiden Fotos in der Mitte zeigen Kleider aus der neuen Kollektion von Frühjahr/Sommer 2011.

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“Mode ist vergänglich. Stil niemals.“ Zugaben zu Coco Chanel

Coco Chanel zitiert„Willenskraft ist der Moment, sich an das zu erinnern, was man sich fest vor-

genommen hat.“

„Die Frauen müssen wieder lernen, die Männer auf das neugierig zu machen, was sie schon kennen.“

„Ich bereue nichts in meinem Leben – außer dem, was ich nicht getan habe.“

„Ich bin gegen eine Mode, die nicht dauert. Die Frauen wollen Abwechslung, doch das ist ein Fehler. Ich bin für das Glück, und das ergibt sich nicht aus der

Abwechslung.“

Karl Lagerfeld mit einigen Models bei einer Modenshow von ChanelEr bewahrt bis heute das Erbe von Coco Chanel: Karl Lagerfeld ist seit 1983 Chefdesigner des Modehauses und mit seinen Chanel-Kollektionen überaus erfolgreich.

Drei Stimmen zu Coco Chanel

Einzigartig klassischCoco Chanel hat im Grunde die Sportbekleidung für Frauen erfun-den – und die Mode demokratisiert, in dem sie andere ihren Stil kopieren ließ. Dazu hat sie Modeschmuck zu einer akzeptierten, vielleicht gar reiz-volleren Alternative zu echten Juwe-len erklärt. Ihr Stil war klassisch und einzigartig, bis heute die Essenz vom

Pariser Chic.ANN-SOFIE JOHANSSON

Johansson, geboren 1963 im schwedischen Ronneby, ist seit 2008 Chefdesignerin des Mo-

deunternehmens H&M.

“In order to be irreplaceable one must always be different“

Was mich persönlich an Coco Cha-nel fasziniert? Dass man nur Neues schaffen kann, wenn man unbeirrt von den Launen und Meinungen der

Allgemeinheit seinen Weg geht und für seine Sache brennt. In dem Sinne gilt nach wie vor Coco Chanels be-rühmtes Zitat: „In order to be irrepla-ceable one must always be different.“

Davor ziehe ich meinen Hut!FIONA BENNETT

Bennett, geboren 1966 in Brighton, lebt seit 1972 in Berlin und ist heute die wohl wichtigste Hutdesignerin Deutschlands. Ihre Schöpfungen finden sich auf Köpfen wie dem von Christina Aguilera und Roger Cicero (www.fionabennett.

com).

Das Praktische mit dem Luxuriösen mischen

Coco Chanel kam aus dem Nichts und wurde die Größte, schon des-wegen bewundere ich sie. Für mich als Modemacherin hat sie einen unvergleichlichen Einfluss. Denn obwohl die Marke heute als reines Luxusobjekt gilt, ging es ihr selbst immer darum, das Praktische mit dem Luxuriösen zu mischen. Ist doch so: Wenn eine Hose nicht sitzt, dann möchte ich die nicht haben, egal wie

schön sie ist. Statt einem Zeitgeist hinterherzujagen, hat sie immer das gemacht, was sie für richtig hielt. So mutig ist doch heute in der Mode kaum jemand mehr. Vor allem aber hat Coco Chanel unsere Vorstellung von einer unabhängigen Frau ge-prägt: Sie war immer emanzipiert, authentisch und ein bisschen rebel-lisch. Die Botschaft ihrer Mode war auch ihre persönliche: Ich will mich nicht in eine Korsage quetschen, ich

will frei sein.LEYLA PIEDAYESH

Piedayesh, 1970 in Teheran geboren, leitet das Modelabel Lala Berlin. Sie ist besonders für ihre Vorliebe für Gestricktes bekannt und präsentier-te vor kurzem ihre neue Kollektion auf der Berli-

ner Fashion Week (www.lalaberlin.com).


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