architheseMiller & Maranta Wohnhaus Schwarzpark, Basel
Bosshard Vaquer Aufbahrungshalle, Zürich
Bernard Tschumi Manufaktur, Plan-les-Ouates
Buchner Bründler Einfamilienhaus, Aesch
Herzog & de Meuron Fórum Barcelona 2004
EM2N Quartierzentrum Aussersihl, Zürich
Mario Botta Umbau Teatro alla Scala, Mailand
sabarchitekten Orientierungsschule, La Tour-de-Trême
agps architecture Apartmenthäuser Hohenbühl, Zürich
Peter Märkli Schulhaus im Birch, Zürich
Staufer & Hasler Kantonsschule, Wil
Gigon/Guyer Bauten für Kunst, Mouans-Sartoux/Wichtrach
Beat Rothen Wohnbau Neumühle Töss, Winterthur
Andrea Roost Kehrichtverbrennungsanlage, Thun
Burkhalter Sumi Seniorenresidenz Multengut, Muri
Daniele Marques Werkhof, Münsterlingen
Baumschlager & Eberle Hochhaus, Zürich
Scheitlin Syfrig, Stefan Zwicky Reitgebäude CSCC, Horgen
1.2005
Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur
Revue thématique d’architecture
Swiss Performance 05
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2 archithese 1.2005
E D I T O R I A L
Swiss Performance 05
Es ist nun schon das fünfte Mal, dass wir unter dem Titel Swiss Performance einen
Rückblick auf das Schweizer Baugeschehen des Vorjahres vorlegen. Wie in den ver-
gangenen Jahren präsentieren wir erneut eine Auswahl von Bauten, die als ge-
lungen, spektakulär oder diskussionswürdig einzustufen sind. Objektivität wird
dabei nicht beansprucht; und der eine oder die andere mag die Auswahl für
lückenhaft oder falsch halten. Das ist das Wesen von Auswahlen: Sie sind nicht
objektivierbar, und es sind Ausschnitte aus einer Gesamtheit, welche auch andere
Zusammenstellungen erlaubte. Überdies hat einiges, was es ebenfalls vorzustellen
gäbe, schon Eingang in die vorangegangenen Hefte gefunden.
Auch in diesem Jahr wurde zugunsten einer möglichst grossen Auswahl die für
archithese typische Trennung in Themen- und Rubrikenteil weitgehend aufgeho-
ben. Und wie erstmals im vergangenen Jahr ergänzen wir unsere Auswahl durch
die Rubrik swiss unlimited, in der experimentelle Bauten und Projekte zu finden
sind, die in eine neue Richtung weisen könnten.
Ein Kompendium, das die bisherigen Ausgaben von Swiss Performance vereint
und durch weitere Beiträge ergänzt wird, ist in Vorbereitung und soll innerhalb des
laufenden Jahres im Verlag Niggli AG erscheinen.
Natürlich findet sich der übliche Aufbau der archithese in den kommenden Hef-
ten wieder: Heft 2 widmet sich dem Thema Brush up, Umbau, Rekonstruktion, Heft
3 dem Bauen in den Bergen. Heft 4 thematisiert Trash, und Heft 5 stellt die Frage
«Was ist Schönheit?».
Ein Rückblick auf das vergangene Jahr sollte auch die begleitenden Aktivitäten
von archithese nicht unerwähnt lassen: Im Rahmen des Designer’s Saturday am
6. und 7. November in Langenthal beteiligte sich archithese an dem Gemein-
schaftsstand von Denz, der – von Stefan Zwicky entworfen – unter dem Thema
Denz Winery stand. Und am 20. November veranstalteten wir – gemeinsam mit der
Architekturgalerie Luzern und unterstützt vom British Council Switerland – be-
gleitend zum Launch des gleichnamigen Heftes 5.2004 ein Symposium im KKL
Luzern unter dem Titel News from London. Zu Vorträgen eingeladen waren die
Architekten David Adjaye und Stephen Bates, der Architekturkritiker Ellis Wood-
man sowie CABE-Mitglied Peter Stewart.
Und schliesslich: Seit Ende 2004 ist die neue Website aktiv: www.archithese.ch
Redaktion
Teilnehmer desSymposiums Newsfrom London vordem KKL LuzernVon links nachrechts: Ellis Wood-man, HubertusAdam, StephenBates, David Adjaye,Peter Stewart(Foto: Toni Häfliger)
002-005_Editorial.qxp 26.1.2005 10:27 Uhr Seite 2
6 archithese 1.2005
Text: Judit Solt
Ähnlich wie Zürich sieht sich auch Basel mit dem Problem
konfrontiert, dass Städterinnen und Städter mit hohem Ein-
kommen – und entsprechender Steuerkraft – mangels geeig-
neter Wohnungen ins Umland abwandern: Über zwei Drittel
aller Basler Wohnungen weisen lediglich drei oder weniger
Zimmer auf, der Leerstand bei grösseren Wohneinheiten ist
praktisch null. Um diesen Missstand zu beheben, hat die Bas-
ler Regierung vor drei Jahren das Projekt Logis Bâle lanciert
mit dem Ziel, innerhalb von zehn Jahren den Bau von 5000
neuen Wohnungen zu ermöglichen. Das im Herbst vollendete
Wohnhaus Schwarzpark von Miller & Maranta gehört zu
den ersten realisierten Bauten und zeugt eindrücklich von
der Qualität, die gehobenes städtisches Wohnen erreichen
kann.
Mit ihrem Entwurf knüpften die Architekten bewusst an
die Tradition des modernen gehobenen Wohnungsbaus an.
Von entscheidender Bedeutung war die Auseinandersetzung
mit dem Werk von Otto Senn, dessen Parkhaus Zossen
(1934 –1935) an der St. Alban-Anlage in Basel wie Le Corbu-
siers Immeuble Clarté in Genf (1930 –1932) zu den wichtigs-
ten Beispielen des städtischen Wohnungsbaus der Dreissi-
gerjahre zählt. Dennoch handelt es sich beim Entwurf von
Miller & Maranta keineswegs um eine schüchterne Anleh-
nung an die Arbeit von Senn, sondern um eine kraftvoll zeit-
genössische, sehr eigenständige Interpretation jener The-
men, die auch Senn seinerzeit aufgegriffen hatte.
Im Park gewachsen
Der um 1860 angelegte Schwarzpark, seit 1991 als Folge
eines Volksentscheids als Grünzone eingestuft und seit 1996
im Besitz des Kantons Basel-Stadt, darf grundsätzlich nicht
überbaut werden. Von dieser Regelung ausgenommen sind
zwei Randparzellen. Auf der einen entstand 2002 eine Al-
terssiedlung, auf der zweiten – ganz im südlichen Spickel des
Parks – das Wohnhaus Schwarzpark. Umgeben von prächti-
gen alten Bäumen, scheint der Neubau selbst aus dem Boden
heraus zu wachsen. «Astwerk» nannten die Architekten das
Projekt, mit dem sie 2001 den Gesamtleistungswettbewerb
für die Überbauung des Areals gewannen: Die in Zusam-
menarbeit mit dem Churer Ingenieur Jörg Conzett entwi-
ckelte Betonstruktur der Fassade spannt ein luftiges Volumen
auf wie Äste eine Baumkrone. Die Fassaden werden ganz
durch die Tragkonstruktion und durch die raumhohen Öff-
nungen der Fenster und Veranden bestimmt; tagsüber spie-
gelt sich der Park in den Verglasungen, nachts leuchtet der
Bau wie eine Laterne. Die Wirkung des regelmässigen Trag-
werks wird durch die zweifach abgewinkelte Form des läng-
lichen Baukörpers kontrastiert und verstärkt. Doch das Volu-
men ist auch in der Vertikalen abgewinkelt: Im Sockelbereich
zwischen Erdboden und Hochparterre wächst das Gebäude
in die Breite und sitzt umso körperhafter über seiner etwas
schmaleren Basis. Dies und der raue, dunkelbraune Putz der
wenigen geschlossenen Fassadenteile lassen das Haus trotz
seines nüchternen Fensterrasters fast organisch erscheinen
– ein Gebilde zwischen Baum und Pilz, filigran und erdig zu-
1 Ansicht vom Park
006-011_Miller 26.1.2005 10:28 Uhr Seite 6
7
Situation
Grundrisse Erd- undNormgeschoss(Fotos: Ruedi Walti)
Miller & Maranta: Wohnhaus Schwarzpark, 2004 Rau wie ein
urtümliches Waldgewächs, filigran wie eine Baumkrone erhebt
sich das neue Wohnhaus von Miller & Maranta am Rande des histori-
schen Schwarzparks in Basel – ein komplexes, fein durchdachtes
Gebäude und ein brillanter Beitrag zum Thema des gehobenen
städtischen Wohnungsbaus.
MITTEN IN DENBÄUMEN
006-011_Miller 26.1.2005 10:28 Uhr Seite 7
12 archithese 1.2005
Bosshard Vaquer: Umbau der Aufbahrungshalle des Friedhofs Sihlfeld,
Zürich Eine in den Sechzigerjahren purifizierte Aufbahrungshalle musste
den heutigen Anforderungen angepasst werden. Die Architekten unternah-
men einen sensiblen Eingriff, bei dem sich die Technik der historischen
Schablonenmalerei mit heutiger computergenerierter Ornamentik verbindet.
ORNAMENTE ZWISCHEN TRADITIONUND GEGENWART
1
012-015_Bosshard 26.1.2005 10:29 Uhr Seite 12
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Text: Ahmed Sarbutu
Nachdem das Bestattungswesen aufgrund der revidierten
Bundesverfassung von 1874 von der kirchlichen in staatliche
Obhut übergeganen war, übernahm die Stadt Zürich ein Ge-
lände in Wiedikon, das die Pfarrgemeinden Grossmünster,
Fraumünster und Predigern gemeinschaftlich 1873 zur An-
lage eines neuen Friedhofs erworben hatten. Der neue, nun-
mehr konfessionsneutrale Zentralfriedhof – seit 1896 Friedhof
Sihlfeld genannt – wurde 1877 eröffnet. Wie die von Stadt-
baumeister Arnold Geiser errichteten Eingangsbauten an der
Ämtlerstrasse beweisen, wählte man für die Architektur
einen von der Antike inspirierten Baustil, der explizit christ-
licher Konnotationen entbehrte. Tempelartig wirkt auch das
durch den Zürcher Feuerbestattungsverein finanzierte, von
Geiser schon 1877 geplante, aber erst zehn Jahre später rea-
lisierte Krematorium in der Hauptachse der Anlage. War der
Friedhof durch die Hochrechnung von Sterbeziffern auch auf
die Zukunft berechnet, so erforderte doch die Eingemeindung
umliegender Gemeinden 1893 grossflächige Erweiterungen –
die heutigen, von einer öffentlichen Wegachse getrennten
Teile C (1902) und D1 (1915). Die Vergrösserung und über-
dies die wachsende Akzeptanz der Feuerbestattung machten
schliesslich den Bau eines neuen Krematoriums nötig. Mit der
Planung des Friedhofs Sihlfeld D1 wurde der Nachfolger von
Geiser betraut, der in Pforzheim geborene und an der ETH tä-
tige Friedrich Fissler. Im Kontext der Friedhofserweiterung
entwarf dieser auch ein neues Nebengebäude mit Auf-
bahrungshalle, Abdankungskapelle und diversen Nebenräu-
men; das H-förmige Bauwerk entstand im Nordwesten des
neuen Sektors, nahe dem Hauptportal Richtung Albisrieder-
platz.
Für das Äussere wählte Fissler den Stil eines reduzierten
Neoklassizismus; im Inneren überraschte in den für Trau-
ernde zugänglichen Bereichen eine reiche künstlerische Aus-
stattung, unter anderem mit Wandmalereien und Sgrafitti
von Friedrich Appenzeller. Auch funktional war das Gebäude
auf der Höhe seiner Zeit: Besucher- und Dienstbereich waren
streng voneinander getrennt, und die im Inneren der Anlage
befindlichen Aufbahrungskammern wurden mit gekühlter
Luft und – über Glasdecken – mit indirektem Licht versorgt.
Funktionale Anpassungen
Gewandelter Zeitgeschmack führte indes dazu, dass der Bau
im Inneren, von der Kapelle abgesehen, seinen Charakter ver-
lor. Die Dekorationsschemata der Wände wurden mit Disper-
sionsfarbe überstrichen, die Bänke und Vasen im Besucher-
gang entfernt.
2001 entschied man sich für eine grundlegende Renovie-
rung des Gebäudes. Eigentlicher Anlass dafür war die
Situation in den Aufbahrungskammern. Einerseits waren die
zellenartigen Grundrisse zu klein für den Besuch mehrerer
Personen, andererseits war ein längerer Aufenthalt von Ver-
wandten und Freunden bei den Toten aufgrund des zur Bau-
zeit fortschrittlichen Kühlungssystems nicht möglich. In
einem Wettbewerb konnte sich das Architekturbüro Boss-
hard Vaquer mit seinem Konzept einer sensiblen Restruktu-
1 Benutzergang imWestflügel vor denAufbahrungskam-mernDas Dekorationssys-tem konnte frei-gelegt und wieder-hergestellt werden,die Bankeinbautenund Vasen sind freieInterpretationen derArchitekten (Fotos: HélèneBinet)
2 Aufbahrungs-kammerDas Dekorations-schema wurde ausdem Palmettenfriesder Gebälkzonegeneriert
3 Gang im Mittel-traktWölbungen undFarbfassungenwurden von denArchitekten entwi-ckelt, um dieeinzelnen Innen-räume zusammen-zubinden
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3
012-015_Bosshard 26.1.2005 10:29 Uhr Seite 13
30 archithese 1.2005
BUNTES LEBEN AN DER STADTLICHTUNG
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030-033_Muschg 26.1.2005 10:41 Uhr Seite 30
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1 Situation
2 AussenansichtDämmerung(Fotos: HannesHenz)
3 Aktionsraum im1. Obergeschoss
EM2N: Quartierzentrum Aussersihl, Zürich
Eine lange Geschichte sozialer Not, eine Verkettung
von Unglücksfällen und ein politischer Schlag-
abtausch haben zum Bau des Quartierzentrums
Aussersihl in seiner heutigen Form geführt.
Das sehr gelungene Gebäude von EM2N stösst bei
der Quartierbevölkerung auf grossen Anklang.
Text: Benjamin Muschg
Eine grüne Wand, die den Rücken frei hält vom Lärm und von
der Hektik der Stadt – ringsherum Bäume, die ihre Äste zärt-
lich um einen legen – über dem Kopf eine schützende grüne
Decke: Im Restaurant B im Erdgeschoss des neuen Quartier-
zentrums von Zürich Aussersihl fühlt man sich das ganze
Jahr wie auf einer Parkbank. Mit dem im Oktober eröffneten
Neubau hat das Zürcher Büro EM2N einen gelungenen Bei-
trag zur Aufwertung der Bäckeranlage geleistet, die seit 1955
amtlich Aussersihler-Anlage heisst und nun im Begriff ist, zu
jener urbanen Oase des Langstrassenquartiers zu werden,
die sie ursprünglich hätte sein sollen, aber in ihrer über 100-
jährigen Geschichte kaum je war.
Der Stadtpark als Problemzone
Der Quartierübername «Chreis Cheib» verrät, dass Zürich in
Aussersihl traditionell seinen «menschlichen Ausschuss»
entsorgte. Im 12. Jahrhundert wurden die Aussätzigen der
Stadt ins «Siechenhaus» St. Jakob an der Sihlbrücke abge-
schoben, in der «Cheibengrube» wurden Tierkadaver und
die Leichname der Gehenkten begraben. Mit der Industriali-
sierung setzte Mitte des 19. Jahrhunderts in Aussersihl ein
Baumboom ein, der das Ackerland vor den Toren der Stadt
innerhalb von 50 Jahren zur zehntgrössten Schweizer Stadt
anwachsen liess. Aussersihl wurde zur Heimat der Arbeiter-2
3
030-033_Muschg 26.1.2005 15:46 Uhr Seite 31
48 archithese 1.2005
Peter Märkli: Schulhaus im Birch, Zürich-Oerlikon Der neue Schulkomplex in Oerlikon setzt aufgrund
einer neuartigen Raumorganisation Massstäbe. In einer vormals industriell geprägen Umgebung operiert der
Architekt, nicht zuletzt aus produktionstechnischen Gegebenheiten, mit rauen Materialien, denen er eine
eigene, beiläufige Poesie zu entlocken vermag.
gleichsam eine «Verbotene Stadt». Dann erfolgte der Auf-
bruch: Auf Basis eines 1992 veranstalteten internationalen
Ideenwettbewerbs, aus dem das Zürcher Büro Ruoss/Si-
ress/Schrader als Sieger hervorging, wurde das einst indust-
riell genutzte, im Besitz der ABB als Nachfolgerin der MFO,
aber auch weiterer Firmen sowie der Stadt und des Kantons
befindliche Terrain nördlich des Bahnhofs Oerlikon einer
neuen Nutzung zugeführt. 1996 fand das Planungsleitbild die
Bewilligung offizieller Stellen: Auf dem früheren Industrie-
gelände sollen Wohnungen für 5000 Einwohner sowie 12 000
Arbeitsplätze entstehen. In architektonischer Hinsicht wurde
eine Orientierung an der grossflächigen Volumetrie der frü-
heren Hallenbauten festgeschrieben; eine ebenfalls denk-
bare Hochhausbebauung stiess damit ebenso auf Ablehnung
wie eine kleinteiligere Strukturierung. Ob in Baden oder Oer-
likon, ob in Winterthur oder Zürich-West: Mit der Revitalisie-
rung von Industriearealen schien in den Neunzigerjahren die
Zeit des grossen Massstabs angebrochen, endlich.
Inzwischen sind weite Teile des Planungsgebiet Neu-Oer-
likon fertig gestellt, doch nach der frühen Euphorie macht
sich Ernüchterung breit. Das Quartier wirkt nicht eben le-
bendig, dafür mag man funktionale ebenso wie ästhetische
Gründe anführen. Ohne Zweifel war es ein Fehler, die Alt-
bausubstanz beim zentralen Quartier nördlich der Binzmüh-
lestrasse vollständig zu entfernen. Ausserdem ist eine Nut-
zungsmischung nicht gegeben – Geschäfte oder Gaststätten
sucht man vergeblich. Und schliesslich zeigt sich, dass in vie-
len Bauten der Umgang mit dem grossen Massstab nicht zu
überzeugenden Resultaten geführt hat. Gross zu bauen, mit
Rauheit umzugehen, das hat in der Schweiz keine Tradition.
Poesie und Prosa
Dass es auch anders geht, zeigt der Schulkomplex von Peter
Märkli. Als mit der Planung der Gebäudegruppe begonnen
wurde, war von den benachbarten Bebauungen wenig mehr
Text: Hubertus Adam
Wie kaum ein anderer Bereich der Architektur hat der Schul-
bau Schweizer Architekten in den vergangenen Jahren mit
Aufträgen versorgt. Entstanden sind durchaus Inkunabeln
zeitgenössischen Bauschaffens, doch betrachtet man die
Grundrisse, so zeigt sich gemeinhin wenig an Innovation.
Verglichen mit reformerischen Konzepten, die beispielsweise
Alfred Roth 1950 in seiner Publikation Das neue Schulhaus
veröffentlichte, wirken viele gegenwärtige Neubauten brav
und bieder. Zu den wenigen Beispielen, die zeigen, dass Ar-
chitekten sich auch mit Fragen der Pädagogik auseinander
setzen und der Kultusbürokratie voraus sein können, zählt
das neue Schulhaus im Birch in Zürich-Oerlikon. Für das neue
Prinzip des Co-Teachings, bei dem mehrere Klassen und Leh-
rer eine Art von Kleinschule innerhalb eines grösseren Schul-
kosmos bilden, hat Peter Märkli eine spezielle Grundrisslö-
sung entwickelt: Ein Verbund aus einem Gemeinschaftsraum
und drei angelagerten Räumen bildet das Grundelement, das
nunmehr verschiedene Nutzungen ermöglicht. Nach der Ab-
schaffung des klassischen Frontalunterrichts zugunsten von
Gruppen- und Teamkonzepten ist hier eine adäquate, für di-
verse Unterrichtsmodelle adaptierbare Struktur gefunden
worden. Die Wände zwischen den Räumen bestehen aus
Glas; bei Bedarf können Vorhänge zur visuellen Trennung
eingesetzt werden. Inzwischen, so zeigen die Erfahrungen in
der Praxis, wird längst nicht mehr strikt zwischen Unter-
richts- und Freizeitzone getrennt; was heute hier geschieht,
findet dort morgen seinen neuen Ort. Raum aneignen, mit
Raum ungehen, auch das kann ein pädagogisches Ziel sein.
Transformation eines Stadtteils
Für 700 Schüler ist der Komplex im Norden von Oerlikon aus-
gelegt, einem neuen Stadtteil von Zürich. Bis in die Acht-
zigerjahre hinein war das Terrain der hauptsächlich im
Rüstungssektor tätigen Maschinenfabrik Oerlikon (MFO)
KONTROLLIERTE ZUFÄLLIGKEIT
1 Clusterkonzept:Gemeinschaftsraummit Klassenzimmern(Fotos: 1, 5–9:Walter Mair)
048-053_Märkli 26.1.2005 10:45 Uhr Seite 48
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58 archithese 1.2005
Gigon/Guyer: Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux/Galerie-Depot, Wichtrach
Gigon/Guyer gelten seit dem Kirchner-Museum Davos als Protagonisten des zeitgenössischen
Museumsbaus. Nahe der Côte d’Azur haben sie nun einen Neubau für die von Gottfried
Honegger und Sybil Albers zusammengetragene Sammlung konkreter Kunst errichtet, in Wicht-
rach bei Bern ein Depot für eine Galerie.
TURM UND SCHEUNE
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058-063_Guyer 26.1.2005 10:47 Uhr Seite 58
59
Text: Hubertus Adam
Am Ende des Rundgangs, der nicht eigentlich ein Rundgang
ist, sondern ein kontinuierliches Sich-Aufwärtsbewegen
durch 15 Ausstellungsräume und über sechs Ebenen, findet
sich in einer Vitrine das einzige Objekt, das nicht eigentlich
ein Kunstwerk ist: ein Pyritkristall, versehen mit der Bei-
schrift «L’univers est écrit en langage mathématique». Dass
sich in der reinen Form mehr offenbart als die ideale Geomet-
rie, ist das Credo jener Kunstrichtung, für die Theo van Does-
burg 1930 den Begriff «Art concret» geprägt hat. Nichts sei
konkreter, nichts wirklicher als eine Linie, eine Farbe, eine
Fläche, und basierend auf den heroischen Kunstströmungen
des beginnenden 20. Jahrhunderts, dem Suprematismus
Malewitschs ebenso wie dem niederländischen De Stijl, pos-
tulierte van Doesburg eine universelle Sprache als Grundlage
einer neuen Kultur. In der Schweiz können Max Bill und Ri-
chard Paul Lohse als Protagonisten gelten, doch so sehr die
Konkrete Kunst auch den Humus der Schweizer Kunst nach
1945 bildete, so sehr sollten Differenzen an die Stelle von Ge-
meinsamkeiten treten. Der Streit um die Interpretationsho-
heit geriet zu Diadochenkämpfen, und die Intention des 1917
geborenen Künstlers Gottfried Honegger, seine eigene
Sammlung konkreter Kunst zu einem umfassenden Stif-
tungsmuseum auszubauen, scheiterte am Widerstand der
Berufskollegen oder ihrer Erben.
Daher präsentiert Honegger, der mit seinen seit 1960 ent-
standenen Tableau-reliefs zur zweiten Generation der
Schweizer Konkreten zählt, die gemeinsam mit Sybil Albers-
Barrier aufgebaute Kollektion seit 1990 in seiner südfranzösi-
schen Wahlheimat. Domizil des Espace de l’Art Concret ist
das Schloss des zehn Kilometer nördlich von Cannes gelege-
nen Städtchens Mouans-Sartoux. Das im Kern aus dem be-
ginnenden 16. Jahrhundert stammende Château war mitsamt
seinem Park kurz zuvor von der Gemeinde erworben worden
und schien mit seiner ungewöhnlich dreieckigen Form und
den kreisrunden Ecktürmen wie geschaffen für die geometri-
schen Werke der Konkreten.
Architektur und Natur
Indes erwiesen sich die Räumlichkeiten auf Dauer als zu
klein, und nachdem durch den in der Region ansässigen Marc
Bariani 1998 ein Atelier pédagogique errichtet worden war,
konnte für die Sammlung ein Neubau der Zürcher Architekten
Gigon/Guyer eingeweiht werden, Resultat eines zweistufi-
gen Architekturwettbewerbs. Möglich geworden war das
Projekt, weil Honegger und Albers-Barrier ihre Kollektion als
Donation Albers-Honegger im Jahr 2000 an den französi-
schen Staat übertragen hatten und dieser dafür im Gegenzug
den Neubau finanzierte.
Es handelt sich um ein vertikales Museum in Form eines
fünfgeschossigen Turms, der nordwestlich des Schlosses so
am Hang platziert wurde, dass er vom Parkplatz im Tal aus
gesehen schier unendlich zwischen den Bäumen aufragt,
während das Volumen vom Park aus moderat wirkt, die
Dimensionen einer grösseren Villa nicht zu sprengen
scheint und die Traufhöhe der Schlosstürme respektiert.
Gigon/Guyer konzipierten einen Sichtbetonkörper, der gelb-
grün gestrichen wurde; die Faktur der Pinselstriche lässt sich
aus der Nähe erkennen. Auf selbstverständliche Weise har-
moniert die Farbe mit der umgebenden mediterranen Vege-
tation, bleibt dabei aber erkennbar artifiziell. Immer wieder
haben sich Gigon/Guyer mit der Interferenz von Architektur
und Natur beschäftigt: Beim Kirchner-Museum verwendeten
B
A
C
D
1 Ansicht vomHangfuss aus (Fotos 1+2, 11+12:Serge De mailly)
2 Situation obererEingang
3 Situationsplan(ohne Massstab)A Château deMouansB Donation Albers-HoneggerC Ateliers Pédago-giquesD Préau des Enfants
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