Upload
others
View
2
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
ZUM UMGANG MIT OFF-LABEL-USE IN DER PALLIATIVMEDIZIN
Herausgeber>>ConstanzeRémiMScundProf.Dr.ClaudiaBauseweinPhDMSc, ArzneimittelinformationPalliativmedizin,KlinikundPoliklinik fürPalliativmedizin,KlinikumderUniversitätMünchen>>DeutscheGesellschaftfürPalliativmedizine.V.
33
Vorwort der Herausgeber
Definition und Begriffe
Arzneimitteltherapie
Rechtliche Rahmenbedingungen
Risiken Off-Label-Use
Chancen Off-Label-Use
Off-Label-Use in der Palliativmedizin
Empfehlungen für die Praxis
Ausblick
Links und Literatur
Orientierungshilfe für die Praxis
>> INHALT
4
5
6
7
12
13
14
18
19
20
21
HERAUSGEBER
Constanze Rémi & Prof. Dr. Claudia BauseweinArzneimittelinformation Palliativmedizin und Zentralstelle Off-Label-UseKlinik und Poliklinik für PalliativmedizinKlinikum der Universität MünchenMarchioninistraße 1581377 MünchenT 089 / [email protected] www.arzneimittel-palliativ.de
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V.Aachener Straße 510713 BerlinT 030 / 30 10 100 [email protected]
AusGründenderbesserenLesbarkeitwirdindieserBroschüreaufdiegleichzeitige
VerwendungmännlicherundweiblicherSprachformenverzichtet.
4 5>> VORWORT DER HERAUSGEBER
DasZielderpalliativmedizinischenBetreuungistdieVerbesserungderLebensqualitätbeiPatientenmitfort-geschrittenenErkrankungen.BeiderBehandlungderkörper-lichenSymptomespieltdiemedikamentöseTherapieeineherausragendeRolle.InderPalliativmedizinwerdenbiszueinemViertelallerverschriebenenzugelassenenArznei-mittelfürnichtzugelasseneIndikationenund/oderübereinenichtzugelasseneArtderAnwendungverwendet.
Off-Label-UsefindettäglichimklinischenAlltagstatt.GleichzeitigsindvieleAspektedesOff-Label-Usenichtbe-kanntoderesbestehenUnsicherheiten,wanndieAn-wendunginnerhalbderZulassung(On-Label-Use)aufhörtundwannOff-Label-Usebeginnt.Außerdemsindmögliche,auchrechtlicheKonsequenzenvonOff-Label-Usenichtimmerbekannt.
ZieldieserBroschüreistdieAufklärungüberChancenundRisikenvonOff-Label-UseinderPalliativmedizin.SierichtetsichvorallemanFachpersonal,dasanderVersorgungvonerwachsenenPalliativpatientenbeteiligtist.SiesollüberdenOff-Label-UseinderPalliativmedizininformierenundalsHilfestellungbeiderDiskussionderKostenübernahmeinderhausärztlichenVersorgungdienen.
InformationenfürPatientenundAngehörigewerdeninKürzeaufwww.arzneimittel-palliativ.dezufindensein.
Die Herausgeber
>> DEfINITION UND BEGRIffE
UnterOff-Label-UseverstehtmandieAnwendungeineszugelassenenFertigarzneimittelsaußerhalbdesinderZulassungbeantragtenunddervondennationalenodereuropäischenZulassungsbehördengeprüftenundgeneh-migtenAnwendungsgebiete(Indikationen).(BundesinstitutfürArzneimittelundMedizinprodukteBfArM)
Allgemeinwerdenunter„Off-Label-Use“alleAbweichungenvonderZulassungdesArzneimittelsverstanden,beispiels-weisehinsichtlichIndikation,Applikationsweg(inkl.Zermör-sernfürdieSondengabe),Dosierungsintervall,Behandlungs-dauerundBegleiterkrankungen.
DerEinsatzvonnichtzulassungspflichtigenArzneimitteln,z.B.Rezepturen,zähltnichtalsOff-Label-Use,wirdaberhin-sichtlichderFragenderKostenübernahmedurchdieGesetz-licheKrankenversicherung(GKV)vergleichbarbehandelt.
Begriffsbestimmung
Compassionate Use Kostenlose (= vom pharmazeutischen Unter-nehmer zur Verfügung gestellt) Versorgung des Patienten mit Arzneimitteln, die noch nicht zugelassen sind (im Rahmen eines Härtefallprogrammes). Voraussetzung ist eine schwere oder lebensbedrohliche Erkran-kung, die mit zugelassenen Arzneimitteln nicht ausreichend behandelt werden kann.
Art der Anwendung Erklärung
Off-Label-Use Die Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels außerhalb der Zulassung
Individueller Heilversuch Anwendung im Einzelfall; das Medikament ist entweder noch nicht zugelassen oder für ein anderes Einsatzgebiet zugelassen.
Unlicensed use Verwendung (noch) nicht zugelassener Arzneimittel
76 >> ARzNEImITTELTHERApIE
UnabhängigvomZulassungsstatusdereingesetztenArzneimittelgeltenfürjedeTherapiediefolgendenPunkte:
>> REcHTLIcHE RAHmENBEDINGUNGEN
AußerhalbderZulassungdürfenArzneimittelimambulantenBereichgrundsätzlichnichtzuLastendergesetzlichenKrankenversicherung(GKV)angewendetwerden.Allerdingssindin§§2Abs1a,35cSGBVengeAusnahmeregelungengeschaffenworden.DieRechtsprechunghatzudemweitereAusnahmenfürdieAnwendungvonMedikamentenimOff-Label-Useentwickelt.DieHaftungliegtsowohlimambu-lantenalsauchimstationärenBereichbeimverordnendenArztundnichtbeimpharmazeutischenUnternehmen.
KostenStationärer Bereich HinsichtlichderKostendürfenArzneimittelimstationärenBereichaußerhalbderZulassungeingesetztwerden,außerderGemeinsameBundesausschuss(G-BA)hatsichexplizitgegendieVerwendungausgesprochen(Arzneimittel-RichtlinieAnlageVITeilB).
Ambulanter Bereich EineVerordnungzuLastenderGKVistimambulantenBereichfürbestimmteFallgruppenmöglich.GesetzlichgeregeltsinddabeidieFallgruppendes§35cAbs.1SGBV(inVerbindungmitArzneimittelrichtlinieAnlageVI–Off-Label-Use)sowiedieaufdemsogenannten„Nikolaus“-BeschlussdesBundesverfassungsgerichtsberuhendeFallgruppedes§2Abs1aSGBV.DieVoraussetzungendafürsindunterschiedlich.
DieaufBasisderEmpfehlungeneinerExpertengruppenach§35cAbs1SGBVvomG-BAformulierteAnlageVI(VerordnungsfähigkeitvonzugelassenenArzneimittelninnichtzugelassenenAnwendungsgebieten)zurArzneimittel-richtliniebeschreibtaufderzeit26PositionenArzneimittel,dieunterBeachtungderdazugegebenenHinweiseinnichtzugelassenenAnwendungsgebietenverordnungsfähigsind.
Patienten individuelle Therapieentscheidung
Jede Behandlung muss abgestimmt sein auf die Symptomatik des Patienten, seine Wünsche und Vorstellungen, aber auch auf Faktoren wie Alter, Organfunktion und Komorbiditäten.
Überwachung der Therapie
Jede Therapie muss in angemessenen Zeitabständen regelmäßig evaluiert werden auf: Wirksamkeit, Verträglichkeit, Indikation.
Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts
Neuen Erkenntnissen zu alten und neuen Therapien sollte Beachtung geschenkt werden. Die Begründung „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist für eine Therapieentscheidung unzureichend!
98
PalliativmedizinischrelevanteTherapiensindhierbislangnichtbeinhaltet.
In§2Abs1aSGBVwirddagegendieMöglichkeitderVerordnungvonzugelassenenMedikamentenimOff-Label-Use,aberauchvonnichtzugelassenenundRezeptur-ArzneimittelnunterbestimmtenBedingungengeregelt.
Vorausgesetztwird,dass1. einelebensbedrohlicheoderregelmäßigtödliche Erkrankungodereinezumindestwertungsmäßig vergleichbareErkrankungvorliegt;2.keineBehandlungsalternativenzurVerfügungstehen;3.einenichtganzentferntliegendeAussichtaufHeilung oderaufeinespürbarepositiveEinwirkungaufden Krankheitsverlaufbesteht.
AndereAnforderungenhatdiehöchstrichterlicheRecht-sprechungfürdieVerordnungvonzugelassenenMedika-mentenimOff-Label-Use,aberauchvonnichtzugelassenenArzneimittelnunterbestimmtenBedingungenentwickelt.
Hierwirdvorausgesetzt,dass1. eineschwerwiegendeErkrankungvorliegt;2.keineanderenTherapienzurVerfügungstehen;3.aufgrundderDatenlagediebegründeteAussichtbesteht, dassmitdembetreffendenPräparateinBehandlungs- erfolg(kurativoderpalliativ)erzieltwerdenkann.DamitLetzteresangenommenwerdenkann,müssenFor-schungsergebnissevorliegen,dieerwartenlassen,dassdasArzneimittelfürdiebetreffendeIndikationzugelassenwerdenkann.Davonkannausgegangenwerden,wennentwederdieErweiterungderZulassungbereitsbeantragtistunddieErgebnisseeinerkontrolliertenklinischenPrüfungder
PhaseIII(gegenüberStandardoderPlacebo)veröffentlichtsind,undeineklinischrelevanteWirksamkeitrespektiveeinenklinischrelevantenNutzenbeivertretbarenRisikenbelegen.OdereswurdenaußerhalbeinesZulassungsverfahrensgewonneneErkenntnisseveröffentlicht,dieüberQualitätundWirksamkeitdesArzneimittelsindemneuenAnwen-dungsgebietzuverlässige,wissenschaftlichnachprüfbareAussagenzulassenundaufGrunddererindeneinschlägigenFachkreisenKonsensübereinenvoraussichtlichenNutzenimvorgenanntenSinnebesteht.
WirddieKostenübernahmedurchdieGKVangestrebt,solltenderVersicherteoderderbehandelndeLeistungserbringerbeiderKrankenkassevorabeinenAntragaufKostenübernahmestellen.DieKrankenkasseerteiltdannvorBeginnderBehand-lungeineKostenübernahmeerklärung,wennVersicherteoderbehandelndeLeistungserbringerdiesbeantragenunddieVoraussetzungenunterdenPunkten1bis3erfülltundbelegtsind.MitderKostenübernahmeerklärungwirddieAbrechnungsmöglichkeitderLeistungfestgestellt.GegeneineablehnendeEntscheidungkannggf.auchimEilverfahrenvordemSozialgerichtWidersprucheingelegtwerden.
Probleme in der PraxisInderPraxisdiegrößteBedeutunghatdieFallgruppedes§2Abs1aSGBV.HierwirdvondenKrankenkassen,aberauchingerichtlichenEntscheidungen,eineKostenübernahmedurchdieGKVzumeistausgeschlossen,weilderBegriffder„lebensbedrohlichenErkrankung“engausgelegtwird.
EsmüsseeineakuteNotstandslagebestehen,daswirdaberkaumjemalsangenommen.Wennesausnahmsweise,wieimFallvononkologischenPatientenmitweitfortgeschrittenenErkrankungen,angenommenwird,scheitertdieKosten-übernahmeoftanderAnforderung,dassdieArzneimittel
1110
aufdenVerlaufderErkrankungselbstundnichtlediglichaufdieSymptomeeinwirkenmüssen,einepalliativeWirkungwirdalsonichtalsausreichendangesehen(vgl.BSGvom13.10.2010B6KA48/09R).
ImmerhinistdierechtlicheLagederPatienteninsofernverbessertworden,alsin§13Abs3aSGBVmittlerweilegeregeltist,wielangedieKrankenkassehöchstensZeithat,übereinenAntragaufKostenübernahmezuentscheiden.Wennsie,wasregelmäßiggeschieht,denMedizinischenDienstderKrankenkassen(MDK)heranzieht,beträgtdieFristfünfWochennachAntragseingang.WirddieseFristüberschritten,giltdieLeistungalsgenehmigt.
AußerdemvertretenmittlerweilemehrereSozialgerichteinEilverfahrenzumGebrauchvonMedikamentenimOff-Label-UseunterBerufungaufdieRechtsprechungdesBundesverfassungsgerichtsdiePosition,dassderOff-Label-UseimZweifelzumindestvorläufigvonderKrankenkassegetragenwerdenmuss,wenndieVoraussetzungenfüreinEilverfahrenvorliegenunddiePatientenaufdieMedika-menteangewiesensind,dadieFolgeneinerrechtswidrigenNicht-VerordnungschwererwiegenalsdieFolgeneinermöglicherweiseamEnderechtswidrigenVerordnung.(z.B.LandessozialgerichtBerlin-Brandenburg,Beschlussvom24.November2015–L1KR476/15ER–)
EsliegtimErmessendesArztes,obervorabeinenAntragaufKostenübernahmefüraußerhalbderZulassungeingesetzteArzneimittelstellt.InderPalliativmedizinkommenvielesehrkostengünstigeMedikamentezumEinsatz.HierkannvoneinemgeringenRegressrisikoausgegangenwerden;eskanndaherangesichtsdesgroßenAufwandsggf.aufeinenKostenübernahmeantragverzichtetwerden.
Patientenaufklärung & DokumentationDasinformierteEinverständnisdesPatientenistVoraus-setzungfürdenOff-Label-Use.
WieauchfürjedeandereTherapiehatderbehandelndeArztbeimOff-Label-UsediePflicht,denPatientenüberdieTherapieundauchdarüberaufzuklären,dassessichumeinenOff-Label-Usehandelt.ZudemhaterdieBehandlungzudokumentieren(BGB§630eundf).DieUmsetzungbesondererAufklärungs-undInformationspflichten(s.hierzuJanzenRW&LudwigWD.2012)erscheintinderPalliativme-dizineherschwierig.GrundsätzlichbedarfesderAufklärungdesPatientennicht,soweitdieseausnahmsweiseaufgrundbesondererUmständeentbehrlichist,insbesonderewenndieMaßnahmeunaufschiebbaristoderderPatientaufdieAufklärungausdrücklichverzichtethat(BGB§630e).
HaftungFürdenOff-Label-UsegibteskeinespeziellenHaftungs-anforderungen.InjedemFallmussderOff-Label-Usejedochmedizinischgutbegründetsein.EinesorgfältigeNutzen-Risiko-Abwägungmussstattfinden.
Esbesteht,wiefürjedeanderemedizinischeBehandlung,dieallgemeineAufklärungs-undDokumentationspflicht.
12 >> RISIkEN Off-LABEL-USE
Off-Label-UsebirgtRisikenaufverschiedenenEbenen.NebendenKostenundhaftungsrechtlichenAspektenmussvorallemdieArzneimittelsicherheitberücksichtigtwerden.
BevoreinArzneimittelzugelassenwird,müssenhoheAnforderungenhinsichtlichWirksamkeitundVerträglichkeitbelegtwerden.DurchdenzulassungsüberschreitendenArzneimitteleinsatzbestehtalsoeinenureingeschränktabschätzbareGefährdungdesPatientendurcheinnichtodernurunzureichendgeprüftesArzneimittel.
HinzukommtdasRisikoeinerStörungderTherapiedurchunzureichendeKommunikationmitanderenanderVersor-gungbeteiligtenPersonen.SoistbeispielsweisederEinsatzvonOpioidengegenAtemnotnichtflächendeckendbekannt.UnsicherheitenbezüglichderZweckmäßigkeitundderSicherheitderTherapie(StichwortAtemdepression)könnendazuführen,dassdieTherapievomweiterbehandelndenArztnichtmehrverordnetwirdoderArztundApothekerdenPatientenverunsichernunddamitdenTherapieerfolggefährdenkönnen.
>> cHANcEN Off-LABEL-USE
Off-Label-UsestelltnatürlichnichtnureinRisikofürdenPatientendar,sondernbietetauchdieChancezumErkenntnisgewinnunddamitverbundenauchzueinemKompetenzzuwachs.
HierfürmussderOff-Label-Useallerdingsbewusststattfinden,WirksamkeitundNebenwirkungensolltendokumentiertwerden.IdealerweisewerdendieseErfahrungeninstruk-turierterFormveröffentlicht,beispielsweiseinFormeinesFallberichtesodereinerFallserie.GleichzeitigsolltensiejedochauchanzentralerStellegesammeltundbewertetwerden.AufdieseWeisewirddieMöglichkeitgeschaffen,positiveundnegativeErfahrungenzubündeln,ggf.indenKontextderaktuellenwissenschaftlichenEvidenzzusetzenundeinembreiterenFachpublikumzugänglichzumachen.
ZudiesemZweckbefindetsichanderKlinikundPoliklinikfürPalliativmedizinamKlinikumderUniversitätMünchenderzeitdieZentralstelleOff-Label-UseimAufbau.
WeitereInformationenhierübersindzufindenunterwww.arzneimittel-palliativ.de
13
1514 >> Off-LABEL-USE IN DER pALLIATIVmEDIzIN
DerSchwerpunktdermedikamentösenTherapieunddamitauchdesOff-Label-UseliegtinderPalliativmedizinimBereichderSymptomkontrolle.ImGegensatzzuanderenmedizini-schenFachdisziplinengehtesalsonichtumkurativeoderkrankheitsmodifizierendeBehandlungsansätze,sondernumdieLinderungbelastenderSymptome.
JedepalliativmedizinischeEinrichtungsollteübereinelokaleStandardanweisungzumOff-Label-Useverfügen.
Identifikation Off-Label-UseDerzugelasseneAnwendungsbereicheinesArzneimittelsistinderjeweiligenFachinformationdesHerstellers(z.B.unterwww.fachinfo.deoderdenInternetseitenderHersteller)angegeben.InformationenzumLeistungskatalogderKranken-versicherungen,Behandlungsausschlüssenoderverordnungs-fähigenArzneimittelnimOff-Label-UsefindensichzudemaufderInternetseitedesG-BA(www.g-ba.de)inkl.derArzneimittel-Richtlinie(https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/3/).
Voraussetzungen für den Off-Label-UseVoraussetzungfürdenOff-Label-Usesollteimmersein,dasszugelasseneAlternativenausgeschöpftsindodergutbe-gründbarnichtzumEinsatzkommenkönnen,z.B.aufgrundvonNebenwirkungenoderKontraindikationen.EssollteaufgrundderDatenlageeinebegründeteAussichtaufeinenTherapieerfolgbestehen.DasRisikofürKomplikationenderTherapiesolltegeringbzw.derSituationangemessensein.
Arzneistoff
Morphin Atemnot
die Anwendung eines zugelassenen Arznei-mittels außerhalb der Zulassung
Midazolam
Omeprazol
Metamizol
Meto-clopramid
Subkutane oder intranasale Applikation
Dosierung 5 g/24h
Applikation über Sonde nach Zerfallenlassen in Wasser
Anwendung von 40mg/d über 14 Tage
Zulassung nur für die Behandlung von Schmerzen
Zulassung nur für die intravenöse und rektale Anwendung
Zugelassene maximale Dosierung 4g/d
Zulassung für die orale Anwendung der ganzen Tablette
Zugelassene maximale Dosierung 30mg/d über max. 5 Tage
Off-Label Einsatz Begründung
Beispiele Off-Label-Use
Off-Label-Use kann keine Antwort auf einen Patientenwunsch sein, sondern nur die Folge der vom behandelnden Arzt gestellten medizinischen Indikation.
Indikations-Stellung
Kenntnisse zu verfügbaren und zugelassenen Therapieoptionen müssen vorhanden sein; diese müssen als nicht indiziert bewertet oder bereits ausgeschöpft worden sein. Off-Label-Use ist keine Antwort auf „Unwissen“.
Therapie-Auswahl
Die Entscheidung für oder gegen den Off-Label-Use kann nur im aktuellen und individuellen Patienten-kontext getroffen werden und unterscheidet sich somit NICHT von der Anwendung zugelassener Arzneimittel!
Individuelle Entscheidung
Folgende Voraussetzungen sollten erfüllt sein:
Art der Anwendung Erklärung
1716
IndikationsstellungNurderbehandelndeArztkanndieIndikationfüreineTherapiestellen.DemWunschvonPatientenoderAngehö-rigennachbestimmtenBehandlungensolltezwarGehörgeschenktwerden,dieBewertungderZweckmäßigkeitundNotwendigkeitobliegtjedochdembehandelndenArzt.
TherapieauswahlDieAuswahlderTherapieerfordertdieKenntnisderverfüg-baren(medikamentösen)Therapieoptionen.Bevorzugtein-zusetzensindgrundsätzlichdiezugelassenenArzneimittel.DerOff-Label-Useistnurdanngerechtfertigt,wenn1. zugelasseneBehandlungsoptionenbeinochunzureichen- derSymptomkontrolleausgeschöpftsindoder2.aufgrundvonNebenwirkungen,Wechselwirkungen odersonstigen,dieTherapiegefährdenden,Aspekten nichtinFragekommenoder3.dasaußerhalbderZulassungeinzusetzendeMedikament die(wissenschaftlich)belegbarbessereTherapieoption darstelltund4.diebegründbareAussichtaufdengewünschten Therapieeffektbesteht.
Individuelle EntscheidungDieEntscheidungfürodergegeneineTherapiekannnurimaktuellenundindividuellenPatientenkontextgetroffenwerden.EinOff-Label-Use,derfüreinenPatientenheutenochnichtindiziertist,kannmorgenfürdengleichenPatientenbereitsdieTherapiederWahldarstellen.BerücksichtigtwerdensolltenhierbeispielweisedieaktuelleErkrankungs-situation,dasAnsprechenaufunddieVerträglichkeitvonbisherigenTherapien,Komorbiditäten,Organfunktion,AlterundBelastungdesPatientendurchdieBehandlung.
Folgende Übersicht kann den Entscheidungsprozess stützen:
Nach:Rémi,Bauseweinetal:ArzneimitteltherapieinderPalliativmedizin,2015
Einsatz
EHERINDIZIERT
FürdieentsprechendeIndikationzugelassen
FürandereIndikationzuge-lassen;andereverwandtePräparatefürdieentsprechendeIndikationzugelassen
(fürandereIndikation)zugelassenesPräparat;wederdiesesnochähnlicheArzneimittelsindfürdieentsprechendeIndikationzugelassen
Wenigunter-sucht;hatschwerwiegendeNeben-wirkungen
NurErfahrungs-berichteveröffent-licht
Gutbekannt,jedocheinigeeindeutigeNeben-wirkungen
Gutdoku-mentierteStudieninZeitschrif-tenmitPeer-Review
AngegebeneStudiensindqualitativschlecht
Gutbekannt;hatschwerwie-gendeNeben-wirkungenoder Wenigunter-sucht;keineeindeutigenNeben-wirkungen
Arzneimittelgarnichtzugelassen
Nichtuntersucht
Keinever-öffentlichtenDatenerhältlich
Gutbekannt,imAllgemeinenunbedenklich
InStandard-werkenempfohlen
NICHTINDIZIERT
BANAL
LEBENS-BEDROHLICH
Zulassungs-status Arzneimittel Datenlage Erkrankung
19
>> EmpfEHLUNGEN füR DIE pRAxIS18 >> AUSBLIck
Off-Label-UsebegleitetganzselbstverständlichdenklinischenAlltaginderVersorgungvonPalliativpatienten.GeradeimBereichderPalliativmedizinmussdieArzneimittelsicherheitbesondereBerücksichtigungfinden,davulnerablePatientenbehandeltwerden,dievorallemimspezialisiertenVersorgungs-bereichhäufigeinkomplexesKrankheits-undSymptom-geschehenaufweisen,dasvonkörperlichen,psychischen,sozialenundspirituellenBelastungenunterschiedlichenAusmaßesgeprägtist.AuchwennhierderEinsatzvonMedi-kamentensicherlichvielfachnochdeneinfachstenAnsatz-punktdarstellt,mussberücksichtigtwerden,dassoftmalskeineodernurwenigwissenschaftlicheEvidenzzurStützungeinigerpalliativmedizinischerBehandlungsstrategienvorliegt.DievermeintlichbestmöglicheTherapiefürdenPatientendarfnichtzumunstrukturiertenBehandlungsversuchwerden,dereinerseitsdenPatientenunnötiggefährdet,gleichzeitigjedochnichtzueinemErkenntnisgewinnführt.
DieseBroschürestehtamBeginneinesProjekteszumbe-wussterenUmgangmitOff-Label-UseinderPalliativmedizin.
DurchdiesesProjektsoll/en• dasBewusstseinfürOff-Label-UsebeimFachpublikum geschärftwerden;• DatenzumOff-Label-UseanzentralerStelleerfasst, bewertetunddemFachpublikumwiederzurVerfügung gestelltwerden;• einUmdenkenbeiKrankenversicherungenundBehörden angeregtwerden,dasdaswichtigeTherapieziel „Symptomkontrolle“indenFokusrückt;• einForumzumfachlichenAustauschgeschaffenwerden.
HierdurchsollletztendlichdieArzneimitteltherapieinderPalliativmedizinsichererundverlässlichergestaltetwerden.
AusschöpfungvonAlternativen2.
Identifikationbetroffener(=Off-Label-Use)Arzneimittel/-therapien
1.
BerücksichtigungdesaktuellenmedizinischenStandards3.
AufklärungPatient4.
(wissenschaftlich)plausiblerTherapieversuchnachallgemeinerundindividuellerNutzen-Risiko-Abwägung
5.
Dokumentation6.
Kommunikation7.
Publikation8.
21>> ORIENTIERUNGSHILfE füR DIE pRAxIS
KeineZulassungfürIndikation,Dosierung,Applikationsweg,etc.
RoutinemäßigerOff-Label-Einsatzgerechtfertigt
RoutinemäßigerOff-Label-EinsatzNICHTgerechtfertigt.
• NormalesProzedere (AufklärungüberTherapie)• ZusätzlicheAspektedes Off-Label-Useansprechen• InmanchenFällenkannes hilfreichsein,denInformations- prozessdesPatientenzudoku- mentierenoderdieschriftliche Zustimmungeinzuholen
• eineschwerwiegendeErkrankung vorliegtUND• dieDatenlageeinenmöglichen NutzenstütztUND• derpotentielleNutzengrößerals diepotentiellenRisikenistUND• dieStandardtherapieversucht wurdeodernichtangemessenist UND• derBehandlungzugestimmt wurde
NormalesProzedere(z.B.AufklärungüberdieTherapie)
GibtesqualitativhochwertigeDaten,diedieAnwendungunterstützen(WirkungundNebenwirkung)?
NEIN
NEIN
JA
JA
EVIDENZLAGE
Anwendung im Ausnahmefall für einzelne Patienten, wenn:
Anwendung im Rahmen einer Studie oder
Anwendungsbeobachtung
Erfogt die Anwendung des Medikamentes entsprechend der Zulassung?
oder
20 >> LINkS UND LITERATUR
www.g-ba.deGemeinsamerBundesausschuss.Informationenu.a.zumLeistungskatalogderKrankenkassen,Arzneimittelrichtlinie.
www.bfarm.deBundesinstitutfürArzneimittelundMedizinprodukte.Infor-mationenzurArzneimittelzulassungundExpertengruppenOff-Label-Use.
www.fachinfo.deFachinformationenfürvieleinDeutschlandverfügbareFertigarzneimittel.AnmeldungmitDocCheckPasswort.
S3-LeitliniePalliativmedizinfürPatientenmiteinernichtheilbarenKrebserkrankung,Langversion1.1–Mai2015,AWMF-Registernummer:128/001OL,z.B.überwww.awmf.org.EvidenzbasierteundexpertenkonsentierteEmpfehlungenzurArzneimitteltherapieinderPalliativmedizin.Off-Label-Usenichtgesondertgekennzeichnet.
Rémi,C.,BauseweinC.,TwycrossR.,WilcockR.HowardP.(eds.)2015.ArzneimitteltherapieinderPalliativmedizin,Urban&Fischer,München.SpeziellgekennzeichneteAngabenzuAnwendungsgebietenaußerhalbderZulassung.
JanzenRW&LudwigWD.2012.Off-Label-Therapie:aktuelleProblemeausSichtderArzneimittelkommissionderdeutschenÄrzteschaft.Z.Rheumatol.;71:108–10
WeitereInformationensindaufwww.arzneimittel-palliativ.dezufinden.
Nach:GazarianM.etal.Off-labeluseofmedicines:consensusrecommendations
forevaluatingappropriateness.MJA2006;185:544–548
>> NOTIzEN
AN DER ERSTELLUNG DIESER BROSCHÜRE WAREN BETEILIGT
Constanze Rémi MSc, MünchenProf. Dr. med. Claudia Bausewein PhD MSc, MünchenProf. Dr. med. Bernd Alt-Epping, GöttingenProf. Dr. med. Steffen Eychmüller, BernKatja Goudinoudis MAS, TaufkirchenDr. med. Helmut Hofmann-Menzel, Bonn (Aktionsbündnis Patientensicherheit) Dr. med. Carsten Klein, ErlangenThomas Leitermann, Mühldorf (ABDA)Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, Berlin (AkdÄ)Susanne Preuß, LübeckAchim Rieger, Berlin Prof. Dr. med. Roman Rolke, Aachen Dr. jur. Oliver Tolmein, HamburgDr. med. Susanne Vogel, Neumarkt
Diese Broschüre wurde auf Basis der Ergebnisse des Dr. Werner Jackstädt-Expertenworkshops Off-Label-Use in der Palliativmedizin erstellt, der am 7. und 8. Januar 2016 in der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, Klinikum der Universität München stattgefunden hat.
deutsche gesellschaft für palliativmedizin
Der Aufbau der Zentralstelle Off-Label-Use in der Palliativmedizin wird gefördert von:
Gest
altu
ngM
EIRA
|w
ww
.mei
ra.d
e
StandDezember2016
GEfÖRDERT VON
HERAUSGEBER
mIT UNTERSTüTzUNG VON
ArzneimittelinformationPalliativmedizin, Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, Klinikum der Universität München