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Universal Design for Learning als Zugang zum Verstehen von Barrieren Marie-Luise Schütt, Katja Sellin, Wiebke Bobeth-Neumann, Heike Bormuth, Andreas Körber, Kerstin Michalik, Angelika Paseka, Gabriele Ricken Das Projekt ProfaLe wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Literatur MEYER,ANNE &ROSE,DAVID (2014): Universal design for learning: theory and practice. Wakefield, MA. - RAPP,WHITNEY (2014): Universal design for learning in action: 100 ways to teach all learners. Baltimore, Maryland: Brookes Publishing. - UDI - UNIVERSAL DESIGN OF INSTRUCTION (2018). Universal Design of Instruction (UDI): Definition, Principles, Guidelines, and Examples (by Sheryl Burgstahler). Verfügbar unter: https://www.washington.edu/doit/universal-design-instruction-udi-definition-principles-guidelines-and-examples. - UDL – UNIVERSAL DESIGN FOR LEARNING (2018): What is UDL?. Verfügbar unter: http://udl-center.org. - UN - UNITED NATIONS (2006/2008): Convention on the Rights of Persons with Disability (CRPD). Verfügbar unter: https://www.un.org/development/desa/disabilities/convention-on-the-rights-of-persons-with-disabilities.html. Ausgangspunkt Mit der Ratifikation der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat sich Deutschland zur Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems auf allen Ebenen verpflichtet (UN 2006/2008, Art. 24). Diese Verpflichtung hat maßgebliche Konsequenzen für das Handlungsfeld Schule. Das Handlungsfeld Schule ist aufgefordert, dass auch Schülerinnen und Schüler mit Behinderung die gleichberechtigte Teilhabe am allgemeinen Schulsystem ermöglicht wird. Insbesondere den Lehrkräften kommt bei der Umsetzung der gleichberechtigten Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler eine entscheidende Rolle zu. Um der zunehmenden Heterogenität im inklusiven Unterricht gezielt begegnen zu können, ist das Konzept des universellen Designs im Bildungsbereich (hier: Universal Design for Learning) hervorzuheben (vgl. Meyer & Rose 2014; Rapp 2014; UDL 2018). Theoretischer Rahmen - Universal Design for Learning (UDL) Das Konzept des UDL, welches im amerikanischen Raum seinen Ursprung hat, wendet den Ansatz der Barrierefreiheit (Zugänglichkeit) auf die Gestaltung von Lehr- und Lernsettings an. Mit Hilfe der Reduktion von Barrieren, welche die gleichberechtigte Bildungsteilhabe hindern, soll es gelingen, sowohl Schülerinnen und Schüler mit als auch ohne sonder- pädagogischen Förderbedarf zielgerichtet zu unterstützen. Neurowissenschaftliche Grundlagen bilden die Basis des UDL-Konzepts. Demzufolge ist jeder Lerner mit drei Netzwerken ausgestattet (strategische, affektive und kognitive Netzwerk), welche in ihrer konkreten Ausprägung von Lerner zu Lerner differieren. Um allen Schülerinnen und Schülern – unabhängig von den individuellen Lernerfordernissen – den bestmöglichen Zugang zum Bildungsangebot zu ermöglichen, sind die Lernangebote vielfältig zu gestalten. Um die flexible Ausgestaltung der Lernangebote zu realisieren, werden drei Gestaltungsprinzipien benannt, welche mit weiteren Richtlinien (Checkpoints) zur konkreten Umsetzung verknüpft sind (vgl. hierzu MEYER &ROSE 2014; UDL 2018). 1. Biete multiple Mittel der Repräsentation von Informationen. 2. Biete multiple Optionen der Verarbeitung von Informationen und der Darstellung von Lernergebnissen. 3. Biete multiple Möglichkeiten der Förderung von Lernengagement und Lernmotivation. Ergebnisse und Ausblick Erste Bausteine für die Seminarkonzeption, welche die gezielte Vermittlung des UD-Konzepts ermöglichen, konnten bestimmt werden. Auch fachdidaktische Unterschiede, z. B. im Sach- und Geschichtsunterricht, wurden herausgestellt. Die nächsten Arbeitsschritte konzentrieren sich auf die Weiterentwicklung sowie mögliche Verstetigung der innovativen Lehrformate. Innerhalb der Thematik findet der regelmäßige Austausch mit anderen Universitäten, welche das UDL-Konzept in der Lehre zur Anwendung bringen, statt (z. B. TU Dortmund). Basierend auf Austausch- und Evaluations- prozessen steht die Optimierung der Lehrformate (insbesondere Lehrveranstaltungen) im Mittelpunkt. Auch die Dokumentation der Konzepte sowie der Transfer gelungener Inhalte in das Ausbildungscurriculum werden gegenwärtig diskutiert. Neben dem möglichen Nutzen des UDL-Konzepts zur Umsetzung inklusiver Unterrichtssettings muss der Nutzen für die Weiterentwicklung der Universität Hamburg zu einer inklusiven Hochschule verdeutlicht werden (z. B. Handreichung für die inklusivere Gestaltung der Studienbüros, Handreichung für die Verwendung von barrierefreien PowerPoints etc.). Beispiele für die Anwendung des UDL-Konzepts in der Lehramtsausbildung AN der UHH https://www.flickr.com/photos/gforsythe/8527950743 Inklusiver Sachunterricht Ausgangspunkt : Im Rahmen des Seminars haben sich Studierende des LaSo/LaPriSe mit dem UDL-Konzept sowie den daraus resultierenden UDL-Prinzipien für die Gestaltung inklusiven Sachunterrichts auseinandergesetzt. Zielstellung : Ermittlung fachdidaktischer Konkretisierungen des UDL-Konzepts für die Gestaltung inklusiven Sachunterrichts („Science and UDL“); Übertragung der ermittelten Konkretisierungen auf den eigenen Unterricht. Methode : Narrative Interviews mit den Seminarteilnehmer_innen sowie quantita- tive Befragung mit EvaSys zur Beurteilung des Seminarerfolgs. Inklusiver Geschichtsunterricht Ausgangspunkt : Das Seminar in der Fachdidaktik Geschichte richtet seinen Fokus auf die Gestaltung von komplexen Lernaufgaben. In Aufgaben zum historischen Lernen sind Barrieren für alle Lernenden vorhanden. Zielstellung : In enger Kooperation mit Fachmentor_innen der Schulen und durch den Austausch zwischen Studierenden der Regelschullehrämter sowie der Sonder- pädagogik ist ein Lehrkonzept entstanden, welches den Fachaustausch hinsichtlich gelungener Aufgabenformaten ermöglicht; Erprobung eines Diagnoseinstruments zur parallelen Erfassung von Aufgabenanforderungen und der Ausprägung von Schülerfähigkeiten und -fertigkeiten als Grundlage für Unterstützungs- und Heraus- forderungsangebote für das Lernen am gemeinsamen Gegenstand. Methode : Befragung der Studierenden; punktuelle praktische Erprobung. Schulpädagogik Ausgangspunkt : Das Konzept des Universal Designs im Hochschulbereich (Fokus: Universal Design of Instruction, Universal Design for Learning) bildet die Basis für die Konzeption der einzelnen Sitzungen in dieser Lehrveranstaltung, welche sich vornehmlich an das allgemeine Lehramt (LaGym, LaPriSe) richten (vgl. UDI 2018). Zielstellung : Die Studierenden erleben das UD-Konzept als Lernende, was den Transfer der praktischen Erfahrungen ins spätere Berufsleben an einer inklusiven Schule best- möglich unterstützt. Methode : Im Grundlagenseminar sind die Studierenden aufgefordert, dass die eigenverantwortlichen Seminarsitzungen gemäß den Prinzipien des UDI/UDL umge- setzt werden (Evaluation der Sitzungen anhand der entwickelten Checkliste). Unterstützt werden die Studierenden und Dozierenden durch studentische Tutor_- innen, welche ihr UD-Wissen stetig ausbauen. Peer-to-Peer Beratung Ausgangspunkt: Ergänzend zum Format der Lehrveranstaltung wurde im SoSe 2017 eine Peer-to-Peer Beratung etabliert. Zielstellung: Dialog zwischen Sonderschul- und Regelschulpädagog_innen zu den Themen: inklusive Lehr- und Lernsettings, Konzept des Universal Design for Learning, Barrierefreiheit (z. B. Ausleihe von Gerätschaften zur Bestimmung der räumlichen Barrierefreiheit von Unterrichtsräumen sowie die Beratung hinsichtlich universell einsetzbarer Hilfsmittel, wie z. B. Smartpen). Methode: Evaluation durch Masterarbeiten mit spezifischen Themenstellungen.

Universal Design for Learning als Zugang zum …...design for learning in action: 100 ways to teach all learners. Baltimore, Maryland: Brookes Publishing. - UDI - U NIVERSAL D ESIGN

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Page 1: Universal Design for Learning als Zugang zum …...design for learning in action: 100 ways to teach all learners. Baltimore, Maryland: Brookes Publishing. - UDI - U NIVERSAL D ESIGN

Universal Design for Learning als Zugang zum Verstehen von Barrieren Marie-Luise Schütt, Katja Sellin, Wiebke Bobeth-Neumann, Heike Bormuth, Andreas Körber, Kerstin Michalik, Angelika Paseka, Gabriele Ricken

Das Projekt ProfaLe wird im Rahmen der gemeinsamen„Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern ausMitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschunggefördert.

LiteraturMEYER, ANNE & ROSE, DAVID (2014): Universal design for learning: theory and practice. Wakefield, MA. - RAPP, WHITNEY (2014): Universaldesign for learning in action: 100 ways to teach all learners. Baltimore, Maryland: Brookes Publishing. - UDI - UNIVERSAL DESIGN OFINSTRUCTION (2018). Universal Design of Instruction (UDI): Definition, Principles, Guidelines, and Examples (by Sheryl Burgstahler).Verfügbar unter: https://www.washington.edu/doit/universal-design-instruction-udi-definition-principles-guidelines-and-examples. -UDL – UNIVERSAL DESIGN FOR LEARNING (2018): What is UDL?. Verfügbar unter: http://udl-center.org. - UN - UNITED NATIONS (2006/2008):Convention on the Rights of Persons with Disability (CRPD).Verfügbar unter: https://www.un.org/development/desa/disabilities/convention-on-the-rights-of-persons-with-disabilities.html.

AusgangspunktMit der Ratifikation der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat sich Deutschland zur Umsetzungeines inklusiven Bildungssystems auf allen Ebenen verpflichtet (UN 2006/2008, Art. 24). Diese Verpflichtung hat maßgeblicheKonsequenzen für das Handlungsfeld Schule. Das Handlungsfeld Schule ist aufgefordert, dass auch Schülerinnen und Schülermit Behinderung die gleichberechtigte Teilhabe am allgemeinen Schulsystem ermöglicht wird. Insbesondere den Lehrkräftenkommt bei der Umsetzung der gleichberechtigten Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler eine entscheidende Rolle zu. Um derzunehmenden Heterogenität im inklusiven Unterricht gezielt begegnen zu können, ist das Konzept des universellen Designs imBildungsbereich (hier: Universal Design for Learning) hervorzuheben (vgl. Meyer & Rose 2014; Rapp 2014; UDL 2018).

Theoretischer Rahmen - Universal Design for Learning (UDL)Das Konzept des UDL, welches im amerikanischen Raum seinen Ursprung hat, wendet den Ansatz der Barrierefreiheit(Zugänglichkeit) auf die Gestaltung von Lehr- und Lernsettings an. Mit Hilfe der Reduktion von Barrieren, welche diegleichberechtigte Bildungsteilhabe hindern, soll es gelingen, sowohl Schülerinnen und Schüler mit als auch ohne sonder-pädagogischen Förderbedarf zielgerichtet zu unterstützen.Neurowissenschaftliche Grundlagen bilden die Basis des UDL-Konzepts. Demzufolge ist jeder Lerner mit drei Netzwerkenausgestattet (strategische, affektive und kognitive Netzwerk), welche in ihrer konkreten Ausprägung von Lerner zu Lernerdifferieren. Um allen Schülerinnen und Schülern – unabhängig von den individuellen Lernerfordernissen – den bestmöglichenZugang zum Bildungsangebot zu ermöglichen, sind die Lernangebote vielfältig zu gestalten. Um die flexible Ausgestaltung derLernangebote zu realisieren, werden drei Gestaltungsprinzipien benannt, welche mit weiteren Richtlinien (Checkpoints) zurkonkreten Umsetzung verknüpft sind (vgl. hierzu MEYER & ROSE 2014; UDL 2018).

1. Biete multiple Mittel der Repräsentation von Informationen.2. Biete multiple Optionen der Verarbeitung von Informationen und der Darstellung von Lernergebnissen.3. Biete multiple Möglichkeiten der Förderung von Lernengagement und Lernmotivation.

Ergebnisse und Ausblick Erste Bausteine für die Seminarkonzeption, welche die gezielte Vermittlung des UD-Konzepts ermöglichen, konnten bestimmt werden. Auchfachdidaktische Unterschiede, z. B. im Sach- und Geschichtsunterricht, wurden herausgestellt. Die nächsten Arbeitsschritte konzentrieren sich auf dieWeiterentwicklung sowie mögliche Verstetigung der innovativen Lehrformate. Innerhalb der Thematik findet der regelmäßige Austausch mit anderenUniversitäten, welche das UDL-Konzept in der Lehre zur Anwendung bringen, statt (z. B. TU Dortmund). Basierend auf Austausch- und Evaluations-prozessen steht die Optimierung der Lehrformate (insbesondere Lehrveranstaltungen) im Mittelpunkt. Auch die Dokumentation der Konzepte sowie derTransfer gelungener Inhalte in das Ausbildungscurriculum werden gegenwärtig diskutiert. Neben dem möglichen Nutzen des UDL-Konzepts zurUmsetzung inklusiver Unterrichtssettings muss der Nutzen für die Weiterentwicklung der Universität Hamburg zu einer inklusiven Hochschuleverdeutlicht werden (z. B. Handreichung für die inklusivere Gestaltung der Studienbüros, Handreichung für die Verwendung von barrierefreienPowerPoints etc.).

Beispiele für die Anwendung des UDL-Konzepts in der Lehramtsausbildung AN der UHH

https://www.flickr.com/photos/gforsythe/8527950743

Inklusiver SachunterrichtAusgangspunkt: Im Rahmen des Seminars haben sich Studierende des LaSo/LaPriSemit dem UDL-Konzept sowie den daraus resultierenden UDL-Prinzipien für dieGestaltung inklusiven Sachunterrichts auseinandergesetzt.Zielstellung: Ermittlung fachdidaktischer Konkretisierungen des UDL-Konzepts fürdie Gestaltung inklusiven Sachunterrichts („Science and UDL“); Übertragung derermittelten Konkretisierungen auf den eigenen Unterricht.Methode: Narrative Interviews mit den Seminarteilnehmer_innen sowie quantita-tive Befragung mit EvaSys zur Beurteilung des Seminarerfolgs.

Inklusiver GeschichtsunterrichtAusgangspunkt: Das Seminar in der Fachdidaktik Geschichte richtet

seinen Fokus auf die Gestaltung von komplexen Lernaufgaben. In Aufgaben zumhistorischen Lernen sind Barrieren für alle Lernenden vorhanden.Zielstellung: In enger Kooperation mit Fachmentor_innen der Schulen und durch denAustausch zwischen Studierenden der Regelschullehrämter sowie der Sonder-pädagogik ist ein Lehrkonzept entstanden, welches den Fachaustausch hinsichtlichgelungener Aufgabenformaten ermöglicht; Erprobung eines Diagnoseinstrumentszur parallelen Erfassung von Aufgabenanforderungen und der Ausprägung vonSchülerfähigkeiten und -fertigkeiten als Grundlage für Unterstützungs- und Heraus-forderungsangebote für das Lernen am gemeinsamen Gegenstand.Methode: Befragung der Studierenden; punktuelle praktische Erprobung.

SchulpädagogikAusgangspunkt: Das Konzept des Universal Designs im Hochschulbereich (Fokus:Universal Design of Instruction, Universal Design for Learning) bildet die Basis für dieKonzeption der einzelnen Sitzungen in dieser Lehrveranstaltung, welche sichvornehmlich an das allgemeine Lehramt (LaGym, LaPriSe) richten (vgl. UDI 2018).Zielstellung: Die Studierenden erleben das UD-Konzept als Lernende, was den Transferder praktischen Erfahrungen ins spätere Berufsleben an einer inklusiven Schule best-möglich unterstützt.Methode: Im Grundlagenseminar sind die Studierenden aufgefordert, dass dieeigenverantwortlichen Seminarsitzungen gemäß den Prinzipien des UDI/UDL umge-setzt werden (Evaluation der Sitzungen anhand der entwickelten Checkliste).Unterstützt werden die Studierenden und Dozierenden durch studentische Tutor_-innen, welche ihr UD-Wissen stetig ausbauen.

Peer-to-Peer BeratungAusgangspunkt: Ergänzend zum Format der Lehrveranstaltungwurde im SoSe 2017 eine Peer-to-Peer Beratung etabliert.

Zielstellung: Dialog zwischen Sonderschul- und Regelschulpädagog_innen zu den Themen: inklusive Lehr- und Lernsettings, Konzept des Universal Design for Learning, Barrierefreiheit (z. B. Ausleihe von Gerätschaften zur Bestimmung der räumlichen Barrierefreiheit von Unterrichtsräumen sowie die Beratung hinsichtlich universell einsetzbarer Hilfsmittel, wie z. B. Smartpen). Methode: Evaluation durch Masterarbeiten mit spezifischen Themenstellungen.