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Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik Vorstand: Univ.-Prof. Dr. Helmut Eichlseder Institute of Internal Combustion Engines and Thermodynamics Umweltauswirkungen des Verkehrs Teil II Vortragender: A. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. -techn. Peter Sturm LV-Veranstaltungsnummer: Nr. 313.171 (VO) Herausgabedatum: 01.03.2016 Sublimieren Verdampfen gasförmig s T Tk Ttr K qs r 0 Tripellinie Entropie

Umweltauswirkungen des Verkehrs Teil II - ivt.tugraz.at · entsteht fast ausschließlich das Atem- und Reizgift NO, das in der Atmosphäre bei Sonnenlicht zu Stickstoffdioxid (NO2)

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Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik Vorstand: Univ.-Prof. Dr. Helmut Eichlseder Institute of Internal Combustion Engines and Thermodynamics

Umweltauswirkungen des Verkehrs Teil II

Vortragender: A. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. -techn. Peter Sturm LV-Veranstaltungsnummer: Nr. 313.171 (VO) Herausgabedatum: 01.03.2016

Sublimieren

Verdampfen

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Tripellinie

Entropie

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Verkehr & Umwelt Teil 2

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Vorlesung

Umweltauswirkungen des Verkehrs

Teil: Immissionsbelastungen durch Luftschadstoffe

313.171

Stand 1.3.2016

Peter J. Sturm

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INHALTSVERZEICHNIS 1 EINLEITUNG _________________________________________________________ 4

2 Luftschadstoffe ________________________________________________________ 4

2.1 Gasförmige Schadstoffe _____________________________________________ 4 2.1.1 Kohlenmonoxid (CO) ______________________________________________ 4 2.1.2 Kohlenwasserstoffe (HC) ___________________________________________ 5

2.1.2.1 Einteilung ___________________________________________________ 5 2.1.2.2 Definition der BTX ____________________________________________ 6 2.1.2.3 Definition der PAH ____________________________________________ 7

2.1.3 Stickoxide (NOx) _________________________________________________ 7 2.1.4 Schwefeldioxid (SO2) _____________________________________________ 8

2.2 Aerosole - Partikel/Feinstaub ________________________________________ 8 2.2.1 Was sind Partikel _________________________________________________ 8 2.2.2 Verbrennungsbedingte Partikel _____________________________________ 12 2.2.3 Nicht verbrennungsbedingte Partikel (non-exhaust PM emissions)__________ 14 2.2.4 Sekundär gebildete Partikel ________________________________________ 16 2.2.5 Größenverteilungen von PM in der Atmosphäre ________________________ 17 2.2.6 Verweilzeiten von Partikeln in der Atmosphäre [3] ______________________ 20

2.3 Ozon ____________________________________________________________ 20 2.3.1 Bildungsprozess _________________________________________________ 20 2.3.2 Ozonverlauf ____________________________________________________ 22 2.3.3 Stratosphärische Ozonbildung - Zerstörung ____________________________ 25

2.3.3.1 Ozonproduktion _____________________________________________ 25 2.3.3.2 Ozonreduktion ______________________________________________ 26

2.4 Grenzwerte ______________________________________________________ 26 2.4.1 Emissionsgrenzwerte _____________________________________________ 26 2.4.2 Luftgütegrenzwerte _______________________________________________ 26

3 Straßenverkehr ________________________________________________________ 31

3.1 Verbrennungsbedingte Emissionen __________________________________ 31

3.2 Diffuse Staubemissionen aus dem Straßenverkehr ______________________ 31

3.3 Emissionen aus dem off-road Bereich und aus Baumaschinen ____________ 32

4 Ausbreitung der Luftschadstoffe __________________________________________ 32

4.1 Theoretische Grundlagen __________________________________________ 32 4.1.1 Atmosphärische Grenzschicht ______________________________________ 33 4.1.2 Wind __________________________________________________________ 33 4.1.3 Turbulenz ______________________________________________________ 35 4.1.4 Vertikale Temperaturverteilung in der Atmosphäre ______________________ 36 4.1.5 Mischungsschicht ________________________________________________ 38

4.2 Ausbreitungsmodelle ______________________________________________ 41 4.2.1 Einfache Modellansätze für Linienquellen– ebenes Gelände _______________ 42 4.2.2 Ausbreitung unter Berücksichtigung komplexer Bedingungen (Topographie, Bebauungen) __________________________________________________________ 42 4.2.3 Berechnungsablauf _______________________________________________ 45

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5 Literaturverzeichnis ____________________________________________________ 48

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1 EINLEITUNG Luftverunreinigungen sind seit dem Beginn der Industrialisierung für die Bevölkerung und die Natur zu einem ernsten Problem geworden. Die Ursachen dafür sind meist im unmittelbaren Umfeld bei den lokalen Emittenten zu suchen. Städtische Ballungsräume mit einer hohen Bevölkerungsdichte und einem hohen Verkehrsaufkommen sind besonders gefährdet. Während in den früheren Jahren vor allem Industrie und Hausbrand durch Schwefeldioxid und Staubemissionen dominant an der schlechten Luftsituation beteiligt waren, so hat sich heutzutage auf Grund der enorm gestiegenen Mobilität, bei gleichzeitig verbesserter Situation in Bezug auf industrielle Abgase das Schwergewicht auf Stickoxidbelastungen und damit verbunden sommerliche Ozonbelastungen sowie auf Feinstaub (PM10) verlegt. Der Verkehr stellt einen Hauptemittenten bei Schadstoffen wie Kohlenmonoxid und den Stickoxiden dar. Auch bei den anthropogenen Kohlenwasserstoffemissionen ist der verkehrsbedingte Beitrag beachtlich. Obwohl der Sektor Verkehr neben dem Straßenverkehrs auch noch den Schienen- und Schiffverkehr sowie die Luftfahrt beinhaltet, dominiert der erstgenannte bei weitem das Emissionsgeschehen.

Von gesetzlicher Seite gibt es Vorschreibungen, die sowohl emissions- als auch immissionsseitig die Thematik Luftschadstoffe behandeln. Emissionsseitig ist der Ausstoß bestimmter Schadstoffe beschränkt, immissionsseitig sind Grenzwerte für die Luftgüte vorgeschrieben. Während emissionsseitige Limitierungen für neue Fahrzeuge direkt beim einzelnen Emittenten wirksam und überprüfbar sind, führen Überschreitungen der immissionsseitigen Grenzwerte eher zu allgemeinen umweltpolitischen Überlegungen und Entscheidungen, die dann wieder in neuen emissionsseitigen Maßnahmen resultieren können.

2 LUFTSCHADSTOFFE Kraftfahrzeuge werden in der Regel von Verbrennungsmotoren angetrieben. Bei der vollständigen Verbrennung von Kohlenwasserstoffen (Benzin, Diesel, Gas) wird Kohlendioxid (CO2) und Wasserdampf (H2O) gebildet. Stickstoff (N2) und der überschüssige Sauerstoff (O2) bleiben unverändert.

Unter realen Verbrennungsbedingungen werden jedoch auch Schadstoffe gebildet. Neben den verbrennungsbedingten Luftschadstoffen sind auch noch Schadstoffemissionen aus der Verdunstung (Kraftstoff) sowie Feinstaubemissionen aus Brems-, Abriebs- und Aufwirbelungsvorgängen zu berücksichtigen.

Bevor nun auf die Ermittlung der Schadstoffmengen eingegangen wird soll im Folgenden ein Überblick über die Wirkung der wichtigsten verkehrsrelevanten Luftschadstoffe gegeben werden.

2.1 Gasförmige Schadstoffe

2.1.1 Kohlenmonoxid (CO)

CO ist ein Produkt unvollständiger Verbrennungsvorgänge. Der Verkehr ist einer der Hauptemittenten dieses farb- und geruchlosen Gases. CO ist ein Atemgift mit hoher Affinität

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zum Bluthämoglobin, d.h. CO besetzt die Bindungsplätze für Sauerstoff im Hämoglobin, wodurch es zu Symptomen des Sauerstoffmangels bis zum Ersticken kommen kann.

2.1.2 Kohlenwasserstoffe (HC)

2.1.2.1 Einteilung

Die Kohlenwasserstoffe sind zusammen mit den Stickoxiden und Kohlenmonoxid an der Bil-dung von Ozon und Oxidantien in der Atmosphäre beteiligt, und werden unter dem Begriff „Ozonvorläufersubstanzen“ zusammengefasst. In der Abgasgesetzgebung werden sie daher manchmal den NOx gleichgesetzt und die Summe HC + NOx begrenzt.

Mehr als 1000 verschiedene Kohlenwasserstoffverbindungen werden bei unvollständig ablaufenden Verbrennungsprozessen emittiert. Die Unzahl verschiedener Verbindungen ist auf das Vermögen des Kohlenstoffatoms zurückzuführen, Ketten und Ringe zu bilden. Eine grobe Einteilung der Kohlenwasserstoffe ist in Abbildung 2-1 zu sehen.

Die Schädlichkeit dieser Verbindungen ist sehr unterschiedlich, und reicht von wenig giftigen Stoffen über Reizstoffe bis zu krebserregenden Substanzen.

Während aliphatische (offenkettige) Kohlenwasserstoffe als verkehrsrelevante Verbindungen keine Rolle spielen, kommt den zyklischen Kohlenwasserstoffen BTX (Benzol, Toluol, Xylol) und PAH (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe) eine besondere Bedeutung zu.

Abbildung 2-1: Einteilung der Kohlenwasserstoffe

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2.1.2.2 Definition der BTX

Benzol, Toluol und Xylole sind Kohlenwasserstoffe (HC), die auch als Aromaten bezeichnet werden.

Abbildung 2-2: Bindungsformen von BTX

Die in Österreich ausgelieferten Benzintreibstoffe enthalten derzeit im Mittel einen Benzolgehalt von 1%. Beim Betrieb des Fahrzeuges können Aromaten aus dem Kraftstoff verdunsten sowie bei der innermotorischen Verbrennung entstehen. Ein großer Teil der Gesamtemission wird erst im Motor erzeugt, denn Benzol und mehrkernige aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) entstehen auch dann, wenn der Treibstoff völlig aromatenfrei ist. D.h. auch bei dieselmotorisch betriebenen Fahrzeugen entsteht Benzol (wenn auch in geringerer Menge).

In den Wandbereichen, den Quenchzonen, und den Spalten des Brennraumes werden die Kohlenwasserstoffverbindungen des Treibstoffes durch Oxidations-, Crack- und Pyrolysereaktionen in andere übergeführt. Als Ausgangsprodukte werden die während der thermischen Prozesse entstandenen Acetylene angesehen. Die Acetylene lagern sich zu kettenförmigen Radikalen zusammen, die sich leicht zu Ringen verbinden.

Die karzinogene Wirkung des Benzols ist auf die Bildung von Metaboliten im Organismus zurückzuführen. Das Zielorgan der karzinogenen Wirkung beim Menschen ist das Knochen-mark. Toluol und Xylole werden grundsätzlich anders metabolisiert als Benzol und sind daher auch nicht karzinogen.

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2.1.2.3 Definition der PAH

PAH, PAK: Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (Hydrocarbons) sind HC mit mehrfach kondensierten Ringsystemen. Davon sind etwa 120 verschiedene Komponenten bekannt.

Abbildung 2-3: Bindungsformen der PAH

Auch wenn die PAH im Kollektiv als gefährlich eingestuft werden, sind nicht alle Vertreter toxisch. Da die Gruppe der PAH aus mehreren hundert verschiedenen Molekülen besteht, die sich in ihren Eigenschaften und ihrer Wirkung auf den Menschen unterscheiden, wird meist Benzo(a)pyren (BaP) wegen seiner nachgewiesenen Kanzerogenität als Leitsubstanz ausgewählt. Wie beim Benzol sind die eigentlich krebserregenden Stoffe Metabolite.

2.1.3 Stickoxide (NOx)

Stickoxide entstehen durch Oxidation von Stickstoff bei sehr hohen Temperaturen. Im Motor entsteht fast ausschließlich das Atem- und Reizgift NO, das in der Atmosphäre bei Sonnenlicht zu Stickstoffdioxid (NO2) oxidiert. Dieses ist noch giftiger als NO. In der Emissionsgesetzgebung wird für Grenzwertangaben die Summe aus NO und NO2 als NOx angegeben, wobei die Volumskonzentration [ppm] an NOx in eine Massenkonzentration an NO2 [µg/m³; mg/m³] umgerechnet wird.

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2.1.4 Schwefeldioxid (SO2)

Schwefel ist als unerwünschte Komponente in kleinen Mengen im Kraftstoff enthalten und oxidiert im Motor zu SO2. Gleichzeitig trägt er jedoch zur Sulfatbildung (Partikel) bei. Wegen des niedrigen Schwefelgehaltes der Treibstoffe ist die SO2-Emission von Kraftfahrzeugen im Vergleich zu anderen Emittenten wie Hausbrand oder industrielle Feuerungen (mineralische Öle) von untergeordneter Bedeutung.

2.2 Aerosole - Partikel/Feinstaub

Der Begriff Partikel charakterisiert ein Konglomerat aus festen, flüssigen oder gemischt (flüssig an festem Kern) vorkommenden Stoffen unterschiedlichster Größe und chemischer Zusammensetzung. Die gesundheitliche Relevanz wird sowohl durch die Größe (Kleinheit) der Partikel als auch durch die chemischen Bestandteile begründet. Als humanmedizinisch relevant sind Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser < 10 µm (PM10) und auch die oft angelagerten Schwermetalle (Pb, Cd, Hg etc.), Kohlenwasserstoffe (PAH) und Dioxine/Furane zu sehen.

2.2.1 Was sind Partikel

Unter dem Summenbegriff Partikel verbergen sich eine große Anzahl von Substanzen, die in fester oder flüssiger Phase vorliegen. Partikel sind sowohl unterschiedlicher Natur in ihrer chemischen Herkunft und Zusammensetzung sowie auch in ihrer Größe.

Neben Stickoxid stellen die Partikelemissionen immissionsseitig das größte Problem dar. Obwohl PM10 Belastungen durch ein Konglomerat von unterschiedlichsten Partikel herrühren, trägt der Sektor Verkehr – und hier wiederum der Straßenverkehr - sowohl bei den primär emittierten als auch bei den sekundär gebildeten einen entscheidenden Anteil bei. Bei den primär emittierten ist es vor allem der Ruß aus Dieselantrieben, die Anteile aus Bremsen-, Reifen- und Straßenabrieb sowie der schwer quantifizierbare aufgewirbelte Straßenstaub. Bei den sekundär gebildeten Partikeln ist an der Bildung von Nitraten und organische Partikeln der gesamte Verkehr beteiligt.

Während bei den primären Partikeln oft ein unmittelbarer Zusammenhang zu lokalen Emissionen hergestellt werden kann, ist dies bei den sekundär gebildeten nicht mehr der Fall. Diese weisen lange Lebenszeiten und damit auch lange Transportwege auf. Der Anteil der sekundären Partikel erreicht sogar bei straßennahen Messstellen 50%, im städtischen Hintergrund und in ländlichen Gebieten ist er noch höher.

Die gesundheitliche Relevanz wird sowohl durch die Größe (Kleinheit) der Partikel als auch durch die chemischen Bestandteile begründet. Betrachtet man die Größe so findet man Unterteilungen die entsprechend dem aerodynamischen Durchmesser eingeteilt sind.

TSP (total suspended particles) bezeichnet den gesamten Schwebestaub

PM10 (Feinstaub, particulate matter < 10 µm) bezeichnet jene Partikel die den Durchmesserbereich kleiner 10 µm unterschreiten.

PM2.5, PM 1 und PM 0.1 Partikel mit Durchmesser kleiner 2,5 µm, 1 µm bzw. 0,1 µm (Ultrafeinstaub)

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Während TSP über die allgemeine Staubbelastung in der Luft Auskunft gibt, so sind es vor allem die Partikel mit einem Durchmesserbereich kleiner 10 µm (PM10 oder Feinstaub) die als medizinisch relevant eingestuft werden müssen. Dies begründet sich in der Adaption der menschlichen Luftwege und Atmungsorgane, die vor allem gröbere Partikel zurückhalten können, der Feinstaub erreicht hingegen ungefiltert die Lungenbereiche. Durch die Präsenz von Feinstaub in den Lungen kann es zu entzündungsähnlichen Zuständen kommen, die in weiterer Folge zu kanzerogenen Schäden führen können. Da Staub oft als Träger von Schwermetallen und Dioxinen auftritt ist die gesundheitsschädigende Wirkung auch hierin begründet.

Abbildung 2-4: Abscheidungsgrad (Mensch)

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Abbildung 2-5: Abscheidungsgrad und Größenordnung verbrennungsbedingter Partikel

Abbildung 2-6 zeigt das Größenspektrum typischer Partikel. Während biogen vorkommende Partikel (mineralische Stäube, Pollen, etc.) eher größere Durchmesserbereiche haben, liegen antropogene Partikel (meist Verbrennungsprodukte) im Durchmesserbereich kleiner 1 µm. Abbildung 2-7 zeigt die Vielfalt der chemischen Zusammensetzung unterschiedlicher Partikel.

Abbildung 2-6: Typische Korngrößenbereiche von Partikeln

0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%

100%

0.01

0.04 0.1 1 4 8 20 60 10

0

Größenverteilung von Dieselpartikel [µm]

Absc

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ever

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ane Nase

LungeBronchienDieselpartikel

0,001

0,01

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[µm]

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Abbildung 2-7: Chemische Zusammensetzung typischer Partikel

In Abbildung 2-8 ist eine typische Größenverteilung von Schwebestaub skizziert. Es bildet sich eine sogenannte trimodale Verteilung. Wie es zu diesem Verteilungsmuster kommt ist in Abbildung 2-9 dargestellt.

Nitrate (NOx)

Sulfate (SOx)

Organische PM (ROG, PAH)

Salze (Na, Cl)

Schwermetalle (Hg, Pb, Cd, Fe)Kohlenstoff (C )

Aerosole

Staub

Ruß (C )

Schmutz

Rauch

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Abbildung 2-8: Korngrößenspektrum von Partikeln (Nukleation, Agglomeration etc.)

Abbildung 2-9: Entstehung einer trimodalen Größenverteilung [11]

2.2.2 Verbrennungsbedingte Partikel

Bei der unvollständigen Verbrennung von Dieselkraftstoff entstehen Partikel aus feinverteiltem Kohlenstoff, die als Dieselruß bezeichnet werden. An diese Partikel können sich auch andere Verbindungen anlagern. Zudem treten auch organische Partikel in Erscheinung. Diese setzen sich aus einem Kohlenstoffkern und angelagerten Kohlenwasserstoffen zusammen. Den größten Anteil dieser organischen Verbindungen bilden die PAH.

Der gesamte emittierte Kohlenstoff (TC) setzt sich somit aus Ruß (EC) und organisch gebundenem Kohlenstoff (OC) zusammen: TC = EC + OC

Zusätzlich treten noch "anorganischen" Partikel in Erscheinung. Diese bestehen aus den verschiedensten Bestandteilen, wie Rostpartikel, keramischen Fasern aus dem Auspuff- und Schalldämpferraum, Metallspänen, Überresten von Motorölzusatzstoffen, Salzen und Wasser.

Abbildung 2-10 zeigt die PM Größenverteilung eines typischen Nutzfahrzeugmotors (EURO 3) im doppelt logarithmischen Maßstab. Die Größenverteilung ist abhängig von der Motorlast. Während bei Leerlaufbetrieb Anteile um 10 nm dominieren, entwickelt sich bei Last der sogenannte Rußmodus im Größenbereich um 80 nm.

Generell kann jedoch gesagt werden, dass der Großteil der verbrennungsbedingten Partikel im Durchmesserbereich unter 1 µm liegt.

Gase und Dämpfe (z.B.motorische Verbrennung)

Primärpartikel

PollenSeesalzaerosol

mineralische Stäubegealterte Mischpartikel

Agglomeration

Nukleationsbereichd<0,1 mµ

Akkumulkationsbereich0,1 m<d<1 mµ µ

Grobpartikelbereichd>1 mµ

Agglomeration

Gas to Particle ConversionNukleation

KondensationKoagulation

KondensationKoagulation

Mechanische ZerkleinerungErosion

Resuspension

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Abbildung 2-10: PM Größenverteilung eines Nutzfahrzeug Dieselmotors, EURO 3

Abbildung 2-11: Zeitliche Entwicklung verbrennungsbedingter Partikel zwischen Entstehung

und Exposition in der Atmosphäre [2]

1,E+04

1,E+05

1,E+06

1,E+07

1,E+08

1,E+09

1 10 100 1000Dp [nm]

dN/d

log(

Dp)

[#/c

m3 ]

0% load

10% load

25% load

50% load

Partikel-bildung

Wachstum und Alterung

Bildung undOxidation von Russt=2ms, p=150bar,

T=2500K

Kondensationvon Ölasche

T=1500K

Nukleation undWachstum

T=330KAlterung des

frischen Aerosols

T=300K

Zeit

Druck und Temperatur

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Abbildung 2-12: Rasterelektronenmikroskopaufnahmen von Partikelproben aus Abgas eines

Dieselmotors

2.2.3 Nicht verbrennungsbedingte Partikel (non-exhaust PM emissions)

Neben den verbrennungsbedingten Partikeln spielen die sogenannten non-exhaust Partikel eine große Rolle. Hier handelt es sich zumeist um Stäube, die aus den unterschiedlichsten Quellen stammen können und oft großflächig (diffus) emittiert werden. Die Hauptquellen sind:

• Produktionsbedingten Emissionen aus Industrie und Gewerbe

• Straßenverkehr

o Abrieb (Bremsen, Reifen, Kupplung, Straße)

o Aufgewirbelter Straßenstaub, Winterstreuung (Splitt und Salz)

o Verdunstungen (Vorläufer für sekundäre Partikel)

• Schottergewinnung, Steinbrüche

• Landwirtschaft (Bodenbearbeitung, Düngung, Schweine – und Geflügelzucht)

• Biogene Quellen (Erosion, Pollen, Sand etc.)

• Meersalz

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Während viele dieser Partikel mineralischen Ursprungs sind, ist beim Reifenabrieb Ruß (EC) der Hauptbestandteil, bei Bremsen- und Kupplungsabrieb sind es metallische Anteile und Material der Verschleißteile. Der Reibbelag der Bremsen ist als Verschleißteil ausgelegt. Um ein möglichst geräuscharmes Arbeiten der Bremsen zu erreichen, enthalten die Bremsbeläge Festschmierstoffe, wobei neben Antimontrisulfid, Graphit und Kokspulver verwendet wird. Da im Bremsbelag örtlich die Schmelz- und Zersetzungstemperaturen des Belegmaterials überschritten werden können, kann es auch durch Verkohlung organischer Stoffe zur Bildung von Rußpartikel kommen.

Unterschiedlich zu den verbrennungsbedingten Partikeln trifft man hier viele Partikel im Bereich von 10 bis 30 µm Durchmesser an. Der PM10 Anteil ist bereits merklich geringer und PM1 noch niedriger (Abbildung 2-13). Bei Emittenten wie Straßenstaub, Streuung, Steinbrüche udgl. ist der PM1 Anteil nur mehr im 1 – 2 % Anteil von PM10 (massebezogen).

Abbildung 2-13: Relative Gewichtung einzelner PM Durchmesserklassen [3]

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Abbildung 2-14: relative Anteile von Partikel an der Masse von TSP ([8], [9])

2.2.4 Sekundär gebildete Partikel

Neben den primär emittierten Partikeln spielen auch noch die sekundär gebildeten eine große Rolle. Schwefel-, Kohlenwasserstoff- und Stickstoffverbindungen sind die Ursache für Sulfate, Nitrate und organische Aerosole, die als sekundäre Partikel mit einem relativ kleinen aerodynamischen Durchmesser und einer hohen Lebensdauer in der Atmosphäre zur PM10 Belastung beitragen. Die Bildungsrate der sekundären Partikel ist demgemäß eine komplexe Funktion von Emission an Vorläufersubstanzen und photo- und luftchemischen Prozessen.

SO2 wird zu SO4- und NO2 zu NO3

- durch Hydroxyl Radikale (OH) während der Tageszeit oxidiert.

In ländlichen Gebieten kann der Anteil sekundär gebildeter Partikel 50% weit übersteigen, aber auch straßennah ist mit 30 bis 50% zu rechnen. Während der Nacht laufen zusätzliche Prozesse ab, die NOx über eine größere Anzahl von Zwischenschritten über NO3 zu Nitrat oxidiert. Auslöser ist dabei Ozon. SO2 wird zusätzlich über heterogene Reaktionen in Wolken und Nebeltropfen zu Sulfat oxidiert.

Während die Formation anorganischer sekundärer Partikel relativ gut verstanden wird, ist dies bei sekundären organischen Partikeln noch nicht der Fall. Die Hauptabläufe werden in [13] wie folgt beschrieben:

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(1) Kondensation von oxidierten Endprodukten photochemischer Reaktionen (z.B. Ketone, Aldehyde, etc.)

(2) Adsorption organischer Gase an bestehenden festen Partikeln (z.B. PAH)

(3) Auflösung von löslichen Gasen, welche Reaktionen in den Partikeln durchlaufen können (z.B. Aldehyde)

Die Vorgänge (1) und (3) sind hauptverantwortlich für die Bildung während der Sommerzeit – wenn photochemische Prozesse am effektivsten sind. Der Vorgang (2) wird in erster Linie durch die tageszeitlichen Temperatur- und Feuchteänderungen hervorgerufen und ist somit unabhängig von der Jahreszeit.

2.2.5 Größenverteilungen von PM in der Atmosphäre

Wie in Abbildung 2-10 dargestellt lieht das Maximum der Anzahl der Partikel bei motorischen Emissionen in Bereichen um 10 nm (wenig Motorlast) und 80 nm (höhere Motorlast). Besonders dieser 80 nm Bereich ist typisch für Verbrennungsvorgänge (soot mode). Leider ist aber auch allzu gut bekannt, dass die gemessene Größenverteilung stark von den Messbedingungen – definiert durch Verdünnungsrate, Temperatur, Feuchtigkeit – abhängt.

Untersucht man Größenverteilungen, wie sie in Straßentunneln unter relativ konstanten Verkehrsbedingungen auftreten, so erhält man teilweise ähnliche Verteilungen. Abbildung 2-15 zeigt die Partikelanzahl als Funktion der Größenverteilung und der Tageszeit in unmittelbarer Randsteinnähe in einem Straßentunnel. Die Tageszeit repräsentiert das Verkehrsaufkommen, das bei der Morgenspitze (7:00) eindeutig am höchsten ist. Währen dieser Zeit dominieren die 80 nm Partikel, aber auch im 15 nm Bereich (Nukleationsmodus) sind merklich Partikel vorhanden. Die Abendspitze hat einen ähnlichen Verlauf auf. Während der Nacht ändert sich dieses Bild jedoch beträchtlich. Der Verkehr geht stark zurück. damit ist die „Umgebungsluft“ in die emittiert wird reiner und es steht eine geringere Anzahl an Oberfläche für eine Agglomeration zur Verfügung. Gleichzeitig ist auch die Verweilzeit viel höher, da die Lüftungsrate im Prozentbereich jener der Morgen- und Abendspitze liegt. Abbildung 2-16 zeigt die gleichen Situationen, nun jedoch am Ende des Abluftschachtes. Die Nukleationspartikel (10-20 nm Bereich) sind fast vollständig verschwunden, das Maximum hat sich durch Größenwachstum von 80 nm zu 100 nm verlagert. dargestellt sind jeweils der arithmetische Mittelwert sowie das 25 und 75 Perzentil der Messwerte. geht man nun in die urbane Atmosphäre, so verändert sich das Erscheinungsbild vollständig. Abbildung 2-17 zeigt die Größenverteilung neben einer stark befahrenen Kreuzung (Graz - Don Bosco). das Maximum ist nun im Bereich 20 bis 30 nm zu sehen und nicht mehr im 80 bis 100 nm Bereich. Die Streuungen sind naturgemäß viel größer, da nun zu den Variationen der Verkehrsstärke auch die unterschiedlichen Ausbreitungsbedingungen dazukommen. bei einer Messdauer von mehreren Wochen sind die meteorologischen Parameter zu den gewählten Zeitpunkten natürlich nie gleich. Verlässt man nun den straßennahen Bereich und betrachtet man eine städtische Wohngebietslage (Messstelle Graz – Nord) so sind weitere Veränderungen zu bemerken. Die in Abbildung 2-18 gezeigten Verläufe weisen das Maximum zwar ebenfalls im 20 – 40 nm Bereich auf, die Kurve fällt jedoch nach beiden Seiten ab. Nukleationspartikel im Bereich um 10 nm sind im Gegensatz zur straßennahen Messstelle kaum mehr vorhanden.

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Abbildung 2-15: PM-Anzahl als Funktion des Durchmessers bei unterschiedlichen

Verkehrszuständen (Tageszeiten), Messstandort Tunnel Straßenrand [19]

Abbildung 2-16: PM-Anzahl als Funktion des Durchmessers bei unterschiedlichen

Verkehrszuständen (Tageszeiten), Messstandort Tunnel Abluftschacht [19]

(a) Curb side

0,E+00

1,E+05

2,E+05

3,E+05

4,E+05

5,E+05

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Dp)

[#/c

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0,E+00

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2,E+05

3,E+05

4,E+05

5,E+05

6,E+05

7,E+05

8,E+05

10 100

1000

Dp [nm]

dN/d

log(

Dp)

[#/c

m³]

(b) Ventilation outlet

7:00

19:00

0:00

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Verkehr & Umwelt Teil 2

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Abbildung 2-17: PM-Anzahl als Funktion des Durchmessers bei unterschiedlichen

Tageszeiten, Messstandort straßennah [19]

Abbildung 2-18: PM-Anzahl als Funktion des Durchmessers bei unterschiedlichen

Tageszeiten, Messstandort urbaner Hintergrund [19]

0,E+00

1,E+04

2,E+04

3,E+04

4,E+04

5,E+04

10 100

1000

Dp [nm]

dN/d

log(

Dp)

[#/c

m3 ]

7:00

19:00

0:00

Kerb side street crossing

0,E+00

1,E+03

2,E+03

3,E+03

4,E+03

5,E+03

6,E+03

7,E+03

10 100

1000Dp [nm]

dN/d

log(

Dp)

[#/c

m3 ]

7:00

19:00

0:00

(B) Urban background

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2.2.6 Verweilzeiten von Partikeln in der Atmosphäre [3]

Feinstaub hat eine sehr lange Verweilzeit in der Atmosphäre bevor er durch Depositionsvorgänge wieder auf die Erdoberfläche gelangt. Diese Verweilzeit ist natürlich abhängig von der Korngröße (d.h. der Masse) und der chemischen Bestandteile der Partikel (Wasserlöslichkeit). Während große Partikel (PM >20 µm) aufgrund der Gravitation nur eine Lebenszeit von einigen Stunden aufweisen beträgt die Verweilzeit der Partikel zwischen 1 µm und 20 µm bereits 2 – 4 Tage. Partikel in der Größenordnung von 0,1 bis 1 µm dienen oft als Nukleationskern für Wolkenkondensation. daraus lässt sich schließen, dass derartige Partikel ähnliche Verweilzeiten wie Wasser haben (ca. 10 Tage). Kohlenstoffpartikel nehmen jedoch nicht leicht Wasser auf, eine Oberflächenoxidation ist notwendig, bevor sie Feuchtigkeit aufnehmen können. Dies resultiert in längeren Verweilzeiten von Kohlenstoffpartikel und organischen Partikeln im Vergleich zu anorganischen Partikeln (z.B. Sulfate).

Auch natürlich emittierte Partikel wie Vulkanemissionen oder Saharastaub können große Weglängen (> 5000 km) zurücklegen, bevor sie wieder auf der Oberfläche abgelagert werden.

Zusätzlich sind auch noch die thermodynamischen Eigenschaften der einzelnen Komponenten von Einfluss. Dies ist vor allem wichtig bei Stoffen wie Ammoniumnitrat und einigen organischen Aerosolen. Leichtflüchtige Komponenten verteilen ihre Masse zwischen der gas- und flüssig Phase um ein thermodynamisches Gleichgewicht zu erhalten und dieses ist temperaturabhängig. Dies führt dazu, dass z.B. im Sommer ein großer Teil von Ammoniumnitrat nicht stabil ist. PM10 Anteile an diesem Stoff sind daher im Winter viel höher als im Sommer.

Da sekundäre Partikel einen großen Anteil an der PM10 Belastung haben, und diese vornehmlich aus Sulfaten und Nitraten bestehen, sind diese Temperaturabhängigkeiten von großer Bedeutung.

2.3 Ozon

Ozon ist überhaupt ein Schadstoff, der ausschließlich durch Reaktionen in der Atmosphäre entsteht.

2.3.1 Bildungsprozess

Die Hauptprobleme der Luftbelastung in urbanem Gebiet sind in den hohen Stickstoffdioxid- und PM10 Konzentrationen im Winter und Ozonkonzentrationen im Sommer zu sehen. An Stickoxiden wird in erster Linie Stickstoffmonoxid emittiert, der Großteil des Stickstoffdioxids bildet sich erst durch Oxidation.

Einer der bedeutendsten Vorgänge ist die photolytische Spaltung von NO2 durch das

Einwirken von Lichtquanten hν.

NO2 + hν NO + O

Das abgespaltene Sauerstoffatom reagiert mit molekularem Sauerstoff mit Hilfe eines Stoßpartners M (z.B.: N2) rasch zu Ozon weiter.

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O2 + O + M O3 + M

Das entstandene Ozon oxidiert Stickstoffmonoxid zu Stickstoffdioxid.

NO + O3 NO2 + O2

Die O3-Konzentration ist demgemäß abhängig vom Verhältnis der NO2/NO-Konzentration. Solange die photolytische Spaltung von NO2 zur Bildung von Ozon führt und dieses wieder zur Oxidation von NO zu NO2 verwendet wird, befinden sich diese Reaktionen im Gleichge-wicht (lediglich als Funktion der Sonneneinstrahlung und der Temperatur).

Verläuft die Oxidation von NO zu NO2 aber unter Einwirkung diverser Radikale, ohne Ozon zu benötigen, so erhöht sich die O3-Konzentration über das "Gleichgewichts-Niveau" hinaus.

Deswegen ist eine Modellierung des betreffenden photochemischen Reaktionssystems notwendig. In Abbildung 2-19 ist das Schema von photochemischen Prozessen in schadstoffbeladener Luft dargestellt. Dieser schematischen Darstellung ist zu entnehmen, dass es durch das Vorhandensein von sogenannten Vorläufersubstanzen (in erster Linie reaktive Kohlenwasserstoffe) zur Bildung einer Vielzahl von Radikalen kommt, die NO zu NO2 oxidieren können, ohne dass dabei Ozon „verbraucht“ wird. Diese Kettenreaktionen können zu beträchtlichen Konzentrationen der Photooxidantien in der Atmosphäre führen, wobei gleichzeitig eine Vielzahl verschiedener reaktiver Kohlenwasserstoffe abgebaut wird. Einzelne Kohlenwasserstoffe können sich allerdings in Bezug auf das Bildungspotential von Photooxidantien erheblich unterscheiden.

Der Abbau von flüchtigen organischen Kohlenwasserstoffen durch photochemische Reaktio-nen kann die Bildung toxischer Zwischenprodukte, wie Peroxyacylnitrate und Formaldehyd zur Folge haben. Wenn die Kohlenwasserstoffe an Aerosole gebunden sind, nehmen auch die schwerflüchtigen HC durch Einwirkung des Sonnenlichts an photochemischen Reaktionen teil und führen zum photochemischen Smog. Typische Produkte sind verschiedene PAH, langkettige Aldehyde, Ketone und organische Säuren. Viele dieser Produkte können toxischer sein als ihre Ausgangsprodukte.

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Abbildung 2-19: Reaktionsschema für Ozon ([12], [16])

2.3.2 Ozonverlauf

Die Photolyserate spielt eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Ozon. Bild 5.5 zeigt typische Tagesgänge der O3-Konzentrationen. In den Monaten mit hohen solaren Einstrahlungsraten ist auch die Bildung bodennahen Ozons stark begünstigt. So kommt es im Sommer in den frühen Nachmittagsstunden zu hohen Immissionskonzentrationen (Abbildung 2-20).

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Abbildung 2-20: Tageszeitlicher Verlauf der mittleren Ozonkonzentration in den Monaten Juli bis Dezember in ländlicher Gegend [17]

Je weiter man sich von "urbanen" Einflüssen entfernt, desto mehr verflacht dieser Effekt. In größeren Höhen sind kaum mehr tageszeitliche Veränderungen zu verzeichnen, hier dominieren die Einmischungsvorgänge aus der Stratosphäre in der eine relativ konstante Ozonkonzentration vorherrscht (Abbildung 2-21).

Abbildung 2-21: Ozonverläufe in unterschiedlichen Seehöhen [17]

Eine andere Betrachtungsweise zeigt Abbildung 2-22. Hier wird sozusagen die zeitliche Entwicklung eines Schadstoffpaketes betrachtet. Der Emission von Stickstoffmonoxid und

04.02.99-00:30 05.02.99-00:0000:00 02:00 04:00 06:00 08:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 20:00 22:00 00:0020.07.99-00:30 21.07.99-00:0000:00 02:00 04:00 06:00 08:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 20:00 22:00 00:0016.11.99-00:30 17.11.99-00:0000:00 02:00 04:00 06:00 08:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 20:00 22:00 00:00

0.00

0.04

0.08

0.12

0.16

0.20mg/m³

Summer day

Winter day

Autumn day/fog

04.02.99-00:30 05.02.99-00:0000:00 02:00 04:00 06:00 08:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 20:00 22:00 00:0020.07.99-00:30 21.07.99-00:0000:00 02:00 04:00 06:00 08:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 20:00 22:00 00:0016.11.99-00:30 17.11.99-00:0000:00 02:00 04:00 06:00 08:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 20:00 22:00 00:00

0.00

0.04

0.08

0.12

0.16

0.20mg/m³

Summer day

Winter day

Autumn day/fog

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Kohlenwasserstoffen am frühen Morgen folgt etwas später die Bildung von NO2, und danach bilden sich Aldehyde und Ozon.

Abbildung 2-22: Typischer Bildungsverlauf von primären und sekundären Schadstoffen durch

photochemische Reaktionen im Stadtgebiet in Abhängigkeit von der Tageszeit.

Abbildung 2-23 wiederum zeigt das O3-Bildungspotential eines Gemisches aus NOx und HC. Je nach unterschiedlichen Mischungsverhältnissen bildet sich mehr oder weniger Ozon. Viel HC und wenig NOx führen zu hohen O3-Konzentrationen, während viel NOx und wenig HC eine Reduktion des Ozons bewirken. Bemerkenswert ist auch, dass ein Gemisch aus wenig NOx und HC zu höheren O3-Werten führt, als ein Gemisch aus viel NOx und HC. Das gilt für eine Reisezeit der Luftmasse von ca. 8 Stunden.

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Abbildung 2-23: Prognostizierte Ozonbildung in einer Luftmasse aus ländlicher Umgebung beim Überqueren des Stadtgebietes von London. Die mittlere Windgeschwindigkeit in der Mischungsschicht beträgt 4m/s.

Das unterschiedliche Mischungsverhältnis von HC und NOx hat also einen beträchtlichen Einfluss auf das Bildungsvermögen von Ozon. Will man nun Ozon reduzieren, so bedeutet dies, dass auf das HC/NOx-Verhältnis Rücksicht zu nehmen ist. Wie Abbildung 2-24 zeigt, führt eine einseitige Reduktion von NOx zu höheren Ozonkonzentrationen. Eine Reduktion von HC führt hingegen immer zu niedrigeren Ozonwerten.

Abbildung 2-24: Prognostizierte Entwicklung der Ozonkonzentrationen (Isoplethen = Linien

gleicher Zahlenwerte, Durchschnitt aus 15 Rezeptorpunkten) bezogen auf die Reduktion europäischer NOx und HC-Emissionen (Basis 1980 = 1.00).

2.3.3 Stratosphärische Ozonbildung - Zerstörung

Im Gegensatz zum troposphärischen Ozon (bodennahe) das für die menschliche Gesundheit negative Folgen hat, dient die Ozonschicht in der unteren Stratosphäre (10 – 20 km) zum Schutz der Menschheit und der Vegetation vor UV Strahlung. Hier wird Ozon durch photolytische Spaltung von O2 und Oxidation von O2 produziert. Luftschadstoffe tragen in der Troposphäre zur Bildung von Ozon bei, in der Stratosphäre jedoch zur Zerstörung.

2.3.3.1 Ozonproduktion

Die Ozonproduktion läuft in erster Linie nach folgender Reaktion ab:

O2 + hν → 2O (λ< 242 nm)

O + O2 + M→ O3 + M

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2.3.3.2 Ozonreduktion

Die Ozonzerstörung findet verstärkt über den Polarregionen (Ozonloch) bei sehr niedrigen Temperaturen statt. Ein Reaktionsweg geht über Stickstoffmonoxid (NO) welches durch Emissionen in der Stratosphäre freigesetzt wird (z.B. durch Flugzeuge, Raketen etc.)

NO + O3 → NO2 + O2

NO2 + O→ NO + O2

Mit diesen Reaktionen wird Ozon und ein freies O-Radikal verbraucht ohne dass NO abgebaut wird. Dieses steht wiederum zum weiteren Ozonabbau zur Verfügung.

Halogenierte Kohlenstoffe wie CFCl3 (R-11 oder CFC-11) und CF2Cl2 (R-12 oder CFC-12) wurden als jene Schadstoffe identifiziert, die am effektivsten zum Ozonabbau beitragen. Diese Gase wurden (und werden teilweise immer noch) als Kühlmittel in Kühlaggregaten, Klimaanlagen etc. eingesetzt. Diese Stoffe unterlaufen photolytische Prozesse welche Chlor (Cl) generieren.

Cl + O3 → ClO + O2

ClO + O→ Cl + O2

Dies ist wiederum eine katalytische Reaktion welche Ozon und O-Radikale benötigt ohne Chlor zu reduzieren. (Anmerkung: Chlor wird auch in großen Mengen durch vulkanische Aktivitäten in die Stratosphäre gebracht)

2.4 Grenzwerte

Die Bedeutung von Grenzwerten liegt in der Überprüfbarkeit von vorgegebenen Standards. Zu unterscheiden sind Emissionsgrenzwerte, die einen technischen Standard definieren, und Immissionsgrenzwerte (oder Luftgütewerte) die vom Gedanken des Schutzes von Schutzgütern (z.B. menschliche Gesundheit) ausgehen. Da Einhalten von Emissionsgrenzwerten sagt nichts über ein Einhalten von Immissionsgrenzwerten aus.

2.4.1 Emissionsgrenzwerte

Emissionsgrenzwerte werden vorgegeben um überprüfbare Vorgaben für Emissionen zu haben. neben den Werten selbst ist auch das Prüfverfahren festzulegen. Emissionsgrenzwerte beschreiben i.A. den Stand der Technik zum Zeitpunkt der Erstzulassung/Inbetriebnahme eines Emittent und sind daher emittentenbezogen festgelegt. Die Beschreibung der Emissionsgrenzwerte für den Verkehr erfolgt im Teil „Emissionen“.

2.4.2 Luftgütegrenzwerte

Gänzlich unterschiedlich ist die Definition von Immissionsgrenzwerten für Luftschadstoffe zu sehen. Die Grenzwertfestlegung ist einheitlich für Europa (EU) durch Direktiven vorgegeben, die in nationales Recht umgewandelt werden müssen. Die einzelnen Länder haben zudem die Möglichkeit strengere Vorgaben zu machen.

Bezüglich Luftgüte ist die EU Direktive 1999/30/EG vom 22.4.99 mit den Folgerichtlinien maßgeblich. Diese wurde national im Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L), BGBL 115/1997,

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umgesetzt und wird permanent durch weitere Verordnungen angepasst. In dieser Richtlinie werden Definitionen der Schutzgüter durchgeführt und für einzelne Schadstoffe Grenzwerte, Richtwerte und Zielwerte erlassen.

In weiterer Folge werden die derzeit gültigen österreichischen und EU Richtlinien angeführt. Grundlage der Grenzwertverordnungen ist in erster Linie das Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L), BGBL. 1/1997/115, BGBL. I/2001/62, BGBL I/2002/65. Weiters finden noch Verwendung das BGBL. II/2001/298, Immissionsgrenzwerte und Immissionszielwerte zum Schutz der Ökosysteme und der Vegetation, das Ozongesetz, BGBL 1992/210, BGBL. 1994/309, BGBL I/1997/115, BGBL I/2001/108 und BGBL I/2002/34 sowie die 2. Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen (Forstgesetz).

Folgende Definitionen finden sich im IG-L:

• Luftschadstoffe: Stoffe, die eine Veränderung der natürlichen Zusammensetzung der Luft durch Partikel, Gase oder Aerosole bewirken (IG-L)

• Emissionen: von einer Quelle an die freie Atmosphäre abgegebene Luftschadstoffe

• Immissionen: auf Schutzgüter einwirkende Luftschadstoffe

• Schutzgüter: Mensch, Tier, Pflanzenbestand, ihre Lebensgemeinschaften, Lebensräume und deren Wechselbeziehungen, Kultur- und Sachgüter

• Immissionsgrenzwerte: höchstzulässige, wirkungsbezogene Immissions-konzentrationen, bei deren Unterschreitungen nach einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen keine schädigenden Wirkungen zu erwarten sind

• Immissionsgrenzwerte für kanzerogen, mutagene und teratogene Stoffe sind höchstzulässige Immissionskonzentrationen.

Treten nun Überschreitungen von Immissionsgrenzwerten auf, so sind auf politischer Ebene (in Österreich Landeshauptmann) Maßnahmen zu setzen, die dazu geeignet sind langfristig diese Überschreitungen zu verhindern.

Dem gegenüber stehen Warnwerte, wie z.B. Smogalarmwerte, bei denen unverzüglich Maßnahmen zu setzen sind um eventuelle Schädigungen zu verhindern. Dementsprechend sind Alarmwerte auch merklich höher als Immissionsgrenzwerte.

Zielwerte sind Vorgabewerte die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingehalten werden sollen (nicht müssen).

Richtwerte haben einen informativen Charakter. Eine Einhaltung ist wünschenswert, gesetzlich aber nicht bindend (im Unterschied zu den IG-L Werten oder behördlich festgelegten Emissionsgrenzwerten).

Ein eigener Punkt sind sogenannte „maximale Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK)“, welche die Einwirkung von Schadstoffen auf einen arbeitenden Menschen während einer Dauer eines Arbeitstages beschreiben. MAK Werte sind demgemäß merklich höher als Immissionsgrenzwerte, aber niedriger als Smogalarmwerte.

Grenzwerte sind stoffspezifisch und sind zudem auf Expositionszeiten abgestellt. Ist ihre Wirkung akut toxisch, so finden Kurzzeitmittelwerte Verwendung, tritt eine negative Wirkung bei einer Langzeitexposition auf, werden Langzeitmittelwerte zur Beurteilung

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herangezogen. Für manche Stoffe, wie z.B. Schwefeldioxid oder Stickstoffdioxid, sind Kurz- und Langzeitmittelwerte zu beachten. Stoffe die kanzerogene Wirkungen haben (können) sind mit Langzeitmittelwerten begrenzt.

Folgende zeitliche Unterteilungen dieser Werte liegen vor:

• Maximaler Halbstundenmittelwert: Maximalwert einer Messserie basierend auf einer Mittelung über eine halbe Stunde

• Gleitender Mittelwert: Dieser beschreibt den Mittelwert über eine bestimmte Messdauer, wobei diese mehrere Stunden betragen kann.

• Maximaler Tagesmittelwert: Maximalwert einer Messserie basierend auf dem Mittel aller HMW eines Tages

• Monatsmittelwert: Mittelwert über alle HMW eines Monats

• Jahresmittelwert: Mittelwert über alle HMW eines Jahres

• Statistische Werte: die Auswertung erfolgt über Summenhäufigkeiten

o 97.5 Perzentilwert: Jener Wert bei dem 97.5% aller Messwerte darunter, bzw. 5% aller Messwerte darüber liegen. Median oder 50 Perzentilwert: Jener Wert bei dem 50% aller Messwerte darunter liegen; ist nicht identisch mit dem arithmetischen Mittel

o Vorteil der Perzentilwerte: Einzelereignisse (Maximalwerte) werden gewichtet und bestimmen nicht unbedingt das Messergebnis (max. HMW).

Grundsätzlich werden die Immissionsbelastungen als Mittelwerte angegeben. Die kürzeste Messperiode, auf die in der Gesetzgebung bezug genommen wird, ist der Halbstundenmittelwert (HMW). In Österreich existiert ein Grenzwert für den maximal auftretenden Halbstundenmittelwert. Die TA-Luft kennt dafür keine Grenzwerte, da statistisch gesehen ein einzelner Wert immer ein sogenannter „Ausreißer“ sein kann. Dort werden daher Perzentilwerte aller Halbstundenmittelwerte verglichen. Die EU Direktive gibt für viele Schadstoffe Maximalwerte vor, erlaubt dann aber eine bestimmte Anzahl von Überschreitungen (versteckte Perzentilregelung).

Zusätzlich gibt es noch 8h–Mittelwerte (MW8) für CO, Tagesmittelwerte (TMW) für NO2, PM10 und TSP, Jahresmittelwerte (JMW) für Benzol, PM10 und NO2, und 97,5–Perzentilwerte (Österr. Forstgesetz). Andere Gesetzgebungen und Richtlinien kennen 98–Perzentilwerte (TA – Luft) bzw. 95–Perzentilwerte (Schweiz). Die Immissionsberechnung wird daher für die geforderten Mittelwerte auf Basis von Halbstundenmittelwerten durchgeführt.

Tabelle 2-1: Immissionsgrenzwerte nach IG-Luft, alle Werte in [µg/m³]

Luftschadstoff HMW MW8 TMW JMW

Schwefeldioxid SO2 2001) 120

Kohlenmonoxid CO 10 000

Stickstoffdioxid NO2 200 805) 303)

Schwebstaub (TSP) 1504)

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Luftschadstoff HMW MW8 TMW JMW

Benzol 5

Blei in PM10 0,5

PM10 502) 40

PM2.5 25 (207) 1) Drei Halbstundenmittelwerte pro Tag, jedoch maximal 48 Halbstundenmittelwerte pro Kalenderjahr bis zu einer Konzentration von 350 µg/m³ gelten nicht als Überschreitung. 2) darf 25 mal pro Jahr überschritten werden, Zielwert nur mehr 7 Überschreitungen pro Jahr. 3) gültig ab 1.1. 2012, von 1.1.2010 bis 31.12.2011 eine Toleranzmarge von 5 µg/m³ vorgesehen. Diese Toleranzmarge wird erst nach einer positiven Evaluation 2012 gesenkt (sonst Beibehaltung von 35 µg/m³) 4) wurde mit 31.12. 04 durch PM10 ersetzt 5) Zielwert 6) darf 55 mal überschritten werden 7) Gebietsgrenzwert (Mittelwert aus mehreren Messstellen Österreichs)

Tabelle 2-2: Immissionsgrenzwerte der Deposition nach IG-Luft, alle Werte in [mg/m²/d]

Luftschadstoff Depositionswerte als Jahresmittelwert

Staubniederschlag 210

Blei im Staubniederschlag 0,100

Cadmium im Staubniederschlag 0,002

Tabelle 2-3: Grenzwerte nach der Richtlinie 1999/30/EG vom 22.4.99, alle Werte in mg/m³

Luftschadstoff MW1 MW8 TMW JMW Gültig ab

Schwefeldioxid SO2 0,35 1) 0,125 2) 1. 1. 2005

Schwefeldioxid SO2 0,02 19. 7. 2001

Stickstoffdioxid NO2 0,20 3) 0,04 1. 1. 2010

Stickoxide NOx 0,03 4) 19. 7. 2001

Schwebstaub (PM10) 0,05 5) 0,04 1. 1. 2005

Blei 0,0005 1. 1. 2005

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1) darf 24 mal im Jahr überschritten werden (= 99,7 Perzentilwert) 2) darf 3 mal im Jahr überschritten werden 3) darf 18 mal im Jahr überschritten werden (= 99,8 Perzentilwert) 4) mehr als 5 km von Ballungsgebieten und Autobahnen entfernt 5) darf 35 mal im Jahr überschritten werden Tabelle 2-4: Forstschädliche Luftverunreinigungen, 2. VO BGBL 1984/199 alle Werte in

mg/m³

Luftschadstoff HMW TMW 97,5 Perzentil Anmerkung

Schwefeldioxid SO2 0,14 0,05 0,07* Nadelwald April - Oktober

Schwefeldioxid SO2 0,30 0,10 0,15* Nadelwald November - März

Schwefeldioxid SO2 0,30 0,10 0,15 Laubwald November - März

Ammoniak (NH3) 0,30 0,10

Chlorwasserstoff (HCl) 0,40 0,10 Nadelwald April - Oktober

Chlorwasserstoff (HCl) 0,60 0,15 Nadelwald November - März

Chlorwasserstoff (HCl) 0,60 0,20 Laubwald April - Oktober

Fluorwasserstoff (HF) 0,9 µg/m³ 0,5 µg/m³ Nadelwald April - Oktober

Fluorwasserstoff (HF) 4 µg/m³ 3 µg/m³ Nadelwald November - März

Fluorwasserstoff (HF) 6 µg/m³ 3 µg/m³ Laubwald April - Oktober

Blei im Staubniederschlag

685 [µg/m²/d] als JMW

Zink im Staubniederschlag

2740 [µg/m²/d] als JMW

Kupfer im Staubniederschlag

685 [µg/m²/d] als JMW

Cadmium im Staubniederschlag

14 [µg/m²/d] als JMW

* zulässige Überschreitung die sich aus der Perzentilregelung ergibt darf höchstens 100% betragen

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3 STRAßENVERKEHR Der Straßenverkehr ist einer der Hauptemittenten bei einer großen Anzahl von Luftschadstoffen wie NOx und CO, ist auch bei den Kohlenwasserstoffen und bei PM10 (primär und sekundär) von Bedeutung und beeinflusst die bodennahe Ozonbildung durch die Emission der Vorläufersubstanzen NOx und HC nachhaltig.

Um trotz steigendem Verkehrsaufkommen die Emissionsmengen zu beschränken werden Emissionsgrenzwerte (= Emissionsstandards) festgelegt. Diese Standards werden definiert, die Technologie, die verwendet wird um die Standards einzuhalten, ist jedoch dem Hersteller freigestellt. Ist ein Fahrzeug jedoch einmal zum verkehr zugelassen, so muss in periodischen Abständen nur nachgewiesen werden dass dieser Erstzulassungsstandard auch eingehalten wird. Eine Nachführung auf den jeweiligen Stand der Technik ist nicht notwendig (unterschiedlich zu Betriebsanlagengenehmigungen).

3.1 Verbrennungsbedingte Emissionen

Siehe Skriptum Teil 1 „Emissionen des Verkehrs“

3.2 Diffuse Staubemissionen aus dem Straßenverkehr

Eine eigene Betrachtung erfordern diffuse Staubemissionen aus dem Straßenverkehrsbereich. Feinstaub (PM10) ist seit 2001 in der österreichischen Luftgütegesetzgebung verankert. Überschreitungen des gültigen Grenzwertes für den Tagesmittelwert von 50 µg/m³ sind sehr häufig. Aus diesem Grund werden Feinstaubemissionen besonders kritisch betrachtet. Neben den aus dem Auspuff emittierten Partikeln spielt nun auch der Abrieb von Reifen, Bremsen, Kupplung und vor allem auch von Straßenbelag eine große Rolle. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Aufwirbelungen von Straßenstaub.

Während Reifen- und Bremsenabrieb relativ gut untersucht sind liegen für Straßenabrieb und Aufwirbelung kaum belastbare Daten vor.

Während die Emissionsmengen aus Reifenabrieb [15] und Bremsenabrieb [1] relativ gut beschrieben sind, gibt es für Straßenabrieb und aufgewirbelten Straßenstaub [1] nur sehr grobe Angaben, die aus Tunnelmessungen übernommen wurden.

Tabelle 3-1: PM10 Emissionsfaktoren für Reifen- und Bremsenabrieb [mg/km]

PKW PM2.5 PKW PM10 LKW PM2.5 LKW PM10

Reifenabrieb 6* 6 31* 31

Bremsenabrieb 1 ± 0.3 11 ± 3.6 3 ± 0.8 160 ± 52

Straßenstaub 12 ± 1.9 220 ± 17 63 ± 12 1400 ± 120

Total 19± 2.4 237± 21 97 ± 12 1591 ± 172

* nur PM10 Werte vorhanden

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Tabelle 3-2 gibt vereinfachte Summenwerte für den PM10 Anteil am aufgewirbelten Staub wieder. Es findet sich eine Unterscheidung in PKW und LKW sowie Stadtfahrt, Außerort und Autobahn.

Tabelle 3-2: PM10 Emissionsfaktoren für non-exhaust Partikel [mg/km], aus [6]

PKW LKW

Stadtfahrt 55 470

Überland

Autobahn 47 74

Die in Tabelle 3-1 angeführten Werte sind aus Tunnelmessungen, wo aufgrund mangelnder Abwehungen höhere Staubemissionswerte auftreten. Tabelle 3-2 scheint die realen Bedingungen in der Atmosphäre besser wiederzugeben.

3.3 Emissionen aus dem off-road Bereich und aus Baumaschinen

Emissionen aus dem off-road Bereich sind äußerst schwer abzuschätzen, da die Einsatzbedingungen und die Fahrwegen nicht bzw. nur kaum bekannt sind. Statistische Angaben über den Kraftstoffverbrauch und über den Emissionsstandard ermöglichen eine grobe Abschätzung dieses Emissionsteiles. Besonders kritisch ist hier die Aufwirbelung von Staub zu sehen, da dazu Angaben wie Beschaffenheit der Fahrwege, Feuchtigkeit, verwendete Arbeitsverfahren u.ä. notwendig sind.

4 AUSBREITUNG DER LUFTSCHADSTOFFE

4.1 Theoretische Grundlagen

Emissionen sind die Ursache der Luftschadstoffbelastung. Die Auswirkungen der Luftschadstoffe als Einwirkung auf den Menschen und die Natur werden jedoch durch die Immission beschrieben. Diese Einwirkung der Luftschadstoffe erfolgt einerseits direkt durch die Atmung und andererseits indirekt über die Nahrungskette Pflanze-Tier-Mensch.

Die Ausbreitung der Schadstoffe und ihre Deposition sind sehr stark von den meteorologi-schen Bedingungen, d.h. von Windgeschwindigkeit, -richtung und Turbulenz der Atmo-sphäre, abhängig. Es ist daher notwendig, den Transport der Schadstoffe in die Atmosphäre und die dabei auftretende Durchmischung und Verdünnung, sowie deren chemische Reaktionen zu berücksichtigen.

Obwohl extensive Studien über die Vorgänge im unteren Teil der Atmosphäre, der atmosphärischen Grenzschicht, durchgeführt wurden, gibt es keine vollständig abgesicherte Beschreibung der Transport- und Ausbreitungsvorgänge in dieser Schicht. Daher beruht auch jede Berechnung auf mehr oder weniger großen Unsicherheiten. Modelle können auch nicht alles berücksichtigen, was zur Beschreibung eines Systems notwendig wäre. Sie sind daher immer ein Kompromiss, der auf die jeweiligen Ziele der Berechnungen abgestimmt wird.

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4.1.1 Atmosphärische Grenzschicht

Die Troposphäre reicht von der Erdoberfläche bis in Höhen von durchschnittlich 11 km. Als Grenzschicht wird jener Teil der Troposphäre definiert, der direkt von der Erdoberfläche beeinflusst wird und in dem "Oberflächenkräfte" wirksam werden. Diese Oberflächenkräfte beinhalten Reibungswiderstände, Verdampfungsvorgänge, Wärmetransport, geländeabhängige Windfeldmodifikationen und den überwiegenden Teil der Schadstoffemissionen.

Die Dicke dieser Grenzschicht ist sowohl zeit- als auch ortsabhängig und variiert von einigen hundert Metern bis zu wenigen Kilometern. Abbildung 4-1 zeigt den Aufbau der Troposphäre und die Einteilung in Grenzschicht (Planetary Boundary Layer PBL) und die darüber liegende "freie Atmosphäre" [18].

Abbildung 4-1: Aufbau der Troposphäre

4.1.2 Wind

Die unterschiedliche Aufheizung und Kühlung der Erdoberfläche und die geographische Ver-teilung von Kontinental- und Meeresregionen sind der Motor für Wind und daher auch für Wetter und Klima. Die ungleichmäßige Erwärmung der Erdoberfläche verursacht einen Wärmeüberschuss in der Äquatorregion und ein Defizit in den Polarregionen. Um einen Gleichgewichtszustand zu erreichen, fließt wärmere Luft vom Äquator zu den Polarregionen. Da die warme Luft aufsteigt, findet dieser Transport in einiger Entfernung über der Erdoberfläche statt. Im Gegensatz dazu fließt kältere Luft von den Polarregionen zum Äquator. Aufgrund der aus der Erddrehung resultierenden Corioliskraft werden diese Winde abgelenkt (siehe Abbildung 4-2).

Die Windgeschwindigkeit steht in direktem Zusammenhang zum horizontalen Druckgradienten, die Windrichtung hängt von der Orientierung des Druckfeldes ab. Aufgrund der Bodenreibung und verschiedener "Hindernisse" am Boden wird die

EARTH

Boundary Layer

Free Atmosphere

Tropopause

Trop

osph

ere

1 km

11 km

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Windgeschwindigkeit mit abnehmender Höhe immer geringer. Jener Wind, der nicht mehr den Einfluss des Bodens "spürt" wird Gradientwind (geostrophischer Wind) genannt.

Abbildung 4-2: Windentwicklung in der freien Atmosphäre (geostrophischer Wind)

Was hier global beschrieben ist, gilt auch in kleinräumigen Gebieten, überall dort, wo Temperaturdifferenzen zwischen einzelnen Gebieten auftreten. Dadurch entstehen oft unterhalb des geostrophischen Windsystems lokale Windsysteme, die durch die mittelbare und unmittelbare Umgebung beeinflusst sind.

Abbildung 4-3 zeigt die Entwicklung eines Berg – Tal Wind Systems und Abbildung 4-4 eines Meer Land Systems. Durch lokale Aufwärmeffekte kommt es zu Auftriebsströmungen, die Aufgrund des Massenausgleiches durch Abtriebsströmungen kälterer Luft aus größeren Höhen oder von anderen Orten wieder ausgeglichen werden müssen. Was hier für lokale Räume beschrieben ist gilt natürlich auch auf kleinstem Raum wie z.B. in Städten in Häuserschluchten mit einer Sonnenbeschienenen Seite oder größere asphaltierte Flächen, die zu lokalen Überhitzungen und somit Auftriebseffekten führen.

High pressure

Low pressure

Fp

Fc

Fp

Fc

Fp

Fc

v

v

Pres

sure

gra

dien

t

Fp Force due to pressureFc Coriolis forcev velocity

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Abbildung 4-3: Berg – Tal Lokalwindsystem bei Hochdruckwetterlagen

Abbildung 4-4: Entwicklung eines Meer – Land Windes während des Tages

4.1.3 Turbulenz

Atmosphärische Turbulenz, Wirbel der verschiedensten Größenordnungen, ist das Resultat folgender Ursachen:

(1) Mechanisches Verwirbeln aufgrund von Widerständen bzw. Hindernissen am Boden.

(2) Auftriebseffekte aufgrund von Aufheizen oder Abkühlen der Oberfläche und der Luft in unmittelbarer Nähe der Oberflächen.

Upslope daytime wind due to greater solar heating on the slope than in the centre

Downslope nighttime wind due to greater radiational cooling on the slope than in the centre

Sea Land

19°C

19°C19°C

21°C

21°C21°C

25°C23°C

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Die Größe dieser Verwirbelungen kann zwischen einigen Millimetern (verursacht durch klein-ste Hindernisse wie z.B. Blätter) und der Höhe der gesamten Grenzschicht (bis zu 3000 m, verursacht durch z.B. starke Sonneneinstrahlung) variieren.

Warme Luft erhält Auftrieb und steigt auf. Gleichzeitig wird sie durch kältere Luft ersetzt, die von höheren Luftschichten nach unten bewegt wird. Solange Sonneneinstrahlung diesen Prozess aufrecht erhält, ist eine vertikale Durchmischung der Atmosphäre gegeben. Die Abstrahlung von Wärme von der Erdoberfläche während der Nacht sorgt jedoch für eine "negative" auftriebsbedingte Turbulenz. Dadurch wird auch mechanisch verursachte Turbu-lenz unterdrückt bzw. stark vermindert und der Austausch der Luft zwischen übereinander liegenden Luftschichten sehr klein.

Der vertikale Temperaturverlauf ist ein Indikator für atmosphärische Turbulenz.

4.1.4 Vertikale Temperaturverteilung in der Atmosphäre

Der atmosphärische Druck nimmt mit zunehmender Höhe ab. Würde man ein Luftpaket unter adiabatischen Bedingungen (kein Wärmeaustausch mit der Umgebung) von der gegenwärtigen Position zu einer höheren transportieren, so würde das Paket aufgrund des nunmehr geringeren Druckes expandieren und dadurch kühler werden.

Das Ausmaß der Abkühlung bzw. Erwärmung ist in trockener Luft konstant und beträgt 0,98 K pro 100 m. Dies nennt man den trocken - adiabatischen Gradienten (Abbildung 4-5). Wenn feuchte Luft aufsteigt, kommt es durch die Abkühlung zur Kondensation von Wasserdampf (Bewölkung, Regen). Die dabei frei werdende Kondensationswärme wirkt der Abkühlung entgegen, wodurch sich die aufsteigende Luft um einen deutlich geringeren Betrag abkühlt, als es dem „trocken–adiabatischen“ Gradienten entspricht. Dieser feucht - adiabatische Gradient ist nicht konstant und liegt je nach Feuchtigkeitsgehalt der Luft um 0,6 bis 0,8 K/100 m. Per Definition wird der Temperaturgradient als negativ festgelegt, wenn die Temperatur mit der Höhe abnimmt.

Abbildung 4-5: Trocken - adiabatisches Temperaturprofil (neutral)

0

50

100

150

200

250

9.5 10 10.5 11 11.5 12 12.5

Temperature [°C]

Hei

ght

[m]

0.98 K

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Entspricht der reale Temperaturgradient dem adiabatischen, so verhält sich die Atmosphäre "neutral". D.h., wird ein Luftpaket (trocken - adiabatisch betrachtet) aus seiner Ruhelage ausgelenkt, so ändert es seine Temperatur entsprechend dem trocken - adiabatischen Gradienten und verbleibt i.A. in jener Höhe, in die es transportiert wurde (siehe Abbildung 4-6).

Abbildung 4-6: Transport bei neutraler Schichtung

Ist der reale Temperaturgradient positiv, so spricht man von "stabiler" Atmosphäre. Das be-deutet, dass sich einzelne Luftschichten vertikalen Bewegungen widersetzen. Das geschieht dadurch, dass z. B. nach dem Aufsteigen eines adiabatischen Luftpaketes dieses immer noch kühler ist als die Umgebung und daher sofort wieder absinken würde. Positive Temperatur-gradienten bezeichnen invers geschichtete Luft (Inversionen).

Abbildung 4-7: Transport bei stabiler Schichtung

Bei "labiler" Atmosphäre hingegen ist die Luft nach dem Aufsteigen immer noch wärmer als die neue Umgebung und steigt daher weiter. Es bilden sich vertikale Luftsäulen mit aufstei-gender Luft. Um dies zu kompensieren, sinkt Luft in der Umgebung der Luftsäulen langsam auf den Boden zurück.

0

50

100

150

200

250

9 10 11 12 13

Temperature [°C]

Hei

ght [

m]

T-adiabatic

T- real Wind

Hill

Treal = Tadiabat

Treal = Tadiabat

...........Follows adiabatic temperature gradient

Wind

HillTreal = Tadiabat

Treal > Tadiabat

...........Follows adiabatic temperature gradient

Treal = Tadiabat

0

50

100

150

200

250

9 10 11 12 13

Temperature [°C]

Hei

ght [

m]

T-adiabatic

T- real

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Abbildung 4-8: Transport bei labiler Schichtung

Das Temperaturprofil innerhalb der Grenzschicht ist jedoch nicht gleichförmig. Sehr oft weist die Luft unterschiedliche Schichten mit unterschiedlichen Temperaturprofilen aus. Die Struktur der Luftschichtung ändert sich permanent mit den Einstrahlungsbedingungen (Erwärmung und Abkühlung der Erdoberfläche).

4.1.5 Mischungsschicht

Es ist notwendig, zwischen der atmosphärischen Grenzschicht und der Mischungsschicht zu unterscheiden. Die atmosphärische Grenzschicht ist beeinflusst von der Erdoberfläche. Dieser Einfluss beruht auf atmosphärischen Turbulenzen. Eine Mischung der Luft aus der Grenzschicht mit jener der freien Atmosphäre basiert in erster Linie auf konvektiven Wolkenvorgängen.

Die Mischungsschicht dagegen ist definiert als jene Schicht, innerhalb der eine vertikale Durchmischung der Luft stattfindet. Daher ist eine Mischungsschicht bei labilen und neutralen Bedingungen zu erwarten, nicht aber bei bodennahen Inversionen. Die Höhe der Mischungsschicht unterliegt starken tageszeitlichen Schwankungen. Abbildung 4-9 zeigt einen tageszeitlichen Verlauf der Mischungsschicht innerhalb der Grenzschicht.

0

50

100

150

200

250

9 10 11 12 13

Temperature [°C]

Hei

ght [

m]

T-adiabatic

T- realWind

HillTreal = Tadiabat

Treal < Tadiabat

Treal < Tadiabat

...........Follows adiabatic temperature gradient

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Abbildung 4-9: Tageszeitlichen Verlauf der Mischungsschicht [18]

Während des Tages bildet sich bei labiler bis neutraler Luftschichtung eine Mischungsschicht aus, deren Höhe mit der Grenzschicht gleichzusetzen ist. Ab den späteren Nachmittagsstunden ist die Wärmeabstrahlung von der Erdoberfläche größer als die Wärmeaufnahme, und es bildet sich eine stabile Luftschicht in Bodennähe. Diese Schicht wächst mit Fortdauer der Nacht an. Die Mächtigkeit der Inversion ist eine Funktion der abgestrahlten Energie. Über der stabilen Bodenschicht bleibt eine Schicht mit neutralen Bedingungen bestehen. Nach Sonnenaufgang beginnt sich der Boden wieder zu erwärmen, wobei die Inversion zuerst abhebt (Mischungsschichthöhe bis zur Untergrenze der Inversion) und im Laufe des Vormittags aufgelöst wird. Später bildet sich wieder eine mächtige Mischungsschicht. Der hier dargestellte Verlauf der Mischungsschicht sowie der in Abbildung 4-10 dargestellte Verlauf des Temperaturprofils ist idealisiert. Vor allem an Wintertagen kann es vorkommen, dass Inversionen tagelang bestehen bleiben und erst eine Umstellung der Wetterlage zur "Ausräumung" derartiger Inversionen führt.

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Abbildung 4-10: Schematisierter tageszeitlicher Verlauf des Temperaturprofils

Die Stabilität der Atmosphäre hat natürlich einen großen Einfluss auf die Ausbreitung der Schadstoffe, da bei labilen Situationen die vertikale Durchmischung stark gefördert und bei stabilen stark eingeschränkt wird. Es herrschen jedoch nicht ausschließlich stabile, neutrale oder labile Situationen vor. Meist ist es eine Kombination aus allen, die zudem tageszeitlichen Schwankungen unterworfen ist – je nachdem wie stark die Sonneneinstrahlung ist.

Abbildung 4-11 zeigt die Ausbreitungsbedingungen von Kaminemissionen als Funktion der Stabilitätsklassen. Unter der Voraussetzung gleicher Emissionsmengen ist bei labilen Situationen mit den geringsten Konzentrationen in einem Fahnenquerschnitt zu rechnen, da eine vertikale Durchmischung die Schadstoffe in einem größeren Querschnitt verteilt. Bei stabilen Schichtungen ist dies umgekehrt, die höchsten Konzentrationen in einem kleinen Querschnitt. Zu beachten ist jedoch, dass in der Nähe des Emittenten die höchsten Konzentrationen am Boden eher bei labilen Situationen auftreten, da es hier zum Herabmischen der Schadstoffe kommt, während bei stabilen Situationen diese den Boden nicht so schnell erreichen. Bei bodennahen Emissionen wie z.B. aus Verkehr oder Hausbrand tritt die umgekehrte Situation ein.

Zudem ist Anzumerken, dass es i.A. im Verlauf des Tages zu einer Umstellung von stabil zu labil kommt (siehe Abbildung 4-9) wodurch nun kurzzeitig „Fumigation“ (siehe Abbildung 4-11) eintritt, welche die Schadstoffe auch aus größeren Höhen herabmischen. Halten derartige Situationen (abgehobene Inversionen) länger an, so liegen einerseits relativ ungünstige Ausbreitungsverhältnisse sowohl für bodennahe als auch für hohe Emittenten vor.

0

500

1000

1500

2000

5 10 15 20 25

Temperature [°C]

Hei

ght [

m]

T-neutralNoon-afternoonLate morningMorningNight

0

500

1000

1500

2000

5 10 15 20 25

Temperature [°C]

Hei

ght [

m]

T-neutralNoon-afternoonAfternoonLate afternoonNight

0

500

1000

1500

2000

5 10 15 20 25

Temperature [°C]

Hei

ght [

m]

T-neutralNoon-afternoonLate morningMorningNight

0

500

1000

1500

2000

5 10 15 20 25

Temperature [°C]

Hei

ght [

m]

T-neutralNoon-afternoonAfternoonLate afternoonNight

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Abbildung 4-11: Auswirkungen unterschiedlicher atmosphärischer Schichtungen auf die

Ausbreitung von hohen Punktquellen

4.2 Ausbreitungsmodelle

Da sich die meteorologischen Ausbreitungsbedingungen relativ rasch ändern, ist eine sta-tistische Betrachtungsweise der Schadstoffausbreitung sinnvoll, die alle für das betrachtete Gebiet relevanten Ausbreitungsbedingungen enthält. Statistische Berechnungen erfordern daher eine Berücksichtigung vieler unterschiedlicher Situationen, womit man jedoch schnell an die Grenzen des Machbaren stößt.

Einfache Rechenmodelle benötigen einen relativ kleinen Aufwand an Berechnungszeit und Computerkapazität und sind daher problemlos anzuwenden. Bei komplexen Modellen hinge-gen wird der Rechenaufwand bereits so groß, dass entweder nur Perioden mit beschränkter Zeitdauer berechnet werden können oder die Betrachtung der Ausbreitung nur statistisch erfolgen kann. Eine Zeitreihenrechnung für ein ganzes Jahr (365 Tage mal 48 Halbstunden) ist dann bestenfalls für einzelne Aufpunkte jedoch nicht mehr als Flächenbelastung möglich.

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Verkehrsemissionen werden als bodennahe Quellen berücksichtigt, wobei die Fahrzeuge selbst durch ihr Vorhandensein und ihre Bewegung für eine kräftige Durchmischung der Schadstoffe mit der Umgebungsluft sorgen. Eine weitere Durchmischung erfolgt durch even-tuell vorhandene umliegende Verbauung. In diesen Zonen wird die Durchmischung der Schadstoffe hauptsächlich durch mechanische Turbulenz und in weiterer Folge erst durch atmosphärische verursacht.

4.2.1 Einfache Modellansätze für Linienquellen– ebenes Gelände

Für einfache Anwendungen in ebenem Gelände ist ein sogenannter Gaußansatz in Verwendung. Derartige Modelle basieren auf ausgedehnten Experimenten in ebenem, unbebautem Gelände [21], [22], [23], sie liefern aber auch an leicht verbauten Straßen brauchbare Abschätzungen. Der Anwendungsbereich dieser Modelle wird i.a. mit einer Entfernung von bis zu 500 m vom Straßenrand angegeben. Bei diesem Ansatz werden die Emissionen als Linienquellen berücksichtigt und die Ausbreitung entsprechend der örtlichen Windrichtungsverteilung und den Ausbreitungsverhältnissen berechnet. Die Ausbreitungsvorgänge folgen Gauß'schen Normalverteilungen.

Für Linienquellen reduziert sich der Gauß-Ansatz zu folgender Gleichung [22]:

−−+

+−⋅⋅⋅=

20

20

21exp

21exp11

2),(

zzz

hzhzu

QzxCσσσp

(5-1)

mit:

C (x,z) Konzentration am Punkt (x,z) relativ zur Linienquelle mit x = 0, z = 0 [mg/m³] Q Emissionsrate per Längeneinheit [mg/m/s] u Windgeschwindigkeitskomponente senkrecht zur Straße [m/s] σz Streuparameter in vertikaler Richtung [m]

σz = f {Stabilität und Quellentfernung}

h0 Mittellinie der Fahne in einer Entfernung x von der Straße [m]

Experimente zeigten, dass die mechanische Durchmischung infolge der Fahrzeugturbulenz bei der Schadstoffausbreitung in Straßennähe eine bedeutende Rolle spielt. Weiters kann auch bei niedrigen Windgeschwindigkeiten (< 1 m/s) quer zur Straße der Auftriebseffekt durch die warmen Abgase nicht vernachlässigt werden [22].

4.2.2 Ausbreitung unter Berücksichtigung komplexer Bedingungen (Topographie, Bebauungen)

Bei komplexeren Verbauungen reichen empirische Rechenansätze nicht mehr aus. Da die Turbulenz in Bodennähe im verbauten Raum in erster Linie durch die Verbauung selbst verursacht wird, ist es notwendig diese Verbauung bei Berechnungen zu berücksichtigen. Die Transport- und Diffusionsvorgänge können daher nicht mehr empirisch erfasst werden. Somit ist es notwendig, das Strömungsfeld durch physikalische Erhaltungsgleichungen zu be-schreiben und die Turbulenz zu modellieren.

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Die Erhaltungsgleichung für skalare Größen ist die Kerngleichung zur Beschreibung der Schadstoffausbreitung. Diese Gleichung - oft auch atmosphärische Diffusionsgleichung oder Advektions-/Diffusionsgleichung genannt - repräsentiert eine Massenbilanz der Schadstoffe, bei der alle relevanten Emissions-, Transport-, Diffusions- und chemischen Reaktionsvor-gänge sowie die Entfernung der Schadstoffe durch Senken (Deposition) beschrieben werden. Die mathematische Formulierung ist wie folgt:

nnnj

n

jj

nj

n lqrx

cxx

cut

c+++

Γ=+∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

(4-6)

mit: cn Konzentration des Schadstoffes n [kg/m³]

xj Ortsvektor [m]

uj räumlicher Windgeschwindigkeitsvektor [m/s]

Γ räumlicher Diffusionsparameter [m/s²] qn Emissionsrate von Schadstoffen [kg/m³s]

rn chemische Reaktionsrate von Schadstoffen [kg/m³s]

ln Depositionsrate von Schadstoffen [kg/m³s]

t Zeit [s]

Um die Ausbreitung der Schadstoffe beschreiben zu können, ist es daher notwendig, für den Transport (Advektion) das Strömungsfeld und für die turbulente Diffusion die räumliche Verteilung der Diffusionsparameter zu kennen. Hier gibt es zwei generell unterschiedliche Ansätze, mit denen sich das Strömungsfeld und die Diffusionsparameter bestimmen lassen.

Ein Ansatz basiert auf der diagnostischen Ermittlung der notwendigen Variablen, der zweite auf einer rein prognostischen Bestimmung des Strömungsfeldes und der Diffusionsparame-ter. Diagnostische Methoden basieren auf einer größeren Anzahl von Messungen, die das Strömungsverhalten in einem gewissen Gebiet repräsentieren. Das Windfeld wird mittels eines Interpolationsverfahrens zwischen den Messstellen rekonstruiert, wobei unter Berück-sichtigung der Topographie die Kontinuität erfüllt wird. Lage und Anzahl der Messstellen beeinflussen nachhaltig das Ergebnis. Im Gegensatz dazu versucht man bei prognostischen Ansätzen das Strömungsfeld durch Lösen von physikalischen Erhaltungsgleichungen zu bestimmen. Zusammen mit parametrisierten Ansätzen für die Turbulenz lässt sich ein geschlossenes Gleichungssystem ableiten, das die Berechnung des Windfeldes ermöglicht.

Im folgenden Abschnitt werden die grundlegenden Erhaltungssätze der Masse, des Impulses und der Energie in einem kartesischen Koordinatensystem beschrieben. Theoretisch bilden sie ein vollständiges und ausreichend genaues Modell der physikalischen Vorgänge in der planetaren Grenzschicht. Eine Ableitung des Gleichungssystems für ein differentielles Volu-menelement findet sich z.B. in (Schlichting 1965).

Die im Folgenden angeschriebenen Gleichungen enthalten bereits eine Anzahl von verein-fachenden Annahmen wie z.B. Inkompressibilität, Boussinesq-Approximation zur Berech-nung von Auftriebskräften [18] sowie den Stokes’schen Reibungsansatz für Newton’sche Fluide. Die Corioliskraft kann im Impulssatz nur dann vernachlässigt werden, wenn die

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Ausmaße des Berechnungsgebietes klein sind. Zudem ist es notwendig, die Turbulenz zu modellieren.

Ein gängiger Weg zur Modellierung der Turbulenz führt über eine Aufspaltung der transpor-tierten Größen (Geschwindigkeit, Energie usw.) in einen zeitlichen Mittelwert und den dazu-gehörigen fluktuierenden Anteil (Reynolds-Mittelung). Unter Verwendung des Wirbelviskositäts- und des Diffusivitätsprinzips (ein Ansatz in Analogie zum Stokes’schen Reibungsgesetz), erhält man turbulente Scheinzähigkeiten (oder eff. Viskositäten), die nicht mehr von den Eigenschaften des Fluids abhängen, sondern ausschließlich eine Funktion des turbulenten Geschwindigkeitsfeldes sind. Dadurch lassen sich folgende zeitgemittelte Gleichungen ableiten:

Kontinuitätsgleichung:

0=j

i

xu

∂∂

(4-7)

Impulsgleichung:

++−

ΘΘ

−=+ iji

j

j

i

ref

eff

jirefrefi

j

ij

i kxu

xu

xxpg

xu

ut

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

r∂∂

∂∂

321ˆ

(4-8)

Energiegleichung in Form der potentiellen Temperatur:

ΘΘ +

Θ=

Θ+

Θ qxxcx

ut jjprefj

j ∂∂µ

∂∂

r∂∂

∂∂ 1 (4-9)

Potentielle Temperatur:

κκ 1−

pp

T ref (4-10)

mit: t Zeit [s]

xi Ortsvektor [m]

ui räumlicher Windgeschwindigkeitsvektor [m/s]

p statischer Druck [N/m²]

pref statischer Druck im Bezugszustand[N/m²]

gi Komponente der Erdbeschleunigung [m/s²]

k kinetische Energie der turbulenten Schwankungsgeschwindigkeiten [m²/s²]

T Temperatur [K]

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Θref potentielle Temperatur beim Bezugszustand [K]

µeff effektive Viskosität [Pa.s]

µΘ räumliche Diffusionsparameter [m²/s]

rref Dichte der Luft bei Bezugszustand [kg/m³]

κ Isentropenexponent cp spezifische Wärmekapazität [J/kg/K]

qΘ Enthalpiequellen (Temperatur) [J/kg/s]

Durch die Einführung der zeitlichen Mittelung und des Wirbelviskositätsprinzips ersetzt man die unmittelbare Berechnung der Turbulenz durch eine Modellierung der turbulenten Scheinspannungen. Für diese unmittelbare Turbulenzmodellierung wurde eine Reihe von Ansätzen entwickelt, die von einfachen empirischen Annahmen bis zur Lösung mehrerer partieller Differentialgleichungen reichen. Für Anwendungen im mesoskaligen Bereich (10 - 1000 km) wird oft die Prandtl’sche Mischungsweghypothese verwendet. Demnach ergibt sich die Wirbelviskosität zu:

Die oben beschriebenen Ansätze für Eulermodelle werden bei der Berechnung des Windfeldes herangezogen. Zur Berechnung der Schadstoffausbreitung finden Langrang’sche Ansätze Verwendung.

4.2.3 Berechnungsablauf

Um nun eine Berechnung der Schadstoffausbreitung durchführen zu können sind folgende Schritte notwendig:

• Emissionsermittlung

• Berechnung der Windfelder aufgrund der meteorologischen und geografischen Gegebenheiten

• Berechnung der Schadstoffausbreitung auf Basis der Emissionsangaben, der Windfelder und der Vorbelastung (Hintergrundkonzentration)

Abbildung 4-12 zeigt ein Geländemodell, wie es für eine Ausbreitungsrechnung verwendet wird. Abbildung 4-13 ein für dieses Gebiet berechnetes Windfeld einer Einzelsituation.

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Abbildung 4-12: Geländemodell zur Berechnung des Windfeldes und der

Schadstoffausbreitung

Abbildung 4-13: Windfeldes für eine ausgewählte meteorologische Situation

Abbildung 4-14 zeigt das Ergebnis einer Ausbreitungsrechnung für ein Projektgebiet im Süden von Graz. Dargestellt ist der Jahresmittelwert der prognostizierten NO2 Belastung.

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Abbildung 4-14: Schadstoffausbreitung Jahresmittelwert NO2

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Verkehr & Umwelt Teil 2

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