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Towards Transnational Trade Union Representation? National Trade Unions and European Integration Towards Transnational Trade Union Representation? National Trade Unions and European Integration Veranstalter: Institut für soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum mit Unterstützung der Volkswagen-Stiftung Datum, Ort: 06.12.2007-08.12.2007, Bochum Bericht von: Claudia Hülsken, Benjamin Legrand, Bochum Die Europäische Union hat zu Beginn des 21. Jahr- hunderts einen weltweit einzigartigen Stand wirt- schaftlicher und politischer Integration erreicht. Auf europäischer Ebene gingen mit dem Eini- gungsprozess auch beträchtliche Auswirkungen auf die industriellen Beziehungen der einzelnen Mitgliedstaaten und Beitrittsländer einher. Um der bislang stark auf den jeweiligen nationalen Raum begrenzten Erforschung integrationsbeding- ter Herausforderungen für die Gewerkschaften der Mitgliedstaaten neue Impulse zu verleihen, veran- staltete das Institut für soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum mit Unterstützung der VW-Stiftung vom 6. bis 8. Dezember 2007 ei- ne internationale, interdisziplinäre Tagung. In de- ren Mittelpunkt stand die Frage, inwieweit die eu- ropäische Integration zu einer „Transnationalisie- rung der gewerkschaftlichen Interessenvertretung“ geführt habe. Der Tagung lag die Annahme zu- grunde, dass bei den nationalen Gewerkschaften – selbst wenn sie als „Nachzügler“ eher zöger- lich und defensiv auf die Veränderungen der eu- ropäischen Integration reagiert haben – vor allem in organisationsstruktureller Hinsicht ein Anpas- sungsprozess in den letzten Jahrzehnten zu beob- achten sei. In diesem Zusammenhang galt es zu untersuchen, ob sich infolge integrationsbedingter Anpassungen gewerkschaftlicher Strukturen und Politiken eine Annäherung der äußerst dispara- ten Gewerkschaftsstrukturen in Europa abzeich- net. Behandelt wurden diese Ausgangsüberlegun- gen nach einleitenden Überblicken zum konzep- tionellen Ansatz (JÜRGEN MITTAG) und zur be- grifflichen Reichweite der Transnationalisierungs- Kategorie (LUDGER PRIES) zunächst in Form ei- ner Analyse der einzelnen Mitgliedstaaten. Nationale Gewerkschaften in Europa: Reak- tionen auf die europäische Integration? Die erste Sektion unterstrich den interdiszipli- nären Anspruch der Konferenz mit einer fächer- übergreifenden Problematisierung des Untersu- chungsgegenstandes. Der Historiker WILFRIED LOTH (Universität Duisburg/Essen) betonte die spezifischen nationalen Traditionen der Gewerk- schaftsbewegung. Betrachtet werden müssten Ar- beitsbedingungen oder politische Orientierungen. In Frankreich oder Italien sei der Einfluss kom- munistischer Gewerkschaften sehr groß. Mit der Brille dieser spezifischen Wertesysteme würden die Gewerkschaften auch die EU betrachten – entweder als wichtige Arena oder nur als Bei- werk der nationalen Ebene. Der historische Zu- gang, so Loth, ermögliche schließlich das Erken- nen verschiedener Europäisierungsphasen der Ge- werkschaften. Aufgrund der nationalen Traditionen sind die Gewerkschaften für den Soziologen WALTHER MÜLLER-JENTSCH (Düsseldorf) weit davon entfernt, miteinander zu verschmelzen. Er richte- te den Blick auf die Akteure in Tarifkonflikten und ihre Arenen, in denen Konflikte institutionell ge- löst werden. Europa selbst sowie die Internationa- lisierung der Märkte stellen so neue Arenen für Kapital und Arbeit dar, jedoch fehle es auf die- ser Ebene bislang an einer Institution für Tarifver- handlungen. Auf zwei entgegengesetzte Entwicklungen ver- wies der Volkswirtschaftler ANDREAS BIELER (Universität Nottingham). Die gemeinsamen euro- päischen Institutionen wüchsen, nationale Organi- sationen blieben jedoch weiter bestehen. Die EU habe schon längst viele neue Kompetenzen gerade im öffentlichen Sektor gewonnen, viele Strategien von Akteuren zu dieser Entwicklung steckten je- doch noch in den Kinderschuhen. Unterschiede zwischen den in der Sektion ver- tretenden Fächern traten bei der Beurteilung des Europäisierungsgrades in der Forschung hervor. Während Bieler weiterhin eine starke Orientie- rung der Wissenschaft an nationalen Entwicklun- gen feststellte, räumte Loth einem Perspektiven- wechsel auch bei der Erforschung der Gewerk- schaften gute Chancen ein, da die Bedeutung von transnationalen Netzwerken in allen Feldern zu- nehme. Müller-Jentsch hingegen betonte, dass es Zeit sei, die Arbeit der europäischen Betriebsräte transnationaler Konzerne bzw. transnationale Ta- rifverhandlungen qualitativ anhand von Ergebnis- sen und Netzwerkstrukturen zu untersuchen. Führungsrolle der Gewerkschaften der EGKS-Gründerstaaten? In der ersten länderbezogenen Sektion standen die Gewerkschaften in den EGKS-Gründerstaaten Belgien, Frankreich und Deutschland im Fokus der © H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved.

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Towards Transnational Trade Union Representation? National Trade Unions and EuropeanIntegration

Towards Transnational Trade UnionRepresentation? National Trade Unionsand European Integration

Veranstalter: Institut für soziale Bewegungen derRuhr-Universität Bochum mit Unterstützung derVolkswagen-StiftungDatum, Ort: 06.12.2007-08.12.2007, BochumBericht von: Claudia Hülsken, Benjamin Legrand,Bochum

Die Europäische Union hat zu Beginn des 21. Jahr-hunderts einen weltweit einzigartigen Stand wirt-schaftlicher und politischer Integration erreicht.Auf europäischer Ebene gingen mit dem Eini-gungsprozess auch beträchtliche Auswirkungenauf die industriellen Beziehungen der einzelnenMitgliedstaaten und Beitrittsländer einher. Umder bislang stark auf den jeweiligen nationalenRaum begrenzten Erforschung integrationsbeding-ter Herausforderungen für die Gewerkschaften derMitgliedstaaten neue Impulse zu verleihen, veran-staltete das Institut für soziale Bewegungen derRuhr-Universität Bochum mit Unterstützung derVW-Stiftung vom 6. bis 8. Dezember 2007 ei-ne internationale, interdisziplinäre Tagung. In de-ren Mittelpunkt stand die Frage, inwieweit die eu-ropäische Integration zu einer „Transnationalisie-rung der gewerkschaftlichen Interessenvertretung“geführt habe. Der Tagung lag die Annahme zu-grunde, dass bei den nationalen Gewerkschaften– selbst wenn sie als „Nachzügler“ eher zöger-lich und defensiv auf die Veränderungen der eu-ropäischen Integration reagiert haben – vor allemin organisationsstruktureller Hinsicht ein Anpas-sungsprozess in den letzten Jahrzehnten zu beob-achten sei. In diesem Zusammenhang galt es zuuntersuchen, ob sich infolge integrationsbedingterAnpassungen gewerkschaftlicher Strukturen undPolitiken eine Annäherung der äußerst dispara-ten Gewerkschaftsstrukturen in Europa abzeich-net. Behandelt wurden diese Ausgangsüberlegun-gen nach einleitenden Überblicken zum konzep-tionellen Ansatz (JÜRGEN MITTAG) und zur be-grifflichen Reichweite der Transnationalisierungs-Kategorie (LUDGER PRIES) zunächst in Form ei-ner Analyse der einzelnen Mitgliedstaaten.

Nationale Gewerkschaften in Europa: Reak-tionen auf die europäische Integration?

Die erste Sektion unterstrich den interdiszipli-nären Anspruch der Konferenz mit einer fächer-übergreifenden Problematisierung des Untersu-chungsgegenstandes. Der Historiker WILFRIED

LOTH (Universität Duisburg/Essen) betonte diespezifischen nationalen Traditionen der Gewerk-schaftsbewegung. Betrachtet werden müssten Ar-beitsbedingungen oder politische Orientierungen.In Frankreich oder Italien sei der Einfluss kom-munistischer Gewerkschaften sehr groß. Mit derBrille dieser spezifischen Wertesysteme würdendie Gewerkschaften auch die EU betrachten –entweder als wichtige Arena oder nur als Bei-werk der nationalen Ebene. Der historische Zu-gang, so Loth, ermögliche schließlich das Erken-nen verschiedener Europäisierungsphasen der Ge-werkschaften.

Aufgrund der nationalen Traditionen sind dieGewerkschaften für den Soziologen WALTHERMÜLLER-JENTSCH (Düsseldorf) weit davonentfernt, miteinander zu verschmelzen. Er richte-te den Blick auf die Akteure in Tarifkonflikten undihre Arenen, in denen Konflikte institutionell ge-löst werden. Europa selbst sowie die Internationa-lisierung der Märkte stellen so neue Arenen fürKapital und Arbeit dar, jedoch fehle es auf die-ser Ebene bislang an einer Institution für Tarifver-handlungen.

Auf zwei entgegengesetzte Entwicklungen ver-wies der Volkswirtschaftler ANDREAS BIELER(Universität Nottingham). Die gemeinsamen euro-päischen Institutionen wüchsen, nationale Organi-sationen blieben jedoch weiter bestehen. Die EUhabe schon längst viele neue Kompetenzen geradeim öffentlichen Sektor gewonnen, viele Strategienvon Akteuren zu dieser Entwicklung steckten je-doch noch in den Kinderschuhen.

Unterschiede zwischen den in der Sektion ver-tretenden Fächern traten bei der Beurteilung desEuropäisierungsgrades in der Forschung hervor.Während Bieler weiterhin eine starke Orientie-rung der Wissenschaft an nationalen Entwicklun-gen feststellte, räumte Loth einem Perspektiven-wechsel auch bei der Erforschung der Gewerk-schaften gute Chancen ein, da die Bedeutung vontransnationalen Netzwerken in allen Feldern zu-nehme. Müller-Jentsch hingegen betonte, dass esZeit sei, die Arbeit der europäischen Betriebsrätetransnationaler Konzerne bzw. transnationale Ta-rifverhandlungen qualitativ anhand von Ergebnis-sen und Netzwerkstrukturen zu untersuchen.

Führungsrolle der Gewerkschaften derEGKS-Gründerstaaten?

In der ersten länderbezogenen Sektion standendie Gewerkschaften in den EGKS-GründerstaatenBelgien, Frankreich und Deutschland im Fokus der

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Analyse. PATRICK PASTURE (Universität Leu-ven) widmete dem Wandel europabezogener In-teressen und Aktivitäten der belgischen Gewerk-schaftsverbände besondere Aufmerksamkeit. Die-sen Wandel verortete er in den 1980er-Jahren undführte ihn primär auf die gewerkschaftlichen Aus-einandersetzungen mit sozio-ökonomischen Pro-blemen zurück. Trotz der wachsenden Unzufrie-denheit mit der europäischen Gewerkschaftspoli-tik sei den belgischen Gewerkschaften, die sich vordiesem Wandel als starke Befürworter der Integra-tion profiliert hatten, der Glaube an die suprana-tionale Problemlösungsfähigkeit grundsätzlich er-halten geblieben. Dies habe sich in den 1990er-Jahren unter anderem in der starken Unterstüt-zung eines autonomen und mit eigenen Kompeten-zen ausgestatteten Europäischen Gewerkschafts-bundes (EGB) gezeigt.

Die französischen Gewerkschaften hätten zwarnicht unverzüglich auf die integrationsbedingtenHerausforderungen reagiert, aber die Hypothe-se der „Nachzügler“ sei, so konstatierte JEAN-MARIE PERNOT (EHESS Paris), für das fran-zösische Beispiel nicht generell haltbar. Jede re-levante Veränderung auf europäischer Ebene habezu divergierenden Positionen der drei großen Ge-werkschaftsverbände (FO, CFTC und CFE-CGC)geführt und innerstaatliche Diskussionen und De-batten provoziert – so zum Beispiel in Bezug aufdie Gründung der EGKS, die Errichtung des Ge-meinsamen Marktes oder angesichts der Aufnah-me neuer Mitgliedsländer. In diesem Sinne sei Eu-ropa auch immer eine Quelle der Modernisierungund Profilierung der nationalen Gewerkschaftsbe-wegung gewesen.

Aus historischer Sicht gab STEPHAN SEIFEN(Ruhr-Universität Bochum) einen Überblick überdie Entwicklung der deutschen Gewerkschaftennach 1945 im Spiegel der politischen und wirt-schaftlichen Entwicklung auf europäischer und na-tionaler Ebene. In diesem Kontext betonte er, dasssich Industriegewerkschaften und Dachverbänderelativ schnell als selbstbewusste Akteure auf eu-ropäischer Ebene profilieren konnten. Die deut-schen Gewerkschaften hätten immer, sowohl beimAufbau sektoraler Strukturen in Europa als auchbei der Gründung des EGB, eine Führungsrolle in-negehabt. Im Gegensatz dazu seien auf nationa-ler Ebene keine größeren organisatorischen Anpas-sungen vorgenommen worden.

Die starke Korrelation zwischen den institutio-nellen Veränderungen der europäischen Ebene und

der Europäisierung der Gewerkschaften hob derSektionsvorsitzende KARL LAUSCHKE (Univer-sität Dortmund) im Anschluss an die Vorträge her-vor. Er leitete hieraus Anregungen zu einer kom-plexeren und nach einzelnen Politikfeldern unter-teilten Strategieanalyse der Gewerkschaften ab. ImRahmen der folgenden Frage- und Diskussions-runde wurde unter anderem kontrovers die The-se debattiert, dass Gewerkschaften, die starke in-nerstaatliche Einflussmöglichkeiten und Verhand-lungsmacht besitzen, weniger Interesse an der eu-ropäischen Ebene zeigen.

Britische, irische und dänische Gewerkschaf-ten zwischen Zurückhaltung und Widerstand?

Zum Auftakt der dritten Sektion betonte RI-CHARD HYMAN (London School of Economicsand Political Science) in seinem Beitrag „BritishUnions and Europe: Sceptics or Converts?“, dasssich am Beispiel der britischen Gewerkschaftenbesonders eindrücklich die Veränderung der Hal-tung gegenüber der europäischen Integration mit-hilfe einer Periodisierung anhand wichtiger Wen-depunkte aufzeigen ließe. Waren die britischenGewerkschaften bis Ende der 1980er-Jahre gegen-über den Gemeinschaftsinstitutionen sowie weite-ren Integrationsschritten skeptisch bis ablehnendeingestellt, „konvertierten“ sie Anfang der 1990er-Jahre zu grundsätzlichen Befürwortern des euro-päischen Einigungsprojekts.

Eine andere Entwicklung wurde von JOE WAL-LACE (Universität Limerick) für Irland ausge-macht. Während hier das Interesse an Europa undbesonders an der Schaffung eines GemeinsamenMarktes seitens der Gewerkschaften bereits in den1950er- und 1960er-Jahren konstant hoch war, lie-ße sich gegen Ende der 1960er-Jahre eine Stagna-tion beobachten. In diesem Zeitraum führten dieirischen Gewerkschaften öffentliche und kontro-verse Debatten über die Vor- und Nachteile ei-nes Beitritts (1970-1972), die in einer Kampagnegegen die EG-Mitgliedschaft mündeten. Unmit-telbar nach dem Beitritt Irlands 1973 versuchtendie Gewerkschaften, durch die die Arbeit in EG-Ausschüssen Einfluss auf eine politische Regulie-rung der Sozial- und Regionalpolitik zu nehmen.

Nach dem EG-Beitritt Dänemarks 1973, so er-läuterte HERMANN KNUDSEN (Universität Aal-borg), beschäftigten sich die dänischen Gewerk-schaften, wenn überhaupt, sehr zurückhaltend mitden industriellen Beziehungen auf europäischerEbene. In diesem Zusammenhang setzten sie sichweniger mit materiellen Inhalten auseinander, son-

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dern thematisierten vor allem potenzielle negativeEffekte auf das dänische System industrieller Be-ziehungen. Charakteristisch für die europabezoge-ne Einstellung der dänischen Gewerkschaften sei-en die Befürwortung einer Politik der minimalenHarmonisierung und die Betonung des Subsidiari-tätsprinzips. Aus Angst vor „sozialem Dumping“und einer Aushöhlung der hohen dänischen Ar-beitsstandards leisteten sie in den 1980er-Jahrenvergeblichen Widerstand gegen das europäischeBinnenmarktprojekt.

Die anschließende, vom Bochumer HistorikerBERND BÜHLBÄCKER geleitete Diskussions-runde gab den Tagungsteilnehmern unter anderemGelegenheit, methodische Probleme zu erörternund insbesondere die Frage zu debattieren, ob einePeriodisierung der richtige Ansatz für die Analyseder gewerkschaftlichen Haltung zum europäischenIntegrationsprozess sei.

Pluralisierung oder Polarisierung? Gewerk-schaften aus der südlichen Perspektive

In zweifacher Hinsicht waren Grenzüberschrei-tungen das Thema der vierten Sektion, die nacheiner spezifischen „südlichen Dimension“ der Eu-ropäisierung von Gewerkschaftsbewegungen inGriechenland, Italien, Spanien und Österreichfragte. Die Antwort fiel zwiespältig aus, da grenz-überschreitende ideologische Grenzen in den letz-ten Jahren zwar abgebaut wurden, die Zusammen-arbeit über Ländergrenzen hinweg hingegen nochzu wenig forciert worden sei.

Italien ist ein Beispiel für einen dritten Weg zwi-schen der deutschen Sozialpartnerschaft und dembritischem Freiwilligensystem – laut SERAFINONEGRELLI (Universität Milano/Bicocca) eine Artpragmatischer Herangehensweise. Angesichts ei-ner seit 1990 kritischen wirtschaftlichen und poli-tischen Situation hatten die Gewerkschaften in den1990er-Jahren eine Anpassungsstrategie in Rich-tung Europäisierung unterstützt. Nun aber stoßediese Strategie an ihre Grenzen. Durch die Refor-men, die zu einem Anwachsen des Niedriglohn-sektors führten, habe die Lohnfrage an Bedeutungverloren – und somit auch die Gewerkschaften sel-ber.

Die griechischen Gewerkschaften erlebten überdie Jahrzehnte hinweg einen Wandel ihrer Einstel-lung zur Europäisierung. Für CHRISTOS A. IO-ANNOU (AUEB Athen) schwächte sich die klareAnti-EG-Haltung ab dem Beitritt 1974 seit 1996zu einem Europa-Skeptizismus ab. Immer nochseien die stark parteipolitisch geprägten Arbeit-

nehmerorganisationen an Europa nicht besondersinteressiert. Ioannou stellte die Vorstellung in Fra-ge, dass die Europäisierung ein linearer Prozesssei. Dennoch: die radikalen Veränderungen in derArbeitswelt erhöhten den Druck auf Gewerkschaf-ten.

Die vielschichtigen Lernprozesse der Gewerk-schaften in Spanien durch die Demokratisierungund die Europäisierung betonte MIGUEL MAR-TINEZ LUCIO (Universität Bradford). Die spa-nische Gewerkschaftsbewegung begreife Europadeshalb sehr wohl als Arena, auch für das Wachs-tum des Wohlstandes. Mit dieser Sicht stießen diespanischen Gewerkschaften jedoch an die Gren-zen: Die Sozialpolitik in Europa stelle nur denkleinsten gemeinsamen Nenner dar, in den Institu-tionen werde die Angebotsseite immer stärker prä-feriert. Diese Entwicklung setze die europafreund-lichen Gewerkschaften unter Druck. Die Zusam-menarbeit mit anderen Ländern Südeuropas, aberauch mit Lateinamerika, sei eine Herausforderung.

Weniger eine südliche als eine westlich-östlicheOrientierung weisen die Gewerkschaften in Ös-terreich auf, wie FERDINAND KARLHOFER(Universität Innsbruck) zeigte. Er erläuterte dieBrückenfunktion der österreichischen Gewerk-schaften während des „kalten Kriegs“ zwischenOst- und Westeuropa. Nach dem Fall des „eisernenVorhangs“ habe der ÖGB sehr schnell Verbindun-gen zu den östlichen Nachbarorganisationen auf-gebaut – nicht primär aus einem Solidaritätsgedan-ken heraus, sondern aus Eigeninteresse. Die Euro-päisierung habe zwar spät begonnen, sei dafür aberumso intensiver verlaufen. Indikator hierfür sei dermittlerweile beträchtliche Personalstand in Brüs-sel, durch den das relativ kleine Mitgliedsland aufeuropäischer Ebene vertreten wird.

Die Macht des Wohlstands? Die Gewerk-schaften der Länder Nordeuropas und die eu-ropäische Integration

Die Gewerkschaften der nordeuropäischen Län-der Schweden und Finnland rückten in der fünftenSektion – unter dem Vorsitz von JÖRG RUMPF,Historiker aus Haltern am See – in den Mittelpunktder Betrachtung. Zunächst wurden von NATHANLILLIE (Universität Groningen) die Charakteris-tika des nordischen Modells der industriellen Be-ziehungen, wie etwa eine hohe gewerkschaftlicheMitgliederquote und die starke nationale Positionder Gewerkschaften, skizziert.

Als ein typisches Beispiel des „Nordic corpo-ratist type“ stufte SOPHIA MURHEM (Universi-

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tät Uppsala) das schwedische System industriel-ler Beziehungen ein. Nach dem Beitritt Schwedenszur EU 1995 begannen die schwedischen Gewerk-schaften damit, ihre Aktivitäten, ihre Organisationund ihre personellen sowie finanziellen Ressour-cen im internationalen Bereich zugunsten der eu-ropäischen Ebene zu verlagern. Mit hohem finan-ziellem Aufwand wurden sowohl die Vertretungin Brüssel als auch die Koordinationsaktivitätenmit anderen nordischen Staaten sowie die Treffenmit den Sozialpartnern betrieben. Murhem beton-te, dass die Gewerkschaften in Schweden, nebender Wahrung ihrer starken Stellung auf nationa-ler Ebene, vor allem die Verbreitung des schwe-dischen Modells der industriellen Beziehungen inEuropa anstreb(t)en – nicht zuletzt, um das Lohn-niveau und die Arbeitsbedingungen im eigenenLand zu schützen.

Im Gegensatz zum schwedischen Beispiel kon-statierte TAPIO BERGHOLM (SAK)1 in seinemVortrag – primär mit Blick auf die Zentralorga-nisation der finnischen Gewerkschaften – die fürnordische Gewerkschaften eher atypisch schwacheMitgliederquote zu Beginn des europäischen Ei-nigungsprozesses. Die Haltung zum europäischenIntegrationsprozess sei vor allem von Skepsis ge-prägt gewesen. Als ein wesentlicher Grund könnein diesem Zusammenhang die starke Position derKommunisten innerhalb der finnischen Gewerk-schaften herangezogen werden. Erst im Zuge desBeitritts Finnlands zur EU habe die finnische Ge-werkschaftsbewegung letztlich den Widerstand ge-gen die europäische Integration aufgegeben.

Im Zentrum der anschließenden Plenumsdebat-te stand die Frage nach gewerkschaftlichen Reak-tionen. Bergholm erklärte, dass die Arbeiterbewe-gung noch nicht den gleichen Flexibilitätsgrad wiedas Kapital erreicht habe. Die Gewerkschaften sei-en jedoch vorwiegend positiv gegenüber der eu-ropäischen Integration eingestellt. Finnische Ge-werkschaften formierten sich in Verbänden und an-deren zentralen Organisationen, um den Heraus-forderungen der Trans- und Internationalisierungzu begegnen.

Opfer der Transformation? Gewerkschaften im„neuen“ Mitteleuropa

Mit der Analyse der polnischen, ungarischen,tschechischen und slowakischen Gewerkschaftenstand in der sechsten Sektion das „neue“ Mittel-europa der EU-27 im Mittelpunkt. In diesen Län-

1 Suomen Ammattiliittojen Keskusjärjestö (Zentralverbandder finnischen Gewerkschaften)

dern waren die Gewerkschaften tragende Säulender Wende von 1989, haben seitdem aber merk-lich an Boden verloren. Ihre Mitgliederzahlen san-ken deutlich, weil sich die Arbeitnehmer von ih-nen nicht repräsentiert fühlten. Die Gewerkschaf-ten hielten zu lange an veralteten Strukturen fest,so der kritische Tenor dieser Sektion. CLEMENSRODE (Friedrich-Ebert-Stiftung Warschau) erin-nerte daran, dass in wenigen Jahren in Osteuro-pa eine Entwicklung stattfand, die in Westeuropa150 Jahre dauerte. In Polen ergebe sich für die Ge-werkschaften keine einfache Situation. Seit 1989seien die Mitgliederzahlen eingebrochen, der Or-ganisierungsgrad sei nur noch im Bergbau- sowieim Eisen- und Stahl-, Eisenbahn- und Bildungs-sektor hoch. Die Gewerkschaftslandschaft sei zer-splittert in drei große Dachverbände, diverse au-tonome Organisationen auf regionaler Ebene so-wie einzelne Gewerkschaften in einzelnen Betrie-ben. Auch nach der Wende hielten Dachverbändean den althergebrachten Strukturen fest, die denheutigen Anforderungen jedoch nicht mehr genüg-ten. Der Schwerpunkt der Gewerkschaftstätigkeitliege auf der Betriebsebene, wo die Mitgliedsbei-träge eingenommen und zur Gewerkschaftsarbeitwieder ausgegeben würden. Wenig Geld fließt so-mit in höhere Organisationsebenen, in denen es angeeigneten Strukturen für eine überregionale Ge-werkschaftspolitik fehle.

Ähnlich wie in Polen sind auch in Ungarndie Mitgliederzahlen deutlich zurückgegangen.Im Durchschnitt, erklärte ANDREJ STUCHLIK(Freie Universität Berlin), betrage der Organisati-onsgrad nur noch 17 Prozent, wobei er in staatli-chen Sektoren, die von Privatisierung bedroht sei-en, etwas höher liege. In Ungarn sei die Bedeu-tung von kleinen und mittelständischen Unterneh-men sehr groß, was die Arbeit der Gewerkschaftenerschwere. Damit wachse auch die Unzufrieden-heit mit den Gewerkschaften selber. Die Transfor-mation des Landes habe nicht alle Menschen er-reicht, viele Gruppen verteidigten deshalb vor al-lem soziale Errungenschaften. Ein Fortschritt stell-te Stuchlik im Verhältnis zwischen der Regierungund den Tarifparteien fest.

Die slowakischen Gewerkschaften, so kon-statierte MÁRIA SVORENOVA (Gewerkschafts-bewegung der Slowakischen Republik), hättennach der Wende zunächst eine progressive Rol-le gespielt. Die Bedeutung der Arbeiterzusam-menschlüsse im slowakischen System industriellerBeziehungen habe seitdem aber sukzessive abge-

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nommen. Die Zahl der Mitglieder sank von 2,4Millionen (1990) auf 390.000 (2006). Die Ge-werkschaften hätten noch nicht den Weg gefun-den sich wie Gewerkschaften zu verhalten, son-dern agierten eher wie Verwaltungen. Eine Verhal-tensänderung prognostizierte die Referentin in Be-zug auf den Beitritt der Slowakei zur Euro-Zone,da die Menschen sich aufgrund einer gemeinsamenWährung leichter mit anderen Ländern vergleichenkönnen, und infolgedessen stärker für ihre Interes-sen kämpfen werden.

Die Transformation der Gewerkschaften inden „neuen“ und „kleinen“ Mitgliedsländern

Zu Beginn der siebten Sektion begründeteder Sektionsvorsitzende DIMITRIJ OWETSCH-KIN (Ruhr-Universität Bochum) zunächst die Zu-sammenfassung der „jungen“ EU-Mitgliedstaaten(Estland, Litauen, Slowenien) in einer Sektion. DieAnalyse dieser Länderbeispiele aus einer histori-schen Perspektive sei im besonderen Maße mitdem Forschungsinteresse verbunden, Veränderun-gen in Kleinstaaten nach dem Zusammenbruch derSowjetunion Anfang der 1990er-Jahren zu identi-fizieren und zu analysieren.

Im Hinblick auf die Situation der Gewerkschaf-ten in Estland konstatierte RAUL EAMETS (Uni-versität Tartu) für die frühen 1990er-Jahre einenrapiden Mitgliederschwund sowie die Genese ei-nes neuen Typus der Arbeiterorganisation. DieRolle der Gewerkschaften bzw. ihre Verhandlungs-macht habe sich seit dem EU-Beitritt trotz sinken-der Mitgliederzahlen signifikant verbessert. DenHauptgrund hierfür sah Eamets in der generellenZunahme der wirtschaftlichen Aktivität Estlands.

JULIJA MOSKVINA vom „Institute of labourand social research“ (Vilnius) betonte, dass derEinfluss der EU-Mitgliedschaft Litauens auf dienationalen Gewerkschaften in vielfältiger Weiseevident wird: Durch die Ergänzung um die eu-ropäische Ebene stiegen sowohl die Handlungs-als auch die finanziellen Möglichkeiten der litaui-schen Gewerkschaften. Die Einbindung in Pro-jekte auf europäischer Ebene und die Mitglied-schaft im EGB würden den nationalen Arbeiter-zusammenschlüssen helfen, Einfluss auf den euro-päischen Meinungs- und Entscheidungsprozess zunehmen und somit nationale Interessen in der EU-Arena geltend zu machen.

MIROSLAV STANOJEVIC (UniversitätLjubljana) widmete der historischen Entwicklungder Gewerkschaften in Slowenien sowie demPrivatisierungsprozess und der aktuellen Beschäf-

tigungsstruktur besondere Aufmerksamkeit. Wiein den beiden anderen Ländern der Sektion sei derrapide Mitgliederschwund ein charakteristischesMerkmal der slowenischen Gewerkschaften nach1990/91. Stanojevic hob besonders die Bedeutungdes starken Anstiegs der Arbeitsintensivierunghervor, der durch das „Welfare production system“(WRP) ermöglicht wird.

Im Anschluss an die einzelnen Ländervor-träge wurden wesentliche Ergebnisse resümiert.Alle drei Länderbeispiele weisen trotz Mitglie-derschwund seit Anfang der 1990er-Jahre fes-te gewerkschaftliche Organisationsstrukturen auf,und jede der vorgestellten Arbeitnehmerzusam-menschlüsse misst der europäischen Kooperationder Arbeiterbewegung eine hohe Bedeutung zu.An der Genese eines neuen gewerkschaftlichenTypus nach 1990/91 wird zudem die starke Kor-relation zwischen dem Wirtschaftsystem und demEntwicklungsgrad der jeweiligen Gewerkschaftendeutlich.

Südosteuropa zwischen Staatsgewerkschaftoder Autonomie?

Dass die Unabhängigkeit der Gewerkschaftenvom Staat entscheidend ist, um von den Arbeit-nehmern als Repräsentant anerkannt zu werden,war eine wesentliche Erkenntnis der achten Sek-tion. Ausgerechnet eine Krise habe die bulgari-schen Gewerkschaften wieder zu neuem Enga-gement erweckt, berichtete GRIGOR GRADEV(ETUI-REHS, Sofia). Der Bankenkollaps und derWährungsverfall, in denen die stete Verschlechte-rung der wirtschaftlichen Lage und der massiveAbbau der Sozialsysteme 1996 gipfelte, habe denGewerkschaften die Möglichkeit geboten, sich vonder Regierung zu lösen. Mit Demonstrationen setz-ten sich ihre Mitglieder für einen Regierungswech-sel ein. Schon früher, 1993, waren die Gewerk-schaften in einen Sozialen Dialog mit den Arbeit-gebern und dem Staat eingetreten. Über die Jahrewurden die Gewerkschaften feste Repräsentantender Arbeitnehmer, die nicht mehr einseitig auf Sei-te der Regierung standen.

Radikaler war der Systemwechsel in Rumäni-en. Nach der Revolution 1989 hatten die Men-schen eine falsche Vorstellung von Demokratie,wie ANITTA ORZAN (Universität Freiburg) aus-führte. Dementsprechend hätten sich auch die Ge-werkschaften falsch aufgestellt: Sie hatten sich ho-he Ziele gesetzt und Versprechungen gegeben, dienicht einzuhalten waren. Dies enttäuschte die Ar-beitnehmer. Seit 1991 sieht Orzan die rumänischen

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Gewerkschaften in einer permanenten Krise, ge-prägt von Mitgliederschwund und Zersplitterungauch in einzelnen Betrieben. Wie der Beitritt desLandes zur Europäischen Union und die Mitglied-schaft der Gewerkschaften in der ILO helfen kön-nen, bleibe abzuwarten.

Dass ein direkter Eingriff des Staates in die Ta-rifverhandlungen scheitern kann, zeigte SAVIOURRIZZO (Universität Malta) anhand von Arbeiter-räten in der maltesischen Regierung vor einigenJahrzehnten. Diese Räte galten unter den Arbei-tern schnell als Mittel, die Gewerkschaften zu un-terlaufen, und sie scheiterten. Die Mitgliederzahlder Gewerkschaften stieg in den letzten Jahrzehn-ten insgesamt deutlich an. Der Organisationsgradliegt bei 60 Prozent. Die Gründe für diesen Er-folg liegen in der regionalen Konzentration der In-dustrie, in der flachen Organisation der Gewerk-schaften und in den Tarifverhandlungen auf Be-triebsebene.

In der Türkei liegt der Organisationsgrad derGewerkschaften ebenfalls bei 59 Prozent (2005).Doch dieser Wert bezieht sich auf die Beschäf-tigten in sozialversicherungspflichtigen Jobs, wieMANFRED WANNÖFFEL (Ruhr-Universität Bo-chum) verdeutlichte. Diese machten nur denkleinsten Teil des türkischen Arbeitsmarktes aus,da Gewerkschaften in der türkischen Gesellschaftnicht verwurzelt seien. Das schränke ihre Reprä-sentationsrolle ein, um andere soziale Problemeanzusprechen. Wenn die Gewerkschaften bei derEuropäisierung der Türkei eine Rolle als gesell-schaftlicher Faktor spielen wollen, müssten siemehr Rechte erhalten. Diese Forderungen würdenin der Türkei selber nur von dem sozialdemokra-tischen und regierungskritischen Dachverband Fe-deration of Revolutionary Trade Unions erhoben.

Die transnationale und europäische Dimensi-on gewerkschaftlicher Kooperation

In der abschließenden Sektion erfolgte einWechsel der Untersuchungsperspektive. Im Mit-telpunkt der Beiträge stand die transnationale undeuropäische Zusammenarbeit der Gewerkschaf-ten in Europa. Transnationale Formen gewerk-schaftlicher Kooperation und Strategien wurdenvon IDAR HELLE (Universität Oslo) und THO-MAS FETZER (LSE) am Beispiel der deutsch-französischen bzw. der deutsch-britischen Bezie-hungen untersucht. Die gemeinsame Zielvorstel-lung der französischen und deutschen Gewerk-schaftsbewegung, so Helle, war die Transforma-tion eines Gemeinsamen Marktes in ein „sozia-

les Europa“, das nicht allein der ökonomischenBinnenmarktlogik unterworfen sein sollte. Für ei-ne differenzierte Untersuchung entwickelte er eineTypologie mit unterschiedlichen Kategorien bila-teraler Strategien.

Eine vergleichende Analyse der britischen undder deutschen Gewerkschaften präsentierte Tho-mas Fetzer. Obwohl sich die Positionen von TUCund DGB in vielen Aspekten deutlich unterschie-den, lassen sich einige Gemeinsamkeiten feststel-len, wie etwa die Tatsache, dass bis in die späten1980er-Jahre die supranationale Entscheidungs-ebene in der gewerkschaftlichen Strategie kaumeine Rolle gespielt hat. Erst Ende der 1980er-,Anfang der 1990er-Jahre sei ein simultaner, abervon unterschiedlichen Formen und Intensitätsgra-den geprägter Anstieg gewerkschaftlicher Aktivi-täten auf europäischer Ebene zu verzeichnen.

Die Anzahl und die Bedeutung vonKooperations- und Integrationsformen nationalerOrganisationen nehmen kontinuierlich zu. CYRILKIRCHES (Universität zu Köln) beschäftigte sichmit der organisationsstrukturellen Dimension derEuropäisierung nationaler Gewerkschaften: demEuropäischen Gewerkschaftsbund. Kirches bün-delte wesentliche Akteurseigenschaften des EGBin der Beschreibung „Bound Giant“: Zum einenfungiere der EGB als bedeutendstes Instrumentder nationalen Gewerkschaften auf europäischerEbene und sei demnach ein potenzieller „Riese“.Auf der anderen Seite sei dieser jedoch gefangenund eingeengt durch seine Orientierung auf unddie Abhängigkeit von den EU-Institutionen sowiedurch seinen Anspruch, als Repräsentant derheterogenen europäischen Arbeiterbewegung zuagieren. Bewertet und ergänzt wurden die Beiträgedieser Sektion im Rahmen ausführlicher Kom-mentare aus geschichts- (WILLY BUSCHAK)bzw. politikwissenschaftlicher Sicht (RAINEREISING).

BilanzAm Ende der Tagung fassten KLAUS TENFEL-

DE und JÜRGEN MITTAG die wichtigsten Ergeb-nisse zusammen. Die Länder-Dimension habe sichihnen zufolge als solide Ausgangslage für wei-tere Untersuchungen und Analysen erwiesen, daes eben nicht einen einheitlichen Typus gewerk-schaftlicher Reaktionen auf die Herausforderungder europäischen Integration gebe, sondern viel-mehr zahlreiche unterschiedliche Wege und Zu-gänge. Der Versuch, verschiedene Wissenschafts-disziplinen im Rahmen einer Tagung zusammen-

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Towards Transnational Trade Union Representation? National Trade Unions and EuropeanIntegration

zubringen, habe nicht nur wichtige Ergebnisse ge-bracht, sondern auch neue Fragen aufgeworfen undden Blick auf neue Analysemethoden gelenkt.

Kurzübersicht

Donnerstag, 6.Dezember 2007

KLAUS TENFELDE: Welcome and Opening

Introduction: European integration, social policyand national trade unions

JÜRGEN MITTAG: Approaches and challengesLUDGER PRIES: Transnationalisation of labourrelations

Section I: How do national trade unions react toEuropean integration? Interdisciplinary round ta-bleANDREAS BIELER (Political Economy), WIL-FRIED LOTH (History), WALTHER MÜLLER-JENTSCH (Sociology),WOLFGANG PLATZER (Political Science)Chair: KLAUS TENFELDE

Section II: The leadership of the founding mem-bers? Trade unions in the ECSC member statesBelgium: PATRICK PASTUREFrance: JEAN-MARIE PERNOTGermany: STEPHAN SEIFENChair and Comments: KARL LAUSCHKE

Freitag, 7.Dezember 2007

Section III: Expressing reluctance? Trade unionsand the „EFTA world“United Kingdom: RICHARD HYMANIreland: JOE WALLACEDenmark: HERMAN KNUDSENChair and Comments: BERND BÜHLBÄCKER

Section IV: Plurality and polarisation? Trade uni-ons and the „southern“ dimensionGreece: CHRISTOS A. IOANNOUItaly: SERAFINO NEGRELLISpain: MIGUEL MARTINEZ LUCIOAustria: FERDINAND KARLHOFERChair and Comments: WOLFGANG KOWALS-KY

Section V: The power of welfare? Trade unionsand the „northern“ dimensionSweden: Sofia MurhemFinland: TAPIO BERGHOLMComments: NATHAN LILLIEChair and Comments: JÖRG RUMPF

Section VI: Victims of transformation? Trade uni-

ons in the „new“ Central EuropePoland: CLEMENS RODEHungary: ANDREJ STUCHLIKCzech Republic: PETER HEUMOSSlovak Republic: MÁRIA SVORENOVÁChair and Comments: SONJA GIESE

Samstag, 8.Dezember 2008

Section VII: Starting from zero? Trade unions inthe „new“ small member statesEstonia: RAUL EAMETSLithuania: JULIJA MOSKVINASlovenia: MIROSLAV STANOJEVICChair and Comments: DIMITRIJ OWETSCHKIN

Section VIII: South Eastern Europe between stateunionism and autonomy?Bulgaria: GRIGOR GRADEVRumania: ANITTA ORZANMalta: SAVIOUR RIZZOTurkey: MANFRED WANNÖFFELChair and Comments: GUNNAR SANDKÜHLER

Section IX: The Transnational and European Di-mensionThe ETUC: CYRIL KIRCHESTrade unions’ strategies in a bilateral Europeanperspective: The German-French Focus: IDARHELLEA European turn and its limits: British and Ger-man trade unions and European integration in thelate 1980s and early 1990s: THOMAS FETZERComment from the perspective of political science:The access of interests to EU institutions: RAI-NER EISINGChair and Comments from a historical perspective:WILLY BUSCHAK

Summing up and Perspectives: KLAUS TENFEL-DE und JÜRGEN MITTAG

Tagungsbericht Towards Transnational Trade Uni-on Representation? National Trade Unions andEuropean Integration. 06.12.2007-08.12.2007,Bochum. In: H-Soz-u-Kult 02.06.2008.

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