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TOM EGELAND Das Luzifer Evangelium

TOM EGELAND Das Luzifer Evangelium - … · aus Eliphas Lévis Werk Dogme et Rituel de la Haute Magie (1854)

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TOM EGELAND

Das Luzifer Evangelium

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Buch

Rom 1970. Silvana, die zehnjährige Tochter von Giovanni Nobile, dem bekannten Dämonenforscher an der vatikanischen Universität, wird von Mitgliedern einer religiösen Sekte entführt und in einen Sarg ge-sperrt. Sie soll erst freikommen, wenn Nobile den Sektenanhängern das »Luzifer Evangelium«, eine mehrere tausend Jahre alte Schrift,

übergibt. Gelingt es ihm nicht, wird Silvana qualvoll ersticken.Kiew 2009. In den Katakomben eines Klosters wird ein Schriftstück entdeckt und von dem norwegischen Archäologen Bjørn Beltø zur ge-naueren Untersuchung außer Landes gebracht. Bei seiner Rückkehr nach Oslo erwartet Beltø Schreckliches: Als er den befreundeten His-toriker Christian Keiser in dessen Haus aufsucht, findet er ihn tot im Bett vor – ermordet. Und es soll nicht bei einem Toten bleiben. Alle Morde scheinen etwas mit der alten Schrift in Beltøs Besitz zu tun zu haben. Und er ahnt, dass die Mörder nicht eher ruhen werden, bis sie das Schriftstück an sich gebracht haben. Denn man sagt ihm nach, es sei das über 4000 Jahre alte »Luzifer Evangelium« und sein Inhalt un-geheuerlich. Und Beltø soll Recht behalten: Bald wird auch er selbst verfolgt und muss fortan alles daran setzen, die Schrift zu entschlüs-seln, um zu verstehen, was es damit auf sich hat. Doch je tiefer er in die Geheimnisse des Manuskripts vordringt, desto mehr wünscht er sich,

er wäre nie mit dessen Inhalt in Berührung gekommen …

Autor

Tom Egeland, geboren 1959, gilt als einer der meistgelesenen Thril-ler-Autoren Norwegens. Zwei Jahre vor dem Erscheinen von Dan Browns »Sakrileg« schrieb Tom Egeland seinen internationalen Best-seller »Frevel«, der in 18 Sprachen übersetzt wurde. Seit 1992 arbeitet Tom Egeland außerdem als Nachrichtenchef bei dem norwegischen

Fernsehsender TV2 in Oslo.

Von Tom Egeland außerdem lieferbar:

Frevel. Roman (46092)Wolfsnacht. Roman (46254)Hexenbrett. Roman (46156)

Tabu. Roman (46573)Der Pakt der Wächter. Roman (46822)

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Tom Egeland

Das Luzifer Evangelium

Thriller

Deutsch

von Günther Frauenlob

und Maike Dörries

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Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel »Lucifers Evangelium«

bei Aschehoug & Co., Oslo

Verlagsgruppe Random House fsc-deu-0100Das für dieses Buch verwendete fsc®-zertifi zierte Papier

München Super liefert Arctic Paper Mochenwangen GmbH.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung April 2011

Copyright © der Originalausgabe 2009 by H. Aschehoug & Co.

(W. Nygaard) AS, Oslo, Norway

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur München

Umschlagmotiv: FinePic, München

Redaktion: Kristina Lake-Zapp

IK · Herstellung: Str

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

ISBN: 978-3-442-47336-6

www.goldmann-verlag.de

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Darstellung des Dämonen Baphometaus Eliphas Lévis Werk

Dogme et Rituel de la Haute Magie (1854)

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Ilia sa-ba-si-su zu-za-su ul i-mah-har-su iluz ma-am »– man

ru-u-ku lib« – ba-su su-›i-id‹ »kar-as-su«

Wenn er (Marduk) wütend umherschaut,

dann gibt er nicht nach,

wenn sein Ärger entflammt,

kann ihm kein Gott entgegentreten.

Der Babylonische Schöpfungsmythos Enuma Elisch

Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern!

Jesaja 14,12

Und wenn tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan aus

seinem Gefängnis losgelassen werden … Und der Teufel,

der sie verführte, wurde in den Pfuhl von Feuer und Schwefel

geworfen, wo schon das Tier und der falsche Prophet waren;

dort werden sie gequält werden Tag und Nacht,

von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Offenbarung des Johannes

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Vorhergehende Seite: Im babylonischen Schöpfungsmythos Enuma Elisch – der in akkadischer Keilschrift auf sieben Tontafeln geschrieben wurde – wird der mesopotamische Gott Marduk zum mächtigsten aller Götter er-hoben. In den Büchern Mose, die etwa zweihundertfünfzig Jahre später begonnen wurden, wird auf ähnliche Weise der abrahamitische Gott Elo-him ( Jahwe) zum einzig wahren, allmächtigen Gott des Judentums (und später des Christentums) erkoren.

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Inhalt

Prolog 13

Teil I Diener des Satans 19

Teil II Die sieben Siegel 227

Teil III Die Söhne Gottes 373

Epilog 501

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Ich bin nicht tot. Aber ich liege in einem Sarg. Ich bin

nackt. Um mich herum ist Dunkelheit. Ich kann meinen

Atem hören, und mein Herz schlägt so fest, dass es mir

in den Ohren dröhnt.

Lieber Gott, hilf mir aus diesem Sarg, bitte!

Ich kann meine Arme nicht ausstrecken. Sie stoßen an

die Wände des Sarges. So eng ist er.

Ich habe geweint. Aber jetzt kommen keine Tränen

mehr.

Das Atmen fällt mir schwer. Ich habe schrecklichen

Durst. Ich denke viel.

So, denke ich, muss es sich anfühlen, tot zu sein.

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Prolog

Es begab sich aber auf einen Tag, da die Kinder Gottes

kamen und vor den Herrn traten, kam der Satan auch unter

ihnen. Der Herr aber sprach zu dem Satan: Wo kommst

du her? Satan antwortete dem Herrn und sprach:

Ich habe das Land umher durchzogen.

Hiob

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Juvdal23. – 28. Mai 2009

Auf der Flucht zu sein, ist nicht nur Handlung, sondern auch

ein Gemütszustand.

Am Fenster summt eine Fliege. Hin und her, her und hin.

Vielleicht ahnt sie die Freiheit hinter der Scheibe, die sie zu-

rückhält. Durch das unebene Glas des Küchenfensters sehe ich

die weit hinten liegenden Berge, die Hügel und den endlosen

Wald, das Mosaik aus Abstürzen und Felswänden leicht ver-

zerrt. Unten im Dorf erkenne ich einzelne Hausdächer, das

Sägewerk, die Silberschmieden. Die verstreut an den Talhängen

liegenden Höfe. Die Stabkirchen. Den silbernen Gischtschleier

des Wasserfalls.

Was habe ich getan?

Das Summen der Fliege tötet mir den letzten Nerv. Hin und

her, her und hin. Gefangen. Panisch. Wie gut ich es ihr nach-

fühlen kann. Jeder Flügelschlag ist voller Verzweiflung. Ich

öffne das Fenster und lasse sie nach draußen. Im gleichen Mo-

ment ist sie verschwunden. Eine Fliege – es sagt viel, dass ich

mich in ihr wiedererkenne, aber ich habe mich schon immer

gern mit allen möglichen Kreaturen identifiziert.

Auf der Flucht zu sein, bedeutet zu verschwinden, sich unsicht-

bar zu machen. In einer Menschenmenge. Im Chaos der Groß-

stadt. Zu fliehen heißt, sein gewohntes Leben zu verlassen.

Ich selbst bin in die Einsamkeit entschwunden.

Der alte Schleifstein vor dem Stubenfenster ist umgestürzt.

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Unkraut überwuchert ihn. Unter dem Küchenfenster auf der

Vorderseite des Hauses steht eine alte, morsche Bank. Ich sitze

gerne dort im Geruch des sonnenverbrannten Teers, in dem

lauen Wind, der von den Bergen herunterweht. Die Sonne ist für

meine empfindliche Haut gerade mild genug. Einen Steinwurf

entfernt plätschert ein Bergbach, aus dem ich jeden Morgen fri-

sches Quellwasser schöpfe. Juvdal ist ein friedliches Fleckchen

Erde, ein verstecktes Tal irgendwo zwischen der Telemark und

Aust-Agder. Die Alm liegt weitab von den Menschen, umge-

ben von Birkenwäldchen, heidebewachsenen Anhöhen, dichten

Wäldern und schneebedeckten Berggipfeln. Hier, im Schutz vor

meinen Verfolgern, versuche ich das Mysterium zu ergründen.

Es ist ein perfektes Versteck. Ein idealer Ort, um zu ver-

schwinden.

Doch vor wem fliehe ich eigentlich?

Ich war zwölf Jahre alt, als Papa starb. Er stürzte an einer Fels-

wand ab und zerschmetterte am Boden. Ich war nicht weit ent-

fernt, als es geschah, ich habe seinen Schrei gehört.

Schon damals habe ich mich gefragt, ob es das Böse in der

Welt wirklich gibt – die destruktive Kraft voller Dunkelheit

und Verderben, die einen durchs Leben begleitet und um den

Platz an der Sonne bringt, sobald sich ihr eine Gelegenheit

dazu bietet. Vielleicht verwechsele ich das Böse aber auch ein-

fach nur mit der Launenhaftigkeit des Schicksals.

Ich wuchs als verwöhnter Prinz in einem weißen Märchen-

schloss in einem noblen Vorort auf, in dem die Menschen

gut gekleidet ihr Entrecote grillten und den Garten, ihre Au-

tos und Ziersträucher wässerten, wenn die Hitze zu quälend

wurde. Mama trank. Die Nachbarn übersahen ihre übelsten

Exzesse voll verständnisvoller Diskretion, tätschelten meinen

Kopf und nannten mich einen guten Jungen. Ich glaube, Papa

hat ihren langsamen Verfall gar nicht richtig mitbekommen.

Nach seinem Tod, als Mama seinen besten Freund heiratete,

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vergaß man mich draußen auf der Treppe. Ich bekam einen

kleinen Bruder, den ich nie richtig kennengelernt habe, und

einen Stiefvater, mit dem ich nie warm geworden bin. Heute

ist er mein Chef im Institut.

Erst als Erwachsener habe ich erfahren, dass Papas Unfall

gar kein Unfall war. Er wurde Opfer seines eigenen Plans, sei-

nen Kletterpartner umzubringen. Weil dieser etwas mit Mama

hatte, heißt es. Als Papa zu Tode stürzte – dank seiner Eifer-

sucht und manipulierter Seile und Karabiner –, hinterließ er

einen zerschmetterten Körper, eine alkoholkranke Frau und

einen vernachlässigten Jungen, der den Klang seines Schreis

nie vergessen würde. Fast dreißig Jahre sind seither vergangen.

Wo ist nur die Zeit geblieben?

Mama nannte mich Lillebjørn. Sie ist inzwischen tot. Der

Kosename war für sie ein Ausdruck ihrer mütterlichen Hin-

gabe. Solange diese denn währte. Die Jungs in der Schule

nannten mich Eisbär. Weil ich ein Albino bin.

Die Zeit vergeht langsam in Juvdal. Stunde um Stunde, Tag um

Tag sitze ich mit dem Laptop am Küchentisch und durchforste

das Internet auf der Suche nach Informationen, die mir helfen

könnten, die Zusammenhänge zu verstehen. Ich notiere mir die

Namen von Fachleuten, die Titel von Publikationen und Inter-

netseiten, die mir weiterhelfen könnten. Ich logge mich anonym

in wissenschaftliche Foren und religiöse Chatrooms ein und stu-

diere die merkwürdigsten Homepages von Menschen mit einem

Hang zum Okkulten und Mystischen. Ich schreibe vertrauliche

E-Mails an Kollegen, denen ich vertraue. Ich bitte sie um Hilfe

und Diskretion. Ich habe viele Antworten erhalten, doch trotz-

dem ist mir nichts klarer geworden.

Wonach suche ich eigentlich?

Wenn es Nacht wird, bin ich nicht mehr so gern auf der Alm.

Allein unter dem weiten Sternenhimmel fühle ich mich so

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klein, und dann überkommt mich Angst. Als wäre jemand dort

draußen im Dunkeln. Jemand, der mich beobachtet, den ich

selbst aber nicht sehen kann.

Jemand oder etwas …

Ich wage es nicht, das Licht einzuschalten, also begnüge ich

mich mit ein paar Kerzen und ziehe die Gardinen zu. Ich sitze

im Stockdunkeln und denke an den Mord an Christian Keiser,

an all das, was in Kiew geschehen ist.

Was ist bloß geschehen?

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Erster Teil

Diener des Satans

Weniger widerwärtig, aber nicht minder grausam ist

die Sekte der Himmelsopferer. Ein Hauptdogma ihrer Lehre

ist die mystische Anschauung, dass nur jene Seligkeit erlangen,

die ihre Sünden mit einem qualvollen Tod gebüßt haben,

sei dieser Tod nun freiwillig oder durch die rettende Hand

eines anderen herbeigeführt.

Leopold von Sacher-MasochRussische Sekten (1890)

Caedite eos! Novit enim Dominus qui sunt eius.

Tötet sie alle! Der Herr wird die Seinen erkennen.

Arnaud Amalric (1209)

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Vorhergehendes Titelblatt: Vor dem Massaker an den christlichen Katharern im französischen Béziers am 21. Juli 1209 wurde dem päpstlichen Gesandten Arnaud Amalric von einem Kreuzfahrer die Frage gestellt, wie sie die Ka-tharer von den Katholiken unterscheiden sollten. Nach Überlieferung des Historikers Caesar von Heisterbach, einem Zisterziensermönch, soll Amal-ric geantwortet haben: »Tötet sie alle! Der Herr wird die Seinen erkennen.« In seinem Bericht an den Papst rühmte sich Amalric damit, zwanzigtausend Menschen ausgerottet zu haben. Junge und Alte, Männer, Frauen, Kinder, Katharer, Heiden und Katholiken. Arnaud Amalric wurde einige Jahre spä-ter zum Erzbischof von Narbonne ernannt.

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I : Die Mumie

Kiew9. Mai 2009

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Die Mumie grinste mich an wie ein Gespenst.

Die Jahrhunderte hatten die Gesichtshaut nach hinten ge-

zogen und das Gebiss freigelegt, das mir wie eine Reihe von

Reißzähnen entgegenstrahlte. Zahnfleisch und Nase waren ein-

getrocknet. Die straffen Lippen und die eingefallenen Augen –

sie waren schmal und katzenartig und sahen wenig menschlich

aus – verliehen dem mumifizierten Mann einen fauchenden, tie-

rischen Ausdruck.

»Wer war er?«, flüsterte ich.

»Ein Mönch? Ein Pilger?«

»Er sieht aus wie ein Vampir.«

Der Konservator Taras Koroljov bekreuzigte sich. »Manch-

mal trocknen die Leichen so ein. Die Balsamierung der Natur

macht aus ihnen beängstigende Monster.«

Unten aus dem Haupttunnel, der mit Signalbändern und

Holzabsperrungen abgeriegelt war, hörten wir die Stimmen der

Touristen. Um zu der versteckten Grabkammer zu gelangen,

hatte mich der Konservator über Hunderte von Metern durch

lange, steinerne Tunnel geführt. Koroljov war ein kleinwüch-

siger, untersetzter Mann mit kugelrunden Augen und einem

Gesichtsausdruck, der einen glauben ließ, er stünde soeben vor

einer verblüffenden Entdeckung. Als Museumskonservator des

Kiewer Höhlenklosters in der Ukraine war er den Umgang

mit Toten gewohnt. In den tiefen Katakomben des Klosters

schliefen Mönche und Heilige in ihren weiß gekalkten Zellen

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und Grabkammern den ewigen Schlaf. Die kalten, trockenen

Luftströme, die durch das Netz aus Tunneln und Grotten zo-

gen, hatten die Leichen über die Jahrhunderte mumifiziert.

Niemand im Kloster oder im Museum wusste mit diesem

Mönch etwas anzufangen, er war unbekannt. Vier Studenten

hatten die Grabkammer bei routinemäßigen Instandhaltungs-

arbeiten hinter einer Steinwand entdeckt, die am Ende eines

Blindgangs hinter einem Altar errichtet worden war.

Ein mumifizierter Leichnam. Ein Mönch.

In den Händen, die so mager waren, dass sie an die Klauen

eines Reptils erinnerten, hielt die Mumie ein zusammengeroll-

tes Manuskript.

2

Eine Bagatelle ist niemals unbedeutend. Der federleichte Flü-

gelschlag eines Schmetterlings kann einen Orkan auslösen, eine

aus dem Gleichgewicht geratene Schneeflocke eine Lawine.

So erklären die Mathematiker die kuriose Tatsache, dass schon

winzige Abweichungen der Ausgangsbedingungen dynamischer

Systeme enorme Effekte haben können. Um es einmal in den

Worten der Mathematiker auszudrücken.

Als Konservator Koroljov vor einer Woche mit dem Telefon

in der Hand in seinem Büro stand, war er im Begriff, eine Ket-

tenreaktion in Gang zu setzen, deren Reichweite er nicht über-

blicken konnte. Eine halbe Stunde zuvor hatte er der Mumie

die Handschrift aus den knochigen Fingern gezogen. Der Hö-

rer des Telefons war bereits schweißnass. Wen sollte er anrufen?

Seinen Vorgesetzten – diesen versoffenen Bürokraten? Die Po-

lizei? War der Tote wirklich einem Verbrechen zum Opfer ge-

fallen und dann eingemauert worden, damit die Tat verborgen

blieb, lag dieses Verbrechen Hunderte von Jahren zurück. Die

archäologischen Behörden? Wer würde diese Sache mit der ihr

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angemessenen Sorgfalt behandeln? Wen musste er informie-

ren? Wem konnte er vertrauen?

Schließlich rief er mich an. Eigentlich eine Bagatelle, eine

weiße, unbedeutende Schneeflocke, eine winzige Abweichung

von den Ausgangsbedingungen. Ein kleiner, jämmerlicher

Archäologe in einem engen Büro der Osloer Universität.

Ich erinnere mich noch, dass ich höflich zuhörte, als Taras

Koroljov sich vorstellte und von dem Fund berichtete. Seine

Stimme hatte angenehm geklungen, Bariton. »Können Sie

nach Kiew kommen, Mr. Beltø?«

»Ich bin Archäologe, nicht Paläograf.«

»Ihre Erfahrung mit alten Manuskripten spricht für Sie.«

»Sie sollten einen Experten kontaktieren. Ich habe einen

Freund in Island, ich kann Ihnen seine Nummer geben, er ist

eine echte Koryphäe …«

»Herr Beltø, es stimmt aber doch, dass Sie ein handschrift-

liches Evangelium von Jesus Christus gefunden haben?«

»Das ist zehn Jahre her. Und streng genommen habe nicht

ich es gefunden. Ich habe es nur in meine Obhut genommen.«

»Und haben nicht Sie das Papyrusmanuskript des unbekann-

ten sechsten Buches Mose entdeckt …?«

»Das war ein Zufall, pures Glück!«

»Und die Moses-Mumie?«

»Wenn die mal nicht mich gefunden hat …«

»Herr Beltø, Sie sind viel zu bescheiden. Ich habe über Sie

gelesen. In den Zeitungen. In internationalen archäologischen

Journalen. Darin stand, dass Sie auf weitere Handschriften ge-

stoßen sind und dass Sie sehr hartnäckig sein können.«

»Hartnäckig? Die meisten sehen in mir wohl eher einen

störrischen, unverträglichen Esel.«

»Sie sind der richtige Mann. Da bin ich mir sicher. Das spüre

ich.«

»Hören Sie, ich bin Dozent hier in Oslo, wissenschaftlicher

Mitarbeiter, ich bin nicht einmal Professor.«

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Tom Egeland

Das Luzifer EvangeliumThriller

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 512 Seiten, 11,8 x 18,7 cm5 s/w AbbildungenISBN: 978-3-442-47336-6

Goldmann

Erscheinungstermin: März 2011

Ein neuer Fall für den norwegischen Archäologen Bjørn Beltø Kiew, 2009. In den Katakomben eines Klosters wird eine alte Schrift entdeckt und von demnorwegischen Archäologen Bjørn Beltø außer Landes gebracht. Doch bei seiner Rückkehr nachOslo erwartet Beltø Schreckliches: Als er den befreundeten Historiker Christian Keiser in dessenHaus aufsucht, findet er ihn tot vor – ermordet. Und es soll nicht bei einem Toten bleiben. AlleMorde scheinen etwas mit dem Schriftstück in Beltøs Besitz zu tun haben. Denn man sagt ihmnach, es sei das über 4000 Jahre alte „Luzifer Evangelium“ und sein Inhalt ungeheuerlich …