252
1 GRUDZÜGE DER DISPUTATIOES METAPHYSICAE DES SUÁREZ, UTER BESODERER BERÜCKSICHTIGUG SEIER REZEPTIO DES ARISTOTELISCHE PROS TI (RELATIOES PRAEDICAMETALES ET TRASCEDETALES) UD DER KATEGORIE ACTIO UD PASSIO Salvador Castellote Cubells Professor emeritus Facultad de Teología „San Vicente Ferrer“ Valencia (Spanien) Kapitel I Grundzüge der DM des Suárez I) Die pädagogische Funktion der DM (Prooemium) Im Anschluss an die Unterscheidung von J. L. Austin’ 1 zwischen „locutio“, „ilo- cutio“ und „perlocutio“, möchte ich die Disputationes Metaphysicae des Suárez, was ih- re textliche Beschaffenheit betrifft, kurz mit einer Paraphrase analysieren. „Locutio“ bezeichnet den Akt des Sprechens, der seinerseits in drei Teile ge- gliedert werden kann: „phonetische“, „faktisch-grammatikalische“ und „intentional-rhe- tische“. Diese Ausdrücke dürfen auch Anwendung auf einen bestimmten Text haben: der „locutio“ entspricht der „Text“; der „ilocutio“, die „intentio“ und der „perlocutio“, der „Einfluss“. „Locutio“ bei Suárez bedeutet „Suárez in se ipso cernere“, d. h. eine genaue und begreifende Lektüre seines ganzen Werkes. „Ilocutio“ verstehe ich den Akt, wodurch der Verfasser eine bestimmte Intention hat, etwas mitzuteilen. „Perlocutio“ ist das Resultat dieser Lektüre oder Rede auf den Leser bzw. auf den Zuhörer. Suárez erläutert im Prooemium seiner Disputationes Metaphysicae, dass er keine eigentliche Metaphysik schreiben („locutio), sondern lediglich den Theologen eine pä- dagogische Hilfe an die Hand geben möchte (“ilocutio“). Er hat festgestellt, dass die Theologen eine philosophische Grundlage brauchen, wenn sie die Theologie auf eine würdige Weise betreiben wollen. Die übliche Methode, nach der die theologischen Probleme gemischt mit philosophischen behandelt worden sind, hält er für wenig nütz- lich (parum utile) ja unangenehm (ingratum). Sein Versuch, diese Folgen aus dem Weg zu räumen, indem er bei der Be- handlung theologischer Fragen kurz (breviter) 2 seine eigene dazugehörige philoso- phische Auffassung darlegt, von dem Leser selbst einen bloßen Glauben verlangend, hält er auch für beschwerlich (molestum) und die Leser selbst würden vielleicht diesen 1 Vgl. J. L. Austin, How to do Thinks with Words, Oxford 1962. 2 Die Verwendung von dem Adverb „breviter“ kommt bei den scholastischen Philosophen oft vor, aber sie wirkt auf uns überraschend in Anbetracht der großen Ausführlichkeit der scholastischen Tex- ten.

Teoria de Las Relaciones en Suarez_completo

Embed Size (px)

Citation preview

GRU DZGE DER DISPUTATIO ES METAPHYSICAE DES SUREZ, U TER BESO DERER BERCKSICHTIGU G SEI ER REZEPTIO DES ARISTOTELISCHE PROS TI (RELATIO ES PRAEDICAME TALES ET TRA SCE DE TALES) U D DER KATEGORIE ACTIO U D PASSIO Salvador Castellote Cubells Professor emeritus Facultad de Teologa San Vicente Ferrer Valencia (Spanien)

Kapitel I Grundzge der DM des Surez I) Die pdagogische Funktion der DM (Prooemium) Im Anschluss an die Unterscheidung von J. L. Austin1 zwischen locutio, ilocutio und perlocutio, mchte ich die Disputationes Metaphysicae des Surez, was ihre textliche Beschaffenheit betrifft, kurz mit einer Paraphrase analysieren. Locutio bezeichnet den Akt des Sprechens, der seinerseits in drei Teile gegliedert werden kann: phonetische, faktisch-grammatikalische und intentional-rhetische. Diese Ausdrcke drfen auch Anwendung auf einen bestimmten Text haben: der locutio entspricht der Text; der ilocutio, die intentio und der perlocutio, der Einfluss. Locutio bei Surez bedeutet Surez in se ipso cernere, d. h. eine genaue und begreifende Lektre seines ganzen Werkes. Ilocutio verstehe ich den Akt, wodurch der Verfasser eine bestimmte Intention hat, etwas mitzuteilen. Perlocutio ist das Resultat dieser Lektre oder Rede auf den Leser bzw. auf den Zuhrer. Surez erlutert im Prooemium seiner Disputationes Metaphysicae, dass er keine eigentliche Metaphysik schreiben (locutio), sondern lediglich den Theologen eine pdagogische Hilfe an die Hand geben mchte (ilocutio). Er hat festgestellt, dass die Theologen eine philosophische Grundlage brauchen, wenn sie die Theologie auf eine wrdige Weise betreiben wollen. Die bliche Methode, nach der die theologischen Probleme gemischt mit philosophischen behandelt worden sind, hlt er fr wenig ntzlich (parum utile) ja unangenehm (ingratum). Sein Versuch, diese Folgen aus dem Weg zu rumen, indem er bei der Behandlung theologischer Fragen kurz (breviter)2 seine eigene dazugehrige philosophische Auffassung darlegt, von dem Leser selbst einen bloen Glauben verlangend, hlt er auch fr beschwerlich (molestum) und die Leser selbst wrden vielleicht diesen1 2

Vgl. J. L. Austin, How to do Thinks with Words, Oxford 1962. Die Verwendung von dem Adverb breviter kommt bei den scholastischen Philosophen oft vor, aber sie wirkt auf uns berraschend in Anbetracht der groen Ausfhrlichkeit der scholastischen Texten.

1

Versuch auch als unpassend (inoportunum) ansehen knnen. Der bloe Glauben gengt nicht, denn es handelt sich um einen Glauben, der den Intellekt sucht: Fides quaerens intellectum (Anselm v. Canterbury)3. Aus diesen Argumenten, hlt er es fr angepasst, ein Buch, nicht mehrere (!), zu schreiben, das seine Dienste den Theologen, in Bezug auf ihr Verstndnis der philosophischen Fragen, leisten knnte, sodass die Metaphysik als ancilla theologiae der geoffenbarten Weisheit (revelataeque sapientiae magis inserviat) besser dienen kann. Wie ist es so vorgekommen, dass Surez ein so unerhrt groes, prolixes, ausfhrliches und ziemlich fr die moderne philosophische Beweisfhrung kompliziertes Werk zu schreiben, angenommen er mchte den Theologen eine pdagogische Hilfe anbieten? Wie knnten die Theologen bei der Behandlung der theologischen Fragen nach diesem Mittel greifen? (perlocutio) Inwieweit haben die Theologen dieses Werk bentzt?4 Im Gegenteil, sind die DM whrend dem 17. und 18. Jahrhundert bei den deutschen, protestantischen Universitten als philosophisches Schulbuch benutzt worden, wobei leider fast nur die rein ontologischen Fragen in den Vordergrund gerckt und andere Fragen auer Acht gelassen worden sind. Ich habe den Eindruck, dass ihm kein zusammenhngendes System gelungen ist. Ich wei nicht, ob es mglich ist ber die Theologie (Summenkommentare, De Deo uno et trino, etc.), die Moral (De triplici virtute theologica), die Metaphysik (Disputationes metaphysicae), die Rechtslehre (De legibus), die Psychologie (De anima), usw. zu schreiben, wenn Surez sich auf einen jeweils verschiedenen philosophisch-theologisch-juristischen Rahmen und auf andere Gesichtspunkte gestellt hat, als in der Ontologie. Plato hatte in seiner Republik nicht so sehr auf seine Meinung ber den Vorrang der Philosophen als Machtrger bezogen, als vielmehr auf die menschlichen praktischen Situationen. Das Ergebnis dieses Vorhabens stimmt nicht ganz mit diesem berein. Und das aus verschiedenen Grnden: Die Zahl der Disputationen hat sich, statt auf einige kurze Disputationes (brevi disputatioum numero) auf 54 gestreckt. Statt einem Band sind zwei herausgekommen.5 Es wre also irrig anzunehmen, dass Surez sich, wenn man die Finalitt seines Plans betrachtet, an seinem Plan gehalten hat. Die Autonomie seiner DM bezieht sich mehr auf die Methodologie als auf die Finalitt. II) Die methodologische Struktur der Disputationen 1. Das Ende der aristotelischen Kommentare: die Disputationes Metaphysicae des Surez Das enzyklopdische Gedankengut der Scholastik bestand am meisten auf Aristoteles Kommentare (Magister dixit), die als pdagogisches Modell fr die Behandlung einer Frage galt. Am Anfang des 14. Jahrhunderts aber wurde es durch kirchliche Instanzen auf bestimmte Fragen konzentriert, die den Lombardus Liber Sententiarum3 4

Proslogion, Prooemium. Juan de Salas hat schon darauf hingewiesen, dass sich jeder theologische Scholastiker ein Kompendium aller jener philosophischen Fragen zur Hand zu haben wnscht, die bis jetzt noch nicht diskutiert worden sind (Quaestiones in Metaphysicam Aristoteles (1581), Proem. Salamanca, Universittsbibliothek, Ms. 1413, 373r. Zitat von J. Schmutz, o.c., S. 351, Fussnote 11. 5 Vgl. Backer-Sommervogel, Bibliothque de la Compagnie de Jsus, VII, Brssel 1896, 16621687. Die am meisten bentze Ausgabe der Disputationes Metaphysicae ist F. S., Opera omnia, t. XXVXXVI, Parisiis, apud L. Vivs 1866. 2 Quartalbnde. Vgl. die Ausgabe von Sergio Rbade/Salvador Caballero Snchez/Antonio Puigcerver Zann, Disputaciones Metafsicas (latin und spanisch), Biblioteca Hispnica de Filosofa, 6 Bd., Madrid 1960.

2

als Basis hatten. Ein strenger Anschluss an Aristoteles war nicht immer der Fall (Auctoritas cereum habet nasum, id est in diversum potest flecti sensum6): Aristoteles hat philosophische Irrtmer und Grenzen in Bezug auf die Theologie und auch auf die Philosophie. Surez hat sich entschlossen, obwohl er nicht davon spricht, die philosophischmetaphysischen Fragen nach eigenem System zu behandeln. Daraus hat sich aber ergeben, dass die Reihenfolge der aristotelischen Metaphysik zum ersten Mal gebrochen wurde. Die Kommentare ber den Text des Aristoteles gingen zu Ende. Der Grund fr diesen Bruch besteht nicht nur auf die pdagogische Intention des Surez, sondern auch auf die ziemlich systemlose literarische Struktur der aristotelischen Metaphysik.7 Das ist bei der Auslegung des suarezischen Systems ein Topicum geworden, obwohl das in Wirklichkeit nicht ganz stimmt.8 Bei der Scholastik und auch bei Surez werden die Namen quaestio und disputatio verschieden gebraucht. Quaestio bedeutet eine narrative Referenz, nach dem Satz: relata refero. Die Disputatio (Streitfrage, usw.) hingegen schliet eine Argumentation mit ein, der normalerweise und in Bezug auf die Gegenargumente eine Entscheidung folgt. Diese kann aber als vorbergehend und mit Vorbehaltungen oder als definitiv gelten. Surez hat bei der Revision seines Traktats De anima den Namen quaestio, der in seiner jungen Verfassung dieses Traktats vorkommt, mit dem disputatio ausgewechselt.9 2) Seinsmetaphysik vs. Prdikatenlogik Nach Siewerth ist bei Surez die Seinsmetaphysik in eine Prdikatenlogik umgewandelt. So sagt er ausdrcklich: Mit ihm wird die Seinmetaphysik in eine Prdikatenlogik verwandelt. Er hat die moderne Philosophie eingeleitet. In Wahrheit ist nicht eine einzige Position der modernen Philosophie von Descartes bis Hegel ohne das Werk des Surez (perlocutio) verstndlich. Fr manche modernen Philosophen ist auch die suarezische Metaphysik eine Ontologie, d. h. eine Philosophie des Seienden. Heidegger selbst erkennt an, dass der suarezischer Einfluss in die moderne Philosophie, an der Wiederaufbau einer Philosophie des Seins, im Sinne eine Ontologie, in der sich esse und ens unterscheiden, gro war. Es handelt sich bei Heidegger um eine Seinsvergessenheit. Es ist nicht leicht, diese essentialistische und logistische Strmung, die Surez angeblich ausgelst hat, richtig zu verstehen, ohne sein ganzes Werk in Betracht zu ziehen. Surez hat ein analytisches und enzyklopdisches Talent, das ihn bewogen hat, eine Frage bis zu ihren mglichen, historischen und kleinsten Argumenten und Gegenargumenten auszuarbeiten. Er konnte auch nicht umhin, als Philosophiehistoriker zu funVgl. Alanus ab Insulis (de Lille), De fide catholica, I, 30. Nicht alles, was Aristoteles und Thomas gesagt haben, ist wahr, denn sie konnten auch nicht alles erforschen: Surez, De anima (editio critica: Castellote), 3,21,3; 3,4,5. 8 Vgl. J. Schmutz, Science divine et mtaphysique chez Francisco Surez, in: Francisco Surez, Der ist der Mann. Homenaje al Prof. S. Castellote, Valencia, 2004, S. 347, Funote 1. Schmutz zitiert als die erste von Aristoteles unabhngige Metaphysik, die die im Jahre 1587 von Diego Mas verffentlichte, OP, die aber keinen solchen Einfluss wie die des Surez erfahren hat. 9 Vgl. meine kritische Edition des suarezischen Traktats De anima, in der ich zu erklren versuche, wie es dazu gekommen ist, dass der Editor dieses Traktats (Baltasar Alvares) die von den jungen Surez verfassten zwlf ersten quaestiones des ersten Buches durch die von den alten Surez berprften ersetzt hat, sodass jene unverffentlicht geblieben sind. In meiner Edition habe ich die ganze erste Verfassung zusammengehalten und die berprften zwlf quaestiones als Anhang verffentlicht.7 6

3

gieren, um den groen herkmmlichen philosophisch-theologischen Ballast nicht ber Bord zu werfen. 3) Das Schicksal der Metaphysik Das Schicksal der Metaphysik besteht laut Siewerth darin, dass bei Surez eine Wende zur Rationalitt, eine Wandlung ins Begriffliche begonnen hat. Doch dies ist mutatis mutandis bereits bei Thomas von Aquin zu finden, insofern er zwischen ratio und revelatio zu unterscheiden wei. Das Schicksal beginnt erst dann, wenn man auf die revelatio verzichtet und nur die ratio, in den Vordergrund rckt, nach der alles in der Evidenz der gegenstndlichen Verfasstheit lichtet.10 Thomas11 und viele Philosophen12 vor Surez haben ganz genau verstanden, dass sie sich unter der Obhut des schpferischen Sehens (visio creatrix des Augustinus13)Im Gegensatz zu dieser Auffassung, vgl. folgenden Satz des Surez, der sich im von mir herausgegebenen Traktat de generatione et corruptione befindet: Ubi sensus aliquid proponit evidenter, non est denegandum, nisi certa fide aut evidenti ratione teneatur oppositum (d. 1, q. 4, Castellote: S. 493). Damit wird soviel gesagt: Ein Urteil spricht sich immer in einem Satz aus. Ich kann etwa den einfachen Satz formulieren: Heute ist der Himmel wolkenlos blau. Dieser Satz wird in dem Partner meines Gesprches eine bestimmte Vorstellung, ein bestimmtes Bild des blauen Himmels erwecken; und er kann mit einem Blick durch das Fenster hinaus in die wahrgenommene Wirklichkeit das Vorstellungsbild verifizieren; das heit, in den Raum der Wahrheit erheben mit der Feststellung, da tatschlich alle Wolkenbildungen sich aufgelst haben und da die Augen den Himmel ganz blau sehen. Diesen Akt der Verifizierung des Sinnes eines Urteils in der Vergleichung des Vorstellungsbildes, das der sprachliche Ausdruck in der Phantasie erzeugt, mit dem Wahrnehmungsbild knnen wir die Aktualisierung der gnoseologischen Wahrheit nennen: gnoseologisch deshalb, weil alles im Rahmen menschlicher BewutseinsInhalte bleibt und nichts in deren Begrndung vorstt. Insofern liegt hier kein eigentlich philosophisches Problem vor, sondern nur ein linguistisches und sprachpsychologisches: nmlich ob der sprachliche Ausdruck dem Gemeinten, dem intendierten Urteilssinn angemessen war oder nicht, gut oder schlecht formuliert war. Die philosophische Begrndungsfrage hingegen ist auf die ontologische Wahrheit gerichtet: ob der Himmel, den ich blau wahrnehme, wirklich und wahrhaftig, in Wahrheit blau ist. Niemals kann ich ja wissen, ob mein Gesprchspartner bei der Nennung des Wortes blau genau die gleiche Qualittsempfindung hat wie ich. Er knnte ja sogar farbenblind sein. Die Weltraumfahrt erffnet hier dem philosophischen Gedanken-Experiment ungeahnte Mglichkeiten: Es knnte sein, da auf einem anderen, unserer Erde hnlichen Planeten die Molekle der Atmosphre nicht die kurzen, sondern die mittleren Wellenlngen des sichtbaren Spektrums der elektromagnetischen Strahlung reflektieren wrden. Dann wre der Himmel nicht blau, sondern grn; und dafr vielleicht das Gras und die Bume blau. Oder ein intelligentes Wesen, das von einem anderen Stern auf unsere Erde kme, knnte eine von der meinige ich wage schon nicht mehr zu sagen: von der unsrigen verschiedene Konstitution und Strukturierung der Zpfchen auf der Netz-haut seiner Augen haben, oder eine andere Anordnung der vielen Billionen von Synapsen der Neuronen und Ganglien seines Zentralnervensystems. Und diese fremde Intelligenz wrde unseren genauer gesagt: meinen blauen Himmel rot oder grn oder einfach grau sehen, oder vielleicht gar nicht sehen, weil sein System nur auf den Empfang von Radarwellen wie das der Fledermuse eingestellt sein knnte. 11 Sancti Thomae, Quaestiones disputatae, volumen I: De Veritate. (Cura et studio P. Fr. Raymundi Spiazzi, O. P.) Editio Marietti, Turin-Rom 1964, S. 5, col. 1, unten: Ex quo patet quod res naturales, ex quibus intellectus noster scientiam accipit, mensurant intellectum nostrum, ut dicitur X Metaph. (com. 9); sed sunt mensuratae ab intellectu divino, in quo sunt omnia creata, sicut omnia artificiata in intellectu artificis. Ibidem, S. 5, col. 2, lin. 4: Res ergo naturalis inter duos intellectus constituta, secundum adaequationem ad utrumque vera dicitur; secundum enim adaequationem ad intellectum divinum dicitur vera, in quantum implet hoc ad quod est ordinata per intellectum divinum. Ibidem, S.. 8, col. 1, lin. 40: Veritas autem quae dicitur de rebus in comparatione ad intellectum humanum, est rebus quodammodo accidentalis, quia posito quod intellectus humanus non esset nec esse posset, adhuc res in sua essentia permanerent. Sed veritas quae dicitur de eis in comparatione ad intellectum divinum eis inseparabiliter communicatur; non enim subsistere possunt nisi per intellectum divinum eas in esse producentem. 12 In unserem Zusammenhang der Frage nach einer Erstbegrndung des Wahr-Seins ist es besonders bedeutungsvoll, dass und wie Meister Eckhart die augustinisch-thomasische Erkenntnis der10

4

befinden und so fingen sie an, eine methodologisch-rationale Metaphysik einzufhren, die sich auf der menschlichen Vernunft grndet. Dieses Schicksal der Metaphysik beginnt erst in der modernen Naturphilosophie. Sogar Newton, der die Natur noch als Schpfung Gottes bewundert,14 beginnt schon an die Mglichkeit zu denken, das Universum methodologisch ohne seine Beziehung zu Gott, als eine deterministische Bewegung smtlicher Teilchen im Universum mathematisch przise zu verstehen, die vorausbestimmt werden kann. Heisenberg zitiert den berhmten Satz von Kamlah,15 fr den es einen christlichen Atheismus gibt. Die im ganzen Universum geltenden Naturgesetzte knnen ohne weiteres mittels der neu erfundenen Techniken untersucht werden, ohne dass man dabei Gott in Betracht zieht. Diese Naturgesetze knnen auf die Finalurschlichkeit und auf die Hierarchie des Seienden verzichten (Descartes und Spinoza). Sie beruhen auf mathematische Formeln, die so universell und exakt sind, dass man sogar die Eigenschaften der Mathematik mit de-

schpferischen Schau Gottes alles Seienden auf das gttliche Innenleben selbst zurckbringt: Nicht weil Er ist, erkennt Er, sondern weil Er erkennt, so ist Er. (non . . . ut quia sit, ideo intelligat, sed quia intelligit, ideo est.). Auch Nikolaus von Kues sagt: Zwischen dem gttlichen Geist und dem unsrigen besteht derselbe Unterschied wie zwischen dem Wirken und dem Sehen. Der gttliche Geist schafft im Erkennen. Der gttliche Geist ist eine seinsbildende Kraft, unser Geist ist eine nachbildende Kraft. Inter enim divinam mentem et nostram id interest, quod inter facere et videre. Divina mens concipiendo creat, nostra concipiendo assimilat notiones seu intellectuales faciendo visiones; divina mens est vis entificativa, nostra mens est vis assimilativa. (De mente, cap. 7). Der Weg um zur Gewissheit der schpferischen Schau Gottes zu gelangen, geht von unserer wissenden Unwissenheit (docta ignorantia) aus: Es kann also der endliche Geist durch hnlichkeit die Wahrheit der Dinge nicht genau erreichen. Die Wahrheit der Dinge also, die Wahrheit der Seienden, ist in ihrer Reinheit unerreichbar und wurde zwar von allen Philosophen gesucht, aber von niemandem so, wie sie ist [Surez spricht oft von prout in se se sunt. Vgl hier bes. S. 184; 23, 104, 201] gefunden; und je tiefer wir in dieser Unwissenheit wissend geworden sind, desto mehr werden wir uns der Wahrheit selbst nhern. Non potest igitur finitus intellectus rerum veritatem per similitudinem praecise intelligere Quidditas ergo rerum, quae est entium veritas, in sua puritate inattingibilis est et per omnes philosophos investigata, sed per neminem, uti est, reperta; et quanto in hac ignorantia profundius docti fuerimus, tanto magis ad ipsam accedemus veritatem. (De docta ignorantia, 1, 3). Wir Menschen knnen immer nur in Mutmaungen (in coniecturis), ja sogar nur in Gegenstzen (in oppositis) denken, weshalb wir die Wahrheit selbst nie erreichen. Die Existenz der einen, ganzen, unendlichen und vollkommenen Wahrheit (veritas infinita, praecisissima) ist aber absolut notwendig. Das Wahr-Sein kann also nur von einem unendlichen, vollkommenen, absoluten Geist begrndet werden, der ber allen Gegenstzen lebt (coincidentia oppositorum). In seiner fr mich schnsten und kostbarsten Schrift Vom Sehen Gottes hat der Cusaner die Einheit von Sehen und Sein in Gott in menschenmglicher Vollendung dargestellt: O vis infinita! Concipere tuum est loqui. Concipis caelum et est uti concipis. Concipis terram et est ut concipis. Dum concipis, vides et loqueris et operaris. Sic video, Domine, post tuum conceptum nihil esse, sed sunt omnia, quia concipis. Concipis autem in aeternitate. Successio autem in aeternitate est sine successione ipsa aeternitas, ipsum verbum tuum, Domine Deus. (De visione Die, 10). Augustinus, Confessiones, l. 13, c. 38: Nos itaque ista quae fecisti videmus, quia sunt. Tu autem quia vides ea, sunt. De Trinitate, l. 15, c. 13, n. 22: Universas autem creaturas suas, et spirituales et corporales, non quia sunt ideo novit, sed ideo sunt quia novit. Quia ergo scivit, creavit; non quia creavit, scivit Longe est ergo huic scientiae scientia nostra dissimilis. Quae autem scientia Dei est, ipsa et sapientia; et quae sapientia, ipsa essentia sive substantia. Quia in illius naturae simplicitate mirabili, non est aliud sapere, aliud esse; sed quod est sapere, hoc est et esse. De Civitate Dei, l. 11, c. 10, n. 3: Ex quo occurrit animo quiddam mirum, se tamen verum: quod iste mundus nobis notus esse non posset, nisi esset; Deo autem nisi notus esset, esse non posset. 14 Newton sah das Universum als eine gewaltige kosmische Uhr, die von Gott zu Beginn der Zeit aufgezogen wurde und seitdem ununterbrochen nach den von ihm formulierten Bewegungsgesetzen tickt. Vgl. Mikio Kaku-Jennifer Trainer, Jenseits von Einstein (aus dem Amerikanischen von Ilse Davis Schauer), Insel Verlag, Frankfurt a. Main-Leipzig 1993, S. 64 15 Vgl. Kamlah, Wilhelm, Von der Sprache zur Vernunft: Philosophie und Wissenschaft in der neuzeitlichen Profanitt, (Bibliographisches Institut), Mannheim-Wien-Zrich 1975.13

5

nen Gottes zu vergleichen versucht.16 Sind also die Naturgesetze so autonom, dass sie auf die theologische Garantie verzichten knnen, die bei Kepler, Newton und Leibniz noch vorhanden war? Diese absolute Abwendung von der klassischen Naturbegriffen ist auch daraus zu erklren, dass die neue Auffassung der Naturgesetze, statt sich auf die progressive und sich an der neuen Entdeckungen anpassenden Evolution der scholastischen Natur-Begriffe, den antiken Atomismus und den stoischen Natur-Begriff bevorzugt hat.17 Bei uns in Spanien hat Gustavo Bueno sich als einen katholischen Atheist dargestellt, weil fr ihn nur das im Rahmen der katholischen Scholastik sich entfaltetem Gedankengut als ein rationales gilt, auch wenn man bei ihm auf die Theologie verzichtet. Dass diese Metaphysik bei der Scholastik nicht ganz von der theologischen Auffassung absehen konnte, ist daraus ersichtlich, dass schon Thomas von Aquin die von Averroes vertretene Theorie der zwei Wahrheiten (theologische und rationale) abspricht, indem beide von Gott herstammen, der sich nicht widersprechen kann.18 Auch Surez will seine Werke vom Standpunkt eines Philosophen (philosophum ago) schreiben, der aber sich von seiner theologischen Systems nicht loslsen will. Bei seiner Defensio fidei stellt sich Surez unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung des katholischen Glaubens gegen den absoluten Knig Jakob den II. von England. Seine Absicht, eine Verteidigung des katholischen Glaubens vorzunehmen, ist klar, aber sind dadurch die Begriffe und Argumente, die er dabei verwendet so mit seiner Intention verwickelt, dass sie berhaupt keinen philosophischen selbststndigen Wert erlangen? Jedes wissenschaftliches Werk steht immer in Relation zu der Geschichte, denn es wird immer in einem raumzeitlichen Rahmen geschrieben. Bei dieser Relation ist das Werk das Fundament; der historische Sinn des Werkes, der Terminus dieser Relation. Eine Relation kommt nur vor, wenn beide Elemente anwesend sind. Nach Surez wrde diese Relation transzendental genannt, weil diese Relation eine wichtige kulturelle Funktion (munus19) zu erfllen hat, nmlich, die Information. Die Beziehungen zwischen beiden Elementen (Fundament und Terminus) kann man entweder als konjunktiv oder als inklusiv erfassen. Konjunktive Beziehung bedeutet: Werk und Geschichte. Diese Auffassung der Relation kann zu keinem guten Erfolg fhren, denn hier muss der

Vgl. Borrow, Warum die Welt mathematisch ist? Vgl. M. Hampe, o.c., S. 236 f. 18 Vgl. A. Cayuela, Providencia o destino? tica y razn universal en Toms de Aquino, Erasmus Ediciones, Barcelona 2008. 19 Der Terminus munus, der wahrscheinlich nach Karl Vossler aus dem Hebrisch herstammt nmlich aus der Wurzel [ mnh] (Substantiv [ mnh = Teil, Portion] herkommt), der auch im Assyrischen (man), in Aramisch [ men], im Arabisch (mny) und im Syrischen (mn) dokumentiert ist , hat im Lateinischen verschiedene Bedeutungen: Nach Cicero: Geschenk, Gift, Aufgabe, Beruf, Arbeit, Pflicht, Werk eines Schriftstellers. Im Englischen: service (wether of free will or of external or moral necessity), office, employment, duty, function, favor, public show [Gladiatoris munus et officium]. Im Spanischen: funcin, obligacin, regalo, don, oficio. Nach Ovid: Gabe der Natur (munus naturale). Nach Horaz: die Frchte der Natur (munus terrae). Bei Surez hat das Wort munus m. E. den Sinn einer natrliche, notwendige Funktion, die die transzendentalen Relationen von der Natur aneigen, etwas zu erfllen, im Unterschied von der Funktion, die ein freies, moralisches Tun bedeutet. Die prdikamentalen htten keine solche Funktion; hchstens die des comitari. Das munus steht in Relation mit einem anderen in der Scholastik fters auftretenden Begriff, nmlich die intentio, ordo oder dispositio naturae die alles ordentlich (ordinate) gestiftet hat. Das Wort munus befindet sich auch im suarezischen Traktat De generatione et corruptione: Munus autem formae informantis materiam non est extendere illam; hoc enim est munus quantitatis (d. 1, q. 2. Castellote 469). Ich werde mich spter (Vgl. hier, S. 40, 107) mit diesem von mir als Funktion bersetzten Wort auseinandersetzen.17

16

6

Wert des Werkes durch einen bestimmten und vorangenommenen Begriff des historischen Sinnes bestimmt und expliziert werden. Die zweite Auffassung, die inklusive, anzunehmen bedeutet, dass das Werk seinen letzen Sinn und Kriterium durch einen permanenten Sinn der Geschichte erhlt, sodass es zur Vollziehung des historischen Sinnes wird. Das kann auch zu keinem guten Erfolg fhren, denn, einerseits, ein publiziertes Werk hat die unbedingte kulturelle und wissenschaftliche Erfordernis wenn es sich durch seinen internen wissenschaftlichen Wert aufzeigt in die wissenschaftliche Gemeinschaft aufgenommen zu werden, und, andererseits, muss man einsehen, dass es in einer bestimmten Zeit geschrieben worden ist. Wer kann uns denn gewhrleisten, dass dieses Erfordernis in seinem kompletten und ganzen Sinn in der Geschichte absolviert werden kann? Eine Geschichtsphilosophie, die glaubte, einen objektiven Sinn der Geschichte zu haben, msste entweder in einer ahistorischen Beziehung zu ihr stehen was ihr den historischen Charakter abnimmt oder die ganze Geschichte aus einem privilegierten Standpunkt betrachten. Die kommunistische Weltanschauung hat versucht, sogar die aristotelische Metaphysik dadurch zu entwerten, dass Aristoteles vom Standpunkt des kapitalistischen Brgertums schreibt. Sind das hegelianische oder das nietzscheanische System neutral? Haben sie nicht einen bestimmten Ausgangspunkt privilegiert auf dem ihr System basiert? Die franzsische Revolution ist bei Hegel der privilegierte Ausgangspunkt seiner Philosophie. Mit ihr, sagt man, beginnt die Freiheit real zu sein. Und der Kommunismus fut grndlich auf den Materialismus und auf den Klassenstreit. Die totale Liberation der Menschen beginnt erst, wenn die klassenlose Gesellschaft auftritt. Sartre htte einmal gesagt, dass keine Philosophie, die sich nicht auf die kommunistische Weltauffassung grndet, mglich ist. Die locutio, die ilocutio und die perlocutio stehen im dialektischen Verhltnis zueinander, und so mssen wir bei unseren Interpretationen dieser Philosophen vorsichtig sein. Ausgerechnet in der Separation von Glauben und Vernunft wird aber die vermeintliche Modernitt des Thomas und des Surez gesehen. Natrlich sind beide Wege verschieden. Fr Thomas ist der actus essendi am wichtigsten, ohne den die Metaphysik nicht vom Seinsgrund her kommen kann. Surez aber, fr den auch diese visio creatrix der Grund jeder Metaphysik ist, beginnt, unter dem Einfluss der jngsten Entwicklung der Philosophie mit den reinen Begriffen zu spielen20 und rckt diese in den Vordergrund seiner Metaphysik, die auch Gott als adaequatum obiectum mit einschliet:ens in quantum ens reale [est] obiectum adaequatum huius scientiae (DM 1,1,26).21 Dico ergo primo conceptui formali entis respondere unum conceptum adaequatum et immediatum, qui expresse non dicit substantiam, neque accidens, neque Deum, nec reaturam, sed haec omnia per modum unius, scilicet quatenus sunt inter se aliquo modo similia et conveniunt in essendo (DM 2,2,8).

Diese schicksalstragende Unterscheidung zwischen Glaube (Theologie) und Vernunft (Philosophie) muss immer mit Vorsicht verstanden werden, denn es handelt sich dabei viel eher um eine methodologische Auffassung als um ein weltanschaulichSpielen bedeutet jedoch nicht, dass Surez die Dialektik als eine Art von ludus verborum ansieht. Er setzt sich gerade gegen diese Art die Dialektik zu verstehen. Vgl. hier, S. 79. Es bedeutet auch nicht, dass alles in der Evidenz der gegenstndlichen Verfasstheit lichtet, wie Siewerth sagt, denn Surez trachtet immer danach, die Sachen prout in se sunt zu begreifen. Vgl. hier S. 177, Funote. 21 Vgl. J. Schmutz, o.c., S. 350, Funote 9.20

7

neutrales System. Aber was heit neutrales System? Gibt es berhaupt eine Neutralitt in der Philosophie? Drfen nur diejenigen, die von dem Glauben absehen, ein neutrales System schreiben? Bei der Beziehung zwischen ratio-Philosophie und fides-Theologie kann man institutionelle Trennungen der Kompetenzen (Thomas von Aquin, Buridan22) aber auch Konvergenzen finden. In der Scholastik sind beide Aspekte miteinander systematisch in Beziehung gebracht. Die Philosophie muss irgendwie fr diese Trennung ein klares Kriterium finden. Gengt es, dass die Philosophie von der Theologie absieht? Oder die Theologie von der Philosophie? Kommt es zu einen Fideismus oder Theologismus, wenn die Theologie von der Philosophie absieht? Oder zu einem Geltungspositivismus wenn die Philosophie von der Theologie absieht? Wird die Autarkie der Philosophie durch die Theologie beschrnkt? Oder ist der Inhalt des Glaubens ohne Einschrnkung immer gltig? (Fideismus?) Wer kann die Grenzen solcher Einschrnkung bestimmen? Das sind Fragen, die, obwohl allgemein behandelt worden sind, man trotzdem bei den entsprechenden Autoren genau analysieren muss. Geschichtlich gesehen, kann man ohne weiteres behaupten, dass die frhe Neuzeit (Descartes, Kepler, Newton, Leibniz) doch eine neue natrliche Theologie angesetzt hat, in der Gott die Naturgesetze der Welt in Form einer bestimmten mathematischen Struktur auferlegt hat.23 Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass Gott einfach dabei keine Rolle mehr spielt. Wie M. Hamp mit Recht sagt: diese neue Denkungsart [ist] doch nicht als eine Revolution interpretierbar, in der sich ein emanzipiertes, rationalistisches Denken gegen theologische Vorstellungen wendet. Der Grund dieser Umdeutung liegt vielmehr auf drei Umstnde: 1. Die Mathematisierung und Axiomatisierung der Naturwissenschaft. 2. Die Abwendung vom Aristotelismus der substantiellen Formen. 3. Die Einfhrung von Ordnungsprinzipien in einer korpuskularen Welt, die die Grenzen zwischen Natur und gttlicher Ordnung nicht mehr kennt. Das alles knnte mglich gewesen sein durch eine Umdeutung des Ordo-Begriffs, mit dem wir uns spter beschftigen wollen.24 Ich glaube, Surez hat sein pdagogisches Vorhaben (ilocutio) ziemlich auer Acht gelassen zugunsten seines systematischen Werkes (locutio), das die Themen des traditionellen dreijhrigen philosophischen Kursus wiederspiegelt, wie Jakob Schmutz festgestellt hat: Das esse und seine Attribute, die Ursachen, die Kategorien und das ens rationis. Die ilocutio, d. h. das wissenschaftliche Resultat seines Werkes 4) Sind die Disputationes Metaphysicae eine selbstndige Metaphysik? Noch wichtiger ist zu fragen, ob Surez seinem Vorhaben in Bezug auf die methodologische Form seiner Disputationes Metaphysicae treu gewesen ist. Sind sie wirklich eine im heutigen verstandenen Sinn selbstndige Metaphysik? Jacob Schmutz hat darauf hingewiesen, dass nach diesem Prooemium zwischen der Metaphysik und derVgl. beim Durand, Rolf Schnberger, Relation als Vergleich, Leiden-New York-Kln, Brill, 1994, S. 304 ff. 23 Vgl. Newton, Prinzipien der aturphilosophie, o.c. Scholium. (Zitat von M. Hampe, o.c., S. 236). 24 R. Schnberger hat diesem Problem ein ganzes Kapitel seines Werkes (Die Relationstheorie des Johannes Buridan, oc.) gewidmet. S. 296-338. Am Anfang seiner Ausfhrungen ber die Relation Philosophie-Theologie sagt er, dass das Verhltnis der mittelalterlichen Philosophie zur Theologie im Rahmen einer Beziehung steht, die der Relation zwischen der neuzeitlichne Philosophie und ihrem Wissenschaftverstndnis nahe steht. Diese Beziehung kann man jedoch nicht als analog bezeichnen, denn sie verhlt sich anders in beiden Systemen. Whrend bei der neuzeitlichen Philosophie ihre Beziehnung zum Corpus der Wissenschaften noch offen steht, erlaubt sie bei der scholastischen Philosophie keine Kompetenzbeschrnkung.22

8

gttlichen Wissenschaft (scientia divina) eine enge Korrelation besteht, insofern als Surez nicht so sehr eine autonome Metaphysik schreiben wollte, die spter als ontotheologie25 betrachtet wurde, sondern vielmehr eine Metaphysik, die als Zwischenglied zwischen Philosophie und Theologie fungiert. Schon Scotus war dieser Meinung.26 Man spricht von einer unreinen (impura) Metaphysik des Surez27 in dem Sinne, dass seine Metaphysik vor allem das gttliche Sein behandelt. Man spricht auch von Ontotheologie, ein Begriff der geschichtlich als eine Metaphysik verstanden wird, die das Verhltnis zwischen Gott und das geschpfte Sein bestimmt. Wie es immer sein mag, hat Surez sich ganz klar ausgedrckt:... cum res creatae perfecte cognitae ducant in cognitionem Dei, cuius sunt vestigia, non potest esse scientia perfecta de creaturis quin aliquo modo sub obiecto suo Deum comprehendat (De opere sex dierum 3,9,6). initio sumpto ab illa entis divisione in creatum et increatum (DM, Ratio et discursus totius operis)

5) Die Konsistenz und die Genesis des ganzen Werkes des Surez Es muss auch nachgeprft werden (man muss das komplexe, suarezische System kritisch analysieren), ob Surez die Begriffe, die er bei so vielen und differenzierten Sachbereichen benutzt hat ber seine verschiedene Werke hinweg klar, kohrent, konsistent und univok verwendet und ob dementsprechend die Auffassungen eines Begriffes von einem Werk auf das andere bertragen werden drften. Die Komplexitt seines ganzen Werkes erschwert eine klare Antwort darauf zu geben, denn Surez stellt sich bei der Behandlung der einzelnen Sachbereiche auf differente Standpunkte. Sind beispielweise die Relationen transzendentalen, so wie sie in dem, in seiner Jugend verfassten Traktat De Anima behandelt wurden, in derselben Form auch in den Disputationes Metaphysicae zu finden? Man hat, glaube ich, noch nicht versucht, die Genesis seiner Begriffe zu studieren. Ich habe z.B. festgestellt, dass Surez in seiner Jugend verfassten Traktat De Anima die relationes transcendentales nicht gern akzeptiert, whrend er ihnen in den Disputationes einen wichtigen Plan einrumt. ber die relationes transcendentales sagt Surez in De Anima, dass sie keine eigentlichen Relationen sind. Vielmehr handele es sich um entia omnino absoluta quae dicuntur speciem sumere per coaptationem ad aliud ad quod ordinantur non ut ad terminum, sed tamquam ad finem intrinsecum propter quem facta sunt, qui ordo non est relatio.28 Auch hinsichtlich des Problems25 26

Vgl. J. Schmutz, o.c., S. 350, Funote 9. Quaestiones super libros Metaphysicorum Aristotelis, I, q. 1, 155. 27 Vgl. M. Vorlivesi, Ontologia impura. La natura della metafisica secondo Francisco Surez, in: Francisco Surez, Der ist der Mann, Valencia, 2004, S. 161-207. 28 Franciscus Surez, Commentaria una cum quaestionibus in libros Aristotelis De anima, (ed. Castellote), t. I, Madrid 1978, S. 102 f. (I, q. 3. a. 11): Ad argumenta, ad primum communiter solet responderi quod iste ordo animae, et similes, sunt relationes transcendentales, non praedicamentales. Quae duo genera relationum distinguuntur, quia relatio praedicamentalis est speciale genus entis, transcendentalis vero invenitur in multis generibus. Quae distinctio semper mihi displicuit, nisi forte de nomine sit quaestio, et quilibet ordo vel habitudo vocetur relatio; quod improprium est, nam relatio tantum dicitur illa entitas cuius esse formaliter consistit in respicere ad aliud; et omnis entitas, quae talis est, vere est relatio praedicamentalis, quia convenit illi definitio primi generis illius praedicamenti; quae vero talis non est, non est relatio. Quocirca responsum est, iuxta tradita in principio capitis De ad aliquid, quod sunt quaedam entia omnino absoluta quae dicuntur speciem sumere per coaptationem ad aliud ad quod ordinantur, non ut ad terminum, sed tamquam ad finem intrinsecum propter quem facta sunt; qui ordo non est relatio, quia non ponit in tali re dependentiam formalem ab eo ad quod ordinatur, ut patet, nam potest manere a-

9

der substantiellen organischen Struktur, das eigentlich das Problem der Teilbarkeit oder Unteilbarkeit der tierischen hheren Seelen darstellt, hat sich Surez verschieden geuert: In den Disputationes Metaphysicae (15,10,32) hlt die tierischen Seelen als teilbar, whrend in den ersten von mir herausgegebenen zwlf Quaestiones seines jungen Traktats De anima (1,2,19) hlt er sie als irgendwie unteilbar.29 6) Die Wiederbelebung des suarezischen Werkes Endlich ist es Zeit zu fragen, warum noch heute sein ganzes Werk eine Wiederbelebung erfahren hat. Jakob Schmutz ist zu verdanken, eine lange Series von Werken, die sich mit der suarezischen Theorie befassen, in seinem Internet blog Scholasticon verffentlich zu haben. Es sind ber 500 Titeln. Dem Symposium (Prag, Oktober 1-,3 2009) ber die Surez Metaphysik. Disputationes Metaphysicae in their Historical and Sistematic Context die auf die Empfehlungen der Embajada Espaola en Chequia gesttzt, und von dem philosophischen Institut der Akademie der Wissenschaften und von der Theologischen Fakultt der Universitt von Sd Bhmen in der tschechischen Republik zusammengerufen ist ist auch zu verdanken, dass die suarezische Metaphysik heute einen neuen Mut fasst, der uns die Mglichkeit anbietet, die Errichtung der International Surez Society for the Study of Scholastic Tought zu begrnden. Aus der Tatsache, dass man heute beim suarezischen Werk eine offene Hermeneutik gefunden hat, die Kontinuitt mit der Tradition und Bruch miteinschliet, so wie eine Offenheit, jedes Problem bis zu seinem letzten Kern zu betrachten, lsst sich vielleicht erklren, dass moderne Philosophen, Juristen, Naturwissenschaftler und Mathematiker in seinem Werk Einzelheiten und Gedanken gefunden haben, die bei den bisherigen Studien ber Surez auer Acht gelassen worden sind. Die scholastische, ontologische einseitige Methodologie mit der das suarezische Werk bis heute betrachtet wurde, so verdienstvoll sie war, hat vielleicht letztlich dazu beigetragen, sich mit analytischen Problemen zu befassen, die im seinem Werk vorhanden sind. Auch die Relationstheorie und berhaupt das Problem der Gattungen haben heute an Interesse gewonnen.

nima corrupto corpore, et potentia destructo obiecto, et scientia non existente scibili. Quod est signum evidens has non esse relationes, sed ordines ad proprium finem. Et dicitur talis ordo de essentia rei, quia ratione illius recipit res talem essentiam, ut per illam apta sit ad talem finem. Quae aptitudo est absoluta et intrinseca ipsi rei. 12 Sic ergo dicendum est de anima quod ex natura sua ordinatur ad informandum corpus, et ideo recipit essentiam secundum quam sit apta ad hunc finem. Et totum quod recipit absolutum est, quamvis aptum et ordinatum ad componendum aliud. Explicant hanc rem optime artificialia, ut dicto loco diximus. Et explicatur praeterea, nam aliud est rem esse aptam ad aliquid, aliud referri, nam esse aptam ponit entitatem absolutam in ipsa re, et circumscripto omni alio extrinseco, res ipsa in se intrinsece manet apta, quamvis non possit explicari nisi per id ad quod est apta, ad quod ordinatur ut ad finem. Secus autem est de relatione, nam neque esse nec intelligi potest sine suo termino. Quocirca neque omnis res, quae per aliud definitur et explicatur, relativa censenda est, nec vero putandum omnem rem absolutam posse sine alio definiri, ut putavit Scotus, supra; et Apollinaris, hic, tx 6, et q 3, dicens posse animam sine ordine ad aliud definiri, nam proprietas illa non solum relativis est propria, sed etiam his rebus absolutis quae imperfectae sunt, et ex natura sua sunt quid alterius; immo etiam contingit rem perfectissimam comprehendi non posse nisi aptitudo ad extrinseca concipiatur in ea, ut Dei omnipotentia comprehendi non potest nisi cognitis omnibus creaturis possibilibus, in quibus illa manifestatur. 29 Vgl. mein Buch: Die Anthropologie des Surez, K. Alber Verlag, Freiburg-Mnchen, 19622, S. 45 ff.

10

7) Die generelle vs. die spezielle Ontologie Surez hat die Metaphysik nicht in allgemeine (Ontologie), und spezielle Metaphysik untergeteilt. Erst Wolff hat die Philosophie in praktische und theoretische Philosophie untergeteilt und diese wiederum in allgemeine (als metaphysische Grundwissenschaft) und in spezielle (Psychologia, Cosmologia und Theologia naturalis) gegliedert. Wolff hat eigentlich diesen Terminus nicht geprgt, der wahrscheinlich auf Leibniz zurckzufhren ist.30 Aber wir knnen im Werk von Surez ziemlich viele Untersuchungen finden, die mit der speziellen Metaphysik in Bezug stehen. Heute hat man entdeckt, dass viele von diesen Untersuchungen keiner besonderen Auseinandersetzung unterzogen sind. So hat sich ergeben, dass einige Mathematiker in Surez ein Reservoir von rationalem, mathematischem Wert, in Bezug auf die quantitas continua und discreta und auf die Punkte31 entdeckt haben. Einige Wissenschaftler haben auch in Surez eine Darstellung gefunden, die der heutigen Form, die Kunst zu begreifen in Bezug auf die causa formalis und auf die Aktivitt (actio vitalis) der menschlichen Vernunft, hnlich ist.32 Ich selber habe versucht, seine Kausalittstheorie nachzudenken und festgestellt, dass sie sich auf das Bonum im klaren patristischen Sinn sttzt.33 8) Der Stil der Disputationes Metaphysicae Was ihren Stil betrifft, sind mehrere Meinungen zu beachten. Zuerst mchte ich an den groartigen Artikel von Martin Grabmann ber die Disputationes Metaphysicae des Franz Surez in ihrer methodischen Eigenart und Fortwirkung34erinnern. Er stellt folgende Vortrefflichkeiten fest: Die erstaunenswert groe Liste von zitierten Autoren, die als eine Philosophiegeschichte gelten drfte; die kritische und ausfhrliche Darstellung aller Meinungen, bevor er uns seine eigene vorstellt; die Anerkennung seiner Disputationes Metaphysicae auerhalb des katholischen Raumes; der unerhrte Flei und Solidaritt mit denen Surez seinen theologischen Kollegen helfen wollte; die Klarheit und Tiefe seines Gedankenganges, wobei er immer das neue flssige, von der Schule von Salamanca eingefhrte Latein benutzt hat; der Einfluss seiner Disputationes auf die folgende Zeit, besonders in den deutschen, protestantischen Universitten des 17. und 18. Jahrhunderts. Sogar Francisco de Arriaga hat in Prag, im Jahre 1630, im Anschluss an Surez, die erste Auflage seines Cursus Philosophicus vollendet, wobei er mit seiner Identifizierung von Quantitt und materia prima die kartesische Theorie vom Wesen des Krpers vorwegnahm. Es gibt auch diejenigen, die auf den ersten Blick glauben, dass die Disputationes keine Belehrung enthalten, sie seien also blo eine Reihe von unverstndlichen Namen, so dass nur Leute von scholastischer Einsicht daraus etwas Gold in diesen Schlacken finden knnen, aber nur... mit Zeitvergeudung! Das stimmt aber nicht. Wer kann ein rein mathematisches Buch lesen und verstehen ohne mit der Mathematik vertraut zu sein? Wer kann die Disputationes mit Gewinn lesen ohne Latein zu knnen, oder ohne mit der scholastischen Terminologie vertraut zu sein? Ich muss aber zugestehen, dass Surez die Gabe der Synthesis nicht besa, dass er viel zu viel Zeit mit Auseinandersetzungen mit den Gegenargumenten verbraucht, sodass es manchVgl. Couturat, Opuscules et fragmente indits de Leibniz, Pavia 1913, 512. (Zitat von Grabmann, o. c. S. 547, Fussnote 39. 31 So Dean Buckner. Vgl. Fussnotte 11. 32 Vgl. M. Renemann, Surez on Art Production, in: Francisco Surez. Der ist der Mann. Homenaje al Prof. Salvador Castellote, Valencia 2004, S. 289-306. 33 Castellote, Die Anthropologie des Surez, Alber Verlag (Symposion 8), Freiburg/Mnchen S. 56 ff. 34 In Mittelalterliches Geistesleben, Band 1, Buber Verlag, Mnchen 1926, 525-585.30

11

mal schwer fllt, seine eigene Meinung zu entdecken. Aber das ist sein Stil. Leibniz hat von Surez folgendes gesagt:Indessen muss man den tieferen Scholastikern wie Surez... die Gerechtigkeit widerfahren lassen anzuerkennen, dass bei ihm mitunter bedeutende Untersuchungen vorkommen, z. B. ber das Kontinuum, das Unendliche, die Zuflligkeit, die Realitt des Abstracts, ber das Prinzip der Individuation,... ber die Seele und deren Vermgen, ber die Einwirkung Gottes auf die Kreaturen, usw. Und selbst ber die Natur des Willens und die Prinzipien der Gerechtigkeit.35

Grabmann unterstreicht den vermeintlichen Eklektizismus des Surez, aber er versteht darunter den guten, organischen und gesunden, nicht aber den oberflchlichen und reinen mechanistischen Eklektizismus. Warum htte sich Surez von den groen Philosophen wie Thomas von Aquin oder Scotus in mehreren wesentlichen Punkten absondern wollen, wenn er nur darauf aus war, eine eklektische Metaphysik zu schreiben? Ich habe den Eindruck, dass viele kritische Beurteilungen seines Werkes darauf zurckzufhren sind, dass es dem Leser eine tiefere Vertrautheit mit dem Text schwer fllt. Er ist nicht leicht! Mit klaren und genauen Worten expliziert Grabmann den Eklektizismus des Surez:...jener Eklektizismus, der auf einer grndlichen Quellenkenntnis der Patristik und Scholastik, auf einem tiefgrndenden Durchdenken der scholastischen Metaphysik beruht und mit vollstndig fortschreitender Denkenergie auch einen konservativen Zug verbindet (o. c., S. 557).

Man hat auch die suarezische legendre Unentschlossenheit hervorgehoben.36 Aber sie bedeutet eigentlich nicht, dass Surez sich nicht entscheiden wollte, sondern viel mehr, dass er, wie schon gesagt, alle den jeweilig behandelten Problemen inhrierenden Fragen zuerst durchschauen mchte, bevor er uns seine eigene Meinung anbietet. Und das ist nicht immer leicht, denn wie konnte er sich an alles, was er geschrieben hat erinnern? 9) Das konkrete System des Surez und der Begriff der participatio Endlich findet man auch suarezische Interpretationen, die den doctor Eximius mit Thomas von Aquin und mit Scotus, dem doctor subtilis, vergleichen wollen, indem Surez genauso kritisch wie Scotus war, aber ihm das philosophisches cacumen des Thomas fehlte. Ich habe bei meiner Lektre des ganzen philosophischen Systems des Surez, vor allem De Anima und die Disputationes Metaphysicae, immer den Eindruck gehabt, dass er das gttliche Buch der Schpfung nicht durchblttern wollte, um die philosophische Struktur dieser Schpfung zu verstehen, sondern nur, um das existentielle Da-sein-in-der-Welt zu begreifen. So kann man sowohl seine Theorie der Identitt Essenz-Existenz wie auch das Individuationsprinzip oder die gewisse Entitt der Materie verstehen. Das Letzte wird deutlich, wenn man sagt, dass sonst alle Missbildungen der Natur nur der Form zugeschrieben werden mssten. Sein System, so glaube ich, spiegelt seine systematische Weltanschauung wieder, in der die essentielle und radikale Dependenz, Partizipation und Abhngigkeit von Gott den ersten Platz einnimmt, whrend sich Thomas mit der reellen Komposition von Sein und Essenz auseinaneue Abhandlungen ber den Menschenverstand, cap. VIII: Von den inhaltsleeren Stzen. So, z. B. Jacob Schmutz, Rem in se ipsa cernere. Saggi sul pensiero filosofico di Bartolomeo Mastri (1602-1673) a cura di Marco Forliviesi. Subsidia Mediaevalia Interdepartamentale per Ricerche de la Filosofia Med., Univ. Padova, Atti del Convengo di Studi sul pensiero filosofico, Meldola-Bertinoro, 20-27 Set., 2002, S. 478.36 35

12

dersetzt. Auf diese Weise wird von Surez der Charakter der Partizipation am besten hervorgehoben. Das hat Surez besonders in der DM 2637 bei der Behandlung der Beziehungen zwischen der Finalursache und ihrem Effekt hervorgehoben. Im Verhltnis zu dem letzen Ziel der Menschen, ist der Effekt immer kleiner als seine Finalursache, denn die erschaffenen intellektuellen Wesen handeln immer um ihre Perfektion willen, die aber nur als Partizipation der absoluten Gte verstanden werden muss. Insofern ist die gttliche Finalursache grsser als ihr menschlicher Effekt, d. h. grsser als alles, was auf die partizipierte Perfektion eingeordnet ist.38 Falls diese Wesen die ihnen aufgegebene Ordnung umwlzen und sie auf sich selbst richten, wrden sie sich der Natur widersetzen (contra institutionem naturae (Ib.). In meinem Buch ber die Anthropologie des Surez habe ich die Frage gestellt, ob es eine innere Rangordnung des Wissens gibt. Dort habe ich gesagt: 1. Dass die Wissenschaft an sich Wohlgefallen erzeugt (DM 1,6,13). Dieses Wohlgefallen aber ist nicht egoistisch zu verstehen, denn Surez unterscheidet ganz klar zwischen habere scientiam und velle scientiam. Die Philosophie ist immer fr die Klassiker eine Liebe zur Wissenschaft gewesen, keines Besitz des Wissens.Non appetit voluntas habere scientiam, appetit tamen naturaliter velle scientiam (DM 1,6,14).

Fr Surez ist die Philosophie also eine Betrachtung, eine speculatio mit Hingabe und keine bloe Technik oder kalter Umgang mit den Begriffen. Sie ist das Organ des geistigen Lebens:[Die Wissenschaft] sagt Surez ist eine grte Vervollkommnung [des Menschen] und seine eigentliche Ttigkeit, und in ihr besteht seine Beseligung (DM 1,6,8).

Obwohl Surez die Metaphysik allen anderen Wissenschaften voraussetzt, ist immer die Anthropologie die Wissenschaft, nach deren Kriterien aus der gewaltigen Flle des Wissens die fr den Menschen eigentliche Wissenswerte kristallisieren werden knnen.Alle krperlichen Dinge sind einigermaen fr den Menschen eingeordnet (DM 24,1,3).

Ich kann nicht umhin, als an das anthropische Prinzip der modernen Physik erinnern, das auch die Auffassung des Surez betrifft: Wenn die Entfaltung des Universums sich anders verhalten htte als sie gerade ist, knnten wir nicht da sein. Auf jeden Fall, hat der Mensch eine wichtige Aufgabe in dieser Welt zu erfllen, die sich besonders bei seiner Ttigkeit kundgibt. Hier ein Schema, wo gezeigt wird, wie eine relationale Form sich verhlt, wobei der Gedanke einer Natur-Struktur zum Vorschein kommt, die sich in der Form grndet: ad conservationem propriam: Beziehung zu sich selbst Forma constituitur ad conservationem ad operationem physicam moralem37 38

speciei individuorum ad communicandam suam perfectionem

Cfr auch DM 23, 4, 3; S. Castellote, Die Anthropogie des Surez, o.c., S. 68-74. DM 26,1,10.

13

Entsprechend diesen relationalen Formen differenziert sich auch die Ttigkeit des Menschen: Die Ttigkeit gibt unseren Selbsterhaltungstrieb kund (ad propriam conservationem), aber auch die Erhaltung der menschlichen Gattung (ad conservationem specierum et individuorum). Auch die menschliche Fhigkeit, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten, und die Verantwortung sich ethisch zu verhalten sind dabei ganz klar dargestellt. Die Kommunikation, die in der Kausalitt, die allen Wesen zugeschrieben werden kann wenn auch in verschiedener Weise kann entweder eigendienlich oder fremddienlich sein: 1. Fremddienlichkeiten: commodis et conservationi totius universi. et praecipue hominis. 2. Eigendienlichkeitet: commodis suarum specierum. vel etiam individuorum39 Man knnte von einem suarezischen konkreten System sprechen, in dem die Geschpfe als in-der-Welt-sein (Heidegger) betrachtet werden, nicht aber als geworfen-sein, denn alle hngen essenziell von der Schpfung Gottes ab, die als Finalursache gilt. Die Naturwesen sind Zur-Hande-sein; die persnlichen Beziehungen ein Mit-sein und kein aggregatum, wie Surez selbst sagt: sie bilden ein corpus politicum, ein corpus mysticum. 10) Die Dialektik in den Disputationes Metaphysicae Aus der Pdagogik der Scholastik wissen wir, dass die Dialektik zu den artes liberales des Triviums gehrte und zwischen der Grammatik und der Rhetorik ihren Ort hatte. Als Aristoteles den Eleaten Zenon als den Begrnder der Dialektik betrachtete, klang der Begriff Dialektik wie Streitlust, die ganz nahe der Sophistik war. Plato dagegen betrachtete die Dialektik viel positiver. Er verstand sie als ein Suchen nachSurez unterscheidet zwischen einem physikalischen und einem formalen Kausalsystem. Bei dem ersten gilt nur eine blosse Kraft (forma a qua) ohne jegliche fhrende Exemplarform. Dabei handelt es sich um eine blosse Anstosskausalitt. Bei dem zweitem ist es die fhrende Form, die eine causa exemplaris ist, die den ersten Rang bekommt. Sie kann als forma ex qua, d. h. causa exemplaris respectu artificis (DM 25,2,15), insofern den agens actu informiert und ihn fhig macht zu einem sufficiens agens zu werden, oder als forma ad quam (forma exemplaris als Verwirklichungsziel) betrachtet werden (Ib. 16). Hier gilt es, dass jede forma a qua eine forma ad quam mit einschliesst: Et iuxta hanc considerationem universalem, omnis forma a qua est etiam ad quam, sub diversa ratione causae extrinsecae, et sine causalitate formali (DM 25,2,6). Hier hebt Surez die drei konstituierende Prinzipien jeder Urschlichkeit, nmlich die Intimitt, die Origination oder Ursprung und die spezifische Kommunikation hervor. Intimitt des Seiendes mit sich selbst (Gutheit, Einheit, Wahrheit), die aber keine Monade (im sinne Leibniz) sind, sondern ein esse in potentia activa. Origination, d. h. spezifische Einheit zwischen dem Erwirkten und dem Wirkenden (forma a qua insofern sich als causa efficiens verhlt unter der Fhrung der forma ex qua: generans generatum. Spezifische Kommunikation, d. h. effectus aequat causam (Vgl. DM 26,1,1.4.5). generans generatum (Vgl. Arist. 415a28 sqq.: ein Lwe erzeugt einen Lwe; eine Planze, eine Planze). Es gibt also drei Typen der Einheit: metaphysische, Ursprungs- und spezifische Einheit. Fr Surez ist allergings der Urschlichkeitsbegriff kein univoker, sondern ein analoger analogia proportionalitatis, nach der der Ursachebegriff besonders (proprie, DM 27,1,17. Vgl 27,1,10) in einer bestimmten Ursache beheinmatet ist, nmlich in der causa finalis (causa finalis censetur prima ac praecipua in causando, Ib.), die ihrerseits auf dem bonum grndet (ratio finis fundatur in bonitate, ideo coniungi potest aliqua ratio finis cum qualibet causa, Ib. 14). Diese analogia proportionalitatis, die auf dem bonum grndet, muss weiter spezifiert werden, denn die eigentliche Funktion der Ursache besteht in ihrem possitiven Einfluss (die internen componunt esse; die externen influunt esse). Deswegen fragt sich Surez welche Ursache in virtute causandi den ersten Rang oder die Prioritt hat: Dem Namen und der Kraft nach sagt er die Wirkursache. Quoad rem significatam aber die Finalursache. Zwischen beiden aber kann man von keiner Art Anologie sprechen. Hier gibt es eine quivozitt, die in einer connexio besteht (DM 12,3,2) Vgl. S. Castellote, Die Anthropologie des Surez (Symposio, 8), Freiburg-Mnchen, Alber Verlag, 19822, S. 57 ff.39

14

dem Wahren, wobei es sich keineswegs um eine Polemik und Propaganda handelte, wie es in der Sophistik war, sondern um eine im Kern des Wortes enthaltene natrliche Urbedeutung des Dialogs, in dem man von zwei divergenten Meinungen ausgeht, gerade um die entscheidenden Unterschiede herauszuarbeiten, die mglichen beiderseitigen Vereinseitigungen auszuschalten, und darin jeweils das Wahre anzuerkennen. Das Resultat ist, dass alles in eine neue Erkenntnis zusammengefasst wird. Die kantische transzendentale Dialektik spielt in seinem erkenntnistheoretischen System eine negative Rolle, aber er behlt immer noch ihre aus der Logik stammende Urbedeutung bei.40 Ist die suarezische Konzeption der Dialektik eine aristotelische, eine platonische oder eine kantische? Wenn man die Dialektik als den Versuch auffasst, These und Gegenthese durch logische Schlsse zu beweisen, dann hat Kant recht, wenn er die Dialektik als eine Logik des Scheins bezeichnet.41 So wie ich verstanden habe, gebrauchen weder Vitoria in seinen Relectiones, noch Surez in seinen Disputationes, den Terminus Dialektik in diesem Sinne. Hier ein Beispiel, wie der junge Surez in seinem von mir verffentlichten Traktat De generatione et corruptione42 die Dialektik als einen wirklichen Dialog, im Sinne Platons, behandelt:Sed, ut melius possimus in hac re ferre iudicium, videamus quomodo unaquque istarum opinionum solvit alterius fundamenta; sic enim forte patefiet huius qustionis veritas. ...ut rectius a nobis iudicetur Aductis ergo utriusque partis probationibus, oportet facere iudicium et unicuique quod suum est tribuere (d. 1, q. 2 [Ms., f. 29]).

Falls eine der Meinungen mit seiner eigenen bereinstimmt, ist er bereit, sie anzuerkennen: ... sed consentit nobis. Erst mit Fichte tritt die Dialektik auf als die immanente Gemheit des Bewusstseins in der Form von These, Antithese und Synthese der Setzung des Ich, Gegenstzen des Nicht-Ich und Wiedervereinigung des getrennten Ich im absoluten Ich. Hegel verfolgt unerbittlich diese Systematik weiter in seiner Logik, die zugleich eine Ontologie ist, versucht er den Schpfungsgedanke des Geistes Gottes nachzudenken. 11) Exkurs ber den Gedankengang der 39. und 47. DisputatioDer Gedankengang in der Disputation 39 ber die Unmittelbarkeit, Zulnglichkeit und ber die Qualitt und Analogie der aristotelischen Einteilung Diese Disputatio umfasst 3 Sektionen und ein ganz interessantes Prooemium. 1. Die Unmittelbarkeit dieser Einteilung. 2. Ihre Zulnglichkeit. 3. Ihre Qualitt und Analogie. Im Prooemium wird die Frage gestellt, zu welcher Wissenschaft die Auffassung der Kategorien zugehrt: Der Dialektik oder der Metaphysik? Die 1 Sektion stellt vier Bedenken vor, die zu beweisen scheinen, dass diese Einteilung nicht unmittelbar ist (1-4). Dennoch, und wenn sie nicht unmittelbar wre, knnte man von keiner wissenschaftlichen und zulnglichen Einteilung reden (5). Um eine Einteilung zu machen, die unmittelbarer als andere sei, ist darauf zu achten: 1. Dass sie eine geringere Zahl von Elementen zulsst, wobei Surez sich mit der Unterscheidung zwischen diversa und distincta auseinander setzt; oder 2. Dass die Differenzen oder modi, die das divisum in einer Division kontrahieren, als Mittel zwischen dem divisum und anderen Elementen einer anderen Division gelten. Z. B. Das sensibile steht zwischen das vivens und das rationale. (6-7). Fr Surez ist es mglich, eine andere Division der Gattungen vorzunehmen, die eine ge40

Vgl.. Wenzl, A., Bedeutung und Vieldeutigkeit der Dialektik, in Bayerische Akademie der Wissenschaften 8 (1959) 4. 41 Ebenda. 42 in: Francisco Surez. Der ist der Mann. Homenaje al Prof. Salvador Castellote, Valencia 2002, Appendix, S. 433-682.

15

ringere Zahl von Elementen zulsst, dennoch gibt er sich vorbergehend mit der aristotelischen Division der Gattungen zufrieden (8). Das erste frher angegebene Bedenken bezieht sich auf die Unterscheidung des Akzidens in vollstndig und unvollstndig, wobei Surez diese Ansicht widerspricht, weil sie das unvollstndige Akzidens falsch begrnden (9-12). Surez definiert das vollstndige physische Akzidens als dasjenige, das keine Komposition mit einem anderen zulsst und sich auch sich nicht zu ihm bezieht (13). Metaphysisch verstanden, ist das vollstndige Akzidens dasjenige, das die komplette Essenz eines Akzidens beinhaltet (14-15). Bei dem zweiten oben angefhrten Bedenken, weit Surez darauf hin, dass die Division der Akzidenzien in singular und universal sich mit dem Akzidens nicht vertrgt, denn sie gehrt eigentlich zu allen Seienden zu (16). Endlich, und bei der Behandlung des dritten Bedenkens, fhrt Surez eine andere den Akzidenzien gemeinsame Division ein, nmlich: Entitt und modus (17), absolut und relativ (18), geistig und materiell (19). Bei der 2. Sektion befasst sich Surez mit der Frage, ob die aristotelische Division der Gattungen zulnglich ist, denn dafr sind zwei Elemente ntig: 1. Dass alle Elemente distinkt sind; 2. Dass es auerdem kein anderes von denen distinktes Element gibt. Bei beiden Fllen, gibt es gegen die Zulnglichkeit der Division ernste Einwnde; (1). Bei dem ersten Fall: 1. Die Relation befindet sich bei jedem Akzidens. 2. Die neun Gattungen werden als unter sich verschieden schamottiert (2-3). Bei dem zweiten Fall, stellt Surez etliche Einwendungen vor (4-11). Auerdem bezieht sich Surez auf die alten klassischen Philosophen, die nicht immer die gleiche Division vorgenommen haben (12). Dann beschftigt sich Surez mit den Grnden, die fr diese Zulnglichkeit angegeben sind, vor allem mit dem des Thomas von Aquin (13). Surez tadelt den Thomas, dass er die innerlichen und uerlichen Akzidenzien nicht geachtet hat (14). Dann stellt Surez die Meinung des Augustinus, der Scotisten und des Ockhams vor (15-17). Surez nimmt die auf Avicenna angeblich zurckgefhrte Meinung an, nmlich, dass es keinen Beweis fr eine gengende und aprioristische Einteilung der Akzidenzien gibt (18). Danach kommt Surez auf die in den nn. 2-3 angefhrten Fllen zurck und untersucht was fr einen Grad der Zulnglichkeit fr die Vermehrung der Gattungen der Akzidenzien notwendig ist. Surez weit die reale (19), sowie die dem Akt der Erkenntnis vorangehende modale Distinktion zurck (20-21). Fr Surez gengt eine distinctio rationis cum fundamento in re (23). Es werden nachher die Gegenargumente der anderen Einwnde gelst (2427). Dann setzt sich Surez mit der Frage auseinander, ob es eine mehreren akzidentellen Prdikamenten gemeinsame Gattung gibt (28). Die Lsung des Surez lautet so: 1. Alle Elemente unterscheiden sich in Bezug auf das Sein als hauptschlich verschieden (29-30). 2. Die Gattungen verschiedener Prdikamenten stimmen in keiner essenziellen Differenz berein (31). Es wird dann eine Stelle des Aristoteles zitiert, die einige Bedenken hervorrufen knnte (32). Surez entscheidet sich aus pdagogischen und praktischen Grnden dafr, dass es nur neun Gattungen der Prdikamente gibt (33). Danach versucht Surez, seine Antwort auf die acht oben angefhrten Bedenken ber den zweiten Fall der Zulnglichkeit zu geben. Zum ersten, sagt Surez, dass die immanenten Ttigkeiten kein eigentliches und spezielles Prdikament ausmachen (34-35). Zum zweiten, versucht er seine dafr negative Meinung zu verteidigen, die um die actio und passio handelte (36). Zum dritten und vierten (ber die knstlichen und ethischen Denominationen), wiederholt Surez seine Meinung (37). Surez hlt sich bei der Lsung der Schwierigkeiten, die die Bewegung und die Urschlichkeit vorstellen knnten auf (38-39), dann betrachtet und lst er im Einzelnen die Final-, Formal- und Materialurschchlichkeit und deren Einwendungen (40). Bei dem nchsten Punkt handelt es sich um etliche Akzidenzien der Engel, die das 6. Bedenken ausmachten (41). Das 7. Bedenken fragte, ob die Eigenschaften der Akzidenzien zu verschiedenen Gattungen zugehren. Die Antwort des Surez lautet so: 1. Ja, wenn die Eigenschaft etwas Positives ist; Nein, wenn sie etwas Negatives oder Relatives ist (42). Bei dem letzten Punkt behandelt Surez die den aristotelischen Postpraedicamentis entnommenen Schwierigkeiten, wobei er sich dazu neigt, zu sagen, dass bei ihnen es um keine Akzidenzien handelt, auer dass es um eine Relation handelt (43). Die dritte und letzte Sektion dieser Disputatio betrifft die Frage der Analogie oder Univozitt der Einteilung. Surez begrndet das Motiv dieser Frage darauf, dass, wenn das Akzidens univok wre, gbe es nicht neun, sondern nur eine einzige Gattung; wenn aber sie analog ist, dann msste man es behaupten bei allen Akzidenzien per analogiam attributionis (1). Danach werden zwei Auffassungen dargestellt: die erste behauptet die Analogizitt der Einteilung (2). Die zweite, die Univozitt (3). Bei beiden gibt es Schwierigkeiten, denen Surez weitlufig trotz (4-11) und sie mit folgenden Bemerkungen auflst: 1. Das Akzidens, soweit es neun Gattungen auffasst, ist analog (12). 2. Es besteht die Mglichkeit, dass das Akzidens, wenn es in Bezug auf die Entitt und auf den modus verstanden wird, nicht univok sei. Aber es scheint noch wahrscheinlicher zu sein, dass diese Diversitt nicht gengt, um eine Analogie zu etablieren (13-14). 3. Obwohl das Akzidens in seiner ganzen Breite nicht univok sei, trotzdem, und in Bezug auf einige davon, kann man nicht negieren, dass es doch als univok bezeichnet werden kann (15). Die Sektion endet bei der Behandlung einer Einwendung, nach der es wohl einen Begriff des Akzidens gibt, der eigentlich generischer ist (16). Das widerspricht Surez, denn dieser Begriff ist kein univoker Begriff, weil er eine gewisse Analogie zulsst, so dass er keine eigene Gattung ausmacht (17). Es gbe noch eine hnli-

16

che Beantwortung, wenn das Akzidens als ein mit einfachen Entitten zusammengefgtes Akzidens betrachtet wre (18). Der Gedankengang bei der Disputatio 47 ber das die Einteilung des Akzidens in neun Gattungen Sie umfasst 18 Sektionen. In den Sektionen 1-4 befasst sich Surez mit der Relation allgemein: Existenz, Essenz und Einteilung der Relationen. In den Sektionen 5-9 wird die prdikamentale Relation studiert: die essentielle Definition, Subjekt, Fundament und Terminus der Relationen. Die Sektionen 10-15 befassen sich mit den relativen Seienden, die auf das aristotelische dreifache Fundament fuen. In der folgenden 16. Sektion wird die Frage gestellt, ob eine Relation Terminus von einer anderen sein kann. Die Struktur des Prdikaments ad aliquid ist das Thema der 17. Sektion. Endlich, in der 18. Sektion befasst sich Surez mit den aristotelischen Eigenschaften der Relationen. Die Sektion 1 umfasst 15 Punkte: Bei dem Versuch, eine Definition der Relation zu geben, befasst sich Surez mit fnf Grundschwierigkeiten (1-7). Demnach (8-10), legt er drei verschiedene Meinungen dar: es gibt keine reale Relationen (8); es gibt doch eine reale Relation, sie aber mach keine eigentliche Gattung aus (9); Beim Geschpf existieren auch reale Relationen, die eine eigene Gattung ausmachen (10). Diese letzte Ansicht wird von Surez angenommen und wird mit theologischen und philosophischen Argumenten bewiesen (11-15). Die Sektion 2 umfasst 25 Punkte. In dem ersten Punkt, wird die Unterscheidung zwischen Relation, Substanz und absoluten Akzidenzien genau erklrt, um die Realitt und die Natur der geschpften Relationen zu verstehen. Demnach werden vier Meinungen dargestellt und widersprochen (2-10). In den folgenden Punkten (11-17) wird besonders die Ansicht vieler Philosophen, besonders der Nominalisten behandelt, die eine distinctio rationis cum fundamento in re zwischen der Relation und ihrem absoluten Fundament verteidigen. Dabei aber widerspricht Surez in den Punkten 18-21 die Unterscheidung zwischen esse-in und esse-ad der Relation. Surez bekennt sich fr die nominalistische Auffassung in dem 22. Punkt. Endlich, bezieht er sich auf die am Anfang der Disputation angegebene (23) und auf die bei der 1. Sektion brig gebliebene Argumente (24-25). Die Sektion 3 hat 13 Punkte. Es geht zuerst um die drei aristotelischen Relationsunterscheidungen (1). Die erste bezieht sich auf die reale und gedachte (rationis) Unterscheidung, wobei nur die reale Relation die prdikamentale Relation des ad aliquid ausmacht (2-5). Bei der zweiten handelt es sich um die Relation secundum dici und secundum esse (6-9). Die dritte und wichtigere Unterscheidung ist die zwischen transzendentalen und prdikamentale Relationen (10-13). Die Sektion 4 umfasst 21 Punkte. Zuerst setzt sich Surez mit der schwierigen Unterscheidung zwischen prdikamentale und transzendentalen Relationen auseinander (1). Dass es einige bestimmte hnlichkeiten zwischen ihnen zu bestehen scheinen, hindert ihm nicht sie zu widersprechen (2-8). Andere hnlichkeiten kann man schon annehmen (9-15). Daraus ergibt es sich, dass nur die eigentlich prdikamentale Relation die Kategorie des ad aliquid ausmacht. Die brigen Punkte beziehen sich auf die Antworte auf die in der ersten Sektion vorgestellten Argumente (17-21). Die 5. Sektion behandelt die Definition der prdikamentale Relation (1-4). Dann werden die Schwierigkeiten, die dabei vorkommen, vorgestellt und gelst (5-13). Die 6. Sektion behandelt ganz kurz, dass jede Relation ein Subjekt, ein Fundament, und einen Terminus erfordert. Bei der 7. Sektion handelt es sich darum, dass bei einer prdikamentale Relation das Subjekt sich einigermaen vom Fundament unterscheidet (1-3). Dieses Fundament kann entweder ein Akzidens oder eine Substanz sein (4-9). Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Fundament und der ratio fundandi (10-14). Die 8. Sektion behandelt ob ein realer Terminus notwendig ist (1). Es gibt aber Autoren die daran zu zweifeln scheinen (2): Dieser Terminus ist nicht notwendig und vielleicht existiert er berhaupt nicht (3). Surez zeigt sich dagegen und folgt die allgemeine Meinung, dass der Terminus doch notwendig ist (4-7). Die Meinung des Gregorius wird widersprochen (8). Daraus ergibt sich, dass der Terminus der Essenz der prdikamentalen Relation zugehrt (9-12). Endlich, behauptet Surez, dass der Terminus, nicht einmal de potentia absoluta Dei, aus der Relation weggenommen werden kann (13-14).

17

Die 9. beschftigt sich mit dem mglichen realen Unterschied zwischen Fundament und Terminus, wenn sie formell verstanden werden (1-6). Die 10. Sektion behandelt die dreifache fundamentale aristotelische Unterscheidung der Relationen (1). Es wird danach die aristotelische Meinung dargestellt (2-4). Es werden dann die wichtigen Fragen gestellt, die dieser Meinung nachfolgen: 1. Ob alle Teile dieser Unterscheidung sachgem gestellt sind (convenientia), und 2. ob sie komplett ist (sufficientia). ber die beiden Fragen gibt es ernste Schwierigkeiten (5-11). Trotzdem wird von Surez die allgemeine aristotelische Ansicht vorbergehend angenommen (12-16). Bei der 11. Sektion bemht sich Suarez, die Schwierigkeiten zu lsen, die bei der vorhergehenden Sektion vorgekommen sind (1). Zuerst, ber die numerischen Relationen (2-3). Eigentlich kommt die Relation der Einheit bei jeder Gattung vor (4). Danach wird betrachtet, wie eine Relation Fundament einer anderen sein kann (5-13). Dann wird erklrt, wie die Relationen der Identitt, der hnlichkeit und der Gleichheit bestimmt sind (14-15). Endlich, wird behauptet, dass die satzungsmige Einheit eine reale Relation begrnden kann, und dabei werden auch die Eigenschaften dieser ersten Gattung dargestellt (1621). Die 12. Sektion beschftigt sich mit der zweiten Gattung der Relationen, die einige Bedenken aufweisen (1). Danach wir gefragt, ob alle Relationen dieser zweiten Gattung real sind (2). Die Antwort des Surez lsst auf sich warten, denn er muss vorher auch noch etliche Bemerkungen dabei machen (34). Er beschftigt sich zuerst mit der Relation der Vaterschaft und des Agens (5-8), d. h. ob sie in actu (9) oder in potentia (10-14) sein muss. Die kurze 13. Sektion hat folgenden Inhalt: In Bezug auf die auf die Maregel (mensura) sich grndenden Relationen, wird ein Einwand gelst, der gegen Aristoteles ist (1-9). Die 14. Sektion behandelt die Fragen, ob die dreifache aristotelische Unterscheidung gengend (sufficiens) ist und ob sie alle Relationen miteinschliet (1-8). Bei der 15. Sektion beschftigt sich Surez mit dem Sinn, den die non mutuae Relationes haben knnen, wobei er eine Unterscheidung zwischen den reziproken und den nicht reziproken Relationen feststellt (1-2). Nachher, setzt er sich mit den Schwierigkeiten auseinander, die bei ihrer Behandlung vorkommen knnen (3-7). Surez stellt fest, dass es non mutuae Relationen gibt, die sich in der dritten Gattung befinden (8). Dann versucht er die diesbezglichen Gegenargumente zu lsen (9-12). In den zwei nchsten Punkten beantwortet Surez die Augmente, die am Anfang dieser Sektion vorgestellt waren und stellt die Meinung der Nominalisten vor, die sich ber der Relation Gott-Geschpf ex tempore beschftigen (13-16). Dabei verneint Surez, dass diese Relationen real sind (17-29). Die 16. Sektion ist eine Ergnzung der vorangehenden. Es wird hier behandelt, ob der formaller Terminus einer Relation eine andere Relation sein kann oder nur eine absolute ratio (1). Danach werden die verschiedenen Ansichten darber dargetan (2-5). Surez versucht danach, seine eigene Behauptungen zu geben: 1. Bei den non mutuae Relationen, die ratio, die in einem Extrem ist, um der Terminus der anderen Relation zu sein, ist keine gegenseitige Relation, sondern die Entitt selbst oder eine irgendeine Beschaffenheit dieses Terminus (6-13). 2. Bei den mutuae Relationen, die ratio, um Terminus zu sein ist genauso eine absolute ratio, die das formale Fundament der gegenseitigen Relation ausmacht (14-22). Damit versucht Surez, die Gegenargumente der anderen Auffassungen zu lsen, indem er den Sinn expliziert, warum die relativa ihrer Natur nach, ihrer Erkenntnis nach, und ihrer Definition nach, von Natur aus gleichzeitig sind (23-24). Am Ende dieser Sektion handele es ich um die Termini der gttlichen Beziehungen (35-38) und um ihre relative Gegenberstellung (39-40). Die 17. Sektion betrachtet die Konstitution des Prdikaments des ad aliquid (1.) Dabei werden die Bedenken erwgt, die dabei vorkommen knnen: 1. Darf man alle Relationen auf ein einziges Prdikament zurckfhren? (2). Surez lsst die Mglichkeit einer positiven Antwort zu (3), aber er fgt trotzdem die Lsung derjenigen hinzu, die anderen Meinungen sind (4-5). Sie ist wahrscheinlich, aber setzt ein falsches Argument voraus (6). Surez behauptet dem sprechend, 1. Dass das Relativum allgemein, nicht im ad aliud als korrelativum besteht, (7-8); 2. Dass das Relativum immer einen sich passenden Terminus hat (9); 3. Dass die allgemeine ratio eines Terminus keine eigene Gattung ausmacht (10). Danach, werden die Fragen angeregt, 1. Wie die Gattung des Relativen sich auf ihre inferiora einschrnkt (contractio) (11-14). 2. Wo liegt eigentlich der Grund fr eine essenzielle und spezifische Differenz der Relationen (15) und fr die Gleichzeitigkeit mehrerer Relationen, die sich in einem Subjekt nur numerisch unterscheiden (16-23). Am Ende dieser Sektion widerspricht Surez die Meinung des Ferrariensis ber die Relation, die der Sohn zu Vater und Mutter hat (24-28). Die letzte 18. Sektion ist eine Auseinandersetzung mit den aristotelischen Eigenschaften der Relationen: Entgegengesetzheit (contrarium), Gradualitt und Umkehrbarkeit (1-6).

18

12) Die Beweisarten bei den Disputationes Metaphysicae des Surez Surez bentz des fters das Wort fundatur in Bezug auf einen Beweis, denn jeder Beweis ist nicht anders als die Begrndung fr eine aufgestellte Behauptung. Zu dieser Begrndung gehren essenziell zuerst die Methode des Vorgehens und dann die Argumente, die vorgebracht werden. Darauf folgt die Widerlegung von bereits vorgebrachten Argumente und Gegenargumente gegen die Behauptung der Begrndung. Schlielich kommt die Aufstellung seiner einigen Meinung. Die Beweise knnen sich in deduktive (Surez nennt sie metaphysische), die durch logisches Erschlieen der Behauptungen aus bereits anerkannten Voraussetzungen erfolgen, und induktive, die von vornherein eine geringere Beweiskraft erhalten, weil es fast unmglich ist eine vollstndige Induktion der unendlich viele Prmissen bereitzuhaben, unterteilt werden. Eine komplette Induktion wrde erst in der Arithmetik Geltung haben, denn, wenn eine Eigenschaft einer natrlichen Zahl angegeben wird, darf man auch sie fr eine beliebige natrliche Zahl wie n+1 anwenden. Die Induktion aber die Surez anerkennt bezieht sich viel mehr auf die unvollstndige, die uns eine Art von Evidenz schenken kann. Eine weitere Beweisfhrung ist fr Surez der Analogiebeweis, der aus der hnlichkeit von zwei Prmissen erfolgt, von denen eine in einem erfolgten Beweis verwendet wurde, und die Gltigkeit des Schlusses aus der anderen erfolgt. Auch wird von Surez die petitio principii ins Feld der Argumentation gefhrt, d. h. wenn ein unbewiesener Satz fr den zu beweisenden herangezogen wird oder wenn das zu Beweisende bereits in der Voraussetzung versteckt ist. Einen Fehlschluss kann man auch bei der Umkehrung finden. Wenn man annimmt, dass die Prmisse ein bewiesener oder als gltig erwiesener Satz ist, dann darf man sie logisch nicht durch den Schluss-Satz, sondern vor dem Beweissgang beweisen. Diese Umkehrbarkeit ist auch von Aristoteles in Bezug auf die Eigenschaften der Relationen behandelt worden, wie wir spter sehen werden. Ein weiterer Fehlschluss besteht in der Verwechselung. Hier handelt es sich darum, dass man einen bewiesenen Satz fr den Beweis eines anderen heranzieht, die hnlich lautet. Retorquere argumentum ist auch fr Surez eine Art das Gegenargument zu widersprechen. Wir haben oben schon ber den Sinn gesprochen, den Surez der Dialektik zuschreibt. Surez bezieht sich auch auf die Fehlschlsse, die darauf beruhen, dass das, was eigentlich dieses ist, entweder nur in einer gewissen Hinsicht, oder dort, oder dann, oder mit Bezug auf etwas (pros ti), und nicht schlechthin ausgesagt wird. Diese Fehlschlsse muss man lsen, dass man den Schlusssatz der Verneinung gegenber darauf untersucht, ob er einer von diesen Bedingungen untersteht (Soph. el. 25: 180a 2331). Der Regress in infinitum wird auch von den Scholastikern fters als Argument benutzt; ein infinitum kann zu keiner Schlussfolgerung kommen. 13) Die Stellung des suarezischen metaphysischen Systems in der Geschichte Europas Ich mchte hier ganz kurz einige Erklrungen ber den vermeintlichen Essentialismus von Surez anbieten:

19

a) Die platonische und die aristotelische Anthropologie Wenn man bereit ist, eine Anthropologie zu schreiben, die m. E. der Grund fr jede Epistemologie ist, kommen immer wieder drei Welt- und Menschenanschauungen vor: die jdisch-christliche, die klassische (Plato und Aristoteles) und die wissenschaftliche,43 die ihrerseits bzw. die theologische, die philosophische und die wissenschaftliche Anthropologie zur Folge haben. Man kann nicht von den Ergebnissen dieser dreien Auslegungen absehen, die sich im Laufe der Jahrhunderten ergeben haben, wenn man eine integrale Anthropologie schreiben will. Aber es ist auch wahr, dass man nicht ausweichen kann einer von diesen Ansichten den Vorrang zu geben, die dann als Leitfaden dient, um eine dementsprechende Anthropologie zu errichten. Die Anthropologie wird also zu einer dialektischen Anthropologie,44 die einerseits zwischen der philosophischen und der wissenschaftlichen Anthropologie, anderseits zwischen der persnlich-individuellen und der universell-allgemeinen Anthropologie zustande kommt, d. h. zwischen dem ich lebe und dem ich denke. Plato hat vor, den Einheitspunkt zwischen der verschiedenen Aspekten und Darlegungen des moralischen und persnlichen Lebens zu bestimmen. Dabei spielt der Symbolismus (die zwei Pferde, die die Seele fhren) in seiner Darlegung des menschlichen Lebens eine groe Rolle, sodass es zu einem Dualismus gekommen ist. Aristoteles seinerseits, von seiner wissenschaftlichen Neigung angespornt, versucht, die Seele (r y) im Mittelpunkt des menschlichen Organismus zu stellen. Die Organologie ist damit entstanden.45 Der erste und wichtigste Begriff ist die d, die dazu dient, die Definition der Seele zu bestimmen: (Ps T x q q x h. d. T d (De an., B: 412 a 19-22). Hier muss man hervorheben, dass Aristoteles sich bemht hat, die Materie (hyl) und die Form (eidos) miteinander in Verbindung zu setzen. Ein Leben ohne Seele ist wie ein Gehen ohne Fe (De gen. an II, 3) und ein Krper ohne Seele ist wie ein steinernes Auge (De part. an. I, 1). Im Namen enteljeia ist der Begriff telos mit eingeschlossen, der aber nicht als Zweck, das man erreichen mchte, sondern als etwas Konstitutives bei der Ausformung des menschlichen Lebens. Die Form (d) verwirklicht durch die d das, was in Potenz () schon war. Die Wirkurschlichkeit wird zu einer biomorphischen statt zu einer technomorphyschen, denn es sind gerade die Final- und die Formalursache die die Wirkursache bestimmen und regeln. Was bei Plato eine selbstausdrckliche Idee (idein, sehen) war, verndert sich bei Aristoteles in einen Akt, der durch die Aktivitt der Seele (intellectus agens, noesis noeseos) verwirklicht wird. Mit dieser aktiven noch relativen Independenz des menschlichen Denkens, ffnet sich der Weg zu einer von jeder Bedingung gelsten Wissenschaft. Damit verschwindet irgendwie der ideative Sinn der platonischen Epistemologie zugunsten einer aktiven apprehensio der Wirklichkeit. Das noesis noeseos des Aristoteles wird spter in der thomistischen und kajetanische Epistemologie zu einer ziemlich passiven Form des Denkens.

Vgl. Max Scheler, Die Stellung des Menschen im Kosmos, Mnchen 1949, S. 11 ff. Vgl. Gabriel Marcel, El hombre problemtico, Buenos Aires 1955 (Trad. espaola por M. E, Valenti), S. 6. 45 Trotzem, kann sich Aristoteles nicht ganz von der platonischen Seelenauslegung abweichen, indem er sagt, dass die Seele von aussen kommt (, An. I, 1: 413 a 5-9).44

43

20

Mit Plotin vergeistigt sich diese organologische Auffassung, denn die Seele gehrt zum geistigen Sein (z) und vom ihm herkommt. Die Seele wird dadurch zu einem typus () des Geistes. Die Seele ist wie ein Licht, das sich im Krper befindet ohne dass sie sich mit ihm vermischt. In Bezug auf die Kategorien, meint Plotin, dass sie nur in der sinnlichen Welt befinden. b) Die Anthropologie des Thomas von Aquin Thomas von Aquin, der sich schon ber die Dialektik der Anthropologie bewusst war, versucht, gegen den Dualismus von Averroes, die Individualitt des intellectus agens (aliquid ipsius aninmae46) zu behaupten. c) Die scotische und die ochkamische Anthropologie Daher kommt es, dass die scotische und ockhamische Epistemologie die platonische und augustinische (attentio animae) widerspricht, die eine Vision der Ideen hatte: Die visio creatrix des Augustinus47. Dazu kommt es auch, dass Scotus dem Willen eine groe Rolle beimisst, in Gegensatz zum aristotelisch-thomistischen Intellektualismus. Der Mensch als imago Dei sieht nicht mehr die omniscientia Gottes, sondern vielmehr seine omnipotentia als Grund dieses Vergleichs. Das ist, glaube ich, der Grund, warum die moderne Psychologie sei es Instinkt, Stimmung, Unbewusstes oder Wille diesen willensmassigen Aspekt unterstrichen hat. Es ist gerade diese Aktivitt des Intellekts, die sich mehr und mehr verschrft und sich auch von der thomistischen konnaturalen Passivitt des Erkennens entfernt, so dass eine Art von Selbstbewusstsein entsteht. Die Konnaturalitt des Erkennens wird allmhlich in Frage gestellt. Der ideative Inhalt des Erkennens wird zum Kriterium fr die Unterscheidung zwischen cognitio distincta und cognitio confusa, nicht mehr von dem Sein des Erkennens, sondern vielmehr von dem tieferen bzw. oberflchli46

Thomas von Aquin, CG, 2, 77; Bonaventura Bagnoregis, Comm. in quattuor libros Sententiarum, p. 1, a. 2, q. 4, conclusio. 47 Augustinus: Tu autem quia vides ea sunt (Conf. 13, 38; De civ. Die, XI, 10). Thomas von Aquin: Res naturales, ex quibus intellectus noster scientiam accipit, mensurant intellectum nostrum..., sed sunt mensuratae ab intellectu divino; "Veritas autem, quae dicitur de rebus in comparatione ad intellectum humanum, est rebus quodammodo accidentalis, quia posito quod intellectus humanus non esset nec esse posset, adhuc res in sua essentia permanerent. Sed veritas, quae dicitur de eis in comparatione ad intellectum dvinum, eis inseparabiliter communicatur: non enim subsistere possunt nisi per intellectum divinum eas in esse producentem. Per prius etiam inest rei veritas per comparationem ad intellectum divinum quam humanum, cum ad intellectum divinum comparetur quasi ad causam, ad humanum autem quodammodo quasi ad effectum, in quantum intellectus a rebus scientiam accipit. (De veritate I, 4, Ed. Marietti. Turn-Roma 1964, p. 8, col. 1. In Bezuz auf Augustinus sagt weiter Thomas in: Respondeo. Dicendum...,2 q, a. 14: Non potest autem dici quod res scitae a Deo sint causa scientiae in eo; cum res sint temporales, et scientia Dei sit aeterna; temporale autem non potest esse causa aeterni. Similiter non potest dici quod utrumque ab una causa causetur, quia in Deo nihil potest esse causatum, cum pse sit quidquid habet. Unde relinquitur quod scientia eius sit causa rerum (De veritate II 14 (Marietti S. 59, col. 1). Und auch Nicolaus von Kues vertritt diese Auffassung: Non igitur attingitur aliquid, uti est, nisi in propria veritate, per quam est. In solo igitur divino intellectu, per quem omne ens existit, veritas rerum omnium, uti est, attingitur... Et quoniam divina ipsa mens omnium absolutissima est praecisio, ipsam omnes creatas mentes in alteritate variationis differenter participare contingit... Actualitas igitur intelligentiae nostrae in participatione divini intellectus existit... Quanto igitur intelligentia Dei formior, tanto eius potentia actui, uti est, propinquior; quanto vero ipsa fuerit obscurior, tanto distantior"; De coniecturis (Jahr 1440) I, 12-13; ed. Paris 1514, ff. 47 v - 48 r; ed. Basel 1565, S. 87-88: "Inter enim divinam mentem et nostram id interest, quod inter facere et videre. Divina mens concipiendo creat, nostra concpiendo assimilat notiones seu intellectuales faciendo visiones; divina mens est vis entificativa, mstra mens est vis assimilativa". De mente (1450) c. 7; Paris, fol. 86 v; Basel, S. 158.

21

chen Aktivitt des Willens. Die Aktion berrumpelt die Vision. Das sprt man sogar im religisen und mystischen Feld: Die visio Dei wird durch die fruitio Dei verwechselt. supremus ordo denominatur a caritate hatte schon Hugo von St. Viktor gesagt. Wenn man aber die intellektuelle Funktion des Erkennens als eine Lebensaktivitt versteht, dann ist es leicht zu dem Schluss zu kommen, dass die universalia ein reines Produkt dieser Aktivitt ist (Die Relation Wissen-Wissbare wird durch das Wissen begrndet): universale est tantum in anima, et sic non est in re (Ochkam, In I Sent., 2, 7). Das einzige was existiert ist das concretum particulare. Fr ihn ist die Relation ein nomen primae intentionis, quia quando significative sumitur pro re, quae non est signum, potest supponere, ut sic sit vera homo est relatio, Sortes est relatio, ex hoc ipso quod Sortes est similis vel pater alterius48. Das Erkennen hat nicht mehr eine essentielle Beziehung zur Wirklichkeit. Die intentio prima oder der individueller Begriff hnelt sich dem Prozess der Sinneswahrnehmung oder actus apprehensionis und das Urteil oder actus iudicativus bestimmt nur eine Entwicklung der sensitiven Wahrnehmung mittels der Assoziation der Wahrnehmung. (Das hat Hume zum Ende gebracht). Ockham spricht auch von notitiae incomplexae und notitiae complexae, genauso wie Locke sich spter von komplexe und inkomplexe Ideen spricht. Aus diesem Grund ist es leicht zu verstehen, dass Ockham auf die species intentionales verzichtet. Sie sind nicht mehr fr die Aktivitt des Denkens notwendig, die nur eine suppositio der Wirklichkeit ist. Daher kommt es auch her, dass einerseits die Psychologie zu einer empirischen Psychologie, und andererseits die Metaphysik zu Logik wird. In diesem Sinne hat man Ockham, aber mit Unrecht, als den Vater der modernen Naturwissenschaften genannt. Ich sage mit Unrecht, weil die Weltanschauung Ockham weit entfernt von der heutigen Physik ist. Es ist interessant festzustellen, dass man bis jetzt Ockham (13001350) oder einen von seinen Schlern als Vater der modernen Physik betrachtet hat. Aber wie Dijksterhuis49 sagt Man kann sich mit Recht fragen, ob eine solche akosmistische Auffassung des ockhamischen Terminismus, fr die Gott, mit seinem absoluten Willen, uns einen Welteindruck produzieren knnte, ohne seiner realen Existenz, uns nicht dahin fhrt zu einem mit der neuen Naturwissenschaft unvereinbaren Skeptizismus. Es ist nicht der Nominalismus, sondern der gemigte Realismus, der die neue wissenschaftliche Auffassung einfhrt, und der von Kepler bis Planck, die Existenz von universellen Gesetzen erfordert.50 Innerhalb dieser Tendenz, die Aktivitt der Seele zu unterstreichen, erscheint die Figur des Surez. Ich mchte darauf aufmerksam machen, dass Surez sich fters auf

Summa Logicae, 1, 49: De praedicamento Ad aliquid Die Mechanisierung des Weltbildes, Berlin-Gttingen-Heidelberg 1956, S. 185. 50 Dass die Scholastik keineswegs die Erhaltung der Naturgesetzten durch die Einschaltung des Willens Gottes in Gefahr gesetezt haben, wird z. B. von Augustinus behauptet: Sic Deus res quas condidit administrat, ut eas agere proprios motus sinat. (De civ.Dei, VII, 30). Auch diesbezglich sagt Scotus: Licet enim posset agere omnia [miracula], et sic agendo entitates quidem rerum non destrueret, sed eas quasi otiosas et vanas relinqueret, maluit tamen eis, sicut entitatem, sic et virtutem activam et propriam tribuere actionem, non enim universaliter perfectionem rebus subtraxit, cuius sunt capaces. (Quodl. q. 7, a. 2). Nichtdestoweiger, ist es allgemein von den Scholastikern behauptet, dass die causae secundae ihre Wirkurshlichkeit in virtute der ersten Ursache ausben (ab ipsa est omnis causalitas causae inferiores: Scotus, Ib.). Alles, was in essendo abhngig ist, ist auch in agendo abhngig. si Deus posset immediate in quodlibet causabile, quodlibet dependeret totaliter et praecise ab eo et, per consequens, necessario quodlibet causaret; et nunc sequitur multiplex inconveniens, scilicet quod causae secundae privarentur actionibus suis. (Ib.).49

48

22

die actio vitalis51 bezieht; auch auf das principium individuationis, das sich, wie schon gut gekannt, von dem des Thomas unterscheidet; auf die Negation der materia prima als reine Materie ohne jegliche Entitt. Ob das auf einen Einfluss des Ochkams und Scotus zurckzufhren ist, lassen wir jetzt dahingestellt. Es ist evident, dass Surez sich bemht hat, den hl. Thomas zu folgen, aber das tut er nicht immer, denn, wenn er Metaphysik treibt, ist er sowieso von den Nominalisten beeinflusst. Folgende Stze werden aber uns davon abhalten, Surez als einen Nominalist zu betrachten:... commiti quamdam aequivocationem in argumentis, transeundo ad ipsa re, prout in re existit, ad rem prout conceptam seu praecisam per intellectum (De an., 36,1,6). non oportere obiectum praesens esse eodem modo quo cernitur, sed eo tantum, quo aptum sit speciem imprimere (De an. 3,12,4).

Daher hat man Surez, einerseits, als Empirist,52 andererseits aber als Essenzialist betrachtet. Sehen wir inwieweit Surez ein Essenzialist ist. Es ist evident, dass Surez sich bemht, den Abgrund zu berspringen, der zwischen diesen beiden Auffassungen des Erkennens entstanden ist. Ich widerspreche Siewerth, wenn er sagt, dass Surez sich dabei hlt, eine reine konzeptuelle Objektibierbarkeit des Seins zu behaupten. Auch Gilson ist dafr, Surez als einen Essenzialist zu nennen. Der gotische Spiritualismus und der Mystizismus