26
1 Silvia Hagler & Renate Perner-Schwarzma nn STINKBÄRT

Stinkbärt 21x21cm upload

Embed Size (px)

DESCRIPTION

"Stinkbärt" 2. Platz beim internationalen Kinder- und Jugendbuchwettbewerb "Auf Schmetterlings- und Schwanenflügeln" Schwanenstadt 2014

Citation preview

Page 1: Stinkbärt 21x21cm upload

  1  

                                                     

       

  Silv

ia H

agle

r &

Rena

te P

erne

r-Sc

hwar

zman

n  

STINKBÄRT    

Page 2: Stinkbärt 21x21cm upload

  2  

     

 

Ausgezeichnet mit dem 2. Platz (Kategor ie: Studieren de) beim I n ternationalen K inder- und Jugendbuchw ettbew erb 2014 S chw anenstadt

Page 3: Stinkbärt 21x21cm upload

  3  

     

STINKBÄRT

T e x t : S i l v i a H a g l e r

I l l u s t r a t i o n : R e n a t e P e r n e r - S c h w a r z m a n n

Page 4: Stinkbärt 21x21cm upload

  4  

Es war der schrecklichste Tag in Berts Leben!

Nicht nur, dass seine Mutter sich von einem Tag auf den anderen einbildete,

er hätte sein Zimmer selbst in Ordnung zu bringen, nein,

sondern bei Nichteinhaltung der neuen Regel

dürfe er auch nicht mehr nach draußen gehen.

Das konnte doch wohl nur ein Witz sein?!

Er, der große Bert.

Hatte sie vergessen, dass aus ihm einmal ein noch größerer Bert,

nämlich ein Herr Bert, werden wird? Aber aufgepasst, nicht ein lausiger Herbert,

nein, nein, ein großer, stattlicher Herr Bert!

Das war schon was.

Und er, der in naher Zukunft ein echter Herr Bert werden würde,

sollte jetzt Arbeiten seiner Mutter übernehmen?

NIE IM LEBEN!

Page 5: Stinkbärt 21x21cm upload

  5  

Page 6: Stinkbärt 21x21cm upload

  6  

Bert tobte.

Er stampfte auf den Boden und rannte mit hocherhobenen Händen

kreischend durch die Bärenhöhle. Dabei stieß er zwei Sessel um,

wirbelte die Zeitung seines Vaters durcheinander, zerknüllte und zerfetzte sie. Als Nächstes verpasste er einem Küchenschrank einen Tritt mit seinem Bein.

„Auuuuua!“, brüllte er. Er riss die Schranktür auf und sein Blick fiel

auf jenen Teller, den er seiner Mutter letztes Jahr zum Muttertag geschenkt hatte.

Selbst bemalt!

Wie viel Zeit ihn das gekostet hatte! Wie viel Mühe!

So etwas Schönes hatte er ihr geschenkt und jetzt war sie so gemein zu ihm!

Er nahm den Teller und knallte ihn mit voller Absicht an die Wand.

Er blieb heil. Erneut griff er nach dem Teller. Diesmal schmetterte er ihn auf den Boden.

Der Teller blieb heil. Jetzt reichte es ihm.

Mit voller Wucht hüpfte er mit beiden Beinen auf den Teller drauf.

Immer wieder. Nichts geschah. Das machte Bert noch zorniger.

Da er den Teller noch einmal an die Wand werfen wollte, hob er ihn auf, doch da splitterte plötzlich ein kleiner Teil ab.

Ein eigenartiges Gefühl beschlich ihn.

Page 7: Stinkbärt 21x21cm upload

  7  

 

Page 8: Stinkbärt 21x21cm upload

  8  

Schnell steckte er den abgebrochenen Teil in seine Hose,

schnappte sich seinen Rucksack und lief zur Tür.

Heulend. Wütend.

Und Beleidigt.

Noch einmal drehte er sich um und schrie:

„AUF NIMMERWIEDERSEHEN!“

„Die Sonne wollen sie mir wegnehmen,

die Bäume, die gute, frische Luft!“, grummelte Bert vor sich hin,

als er den steilen Weg hinab zum Bach wanderte.

Plötzlich erblickte er etwas Eigenartiges.          

Page 9: Stinkbärt 21x21cm upload

  9  

Page 10: Stinkbärt 21x21cm upload

  10  

„Das gibt´s ja nicht! Heute sind überall Idioten unterwegs!“, kommentierte Bert das unsinnige Vorhaben eines kleinen Hasen,

der auf allen Vieren mit dem Hintern voran den Berg hinabkletterte, anstatt auf zwei Beinen gemütlich den Weg nach unten zu beschreiten.

„Hast wohl keine Augen im Kopf?“, schrie Bert mit seiner schlechten Laune dem Hasen zu.

„Hast wohl selber keine Augen im Kopf und siehst nicht, dass ich blind bin!“,

entgegnete dieser.

Autsch. Das tat weh. „Äh, ´tschuldigung.“, rief Bert kleinlaut in Richtung Hasen.

„Ja, ja, zuvor groß maulen, und dann mal schnell entschuldigen und alles ist wieder in Butter. So ist das heute in der Welt. Aber dass einer mal einem hilft, darauf

kommt keiner,“ rief der Hase dem Bären zu.

„Wieso kommen mir diese Worte so bekannt vor?“, dachte Bert nach.

Ehe er zu einer Antwort für sich finden konnte, forderte der Fremde ihn heraus:

„Na hilfst du mir jetzt oder nicht?“ Bert lief schnell zu dem Hasen hinüber,

reichte ihm die Tatze, sodass auch der Hase aufrecht bergab gehen konnte. Schweigend spazierten sie nebeneinander her, als der Hase laut verkündete:

„Nur weil ich nicht sehen kann, heißt das noch lange nicht,

dass ich auch nicht sprechen kann.“  

Bert fühlte sich überrumpelt. Was hätte er sagen können? Zuviel ging ihm durch den Kopf. Der Hase beschäftigte ihn. Einer, der sich seine Meinung zu sagen traut

und sich auch nicht alles gefallen lässt. „So wie ich.“, dachte Bert.

Page 11: Stinkbärt 21x21cm upload

  11  

Page 12: Stinkbärt 21x21cm upload

  12  

„Mann, dir fällt ja gar nichts ein? Wie heißt du denn?“, fragte der Hase.

„Äh, Bert, aber wenn ich groß bin, dann bin ich ein Herr Bert“, gab Bert kühn von sich.

„Ah, ein Bert, der noch warten muss“, schmunzelte der Hase.

„Was soll das heißen?“, antwortete Bert leicht verärgert. „Tja, ich bin ein Herbert und du ein Bert und irgendwann auch mal ein Herr Bert.“

Bert war still. Er führte einen blinden Herbert zum Bach hinunter. Jetzt reichte es ihm.

„Du bist ganz schön frech. Ich muss mir überlegen, ob ich dir noch länger helfe.“,

meinte er etwas anmaßend.

„Dann lass es doch. Ich komme auch ohne deine großartige Hilfe zum Bach.“, kam es pfeilschnell aus Herberts Mund.

„Was bist du doch für ein eingebildeter Hase!“, ärgerte sich Bert.

„Nein, ich bin nicht eingebildet. Aber nur weil du mir hilfst, heißt das noch lange nicht,

dass ich nach deiner Pfeife tanzen muss.“, sprach der kleine Langohr selbstbewusst.

Bert überlegte. Leider war sein Kopf heute schon mit zu vielen Gedanken vollgestopft, sodass sich die Sätze in seinem Kopf verhedderten und er beinahe gestolpert wäre.

„Pass auf, hier sind kleine Schnepfenkinder am Boden.“, rief Herbert.

Im ersten Moment war Bert froh über den Hinweis. Im zweiten fiel ihm ein, dass Herbert

doch blind war und somit die Schnepfenvögel gar nicht hatte sehen können.

„Hey, du bist doch gar nicht blind!“ schrie er aufgeregt, „du bist, du bist, ... ja genau, klar, du bist ein echter Herbert,

ein Gauner, ein Lügner. Mann, und ich hab dir das geglaubt!“

„Sag mal Bert, bist du taub auf den Ohren? Die haben doch geschrien,

als würde der Weltuntergang drohen!“, erklärte der Blinde plausibel.

Page 13: Stinkbärt 21x21cm upload

  13  

Page 14: Stinkbärt 21x21cm upload

  14  

Bert zog seinen Kopf ein und schmollte vor sich hin,

als es schlagartig zu donnern begann.

Wenige Sekunden später schüttete es in Strömen. Hunderte Blitze gingen nieder, einige davon schlugen in Bäume ein,

die mit einer Wucht auf dem Boden aufprallten,

dass einem die Angst bis ins Herz hineinkroch.

Der Weg zum Bach war versperrt. Rundherum dröhnte es. Der kleine Hase begann zu schluchzen.

„Warum weinst du? Wir finden schon einen Weg.“, tröstete ihn Bert.

Herbert liefen dicke Kullertränen über seine Backen.

Sein ganzer Körper zitterte.

„Wo sind wir?“ Der blinde Hase hatte die Orientierung verloren

und klammerte sich eng an seinen neuen Freund.

Page 15: Stinkbärt 21x21cm upload

  15  

 

Page 16: Stinkbärt 21x21cm upload

  16  

Bert sah sich um. Alle Wege,

soweit er in dem dunklen Umfeld sehen konnte,

waren durch umgestürzte Bäume

dicht gemacht worden.

Bis auf einen.

Es war jener Weg,

der bereits ihre Fußspuren gesammelt hatte.

Aber dieser war auch jener Weg, der direkt zu Bert nach Hause führte.

Er fühlte einen Stich in seiner Brust.

Intuitiv berührte er mit seiner Pfote die Stelle

und versuchte den Schmerz wegzudrücken.          

Page 17: Stinkbärt 21x21cm upload

  17  

 

Page 18: Stinkbärt 21x21cm upload

  18  

   

Bert wollte nicht zurück.

Daher nahm er mit Herbert den ersten

vor ihnen liegenden Baum in Angriff.

Der Hase musste voran klettern, Bert stützte ihn.

Doch Herbert musste die Stellen,

an denen er sich festhalten konnte,

ertasten und dies dauerte, da alles furchtbar glitschig war, ewig.

Bert begann in den Beinen zu zittern.

Sein Körper wackelte und mit einem

„Rums“ landete Bert im Dreck und Herbert auf dessen Schnauze.

„Auuuua,“ schrien beide.

Bert. Er konnte sich nicht beruhigen.

Eine Verletzung am Bein schmerzte ihn stark. Als er vorsichtig die Wunde berührte,

bemerkte er, dass er auf den kleinen Tellersplitter,

der sich in seiner Hose befunden hatte, gefallen war.

Page 19: Stinkbärt 21x21cm upload

  19  

 

Page 20: Stinkbärt 21x21cm upload

  20  

„Du kannst bockig sein, wie du willst, aber auf diesem Weg

wirst du nie ein echter Herr Bert, denn du wirst diesem Weg erliegen.

Und dein Freund mit dir.“

Wer hatte hier gesprochen? Er hatte es ganz deutlich gehört.

„Herbert, hast du was gesagt?“ Herbert zitterte am ganzen Körper.

Nein, der Hase war momentan auch stumm geworden.

Lediglich ein zartes Stimmchen, das sich durch Wimmern

bemerkbar machte, war zu hören. Bert fühlte, wie sein Widerwille

umzudrehen mit einem Male wich. Er ergriff die Pfote seines Freundes, quetschte sie unter seinen Arm und mittels klarer Anweisungen

über Weg und Lage schaffte es Bert, Herbert und sich selbst

wohlbehalten aus dem Wald herauszuführen.

Es war lichter geworden, dennoch prasselte es wie aus Kübeln

und der Weg war voller Matsch und Regenpfützen.

Die Nässe durchdrang beide.

„Wo gehen wir hin?“, fragte Herbert, dem nun auch noch

der Rotz aus der Nase lief. „Nach Hause.“

„Was ist das?“

„Nach Hause ist nach Hause. Dort, wo wir es gut haben.

Wo sich meine Mama und mein Papa um uns kümmern werden.“

Page 21: Stinkbärt 21x21cm upload

  21    

Page 22: Stinkbärt 21x21cm upload

  22  

 

Bert schwieg einen Moment.

Dann ergänzte er:

„Zu Hause ist man da, wo man geknuddelt wird, auch dann, wenn man ziemlichen Mist gemacht hat.“

Dabei hielt er den Splitter fest in seiner Hand.

Das Gewitter war bereits abgezogen.

Nur noch etwas Regen klatschte auf die beiden.

Bert sah sein Zuhause.

Und seine Mama.

Und ihre Tränen, die wie Bäche über ihre Wangen liefen. Und ihr Lachen.

Und ihre Freude.

Und ihre Arme, die ihn umschlangen.          

Page 23: Stinkbärt 21x21cm upload

  23  

 

Page 24: Stinkbärt 21x21cm upload

  24  

 

Herbert, der weder Mutter noch Vater hatte, wurde von Berts Familie aufgenommen,

als wäre er deren eigener Sohn.

Und wenn er auch nicht sehen konnte,

so sah er doch die Liebe, die ihn von nun an umgab.                            

Page 25: Stinkbärt 21x21cm upload

  25    

Page 26: Stinkbärt 21x21cm upload

  26  

                                                                     

Bert, ein trotziger Bär, träumt davon, groß zu werden, sprich ein Herr Bert zu werden. Nach einem Streit mit seiner Mutter verlässt Bert wütend die Bärenhöhle. Er wandert Richtung Bach. Auf seinem Weg dorthin begegnet er dem blinden Hasen Herbert, der ihn mit seiner schlagfertigen Art („...nur weil du mir hilfst, heißt das noch lange nicht, dass ich nach deiner Pfeife tanzen muss.“) herausfordert. Es zeigt sich auch, dass Bert, trotz seiner gesunden Augen, weniger von der Welt wahrnimmt, als der blinde Herbert. Erst ein starkes Gewitter bringt die beiden wirklich einander näher. Einerseits benötigt Herbert nun tatsächlich Hilfe und lässt sich auf Bert ein, andererseits übernimmt Bert erstmalig Verantwortung: für den Hasen und für sich selbst. Eine Geschichte über zwei starke Charaktere, die sich von der Welt nicht alles gefallen lassen und trotzdem erkennen müssen, dass in einem weichen Herzen mehr Kraft liegt, als in lauten Worten.