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Bei der stabilen Angina pectoris handelt es sich um eine häufi ge, die Lebensqualität beeinträch-

tigende Erkrankung. Die Prävalenz nimmt zu, da Übergewicht, Rauchen, Bewegungsarmut und Diabetes melli-tus zu vermehrten koronaren Herzer-krankungen in jüngeren Lebensjahren führen und mit besserer Beherrschung der Akutkomplikationen mehr Pati-enten mit chronischer Herzerkran-kung höhere Lebensalter erreichen.

Der Begriff der „Angina pectoris“ wurde 1772 von Heberden erstmals geprägt, um ein Syndrom zu beschrei-ben, in welchem ein Gefühl der Be-klemmung und der Beengung in der Brust, insbesondere bei Belastung zu beobachten ist.

Heute wird der Begriff der Angina pectoris (AP) in Zusammenhang mit der myokardialen Ischämie gesehen, als deren häufi gste Ursache die Koro-narsklerose mit Flusslimitierung durch Plaquebildung gilt. Weitere Ursachen können aber auch eine Aortensteno-se, eine Myokardhypertrophie, eine Hypertonie, ein Vasospasmus der Ko-

ronargefäße, sowie eine Mikrozirkula-tionsstörung im Rahmen einer Endo-thel-Dysfunktion sein (Syndrom X).

Defi nition und Pathophysiologie

Die Angina pectoris wird als dump-fer, beengender Druck („Brusten-ge“) beschrieben, zumeist hinter dem

Brustbein, nicht punktförmig, son-dern fl ächenhaft (der Patient zeigt mit der Hand oder Faust hin). Bei man-chen Patienten ist die Lokalisation exklusiv außerhalb des Brustkorbes in den Armen, Schultern, Rücken, Hals oder Kiefer sowie Epigastrium. Die klassische Angina pectoris hat gewöhnlich eine Dauer von wenigen Minuten, wird durch Ruhe, Eliminie-

Chronisch stabile Angina pectorisObwohl in den letzten Jahren in den Guidelines auf den Stellen-

wert der Lebensstilmodifi kation hingewiesen wurde, zeigen

Untersuchungen, dass kaum eine Änderung im Rauchverhalten

oder etwa beim Anteil der eingestellten Hypertoniker zu registrie-

ren ist; die Zahl der Adipösen hat zugenommen, die körperliche

Aktivität hat sich weiter verringert. Schätzungsweise leiden auf

eine Million Einwohner 30.000 bis 40.000 Menschen an einer

stabilen Angina pectoris. Von Max Pichler*

DFP - Literaturstudium

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Ursachen für Angina pectoris

Erkrankung der Koronararterien Fixe obstruktive Koronarerkrankung Koronarerkrankung mit dynamischer Flusslimitation: Mikrovaskuläre Angina (Syndrom X) Vasospasmus (Prinzmetal Angina)

Andere kardiale Ursachen Aortenstenose Hypertrophe Kardiomyopathie Hypertensive Herzerkrankung und Linkshypertrophie Mitralklappenprolaps Schwere pulmonale Hypertonie und Rechtsherzhypertrophie Tachykardien Perikarderkrankungen

Systemische Faktoren, Anämiedie eine Angina pectoris Thyreotoxikosehervorrufen können High-output state, größere Shunts

Tab. 1

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rung der psychischen Stress-Situation oder Nitroglyzeringabe gelindert bezie-hungsweise beendet. Die Auslösung er-folgt durch körperliche oder psychische Belastung; die Angina pectoris-Schwelle kann dabei variieren: Besonders Kälte, ein opulentes Mal oder Zigarettenrau-chen können die Schwelle erniedri-gen. Als Angina-Äquivalent kann eine Atemnot, ungewöhnliche Müdigkeit oder Synkope auftreten.

Frauen haben oftmals eine andere An-gina pectoris als Männer: Die Schmerzen treten in Ruhe auf, sind in der Schulter oder Rücken lokalisiert, oftmals domi-niert die Atemnot und Schwäche als Leitsymptom. Dies wird gerne als aty-pisch beschrieben, besser wäre, sie „ty-pisch für die Frau“ zu nennen.

Die Myokard-Ischämie resultiert aus einem Ungleichgewicht zwischen Sauer-stoffversorgung und Sauerstoffverbrauch.

Der Sauerstoffverbrauch wird be-stimmt durch:

• Herzfrequenz• Systolischer Blutdruck (als Marker

der Nachlast) • Wandspannung des Herzens* Kontraktilität des Herzens

Die Sauerstoffversorgung des Her-zens wird bestimmt durch die Sauer-stoffkapazität des Blutes sowie den Ko-ronarfl uss. Der Koronarfl uss selbst wird beeinfl usst durch:

• den Gefäßdurchmesser und Gefäß-tonus (Widerstand) der Herzkranz-gefäße

• den Kollateralfl uss• den koronaren Perfusionsdruck, der

bestimmt wird durch den Druckgra-dienten von der Aortenwurzel zu den Kranzarterien, dort vom epikardialen Fluss zum Endocard, sowie zu den endokardialen Kapillaren. Der endo-kardiale Kapillarfl uss wird durch den enddiastolischen Druck beeinfl usst.

• Die Herzfrequenz, welche wesent-lichen Einfl uss auf die Dauer der Diastole nimmt, da der Koronarfl uss primär während der Diastole erfolgt.

Der genaue Mechanismus der An-gina pectoris-Empfi ndung ist bis heu-

te nicht im Detail geklärt. Eine we-sentliche Komponente ist, dass die Ischämie eine verminderte Formati-on von Adenosin-Triphosphat (ATP) verursacht, dies wieder bedingt eine lokale Acidose mit Verlust der ATP- Natrium-Kalium Pumpe, Verlust der myokardialen Membranintegrität und Freisetzung von Substanzen, welche die chemosensitiven und mechanore-zeptiven Rezeptoren von Nervenen-digungen im Herzmuskel und um die Koronargefäße bewirken.

Man unterscheidet folgende Formen der Angina pectoris:

Stabile, typische Angina pectorisDer Brustschmerz tritt reproduzier-

bar bei körperlicher oder psychischer Belastung auf und verschwindet in Ruhe oder nach Gabe von Nitroglyzerin.

Instabile Angina pectorisNeu aufgetretene oder an Häufi g-

keit und Intensität progrediente oder in Ruhe auftretende Beschwerden, häufi g verzögert auf Nitroglyzerin Besserung und nicht länger als 20 Mi-nuten anhaltend, häufi g begleitet von vegetativer Symptomatik.

Der Übergang von der instabilen Angina pectoris (Angina pectoris +/- EKG-Veränderungen ohne Enzymaus-lenkung) und Herzinfarkt (Klinik +/- EKG-Veränderungen und Erhöhung von Troponin) ist fl ießend und da-her unter dem Begriff des akuten Ko-ronarsyndroms zusammengefasst. Es sind dies unmittelbar bedrohliche Pha-sen der koronaren Herzerkrankung, meist durch Plaque-Ruptur hervorge-rufen, die eine sofortige Krankenhaus-Einweisung (mit Notarztbegleitung) und ein dortiges Management not-wendig machen.

Bei Patienten mit einer stabilen An-gina pectoris ist es auch nützlich, die Schwere der Symptomatik mit einem Graduierungs-System zu erfassen. In-ternational üblich ist dabei die Eintei-lung der Canadian Cardiovascular So-ciety (CCS).

Wichtige Determinante des myokardialen O2-Angebotes und Verbrauchs und einer Ischämie

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Epidemiologie und Prognose

Die Diagnose einer Angina pectoris wird durch eine sorgfältige Anamnese

mit Beurteilung der Art und Intensität der Beschwerden (Lokalisation, Auslö-semechanismus, Dauer) gestellt. Die Prävalenz der stabilen Angina nimmt mit dem Alter zu, bei Frauen im Alter von 45 bis 55 Jahren von einem Pro-zent auf zehn bis 15 Prozent im Alter von 65 bis 75, während bei Männern im Alter von 45 bis 55 eine Prävalenz von zwei bis fünf Prozent angegeben wird; im Alter von 65 bis 75 liegt sie zwischen zehn und 20 Prozent. Man schätzt daher, dass pro Million Ein-wohner rund 30.000 bis 40.000 Per-

sonen an einer stabilen Angina pecto-ris leiden.

Die Prognose des Patienten mit stabiler Angina pectoris ist von meh-reren Komponenten abhängig und kann weit variieren. So haben die klassischen Risikofaktoren für die koronare Herzerkrankung wie Alter, Hypercholesterinämie, Hypertonie, Diabetes mellitus, Rauchen oder ein-geschränkte Nierenfunktion einen ungünstigen Einfl uss auf den Verlauf. Wesentlich trägt auch die (einge-schränkte) linksventrikuläre Pump-funktion zur Prognose des Patienten bei. Ebenso zeigen Patienten mit einer Mehrgefäßerkrankung beziehungswei-se Patienten mit einer Hauptstamm-stenose, Drei-Gefäßerkrankung oder Befall der proximalen LAD (Left an-terior descending) oder RIVA (Ramus interventricularis anterior) eine deut-lich schlechtere Prognose.

Letztendlich bestimmt auch die Plaque-Charakteristik, namentlich das Vorliegen von „vulnerablen Pla-ques“, welche mit einer größeren Wahrscheinlichkeit rupturieren und durch akute Thrombose zu Gefäßver-schlüssen führen, die Prognose. Die Erkennung dieser vulnerablen Pla-ques ist das Ziel vieler neuer wissen-schaftlicher Untersuchungen (IVUS mit virtual histology, OCT = optical coherence tomography, Kardio-MRI, Kardio-CT, Labormarker). Im kli-nischen Alltag steht dafür noch keine geeignete und breit einsetzbare Me-thode zur Verfügung.

In rezenten Therapiestudien bei Patienten mit einer stabilen koro-naren Herzerkrankung lag die jähr-liche Mortalität bei 0,8 bis 1,4 Pro-zent; die jährliche Inzidenz eines nicht-tödlichen Myokardinfarktes zwischen 0,5 und 2,6 Prozent. Dies soll jedoch nicht darüber hinweg täu-schen, dass im Einzelfall die Prognose in Abhängigkeit von Risikofaktoren und Begleiterkrankungen bis zu zehn mal schlechter sein kann und unter-streicht die Notwendigkeit der indivi-duellen Risikoabschätzung.

Lokalisation Retrosternal mit Ausstrahlung in die Arme, links mehr als rechts, den Unterkiefer, Oberbauch oder Rücken, in einigen Fällen andere Regionen

Auslösemechanismus Vermehrte kardiale Belastung, zum Beispiel durch körperliche oder psychische Belastung, Kälte, nach opulentem Essen, durch Blutdruckanstieg und Tachykardie

Art Druck- oder Engegefühl, fl ächenförmig, manchmal mit Brennen oder isoliert als Atemnot (Diabetiker, Ältere, Frauen)

Dauer Minutenlang in Zusammenhang mit Auslösemechanismus, nicht länger als 20 Min., prompte Besserung auf Nitroglyzerin

Tab. 2

Defi nition der stabilen Angina pectoris

Typische Angina Erfüllt die drei CharakteristikaLokalisation Retrosternal +/- AusstrahlungAuslösemechanismus Bei körperlicher / psychischer Belastung, KälteexpositionGebessert Durch Ruhe, durch Nitro-GabeAtypische Angina pectoris Erfüllt nur zwei der genannten CharakteristikaNicht-kardialer Brustschmerz Nur eines oder keines der Charakteristika trifft zu

Tab. 3

Klinische Klassifi zierung des Brustschmerzes

Schweregrad Stabile Angina pectorisKlasse 1 Keine AP bei Alltagsbelastungen (Treppensteigen), jedoch bei plötzlicher oder längerer physischer BelastungKlasse 2 AP bei stärkerer Anstrengung (Treppensteigen, schnelles Gehen (über 100-200 m))Klasse 3 AP bei leichter körperlicher Belastung (Gehen unter 100 m, Ankleiden, etc.)Klasse 4 Ruhe-Beschwerden oder Beschwerden bei geringster körperlicher Belastung

Tab. 4* nach der Canadian Cardiovascular Society (CCS)

Einteilung der Schweregrade der stabilen Angina pectoris*

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Klinik und Basisuntersuchung

Die stabile (und instabile) Angina pectoris ist oftmals die Erstmanifestation einer koronaren Herzerkrankung. Eine Angina pectoris kann aber auch häufi g bei dokumentierter koronarer Herz-erkrankung, zum Beispiel nach einem Herzmuskelinfarkt, aber auch nach Revaskularisationsmaßnahmen (Bypass-OP = CABG, percutane Koronarinter-vention = PCI) erneut auftreten.

In diesem Fall können neuerliche signifi kante und Fluss-limitierende Ste-nosen ursächlich sein, oder es fi ndet sich eine eher diffuse Minderperfusion, die zu dieser Symptomatik führt. So fand sich ein Jahr nach optimaler Revaskula-risation (durch Bypass-Operation oder PCI) bei 20 Prozent der Patienten er-neut eine stabile Angina pectoris. Bei mehr als 70 Prozent der Patienten wur-den Anti-Anginosa verordnet.

Mit Hilfe der Anamnese wird die stabile Angina pectoris erfasst und von der instabilen Angina abgegrenzt. Die anamnestische und klinische Unter-suchung umfasst die Fahndung nach Auslösesituation (bei Belastung, im Liegen), Atem- und Bewegungsabhän-gigkeit, Dauer und Häufi gkeit der At-tacken sowie kardialen und extrakar-dialen Faktoren, die diese Symptome verursachen können. Kardiale Faktoren sind Bluthochdruck, Tachykardie, Tachyarrhythmie, Linkshypertrophie, Klappenerkrankung (Aortenstenose, Mitralklappenprolaps). Andere extra-kardiale Faktoren sind das Vorliegen einer Anämie, Nikotinabusus, Hyper-thyreose, Nierenerkrankung, Hinweise für Gefäßspasmen (Morbus Raynaud) oder Arteriitis.

Die klinisch-physikalische Unter-suchung dient ebenfalls der Erfassung von Risikofaktoren und Organschäden und umfasst den Blutdruck, den Puls, Gewicht und Größe (BMI), Bauch-umfang, die Herz-Auskultation (Aor-tenstenose? Hypertrophe Kardiopathie? Mitralklappen-regurgitation?), Hinwei-se auf Herzinsuffi zienz (feuchte Rassel-

geräusche, Galopprhythmus, Flüssig-keitseinlagerung) und Untersuchung der Haut (Xanthelasmen, Xanthome).

Das Basis-Labor umfasst Untersu-chungen, die auf eine mögliche Ursache der Ischämie (Hb, TSH) hinweisen und Risikofaktoren beziehungsweise pro-gnostische Parameter erfassen (Lipidsta-tus, Blutzucker, Nierenparameter).

Ergänzende Untersuchungen

Das 12-Ableitungs-Ruhe-EKG ist häufi g bei Patienten mit stabiler Angi-na pectoris normal und schließt damit eine Ischämie nicht aus. Es kann aber auch Hinweise auf einen durchge-machten Herzinfarkt (Q-Zacke, T-Ne-gativierung), Aneurysmabildung (per-

sistierende ST-Streckenhebung) geben, oft weist ein Linksschenkelblock auf eine myokardiale Schädigung hin oder eine linksventrikuläre Hypertrophie auf die Folge eines schlecht eingestell-ten Bluthochdrucks.

Ein EKG „im Anfall“ ist sinnvoll, kann Hinweise auf eine Ischämie oder vasospastische Komponenten geben.´

Das Belastungs-EKG hat bei der Einschätzung der Patienten mit stabiler Angina pectoris einen besonderen Stel-lenwert. Folgende Punkte können beur-teilt werden:

1) Korrelation der Patienten-Symp-tome (Angina, Atemnot) mit elek-trokardiographischen Hinweisen der Ischämie.

Basislabor bei stabiler Angina pectoris

Kleines Blutbild (inkl. Hb)Lipidstatus: Gesamtcholesterin, HDL-C., LDL-C., TriglyzerideNüchtern-BlutzuckerTSH basalSerum Kreatinin bzw. eGFRHarnbefund (Albuminurie)Bei Verdacht auf akutes Koronarsyndrom: Troponin, CPK

Tab. 5

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(CABG oder PCI), n = 1205

Weitere Angina ein Jahr nach optimaler Revaskularisation

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2) Beurteilung der zumutbaren Be-lastbarkeit, gemessen an der Herz-frequenz, bei welcher die Ischämie nachweisbar wird.

3) Erkennen von Hochrisiko-Subgrup-pen, namentlich von Patienten mit ge-ringer Belastbarkeit und Auftreten der Ischämie (AP, ST-Streckensenkung, Rhythmusstörung, Blutdruckabfall) auf niedriger Belastungsstufe (unter 75 bzw. 50 Watt), die einer raschen invasiven Abklärung zugeführt wer-den sollen.

4) Beurteilung des pharmakologisch-interventionellen Therapieerfolges.

Bei der Ergometrie ist zu beachten, dass diese nur bei entsprechender Aus-belastung (Alters/Geschlechts-bezoge-ner Sollwert, Herzfrequenz x Blutdruck systolisch = Doppelprodukt) auch dia-gnostisch verwertbar ist. Die Sensitivi-tät des Belastungs-EKGs liegt bei rund

70 Prozent, die Spezifi tät zwischen 70 bis 85 Prozent, der positiv-prädiktive Wert bei 70 Prozent. Vor allem bei Frauen fi ndet sich oft ein falsch posi-tives Belastungs-EKG (niedere Spezi-fi tät), welche dann zu weiteren Unter-suchungen (Szintigraphie, Stress-MRI oder Stress-Echokardiographie, Koro-nar-CT, Angiographie) führt.

EKG-Veränderungen in Ruhe wie ST-Streckensenkung, Linkshypertrophie, Linksschenkelblock, WPW-Syndrom oder Digitalis-Einwirkung erschweren beziehungsweise machen die Beurtei-lung des Belastungs-EKGs unmöglich.

Das Belastungs-EKG ist kontrain-diziert beim akuten Koronarsyndrom, akuter Myokarditis, Verdacht auf Aor-tenaneurysma beziehungsweise Aor-tendissektion, manifester Herzinsuffi -zienz, Tachyarrhythmie, höhergradiger ventrikulärer Herzrhythmusstörung, hypertropher Kardiomyopathie und hochgradiger Aortenklappenstenose.

In Anlehnung an das Bayes´sche The-orem muss bei der Indikation und Beur-teilung von Funktionstest wie der Ergo-metrie aber auch den szintigraphischen Untersuchungen oder der Koronar-CT die individuelle Vortestwahrscheinlich-keit für das Vorliegen einer koronaren

Herzkrankheit abgeschätzt werden. Diese wird bestimmt durch das Vorlie-gen/Gewichtung von kardiovaskulären Risikofaktoren und der geschilderten Symptomatik (typische/atypische An-gina). So bringt es wenig Zusatzinfor-mation, bei einer niedrigen oder einer sehr hohen Vortestwahrscheinlichkeit weitere Untersuchungen anzuordnen. Der große Informationswert der ergän-zenden Funktionsuntersuchung liegt bei einer mittleren Vortestwahrscheinlich-keit (20 bis 80 Prozent).

Die myokardiale Belastungsszin-tigraphie (pharmakologisch und/oder ergometrisch) mit Thallium 201 oder Technetium 99 m markierten Radio-pharmaka (MIBI, SESTA MIBI) erlaubt den Nachweis/Ausschluss einer Ischä-mie bei diskrepanter Befundlage oder wenn eine ergometrische Belastung nicht möglich oder die EKG-Interpretation erschwert ist (WPW-Syndrom, Schritt-macher-Träger, etc.). Die Myokard-Szintigraphie hat eine höhere Sensitivität und Spezifi tät für den Nachweis einer koronaren Herzerkrankung als das Bela-stungs-EKG, hat dafür aber den Nachteil einer erheblichen Strahlenbelastung.

Bei der stabilen Angina pectoris hilft diese Untersuchung vor allem auch in der prognostischen Beurteilung:

Ein reversibler Perfusionsdefekt > zehn Prozent der Fläche des linken Ventrikels oder reversible Perfusions-defekte in unterschiedlichen Gefäßter-ritorien weisen auf ein erhöhtes Risiko für eine kardiovaskuläres Ereignis hin. Die Szintigraphie hat aber einige Feh-lermöglichkeiten. Die Aktivität wird relativ erfasst, das heißt: Bei Mehrge-fäß-Erkrankung kann der Befund falsch negativ sein. Bei adipösen Patienten oder Tracer-Aufnahme im Colon wirkt das Septum minderperfundiert.

Das Echokardiogramm hilft beim Nachweis/Ausschluss von relevanten Klappenerkrankungen, einer hypertro-phen Kardiomyopathie, eines Mitral-klappenprolapses und bei der Beurtei-lung der linksventrikulären systolischen und diastolischen Pumpfunktion und regionalen Wandbewegung, welche

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Prävalenz (%) der KHK nach Geschlecht, Alter und Symptomatik

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bei der Prognoseabschätzung bei der stabilen Angina pectoris eine wichtige Rolle inne hat.

Das Belastungs (Stress) -Echokardio-gramm (pharmakologisch/ergometrisch) kann in erfahrenen Händen - ähnlich wie die Belastungs-Szintigraphie und die Radionuklid-Ventrikulographie - zum Nachweis einer Ischämie-bedingten Wandbewegungsstörung eingesetzt wer-den. Die Methode ist sehr Untersucher-abhängig und zeitaufwändig, bringt aber keine Strahlenbelastung.

Das kardiale MSCT (Multislice-CT) zeigt eine hohe Sensitivität und Spe-zifi tät zum Nachweis einer koronaren Herzerkrankung. Mittels des Agatston-Score kann die Kalklast berechnet und damit eine zusätzliche Information in der Risiko-Beurteilung erhalten werden. Die Stärke des Koronar-CT aus Sicht der stabilen Angina pectoris liegt in dem

hohen negativ-prädiktiven Wert, das heißt dem Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung und in der Erkennung anderer Pathologien (Raumforderung in der Lunge, Hiatushernie, etc.).

Daher kommen besonders Patienten mit einer niedrigen oder mittleren Vor-testwahrscheinlichkeit und nicht-kon-klusive Ergometrie-Ergebnisse für diese Untersuchung in Frage. Keinesfalls ist das Kardio-CT als Screening-Untersu-chung einzusetzen.

Das kardiale MSCT hat den Nach-teil einer nicht unerheblichen Strah-lenbelastung (13-15 mSv gegenüber 5-7 mSv bei der Koronarangiographie). Ein qualitativ hochwertiges Bild er-fordert eine Herz-Frequenz unter 70/Min. und ist bei Vorhoffl immern nicht immer möglich. Ein Agatston-Score > 600 macht wegen der hohen Kalklast eine exakte Beurteilung von Steno-sen unmöglich.

Der klinische Stellenwert der kar-dialen Magnetresonanz (MRI) bei der stabilen Angina pectoris ist heute noch begrenzt. Bereits klinische Bedeutung hat die Beurteilung von Perfusion und Myokardvitalität mittels Gadolinium-Gabe („delayed enhancement“). Mit dem kardialen MRI lassen sich verschie-

dene prognostisch wertvolle Zusatz-Informationen ableiten, die jedoch für den individuellen Patienten heute noch keinen weiten Stellenwert haben. Mög-licherweise wird aber in Zukunft der kardiale MRI in der Plaque-Charakte-risierung (vulnerable Plaque) einen do-minierenden Stellenwert einnehmen.

Die Koronarangiographie ist die am weitesten eingesetzte Untersuchung zur Beurteilung des Ausmaßes und der Schwere der koronaren Herzerkran-kung. Die Koronarangiographie ist an-gezeigt bei Patienten mit stabiler Angina pectoris und a) Hinweis auf eine High-Risk Kon-

stellation (Ischämie), basierend auf klinischen und nicht-invasiven Para-metern.

b) Bei schwerer stabiler Angina pecto-ris (CCS 3 oder mehr), insbesondere wenn die Symptome medikamentös nicht ausreichend beherrscht werden können.

c) Bei Nicht-Hochrisiko-Konstellation, wenn trotz Medikamenten die Be-schwerden anhalten, die Lebensquali-tät limitiert ist oder die Medikamente nicht toleriert werden.

d) Bei Patienten mit schweren ventri-kulären Arrhythmien oder Überle-benden eines plötzlichen Herztodes.

e) Bei Patienten nach Revaskularisation (PCI, Bypass-Operation), die bald nach Intervention wiederum eine mittelschwere oder schwere Angina pectoris entwickeln.

Die Koronarangiographie hat in der klinischen Routine aber auch ihre Li-mitationen:a) Angiographisch scheinbar „normale“

Koronarien können eine ausgeprägte nicht-stenosierende koronare Herz-erkrankung aufweisen, wie Untersu-chungen mittels IVUS gezeigt haben.

b) Die physiologische Bedeutung von mittelgradigen Stenosen (30- bis 70-prozentige Stenose) ist unter-schiedlich; hier hilft im Einzelfall die Messung des intrakoronaren Druck-gefälles vor/nach der Stenose mittels der Fractional Flow Reserve (FFR).

c) Eine Unterscheidung in vulnera-ble beziehungsweise stabile Plaque

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Therapie der stabilen Angina pectoris

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gelingt mit der Koronarangiogra-phie nicht.

d) Die Koronarangiographie ist eine invasive Untersuchung mit Kon-trastmittel und Strahlengebrauch so-wie einem geringen, aber existenten Komplikationsrisiko (Blutungen, Gefäßverletzungen, Herzrhythmus-störungen, Embolie, Insult, Tod).

Risikostratifi zierung

Beim Management der Patienten mit einer stabilen Angina pectoris mit der Entscheidung über das weitere Vorgehen (konservativ, invasiv mit der Option der Intervention) kommt der Risikostratifi -zierung eine wesentliche Bedeutung zu. Diese basiert auf der klinischen Evaluie-rung (Anamnese, Charakterisierung der Angina pectoris, Häufi gkeit, Angina pec-toris-Schwelle sowie Risikofaktoren wie Alter, Raucherstatus, Herzinsuffi zienz, Bluthochdruck, Herzfrequenz u.a.m.), der nicht-invasiven Untersuchung mit Ischämie-Nachweis (Belastungs-EKG, evtl. Myokardszintigraphie), der Be-urteilung der Linksventrikelfunktion (Echokardiographie) und gegebenenfalls auch der Koronarangiographie mit Be-urteilung des Koronarstatus.

Ziele der Therapie:

1) Verringerung der Beschwerden (An-gina) und Erhalt der Belastbarkeit, Erhalt und Verbesserung der Le-bensqualität.

2) Verhinderung von Komplikationen wie instabile Angina pectoris, Herz-infarkt und/oder Herzinsuffi zienz.

3) Senkung der Sterblichkeit.

Lebensstilmodifi kation und forcierte Bekämpfung der kardiovaskulären Risikofaktoren sind ein integraler Be-standteil der Therapie der stabilen An-gina pectoris. Sie bewirken sowohl eine symptomatische Besserung wie einen günstigen Effekt auf die Prognose.

Nichtrauchen

Das Einstellen des Rauchens ist viel-leicht die wichtigste Maßnahme bei Patienten mit koronarer Herzerkran-kung und anderen atherosklerotischen

Erkrankungsmanifestationen. Es führt zu einer deutlichen Senkung der kar-diovaskulären Ereignisrate und sollte dem Patienten wiederholt und deutlich klar gemacht werden. Eine Nikotin-Er-satztherapie sollte am Anfang der Ent-wöhnung bei starken Rauchern (mehr als zehn Zigaretten/Tag) unterstützend eingesetzt werden.

Gesunde Ernährung

Mit einer zielgerichteten Ernährungs-umstellung kann das koronare Risiko gesenkt werden. Dieser günstige Effekt geht über die alleinige Cholesterin-Sen-kung hinaus. Standard ist die sogenannte Mittelmeerkost mit geringem Anteil an tierischen Fetten und Fleisch, reichlich frischem Salat, Obst und Gemüse sowie womöglich zwei mal in der Woche Fisch und Einsatz pfl anzlicher Öle wie Oli-venöl, Rapsöl u.ä.. Ein moderater Alko-holgenuss ist gestattet. Die Substitution durch Vitamine (Vit. E und B

6, B

12)

sowie Folsäure hat sich nicht bewährt und wird nicht empfohlen.

Verminderung von Übergewicht

Übergewicht mit erhöhtem BMI und vor allem erhöhtem Taillenumfang (Männer> 102 cm, Frauen > 89) führt zu einer Zunahme der Häufi gkeit von koronarer Herzerkrankung, Bluthoch-druck, Diabetes mellitus, Herzinsuffi -zienz oder Fettstoffwechselstörungen. Patienten mit einem BMI zwischen 27 und 35 kg/m2 Körperoberfl äche und stabiler Angina pectoris sollte nahege-legt werden, ihr Gewicht innerhalb von sechs Monaten um fünf bis zehn Pro-zent zu reduzieren. Bei Patienten mit einem BMI von > 35 kg/m2 Körper-oberfl äche sollte versucht werden, das Gewicht innerhalb von sechs Monaten um zehn Prozent zu reduzieren.

Optimale Blutdruckeinstellung

Bei Patienten mit koronarer Herzer-krankung (KHK) sollte ein systolischer Ziel-RR unter 130 mmHg angestrebt werden. Neben der Lebensstil-Modi-fi kation kommen alle gängigen Anti-hypertensiva zum Einsatz, wobei Beta-rezeptorenblocker und ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker bei der stabilen Angina erste Wahl sind

und durch Kalzium-Antagonisten, Diu-retika oder zentrale Antihypertensiva ergänzt werden. Besonders bei älteren Hypertonikern mit großer RR-Am-plitude (RR systolisch minus RR dia-stolisch) muss darauf geachtet werden, dass der diastolische Druck nicht zu tief (unter 60 mmHg) gesenkt wird, um ei-ner Ischämie vorzubeugen.

Diabetes mellitus

Der Diabetes mellitus bringt ein deutlich erhöhtes Risiko einer KHK und ihrer Folgen (AP, Herzinfarkt, Herzinsuffi zienz) und führt bei Frauen schon vor der Menopause zu einer Zu-nahme der KHK. Diabetes mellitus und KHK ist eine gefährliche Allianz, welche eine erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse und eine erhöhte Komplika-tionsrate und Spitalssterblickeit beim Herzinfarkt aufweist. Die KHK beim Diabetiker zeigt bevorzugt proximale Läsionen bei diffusem distalen Befall. Nach Koronarintervention oder Bypass-Operation fi nden sich ungünstigere Akut- und Langzeitergebnisse. Bei Dia-betikern präsentiert sich die Ischämie häufi g mit einer atypischen Symptoma-tik (Atemnot, Leistungsknick) oder mit einer stummen Myokardischämie.

Der Diabetes mellitus bei KHK ver-langt einen multimodalen medikamen-tösen Therapieansatz mit strenger Ein-stellung der Lipide (LDL-Cholesterin < 70mg/dl), des Blutdruckes (unter 130 mmHg systolisch), der Gabe von Aspirin, eines ACE-Hemmers oder Angiotensin-Antagonisten sowie eine Blutzuckerein-stellung mit HbA1c-Ziel unter 7%.

Regelmäßige körperliche Bewegung

Regelmäßiges und dosiertes kör-perliches Training kann die Morbidi-tät und Mortalität bei der koronaren Herzerkrankung und stabilen Angina pectoris senken und die Lebensquali-tät erhöhen. Bei Patienten mit stabiler Angina pectoris soll an Hand der Ergo-metrie das Ausmaß und die zumutbare Belastbarkeit (gemessen an der Herzfre-quenz) festgelegt werden.

Das Ausdauertraining soll fünf Mal in der Woche mit einer Dauer von 20

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Page 9: state of the art - aerztezeitung.at · B ei der stabilen Angina pectoris handelt es sich um eine häufi ge, die Lebensqualität beeinträch-tigende Erkrankung. Die Prävalenz nimmt

bis 30 Minuten (mit Aufwärmen und Abkühlen) im Ischämie-freien Bereich und einer rund 60-prozentigen Be-lastung erfolgen. Nicht jeder ist ein „Sportler“ und Fitness-Studio Fan, aber die körperliche Bewegung kann auch durch regelmäßiges (schnelleres) Gehen, Radfahren oder im Alltag durch Treppensteigen statt Liftfahren erhöht werden.

Obwohl in den Guidelines der letz-ten Jahre zur Behandlung der KHK eindringlich auf den Stellenwert der Lebensstilmodifi kation hingewiesen wurde, zeigen Untersuchungen - wie EUROASPIRE III - dass zwar die me-dikamentöse Therapie zunehmend entsprechend den Leitlinien eingesetzt wird, die Umsetzung der Richtlinien zur Lebensstilmodifi kation nach wie vor im Argen liegt und zum Teil sinkt. So war in den letzten Jahren kaum eine Änderung im Rauchverhalten oder im Anteil der eingestellten Hypertoniker festzustellen. Erschütternd ist aber die Zunahme der Adipositas und des BMI und die weitere Abnahme der körperlichen Aktivität.

Medikamentöse Therapie

Die pharmakologische Therapie kann unterteilt werden in Maßnah-men, welche die Symptomatik alleine verbessern und solchen, die die Pro-gnose günstig beeinfl ussen.

Symptomatische Therapie

Für die symptomatische Therapie stehen mehrere Medikamente mit un-terschiedlichen Wirkungsmechanismen (Herzfrequenzsenkung, Vasodilatation, RR-Senkung, Beeinfl ussung der diasto-lischen Dysfunktion) zur Verfügung, welche auch in einer Zweier- oder Dreier-kombination eingesetzt werden können.

NitrateNitrate sind die am längsten einge-

setzten Medikamente bei der Angina pectoris, sie verbessern die Symptoma-tik, haben aber keinen Effekt auf die Prognose. Nitrate senken die Vor- und Nachlast des Herzens und damit den myokardialen Sauerstoff-Verbrauch und haben auch einen vasodilatierenden Ef-fekt auf die koronaren Gefäße. Nitrate (Nitroglyzerin) wirken prompt (inner-halb von Minuten) im Angina pectoris Anfall und sollten daher bei Patienten mit stabiler Angina pectoris im Bedarfs-fall eingesetzt werden (Nitroglyzerin 0,4-0,8 mg sublingual oder als Kapsel).

Lang wirksame Nitrate dienen der Anfallsprophylaxe. Sie haben den Nach-teil der Toleranzentwicklung, weswe-gen immer wieder ein nitratfreies In-tervall (länger als acht Stunden) einge-führt werden soll. Die Interaktion mit Sildenafi l und ähnlichen Phosphor-diesterase-5 Hemmern kann zu be-drohlichen Blutdruckabfällen führen.

Molsidomin besitzt ähnliche Eigen-schaften wie Nitrate. Molsidomin bezie-hungsweise sein aktiver Metabolit SIN-1 haben einen ausgeprägten Effekt auf die Senkung der Vorlast, die Dilatation der Koronarien und Kollateralgefäße. Auch für Molsidomin muss mit einer Tole-ranzentwicklung gerechnet werden, es macht daher keinen Sinn, eine „Schau-keltherapie“ rund um die Uhr mit zwölf Stunden Molsidomin und zwölf Stun-den Nitrate durchzuführen.

Betarezeptorenblocker

Betarezeptorenblocker vermögen die Häufi gkeit der Angina pectoris von ischämischen Attacken und die Ischä-mieschwelle (Belastungstoleranz) gün-stig zu beeinfl ussen. Sie vermindern den kardialen Sauerstoffbedarf durch Herzfrequenzsenkung und Dämpfung der Kontraktilität und verbessern die Koronar-Durchblutung (Verlängerung der Diastole).

Bezüglich der stabilen Angina pec-toris beziehungsweise der chronisch koronaren Herzerkrankung gibt es keine Studien zur Mortalität. Die pro-

gnostisch günstigen Effekte der Betare-zeptorenblocker sind in Studien nach akutem Herzinfarkt und bei der Herz-insuffi zienz beschrieben (Metoprolol, Bisoprolol, Nebivolol, Carvedilol).

Betablocker sollten bei der stabilen Angina pectoris in erster Linie ein-gesetzt werden. Sie bieten zusätzliche Vorteile bei Herzrhythmusstörungen, Hochdruck oder Symptomen der Herz-insuffi zienz. Eine absolut oder relative Kontraindikation sind eine Bradykar-die (unter 50), Sick-Sinus-Knotensyn-drom, ein Asthma bronchiale, schwere COPD sowie PAVK und die Psoriasis.

Kalziumantagonisten

Kalziumantagonisten kann man ein-teilen in sogenannte Nicht-Dihydropy-ridine wie Verapramil und Diltiazem, welche die Herzfrequenz verlangsamen und die Dihydropyridine, welche vor allem einen vasodilatativen Effekt ohne verlangsamende Wirkung auf die Herz-frequenz ausüben. Kalziumantagonisten verbessern nicht die Prognose bei Angina pectoris, sie stellen aber eine Alternative in der symptomatischen Behandlung zu den Betarezeptorenblockern bei Unver-träglichkeit her. Betablocker und Kalzi-umantagonisten des Typs Verapamil sol-len wegen der Gefahr der AV-Blockade nicht kombiniert werden. Kalziuman-tagonisten sollten bei Herzinsuffi zienz nicht eingesetzt werden, weil sie die Kontraktilität herabsetzen können.

Kaliumkanalöffner

Nicorandil ist ein Kaliumkanal-öffner, der zu einer nitratähnlichen Vasodilatation führt, ohne dabei den Nachteil einer Toleranzentwicklung mitzubringen. Nicorandil zeigte in der IONA-Studie eine Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse und kann ergänzend zur Standard-Therapie der Angina pectoris mit einer Dosis von 2x 10 bis 20mg/die eingesetzt werden.

Selektive Blockade des If-Kanals am Sinusknoten (Ivabradin)

Ivabradin ist ein selektiver If-Kanal Blocker, der am Sinusknoten zu einer Herzfrequenzverlangsamung führt. Bis-her wurden keine wesentlichen anderen

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Effekte am Reizleitungssystem oder der Kontraktilität beschrieben. In klinischen Studien brachte Ivabradin ähnlich gün-stige Effekte wie Betarezeptorenblocker (Atenolol) oder Kalziumantagonisten (Amlodipin) bei Patienten mit stabiler Angina pectoris bezüglich Anfallshäufi g-keit und Belastungstoleranz. Ivabradin ist bei Betarezeptorenblocker-Unver-träglichkeit (Asthma, Psoriasis, niedriger Blutdruck) zur Frequenzsenkung ange-zeigt und kann bei unzureichender Ef-fektivität einer Betablockertherapie zu-sätzlich zum Erreichen einer optimalen Herzfrequenz eingesetzt werden.

Ranolazin

In naher Zukunft wird mit Rano-lazin auch in Österreich eine neue Substanz zur Verfügung stehen, deren Wirkungsmechanismus nicht auf einer

Senkung der Herzfrequenz, Senkung des Blutdrucks oder Erhöhung der Koronardurchblutung beruht. Wäh-rend man ursprünglich meinte, dass Ranolazin die myokardiale Fettsäure-oxidation zu Gunsten einer günstige-ren Oxygenierung verringert, weisen neue Untersuchungen auf einen hem-menden Effekt auf die (bei Ischämie und Herzinsuffi zienz beobachtete) per-sistierende Öffnung des späten Natri-umkanals hin. Die anhaltende Öffnung des späten Natriumkanals führt zu einer Überladung der Zelle mit Natri-um und Kalzium, einer Erhöhung der diastolischen Steifi gkeit, die wiederum zu einer Kompression der intramuralen Koronargefäße führt. Durch den vor-beugenden Effekt auf die diastolische Dysfunktion stabilisiert Ranolazin den myokardialen Blutfl uss.

Prognose-verbessernde Plaque-stabilisierende Medikamente:

Plättchenaggregationshemmer (Aspirin, Clopidogrel)

Acetylsalicylsäure (Aspirin) ist in einer Dosis von 100 mg pro Tag die

erste Wahl und sollte lebenslang bei dokumentierter koronarer Herzer-krankung gegeben werden. Wenn eine Kontraindikation vorliegt (Aspirin-Asthma, Aspirin-Rhinitis, Allergie mit Urtikaria), kann Clopidogrel in einer Dosis von 75 mg pro Tag alternativ verordnet werden. Eine duale Plätt-chenhemmung mit Aspirin und Clo-pidogrel wird nach Stenting mit einem Bare Metal Stent (BMS) zumindest für vier Wochen, nach Stenting mit einem Drug Eluting Stent (DES) für zwölf Monate empfohlen.

Lipidsenker

Bei Patienten mit etablierter koro-narer Herzerkrankung, also auch sta-biler Angina pectoris, sollte der Ziel-wert des LDL-Cholesterins unter 100 mg/dl, bei zusätzlichem Risiko (wie zum Beispiel Diabetes mellitus, nach akutem Koronarsyndrom) idealerwei-se unter 70 mg/dl gelegen sein. Dies kann in erster Linie durch die hoch-dosierte Gabe eines Statins (LDL-C Senkung in Standarddosierung um 30 Prozent) erreicht werden; bei Nicht-Zielerreichung bietet sich ein Umstei-gen auf ein potenteres Statin oder die Kombination mit dem Cholesterin Resorptionshemmer Ezetimib an. Der klinische Benefi t wurde für die Statine in zahlreichen Studien eindrucksvoll nachgewiesen, während für Ezetimib dies noch ausständig ist.

Bei Patienten mit schwerer Dys-lipidämie, namentlich zusätzlich er-niedrigtes HDL-Cholesterin oder deutlich erhöhte Triglyzeride kann der zusätzliche Einsatz von Nikotin-säure-Präparaten oder Fibraten erwo-gen werden.

ACE-Hemmer bzw. Angiotensinrezeptorenblocker

ACE-Hemmer oder bei Unverträg-lichkeit Angiotensinrezeptorblocker (Sartane) sind besonders bei Patienten mit Diabetes mellitus und/oder einge-schränkter linksventrikulärer Pump-funktion fest etabliert, da sie konsi-stent in großen Studien eine Senkung von kardiovaskulären Ereignissen be-wirkt haben. Bei Patienten mit sta-

Cholesterin Consensus betr. LDL-C Zielerreichnung

Standard (Grünbox)-Statin

Zielwert erreicht

Zielwert erreicht

Zielwert erreicht

Zielwert nicht erreicht

Zielwert nicht erreicht

Titration potentes Statin in Kombination mit Ezetimib

Standard-Statin + EzetimibWechsel Standard-Statin auf potentes Statin oder

Titration bzw. +/- Ezetimib

Therapieschema zum LDL-C (Zielwert < 100 mg/dl bzw. bei Hoch-Risiko < 70 mg/dl

Abb. 5 modif. nach österr. Cholesterin-Konsensus 2008

Bei einem niedrigen HDL-C Wert und erhöhten Triglyceriden sowie bei einem LDL-C Wert ≤ 113 ergänzende Therapie mit Nikotinsäure

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biler Angina pectoris und erhaltener Linksventrikelfunktion ist bei doku-mentierter koronarer Herzerkrankung auch der Einsatz von ACE-Hemmern zu diskutieren.

Revaskularisation

Drei ältere prospektive randomi-sierte Studien aus den 1970er/1980er Jahren haben die Bypass-Chirurgie (CABG) gegenüber der medikamen-tösen Therapie verglichen (The Co-ronary Artery Surgery Study CASS, The Veterans Administration Coo-perative Study und The European Coronary Surgery Study ECSS). Die Bypass-Operation bewirkt eine signi-fi kante Verbesserung der Angina pec-toris-Symptomatik, der Belastbarkeit und Senkung der antianginösen The-

rapie. Die Prognose (Mortalität) wird in Subgruppen wie Hauptstamm-Stenose, Drei-Gefäßerkrankung sowie Zwei-Gefäßerkrankung mit Befall der proximalen LAD, besonders bei eingeschränkter Pumpfunktion gegen-über der rein medikamentösen Thera-pie verbessert.

Vergleiche der medikamentösen Therapie gegenüber der Intervention (PCI = perkutane Koronar-Interven-tion) zeigten, dass die Intervention eine Überlegenheit bei der Beherrschung der Angina bringt. Eine Metaanaly-se von elf Studien, die COURAGE-Studie sowie eine neue Metaanalyse zeigen auf, dass bei Patienten mit sta-biler Angina pectoris zwar die Angina pectoris und die Lebensqualität, nicht aber die Häufi gkeit des Herzinfarktes oder die kardiovaskuläre Mortalität durch die PCI gegenüber einer enga-gierten medikamentösen Therapie be-einfl usst wird.

Eine Koronarintervention ist bei der stabilen Angina pectoris kein dringend nötiger Eingriff, wird aber bei zunehmender Angina pectoris,

Unverträglichkeit der anti-anginösen Therapie oder Hinweisen auf große Ischämie eingesetzt werden. Die vor-liegenden Daten zeigen, dass mit der PCI die Angina pectoris und die Lebensqualität, nicht aber das Infarkt-risiko oder Mortalitätsrisiko unmit-telbar beeinfl usst werden. Bei der sta-bilen Angina pectoris bleibt daher eine konservative multimodale (Lebens-stilmodifi kation und medikamentöse) Therapie mit konsequenter Behand-lung der Risikofaktoren der initiale Schritt, die Entscheidung über eine zusätzliche Intervention (PCI, CABG) muss auf individueller Basis getroffen werden. (Zunahme der Beschwerden trotz optimaler Therapie, Instabilität der Angina)

Literatur beim Verfasser

*) Univ. Prof. Dr. Max Pichler, Universitäts-klinik für Innere Medizin II/Kardiologie und Internistische Intensivmedizin/Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg; Müllner Hauptstraße 48, 5020 Salzburg, Tel.: 0662/4482-3400; E-Mail: [email protected]

Lecture Board:

Univ. Prof. Dr. Bernd Eber, Klinikum Wels-Grieskirchen/2. Interne Abteilung mit Schwer-punkt Kardiologie und Intensiv

Univ. Prof. Dr. Burkert Pieske, Medizinische Universität Graz/Abteilung für Kardiologie

Univ. Doz. Dr. Rene Wenzel, Krankenhaus Zell am See/Innere Medizin

Herausgeber:

Universitätsklinik für Innere Medizin II/Kardiologie und Internistische Intensiv-medizin/Paracelsus Medizinische Privat-universität Salzburg

Diesen Artikel fi nden Sie auch im Web

unter www.meindfp.at

Algorithmus der medikamentösen Therapie der stabilen Angina pectoris

Sofortige Kurzzeitwirkung Kurzwirksame Nitrate

Aspirin 100 mg/Tag Clopidogrel 75 mg 1 x/Tag

Statin wechseln oder Ezetimib mit low-dose Statin oder Austausch mit anderer

lipidsenkender Substanz

Kalziumkanalblocker, langwirksame Nitrate,

K-Kanal-Öffner, lf Inhibitor

Zusätzlich andere Substanzklasse

Statin Dosistitration+/- Ezetimib

Ziel LD-C < 100mg/dl

ACE-Hemmer bei nachgewiesener KHK

β-Blocker

langwirksame Nitrate,K-Kanal-Öffner

Kalziumkanalblocker

Ev. Revaskularisation

Prognoseverbessernde Therapie

SymptomatischeTherapie

Symptome nicht kontrolliert nach optimaler Therapie

Symptome nicht kontrolliert nach optimaler Therapie

mit 2 Substanzen

Intoleranz oder KI

Intoleranz oder KI

Intoleranz (z.B. GI-NW)oder KI (Aspirin-Allergie)

Abb. 6 Modifi ziert nach K. Fox; Guidelines on the management of stable angina. Eur Heart J 2006

Symptome nicht kontrolliert nach optimaler Therapie

Symptome nicht kontrolliert nach optimaler Therapie