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Schaffung der Fisch-Durchgängigkeit am Ruhr-Wehr Badleney, Essen 1
Schaffung der Fisch-Durchgängigkeit am Ruhr-Wehr Baldeney, Essen
Hermann Knotte und Andreas Hoffmann
Abstract
The carried out plannings and investigations have showed, that:
the area in front of the repump station could be found by fishes and is therefore
suited as an entrance area;
the Hydro-Fishlift has proved as basically functioning in the ethohydraulic model;
the fish lifts in combination with a pre-chamber guarantee a continuous fish migra-
tion and
with the “fish lift system Baldeney” a development variation was found which can
guarantee efficient upstream fish migration and is economically representable at
the same time under economic points of view.
Zusammenfassung
Die durchgeführten Planungen und Untersuchungen haben gezeigt, dass:
der Bereich vor dem Rückpumpbauwerk von Fischen aufgesucht wird und sich
damit als Einstiegsbereich eignet;
sich der Hydro-Fischlift im situativ ähnlichen ethohydraulischen Modell als grund-
sätzlich funktionsfähig erwiesen hat;
die Fischlifte in Kombination mit einer Vorkammer eine kontinuierliche Durchgän-
gigkeit gewährleisten und
mit dem Fischliftsystem Baldeney eine Entwicklungsvariante gefunden wurde, die
eine effiziente aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit gewährleisten kann und gleich-
zeitig unter ökonomischen Gesichtspunkten wirtschaftlich darstellbar ist.
1 Hintergrund und Ziel
Die Stauanlage Baldeney ist mit einer Gewässeroberfläche von 2,64 km² und einer
Stauhöhe von 8,7 m der größte Flussstau in der Ruhr. Die in den Jahren 1931 bis 1933
gebaute Stauanlage diente in der Vergangenheit in erster Linie als Flusskläranlage.
Heute ist der See ein Freizeit- und Naherholungsraum für die Region Essen und dient
zudem der Energieerzeugung durch eine vom Energiekonzern RWE betriebene Was-
2 H. Knotte und A. Hoffmann
serkraftanlage. Die Stauanlage selbst besteht aus mehreren funktionalen Komponen-
ten, welche in Abbildung 1 dargestellt sind.
Abb. 1: Die Stauanlage Baldeney / Ruhr mit ihren Komponenten (Luftbild: google earth 28.11.2014)
An der vom Ruhrverband betriebenen Stauanlage soll gemäß den Vorgaben des deut-
schen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und der Europäischen Wasserrahmenrichtli-
nie (EU-WRRL) die (Fisch-) Durchgängigkeit am Wehr hergestellt werden.
Ziel ist es, für die Referenz-Fischarten, die in der Ruhr entsprechend der dortigen Ge-
wässerausprägung zu erwarten sind, an der Stauanlage eine Wandermöglichkeit zwi-
schen Unter- und Oberwasser zu schaffen.
2 Lösungsweg
Zur Erreichung dieses Ziels sollte in einem ersten Schritt geprüft werden, wie die auf-
wärtsgerichtete Fischdurchgängigkeit entwickelt werden kann. Dazu hatte der Ruhr-
verband in den Jahren 2010/2011 an ein Planungsbüro den Auftrag vergeben, für die-
sen Standort konzeptionell verschiedene Varianten zur Herstellung der Fischdurch-
gängigkeit zu erarbeiten. Eine konsensfähige Lösung, die unter fischökologischen
Gesichtspunkten ein hohes Maß an Effizienz gewährleistet und auch unter ökonomi-
schen Gesichtspunkten wirtschaftlich vertretbar ist, wurde dabei nicht gefunden. Aller-
dings wurde der Bereich des Rückpumpwerkes als möglicher Standort für einen tech-
nischen Aufstieg bereits bei den Varianten berücksichtigt. Wesentliche Schwierigkeiten
Schaffung der Fisch-Durchgängigkeit am Ruhr-Wehr Badleney, Essen 3
lagen sowohl in der begrenzten Flächenverfügbarkeit am Standort als auch im großen
Wasserspiegelunterschied von knapp neun Metern, den es zu überwinden gilt.
Ab dem Jahr 2012 hat der Ruhrverband die Lösungssuche in Abstimmung mit den
Fachbehörden und unter Beteiligung einer transdisziplinären Arbeitsgruppe wieder
aufgenommen. Um Grundlagen für die Entwicklung neuer Entscheidungswege hin-
sichtlich der komplexen Fragestellungen zu haben, wurden u. a. Datenerhebungen und
Untersuchungen mit dem Ziel durchgeführt, Aussagen zur klein- und großräumigen
Auffindbarkeit von Teilbereichen des Unterwassers treffen zu können. Auf Basis eines
hoch aufgelösten numerischen Modells erfolgte die Analyse der Strömungssituation im
Unterwasser der Stauanlage bei unterschiedlichen hydrologischen Abflussszenarien
sowie Betriebszuständen der Wasserkraftanlage. Zudem wurden neue Erkenntnisse
zum Fischverhalten vor den Turbinenausläufen aus Freilandbeobachtungen (Sonar,
Befischung) genutzt.
Die nachfolgende Abbildung stellt die gesamte Projekthistorie mit den einzelnen Unter-
suchungsgegenständen und Arbeitspaketen graphisch dar. Die Abbildung 3 gibt die
projektbeteiligten Institutionen wider.
Abb. 2: Arbeitspakete und Untersuchungsgegenstände zur Planung der stromaufwärts gerichteten Fisch-
durchgängigkeit an der Stauanlage Baldeney / Ruhr
4 H. Knotte und A. Hoffmann
Abb. 3: Projektbeteiligte Institutionen
3 Zielvariante mit Fischliftsystem
Aus den verschiedenen Untersuchungen resultierte schließlich die Empfehlung, ein
neuartiges Fischliftsystem mit spezieller Vorkammer am bzw. im alten Rückpumpwerk
zu positionieren. Die Positionierung der FAA resultierte u. a. aus speziellen Untersu-
chungen zur klein- und großräumigen Auffindbarkeit im Unterwasser der Stauhaltung.
Schaffung der Fisch-Durchgängigkeit am Ruhr-Wehr Badleney, Essen 5
Zentrale Forderung an dieses System ist dabei eine kontinuierliche Betriebsweise des
Fischaufstieges.
Der von der Firma Hydro-Energie Roth GmbH (Karlsruhe) gemeinsam mit der
Fa. Georg Baumann (Wangen) entwickelte „Hydro-Fischlift“ wurde zu einem Fischlift-
system, bestehend aus zwei alternierend betriebenen Fischliften sowie einer unter-
stromig angeordneten Vorkammer, weiterentwickelt. Es soll den im Unterwasser der
Wehranlage ankommenden Fischen eine kontinuierliche Aufstiegsmöglichkeit ins
Oberwasser gewährleisten. Die zylinderförmigen Lifte werden hierzu befüllt (bzw. ent-
leert) während die innenliegenden Schwimmkolben mit ansteigendem Wasserstand
hydraulisch angehoben (bzw. gesenkt) werden. Für einen effizienten Ein- und Ausstieg
werden die Kolben in der unteren und oberen Endposition horizontal durchströmt. Zur
Verstärkung der Leitwirkung im Einstiegsbereich der unteren Vorkammer erfolgt eine
Zuleitung zusätzlicher Wassermengen.
Nachfolgend wird der grundsätzliche Funktionsablauf an einem Fischlift dargestellt.
Einschwimmphase:
Der Einströmdämpfer führt das Wasser in den Schwimmkolben.
Der Schwimmkolben wird horizontal durchströmt.
Der Einstieg im Unterwasser ist geöffnet, Wasser strömt aus.
Aufstiegsphase:
Der Einströmdämpfer führt das Wasser in den Schwimmkolben.
Der Einstieg im Unterwasser ist geschlossen.
Der Wasserstand in der Zylinderkammer mit vmax ≈ 51 m³ steigt an.
Der Schwimmkolben wird in ≥ 3 Minuten angehoben.
Ausschwimmphase:
Der Einströmdämpfer ist geschlossen.
Der Ausstieg im Oberwasser ist geöffnet.
Das horizontal einströmende Wasser wird vertikal zum Ringüberfall geleitet.
Absenkphase:
Der Einströmdämpfer ist geschlossen.
Der Ausstieg im Oberwasser ist geschlossen.
Die Kammerentleerung ist geöffnet.
Der Wasserstand in der Zylinderkammer sinkt ab.
6 H. Knotte und A. Hoffmann
Da es sich bei dem Hydro-Fischlift in NRW um eine Fischaufstiegs-Sonderbauweise
handelt, muss entsprechend der geltenden Erlasslage mittels geeigneter Untersuchun-
gen die Funktionalität nachgewiesen werden.
Abbildung 4 skizziert die Adaption des Fischliftsystems an die Anlage Baldeney sche-
matisch. Abbildung 5 verdeutlicht die Funktion des Systems.
Abb. 4: Integration der „Hydro-Fischlifte“ in das Rückpumpbauwerk an der Stauanlage Baldeney
(KIT, Planungsstand: 2014)
Abb. 5: Hydro-Fischlift in Einstiegsposition (links), Transferbetrieb (Mitte) und Ausstiegsposition (rechts)
(Quelle: HE Roth GmbH 2013)
Hydro-
Fischlifte
Schaffung der Fisch-Durchgängigkeit am Ruhr-Wehr Badleney, Essen 7
4 Situativ-ähnliches Modell und Untersuchungsergebnisse
Die Untersuchungen zur Funktionalität wurden im ethohydraulischen Versuchsstand
des Theodor-Rehbock-Laboratoriums des Instituts für Wasser und Gewässerentwick-
lung (IWG) am KIT durchgeführt.
Aufbauend auf der Grundlage der Ergebnisse verschiedener vorhergehender und be-
gleitender Untersuchungen (hydrodynamisch-numerische Strömungsanalysen und
Aufnahme von Strömungssignaturen und -werten mittels hydrometrischer Messungen
an einem konventionellen wasserbaulichen Modell der Anlage im Maßstab 1:3) wurde
das situativ-ähnliche ethohydraulische Modell des Hydro-Fischliftes im Wasserbaulabor
konzipiert (Abb. 6).
Die ethohydraulischen Untersuchungen, welche mit den für den Standort Baldeney
relevanten Fischarten durchgeführt wurden, fanden im Jahr 2014 im Karlsruher Was-
serbaulabor statt.
Abb. 6: Ethohydraulischer Versuchsaufbau des situativ-ähnlichen Hydro-Fischliftmodells im Karlsruher Was-
serbaulabor
Der zentrale Untersuchungsgegenstand der ethohydraulischen Untersuchungen war
der Nachweis, dass die Fische den Einstieg in den Hydro-Fischlift finden, in diesen
einschwimmen und nach der Liftphase im Oberwasser auch wieder aus dem Lift aus-
schwimmen. Zudem wurde untersucht, ob das Einschwimmverhalten der Fische beein-
flusst werden kann, wenn eine zusätzliche Wasserdotation über Seitenwände in die
Vorkammer des Liftes gegeben wird. Das zusätzliche Wasser sollte dabei für eine
verbesserte Leitströmung im Unterwasser der Vorkammer sorgen.
Die Ergebnisse belegen, dass alle getesteten Fischarten in den Hydro-Fischlift ein-
schwimmen und kein Meideverhalten zeigen.
Als Richtwert für eine attraktive Strömungsgeschwindigkeit, bei der ein ausgeprägtes
Einschwimmverhalten nachgewiesen werden konnte, kann ein Wert von 0,5 m/s ange-
geben werden.
Zudem konnte nachgewiesen werden, dass die Akzeptanz der Fische bezüglich des
Einschwimmens in den Lift art- und altersunabhängig ist.
8 H. Knotte und A. Hoffmann
In Bezug auf das Ausschwimmverhalten zeigen die Ergebnisse, dass alle Fischarten,
die in den Lift eingeschwommen sind, diesen auch wieder verlassen haben.
Abbildung 7 dokumentiert exemplarisch das Ein- und Ausschwimmverhalten der Tiere
während der ethohydraulischen Tests. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die Testarten,
die den Einstieg in den Fischlift angenommen und den Ausstieg genutzt haben.
Abb. 7: In das Fischlift-Modell einschwimmende Döbel (links) und im „Oberwasser“ ausschwimmende Bras-
sen und Barbe (rechts)
Tab. 1: Übersicht der im ethohydraulischen Versuch eingesetzten Fischarten
Die Befunde der ethohydraulischen Untersuchungen zum Fischverhalten bei aktivierter
Zusatzdotation von Wasser über die Seitenwände in die Vorkammer ergeben, dass
das Einschwimmverhalten der Fische dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Schaffung der Fisch-Durchgängigkeit am Ruhr-Wehr Badleney, Essen 9
Somit besteht bei dem System grundsätzlich die Möglichkeit durch Zugabe von Dotati-
onswasser in die Vorkammer, die Leitströmung aus der Vorkammer hinaus zu beein-
flussen und damit die Auffindbarkeit des Vorkammereinstiegs in situ zu optimieren.
5 Literatur
Adam, B., Lehmann, B., (2011): Ethohydraulik: Grundlagen, Methoden und Erkenntnis-
se. Springer Verlag Heidelberg
ARCADIS (2013): Literaturstudie – Sonderbauweisen von Fischaufstiegsanlagen.-
Vorstellung der Ergebnisse der Bausteine 1 bis 3, Präsentation beim Ruhrverband,
Essen am 29.04.2013
Böckmann, I., Hoffmann, A., Lehmann, B., (2013): Fischabstieg: Verhaltensbeobach-
tungen vor Wanderbarrieren. In: Fachzeitschrift „Wasser & Abfall“; Nr. 6/2013, S. 10 -
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BUGeFi – Büro für Umweltplanung, Gewässermanagement und Fischerei (2012):
Auswertung der Leistungsdaten der beiden Turbinen an der Staustufe Baldeney.- Un-
veröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Ruhrverbands, Essen
BUGeFi – Büro für Umweltplanung, Gewässermanagement und Fischerei (2013):
Fischökologisches Gutachten als Beitrag zur Vorentwurfsplanung hinsichtlich des Baus
von Fischliftsystemen zum Fischaufstieg und -abstieg an der Staustufe Baldeney.-
Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Ruhrverbands, Essen
BUGeFi – Büro für Umweltplanung, Gewässermanagement und Fischerei (2014): Ab-
schlussbericht: Schaffung der Fisch-Durchgängigkeit am Ruhr-Wehr Baldeney, Essen.-
Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Ruhrverbands, Essen
DWA (2014): Merkblatt DWA-M 509 „Fischaufstiegsanlagen und fischpassierbare
Bauwerke – Gestaltung, Bemessung, Qualitätssicherung
Hydro-Energie Roth GmbH (2013): Stauanlage Baldeney / Ruhr – Vorentwurfsplanung
Fischlift.- Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Ruhrverbands, Essen
Ingenieurbüro Floecksmühle (2011): Fischaufstiegsanlage an der Staustufe Baldeney –
Machbarkeitsstudie.- Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Ruhrverbands, Es-
sen
KIT – Karlsruher Institut für Technologie (2012): Untersuchungen zur Positionierung
einer neuen Fischaufstiegseinrichtung am Stauwehr Baldeney / Ruhr.- Unveröffentlich-
tes Gutachten im Auftrag des Ruhrverbands, Essen
LFV Hydroakustik GmbH & BUGeFi (2011): Bathymetrische Erfassung des Ober- und
Unterwassers am Stauwehr Baldeneysee.- Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag
des Ruhrverbands, Essen
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LFV Hydroakustik GmbH & BUGeFi (2012): Untersuchungen zur Positionierung einer
neuen Fischaufstiegseinrichtung am Stauwehr Baldeney/Ruhr – ADCP-Messungen.-
Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Ruhrverbands, Essen
LFV Hydroakustik GmbH & BUGeFi (2013): Untersuchungen zur kleinräumigen Auf-
findbarkeit mittels DIDSON.- Untersuchungen im Auftrag des Ruhrverbandes, Essen
MKULNV NRW – Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
Verbraucherschutz des Lands Nordrhein-Westfalen (2012a): Erlass vom 26.06.2012
zur Durchgängigkeit der Gewässer.
MKULNV NRW – Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
Verbraucherschutz des Lands Nordrhein-Westfalen (2012b): Erlass vom 02.11.2012
zum Bau von Fischaufstiegsanlagen.
MKULNV NRW – Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2014): Erlass vom 17.06.2014
zur Dimensionierung von Fischaufstiegsanlagen und Fischschutzeinrichtungen an
Wasserkraftanlagen.
MUNLV NRW (2005): Handbuch Querbauwerke; Ministerium für Umwelt, Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW; Düsseldorf, 212 S., 1. Auflage 2005
RWE Innogy (2014): EtWas – Untersuchungen von Fischwanderungen zur Erarbeitung
eines Echtzeitwarnsystems an Wasserkraftanlagen.- Abschlussbericht Mai 2014, For-
schungs- und Entwicklungsprojekt im Auftrag von RWE Innogy, finanziert durch die
Bezirksregierung Düsseldorf, fachlich begleitet durch MKULNV, LANUV NRW, Bezirks-
regierung Köln, bearbeitet durch das Büro für Umweltplanung, Gewässermanagement
und Fischerei (BUGeFi), die LFV Hydroakustik GmbH, die Ludwig-Maximilians-
Universität München, jTi-Soft und den Ruhrverband
Anschrift der Verfasser
Dipl.-Ing. Hermann Knotte
Ruhrverband
Betriebsleitung Talsperren und Stauseen
Kronprinzenstraße 37
45128 Essen
Dr. Andreas Hoffmann
Büro für Umweltplanung, Gewässermanagement und Fischerei
Krackser Straße 18 b
33659 Bielefeld