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Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pestiziden: Konzeptstudie zur Umsetzung Pestizidrückstände in Lebensmitteln Ein Aktionsplan zur Minimierung von Höchstmengenüberschreitungen Konzeptstudie zur Umsetzung des Ziels des Deutschen Bundestags zur Senkung von Pestizid-Höchstmengenüberschreitungen und des Nationalen Aktionsplans zur Reduktion der Risiken durch den Einsatz von Pestiziden PAN, Greenpeace e.V., Hamburg, 16.12.2009 PAN Germany, Greenpeace e.V. 1 / 27

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Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pestiziden: Konzeptstudie zur Umsetzung

Pestizidrückstände in Lebensmitteln

Ein Aktionsplan zur Minimierung von Höchstmengenüberschreitungen

Konzeptstudie zur Umsetzung des Ziels des Deutschen Bundestags zur Senkung von Pestizid-Höchstmengenüberschreitungen und des

Nationalen Aktionsplans zur Reduktion der Risiken durch den Einsatz von Pestiziden

PAN, Greenpeace e.V., Hamburg, 16.12.2009

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Zusammenfassung

Das vom Deutschen Bundestag im Oktober 2008 festgelegte Ziel, nach dem die Quote der Pestizid-Höchstmengenüberschreitungen in den in Deutschland vermarkteten Lebensmitteln auf unter ein Prozent gesenkt werden soll, ist mit den in dieser Konzeptstudie vorgestellten Maßnahmen im Rahmen eines Nationalen Aktionsplans erreichbar.

Ursachen für Höchstmengenüberschreitungen

Diese Konzeptstudie identifiziert zehn Hauptursachen bzw. –faktoren, die besonders hohen Einfluss auf das Entstehen bzw. Vermeiden von Höchstmengenüberschreitungen haben:

Stark zur Entstehung von Höchstmengenüberschreitungen tragen bei:

1. Risiko-Lebensmittel 2. Risiko-HerkunftsländerRisiko-Pestizidwirkstoffe 3. Risiko-Anwendungspraktiken und Pestizidmissbrauch

Stark zur Vermeidung von Höchstmengenüberschreitungen tragen bei:

4. Pestizid-Reduktionsprogramme des Einzelhandels 5. Verfügbarkeit nichtchemischer Pflanzenschutzverfahren 6. Anteil von Bioware am Lebensmittelmarkt 7. Transparenz für Verbraucher 8. Wirksamer Vollzug des Pflanzenschutz- und Lebensmittelgesetzes 9. Reduktion des Pestizideinsatzes bemessen an Behandlungsindizes

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Ziele

Je nach Stand der gegenwärtigen Pestizidbelastungen und den gegebenen Einflussmöglichkeiten bedarf es unterschiedlicher Zeiträume, um das vom Bundestag vorgegebene Ziel zu erreichen. Für die Trend bestimmende Kategorie „Obst und Gemüse“ wird folgende Zielsetzung vorgeschlagen:

• Ziel 1: Die Überschreitungsquote für Obst und Gemüse aus Deutschland wird ab dem Jahr 2010 jährlich um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt (Basisjahr 2008: 2,3 Prozent). Das Ziel (unter 1% Höchstmengenüberschreitungen) wird nach 3 Jahren im Jahr 2013 erreicht)

• Ziel 2: Die Überschreitungsquote für Obst und Gemüse aus anderen EU-Mitgliedsländern wird ab dem Jahr 2010 jährlich gleichfalls um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt (Basisjahr 2008: 3,2 Prozent). Das Ziel (unter 1% Höchstmengenüberschreitungen) wird nach 5 Jahren im Jahr 2015 erreicht)

• Ziel 3: Die Überschreitungsquote für Obst und Gemüse aus Nicht-EU-Ländern wird ab dem Jahr 2010 jährlich um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt (Basisjahr 2008: 9,3 Prozent). Das Ziel (unter 1% Höchstmengenüberschreitungen) wird nach 7 Jahren im Jahr 2017 erreicht)

Abbildung 1 Entwicklung der Höchstmengenüberschreitungen für Obst und Gemüse. Ab 2010: Wirkung des Nationalen Aktionsplans.

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Maßnahmen gegen Höchstmengenüberschreitungen

Um die genannten Reduktionsziele zu erreichen, bedarf es wirksamer Maßnahmen, die von den relevanten Akteuren in der Lebensmittelkette getragen werden müssen. Zehn Maßnahmenpakete werden dazu im Rahmen dieser qualitativen Konzeptstudie vorgeschlagen. Die in Kapitel 6 qualitativ beschriebenen Maßnahmenpakete müssen vor einer Umsetzung– z.B. im Rahmen eines Nationalen Aktionsplans - weiter konkretisiert, quantifiziert sowie mit überprüfbaren Erfolgsindikatoren (Key Performance Indicators) versehen werden.

1. Pestizidbelastung von Risiko-Lebensmitteln senken 2. Risiko-Herkunftsländer in Rückstandsstandards einbinden 3. Substitution von Wirkstoffen mit hoher Toxizität und Überschreitungsquote 4. Pestizidmissbrauch eindämmen 5. Programme des Einzel- und Großhandels ausweiten 6. Forschung, Entwicklung und Einsatz alternativer Pflanzenschutzverfahren 7. Steigerung der Marktanteile von Bioanbau und Bioware 8. Transparenz bei Verstößen schaffen 9. Verbesserter Vollzug und Sanktionen 10. Generelle Reduktion des Pestizideinsatzes

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1 Inhalt 2 ......................................................................................................................6 Bundestagsbeschluss vom 16.10.2008

3 ......................................................................6 Einflussfaktoren für Pestizid-Höchstmengenüberschreitungen

3.1 .......................................................................................................................................................6 Risikolebensmittel

3.2 ...............................................................................................................................................8 Risiko-Herkunftsländer

3.3 ............................................................................................................................................................ 11 Risikopestizide

3.3.1 ..........................................................................................11 Expositionsrelevante Pestizide

3.3.2 .....................................................................................14 Toxikologisch relevante Pestizide

3.4 ................................................................................................................ 14 Risikopraktiken / Pestizidmissbrauch

3.5 ............................................................................ 17 Reduktionsprogramme des Lebensmitteleinzelhandels

3.6 ......................................................................... 18 Verfügbarkeit nichtchemischer Pflanzenschutzverfahren

3.7 ..................................................................................................... 19 Anteil von Bioware am Lebensmittelmarkt

3.8 ................................................................................................................................................................. 19 Transparenz

3.9 .............................................................................................................. 19 Wirksamer Vollzug, Cross Compliance

3.10 .................................................................................................................................... 20 Reduzierter Pestizideinsatz

4 ..................................................................................................................................................................................... 21 Ziele

5 .......................................................................................................................................... 23 Einflussfaktoren & Akteure

6 ..................................................................................................................................................................... 24 Maßnahmen

6.1 .................................................................................. 24 Pestizidbelastung von Risiko-Lebensmitteln senken

6.2 ...................................................................... 24 Risiko-Herkunftsländer in Rückstandsstandards einbinden

6.3 .............. 25 Substitution von Pestizid-Wirkstoffen mit hoher Toxizität oder Überschreitungsquote

6.4 ......................................................................................................................... 25 Pestizidmissbrauch eindämmen

6.5 ................................................................................. 26 Programme des Einzel- und Großhandels ausweiten

6.6 ...................................... 26 Forschung, Entwicklung und Einsatz alternativer Pflanzenschutzverfahren

6.7 .......................................................................... 26 Steigerung der Marktanteile von Bioanbau und Bioware

6.8 .................................................................................................................. 27 Transparenz bei Verstößen schaffen

6.9 ............................................................................................................... 27 Verbesserter Vollzug und Sanktionen

6.10 ..................................................................................................... 27 Generelle Reduktion des Pestizideinsatzes

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2 Bundestagsbeschluss vom 16.10.2008

Die Mitglieder des Deutschen Bundestags beschlossen per Abstimmung am 16.10.2008 mit großer Mehrheit, „dass die Reduzierung der Überschreitungsrate von Pflanzenschutzmittel-Rückstandshöchstmengen nicht nur bei einheimischen Agrarprodukten auf unter 1 Prozent abgesenkt wird, sondern auch die Importe aus anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und Drittstaaten einschließt“ (Bundestag Drucksache 16/6958 & Plenarprotokoll 16/183 2008)

Wenngleich vor dem Hintergrund eines vorsorglichen Verbraucher- und Umweltschutzes grundsätzlich eine Quote von nahe null Prozent Höchstmengenüberschreitungen wünschenswert wäre, ist der Beschluss des Bundestags für die kurz- bis mittelfristige Gestaltung des Nationalen Aktionsplans zur Reduktion der Risiken durch den Einsatz von Pestiziden eine konkrete und in jeder Hinsicht verbindliche Zielvorgabe.

3 Einflussfaktoren für Pestizid-Höchstmengenüberschreitungen

3.1 Risikolebensmittel

Der für die Verursachung von Höchstmengenüberschreitungen eindeutig dominante Produktbereich ist „Obst und Gemüse". Die nachfolgende Übersicht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL, Abbildung 2) zeigt, dass Obst und Gemüse mit 4,9% die mit Abstand höchste Überschreitungsrate unter den untersuchten Produktgruppen aufweist, gefolgt von Lebensmitteln tierischer Herkunft (2,8%) und Getreide mit (1,8%). Der gleiche Trend ist auf europäischer Ebene zu beobachten, siehe Übersicht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA, Abbildung 3) Da die Pestizidgehalte in Lebensmitteln tierischer Herkunft im Rahmen des Nationalen Aktionsplans (NAP) nur bedingt beeinflussbar sind, fokussiert sich diese Konzeptstudie auf die Produktgruppen „Obst und Gemüse“ sowie „Getreide“:

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Abbildung 2 (BVL 2009. Quelle dieser und nachstehender Tabellen des BVL: i)

Abbildung 3: Der Monitoring-Report der EFSA bestätigt auch für die anderen EU-Länder die dominante Rolle von Obst und Gemüse bei den registrierten Höchstmengenüberschreitungen

Innerhalb der im Hinblick auf die Höchstmengenüberschreitungen relevantesten Produktgruppe „Obst und Gemüse“ weisen die folgenden Sorten die höchste Überschreitungsquote auf und sollten im Rahmen eines risikoorientierten Reduktionsprogramms besondere Beachtung finden (Abbildung 4):

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Lebensmittel Anzahl der

untersuchtenProben

Anteil der Proben mit Rückständen über der

Höchstmenge [%]

Aubergine 202 22,8

Grünkohl 195 16,4

Karambole/Sternfrucht/Baumstachelbeere 126 14,3

Rucola; Salatrauke 123 13,8

Physalis 128 11,7

Paprikapulver Fruchtgewürz 172 11,6

Tee 182 11,5

Kakifrucht (Persimone) 134 11,2

Frische Kräuter 180 9,4

Gurke 265 8,7

Abbildung 4: Obst und Gemüse mit den häufigsten Höchstmengenüberschreitungen 2007 (BVL 2009)

In gleicher Weise sollten die von QS veröffentlichten Warengruppen der Rückstands-Risikoklassen 6-9 prioritär im Rahmen eines risikoorientierten Reduktionsprogramms berücksichtigt werden. Die entsprechenden Produktkategorien finden sich in der QS-Veröffentlichung „Frisches Obst, Gemüse und Kartoffeln – Rückstandsmonitoring“ ii

3.2 Risiko-Herkunftsländer

Die jüngsten verfügbaren Angaben des BVLiii machen deutlich, dass bei in Deutschland erzeugtem Obst und Gemüse die Überschreitungsquoten am geringsten sind, gefolgt mit höheren Quoten bei Ware aus anderen EU-Ländern und geführt mit der höchsten Quote an Verstößen bei Importen aus Nicht-EU-Ländern, siehe Abbildungen 5 und 6.

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Abbildung 5: Vergleich der Rückstandsüberschreitungen nach Herkunft (BVL 2009)

Abbildung 6 Höchstmengenüberschreitungen – bei Drittstaaten kaum Verbesserungen (BVL 2009)

Die Berichte des Rapid Alert Systems for Food and Feed der EUiv zeigen, dass auch auf EU-Ebene die Importe aus Nicht-EU-Ländern insgesamt stark überproportional zu den EU-weit gemeldeten Risikofällen beitragen. Der Anteil der durch Pestizidrückstände hervorgerufenen Rapid Alerts sollte in einer Detailerhebung ermittelt und als Basis zur Maßnahmenableitung verwandt werden.

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Abbildung 7: Länder mit dem höchsten Anteil an Rapid Alert-Notifizierungen (Food and Feed insgesamt, RASFF-Report der EU 2008 )

Abbildung 8: Regionen mit dem höchsten Anteil an Rapid Alert-Notifizierungen (RASFF-Report der EU 2008)

Besonders auffällig sind Lebensmittelimporte aus China, bei denen besonders häufig Verstöße gegen EU-Standards festgestellt wurden (EU RASFF-Report 2007): “The number of RASFF notifications on Chinese products has increased significantly over the years and the share of Chinese products in the RASFF notifications has never been as high as in 2007. As many as 12% of the total of notifications received in 2007 concern products of Chinese origin (355, not including products originating from Hong Kong).”

Der Anteil der Herkunftsländer am Weltmarkt von Obst- und Gemüse, die im Hinblick auf ihre Rückstandsstandards als auch im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit oftmals nicht auf EU-Niveau stehen, hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Sie bestimmen

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bereits heute den Großteil des Weltmarktes. Durch diese Entwicklung nehmen auch die Risiken für erhöhte Pestizidbelastungen zu. Maßnahmen eines Aktionsplans müssen daher auch im landwirtschaftlichen Anbau dieser Herkunftsländer wirksam sein.

Abbildung 9

3.3 Risikopestizide

3.3.1 Expositionsrelevante Pestizide

Die in der folgenden Tabelle benannten 14 Wirkstoffe waren laut BVL im Jahr 2007 für 41,9 % (439 von 1.047) aller Höchstmengenüberschreitungen verantwortlich. Bei Risikominderungs-maßnahmen sollten diese Wirkstoffe aufgrund der Expositionsrelevanz besonders beachtet werden.

Wirkstoff Anzahl der untersuchtenProben

Anzahl der Proben mit Rückständen über der Höchstmenge

Dimethoat (Summe aus Dimethoat und Omethoat, ausgedrückt als Dimethoat)

15.184 70

Carbendazim und Benomyl (Summe aus Benomyl und Carbendazim, ausgedrückt als Carbendazim) 12.335 48

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Wirkstoff Anzahl der untersuchtenProben

Anzahl der Proben mit Rückständen über der Höchstmenge

DDT (Summe aus p,p´-DDT, o,p´-DDT, p-p´-DDE und p,p´-TDE (DDD), ausgedrückt als DDT) 13.091 38

Methiocarb (Summe von Methiocarb sowie Methiocarbsulfoxid und -sulfon, ausgedrückt als Methiocarb) 12.760 37

Bromid-Ion 1.359 31

Captan 8.900 31

Imidacloprid 12.296 27

Oxamyl 12.629 27

Hexachlorcyclohexan (HCH), Beta-Isomer 1.534 25

Ethion 14.482 31

Fenitrothion 14.524 21

Fenthion (Fenthion und sein Sauerstoffanalogon sowie ihre Sulfoxide und Sulfone, ausgedrückt als Fenthion

13.371 21

Methomyl und Thiodicarb (Summe aus Methomyl und Thiodicarb, ausgedrückt als Methomyl) 12.663 21

Monocrotophos 14.236 21

Abbildung 10 Wirkstoffe mit den häufigsten Höchstmengenüberschreitungen 2007 (BVL 2009)

Die EFSA zeigt auf, welche Wirkstoffe auf Basis EU-übergreifender Untersuchungen als prioritär hinsichtlich ihres Beitrags zu den erfassten Höchstmengen anzusehen

sind:

Abbildung 11 Wirkstoffe prioritär zu ihrem Beitrag an Höchstmengenüberschreitungen (EFSA 2009)

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Abbildung 12 und 12

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3.3.2 Toxikologisch relevante Pestizide

Pestizidwirkstoffe mit einer für den Menschen hohe Toxizität haben dann eine besondere Relevanz für den Gesundheitsschutz, wenn sie über Lebensmittel in signifikanten Mengen aufgenommen werden. Wirkstoffe mit hoher Toxizität haben i.d.R. niedrige Höchstmengen, die leichter überschritten werden können als bei anderen Wirkstoffen. Daher sollte auch die Humantoxizität neben der o.g. Expositionsrelevanz ein Auswahlkriterium für die Risikoreduktion sein. Die von Greenpeace im Jahr 2008 veröffentlichte „Schwarze Liste der Pestizide“ und die Liste der Highly Hazardous Pesticides (HHP) des Pestizid Aktions-Netzwerkes e.V. (PAN Germany) bieten hierfür eine Orientierungsmöglichkeit. Es erscheint zudem empfehlenswert, Pestizidwirkstoffe die nach neuem EU-Pestizid-Zulassungsrecht aufgrund ihrer toxikologischen Eigenschaften nicht zulassungsfähig sind, als Kandidaten für eine Risikoreduktion in Betracht zu ziehen.

3.4 Risikopraktiken / Pestizidmissbrauch

Die nachstehende Auswertung der EFSA zeigt, dass die Mehrheit der registrierten Höchstmengenüberschreitungen auf den Missbrauch von Pestiziden zurückzuführen ist.

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Abbildung 13 / EFAS: Annual Report on Pesticides Residues, 2007, pg. 31

Im Jahr 2009 veröffentlichte Untersuchungen des BVLv geben Anhaltspunkte dafür, welche Arten von „Missbrauch“ eine Schlüsselrolle spielen: „Rückstandsdaten bei Erzeugnissen deutscher Herkunft geben Hinweise darauf, dass teilweise unzulässige Pflanzenschutzmittel verwendet werden“, schreibt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) nach der Auswertung von 5546 Obst- und Gemüseproben aus deutschem Anbau. „In circa 5 % der von der amtlichen Kontrolle untersuchten Obst- und Gemüseproben aus Deutschland besteht der Verdacht einer unzulässigen Anwendung“, so das BVL. „In circa 2 % der Fälle wurden allgemein nicht zugelassene Wirkstoffe gefunden, in circa 3 % war der Wirkstoff zwar in Deutschland zugelassen, es fehlte aber eine Zulassung oder Genehmigung in der beprobten Kultur.“

Diese fünf Prozent sind für 46% aller vom BVL im Jahr 2007 festgestellten Höchstmengenüberschreitungen bei deutschem Obst und Gemüse verantwortlich und damit die Hauptursache für diese Verstöße gegen das Lebensmittelrecht.

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Abbildung 14 Lebensmittel aus deutschem Anbau mit dem höchsten Anteil an Rückständen nicht zugelassener Pestizidwirkstoffe (BVL 2009)

Abbildung 15 Die am häufigsten nachgewiesenen „illegalen“ Pestizidwirkstoffe (BVL 2009)

Für viele andere EU-Länder ist ein ähnlicher Zusammenhang zwischen illegalen Pestizidanwendungen und Höchstmengenüberschreitungen anzunehmen. Darauf deutet die o.g. Aufstellung der EFSA hin, aber auch Aussagen des Verbandes der europäischen Pestizidhersteller ECPA: „Counterfeiting and illegal trade of plant protection products is a significant and growing problem with estimates showing that 5-7% of Europe’s plant protection products are illegal or counterfeit.“vi ECPA hat als Konsequenz daraus bereits im Jahr 2006 eine internationale Kampagne gegen den Einsatz illegaler Pestizide gestartet.

In dem auch von Deutschland unterzeichneten Internationalen Pestizidverhaltenskodex, heißt es: „Gemäß des Internationalen Pestizid-Verhaltenskodex sollen Pestizidindustrie und Händler Pestizidprodukte bis zum Endverbraucher im Blickfeld behalten, um auf Probleme, die im Zusammenhang mit deren Anwendung stehen, reagieren zu können. Dazu gehört auch, das

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Wissen über die Anwendungsbereiche der Abnehmer sowie die Probleme, die im Zusammenhang mit ihren Produkten entstehen können. (Art. 3.4.6). Der Pestizid-Verhaltenskodex sagt ausdrücklich, dass der Rückruf eines Pestizids durch einen Hersteller und Händler notwendig sein kann, wenn es ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch, Tier oder die Umwelt darstellt (Art. 8.2.5)“

Fazit: Höchstmengenüberschreitungen sind im Rahmen eines Reduktionsprogramms nur dann signifikant reduzierbar, wenn der Einsatz nicht zugelassener Pestizide deutlich gesenkt wird. Diese Feststellung lässt sich aufgrund der aufgeführten Fakten sowohl für in Deutschland als auf für in anderen EU-Ländern produzierte Ware ableiten.

3.5 Reduktionsprogramme des Lebensmitteleinzelhandels

Es ist davon auszugehen, dass die von den bedeutendsten deutschen Ketten des Lebensmitteleinzelhandels sowie die vom Großhandel eingeführten Reduktionsprogramme, Kontrollmaßnahmen und privaten Rückstands-Standards einen signifikanten Beitrag zur Reduktion der Höchstmengenüberschreitungen leisten und weiterhin leisten können.

Abbildung 16 Pestizidstandards deutscher Handelsketten (DFHV 2009vii)

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3.6 Verfügbarkeit nichtchemischer Pflanzenschutzverfahren Das Beispiel des Paprikaanbaus im spanischen Almeria belegt, wie stark die Umstellung auf nichtchemische Pflanzenschutzverfahren zur Reduktion der Höchstmengen-überschreitungen beitragen kann. Wurden in 2004 noch 53 Prozent der Ware beanstandet, so fiel die Beanstandungsquote in den Jahren 2007/08 auf 0 Prozent. Ursächlich dafür ist die Umstellung auf den Einsatz von Nützlingen statt synthetischer Pestizide.

Abbildung 17 Fruchthandelsmagazin: einer von vielen Fortschrittsberichten zur Umstellung auf nichtchemischen Pflanzenschutz in Almeria.

Abbildung 18 CVUA Stuttgart: Höchstmengenüberscheitungen in spanischem Paprika

Neben der Verfügbarkeit nicht-chemischer kurativer Maßnahmen tragen präventive nicht-chemische Pflanzenschutzmaßnahmen, wie Fruchtfolgegestaltung, phytosanitäre Maßnahmen, Sorten- und Standortwahl etc. zu einer Reduzierung des Einsatzes chemischer Pestizide und so zu einer Entspannung der Rückstandssituation bei. Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans müssen daher auch hier Wirkung zeigen, ohne auf weitere Risikotechnologien wie Gentechnisch Veränderte Organismen (GVO) zurückzugreifen.

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3.7 Anteil von Bioware am Lebensmittelmarkt

Repräsentative Vergleiche konventioneller mit Bioware zeigen, dass die in Deutschland vermarktete Bioware signifikant geringer mit Pestizidrückständen belastet ist. Der Anteil der Bioware am Gesamtmarkt ist daher ein wichtiger Einflussfaktor auf die zu beobachtenden Pestizid-Höchstmengenüberschreitungen.

„Der mittlere Gehalt an Pflanzenschutzmitteln in allen untersuchten Obstproben aus ökologischem Anbau lag bei 0,004 mg/kg, wenn alle als ökologisch bezeichneten Proben (auch solche mit irreführender Öko-Kennzeichnung) in die Berechnung einfließen. Er lag bei 0,001 mg/kg, wenn die Berechnung unter Ausschluss der beanstandeten Proben erfolgt, bei denen der Verdacht besteht, dass es sich um konventionelle Ware oder um einen Verschnitt mit konventioneller Ware handelt. Konventionelles Obst enthält dagegen im Mittel 0,44 mg Pflanzenschutzmittelrückstände pro kg.

Bei Gemüse aus ökologischem Anbau lag der mittlere Pestizidgehalt bei 0,019 mg/kg, wenn alle als ökologisch bezeichneten Proben in die Berechnung einfließen. Er lag bei 0,001 mg/kg, wenn die Berechnung unter Ausschluss der beanstandeten Proben erfolgte, bei denen der Verdacht besteht, dass es sich um konventionelle Ware oder um einen Verschnitt mit konventioneller Ware handelt. Konventionelles Gemüse enthält dagegen im Mittel 0,33 mg Pflanzenschutzmittelrückstände pro kg.“ (Land Baden-Württemberg: Ökomonitoring 2008)viii

3.8 Transparenz

Erfahrungen aus EU-Ländern wie England und Dänemark, in denen die Verursacher von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht von den Behörden veröffentlicht werden, legen die Vermutung nahe, dass das „name and blame“-Prinzip sich positiv auf die Einhaltung des Lebensmittelrechts auswirkt. In diesen Ländern sind Einzelhandelsketten dazu über gegangen, verstärkt ihre eigenen Rückstandsdaten der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Auch in Deutschland und Österreich begannen Ketten wie Rewe und Billa damit, eine solche Transparenzpraxis umzusetzen.

3.9 Wirksamer Vollzug, Cross Compliance

Ein wirksamer Vollzug des bestehenden Pflanzenschutz- und Lebensmittelrechts und spürbare Sanktionen gegen die Verursacher von Verstößen würden vermutlich deutlich dazu beitragen, dass die Vorschriften eingehalten werden. Dazu gehören Maßnahmen der Pflanzenschutzkontrolldienste, der Lebensmittelüberwachung und der EU-Mitgliedsländer im Rahmen der Cross Compliance-Anforderungen der EU. Denkbar sind beispielsweise

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Subventionskürzungen bei Nichteinhaltung von Umweltstandards oder Lebensmittelsicherheitsstandards.

3.10 Reduzierter Pestizideinsatz

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein reduzierter Pestizideinsatz auch zur Vermeidung von Höchstmengenüberschreitungen beiträgt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hält eine Minderung des gegenwärtigen Pestizideinsatzes um 40 % im Rahmen einer fortgesetzten konventionellen Landwirtschaft für praktisch machbar. In einigen EU-Ländern wurden bereits positive Erfahrungen mit solchen Reduktionsprogrammen gesammelt.

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4 Ziele

Die Umsetzung des vom Bundestag verabschiedeten Ziels, nach dem die in Deutschland vermarkteten Lebensmittel unter ein Prozent Pestizid-Höchstmengenüberschreitungen aufweisen sollen, bedarf je nach Lebensmittelart, gegenwärtiger Belastungslage, gegebenen Einflussmöglichkeiten und Herkunftsregionen verschiedenartiger Maßnahmenpakete. Das formulierte Ziel kann - je nach Ausgangslage – innerhalb verschiedener Zeiträume erreicht werden.

Vor diesem Hintergrund werden folgende Zielvorgaben als realistisch erachtet, wenn die nachstehend empfohlenen Maßnahmen zügig und konsequent im Rahmen eines Nationalen Aktionsplans umgesetzt werden. Die Zielvorgaben werden hier für den relevantesten Produktbereich „Obst und Gemüse“ dargestellt. Analog ist eine Zielsetzung für andere Produktbereiche (Getreide, Lebensmittel tierischer Herkunft ableitbar):

• Ziel 1: Die Überschreitungsquote für Obst und Gemüse aus Deutschland wird ab dem Jahr 2010 jährlich um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt (Basisjahr 2008: 2,3 Prozent). Das Ziel (unter 1% Höchstmengenüberschreitungen) wird nach 3 Jahren im Jahr 2013 erreicht)

• Ziel 2: Die Überschreitungsquote für Obst und Gemüse aus anderen EU-Mitgliedsländern wird ab dem Jahr 2010 jährlich gleichfalls um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt (Basisjahr 2008: 3,2 Prozent). Das Ziel (unter 1% Höchstmengenüberschreitungen) wird nach 5 Jahren im Jahr 2015 erreicht)

• Ziel 3: Die Überschreitungsquote für Obst und Gemüse aus Nicht-EU-Ländern wird ab dem Jahr 2010 jährlich um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt (Basisjahr 2008: 9,3 Prozent). Das Ziel (unter 1% Höchstmengenüberschreitungen) wird nach 7 Jahren im Jahr 2017 erreicht)

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Abbildung 19 Prognostizierte Entwicklung der Pestizid-Höchstmengenüberschreitungen für Obst und Gemüse nach Herkunftsregionen bei Inkrafttreten des empfohlenen Pestizidreduktionsprogramms in 2010

Jahr

Prozent Höchstmengenüberschreitungen (bis 2008: laut BVL-Berichterstattung;

ab 2010: Prognose für den NAP)

Deutschland EU (ex D) Drittstaaten (ex EU)

2006 3,9 6,5 10,0 2007 2,7 5,0 9,5 2008 2,3 3,2 9,3 Verabschiedung des NAP: 2010 1,8 2,6 7,0 2011 1,5 2,0 5,2 2012 1,2 1,6 3,9 2013 0,9 1,3 2,9 2014 0,8 1,0 2,2 2015 0,6 0,8 1,7 2016 0,5 0,7 1,2 2017 0,4 0,5 0,9

Abbildung 20 Abbildung 21 Prognostizierte Entwicklung der Pestizid-Höchstmengenüberschreitungen für Obst und Gemüse nach Herkunftsregion bei Inkrafttreten des empfohlenen Pestizidreduktionsprogramms in 2010

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5 Einflussfaktoren & Akteure Die Analyse der Haupteinflussfaktoren auf die Quote der Höchstmengenüberschreitungen aus Kapitel 3 lässt sich wie folgt zusammenfassen. Den Einflussfaktoren können jeweils einflussreiche Hauptakteure zugeordnet werden.

Relevanz für die Verursachung bzw. Vermeidung von

Höchstmengenüberschreitungen (+++ stark positiv ….. --- stark negativ) Kap. Einflussfaktor

Deutsch-land EU

Nicht-EU Akteure (Auswahl)

3.1

Risiko-Lebensmittel --- --- ---

Landwirtschaft, Agrarhandel, Pestizidproduzenten, Pflanzenschutzkontrolldienste, staatl. Lebensmittelüberwachung, Standards (GlobalGAP, QS)

3.2

Risiko-Herkunftsländer + - ---

Großhandel, Einzelhandel, Exportländer, Standards (z.B. GlobalGAP), Private Public Partnership-Programme, staatl. Lebensmittelüberwachung

3.3

Risiko-Pestizide --- --- ---

Pestizidproduzenten, Landwirte, Zulassungsbehörden, EU-Kommission

3.4

Pestizidmissbrauch, v.a. Einsatz nicht zugelassener Pestizidwirkstoffe --- --- ?

Landwirtschaft, Agrarhandel, Pestizidproduzenten, staatliche Kontrollen

3.5

Reduktionsprogramme des Einzelhandels +++ ++ +

Lebensmitteleinzel- und –großhandel, QS

36

Verfügbarkeit und Anwendung nichtchemi-schen Pflanzenschutzes +(+) +(+) (+)?

Landwirtschaftspolitik, Forschungspolitik, Pflanzen-schutzindustrie, Landwirtschaft

3.7 Marktanteil des Bioanbaus +++ +++ +++

Landwirtschaftspolitik, Einzelhandel

3.8

Transparenz (z.B. Veröffentlichung von Verursachern von Überschreitungen) +(+) +(+) +(+)

Medien, NGOs, staatliche Kontroll- und Überwachungsbehörden, Verbraucherschutzpolitik

3.9

Staatliche Kontrolle und Vollzug des Pflanzen-schutz- und Lebensmittel-rechts, Cross compliance

-(ist) +(soll)

-(ist) + (soll)

?

Verbraucherschutzpolitik, staatliche Kontroll- und Überwachungsbehörden, Gesetzgeber, EU-Agrarpolitik

3.10

Grundsätzliche Reduktion des Pestizideinsatzes, bemessen an Behandlungs-indizes + + +

Landwirtschaft, Pestizidproduzenten, Ausbildung, Kontrollen (unabhängige) Pflanzenschutzberatung

Abbildung 22 Faktoren, die Höchsmengenüberschreitungen beeinflussen

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6 Maßnahmen

Folgende Maßnahmen entlang der Lebensmittelkette können signifikant zur Minderung der Höchstmengenüberschreitung beitragen. Im Rahmen dieser Konzeptstudie können die Einzelmaßnahmen i.d.R. nur qualitativ benannt werden. Aus den Kapiteln 3 und 5 ergeben sich die zehn einflussstärksten Faktoren, zu denen Maßnahmenschwerpunkte gesetzt werden sollten.

Eine Quantifizierung der durch die Einzelmaßnahmen möglichen Beiträge sowie eine Festlegung von Key Performance Indicators zur Verfolgung der Zielerreichung sollten Gegenstand einer Folgearbeit sein. Es bleibt zudem weiteren Arbeiten überlassen zu klären, welche Maßnahmen die effizientesten (Verhältnis von Aufwand und Einfluss auf die Rückstandsminimierung).

6.1 Pestizidbelastung von Risiko-Lebensmitteln senken • Schwerpunkt-Monitoring von Risikolebensmitteln durch Lebensmittelüberwachung und

Handel • Schwerpunkt-Beratung und –Kontrolle durch Pflanzenschutzkontrolldienste • Rasche Umstellung auf alternative Pflanzenschutzverfahren • Vertragsanbau und Lieferantenauswahl • Wirksame Zertifizierungssysteme (z.B. QS) • Förderung des biologischen Anbaus von Risiko-Lebensmittels • Präventionsmaßnahmen wie

o Vorerntekontrollen o Kontrollen in den Herkunftsländern o Schnell-Analytik o Positiv- oder Ausschlusslisten für Pestizide

6.2 Risiko-Herkunftsländer in Rückstandsstandards einbinden • Importkontrollen und Vorführpflichten • Return-to-Sender-Aktionen bei beanstandeter Ware • Private and Public Partnership-Programme zur Etablierung höherer Produktionsstandards

in Nicht-EU-Herkunftsländern (z.B. mit Unterstützung der GTZ oder des PIP-Programms der EU)

• Umstellungshilfen und Kofinanzierungssysteme nach dem Muster: Einhaltung von Standards und Zertifizierung in den Herkunftsländern gegen Kofinanzierung der Umstellungsaufwands durch die Abnehmerländer/Handelsketten

• Wirksame Zertfizierungssysteme für rückstandsarmen Anbau (z.B. QS international, GlobalGAP+)

• Qualifizierte Prüflabors in den Herkunftsländern • Förderung des Bioanbaus in den Herkunftsländern und der Bio-Vermarktung • Vertragsanbau

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• Präventionsmaßnahmen wie o Vorerntekontrollen o Kontrollen in den Herkunftsländern o Schnell-Analytik o Positiv- oder Ausschlusslisten für Pestizide o Beratung

6.3 Substitution von Pestizid-Wirkstoffen mit hoher Toxizität oder Überschreitungsquote

• Keine Verlängerung der EU-Zulassung, bzw. Anwendungsausschluss durch Produzenten oder den Lebensmittelhandel für Pestizidwirkstoffe

o die besonders häufig für Höchstmengenüberschreitungen verantwortlich sind o die sich durch eine hohe Humantoxizität auszeichnen; d.h.Substitution aller

zugelassenen Mittel, die Wirkstoffe enthalten, welche von der EU als besonders bedenkliche eingestuft werden, und solcher Pestizidwirkstoffe, die auf der Schwarzen Liste von Greenpeace und der HHP-Liste von PAN Germany (HHP = highly hazardous pesticides) verzeichnet sind, innerhalb von 10 Jahren durch möglichst unbedenkliche Alternativen (Produkte und Verfahren).

o deren Rückstände mit den Routinemethoden der gängigen Rückstandslabors der EU-Mitgliedsländern bzw. der Auftragslabors des Lebensmittelhandels nicht überwachbar sind. Anhaltspunkte für diese Wirkstoffe gibt die Studie „Grenzen der Pestizidanalytik“ (Greenpeace 2008)

• Einführung einer Abgabe auf den Pestizidverkauf zur vollständigen Deckung der Kosten für die

o staatliche Überwachung (der Pestizidanwender und der vermarkteten Lebensmittel), Dokumentation und Publikation von Befunden

o Sanierung von Grundwasserbelastungen o Trinkwassseraufbereitung (Kostenanteil zur Pestizidabscheidung)

und als für Teilbeitrag zur Entwicklung von nichtchemischen Pflanzenschutzverfahren.

6.4 Pestizidmissbrauch eindämmen • Intensivere Kontrollen des Handels mit Pestiziden, z.B. durch den Zoll • Monitoring des Internethandels mit illegalen Pestiziden und Ableitung von Maßnahmen

zur Unterbindung dieser Handelsform • Verdeckte Ermittlungsverfahren im Agrarhandel • Feld-Monitoring in Risikokulturen und -regionen • Wirksame Sanktionsmaßnahmen gegen Händler und Anwender von unzulässigen

Pflanzenschutzmitteln bei Verstößen • Cross Compliance-Maßnahmen • Systematische Auswertung der vorliegenden Rückstandsbefunde auf nicht zugelassene

Pestizidwirkstoffe durch Bund, Länder, Qualitätssicherungsringe (z.B. QS), den Groß- und Einzelhandel. Diese Auswertung sollte auch für Ware aus Drittstaaten durchgeführt werden. Um für diese Bewertungsaufgabe den korrekten Zulassungsstatus in anderen EU

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und Nicht-EU-Ländern zu erfassen, sollte eine entsprechende Zulassungsdatenbank unter Koordination des BVL gegründet werden.

• Sofern nicht zugelassene Wirkstoffe als Rückstand nachgewiesen werden, sollten zeitnah die lokalen Pflanzenschutzkontrolldienste benachrichtigt und diese zu Ermittlungsschritten verpflichtet werden. Das Ergebnis der Ermittlungen sollte veröffentlicht werden. Illegale Anwendungen sollten sanktioniert werden. Unternehmen, die in den von ihnen oder in ihrem Auftrag untersuchten Proben Rückstände nicht zugelassener Rückstände auffinden, müssen für eine Aufklärung der Ursache der Belastung sorgen. Illegale Anwendungen sind zu sanktionieren. Der Handel von in der EU nicht zugelassener Pestizidwirkstoffen innerhalb der EU ist zu verbieten. Zuwiderhandlungen müssen sanktioniert werden. Reimporte nicht zugelassener Pestizide sind zu unterbinden.

Entzug der Geschäftserlaubnis bzw. Produktionserlaubnis im Wiederholungsfall.

6.5 Programme des Einzel- und Großhandels ausweiten • Fortsetzung der eingeleiteten Pestizidreduktions- und Monitoring-Programme • Kontinuierliche Reduktion der Rückstandsbelastung um 20-25% jährlich • Weiterentwicklung privatwirtschaftlicher Pestizidstandards im Sinne des

Rückstandsminimierungsprinzips • Internationalisierung der Programme, zumindest in Europa

6.6 Forschung, Entwicklung und Einsatz alternativer Pflanzenschutzverfahren • Finanzielle Anreize für den Umstieg auf nichtchemische Verfahren • Ansiedlung und Förderung von Unternehmen des alternativen Pflanzenschutzes • Systematische Forschungs- und Entwicklungsprogramme zur Einführung geeigneter

nichtchemischer Pflanzenschutzverfahren • Wissenschaftspreise • Anwenderorientierte Kommunikation verfügbarer Alternativverfahren • Muster-Betriebe für alle wichtige Kulturen und Anbauregionen • CAP-Reform nutzen

6.7 Steigerung der Marktanteile von Bioanbau und Bioware • Konsequente Förderung des Bioanbaus und der Umstellung von Betrieben. Der Anteil des

Bioanbaus sollte jährlich um 20 % gesteigert werden. • Der Anteil von Bioprodukten am Lebensmittelmarkt sollte jährlich um 20 % gesteigert

werden. Bio-Werbung und Ausweitung des Bio-Sortiments durch den Einzelhandel. • Die Rückstands-Situation konventionell angebauter Produkte wird durch ein „Mehr“ an

biologisch produzierter Ware nicht verändert. Eine rechnerische Verringerung der Rückstände durch einen höheren Anteil von Bio-Produkten in der Rückstands-Analyse wird dem Rückstands-Problem nicht gerecht und würde die tatsächliche Belastungssituation verzerren.

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6.8 Transparenz bei Verstößen schaffen • Die Ergebnisse von Einzel- und Schwerpunktuntersuchungen sollten sowohl von der

staatlichen Lebensmittelüberwachung der Länder als auch von Handelsketten oder privatwirtschaftlichen Qualitätssicherungseinrichtungen wie QS zeitnah veröffentlicht werden.

• Jährlicher Rückstandsbericht von Bund, Ländern und Einzelhandelsketten. • Namentliche und zeitnahe Veröffentlichung von Verursachern von Verstößen gegen das

Lebensmittel- und Pflanzenschutzrecht. • Förderung unabhängiger Rückstandsuntersuchungen, z.B. durch NGOs. • Die Untersuchungsdaten von staatlichen Einrichtungen, Unternehmen und NGOs sollten

im Rahmen einer Online-Plattform zusammengeführt und öffentlich zugänglich gemacht werden.

• Nur Untersuchungsdaten hoher Qualität dieser Akteure sollten für die Bewertung der Belastungslage, von Herkunftsländern oder den Fortschritten des Nationalen Aktionsplans herangezogen werden. Ein Gremium aus Vertretern der o.g. Akteure sollte Kriterien für die Datenauswahl entwickeln.

6.9 Verbesserter Vollzug und Sanktionen • Jede festgestellte Höchstmengenüberschreitung muss wirksam sanktioniert werden und

die Sanktionsmaßnahmen müssen öffentlich transparent gemacht werden. • Die Kontrollbesuche des Food and Veterinary Office (FVO) der EU bei Institutionen der

nationalen Lebensmittelüberwachung sollten zukünftig zu einem „guten“ Berichtsergebnis führen. Die Verbesserungsvorschläge des FVO sollten konsequent umgesetzt werden.

• Subventionen für Landwirte, die gegen das Pflanzenschutz- oder Lebensmittelgesetz verstoßen müssen im Rahmen der Cross Compliance-Systematik gekürzt werden.

6.10 Generelle Reduktion des Pestizideinsatzes Der Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln in Deutschland soll – bemessen an einem Behandlungsindex – jährlich um 6 % gesenkt werden.

i http://www.bvl.bund.de/cln_007/nn_493682/DE/01__Lebensmittel/01__Sicherheit__Kontrollen/05__NB__PSM__Rueckstaende/01__nb__psm/nbpsm__2007/nbpsm__Bericht__2007.html ii http://www.q-s.de/leitfaeden-und-checklisten/downloads-detailansicht/?tx_qsdownloads_pi2[main]=33&tx_qsdownloads_pi2[sub]=124&cHash=e498ba2dbf iii Z.T. noch nicht offiziell veröffentlichte Angaben des BVL; Quelle: Fricke, BVL, Tagung „Herausforderungen 2010“, Braunschweig, 20.11.2009 iv http://ec.europa.eu/food/food/rapidalert/rasff_publications_en.htm v http://www.bvl.bund.de/cln_007/nn_493682/DE/01__Lebensmittel/01__Sicherheit__Kontrollen/05__NB__PSM__Rueckstaende/01__nb__psm/nbpsm__2007/nicht__zugelassene__wirkstoffe__psm__2007.html vi ECPA, 17 Oktober 2006: Crop protection industry announces start of anti-counterfeit and illegal trade campaign at

Glasgow Crop Science & Technology Event http://www.ecpa.be/en/newsroom/press-releases/_doc/15722/ vii http://www.bvl.bund.de/cln_027/nn_1334508/DE/07__DasBundesamt/05__Veranstaltungen/00__doks__downloads/symposium__2010__vortrag__bruegger.html viii http://oekomonitoring.cvuas.de/aktuelles.html

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