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M. Bijak Patientin mit allergischer Rhinitis Female Patient Suffering from Allergic Rhinitis Dr. Michaela Bijak Kaiserin Elisabeth Spital der Stadt Wien Akupunkturambulanz Huglgasse 1 A–1150 Wien Tel.: +43 (0) 1 / 9 81 04 57 51 [email protected] Zusammenfassung Hintergrund: Die Allergie stellt als funktionelle Erkran- kung eine mögliche Indikation für Regulationstherapien dar. Anhand des Fallberichtes einer 25-jährigen Patientin, die als Kind an Ekzemen und einer Rhinitis bei Katzenkon- takt gelitten hatte, im Lauf der Zeit jedoch zunehmend auch perenniale Beschwerden im Bereich der Nasennebenhöhlen aufgrund einer zusätzlich aufgetretenen Hausstaubmilben- und Pollenallergie aufwies, soll gezeigt werden, welche Therapiemöglichkeiten und Zugangswege die Akupunk- tur und verwandte Techniken bieten. Drei Experten zeigen neben den infrage kommenden Akupunkturpunkten und Reiztechniken noch zusätzliche Möglichkeiten auf, positiv auf allergische Erkrankungen einzuwirken. Zielsetzung: Bei allen Patienten mit allergischer Diathese wird neben einer Reduktion der allergischen Beschwerden noch ein Absetzen der lokalen und systemischen Antihis- taminika angestrebt, ein etwaiger Etagenwechsel der Sym- ptome (zum Beispiel von einer Rhinitis zum Asthma bron- chiale) soll verhindert werden. Methodik: Zehn Akupunkturbehandlungen im Wochen- abstand Ergebnisse: Bei der vorgestellten Patientin konnte eine Besserung der Symptomatik um etwa 50 % erzielt werden, die zumindest für die darauffolgenden sechs Monate beste- hen blieb. Bei der Patientin liegen keine Langzeitergebnisse vor. Schlussfolgerung: Akupunktur stellt eine Möglichkeit dar, allergische Symptome zu lindern, sollte aber mit einer Änderung und Adaptierung des Ess- oder Bewegungsver- haltens kombiniert werden. Studien zum Thema weisen inkongruente Ergebnisse auf, Langzeitbeobachtungen in der Akupunkturambulanz des Kaiserin Elisabeth Spitals in Wien lassen den Schluss zu, dass Akupunktur bei Pollen- allergie jährlich präsaisonal einmal wöchentlich für zehn Wochen durchgeführt werden sollte. Schlüsselwörter Akupunktur, Laser, Allergie, Hyposensibilisierung, Probiotika, Qigong, Sinusitis, Rhinitis Akupunktur Deutsche Zeitschrift für DZA Expertenforum | Clinician´s Corner Abstract Background: Any allergic problem is a functional di- sease and therefore accessible to functional therapies such as acupuncture. This case report of a 25 year-old female patient who in her childhood suffered from ecze- ma and rhinitis due to cat-hair allergy and who over the recent years has developed a mite allergy causing persistent pain in the sinuses demonstrates how allergic problems can be treated using acupuncture and related techniques. In addition to well-established acupuncture points, three experts will show further methods to allevi- ate allergic symptoms. Objective: The aim of treating patients with allergic dis- position is to reduce symptoms as well as the use of anti- histaminic drugs. Treatment should also prevent an aggra- vation of symptoms, for instance from allergic rhinitis to allergic asthma. Methods: One acupuncture session per week over the course of 10 weeks. Results: The patient’s symptoms in the present case could be reduced by about 50 %. This result remained stable throughout the following 6 months. There was no follow- up. Discussion: Acupuncture can alleviate allergic sym- ptoms but should always be combined with the appro- priate diet as well as physical exercise. Clinical studies have brought inhomogenous results. However, long-term observations collected at the Kaiserin Elisabeth-Hospital in Vienna suggest that acupuncture administered as a therapy against allergic rhinitis should be initialized pre- seasonally and be administered annually over the course of 10 weeks. Keywords Acupuncture, Laser, Allergy, Hyposensibilisation, Probiotics, Qigong, Sinusitis, Rhinitis DOI: 10.1016/j.dza.2009.02.017  56 Dt Ztschr f Akup. 52, 1/2009

Patientin mit allergischer Rhinitis: Female Patient Suffering from Allergic Rhinitis

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M. Bijak

Patientin mitallergischer Rhinitis

Female Patient Sufferingfrom Allergic Rhinitis

AkupunkturD e u t s c h e Z e i t s c h r i f t f ü r

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DOI : 10. 10 16/ j .dza .2009.02 .0 17   56    Dt Z tschr f Akup. 52 , 1 / 2009

ZusammenfassungHintergrund: Die Allergie stellt als funktionelle Erkran-kung eine mögliche Indikation für Regulationstherapien dar. Anhand des Fallberichtes einer 25-jährigen Patientin, die als Kind an Ekzemen und einer Rhinitis bei Katzenkon-takt gelitten hatte, im Lauf der Zeit jedoch zunehmend auch perenniale Beschwerden im Bereich der Nasennebenhöhlen aufgrund einer zusätzlich aufgetretenen Hausstaubmilben- und Pollenallergie aufwies, soll gezeigt werden, welche Therapiemöglichkeiten und Zugangswege die Akupunk-tur und verwandte Techniken bieten. Drei Experten zeigen neben den infrage kommenden Akupunkturpunkten und Reiztechniken noch zusätzliche Möglichkeiten auf, positiv auf allergische Erkrankungen einzuwirken. Zielsetzung: Bei allen Patienten mit allergischer Diathese wird neben einer Reduktion der allergischen Beschwerden noch ein Absetzen der lokalen und systemischen Antihis-taminika angestrebt, ein etwaiger Etagenwechsel der Sym-ptome (zum Beispiel von einer Rhinitis zum Asthma bron-chiale) soll verhindert werden.Methodik: Zehn Akupunkturbehandlungen im Wochen-abstandErgebnisse: Bei der vorgestellten Patientin konnte eine Besserung der Symptomatik um etwa 50 % erzielt werden, die zumindest für die darauff olgenden sechs Monate beste-hen blieb. Bei der Patientin liegen keine Langzeitergebnisse vor.Schlussfolgerung: Akupunktur stellt eine Möglichkeit dar, allergische Symptome zu lindern, sollte aber mit einer Änderung und Adaptierung des Ess- oder Bewegungsver-haltens kombiniert werden. Studien zum Thema weisen inkongruente Ergebnisse auf, Langzeitbeobachtungen in der Akupunkturambulanz des Kaiserin Elisabeth Spitals in Wien lassen den Schluss zu, dass Akupunktur bei Pollen-allergie jährlich präsaisonal einmal wöchentlich für zehn Wochen durchgeführt werden sollte.

AbstractBackground: Any allergic problem is a functional di-sease and therefore accessible to functional therapies such as acupuncture. This case report of a 25 year-old female patient who in her childhood suff ered from ecze-ma and rhinitis due to cat-hair allergy and who over the recent years has developed a mite allergy causing persistent pain in the sinuses demonstrates how allergic problems can be treated using acupuncture and related techniques. In addition to well-established acupuncture points, three experts will show further methods to allevi-ate allergic symptoms. Objective: The aim of treating patients with allergic dis-position is to reduce symptoms as well as the use of anti-histaminic drugs. Treatment should also prevent an aggra-vation of symptoms, for instance from allergic rhinitis to allergic asthma.Methods: One acupuncture session per week over the course of 10 weeks.Results: The patient’s symptoms in the present case could be reduced by about 50 %. This result remained stable throughout the following 6 months. There was no follow-up. Discussion: Acupuncture can alleviate allergic sym-ptoms but should always be combined with the appro-priate diet as well as physical exercise. Clinical studies have brought inhomogenous results. However, long-term observations collected at the Kaiserin Elisabeth-Hospital in Vienna suggest that acupuncture administered as a therapy against allergic rhinitis should be initialized pre-seasonally and be administered annually over the course of 10 weeks.

Dr. Michaela BijakKaiserin Elisabeth Spital der Stadt WienAkupunkturambulanz

Huglgasse 1A–1150 WienTel.: +43 (0) 1 / 9 81 04 57 [email protected]

SchlüsselwörterAkupunktur, Laser, Allergie, Hyposensibilisierung, Probiotika, Qigong, Sinusitis, Rhinitis

KeywordsAcupuncture, Laser, Allergy, Hyposensibilisation, Probiotics, Qigong, Sinusitis, Rhinitis

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M. B i jak Patientin mit allergischer Rhinitis

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Einleitung

Patient: Frau V. B., geb. 1981, selbstständig, verheiratet, keine Kinder, kam im Mai 2006 wegen Verschlechte-rung ihrer schon seit der Kindheit bestehenden Aller-gie in die Akupunkturambulanz des Kaiserin Elisabeth Spitals.

Anamnese und Krankengeschichte

Bei der damals 25 Jahre alten Patientin traten seit der Volksschulzeit Juckreiz und Ekzem bei Kontakt mit Katzen auf. Der Vater und der Bruder litten an einer saisonalen Rhinokonjunktivitis. Da die Patientin regelmäßigen Tier-kontakt vermeiden konnte, war der Leidensdruck bis 2004 nur gering. 2006 traten dann die Ekzeme auch ohne Tier-kontakt gehäuft auf, begleitet von verstopfter Nase. Der PRICK-Test ergab neben dem bekannten positiven Befund auf Katzenantigen auch eine starke Reaktion auf Haus-staubmilbe, Baum- und Gräserpollen. Der Patientin wurde eine Wohnungssanierung empfohlen sowie symptomatisch Antihistaminika verordnet. Im Sommer 2005 waren erst-mals auch Schmerzen im Bereich der Nasennebenhöhlen aufgetreten, die sich bei Zugluft und Klimaanlagenexpo-sition noch verschlechterten. Die Patientin war sonst sehr gesund, sportlich aktiv, fuhr täglich mit dem Fahrrad meh-rere Kilometer. Außer einer Appendektomie gab es keine Operationen.

Weitere Beobachtung und Befragung

Die Schmerzen blieben das ganze Jahr über bestehen, wurden durch einen Wohnungswechsel im Herbst noch verstärkt. Orale Antihistaminika und diverse Nasensprays brachten keine Besserung. Morgens wachte die Patientin

oft schon mit verstopfter Nase auf, nieste häufi g und klag-te über eine Verschleimung im Rachen. Die Symptome ver-stärkten sich noch durch Kälte, aber auch Hitze im Som-mer, trockene Heizungsluft im Herbst und Winter führten zu einer Schmerzverstärkung und vermehrter Sekretion. Außer einer Dysmenorrhoe gab es keine weiteren anam-nestischen Auff älligkeiten. Befragt nach ihrer psychischen Grundstimmung meinte die Patientin, dass sie oft ohne er-klärbare Ursache traurig und weinerlich wäre, sich über alles viele Gedanken und Sorgen mache. Die Zunge zeigte einen normal großen Zungenkörper, auf-fällig war nur der etwas verstärkt vorhandene gelbliche Belag im basalen bis mittleren Zungenbereich.

Befunde

Der Blutbefund zeigte eine Eosinophilie und eine leichte Cholesterinerhöhung. Blutsenkungsgeschwindigkeit und CRP lagen im Normbereich. PRICK und RAST waren po-sitiv auf Katze, Hausstaubmilbe, Gräser, Birke, Esche und kleine Nagetiere.

Diagnose westlich

Pollen-, Milben- und Tierhaarallergie

Nachstehend fi nden Sie die Meinung dreier Experten, die anhand der Anamnese und vorhandenen Befunde ihre Ge-danken zur Therapieplanung zu Papier gebracht haben. Der tatsächliche Behandlungsverlauf ist ihnen – wie im-mer – nicht bekannt gemacht worden.

An welche Akupunkturpunkte könnte man bei dieser Patientin denken? Wie würden Sie konkret vorgehen?

Antwort von Dr. Raymund Pothmann, Arzt für Kinder- und Jugendmedizin, Neuropädiatrie, Spezielle Schmerztherapie, Akupunktur, Palliativmedizin, Systemische Psychotherapie,D–22297 Hamburg, www.delfi n-kids.de

Diagnose nach TCMMilz-Qi- und Yang-Mangel, Wind-Schleim-Hitze-Sympto-matikVorschlag für eine Akupunkturbehandlung:

Stärkung der Milz-Funktion: Mi 3/6, Ma 36• Ableitung von Blut-Hitze (Pruritus): Mi 10 (Di 11)• Ableitung von Windeinfl üssen: Gb 20• Schleimhaut abschwellend und lokal schmerzstillend: • Di 4, 20, alternativ je nach Lokalbefund: Ma 3Ohrakupunktur: Allergiepunkt, ACTH-Punkt, Nasenpunkt• Spezifi sche Hyposensibilisierung: während der Aku-• punktur kutane Applikation von Katzenhaar, Hausstaub, Gräser und Baumpollen am besten in einem Reagenz-glas. Cave: 24 h Karenz des Antihistaminikums vor der Akupunktur. Als Hausstaub sollte möglichst eine eigene Probe verwendet werden, um alle zusätzlichen potenziell

bedeutsamen Allergene zu erfassen. Die reine Hyposensi-bilisierung kann im weiteren Verlauf auch mithilfe eines Akupunktur-Lasers an den Anfangs- und Endpunkten der Leitbahnen des ersten Umlaufs, also Lu 1, 11, Di 1, 20, Ma 2, 45 und Mi 1, 21 durchgeführt werden (siehe hierzu auch den Grundlagenartikel [1]).

Empfohlen werden vier bis sieben Behandlungen im Wochenabstand.Eine „entschleimende“ Ernährung ist als Milz entlastend einzuschätzen und verbessert die Nachhaltigkeit der Aku-punkturbehandlung: mindestens mehrwöchiger Verzicht auf Trinkmilch, Kakao, Quark, konfektionierten Pudding, Li-monade, Weißbrot, Vollmilchschokolade (als Aufstrich oder Riegel). Roggenbrot und Hirse „entsorgen“ hitzigen Schleim. In hartnäckigen Fällen kann auch eine zehntägige Tee-Kur aus Maisbart, gesüßt mit Birnendicksaft, weiterhelfen.

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AkupunkturD e u t s c h e Z e i t s c h r i f t f ü r

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Ich würde bei dieser Patientin noch mögliche weitere Kör-perstellen suchen, wo sich eventuell Schleim abgesetzt hat bzw. sich die Milzschwäche zeigt (Ovarialcysten, Fluor, Diarrhö?) – auch der Zungenbelag spricht für Schleimbil-dung im Mittleren bzw. Unteren Erwärmer.Außerdem würde mich die Dickdarmfunktion – Dickdarm als gekoppelter Yangpartner der Lunge – interessieren.Akupunkturbehandlung Stärkung der Milz: Bl 20, Ma 40, KG 12 Aktivieren und Verbesserung der Zirkulation des Wei Qi und Lungen-Qi: Lu 7, Di 4 Lokal: Di 19, Ma 2 (5 nach Bischko), Ex-KH 3 (PdM), Bl 2 Eliminierung des pathogenen Faktors Wind: Gb 20, evtl. LG 16Zusätzlich würde ich die Darmfl ora untersuchen und die evtl. quantitativ reduzierte, physiologische Darmfl ora mit Probiotika substituieren bzw. über Probiotika das Gleich-gewicht zwischen Th1/Th2-Lymphozyten verbessern.

Die Symptome sind typisch für den „Allergiemarsch“ mit zunächst Ekzem und darauff olgender Rhinokonjunktivitis in der Kindheit und dann Fortschreiten der Symptome und Zunahme der Allergene im Erwachsenenalter.Die Schmerzen in der Nasennebenhöhle würde ich als mögliche Nebenwirkung der, wie beschrieben, häufi gen Verwendung diverser Nasensprays interpretieren, und TCM-mäßig betrachtet, liegt wahrscheinlich eine un-zureichende Transformation der Feuchtigkeit durch die Milz mit daraus resultierender Trockenheit der Schleim-häute einerseits und Entstehung von Schleim anderer-seits, der sich dann bei dieser Patientin im Rachen fest-gesetzt hat, vor. Die Trockenheit der Nasenschleimhaut wird im Laufe dieses seit Jahren bestehenden allergisch entzündlichen Problems, chinesisch durch eine jahre-lang schwelende Hitze, wahrscheinlich noch durch ein stetiges Nachlassen der lokal kühlenden Yin-Substan-zen, verschlechtert.

Antwort von Dr. Karin Stockert, Ärztin für Allgemeinmedizin,Schwerpunkt Akupunktur und Chinesische Arzneitherapie, A–1130 Wien

Antwort von Dr. Jose Uy, Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie, Schwerpunkt Akupunktur, Qigong/Taiji, Tuina, A-5302 Henndorf am Wallersee, www.uy-tcm.at

Bei der oben genannten Patientin zeigte sich bereits in der Kindheit eine allergische Disposition in Form eines Ekzems. Im frühen Erwachsenenalter Verschlimmerung der Sympto-matik im Sinne einer allergischen Rhinitis und Sinusitis.Aufgrund des langjährigen Verlaufs der Erkrankung und der Erstmanifestation durch Hautekzeme würde ich von einem Lungen-Qi-Mangel ausgehen. Dies deckt sich auch mit der geäußerten Emotion der Traurigkeit. Durch die Punktekombination von Bl 13 und Lu 9 als Zustim-mungs- und Quellpunkt (Yuan) der Lunge wird das Qi des Lungen-Meridians und der Lunge gestärkt und damit auch die Abwehrkraft (wei qi) des Körpers erhöht. Die Nadelung von Di 4 als Fernpunkt, wegen seiner Zugehörigkeit zum Respirationstrakt und seiner Zuständigkeit für Schmerzen im Gesichtsbereich, sowie Di 20 als Lokal- und Endpunkt des Dickdarm-Meridians würde ich wählen aufgrund der Obstruktion der Nase und der Schmerzen im Bereich der Nasennebenhöhlen. Als zusätzlicher „Öff ner der Nase“ bie-tet sich 3E 17 an. In Erwägung ziehen könnte man außer-dem Bl 23 als Zustimmungspunkt der Niere und wegen seiner starken kortikotropen Wirkung. Zur Stärkung des Qi und aufgrund seiner psychisch ausgleichenden Wirkung („göttlicher Gleichmut“) empfehle ich Ma 36. Da Schleim als Transformationsstörung von Feuchtigkeit zu sehen ist, bietet sich Mi 6, der Kreuzungspunkt der drei Yin-Meridi-ane auf dem Bein, an. Er stärkt nicht nur die Milz, sondern tonisiert auch Niere und Leber. Möglich wäre zusätzlich noch Le 3, da auch eine Dysmenorrhoe besteht und dieser Punkt, vor allem auch in Kombination mit Di 4, bewegend auf Blut und Qi wirkt.

OhrakupunkturOhrspitze als AllergiepunktRhinopharynxpunktQi GongPatienten mit Atemwegsproblemen empfehle ich immer auch diverse Übungen aus den vielfältigen Angeboten des Qi Gong. Je nachdem, wie willig ein Patient ist, diese Anregungen auch in der täglichen Routine anzuwenden, zeige ich einige Bewegungsabfolgen, die erfahrungsge-mäß über Dehnung von Lunge- und Dickdarmmeridian zu einer Beeinfl ussung der zugeordneten Organe füh-ren.Aus den „8 Figuren des Lungen Qigong“ nach Prof. Zhang Guan De würde ich dieser Patientin die Selbstmassage aus der ersten Figur „Trockendusche des Yingxiang“ (Di 20) zeigen:Mit gebeugtem Daumenendgelenk massiert man den Punkt Di 20 bds. und streicht insgesamt 7× entlang der Nase zu Bl 1 und wieder zurück, am besten 3× pro Tag. Weitere allgemeine EmpfehlungenAls einfache und wirkungsvolle Maßnahmen hat es sich bewährt:

Berufskleidung nicht im Schlafzimmer abzulegen oder • aufzubewahren, um ein ständiges Einatmen von Aller-genen zu vermeiden.Abends vor dem Schlafengehen die Haare zu waschen, • um die daran festsitzenden Allergene zu eliminieren.Eine nicht aromatisierte Salbe (z. B. Vaseline) dünn in • die Nasenlöcher zu streichen, um die Schleimhäute vor einer direkten Allergenexposition zu schützen.

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M. B i jak Patientin mit allergischer Rhinitis

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Therapie

Die Patientin wurde nach der „Dreier-Regel der Akupunk-tur“ [2] mit folgendem Programm behandelt:Di 4 (Quellpunkt) gemeinsam mit Lu 7 (Durchgangspunkt) reguliert den betroff enen Funktionskreis Lunge – Dickdarm (Öff ner: Nase – Rhinitis, Schichte: Haut – Ekzeme). Di 4 ent-fernt pathogene Faktoren (Wind: Klimaanlage, Zugluft), be-handelt zusätzlich alle Schmerzen im Gesicht (Sinusitis), wirkt auf die Schleimhäute [3] und speziell auf die Nase (Meridian-verlauf). Zusätzlich wurde vom betroff enen Yin-Organ Lunge der Zustimmungspunkt Bl 13 verwendet. Lokal wurden Ma 2 (5 nach Bischko) und Ex KH 3 (Yintang, PdM) mit 0,2 mm dicken und 15 mm langen Nadeln oberfl ächlich gestochen.Um auf die von der Patientin anamnestisch verbalisierte und an der Zunge sichtbare Schleimproblematik näher ein-zugehen, kamen der „Stoff wechselpunkt“ und Alarmpunkt der Milz Le 13 sowie der Durchgangspunkt des Magens Ma 40 zur Anwendung. Alle Punkte wurden beidseits ge-stochen und ohne weitere Manipulation für 20 Minuten belassen. Bis auf die Punkte im Gesicht wurden Nadeln der Stärke 0,3 mm mit 30 mm Länge verwendet. Im Ohr wurde der „Punkt der Ohrspitze“, der dem Allergiepunkt entspricht, mit ASP-Dauernadeln gestochen.Behandlungsverlauf Bis zur fünften Behandlung wurde die Therapie wie oben erwähnt unverändert belassen. Dann änderte sich die Lo-kalsymptomatik insofern, dass die Schmerzen im Bereich des Sinus maxillaris nicht mehr vorhanden waren, über dem Sinus frontalis aber nach wie vor bestanden. Daher wurde statt dem Punkt Ma 2 der Punkt Bl 2 genadelt. Als Punkt zum „Stärken von Milz/Pankreas“ kam alternativ zum Le 13 auch der Mi 6 zum Einsatz. Bis zur neunten Therapiesitzung im Wochenabstand redu-zierte sich der Gesichtsschmerz um nahezu 50 % (VAS vor Akupunktur 5, nach der neunten Therapie 2,6). Antihist-aminika und Nasenspray waren nicht mehr notwendig, ob-wohl die Akupunktur im Sommer zur Zeit der Gräserblüte durchgeführt wurde. Auch sechs Monate später, im Winter, blieb der VAS bei 2,5. Medikamente musste die Patientin weiterhin keine einnehmen.

Diskussion

Auch wenn der Begriff „Allergie“ erst Anfang des 20. Jahr-hunderts (1906 vom Wiener Kinderarzt Clemens von Pirquet [4]) geprägt wurde, so sind die Symptome schon lange be-kannt und neben Akupunkturpunkten sind auch Arzneire-zepturen in klassischen chinesischen Schriften erwähnt [5]. Wissenschaftliche Studien zeigen allerdings unterschiedliche Ergebnisse: So kommt eine britische Metaanalyse aus dem Jahr 2006 zu dem Ergebnis, dass von sieben Akupunktur-studien, die der Frage nach der Wirksamkeit der Akupunktur im Vergleich zu einer Sham- bzw. Placeboakupunktur nach-

Wie wurde die Patientin tatsächlich behandelt?

gingen, nur zwei eine ausreichend gute Qualität zeigten und über die Wirksamkeit einer Verumakupunktur letztlich kei-ne eindeutige Aussage zu treff en wäre [6]. Allerdings wur-de mittlerweile eine deutsche Studie publiziert, die anhand einer ausreichend hohen Fallzahl sehr gute Ergebnisse im Hinblick auf die Wirkung der Akupunktur bei der allergi-schen Rhinitis erzielen konnte [7]. Eine Studie aus Hongkong konnte auch in eindrucksvoller Weise die Wirkung der Aku-punktur bei Kindern mit allergischer Rhinitis aufzeigen [8]. Die mittlerweile seit über 15 Jahren laufende, retrospektiv durchgeführte, noch nicht veröff entlichte Ambulanzstatistik der Akupunkturambulanz des Kaiserin Elisabeth Spitals in Wien lässt ebenso auf die gute Wirksamkeit, zumindest bei der saisonalen Rhinokonjunktivitis, schließen. Im Spätwinter und Frühling besteht bei mindestens einem Drittel der hier-orts therapierten Patienten eine Pollenallergie. Die meisten dieser Patienten lassen sich prophylaktisch vor Beginn der Blühsaison akupunktieren und können während ihrer Aller-giezeit ohne oder mit deutlich reduzierten Antihistaminika ein beschwerdefreies Leben führen. Allerdings zeigt sich bei vielen Patienten, die dann doch ein oder mehrere Jahre mit der Akupunktur pausieren, wieder eine Verschlechterung der Symptomatik. Daher kann die Akupunktur eine allergische Diathese leider nicht heilen.Obwohl unter den befragten Experten diesmal eine weitge-hende Übereinstimmung – die Punkteauswahl betreff end – herrscht, so beschreibt doch jeder von ihnen noch einen anderen Zugang zur Problematik. Vieles spricht für einen vielfältigen Zugang zum Thema Allergie. So sollte nicht die Akupunktur allein durchgeführt werden, sondern mit einer „spezifi schen Hyposensibilisierung“ und Ernährungs-umstellung [9], einer Darmsanierung [10] oder aber mit speziellen Atem- und Bewegungsübungen im Sinne des Qi Gong [11] kombiniert werden.

LiteraturPothmann R. Infrarot-Moxibustion in der Hyposensibilisierung bei Allergi- 1. en. Dt Ztschr f Akup. 2004;43,2:113–5Meng A. Die „Dreier Regel“ für die Akupunktur und Tuina im Westen. Dt 2. Ztschr f Akup 2005;48,2:31–3Nissel H, Schiner E. Akupunktur – eine Regulationstherapie. Wien: Facul- 3. tas, 2000Huber B. 100 Jahre Allergie: Clemens von Pirquet – sein Allergiebegriff 4. und das ihm zugrunde liegende Krankheitsverständnis. Wiener Klinische Wochenschrift. 2006,118:573–9Hempen C-H, Fischer S, Wullinger M et al. Leitfaden Chinesische Rezeptu- 5. ren. München: Elsevier, 2006Roberts J, Huissoon A, Dretzke J et al. A systematic review of the clinical 6. eff ectiveness of acupuncture for allergic rhinitis. BMC Complement Altern Med. 2008,22;8:13Brinkhaus B, Witt CM, Jena S et al. Acupuncture in patients with allergic 7. rhinitis: a pragmatic randomized trial. Ann Allergy Asthma Immunol. 2008;101,5:535–43Ng DK, Chow P, Ming S et al. 8. A Double-Blind, Randomized, Placebo-Controlled Trial of Acupuncture for the Treatment of Childhood Persistent Allergic Rhinitis. Pediatrics 2004;242–7Pothmann R, von Frankenberg S, Hoicke C et al. Evaluation der klinisch 9. angewandten Kinesiologie bei Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten im Kindesalter. Forschende Komplementärmedizin und Klassische Natur-heilkunde 2001;8:336–44Stockert K, Schneider B, Porenta G et al. Laser acupuncture and probiotics 10. in school age children with asthma: a randomized, placebo-controlled pilot study of therapy guided principles of Traditional Chinese Medicine. Pediatr Allergy Immunol 2007;18,2:160–6Jiao Guorui. Die acht Brokatübungen – Bewegung und Ruhe. Gesund-11. heitsfördernde Übungen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Uelzen: Medizinisch literarische Verlagsgesellschaft, 1996

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