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Akupunktur Deutsche Zeitschrift für DZA Expertenforum | Clinician´s Corner M. Bijak Patient mit Fettstoffwechselstörung und Kryptozoospermie Male Patient Suffering from Lipometabolic Disorder and Cryptozoospermia Dr. Michaela Bijak Akupunkturambulanz des Kaiserin Elisabeth Spitals Huglgasse 1 A-1150 Wien Tel.: +43 (0) 1 / 9 81 04 57 51 [email protected] Zusammenfassung Hintergrund: Die Akupunktur gilt als Regulationstherapie bei prinzipiell reversiblen Krankheitsbildern. Eine gene- tisch bedingte Hypertriglyceridämie gehört nicht in diese Kategorie. Daher stellte sich die Frage, ob die Akupunktur additiv zur medikamentösen Therapie zu einer Reduktion der Triglyceride bei einem Patienten mit Fettstoffwechsel- störung beitragen könnte. Da bei dem Patienten gleichzei- tig eine Kryptozoospermie bestand, wurde eine Akupunk- turtherapie für beide Indikationen begonnen. Zielsetzung: Angestrebt wurde die laborchemisch nach- weisbare deutliche Reduktion der Blutfettwerte, als Neben- zielsetzung auch die Verbesserung der Spermienqualität bei gleichzeitig bestehender Kryptozoospermie. Methodik: Angewandt wurde Akupunktur über Mikroaku- punktursysteme, nach schulmedizinischer Abklärung auch Körperakupunktur. Ergebnisse: Vor Therapiebeginn lag der Triglyceridspiegel bei 946 mg/dl, neun Wochen danach bei 768, sechs Mona- te später betrug der Wert 490. Das Spermiogramm wurde nicht mehr kontrolliert, da die Gattin des Patienten bald nach Ende der Akupunktur schwanger wurde. Schlussfolgerung: Ein Fallbeispiel allein kann keinen Nachweis für die Wirksamkeit einer Methode erbringen. Trotzdem könnte bei Versagen aller diätetischen und me- dikamentösen Maßnahmen die Akupunktur im Einzelfall erwogen werden. Schlüsselwörter Akupunktur, Mikroakupunktursystem, Hypertriglyceridä- mie, Kryptozoospermie Abstract Background: Acupuncture is mainly known as a therapy for functional disorders. Although hereditary lipometa- bolic disorders usually don’t belong into this category, we wanted to find out if acupuncture in addition to conven- tional statin therapy could help reduce hyperlipidaemia. The patient in this case report additionally suffered from cryptozoospermia, so acupuncture was used to treat both diagnoses. Aim: To significantly reduce blood lipoprotein levels. Second-line aim was an improvement of spermiography results. Methods: Therapy was started using micro acupuncture systems exclusively until a complete check-up according to conventional medicine was performed. After that, body acupuncture was applied as well. Results: At the beginning of acupuncture therapy, the level of triglyceride was up to 946 mg/dl, nine weeks after the beginning of treatment the level was 768, six months later the result was 490 mg/dl. A spermiography to monitor the effect on the fertility disorder was not necessary as the couple expected a baby soon after the end of treatment. Conclusion: A general recommendation to use acupunc- ture as a treatment for lipometabolic disorders cannot be based solely on a single case report. However, in cases of failure of dietary as well as pharmacological therapy, acu- puncture may be helpful. Keywords Acupuncture, Micro acupuncture systems, hypertriglyceri- daemia, cryptozoospermia DOI: 10.1016/j.dza.2010.04.018  46 Dt Ztschr f Akup. 53, 2/2010

Patient mit Fettstoffwechselstörung und Kryptozoospermie

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AkupunkturD e u t s c h e Z e i t s c h r i f t f ü r

DZ

AExpertenforum | Clinician´s Corner

DOI : 10. 10 16/ j .dza .20 10.04 .0 18   46    Dt Z tschr f Akup. 53 , 2 / 20 10

M. Bijak

Patient mit Fettstoffwechselstörung und Kryptozoospermie

Male Patient Suffering from Lipometabolic Disorder and Cryptozoospermia

ZusammenfassungHintergrund: Die Akupunktur gilt als Regulationstherapie bei prinzipiell reversiblen Krankheitsbildern. Eine gene-tisch bedingte Hypertriglyceridämie gehört nicht in diese Kategorie. Daher stellte sich die Frage, ob die Akupunktur additiv zur medikamentösen Therapie zu einer Reduktion der Triglyceride bei einem Patienten mit Fettstoff wechsel-störung beitragen könnte. Da bei dem Patienten gleichzei-tig eine Kryptozoospermie bestand, wurde eine Akupunk-turtherapie für beide Indikationen begonnen.Zielsetzung: Angestrebt wurde die laborchemisch nach-weisbare deutliche Reduktion der Blutfettwerte, als Neben-zielsetzung auch die Verbesserung der Spermienqualität bei gleichzeitig bestehender Kryptozoospermie.Methodik: Angewandt wurde Akupunktur über Mikroaku-punktursysteme, nach schulmedizinischer Abklärung auch Körperakupunktur.

Ergebnisse: Vor Therapiebeginn lag der Triglyceridspiegel bei 946 mg/dl, neun Wochen danach bei 768, sechs Mona-te später betrug der Wert 490. Das Spermiogramm wurde nicht mehr kontrolliert, da die Gattin des Patienten bald nach Ende der Akupunktur schwanger wurde.

Schlussfolgerung: Ein Fallbeispiel allein kann keinen Nachweis für die Wirksamkeit einer Methode erbringen. Trotzdem könnte bei Versagen aller diätetischen und me-dikamentösen Maßnahmen die Akupunktur im Einzelfall erwogen werden.

SchlüsselwörterAkupunktur, Mikroakupunktursystem, Hypertriglyceridä-mie, Kryptozoospermie

AbstractBackground: Acupuncture is mainly known as a therapy for functional disorders. Although hereditary lipometa-bolic disorders usually don’t belong into this category, we wanted to fi nd out if acupuncture in addition to conven-tional statin therapy could help reduce hyperlipidaemia. The patient in this case report additionally suff ered from cryptozoospermia, so acupuncture was used to treat both diagnoses.

Aim: To signifi cantly reduce blood lipoprotein levels. Second-line aim was an improvement of spermiography results.

Methods: Therapy was started using micro acupuncture systems exclusively until a complete check-up according to conventional medicine was performed. After that, body acupuncture was applied as well.Results: At the beginning of acupuncture therapy, the level of triglyceride was up to 946 mg/dl, nine weeks after the beginning of treatment the level was 768, six months later the result was 490 mg/dl. A spermiography to monitor the eff ect on the fertility disorder was not necessary as the couple expected a baby soon after the end of treatment.

Conclusion: A general recommendation to use acupunc-ture as a treatment for lipometabolic disorders cannot be based solely on a single case report. However, in cases of failure of dietary as well as pharmacological therapy, acu-puncture may be helpful.

KeywordsAcupuncture, Micro acupuncture systems, hypertriglyceri-daemia, cryptozoospermia

Dr. Michaela BijakAkupunkturambulanz des Kaiserin Elisabeth SpitalsHuglgasse 1A-1150 Wien

Tel.: +43 (0) 1 / 9 81 04 57 [email protected]

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M. B i jak Patient mit Fettstoffwechselstörung und Kryptozoospermie

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Einleitung

Anamnese und Befunde

Herr HD, geboren 1968, kam 2005 mit der Diagnose „ge-netisch bedingte Fettstoff wechselstörung“ in die Akupunk-turambulanz des Kaiserin Elisabeth Spitals in Wien. Schon seit mehreren Jahren lagen seine Triglyceridwerte um 1.000 mg/dl, das Gesamtcholesterin zeigte Werte um 300. HDL-Cholesterin konnte aufgrund der hohen Triglyceride nicht gesondert bestimmt werden.Trotz eines Lipidsenkers lag der Triglyceridwert am 10. Ja-nuar 2005 bei 946 mg/dl. GGT war als einziger Leberwert mit 91 U/l ebenfalls erhöht. Die Harnsäure betrug 7,8 mg/dl bei einer Obergrenze von 7 mg/dl, die Blutsenkungsge-schwindigkeit 34/40. Der Blutzucker lag im Normbereich. Im Blutbild fi el eine geringe Erhöhung der Thrombozyten auf. Eine Sonographie des Oberbauches zeigte eine Chole-zystolithiasis mit einem solitären ca. 16 mm großen Kon-krement, sowie zwei etwa 15 mm große Leberhämangiome. Die Ultraschalluntersuchung des Unterbauches und der Nieren erbrachte keine pathologischen Befunde.Bei einer Größe von 173 cm und einem Gewicht von 83 kg wirkte der Patient etwas adipös, auff ällig waren noch die eher blasse Gesichtsfarbe und dunkle Augenringe. Sein Großvater war an einem Myocardinfarkt in relativ jun-gen Jahren verstorben, die Mutter, die ebenfalls an einer Er-höhung der Blutfettwerte litt, war sonst sehr gesund. Alle Verwandten von väterlicher Seite erreichten ein hohes Le-bensalter, der Vater klagte nur fallweise über eine Lumbago.

Weitere Beobachtung und Befragung

Subjektiv fühlte sich der Patient gesund, nur als Reakti-on auf den Lipidsenker gab er eine Hyperhidrosis schon bei geringer körperlicher Belastung an. Harn- und Stuhl-verhalten waren unauff ällig, der Patient zeigte keine Ge-schmacksvorlieben, hatte aber einen sehr großen Appetit. Zum Zeitpunkt der Anamnese war er seit etwa einem Jahr verheiratet, seine Frau würde sehr bewusst kochen und er selbst achtete schon seit mehreren Jahren auf eine fettre-duzierte Ernährung. Berufl ich stand er sehr unter Druck, deshalb bräuchte er auch hin und wieder einige Zigaretten, aber mehr als eine Packung pro Tag würde es nie. Alkohol nahm er sehr selten zu sich, aus Zeitgründen fi el seine kör-perliche Betätigung eher spärlich aus. Schon seit seiner Hochzeit bestand Kinderwunsch, ein durch-geführtes Spermiogramm zeigte eine schlechte Samenqualität.

Zunge

Rand erhaben, leicht rot, groß, Mitte feucht belegt.

Westliche Diagnosen

Hyperlipidämie, Kryptozoospermie

Medikamente

Lescol (Fluvastatin)

Könnte bei diesem Patienten die Akupunktur eine sinnvolle Ergänzung zur schulmedizinischen Therapie darstellen? An welche Punkte könnte man dann den-ken und welche zusätzlichen Modifi kationen des „Life-styles“ könnten dem Patienten ans Herz gelegt werden?Diese Fragen und die Anamnese mit den Befunden wurden wieder an zwei Expertinnen geschickt, hier fi nden Sie deren Antworten:

Antwort von Frau Dr. Martha Böck, Ärztin für Allge-

meinmedizin in Wien, Diplome der österreichischen

Ärztekammer für Akupunktur, Ernährungsmedizin,

Manuelle Medizin, Psychosomatische und psychothe-

rapeutische Medizin

Die genetische Komponente der Erkrankung spricht viel-leicht nicht für eine „klassische Indikation“ zur Akupunktur und die Senkung der entsprechenden Blutwerte durch die Akupunktur ist wahrscheinlich begrenzt. Dennoch erscheint eine Akupunkturbehandlung (als ganzheitliche Regulations-methode!) – unterstützt durch andere Maßnahmen – schon deswegen sinnvoll, da es um die Senkung von Risikofakto-ren geht – bedingt durch die Erkrankung und andere per-sönliche Faktoren. Folgende Punkte würde ich für die Behandlung aus-wählen: Punkte für die „Mitte“ als Entsprechung der Beeinfl us-sung der Verdauung:MP 6, MP 4, Ma 36, Le 13.Weil die Leber die Milz und den Magen kontrolliert und zusätzlich für die Entspannung auch noch:Le 3, Gb 34, LG 20, Pe 6, Bl 18Bezüglich der genetischen Komponente noch evtl. Ni 3Als weitere Maßnahme würde ich jedenfalls zu mehr Be-wegung und Autogenem Training raten. Beides verbessert die Organfunktionen und dient dem Stressabbau. Das setzt vielleicht ein Überdenken und eine Neustrukturierung des Alltags (Zeiteinteilung, Prioritäten) voraus oder macht dies auch erst möglich – wobei ja auch die Akupunktur bekanntlich solche Einstellungsveränderungen bewirken und/oder unterstützen kann.Diätetisch scheint der Patient ja bereits gut informiert – zumindest in Bezug auf Nahrungsmittel. Worauf ich als Ernährungsmedizinerin noch hinweisen würde, wäre das „Wie“ des Essens: nämlich langsam, regel-mäßig, genussvoll, ohne Stress, Essenspausen von vier bis sechs Stunden sollten eingehalten werden. Täglich sollte sich der Patient ca. zehn Minuten Zeit nehmen, um im Liegen die „Bauchatmung“ zu praktizieren, die zur Verbesserung der Darm- und Leberdurchblutung beiträgt und auch entspannend wirkt. Eventuell einmal wöchentlich (oder öfter) kämen zusätzlich Leberdunst-wickel infrage.Zusätzliche Einnahme von Omega 3 Fettsäure-Kapseln, Coenzym Q 10, evtl. Folsäure (Homocysteinspiegel?) sollte erfolgen.

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AkupunkturD e u t s c h e Z e i t s c h r i f t f ü r

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Antwort von Frau Dr. Uta Binder, Ärztin für

Allgemeinmedizin in Stockerau, Referentin der ÖGA

Bei dem Patienten besteht eine primäre, das heißt familiär gehäuft auftretende Dyslipoproteinämie im Sinn einer kom-binierten Hyperlipidämie mit erhöhten Cholesterin- und Triglyceridwerten im Blut. Diese Erkrankung ist in erster Linie medikamentös zu behandeln (so wie auch eine mani-feste Hypertonie allein keine Indikation für die Akupunktur darstellt und medikamentös zu behandeln ist). Neben der medikamentösen Einstellung ist die Ernährungsumstellung bedeutsam, wie das verstärkte Aufnehmen von mehrfach ungesättigten Fettsäuren und ballaststoff reicher Kost, die nachweislich die Plasmacholesterin-Konzentration senken können. Neben einem allgemeinen Senken des Fettantei-les in der Nahrung gehören auch das Meiden von Alkohol und das Senken des Zuckerverbrauches zu den diätetischen Empfehlungen. Darüber hinaus muss, wenn nötig, zu einer Gewichtsreduktion und regelmäßiger körperlicher Aktivi-tät geraten werden. Alle diese Maßnahmen (außer der kör-perlichen Aktivierung) scheinen bei dem Patienten, der in einer Spezialambulanz betreut wird, umgesetzt zu werden.Da das subjektive Befi nden des Patienten gut ist, sehe ich in erster Linie eine, die Gewichtsreduzierung begleitende, Akupunkturtherapie sowie eine Mitbehandlung der beste-henden Subfertilitätsstörung. Hier könnte die Akupunktur hilfreich sein, da Studien eine mögliche Verbesserung der Spermiendichte und -motilität nach Akupunkturbehand-lung nachweisen konnten. Eine direkte Beeinfl ussung der genetisch bedingten Fettstoff wechselstörung im Sinne ei-ner relevanten Senkung der Laborwerte mittels Akupunk-tur halte ich kaum für möglich.Das Zungenbild des Patienten deutet auf eine leichte Stagna-tion im Bereich der Leber (Zungenrand erhaben, leicht gerö-tet), auf eine Milz-Qi-Schwäche (vergrößerte Zunge) und auf eine feuchte Hitze im mittleren Erwärmerbereich (feucht-gelber Belag). Um Leber, Milz und evtl. Magen (mittlerer Er-wärmer) regulativ zu behandeln, bieten sich die Punkte KG 12 (Alarmpunkt des Magens, Einfl ussreicher Punkt auf die Fu-Organe) und der Punkt Le 13 (Alarmpunkt der Milz, Ein-fl ussreicher Punkt auf die Zang-Organe) an. Beide Punkte regulieren die Mitte und damit alle Fu und Zang, die an der Verdauung beteiligt sind. Zur Regulierung der Leber, die bei dem Patienten das hauptsächlich gestörte Organ ist, wähle ich gemäß der Therapie von Zang den Zustimmungspunkt Bl 18 (evtl. auch Bl 20 als Zustimmungspunkt der Milz) mit dem Punkt Le 3 (Quellpunkt der Leber).Die Fertilitätsstörung, aber auch die dunklen Augenringe deuten auf eine Schwäche des Nieren-Jing. Zur Störung der Niere werden analog zur Behandlung der Leber (Zu-stimmungspunkt plus Quellpunkt des Organs) Bl 23 und Ni 3 zur Unterstützung der Nierenessenz genadelt. Ein passender Punkt ist auch Mi 6, er vereint anteilig die Me-ridiane von Leber, Milz/Pankreas und Niere und hat damit regulativen Einfl uss im Bereich aller drei Meridiane. Die Wirkung von Mi 6 auf die Leber: löst Leberstagnati-on und stärkt das Leber-Yin, für die Milz: stärkt Milz und

Blut, Mi 6 und KG 12 gemeinsam genadelt stärken das Ver-dauungssystem, für die Niere: tonisiert die Niere.Gewichts- und appetitbeeinfl ussende Ohr-Akupunktur-Punkte wie das „Bucek“ Suchtprogramm: Hungerpunkt (18), Antiaggressionspunkt (PT1), Sonne (35) [1]

Wie wurde der Patient tatsächlich behandelt?

Gemäß den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) darf eine Akupunkturtherapie nur erfolgen, wenn schulmedizinisch eine exakte Diagnose gestellt wurde. Da der Patient bei der ersten Therapiesitzung außer seinen Laborparametern keine weiteren Befunde mitbrachte und es außerdem keine Kontrolluntersuchung bezüglich seiner ebenso erhöhten Leberparameter gab, wurde dem Patien-ten nahegelegt, zuerst die entsprechenden Untersuchungen durchführen zu lassen. Der Patient war allerdings so von der Wirkung der Akupunktur überzeugt, dass er darauf be-stand, sofort therapiert zu werden. Immerhin hatte seine Mutter, von der er die erhöhten Blutfettwerte geerbt hatte, nach einer Akupunkturtherapie von zehn Sitzungen einen deutlich niedrigeren Wert der Parameter als vor der The-rapie. Der Patient und seine Mutter führten dies auf die Wirkung der Akupunktur zurück.So wurde der Patient zunächst nur über Mikroakupunktur-systeme therapiert, und im Ohr wurden die chinesischen Punkte für die Leber (97), die Milz (98), die Niere (95) sowie zum Stressabbau der Punkt Shen Men (55) mit kurzen dün-nen Einmalnadeln gestochen und für 30 Minuten belassen [1, 2]. Der Patient fühlte sich mit dieser Kombination sehr entspannt und deshalb wurde das Ohrschema beibehalten.In der dann durchgeführten Sonographie kam eine Cho-lezystolithiasis mit einem 16 mm großen Konkrement zur Darstellung, zwei Leberhämangiome wurden beschrieben. Da seit etwa einem Jahr auch ein Kinderwunsch bestand, ließ der Patient noch ein Spermiogramm durchführen. Es fanden sich weniger als 1 Mill. Spermien/ml, von denen 80 % unbeweglich waren. Es wurde die Diagnose einer Kryptozoospermie gestellt. Die chinesische Zuordnung ergab neben der wahrscheinlichen Schwäche von Nieren-Jing (verantwortlich für Fortpfl anzung, Genetik) noch Hit-ze der Leber (rote Zungenränder, Stress) und eine Feuchtig-keitsproblematik der Milz (Zunge groß, feucht).Daraufhin wurde die Akupunktur um folgende Körperaku-punkturpunkte erweitert:Die Shu-Punkte (Zustimmungspunkte) der Niere Bl 23, der Leber Bl 18 und der Milz Bl 20. Zur Regulation von Magen und Milz noch Ma 36, Mi 6, Le 13, für die Niere KG 4 und Ni 3.Zur Entspannung kamen noch Le 3 und LG 20 hinzu.Die Nadeln der Stärke 0,3 mm und Länge 3 cm wurden großteils neutral gestochen und für 20 Minuten belassen. Im Ohr kamen fallweise noch Dauernadeln der Fa. ASP zum Einsatz.

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M. B i jak Patient mit Fettstoffwechselstörung und Kryptozoospermie

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Ergebnisse

Subjektiv fühlte sich der Patient nach jeder Sitzung sehr entspannt und gab keine Beschwerden an. Er bemühte sich auch sehr, den berufl ichen Stress zu reduzieren und damit auch das Rauchen einzuschränken.Die Kontrolle der Blutfettwerte fand bei der neunten The-rapiesitzung statt, der Triglyceridwert betrug 768 mg/dl und war damit gegenüber dem Ausgangswert von 946 mg/dl zwar nur gering, aber immerhin gesunken. Nach zehn Therapiesitzungen im Wochenabstand wurde eine Pau-se eingelegt und nach sechs Monaten der Triglyceridwert noch einmal kontrolliert. Hierbei konnte eine deutliche Reduktion auf 490 mg/dl festgestellt werden. Immer noch kein normaler Wert, aber trotz jahrelanger Diät und Statin-einnahme war das der niedrigste Wert seit Jahren.Auch der Kinderwunsch erfüllte sich nach Beendigung der Akupunktur. Mittlerweile können schon mehrere Studien die Wirksamkeit der Akupunktur bei männlicher Infertili-tät belegen [3, 4, 5].Seit 2005 kommt der Patient regelmäßig einmal pro Jahr zu einer „Auff rischungsakupunktur“. Die letzten Triglycerid-werte lagen am 12. März 2010 bei 409 mg/dl, die Harnsäure war mit 7,9 mg/dl leider noch etwas erhöht (Normalwert bis 7), die Blutsenkungsgeschwindigkeit lag mit 6/11 aber wieder im Normbereich, ebenso alle Leberwerte. Das Ge-samtcholesterin betrug 263 bei einem HDL von 40 mg/dl.

Diskussion

Ob sich die mit der Akupunktur einhergehende Entspan-nung, das „Bewusstmachen“ der pathologischen Werte und damit verbunden eine größere Beachtung der Diät für die deutliche Besserung der Befunde verantwortlich zeichnet, oder ob doch die Punkteauswahl eine Verbesserung nicht nur des Befi ndens, sondern auch von streng objektiven La-borparametern bewirken konnte, wird nicht zu beantwor-ten sein. Vielleicht hätte auch die Veränderung der schul-medizinischen Therapie eine Besserung bewirkt, wenn zum Beispiel die Statine durch Fibrate ersetzt worden wären [6]. Fest steht jedenfalls, dass es dem Patienten seit fünf Jahren subjektiv sehr gut geht und auch die Blutfettwerte besser sind und auch bleiben. Eine kontrollierte Studie sollte fest-stellen, ob dieser Eff ekt reproduzierbar ist oder ein Einzel-fall bleibt. Als eindeutiger Erfolg der Akupunktur muss aber die Er-höhung der männlichen Fertilität betrachtet werden. Bei 1 Mill. Spermien/ml und 80 % Immobilität wird eine In-vivo-Befruchtung als aussichtslos betrachtet. Ein erneutes Spermiogramm wäre zur Dokumentation der spezifi schen Akupunkturwirkung hilfreich gewesen.

LiteraturBucek R. Lehrbuch der Ohrakupunktur. Heidelberg: Haug, 1994 1. Rubach A. Propädeutik der Ohrakupunktur. Stuttgart: Hippokrates, 2. 3. Aufl age 2009Gerhard I, Jung I, Postneek F. Eff ects of acupuncture on semen parameters/ 3. hormone profi le in infertile men. Molecular Andrology 1992;4:9–25 Jiasheng Z. The acupuncture treatment of 248 cases of male infertility. 4. Journal of Chinese Medicine 1987;25:28–30 Siterman S, Eltes F, Wolfson V et al. Does acupuncture treatment aff ect 5. sperm density in males with very low sperm count? Pilot study. Androlo-gia 2000;32,1:31–39 Hoppichler F. Lipidsenker, Statine und Fibrate. Austrian Journal of 6. Cardiology 1999; 6(12):624–627

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