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Herausgeber J. Bessler C. Beyerlein T. Davies-Knorr S. Klien F. Morrison J. H. van Minnen J. Schomacher SCHWERPUNKT Post Injury Zurück zum Pre Injury Level nach Verletzungen der unteren Extremität Return to Activity Algorithmus Physiotherapeutische Klassifikation von Schulterschmerzen Fallbeispiel: Chronisches Schulter- Impingement manuelle therapie Muskuloskeletales System – Klinik und Forschung Februar 2016 · Seite 1– 48 · 20. Jahrgang www.thieme.de / manuelletherapie 1 · 2016

manuelletherapie - Thieme Gruppe · to identify each individual factor during the examination process in order to be able to treat selectively. Several changes in mobility and motor

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HerausgeberJ. BesslerC. BeyerleinT. Davies-KnorrS. KlienF. MorrisonJ. H. van MinnenJ. Schomacher

SCHWERPUNKT

Post Injury

Zurück zum Pre Injury Level nach Verletzungen der unteren Extremität

Return to Activity Algorithmus

Physiotherapeutische Klassifikation von Schulterschmerzen

Fallbeispiel:

Chronisches

Schulter-

Impingement

manuelletherapieMuskuloskeletales System – Klinik und Forschung

Februar 2016 · Seite 1– 48 · 20. Jahrgang www.thieme.de / manuelletherapie 1 · 2016

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HerausgeberJohannes Bessleraus Dossenheim ist Manualtherapeut-OMT (AGMT) und Master of Manual Therapy (UWA/Perth). Als Mulligan-Instruktor ist er seit 2002 international, seit 2010 auch an verschiedenen Hochschulen in Deutsch-land und der Schweiz tätig. Er arbeitet klinisch in einer Praxis in Heidelberg mit Spezialisierung auf die Behandlung von muskuloskeletalen und kraniofazia-len Patienten. Seit 2006 im Herausgeberteam.

Dr. Claus Beyerleinaus Ulm an der Donau ist Manualtherapeut (OMT-DVMT) und Diplom-Sportwissenschaftler. Er ist Mitglied der Mulligan Concept Teachers Association (MCTA). Nach dem Studium an der Curtin Universi-ty of Technology in Perth/Australien promovierte er an der Universität Ulm zum Thema Erstkontakt in der Physiotherapie in Deutschland – Erkennung von Red Flags. Seit 2003 im Herausgeberteam.

Trisha Davies-Knorraus München ist Manualtherapeutin (MSc, MCSP, DVMT-OMT) und IMTA-Instruktorin. Sie arbeitet klinisch an der Klinik und Poliklinik für Physikali-sche Medizin und Rehabilitation der Universität München. Neben der Mitgliedschaft in der DVMT-Weiterbildungskommission und der DFAMT Monito-ring Gruppe ist sie Fellow of the Higher Education Academy. Seit der Gründung der Zeitschrift im Jahr 1997 gehört sie dem Herausgeberteam an.

Fiona Morrisonlebt in Rodgau. Sie ist seit 1994 Physiotherapeutin (BAppISc), seit 2000 Manualtherapeutin (MHIthSc, MCSP, APAM, DVMT-OMT). Sie arbeitet in einer am-bulanten Reha-Praxis. Von 2005–2012 war sie Mit-glied der DVMT Weiterbildungskommission, ab 2007 als Leiterin. Von 2004–2011 war sie deutsche Dele-gierte für IFOMPT. Seit 2013 im Herausgeberteam.

Sebastian Klienaus Freiburg ist seit 1996 Physiotherapeut. Sein Inter-esse für die Therapie muskuloskeletaler Beschwerden führte ihn über die Ausbildung im Kaltenborn- und Maitland-Konzept schließlich zur OMT des SVOMP. Im Jahr 2003 absolvierte er die Prüfung zum OMT/svomp. Seit Juni 2011 hat er seine eigene Praxis in Freiburg. Er gehört seit 2007 zum Herausgeberteam.

Jan Herman van Minnenlebt in Bettlach in der Schweiz. Er ist Manualthera-peut (OMTsvomp), IMTA-Seniorinstruktor und ar-beitet klinisch als Mitinhaber seiner Gruppenpraxis in Grenchen. Seit der Gründung der Zeitschrift im Jahr 1997 ist er im Herausgeberteam.

Jochen Schomacherlebt in Küsnacht in der Schweiz. Er ist Manualthera-peut und Instruktor Manuelle Therapie (OMT Kalten-born-Evjenth-Konzept). 2012 hat er seinen PhD in Clinical Sciences von der Aalborg University, Däne-mark erhalten. Er gehört seit der Gründung der Zeit-schrift 1997 zum Herausgeberteam.

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manuelletherapie 1. 2016

Schwerpunkt Post Injury

11 Nach Verletzungen der unteren Extremität zurück zum Sport – wir sind noch lange nicht am Ziel Autorin: B. Wondrasch

16 Zurück zum Pre Injury Level nach Verletzungen der unteren Extremität – eine Einteilung funktioneller Assessments Autoren: M. Keller, E. Kurz

19 Der Return to Activity Algorithmus für die untere Extremität – ein Fallbeispiel Autoren: M. Keller, P. Kotkowski, E. Hochleitner, E. Kurz

29 Refresher-Fragen zu Post Injury

Originalia 31 Chronisches Schulter-Impingement-Syndrom:

Auf dem Mechanismus basierende Untersuchung und Therapie Autor: W. Lackenbauer

39 Entwicklung einer physiotherapeutischen Klassifikation von Schulterschmerzen. Autoren: S. Klittmann, M. Trocha

Rubriken 4 Forum 6 Forschung kompakt 48 Buchbesprechung · Termine

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Wissenschaftlicher BeiratFrans van den Berg, PT/MT, A-Zell am Moos | Dr. med. Heiner Biedermann, Köln | Prof. Dr. Jan Cabri, N-Oslo | Heiko Dahl, PT/MT, Wremen | Dr. Markus Dirheimer, Blaustein | Bernd Falkenberg, PT/MT, Iserlohn | Prof. Dr. Dr. med. Ralf-Peter Franke, Ulm | Andreas Gattermeier, PT/MT, Fürstenzell | Roland Gautschi, PT/MT, CH-Baden | Christian Gloeck, PT/MT, Seehausen | Dr. Eva Grill, MPH, München | Prof. Dr. med. Michel Jesel, F-Strasbourg | Lothar Jörger, PT/MT, Bad Kissingen | Prof. Dr. Jan Kool, PT/Bew.-Wiss., CH-Igis | Dr. sc. med. Wolfgang Laube, A-Feldkirch | Dr. med. Bernard Memheld, Offenburg | Peter Oesch, PT/MT, CH-Wangs | Ursula Schauer-Klatt, PT/MT, Freiburg | Thomas Schöttker-Königer, PT/MT, Fürstenfeldbruck | Hugo Stam, PT/MT, CH-Zurzach | Prof. Dr. med. Peter M. Villiger, CH-Bern | Pieter Westerhuis, PT/MT, CH-Langendorf | Prof. Udo Wolf, PT/MT, Bochum | Fritz Zahnd, PT/MT, CH-Forch

Nach Verletzungen der unteren Extremität ist für viele sportlich aktiven Menschen das größte Ziel, so schnell wie möglich und doch risikoarm wieder zum Sport zurück-zukehren. Funktionelle Kriterien spielen auf diesem Weg eine wichtige Rolle. An-hand von entsprechenden Tests können Therapeuten einen strukturierten, pro-gressiven Therapieplan entwerfen, der die Sportler sicher zu ihrem Ziel führt.

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Originalia

Chronisches Schulter-Impingement-Syndrom: Auf dem Mechanismus basierende Untersuchung und Therapie

Chronic Shoulder Impingement Syndrome: Mechanism-Based Examination and TherapyW. LackenbauerIMC FH Krems, Österreicheingereicht: 22.1.2015 | akzeptiert: 9.4.2015

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Lackenbauer W. Chronisches Schulter-Impingement-Syndrom: Auf dem Mechanismus basierende Untersuchung und Therapie. Manuelle Therapie 2016; 20: 31–38

ZusammenfassungModerne, auf dem ursächlichen Mechanismus basierende Klassi-fizierungsmodelle sind in der Entscheidungsfindung, Diagnose-stellung und anschließenden Therapie ausgesprochen hilfreich. Chronische Schulterbeschwerden können eine Vielzahl von bio-mechanischen und nicht mechanischen Ursachen haben. Da-her ist es wichtig, jeden einzelnen Faktor während des Untersu-chungsprozesses zu identifizieren, um ihn anschließend gezielt behandeln zu können.

In der Literatur werden verschiedene Veränderungen der mo-torischen Kontrolle und Beweglichkeit im Bereich der HWS und BWS, des Glenohumeral- und Skapulothorakalgelenks beschrie-ben, die die verschiedenen Gewebearten im Bereich der Schulter potenziell überlasten können.

Anhand von 2 Fallbeispielen mit derselben Diagnosestellung wird die Wichtigkeit von Klassifizierungsmodellen für Schulter-beschwerden dargestellt, um den ursächlichen Mechanismus zu erkennen und anschließend gezielt zu behandeln.

Schlüsselwörter Schulter | Impingement | Therapie | Klassifizierungsmodelle

AbstractModern mechanism-based classification models are particular-ly helpful in decision making, diagnosis and subsequent therapy. Chronic shoulder complaints may be caused by a variety of bio-mechanical and non-mechanical sources. It is therefore important to identify each individual factor during the examination process in order to be able to treat selectively.

Several changes in mobility and motor control of the cervical and thoracic spine as wells as the glenohumeral and scapular tho-racic joint have been described in the literature. These may lead to excessive strain in the various structures of the shoulder.

The importance of classification models for shoulder comp-laints is portrayed using two case studies with the same diagno-sis. They demonstrate the importance of the identification of the underlying mechanism for the choice of specific treatment.

Keywords shoulder | impingement | therapy | classification models

EinleitungChronische Schulterschmerzen zählen zu den häufigsten Ursa-chen, weshalb Patienten Ärzte oder Physiotherapeuten aufsu-chen [19, 36]. Oft sind diese Beschwerden „nicht spezifisch“, d. h. die Schmerzen werden weder durch eine schwere Verletzung/Abnutzung noch eine systemische Erkrankung hervorgerufen. Ähnliches findet sich bei „nicht spezifischen LWS- [26] und Be-ckengürtelbeschwerden [27]. Die am zahlreichsten verwende-ten Bezeichnungen für mechanische Schulterprobleme sind das Schulter-Impingement-Syndrom (SIS) oder Rotatorenmanschet-ten-Tendinopathie (RMT). Seit jeher versuchen Chirurgen bei diesen Diagnosen, den subakromialen Raum mittels „subakro-mialer Dekompression/Akromioplastie“ zu vergrößern, um den Strukturen mehr Platz zu verschaffen und somit eine ständige Ir-ritation der Sehnen, Bursen etc. zu unterbinden. Bei diesen Ope-rationen werden vor allem anatomische Strukturen wie Osteo-phyten (am Akromion oder Akromioklavikulargelenk), das Lig. coracoacromiale und/oder die Schleimbeutel entfernt. Außer-dem werden Variationen am Akromion (Typ III oder „hooked“ Akromion) bzw. Verletzungen an der Rotatorenmanschette kor-rigiert/saniert.

Hier ergeben sich jedoch mehrere grundlegende Probleme. Mehrere Studien zeigten, dass keine zwingende Korrelation zwi-schen anatomischen Variationen (Typ III Akromion, Osteophyten etc.) und Schmerzen bzw. Rotatorenmanschetten-Pathologien be-steht [8, 23, 37]. Des Weiteren ist zu überlegen, warum das Lig. coracoacromiale bei Operationen häufig „geopfert“ wird, obwohl das Ligament bekanntermaßen eine superiore Translation des Hu-meruskopfes während der aktiven Elevation verhindert [6, 7]. Chi-rurgen kämen wahrscheinlich auch nicht auf die Idee, das vorde-

re Kreuzband herauszunehmen, um Knieschmerzen zu behandeln [19].

Von besonderer Bedeutung sind jene Studien, die zeigten, dass ein Großteil der Sehnenverletzungen/-degenerationen nicht an der Ober- (der dem Akromion zugewandten Seite), sondern an der Unterseite (die dem Gelenk zugewandte Seite) oder innerhalb der Sehne stattfinden. In Anbetracht dieser Ergebnisse ergibt sich zwangsweise die Frage, ob eine Akromioplastie tatsächlich über-haupt (immer automatisch) nötig ist, wenn das „Reiben der Seh-ne“ am Akromion nicht (automatisch) die Ursache für die Sehnen-veränderungen zu sein scheint [19]. Für das Operationsergebnis macht es jedenfalls keinen Unterschied, ob nur die Bursa (Bursek-tomie) oder zusätzlich Teile des Akromions (Akromioplastie) ent-fernt werden [2, 13].

Hinzu kommt die Tatsache, dass statistisch gesehen physiothe-rapeutische Maßnahmen gleichwertige Ergebnisse erzielen wie chirurgische Interventionen [1, 9, 10, 22, 25] – und das bei we-sentlich geringeren Kosten für das Gesundheitssystem [17]. Da andererseits nicht alle Patienten von einer konservativen The-rapie profitieren, wäre es falsch, die chirurgischen Maßnahmen grundlegend als Therapeutikum bei SIS/RMT anzuzweifeln. Aller-dings ist es höchste Zeit, gute und verlässliche Untersuchungsme-thoden zu entwickeln, um den Patienten von Anfang an die richti-ge Therapie zukommen zu lassen. Damit lassen sich einerseits un-nötige und teure Operationen vermeiden und andererseits auch schnell jene Patienten herausfiltern, die höchstwahrscheinlich von einem konservativen Ansatz (Physiotherapie, Übungen für die Rotatorenmanschette, Manuelle Therapie) wenig bis gar nicht profitieren und dann nach einer gescheiterten Physiotherapiese-rie erst recht wieder eine Operation benötigen.

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Subklassifizierungen der BeschwerdebilderIn den letzten Jahren wurde einiges an Forschung unternommen, um Beschwerdebilder in Kategorien einzuteilen und diese gezielt behandeln zu können [26, 27, 29, 30, 31, 32]. Die multidimensi-onale Natur vieler Beschwerdebilder ist bekannt und muss sich

auch in der Untersuchung und anschließenden Behandlung wie-derspiegeln. Da es sich auch bei SIS/RMT-Patienten um keine ho-mogene Gruppe handelt, benötigen sie eine auf den ursächlichen Mechanismus abgestimmte Therapie. Sahrmann [29] teilte me-chanische Schulterbeschwerden in Diagnosekategorien ein, die biomechanische Abnormitäten am Humerus und/oder der Ska-pula beschreiben und eine fortlaufende Mikrotraumatisierung an der Rotatorenmanschette und/oder Bursa verursachen kön-nen (▶ Tab. 1). Derartige Abnormitäten müssen gezielt behan-delt werden.

Von der Untersuchung zur TherapieLewis [18] beschreibt die sogenannte Schulter-Symptom-Modifika-tions-Prozedur (SSMP; ▶ Abb. 1). Hierbei geht es darum, dass die Patienten eine oder mehrere symptomatische aktive Bewegun-gen durchführen, die ihre Schmerzen in der Schulter reproduzie-ren, während der Therapeut systematisch versucht, durch mecha-nische Korrekturen/Veränderungen an Skapula, Humerus, HWS oder BWS die Symptome positiv zu beeinflussen. Das Ziel ist eine deutliche Reduzierung der Schmerzen und/oder eine Verbesse-rung des aktiven Bewegungsausmaßes sofort während der Tes-tung:

Symptom-Modifikations-ProzedurHumeruskopf-ProzedurHier beeinflussen von den Patienten selbst ausgeführte aktive und von den Therapeuten durchgeführte passive Bewegungen die Po-sition des Humerus in Relation zur Gelenkpfanne. Bei den passi-ven Bewegungen versuchen die Therapeuten, über anterior-pos-terioren bzw. posterior-anterioren Zug/Schub die Schmerzen während der aktiven Elevation zu vermindern und/oder das akti-

▀ Tab. 1 Diagnosekriterien für die Schulter (nach Sahrmann [5]).

Skapula Abwärtsrotation: ungenügende AufwärtsrotationDepression: ungenügende ElevationAbduktion: exzessive Abduktion

▬ Scapula alata (Abheben des Margo medialis)/ Kippung:

▬ Scapula alata und Kippung während der exzentrischen Phase der Elevation oder

▬ ungenügende posteriore Kippung am Ende der Elevation oder

▬ Scapula alata während der Elevation und/oder ▬ Scapula alata in Ruhe und/oder anteriore Kippung

in Ruhe

Humerus anteriores Gleiten (ventrale Translation): ▬ exzessives anteriores Gleiten oder mangelndes

posteriores Gleiten, und/oder ▬ exzessive ventrale Translation in Ruhestellung

superiores Gleiten: ▬ exzessives superiores Gleiten oder mangelndes

inferiores Gleiten, und/oder ▬ superior translatierter Humerus in Ruhestellung

Innenrotation der Schulter: ▬ ungenügende Außenrotation der Schulter und/

oder ▬ exzessive Innenrotation in Ruhestellung

glenohumerale Hypomobilität: verminderte Beweglich-keit in allen Ebenen

Schulter-Symptom-Modifikations-Prozedur (SSMP)

Behandlung Behandlung Behandlung Behandlung

HWS/BWSManuelle Untersuchungder HWS- und BWS-Region

Humeruskopf-Prozedur Außenrotationstest Adduktionstest anterior-posteriores Gleiten + Angulation posterior- anteriores Gleiten + Angulation

Skapulaposition Manuelle Techniken Elevation/Depression anterior-posteriore Kippung Protraktion/Retraktion Auf-/Abwärtsrotation Innen-/Außenrotation Tape

BWS-Kyphose-Technik Tape Manuelle Techniken

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nicht 100% prozentualeVerbesserung

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nicht 100% prozentualeVerbesserung

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Abb. 1 Symptom-Modifikations-Prozedur (nach Lewis [18]).

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ve Bewegungsausmaß zu verbessern. Der Autor empfiehlt für die-se Intervention einen Gurt, um – wenn nötig – zusätzliche Angu-lationen nach kranial, kaudal, medial oder lateral durchführen zu können (▶ Abb. 2).

Besonders häufig werden Verkürzungen im hinteren/unte-ren Anteil der Gelenkkapsel beschrieben, die zu einer superior/anterioren Translation des Humeruskopfes während er Elevati-on führen [20]. Auf der anderen Seite lässt sich über aktive Mus-kelkontraktionen die Position des Humeruskopfes beeinflussen. Die Patienten führen während der aktiven Elevation einen Wi-derstand z. B. in die Außenrotation oder Adduktion (z. B. mittels Theraband) durch (▶ Abb. 3). Anhand von Magnetresonanztomo-grafien konnte gezeigt werden, dass eine erhöhte isometrische Spannung der glenohumeralen Adduktoren in verschiedenen Ab-duktionspositionen eine Erweiterung des subakromialen Raumes bewirkt [14]. Reduziert eine verbesserte Aktivierung der gleno-humeralen Außenrotatoren und/oder -adduktoren die Beschwer-den merklich, weist dies darauf hin, dass eine aktive Therapie in-diziert ist und vor allem, welche Muskelgruppen gezielt trainiert werden sollten.

Veränderung der Skapulaposition/-kinematikDie Bedeutung der Skapula für eine physiologische Schulterkine-matik ist seit längerem bekannt [24]. Aufwärtsrotation, Außen-rotation und posteriore Kippung (Tilt; [33]) verhindern eine An-näherung des Akromions an den Humeruskopf während der Ele-vation. Abweichungen vom physiologischen skapulohumeralen Rhythmus (Dyskinesie) durch muskuläre Ungleichheiten (Schwä-che, Fehler im Timing und/oder Verkürzungen) führen zu einer Verengung des subakromialen Raumes und können in weite-rer Folge zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen an der Schulter führen [21]. Das erfolgreiche Beheben einer sogenannten „Skapuladyskinesie“ kann idealerweise Schmerzen und/oder Be-wegungseinschränkungen beseitigen (▶ Abb. 4; [3, 4]).

Abb. 2 Passive Humeruskopf-Prozedur mit Gurt.

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Abb. 3 Aktive Aktivierung der Außenrotatoren.

Abb. 4 Skapula Assist Test.

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Beeinflussung über die HWS und BWSFür die beiden Regionen kommen 2 Aspekte zum Tragen: (1) Schmerzhafte Dysfunktionen der HWS und BWS können in die Schulterregion ausstrahlen [18]. Um bestehende Dysfunktionen zu diagnostizieren und in Zusammenhang mit den bestehenden Schulterbeschwerden zu bringen, müssen HWS und BWS manual-therapeutisch untersucht werden. (2) In diesem Zusammenhang ist die Wichtigkeit der BWS-Mobilität zu erwähnen. Eine rigide BWS (besonders in die Extension) bewirkt eine verminderte Auf-wärtsrotation und posteriore Kippung (Tilt) der Skapula [16]. Wie schon beschrieben, wird auch hier wieder versucht, über eine Mo-difikation der Haltung/Mechanik eine Änderung der Schultersym-ptome zu erreichen (▶ Abb. 5).

Die Reihenfolge der Maßnahmen lässt sich jederzeit verän-dern und auf die jeweiligen Patienten und die klinische Situati-on anpassen. Verbessert oder beseitigt eine Änderung der zuvor beschriebenen Punkte die Beschwerden, kann die anschließen-de Therapie sehr gezielt auf den ursächlichen Mechanismus aus-gerichtet werden.

Andererseits kann die Änderung der Schulterkinematik kei-ne Linderung, sondern sogar eine Verschlechterung der Sympto-me und/oder des Bewegungsausmaßes bewirkt bzw. auch keine physiotherapeutisch behandelbaren mechanischen Auffälligkei-ten gefunden werden. In diesem Fall gilt es, im Gesamtkontext der subjektiven und körperlichen Untersuchung abzuwägen, ob eine konservative Physiotherapie wirklich sinnvoll oder eher ein anderer Ansatz (Injektionen, Operation, alternative Interventio-nen wie Akupunktur, multimodales Schmerzmanagement etc.) indiziert ist. Die Vorteile eines solchen Algorithmus liegen auf der Hand:

▬ Der Therapeut weiß durch die Untersuchung, ob und in wel-chem Ausmaß den Patienten physiotherapeutisch geholfen werden helfen kann.

▬ Den Patienten kann schon während des Untersuchungsvor-ganges gezeigt werden, wodurch sich die Beschwerden (im Idealfall) positiv beeinflussen lassen.

▬ Bei erfolgloser Modifikationsprozedur ist auch für die Patien-ten nachvollziehbar, dass dieser Ansatz wenig bringt.

▬ Der Therapeut kann eine bessere und genauere Prognose über den zu erwartenden Behandlungserfolg abgeben.

Ähnliche Prinzipien wurden auch schon bei anderen Körperregi-onen erfolgreich und gründlich wissenschaftlich untersucht bzw. erfolgreich in der Klinik verwendet [5, 26, 27, 29, 30, 35]

Fallbeispiel 1Ärztliche DiagnoseSchulter-Impingement.

PatientengeschichteEin 28-jähriger Sportstudent litt seit mehr als 2 Jahren unter me-chanischen Schulterbeschwerden rechts, konnte aber keinen ge-nauen Auslöser (z. B. Trauma) dafür nennen. Er studierte Sport und hatte vor allem bei Überkopfaktivitäten/-sportarten inter-mittierende, dumpfe Schmerzen im Bereich des rechten M. delto-ideus ohne Ausstrahlung in den Arm. Bislang hatten weder bild-gebende Verfahren noch irgendwelche Therapien an der Schul-ter stattgefunden. Der Patient stand vor einer Sportprüfung, und die Beschwerden waren mittlerweile so stark, dass eine intensive Vorbereitung kaum möglich war. In letzter Zeit waren die Schmer-zen auch im Alltag bei aktiver Elevation spürbar. Nachtschmer-zen gab er keine an. Er war sehr besorgt, dass die Beschwerden nicht mehr weggehen würden und langfristig gesehen die Aus-übung seines Berufes unmöglich machen könnten. Red Flags wa-ren keine vorhanden.

Allgemeine Untersuchung des SchulterkomplexesRuheschmerzen: Nicht vorhanden.

Inspektion: Normale BWS-Kyphose; keine Skapuladyskinesie in Ruhe vorhanden.

Palpation: Akromioklavikulargelenk unauffällig; Rotatorenman-schette rechts am Akromion schmerzhaft.

▬ Aktiv: - Flexion: volles Bewegungsausmaß und schmerzfrei; - Abduktion (rechts): schmerzhaft, aber nicht eingeschränkt; - Außenrotation in 0 ° und 90 ° Abduktion: volles Bewe-

gungsausmaß und schmerzfrei; - Innenrotation (rechts) in 0 ° und 90 ° Abduktion: schmerz-

haft eingeschränkt. ▬ Passiv:

- Glenohumerale Abduktion: volles Bewegungsausmaß; - Deutliches Defizit der glenohumeralen Innenrotation

(GIRD) rechts: –30 ° im Vergleich zu links; - Massive Triggerpunkte im Bereich des M. infraspinatus

(rechts) und M. teres minor (rechts), die auch die Schmer-zen in der Schulter teilweise reproduzierten;

Manuelle Untersuchung von HWS, BWS und Rippen: Schmerzfrei und normale Mobilität.

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Abb. 5 BWS-Modifikation.

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Symptom-Modifikations-Prozedur [18]Veränderung der Skapulaposition: Weder in Ruhe, noch bei der ak-tiven Elevation war eine Skapuladyskinesie zu beobachten. Daher konnte eine mangelhafte Skapulamechanik als Verursacher aus-geschlossen werden.

Beeinflussung über die HWS und BWS: Die BWS-Kyphose wur-de als normal eingestuft. Bei der manuellen Untersuchung der HWS- oder BWS-Segmente waren keine Schmerzen in der Schul-ter reproduzierbar. Somit konnten die HWS- und BWS-Region als Grund für die Schulterbeschwerden ausgeschlossen werden.

Humeruskopf-Prozedur: Eine vermehrte Aktivierung der glenohu-meralen Außenrotatoren und -adduktoren konnte die Beschwer-den bei der aktiven Abduktion nicht positiv beeinflussen. Folg-lich wurde eine mangelhafte Aktivierungsfähigkeit der Rotatoren-manschette ausgeschlossen.

Wie oben erwähnt, ergab sich bei der allgemeinen Untersu-chung des Schulterkomplexes eine deutliche Einschränkung der aktiven und passiven Innenrotation im rechten Glenohumeral-gelenk. Eine Einschränkung der Innenrotation im Schultergelenk wurde mit Verkürzungen der hinteren/unteren Gelenkskapsel in Verbindung gebracht [11]. Ein manueller anterior-posteriorer Zug am Humeruskopf durch den Therapeuten beseitigte die Be-schwerden bei der aktiven Abduktion vollständig.

Diagnose: Chronisches Impingement-Syndrom.

Klassifikation nach Sahrmann [29]: Anteriores Gleitsyndrom des Humerus.

Therapieindikation: Ja.

Die Klassifikation „anteriores Gleitsyndrom“ [29] ergab sich durch die Einschränkungen des aktiven Bewegungsausmaßes (Innen-rotation in 0 ° und 90 ° Abduktion; [34]. Die erfolgreich durchge-führte Symptom-Modifikations-Prozedur (anterior-posteriorer Zug am Humeruskopf) beseitigte die Symptome vollständig und wurde weiter durch das vorhandene GIRD [3, 4] bestätigt. Obwohl es sich um ein mechanisches Problem handelte, mussten die vor-liegenden Yellow Flags (Zukunftsangst; Glaube, die Schmerzen würden nicht mehr weggehen und den Beruf unmöglich machen) im Management berücksichtigt werden. Zu Beginn war wichtig, dass der Patient die Ursache für seine Beschwerden verstand et-was geändert werden konnte, sodass die Fortführung seines Be-rufs nicht gefährdet war. Der Zeitrahmen für die Therapie wurde auf 6–8 Wochen festgesetzt [1, 9, 10, 22, 25].

Die Therapie umfasste Weichteiltechniken am M. infraspinatus und M. teres minor [28, 38] und manuelle Mobilisationen an der posterioren Gelenkkapsel. Dem Patienten wurde eine Eigendeh-nung der posterioren Kapsel- und Weichteilstrukturen gezeigt, die er tagsüber mehrfach durchführen sollte. (▶ Abb. 6).

Nach anfänglicher leichter Verschlechterung der Beschwerden aufgrund der teils intensiven Weichteiltechniken und manuellen Mobilisationen verspürte der Patient nach ca. 2 Wochen eine deut-

liche Linderung der Beschwerden. Zu diesem Zeitpunkt war das GIRD kaum mehr vorhanden und auch die zu Beginn aktiven Trig-gerpunkte im M. infraspinatus und M. teres minor nicht mehr auf-fällig. Er sollte zu Hause weiterhin den Sleeper Stretch durchführen und nach 3 Wochen nochmals zur Kontrolle erscheinen. Nach 8 Wo-chen beschrieb der Patient 85 %ige Linderung der Beschwerden, nur bei Überkopfaktivitäten spürte er noch selten ein leichtes Ziehen.

Um ein Wiederauftreten des GIRD zu vermeiden, sollte er die Dehnung begleitend weiterführen. Bei einem Telefonat nach 1 Jahr berichtete von noch ca. 1 Monat andauernden leichten Restschmerzen, die danach auch verschwanden und seitdem nicht wieder auftraten.

Fallbeispiel 2Ärztliche DiagnoseBilaterales Schulter-Impingement-Syndrom.

PatientengeschichteEin Mann Anfang 40 kam mit chronischen bilateralen Schmerzen in die Praxis. Die Schmerzen waren konstant vorhanden und ver-stärkten sich durch aktive Schulterbewegungen vor allem über 90 ° Elevation. Der Patient war Hausmeister und musste unter an-derem auch viele Überkopfarbeiten erledigen. Für die Beschwer-den gab es keinen besonderen Auslöser. Vor der Hausmeistertätig-keit hatte er als Maler gearbeitet und auch damals schon Schmer-zen in beiden Schultern verspürt.

Die bisherigen Therapiemaßnahmen bestanden aus Schmerz-mitteln, Übungen zur Kräftigung der Rotatorenmanschette, Inter-ferenzstrom, therapeutischem Ultraschall und Schonung. Die Be-schwerden waren mittlerweile auch in der Nacht sehr stark, so-dass er oft die Stellung wechseln musste, nach einiger Zeit aber wieder (zumindest eine Zeit lang) weiterschlafen konnte. Durch die lange Leidensgeschichte war der Patient frustriert und wollte, dass nun endlich was geschehe, damit die Schmerzen wieder er-träglich würden. Andere Gelenke waren nicht betroffen.

Abb. 6 Sleeper Stretch.

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Lackenbauer W. Chronisches Schulter-Impingement-Syndrom: Auf dem Mechanismus basierende Untersuchung und Therapie. Manuelle Therapie 2016; 20: 31–38

Allgemeine Untersuchung des SchulterkomplexesRuheschmerzen: Visuelle Analogskala: 6/10.

Inspektion: Unauffällig.

Palpation Starke Druckschmerzen lateral des Akromions; Akro-mioklavikulargelenk unauffällig.

▬ Aktiv: - Abduktion und Flexion ab 90 °: starke Schmerzen, volle

Elevation aber möglich; - Innenrotation 0 °/90 °: Abduktion schmerzhaft einge-

schränkt; - Außenrotation 0 °/90 °: Abduktion nicht eingeschränkt.

▬ Passiv: - Glenohumerale Abduktion trotz beträchtlicher Schmerzen

nicht eingeschränkt; - GIRD nicht vorhanden.

Manuelle Untersuchung von HWS, BWS und Rippen: Unauffällig.

Symptom-Modifikations-Prozedur [18]Veränderung der Skapulaposition: Weder in Ruhe noch bei den ak-tiven Schulterbewegungen konnte eine Skapuladyskinesie festge-stellt werden.

Beeinflussung über die HWS und BWS: Die BWS-Kyphose wurde als normal eingestuft.

Humeruskopf-Prozedur: Die zusätzliche Aktivierung der glenohu-meralen Außenrotatoren bzw. eine vermehrte aktive Außenrota-tion verschlimmerten sogar die Schmerzen bei der aktiven Ele-vation und verminderten das aktive Bewegungsausmaß. Eine zu-sätzliche Aktivierung der glenohumeralen Adduktoren konnte die Schmerzen bei der Elevation nicht verbessern.

Die passive Korrektur des Humeruskopfes im Verhältnis zur Gelenkpfanne (anterior-posterior, posterior-anteriorer Schub/Zug, plus/minus Angulationen) hatte keinerlei Einfluss auf die Symptome.

Die Symptom-Modifikations-Prozedur [18] zeigte keinerlei positive Auswirkung auf die Schulterbeschwerden, sondern ver-schlechterte sie sogar teilweise.

Diagnose: Chronisches Schulter-Impingement-Syndrom beider-seits.

Klassifikation nach Sahrmann [29]: Nicht möglich.

Derzeitige Therapieindikation: Nein.

Da die Symptom-Modifikations-Prozedur [18] keine Änderung der Beschwerden brachte und die Beschwerden konstant und vor allem in der Nacht sehr stark waren, wurde der Patient zur wei-teren Abklärung an einen Orthopäden verwiesen. Dieser stellte durch eine Ultraschalluntersuchung eine massive Bursitis in bei-den Schultern fest. Eine Bursektomie zuerst in der linken und

nach ein paar Wochen in der rechten Schulter beseitigte die Be-schwerden vollständig und nachhaltig.

Diskussion/SchlussfolgerungenDie beiden vorgestellten Beispiele verdeutlichen, wie unterschied-lich sowohl das klinische Bild als auch die Therapie bei Patienten mit derselben ärztlichen Diagnose sein kann.

Patienten mit der Diagnose SIS/RMT stellen keine homoge-ne Gruppe dar, bei denen der Untersuchungs- und Therapiean-satz „One Size Fits All“ funktioniert. Die traditionellen Impinge-ment- und Rotatorenmanschetten-Tests sind wenig hilfreich [12, 15] und auch bildgebende Verfahren in Anbetracht der Häufig-keit verschiedener Pathologien in der schmerzfreien Bevölkerung nicht immer aussagekräftig [23, 37].

Physiotherapeutische Maßnahmen erzielen auch im Langzeit-vergleich ähnlich gute Ergebnisse wie chirurgische Interventio-nen [1, 9, 10, 22, 25]. Allerdings ist hier festzuhalten, dass nicht für alle Patienten mit der Diagnose SIS/RMT automatisch Physiothe-rapie die optimale Behandlungsform darstellt. Im Hinblick auf die Behandlungskosten und Krankenstände müssen jedoch jene Pati-enten herausgefiltert werden, die von einer Physiotherapie profi-tieren würden. Da die bisher gängigen Untersuchungsmodalitä-ten dabei schnell an ihre Grenzen stoßen, sind sie kritisch zu hin-terfragen und ihr Einsatz in der Praxis neu zu überdenken [18].

Die Physiotherapie tut gut daran, verlässliche, in der Praxis leicht anwendbare und wissenschaftlich valide Methoden zu ent-wickeln, um jene Patienten zu identifizieren, die sie auch wirklich behandeln kann. In Zeiten des immer weiter ansteigenden Drucks seitens der Krankenkassen und Versicherungsträgern müssen sich Physiotherapeuten im Gesundheitssystem positionieren und Be-weise erbringen, dass sie unersetzlich sind und auch zur Kosten-einsparung beitragen können. ▄

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Wolfgang Lackenbauer, PT, MManip ThDr.-Muralter-Str. 245020 SalzburgÖ[email protected]

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