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Magazin für Destinationsmarketing in Südtirol APRIL / MAI / JUNI 2012 02 In caso di mancato recapito restituire al CPO di Bolzano - Bei nicht erfolgter Zustellung wird das Magazin an das OZP Bozen geliefert - Poste Italiane S.P.A. – Spedizione in A.B. – 70% NE/BZ, Tassa Pagata/Taxe Perçue GRÜNER GEHT’S NOCH Schritt für Schritt zu mehr Nachhaltigkeit in Südtirol

M02 - Magazin für Destinationsmarketing in Südtirol

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Magazin Südtirol Marketing

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Magazin für Destinationsmarketing in SüdtirolA P R I L / M A I / J U N I 2 0 1 202

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GRÜNER GEHT’S NOCHSchritt für Schritt zu mehr Nachhaltigkeit in Südtirol

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Wasserkraftwerke produzieren 5,5 Mrd. kWh Strom in Südtirol

» damit könnten 1.600.000 Haushalte im Jahr gedeckt werden. Ein Haushalt mit vier Personen verbraucht im Durchschnitt 3.500 kWh im Jahr. (Quelle ASTAT 2011)

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Und es gibt sie doch!Ich bin geneigt, es nur noch das N-Wort zu nennen, denn kaum ein anderes Wort wurde in den letzten Jahren so häufig ge- und missbraucht wie das Wort Nachhaltigkeit. Im Grunde will, wer Nachhaltigkeit sagt, ausdrücken, dass Res-sourcen nur in dem Maße genutzt werden dürfen, wie sich deren Bestände rege-nerieren können. Das gilt für Ökologie, Ökonomie und Soziales. Nachhaltigkeit ist also eine vernünftige Sache. Man könnte auch provozierend formulieren: Nachhaltigkeit bedeutet, man darf nicht mehr ausgeben, als man hat, nicht mehr arbeiten, als man zu leisten im Stande ist, und nicht mehr Energie ver-brauchen, als man aus erneuerbaren Rohstoffen produzieren kann.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Von der US-Immobilienblase des Jahres 2008 bis zur griechischen Fast-Staatspleite unserer Tage kann man eigentlich nur den Eindruck gewinnen, dass Nachhaltigkeit zwar gepredigt, aber nicht umgesetzt wurde. Auch in Italien hatten wir ja so unsere liebe Not mit der Nachhaltigkeit. Und in Südtirol? Werfen wir doch einmal einen Blick auf das nachhaltige Tun in Südtirol. Mit dieser Ausgabe der M versuchen wir genau das. Ich wünsche mir und Ihnen, dass Sie nach der Lektüre dieser 40 Seiten das Heft beiseite legen und erleichtert seufzen: „Es gibt sie doch, die Nachhaltigkeit“.

Hubert Hofer, TIS-Direktor

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Inhalt

BLS – Business Location Südtirol A.G., Dompassage 15, 39100 Bozen EOS – Export Organisation Südtirol, Südtiroler Straße 60, 39100 Bozen SMG – Südtirol Marketing K.A.G, Pfarrplatz 11, 39100 Bozen TIS – innovation park, Siemensstraße 19, 39100 Bozen

Verantwortlicher für den Inhalt: Reinhold Marsoner | Chefredaktion: Barbara Prugger | Redaktion: Jessica Braun, Maria C. De Paoli, Bettina König, Eva Pichler, Cäcilia Seehauser, Gabriela Zeitler Plattner | Koordination: Ruth Torggler | Layout: Lukas Nagler | Design-Consult: Arne Kluge | Fotografie: Frieder Blickle, Alex Filz, Max Lautenschläger, iStockfoto, Benjamin Pritzkuleit, www.suedtirol-rad.com Druckvorstufe: typoplus GmbH, Bozner Straße 57, 39057 Frangart | Druck: Karo Druck KG, Pillhof 25, 39057 Frangart | Zur Abbestellung dieses kostenlosen Magazins genügt eine E-Mail mit genauer Adressangabe an [email protected] | Eintragung beim Landesgericht Bozen Nr. 7/2005 vom 9. Mai 2005

TITEL: Nachhaltigkeit

8 Auf Kosten der ZukunftDer verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen ist das schwierige und chancenreiche Gebot der Stunde.

15 Grüner StromWie grün ist Südtirol wirklich? Die Infografik veran-schaulicht den Energieverbrauch.

16 CO2-neutrales HotelWie das Hotel Feldmilla in Sand in Taufers es anstellt, klimaneutral zu wirtschaften.

18 Sonne und WindDer Energieexperte Wolfram Sparber über die Zukunft des Energiekonsums und -verbrauchs in Europa.

20 Die E-Zukunft hat begonnenMit E-Fahrzeugen und wasserstoffbetriebenen Bussen will das Land Elektromobilität schritt- weise einführen.

24 Grüner KlassenprimusDie BLS nützt die Vorreiterrolle Südtirols am nationalen Markt als Argument für Investoren.

26 Clever gegen dicke Luftintergreen heißt das Verkehrsprojekt für Bozen, das intelligent Staus vermeiden soll.

28 Die Kunst des WeitblicksMitte Mai gibt es zum zweiten Mal den Kongress zur Nachhaltigkeit in Brixen.

MARKETING

30 Bio-Milch in Südtirol Fakten und Zahlen zur kleinen Nische, die wächst und wächst und jetzt auch ein eigenes Zeichen hat.

34 Junge Talente, neuer BlickDer Südtiroler Medienpreis bringt junge Journa-listen und Fotografen mit Südtirol in Kontakt.

Rubriken

6 mailbox 7 made in südtirol22 blick über den tellerrand29 meinung32 menschen 36 im visier der medien38 marktplatz

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nicht mehr wegzudenken, soziale Netz-werke werden vielfach aber vernachläs-sigt“, sagt Michaela Kozanovic, die Ver-antwortliche des Projektes smart im TIS. Das Interreg IV-Projekt setzt genau hier an und legt besonderes Augenmerk auf den Einsatz sozialer Netzwerke. Die-se können einen erheblichen Beitrag zur Kundengewinnung und -bindung leis-

ten und das Zusammenspiel zwi-schen Partnern und Lieferanten

erhöhen. smart sieht eine Rei-he von Aktivitäten vor: Im Rah-men eines überregionalen Ideen-

wettbewerbs können sich Unter- nehmen aus verschiedenen Wirt-

schaftssektoren aus Nord- und Südtirol kreativ mit dem Einsatz von Social Me-dia im eigenen Unternehmen auseinan-dersetzen. Nachstehendes Webportal informiert über das Bildungsangebot in diesem Bereich, bietet einen Blog, gibt einfache Anleitungen und zeigt Best-Practice-Beispiele auf. www.smart-regio.eu

UNTERNEHMERTREFFKreative auf dem Brenner

EXPORT. Die geografische Lage an der Grenze bringt sowohl für Unternehmen aus Südtirol als auch aus Nordtirol er-hebliche Vorteile für grenzüberschrei-tende Tätigkeiten. Aus diesem Grund veranstaltet die EOS zusammen mit der Wirtschaftskammer Tirol am 9. Mai ei-nen Unternehmertreff für die Kreativ-wirtschaft. Verantwortliche in Drucke-reien, Grafiker, Architekten und Agentu-

MADE IN SÜDTIROL Online-Plattform für Unternehmen

SCHAUFENSTER. Auf der Website der BLS gibt es eine neue Rubrik, die zur Gänze den Südtiroler Unternehmen ge-widmet ist. Made in Südtirol soll eine Art Schaufenster für den Wirtschaftsstand-ort Südtirol sein. Vorgestellt werden Südtiroler Betriebe, unabhängig von Größe und Branche. Die Idee dahinter: Mit der Vorstellung der heimischen Betriebe wird aufgezeigt, wie attraktiv und le-bendig Südtirol als Wirtschafts-raum ist und wie viele Vorzeige-betriebe es gibt. Für die Betriebe selbst sowie für auswärtige Unternehmer und Investoren hat die neue Plattform einen weiteren, sehr konkreten Nutzen: Sie soll Interessenten ermöglichen, künf-tig leichter und schneller Partner für Kooperationen und neue Projekte zu finden. Online sind derzeit bereits Un-ternehmen aus allen Teilen Südtirols, wie etwa Dr. Schär, Leitner, Thun oder Salewa. Interessierte Betriebe wenden sich an BLS-Mitarbeiterin Valentina Casale ([email protected]).www.bls.info

SMARTSocial Media leicht gemacht

INNOVATION. Das Projekt smart will durch Social Media die Wettbewerbsfä-higkeit der regionalen kleinen und mitt-leren Unternehmen stärken. „Das Inter-net ist aus den Unternehmen heute

ren sind in die Loacker Moccaria im Designer Outlet Brenner eingeladen. Im ersten Teil der Veranstaltung werden in Kurzvorträgen die Besonderheiten beim Arbeiten über die Grenze erläutert. Im zweiten Teil der Veranstaltung ist ein speed dating geplant – ein kurzes und schnelles Kennenlernen aller anwesen-den Unternehmer. Anmeldung: [email protected]

FORUM 2012Lebensqualität im Fokus

MARKETING. Ganz im Zeichen von Le-bensqualität steht das diesjährige Fo-rum im Waltherhaus in Bozen, das am 14. Juni 600 Interessierte aus der Touris-mus-, Lebensmittel- und Dienstleis-tungsbranche sowie Agenturen und Marketinginteressierte versammeln wird. Mit dem Werteforscher und Zu-kunftsphilosophen Andreas Giger be-gibt sich das Publikum auf Entdeckungs-reise in Sachen Mega-trends. Im Mittel-punkt steht jener Wert, der nach Giger der Leitwert des 21. Jahrhunderts ist, nämlich die Lebensqualität. Das SMG Forum ist die Hauptveranstaltung der Südtirol Marketing Gesellschaft (SMG) und bringt seit über zehn Jahren The-men und Trends in Sachen Destinati-onsmarketing auf die Bühne. Anmel-dungen unter [email protected] (gzp)

Das SMG Forum ist der jährliche Treffpunkt für Touristiker und Marketingprofis

Die neue Plattform der BLS verbindet Datenbank und Webseite des Unternehmens

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M A I L B OX

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Das Modell Sunset der Marke Movit wurde nicht nur für sein Design ausgezeichnet, sondern ist auch KlimaHaus zertifiziert. Dabei sind ökologische Baumaterialen, ein niedriger Wasser- und Energieverbrauch sowie die Mülltrennung Pflicht. Sunset ist Platz-weltmeister: Auf 34 Quadratmetern finden zwei Schlafzimmer, eine Wohnküche und ein Bad Platz. Großzügige Fensterflächen geben dem Nutzer das Gefühl von Weite und Verbundenheit mit der Natur. Movit ist eine neue Marke von Pircher Oberland. Alle Modelle werden von der Industriedesign-Gruppe Hangar entwickelt und von Pircher hergestellt. www.pircher.eu/movit

Kleine Wohnung auf Achse: Hinter dem englischen Begriff des Mobile home verbirgt sich eine bewegliche Wohneinheit, die vor allem Campingplätze beziehen. Die Wohneinheiten verfügen über Strom-, Wasser- und Abwasseranschlüsse.

Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pircher Oberland, ToblachEntwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hangar Design Group, MailandBesonderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . zertifiziertes KlimaHaus MobileHomePreis . . . . . . . . . . . .Compasso d’Oro ADI, Kat. design per l’ambiente 2011 Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2010

Objekt: Movit®S T E C K B R I E F

M A D E I N A LTO A D I G E

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Zwei Grad plus – mehr darf sich das Klima weltweit nicht erwärmen.Doch nicht jeder ist bereit, die Treibhaus-Emissionen zu reduzieren undverantwortungsvoller mit den Ressourcen umzugehen.

Text: Maria Cristina De PaoliIllustration: Carlo Stanga

AUF KOSTEN DER ZUKUNFT

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Büro oder Betrieb fängt der CO2-Zähler erst kräftig an zu drehen. Die Emissionen eines modernen Mittelklasse-Pkws lie-gen je nach Quelle und Modell zwischen 150 und 250 Gramm pro Kilometer. Wer den Zug nimmt, spart sich und der Um-welt 60 Gramm, mit dem Bus sind es wei-tere 20 Gramm CO2 weniger. Kohlendi-oxid wird beim Verfeuern fossiler Brenn-stoffe freigesetzt. Sein Anteil an den Treibhaus-Emissionen und dem daraus resultierenden Klimawandel liegt welt-weit zwischen 70 und 80 Prozent, wobei der Verkehr einen beachtlichen Part leis-tet. Allein in Europa werden Autos und Lkws, Busse und Motorräder für rund 20 Prozent des gesamten Kohlendioxid-Ausstoßes verantwortlich gemacht.

Mit sparsameren Motoren und wei-terentwickelten Fahrzeugen, mit neuen Technologien und alternativen Konzep-ten versuchen Autoindustrie und Länder nun dem Klimakiller CO2 zuzusetzen. Die deutsche Szene gilt als beson-

Morgens sieben Uhr, der Wecker läutet, schnell unter die Du-sche, eine Tasse Tee: Macht, grob gerech-

net, 1,8 Kilogramm CO2. Wer statt Tee einen Cappuccino trinkt und eine Schei-be Brot dazu isst, muss 370 Gramm Koh-lendioxid dazurechnen; für eine Banane und ein großes Glas Milch sind es weite-re 420 Gramm. Was Rührei und frisch gepresster Orangensaft ausmachen würden, das kann sich jeder selbst aus-rechnen, und zwar auf der Homepage des US-Giganten General Electric (siehe Box Seite 14). Nur eines vorweg: Für eine Sechserpackung Eier rechnet der globa-le Mischkonzern 1,8 Kilogramm Koh-lendioxid.

Dabei hat der Tag erst begonnen, und wir sind noch gar nicht aus dem Haus. Denn mit der Fahrt in Richtung

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gieeffizient das Gebäude ist. Dazu gibt es klare Auflagen aus Brüssel: Bis 2021 müs-sen alle Neubauten in der EU nahezu das Niveau von Null-Energie-Häusern (near-ly zero-energy buildings) erreichen. Wei-ters muss die gesamte Union bis 2050 ihre Abhängigkeit von fossilen Brenn-stoffen drastisch reduzieren. Das Datum scheint nicht zufällig gewählt. Selbst Öl-Multis wie BP gehen davon aus, dass die heute bekannten Erdölreserven bis Mitte des 21. Jahrhunderts erschöpft sein wer-den. Übrigens: Uns geht nicht nur das Erdöl aus, sondern alle fossilen Brenn-stoffe. Laut BP reicht das Erdgas noch 62 und Kohle ganze 216 Jahre – bei gleich bleibendem Verbrauch, versteht sich.

Der Abschied von Öl und Gas wird, so der Fahrplan der EU, in mehreren Schrit-ten erfolgen. Bis 2020 müssen die Mit-gliedsstaaten die Emissionen um 20 Pro-zent senken und die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöhen. Dasselbe gilt für den Anteil an erneuerbaren Energien (plus 20 Prozent). Südtirol ist Partner in der EU-Kampagne Sustainable Energy for Europe (SEE) und hat seine Hausauf-gaben weitgehend in Angriff genommen. Bereits heute deckt das Land 56 Prozent

ders lebhaft. Aber auch Südtirol hat sich auf den Weg zur ambitionierten Emissi-onsreduktion gemacht: mit starken In-vestitionen in ein effizientes Nahver-kehrsnetz (im diesjährigen Landeshaus-halt entfallen 195 Millionen Euro auf den Posten Mobilität, was einem kräfti-gen Plus von 139 Prozent im Vergleich zu 2003 entspricht), aber auch mit neuen Prioritäten, wie der progressiven Einfüh-rung von Elektromobilität (siehe eige-nen Artikel).

Emissionen reduzieren

Der Kampf gegen die Luftverschmut-zung darf sich aber nicht nur auf den Ver-kehr beschränken. Der Hebel zur Minde-rung der CO2-Emissionen muss auch und vor allem bei Strom und Wärme an-gesetzt werden. Heizung runter drehen, Geräte abschalten, Waschmaschine im-mer voll machen, Sparlampen statt Glüh-birnen: Das sind nur einige simple Tipps, mit denen sich in einem Vier-Personen-Haushalt jährlich bis zu zwei Tonnen CO2 einsparen lassen. Noch wichtiger ist es für den Klimaschutz, wie Strom und Wärme produziert werden und wie ener- des Energiebedarfs durch erneuerbaren

Energien; der Verkehr wird dabei nicht berücksichtigt. In acht Jahren sollen es 75 Prozent sein.

Enormes Potenzial

930 Wasserkraftanlagen, die jährlich fast doppelt so viel Strom produzieren, wie im Land verbraucht wird, 70 mit Biomas-se betriebene Fernheizwerke, an die 20.000 Familien angeschlossen sind, 32 Biogasanlagen, in denen die Reststoffe aus Viehzucht, Milchwirtschaft und Le-bensmittelindustrie eingesetzt werden, aber auch 4.151 Fotovoltaikanlagen, 195.000 Quadratmeter Sonnenkollekto-ren, mehrere Windkraftanlagen: Das sind die signifikanten Eckdaten zur Energieproduktion im Land. Das enor-me Potenzial Südtirols wird aber auch von erfolgreichen Einrichtungen wie der KlimaHaus-Agentur, von Projekten wie dem neuen Bozner Stadtviertel Casanova oder von Orten wie Prad bewiesen. Die Marktgemeinde am Stilfser Joch deckt den gesamten Strom- und Wärmebedarf ihrer 3.000 Einwohner mit erneuerbaren Energien ab. Die Hälfte des in Prad pro-

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Der Begriff Nachhaltigkeit ist zum Mode-wort avanciert. Dabei handelt es sich ganz und gar nicht um einen Neologis-mus. Ursprünglich stammt der Terminus aus der Forstwirtschaft, wo es bereits im 18. Jahrhundert hieß: „Schlage nur so viel Holz, wie nachwachsen kann!“ Heute darf Nachhaltigkeit aber nicht nur ökologisch betrach-tet werden. „Sie versteht sich als übergeordnetes Prinzip, das einen verantwor-tungsvollen Umgang mit allen Ressourcen fordert“, liest man auf der Homepage der Technischen Universität Darmstadt. Der umfassende Begriff von Nachhaltigkeit, der neben Ökologie auch Ökonomie und Soziales gleichermaßen berücksichtigt, wurde 1992 geprägt. Und zwar auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt

und Entwicklung in Rio de Janeiro. Da-mals wurde die Agenda 21, das wichtigste entwicklungs- und umweltpolitische Do-kument des 21. Jahrhunderts, verabschie-det. Angela Merkel bezeichnet Nachhal-tigkeit als wesentlichen Teil gelebter Ge-

rechtigkeit und als Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit unserer

Gesellschaft. „Was wir heute tun oder lassen, darf unseren Kindern und Enkeln die Chan-ce auf ein Leben in Wohlstand

und einer intakten Umwelt nicht schmälern“, schrieb die

deutsche Bundeskanzlerin im Vorjahr als Schirmherrin des Deutschen Nachhal-tigkeitstages. Vor über 100 Jahren hatte es der legendäre Sioux-Häuptling Sitting Bull ähnlich formuliert: „Wir haben die Erde nicht von unseren Ahnen geerbt, wir borgen sie uns von unseren Kindern.“

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gie heute eigentlich auf einen Schalter. Ein oder aus – viel mehr lässt sich nicht machen. Die Zukunft sieht allerdings an-ders aus. Unsere Kinder und Enkelkinder werden von überall auf der Welt via Com-puter oder Handy ihren privaten Energie-verbrauch steuern können. Stromerzeu-ger und Verbraucher werden miteinan-der kommunizieren, wobei der Zähler zum Terminal wird.“ Das steigert die Ef-fizienz und ermöglicht höhere Einspa-rungen. „Es hat aber auch noch einen weiteren positiven Nebeneffekt“, so Piet-ro Calò. „Die Konsumenten werden stär-ker in den Kreislauf eingebunden. Sie werden aktiver und dadurch mündiger.“

Klimaschutz bedeutet aber auch ge-zieltes Abfallmanagement. „Der Beitrag kann beachtlich sein“, bestätigt Giulio Angelucci, Leiter des Landesamtes für Abfallwirtschaft. In Südtirol fallen jähr-lich knapp zwei Millionen Tonnen Müll an. Der Löwenanteil geht auf die Rech-nung von Bauwirtschaft, Industrie und Handwerk. Die Siedlungsabfälle machen 236.000 Tonnen aus. Über 55 Prozent da-von werden bereits getrennt gesammelt. Tendenz steigend. Auch deshalb fällt Giulio Angeluccis Öko-Bilanz durchaus

duzierten Stroms fließt sogar in das nati-onale Verteilernetz. 2010 wurde die erste energieautarke Gemeinde Italiens bei der RES Champions League mit Gold ausgezeichnet. Bei diesem europäischen Wettbewerb vergleichen sich Städte und Gemeinden, die sich besonders für den Einsatz erneuerbarer Energien engagie-ren. 2011 wurden auch Toblach, Bruneck und Bozen prämiert.

„Ohne Investitionen in ein modernes, intelligentes Netz werden wir die Mög-lichkeiten der erneuerbaren Energien allerdings nie voll nutzen können“, sagt Pietro Calò, der bei Leitwind für Wind-parks verantwortlich ist. Bei den traditio-nellen Leitungen gehe noch immer viel zu viel Strom verloren. Und eine zusätzli-che Belastung würden sie ohnehin nicht aushalten. Calò spricht von einer radika-len Umstrukturierung. Dabei denkt er nicht nur an schnellere Stromautobah-nen, sondern an sogenannte smart grids. Diese schlauen Alleskönner sind mit mo-derner Informations- und Kommunika-tionstechnik ausgerüstet und werden das Konsumverhalten grundlegend ver-ändern: „Etwas vereinfacht gesehen, re-duziert sich unsere Beziehung zur Ener-

positiv aus: „1994 wurden bei der Entsor-gung der heimischen Abfälle jährlich 100.000 Tonnen CO2 freigesetzt. Mittler-weile sind es 60.000. Und wir arbeiten daran, durch noch mehr Trennung und noch bessere Technologien diesen Wert weiter zu senken.“ Für jeden Einzelnen gelte nach wie vor: Müll vermeiden und Müll trennen. Immerhin verursache, so General Electric, ein Durchschnittsbür-ger mit seinen Abfällen jährlich 230 Kilo-gramm Kohlendioxid. Auf der Home-page von GE wird unter dem Stichwort

„Müll“ aber auch noch ein weiterer Posten angeführt: Für die Wegwerfwindeln, die ein Kind von der Geburt bis zum Sauber-werden trägt, muss man im Schnitt 550 Kilogramm CO2 berechnen.

Klimakiller Ernährung

Unsere persönliche Klimabilanz enthält aber auch noch weitere Überraschun-gen, vor allem was den Ernährungsstil betrifft. Vegetarier und Personen, die rund 2.000 Kilokalorien pro Tag essen, erweisen sich als praktizierende Klima-schützer. Sie setzen mit ihrer Ernährung zwischen 0,65 und 0,98 Tonnen CO2 pro

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Funke übergesprungen

Ursprünglich stammt der Begriff Nach-haltigkeit aus der Forstwirtschaft (siehe Kasten). In Südtirol ist der Funke mitt-lerweile auch auf die Landwirtschaft übergesprungen. „500 Euro pro Hektar bezahlt die Kellereigenossenschaft Ter-lan ihren Mitgliedern, wenn sie gänzlich auf Unkrautbekämpfungsmittel ver-zichten“, sagt Wolfgang Drahorad, di-daktischer Mitarbeiter an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der Universität Bozen. „Das Geld soll den Ankauf entsprechender Maschinen ermöglichen und die Weinbauern für den Mehraufwand beim Mähen ent-schädigen.“ Die Terlaner sind aber nur ein Beispiel für den neuen Wind, der hierzulande über Weinberge und Obst-gärten, Wiesen und Äcker weht. „Heute werden regelmäßige Bodenanalysen ge-macht und genaue Düngungspläne er-stellt“, sagt Drahorad. „Das war nicht immer so.“ Früher habe sich der Bauer auf Gefühl und Erfahrung verlassen, wo-bei Überdüngung kein Problem war. Ganz nach dem Motto: Es wird schon nicht schaden.

Jahr frei. Ein typischer Fleischesser kommt hingegen locker auf 1,82 Ton-nen. Ein einziger Hamburger bringt be-reits, so General Electric, 2,5 Kilogramm CO2 auf die Waage. Ursache sind unter anderem die gefährlichen Klimagase, die bei der Rinderhaltung entstehen. Ap-ropos Ernährung: Wer es für sich wissen will, braucht nur einen der vielen CO2-Rechner im Netz mit seinem Menüplan zu speisen. Wer darüber hinaus dem Computer verrät, ob er lieber duscht oder badet, wie er die Wohnung heizt und woher er den Strom bezieht, wie lan-ge er täglich vor dem Bildschirm sitzt und wie heiß er die Wäsche wäscht, kann seinen ökologischen Fußabdruck be-stimmen. Damit lässt sich die Zukunfts-fähigkeit des eigenen Lebensstils testen.

Für den kleinen Hunger zwischen-durch beißt man also am besten in einen frischen Apfel. Doch aufgepasst: Kommt die Frucht aus dem Garten, macht der Snack Null Gramm CO2 aus. Ist der Apfel

„nur“ lokal und saisonal, muss man be-reits zehn Gramm Kohlendioxid berech-nen. Für Obst aus dem Supermarkt wer-den 80, für eine importierte Sorte sogar 150 Gramm pro Stück angegeben.

E N E R T O U R E N E R G I E E N T D E C K E N

Nicht nur mittelalterliche Burgen und atemberaubende Bergpanoramen, sondern vor allem Klimahäuser und Anlagen zur Herstellung erneuerbarer Energien sind das Ziel eines neuen Tourismusangebotes, das von Südtirol ausgeht und nach Südtirol führt. ener-tour wurde 2006 vom TIS innovation park und der Stiftung Südtiroler Sparkasse initiiert und spricht seitdem ein ständig wachsendes Pu-blikum von Fachleuten, Unternehmern, Stu-denten und interessierten Bürgern an. Im Vorjahr wurden 1.500 Teilnehmer gezählt. Ihnen standen landesweit 150 Besichti-gungsobjekte zur Auswahl.„Seit 1992 wurden in Südtirol 1,6 Milliarden Euro in den Ausbau und in die Nutzung erneu-erbarer Energieträger investiert“, sagt Sepp Wal-der vom TIS innovation park. „Damit werden bereits 56 Prozent unseres Strom- und Wärmebedarfs gedeckt. Au-ßerdem arbeiten mittlerweile 450 Betriebe in diesem Sektor.“

Gleich mehrere Gründe, um sich die Realität im Land näher an-zusehen.

„Wir bieten den Teilnehmern Technologien zum Anfassen, darüber hinaus viel praktisches Wissen und Erfahrungen

sowie Kontakte zu Experten und Unternehmen“, sagt Walder. Aber auch Südtirol profitiere von der Initia-

tive: „Die Positionierung als Klimaland wird deut-lich gestärkt.“ In Zukunft soll das Produkt noch weiter ausge-baut werden, wobei eine Spezialisierung des An-gebotes geplant ist. Ab 2012 soll es enertouren für Experten, Energie-Exkursionen für Touristen und Familien sowie Studienfahrten für Ober- und Be-

rufsschüler geben.

Hier geht es zu Kurzfilmen zum Thema Energieeffizienz und enertourwww.enertour.bz.it

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Über eine geänderte Einstellung be-richtet der Agronom auch bei der Schäd-lingsbekämpfung. Drahorad spricht von neuen Biotechnologien, die das Unge-ziefer so sehr „verwirren“, dass sich Männchen und Weibchen erst gar nicht mehr finden, von willkommenen Höh-lenbrütern, denen es zwischen den Äs-ten bequem gemacht wird, und von praktischen Hecken, die nützliche Tiere anziehen. Aber auch in der Sortenwahl komme der Nachhaltigkeitsgedanke zum Tragen. „Nicht nur der höhere Qua-litätsanspruch ist dafür verantwortlich, dass viele Sorten heute nur mehr dort angepflanzt werden, wo sie auch optimal gedeihen.“ So werde beispielsweise der Golden Delicious zunehmend aus der Talsohle verschwinden, wo er eher be-rostet, also die Fruchthülle verletzt wird, dafür aber in den Hanglagen oder im Vinschgau weiter erhalten bleiben.

Wenn von Erderwärmung und Kli-mawandel gesprochen wird, geht es in der Landwirtschaft immer auch ums Wasser. „Die Anpassungsstrategien müssen auf effiziente Bewässerungssys-teme aufbauen“, liest man im Klimare-port der Eurac. Dazu zählt auch die

Tröpfchen-Bewässerung, auf die viele Bauern derzeit umsteigen. „Damit las-sen sich allein im Obstbau im Vergleich zur Kronenberegnung zwei Drittel des Wassers sparen“, so Drahorad.

Ökonomisch sinnvoll

Ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Ressourcen wird schon lange nicht mehr nur von Ökoradikalen gepre-digt, sondern wird auch von weiten Tei-len der Politik und Wirtschaft gefordert. Die Kritik an ungebremstem Wachstum wird zunehmend salonfähig. Dabei ha-ben viele bereits verstanden, dass sich die neue Einstellung auch ökonomisch rechnet. Vom anhaltenden Interesse an Umweltschutz und Nachhaltigkeit profi-tiert beispielsweise die deutsche Um-weltBank AG mit Sitz in Nürnberg. Im Vorjahr ist das Geldinstitut nochmals kräftig gewachsen. Der Gewinn legte um 9,6 Prozent auf elf Millionen Euro zu. 2011 war die Aktie der UmweltBank der erfolgreichste Titel unter den börsenno-tierten Banken in Deutschland. Mit den Einlagen ihrer 92.000 Kunden finanziert die „grüne“ Anlagen- und Kreditbank

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In den vergangenen zehn Jahren hat sich die heimische Bau- szene zunehmend belebt. In diese Realität hat das Phänomen KlimaHaus voll eingeschlagen. 2002 wurde das Projekt gestar-tet, 2006 die gleichnamige Agentur gegründet. In knapp zehn Jahren sind allein in Südtirol über 3.000 Neubauten entstanden, die den Kriterien der Energieeffizienz entsprechen und als Klima-häuser der Klassen A, B oder Gold zertifiziert wurden. 75 Prozent aller Südtiroler Immobilien sind jedoch älter als 25 Jahre. Hier lassen sich Energiekosten und CO2-Emissionen nur durch energetische Sanierungen senken. Dazu müssen die Ge-bäude jedoch zunächst energetisch bewertet werden. Auch die-sen Service bietet die KlimaHaus-Agentur an. Weiters besteht die Möglichkeit, die Umweltweinwirkungen einer Immobilie zu be-rechnen. Die so genannten Nachhaltigkeitszertifizierungen kön-nen für Wohngebäude, Hotels, Wohnsiedlungen oder Weinkelle-reien in Anspruch genommen werden. KlimaHaus Work & Life steht hingegen für die Bewertung von Bürogebäuden, Firmen und Dienstleistern. Das Siegel berücksichtigt ökologische, sozio-kulturelle und ökonomische Aspekte. Eine moderne Interpretati-

on des Bungalows liefert dagegen die Zertifizierung KlimaHaus MobileHome, während das KlimaHaus-Qualitätssiegel Konsumen-ten bei ihrer Kaufentschei-dung von Fenstern und Türen unterstützen will. Alljährlich verleiht die Agentur zudem eigene Awards für besonders gut gelunge-ne Klimahäuser. Ende Jänner ist die siebte Aufla-ge der KlimaHaus-Fachmesse in Bozen über die Bühne ge-gangen. Darüber hinaus hat das Projekt KlimaHaus seit seiner Gründung das Know-how von Baugewerbe und Handwerk stark beeinflusst. Seit 2002 wurden über 20.000 Teilnehmer aus zwölf verschiedenen Ländern an den Weiterbildungsangeboten der Agentur gezählt. Dass das Produkt zudem exportfähig ist, beweist der große Erfolg auf dem italienischen Markt.

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Umweltprojekte vom Ökohaus übers Hybridkraftwerk bis zur Solaranlage.

Etwas für die Umwelt tun und dabei auch noch Kosten sparen, das ist das Er-folgsrezept des Camping Moosbauer in Moritzing. Seit 2007 ist der Camping-platz bei Bozen Mitglied von Eco Cam-ping. „Der Verein hat vor 13 Jahren in Deutschland ganz klein angefangen“, sagt Chef Klaus Egger, „und zwar mit zehn Stellplätzen am Bodensee.“ Inzwi-schen hätten sich europaweit über 280 Campingplätze dem Netzwerk ange-schlossen, elf davon in Südtirol. „Was mich von Anfang an überzeugt hat, war der prozessorientierte Ansatz“, so Egger.

„Hier geht es um Nachhaltigkeit und Um-weltschutz, aber auch um Qualität und Kosten. Den Mitgliedern werden die not-wendigen Instrumente geliefert.“ Was schlussendlich umgesetzt wird, müsse jeder für sich und seinen Betrieb ent-scheiden. „Wir haben unsere Solaranla-ge zur Warmwasseraufbereitung neu überdacht, die Hygienisierung des Schwimmbades von Chlor auf Salz um-gestellt, Bewegungsmelder eingebaut, die Wasserhähne und Duschen mit Auf-sätzen versehen, die beim Wassersparen helfen, einen Recyclinghof eingerichtet, in dem sogar Lampen und Gaskartu-

schen getrennt gesammelt werden und den Anteil an regionalen Produkten in Restaurant und Shop deutlich erhöht“, sagt Egger. 2007 wurde der Camping-platz als Eco Camping zertifiziert. Alle drei Jahre wird nachkontrolliert. „Frei-lich hat die Umstellung Geld und Einsatz gefordert. Ich habe dabei aber auch mei-nen Betrieb besser kennengelernt und gesehen, wo effizienter gearbeitet wer-den kann.“ Ökologisches Wirtschaften ist, davon ist Egger überzeugt, nur mög-lich, wenn Nachhaltigkeit und Qualitäts-management Hand in Hand gehen.

Vorbilder gefragt

Freitag, 20 Uhr – und noch immer kein Programm für den Abend? Wer die Inspi-ration im Netz sucht und dabei ziellos durchs Web jagt, sollte es wissen: Einmal

„googlen“ entspricht einer Stunde Licht. Genauer gesagt: Jede Anfrage an eine Suchmaschine erzeugt Energiekosten, mit denen eine Sparlampe rund 60 Minu-ten lang brennen könnte. General Elec-tric rechnet ganz genau: Weltweit setzt Suchen im Internet jedes Jahr 22.600 Tonnen CO2 frei. Zumindest beim Ein- und Ausloggen morgens und abends sollte man daran denken.

Denn der Klimawandel findet statt. Zei-chen dafür gibt es genügend. Den Inuit in der Arktis schmilzt der Boden weg, den Nomadenvölkern der Sahelzone verdorrt er unter den Füßen. Steigende Meeres-spiegel überfluten ganze Küstenstreifen. Ernteausfälle und Wasserknappheit, Hunger und Armut werden Millionen von Menschen zu Klimaflüchtlingen ma-chen. „Der Kampf um Lebensraum und Ressourcen wird wachsen, und mit ihm die Gefahr militärischer Konflikte“, sagt Peter Hennicke, langjähriger Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Um-welt, Energie.

Die Erderwärmung wird man auch in Südtirol spüren. Daran müssen wir glau-ben. Was wir aber nicht dürfen, ist taten-los zusehen. Denn jedes auch noch so kleine Land, jeder entlegene Ort, jeder einzelne Mensch kann selbst kaum et-was verändern, doch anderen als Vorbild dienen. Oder, wie es Hennicke formu-liert: „Wer durch gutes Beispiel demons-triert, dass nachhaltiges Wirtschaften erfolgreich möglich ist, der handelt nicht nur im Eigeninteresse, sondern löst einen Domino-Effekt aus.“ Andere Unternehmen und langfristig auch gan-ze Volkswirtschaften werden folgen.

„Deshalb sind mutige Vorreiter für die ökologische Modernisierung und für ei-nen globalen Green New Deal so wichtig.”

C O 2 U N D F U S S A B D R U C K

CO2 – jeder Mensch, jede Aktivität, alles, was wir tun, verursacht den mittlerweile problematischen Anstieg von Kohlendioxid. Eine gute grafische Übersicht gibt es auf der renommier-ten Statistik-Seite www.gereports.com

(Stichwort „How much CO2 is created by“ ein-geben oder QR-Code scannen)

Einen guten Rechner zum Thema ökologischen Fußabdruck hat der TIS innovation park ge-meinsam mit mehre-ren Partnern erstellt. www.footprint.bz.it

Einmal googlen verursacht Energiekosten für eine Stunde Strom einer Sparlampe

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T I T E L : NACHHALTIGKEIT | Auf Kosten der Zukunft

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Grüner Strom

In Südtirols Wasserkraftwerken wird doppelt so viel produziert, wie im Land verbraucht wird. Der Überschuss wird in die Nachbar-regionen exportiert. Der Strom aus erneuerbaren Energien kommt zu 95 Prozent aus Wasserkraft, dann folgen Biogas, Fotovoltaik und Wind. Im Wärmesektor werden 32 Prozent des Verbrauchs mit erneuerbaren Energien abgedeckt. Viele Gebäude in Südtirol werden mit biomassebetriebenen Fernheizwerken, mit Holz- und

Kleinfeuerungs- oder Solaranlagen warm gehalten. Anders in der Industrie: Hier herrschen fossile Energieträger vor. Am schwäch-sten in Sachen erneuerbare Energie sieht es im Mobilitätsbereich aus und dies nicht nur in Südtirol: Die Anzahl der Fahrzeuge, die nicht mit fossilen Brennstoffen fahren, ist verschwindend klein. Die öffentliche Hand will dies in Südtirol in den nächsten Jahren deut-lich verändern. Nimmt man den gesamten Energiekonsum unter die Lupe, so liegt der Anteil der Energien aus erneuerbaren Quellen noch deutlich unter der Hälfte.

Südtirols Energieverbrauch nach Bereichen

S T R O M

1 %

99 %

M O B I L I T Ä T

100 %

W Ä R M E

68 %

32 %

E N E R G I E N

erneuerbar

nicht erneuerbar

62 %

38 %31 %

25 %44 %

B E R E I C H E

0 %

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T I T E L : NACHHALTIGKEIT | Infografik

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Wir kompensieren. Das Hotel Feldmilla in Sand in Taufers ist das erste klimaneutrale Haus in Südtirol. Der unvermeidbare Restausstoß an CO2 wird durch die Finanzierung eines Umweltprojektes in Guatemala kompensiert.

IM HELLEN FRÜHSTÜCKSRAUM steht die alte Turbine zwischen modernen Ti-schen und bequemen Ledersesseln – un-übersehbar und ungewöhnlich, doch ab-solut passend. Denn das Rad aus schwe-rem Gusseisen steht wie kein anderes Objekt im Haus für die treibende Kraft hinter dem Hotel Feldmilla in Sand in Taufers. 2011 wurde der Betrieb zum ers-ten klimaneutralen Hotel Südtirols ge-kürt. Nachhaltiges Wirtschaften ist der Unternehmerfamilie Leimegger aber nicht erst seit Kurzem ein Anliegen. „Wir haben eigentlich schon immer nach die-sem Grundsatz gearbeitet und gelebt“, erklärt Juniorchefin Ruth. „Nun haben wir beschlossen, auch etwas daraus zu machen und unsere Besonderheiten als Alleinstellungsmerkmal zu nutzen.“

Ruth Leimegger spricht vom eigenen E-Werk, das die Familie seit 1939 be-treibt und das den gesamten Strom fürs Hotel liefert. „Vor 15 Jahren haben wir außerdem Wärmepumpen im Keller in-

stalliert, die durch das Wasser der Ahr betrieben werden. Und wenn das Bach-wasser definitiv zu kalt wird, beziehen wir die notwendige Energie aus dem Fernheizwerk der Gemeinde. Wir sind seit dem Vorjahr angeschlossen.“ 2005 wurde zudem das gesamte Hotel nicht nur qualitativ erweitert, sondern auch weitgehend energetisch saniert.

Auf Herz und Nieren geprüft

Trotz allem sei es aber nicht gelungen, den Betrieb emissionsfrei zu machen.

„Wir ließen uns auf dem Endspurt zum klimaneutralen Hotel von einem Münchner Beratungsunternehmen be-gleiten. Die Leute von ClimatePartner haben unser Haus, aber auch unseren Lebensstil auf Herz und Nieren geprüft. Selbst der private Fuhrpark der Familie wurde, ebenso wie der Arbeitsweg des Personals, unter die Lupe genommen“, erzählt Ruth Leimegger. Sie selbst sei

S A N D I N T A U F E R S C O 2 - N E U T R A L

2008 war sie die erste Agenda 21-Gemeinde Südtirols. nun will Sand in Taufers auch der erste CO2-neutrale Ort im land werden. „Seit sechs Jahren arbeiten wir daran“, sagt Bürgermeister Helmuth Innerbichler. Als Grundlage diene ein umfassendes Energiekon-zept, das die Nutzung von Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme und Biomasse vorsieht. Das grüne Programm der Pustertaler Markt-gemeinde (5280 Einwohner auf einer Fläche von 167,47 Quadrat-kilometern) sieht die Einführung eines kommunalen Energiema-nagements in allen öffentlichen Gebäuden vor. „Hier haben wir nichts investiert, sondern nur optimiert, und dabei die Kosten um 15 Prozent gesenkt“, so Innerbichler. 20 Millionen Euro investiert hat die Gemeinde hingegen in das örtliche Biomasse-Fernheiz-werk. 2013 gehen die Bauarbeiten in die Endphase. Mindestens zwei Drittel des Heizbedarfs der gesamten Gemeinde sollen in Zukunft durch die Anlage abgedeckt werden. „Ein Teil ist bereits in Betrieb, und der Zuspruch ist größer als erwartet.“ Wärme aus Hackgut, Strom von der Sonne: 200 Fotovoltaik- anlagen gibt es derzeit in Sand in Taufers. Insgesamt liefern sie

3,3 Megawattstunden. „Das entspricht einer jährlichen CO2- Einsparung von über 900.000 Kilogramm“, rechnet der Bürger-meister. Zu einer Reduzierung der Emissionen würden weiters die Gasautos im Gemeindebauhof, die Fotovoltaik-Beleuchtung an der Industriestraße und der neue Kindergarten in Mühlen mit KlimaHaus-Standard „A“ beitragen. „Wir animieren die Bevölke-rung, erneuerbare Energiequellen zu nutzen, sprich saubere Energie zu produzieren. Die Verteilung der Energie bleibt jedoch immer der Gemeinde vorbehalten“, so Innerbichler. In Rein in Taufers habe ein Privater auf 1700 Metern Meereshöhe eine Windturbine errichtet. Im Hauptort selbst hätten sich hingegen Bauern und Viehzüchter zu einer Genossenschaft zusammenge-schlossen. Gemeinsam betreiben sie die Biogasanlage Biowatt. Dem Bürgermeister liegt aber auch noch ein weiteres Projekt am Herzen. „Es sieht die energetische Sanierung von 50 Häusern vor, wobei die Gemeinde ein Beratungspaket geschnürt hat. Wir unterstützen die Hausbesitzer bei der verwaltungstechnischen und praktischen Umsetzung.“

monate-lang geses-sen, um alle Daten zu sam-meln. „Schließ-lich war es möglich, unseren CO2-Fußab-druck zu erstellen, die noch vorhandenen Emissio-nen zu quantifizieren und auch die Schwachstellen im System ausfindig zu machen.“

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T I T E L : NACHHALTIGKEIT | Klimahotel

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Die Turbine im Frühstücksraum ist Programm: Das Hotel wird mit Strom aus dem eigenen E-Werk betrieben

Der CO2-Ausstoß des Hotels Feld-milla beträgt derzeit 13 Tonnen jähr-lich. Zum Vergleich: „13 Tonnen CO2 im Jahr entsprechen in etwa zwölf Kilo-gramm pro Übernachtung samt Ver-pflegung“, erklärt Simon Köppen von ClimatePartner. „In einem durch-schnittlichen Hotel liegt dieser Wert bei rund 30 Kilogramm.“ Im Feldmilla sind weder die Infrastruktur noch die Energieerzeugung, sondern vor allem der Einkauf für die Restemissionen ver-antwortlich. „Es ist für uns heute nicht möglich, ausschließlich auf regionale Produkte zurückzugreifen, weil es viele Lebensmittel hier überhaupt nicht oder nur zu bestimmten Jahreszeiten gibt“, sagt Ruth Leimegger. Oft sei es aber – wie beispielsweise bei den Eiern – auch eine Frage des Preises: „Jene fürs Früh-stücksbuffet kommen – immer wenn sie verfügbar sind – frisch vom Bauern.

Für die Küche wären diese allerdings viel zu teuer.“

Die Bemühungen, die Gäste von den Vorteilen einer rein regionalen und saisonalen Küche zu überzeugen, würden zwar fruchten. „Die Leute se-hen es durchaus ein, dass es mitten in den Bergen nicht immer Ananas sein muss.“ Dennoch werde von einem Vier-Sterne-Haus ein bestimmter Standard verlangt. „Und das kann man nicht ein-fach ignorieren.“

Klimaschutzprojekt

Absolut akzeptiert werden hingegen die 20 Cent pro Nächtigung, die das Haus seinen Gästen zusätzlich in Rechnung stellt. „Mit diesem Geld kompensieren wir unsere Emissionen, indem wir ein Klimaschutzprojekt in Guatemala mit-finanzieren.“ Das Hotel unterstütze den

Bau eines Wasserkraftwerkes inklusive der Ausbildung des Personals in Pueblo Nuevo Vinas. „Unsere Kunden finden es cool.“ Vielleicht auch deshalb, weil die Gäste während des Urlaubs immer wie-der auf die Philosophie des Hauses auf-merksam gemacht werden. „Die Leute frühstücken direkt neben der Turbine und auf der Frühstückskarte finden sie alle Informationen dazu“, schildert Ruth Leimegger. Die Zertifizierung zum klimaneutralen Hotel stellt für die jun-ge Pusterer Hotelierin nicht nur das Ziel langjähriger Bemühungen, sondern auch den Anfang einer neuen Phase im Betrieb dar. „Die Presse ist durch die Auszeichnung auf uns aufmerksam ge-worden. Und mit ihr auch neue Reiseve-ranstalter, die sich auf Ökotourismus spezialisiert haben.“ Gerade für die Ne-bensaison würden sich so neue Chan-cen eröffnen.

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Sonne und Wind. Europa 2050 – wie werden sich die Produktion und der Konsum von Energie bis dahin verändern? Wolfram Sparber, Leiter des eurac-Instituts für Erneuerbare Energien, skizziert ein mögliches Szenario mit vielen Fakten und einigen Fragezeichen.

WOLFRAM SPARBER

Wolfram Sparber (Jahrgang 1976) hat Angewandte Physik an der Technischen Universität Graz und an der Universitad Autonoma de Barcelona studiert. Seit 2005 leitet er das Institut für Erneuerba-re Energie der Europäischen Akademie in Bozen. Er ist Vizepräsident der Europäi-schen Technologieplattform für erneuer-bare Heiz- und Kühlsysteme und seit De-zember 2011 auch Präsident der SEL AG. Weiters ist Sparber seit 2006 Gastprofes-sor an der Freien Universität Bozen, an der Ritsumeikan Asia Pacific University in Japan und am Politecnico in Mailand.

Herr Sparber, bis 2050 will die EU die CO2-Emissionen in den Mitgliedsländern zwischen 80 und 95 Prozent senken. Wird in knapp 40 Jahren jedes Auto mit Strom fahren und jedes Haus mit der Sonne geheizt werden?Brüssel strebt eine Dekarbonisierung an. Das kann nur gelingen, wenn EU-weit bei Strom und Wärme komplett und beim Verkehr weitgehend auf er-neuerbare Energien umgestellt wird. Die restlichen fünf bis zehn Prozent Kohlendioxid werden vor allem ener-gieintensiven Industrieprozessen und dem Sorgenkind Verkehr zugebilligt werden.

Worauf wird Europa setzen?Für die Stromproduktion vor Ort wird vor allem die Fotovoltaik an Bedeutung gewinnen. Viel Potenzial liegt auch in solarthermischen Kraftwerken. Vor al-lem aus Spanien und Kalifornien ken-nen wir die großen Parabolspiegel, die die Sonnenwärme einfangen und diese dann an Wasser oder Thermoöle weiter-leiten. Diese treiben wiederum klassi-sche Dampfturbinen an. Die Wärme kann bis zu sechzehn Stunden lang ge-speichert werden. Das macht das Sys-tem weniger abhängig von der Sonnen-

Und die Kernkraft?Seit Fukushima hat sich vieles geändert. In Japan sind derzeit von 54 Anlagen 50 außer Betrieb. Nach dem Ausstieg Deutschlands und dem Nein Italiens zur Atomenergie bröckelt der Konsens langsam auch in Frankreich. Recht kontrovers diskutiert sind derzeit auch CO2-neutrale Kohlenkraftwerke, bei de-nen das Kohlendioxid der Verbrennung eingefangen und unterirdisch gelagert wird. Das Verfahren, das noch viele Fragen aufwirft, wird im Englischen Carbon Capture and Storage, kurz CCS, genannt. Obwohl das Gas in stabilen geologischen Strukturen gelagert wer-den soll, wissen wir nicht, ob und wann es wieder entweichen wird.

Bisher war vorwiegend vom Strom die Rede. Wie sieht es mit der Wärme aus, sprich bei der thermischen Energie?Thermische Energie kann nicht weit transportiert werden. Jede Region muss somit lokale Lösungen finden. Derzeit werden südtirolweit über fünfzig Pro-zent des Wärmebedarfs mit fossilen Brennstoffen gedeckt. In den kommen-den Jahren wird voraussichtlich die

Nutzung von Biomasse weiter steigen. Es werden einzelne neue Biogasanla-gen entstehen. Und wie bei unseren Schweizer Nachbarn wird man wahr-scheinlich auch hierzulande vermehrt auf elektrisch betriebene Wärmepum-pen zurückgreifen. Immerhin produzie-ren sie mit einer Kilowattstunde Strom drei bis vier Kilowattstunden Wärme. Weiteres Potenzial liegt in der Nutzung der Abwärme aus Industriebetrieben. Die große Wende kommt aber nur, wenn man den Verbrauch massiv redu-

einstrahlung und erlaubt es, auch in den Abendstunden Strom zu erzeugen.

Viel Sonne also, aber auch Wind und Wasser?Die Wasserkraft ist sehr effizient, wurde aber bereits intensiv ausgebaut. Euro-paweit ergeben sich hier nur mehr ge-ringe Wachstumsszenarien. Noch zei-gen muss sich, ob sogenannte Gezei-tenkraftwerke neue Möglichkeiten eröffnen. Rein technisch sind sie recht attraktiv. Die Rotoren können nicht nur an den Küsten, sondern auch in Meer-engen installiert werden, wo die Strö-mungen besonders stark sind. Anders als beim Wasser ist es beim Wind. Die Windkraft wird weiterhin ein großes Thema bleiben , weil sich damit Ener-gie kostengünstig produzieren lässt.

Werden wir in Zukunft also neben den Paneelen auf dem Dach auch noch alle unser persönliches Windrad im Garten stehen haben?Das scheint mir weniger wahrschein-lich. Kleine Anlagen bringen nur unter bestimmten Umständen einen Vorteil. Vielmehr werden weiterhin Windparks entstehen – und zwar insbesonde-re vor den euro-päischen Küsten.Derzeit wird au-ßerdem über die Möglichkeit dis-kutiert, mit dem überschüssigen Windstrom Gas zu produzieren. Über einen chemischen Prozess wird mithilfe der Windkraft Methangas hergestellt. Der gesamte Kreislauf ist weitgehend CO2-neutral, da bei der Herstellung des Gases jene Menge an Kohlendioxid der Atmosphä-re entzogen wird, die anschließend bei der Verfeuerung wieder freigesetzt wird. Dieses Verfahren hat außerdem den Vorteil, dass unser Gasnetz sowie be-stehende Gaskraftwerke weiterhin ge-nutzt werden können.

„Derzeit bringen wir jährlich nur ein Prozent der alten Bausubstanz energetisch auf Vordermann.“

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T I T E L : NACHHALTIGKEIT | Interview

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ziert und die Energieeffizienz der Ge-bäude stark erhöht. Bei Neubauten hat sich bereits viel getan – Stichwort Kli-maHaus. Nun stellt sich die Frage, wie man die thermischen Sanierungen von Altbauten forcieren kann. Derzeit wird jährlich knapp ein Prozent der alten Bausubstanz energetisch auf Vorder-mann gebracht. Bei gleich bleibendem Tempo wird es hundert Jahre dauern, bis alle Gebäude saniert sein werden und der Verbrauch massiv gesenkt wer-den kann. Laut EU-Roadmap haben wir aber nur vierzig Jahre Zeit.

Noch schwieriger scheint eine Reduzie-rung der Emissionen beim Verkehr…Der Verkehr ist und bleibt kritisch. Hier brauchen wir vor allem effiziente Nah-verkehrsnetze, aber auch ein breites Umdenken ist notwendig. Nutzen statt Besitzen ist eines der Leitmotive, die den Verkehr der Zukunft prägen werden. Auf dem Land wird sich der Trend wohl nur schwer durchsetzen. In vielen Großstäd-ten wird das neue Verhältnis der Men-schen zum Automobil jedoch bereits vorexerziert: Der tägliche Pendlerver-kehr wird über öffentliche Verkehrsmit-tel abgewickelt. Zum Ausgehen nimmt man ein Taxi. Wer wegfährt, wendet sich an den nächsten Carsharing-Point, wer größere Gegenstände transportieren muss, mietet sich einen Lieferwagen. Und fürs Wochenende mit der Freundin leistet man sich ein Cabrio.

Stichwort E-Mobility.Was sicher kommen wird, ist die Elek-trifizierung der zwei Räder. Im asiati-schen Raum ist dieser Prozess bereits stark vorangeschritten. Aber auch Hy-bridfahrzeuge werden sich künftig stärker durchsetzen.

Südtirol hat für sich den Anspruch erho-ben, bis 2050 energieautark zu sein. Ist das Ziel realistisch?Südtirol hat gute Voraussetzungen, eine weitgehend neutrale Energie-Bi-lanz zu erreichen, also im Lauf eines Jahres dieselbe Menge an Energie zu erzeugen, die es verbraucht – allerdings eingebettet in das europäische Energie-netz. Um dieses Ziel langfristig errei-chen zu können, müssen wir aber be-reits heute klare Akzente setzen.

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Die Zukunft hat begonnen

Südtirol hat die progressive Einführung von Elektromobilität zu seinem strategischen Ziel deklariert. Für den öffentlichen Verkehr

wurden die Voraussetzungen bereits geschaffen.

Fahrspaß ohne Emissionen: An entsprechenden Technologien wird derzeit weltweit gearbeitet

Seilbahn oder der Integration von Bahn und Radverleih habe Südtirol die Vor-aussetzungen für die Einführung von Elektromobilität bereits geschaffen, so Widmann. Zu den primären Anliegen zählt nun der Aufbau einer Flotte von E-Fahrzeugen für den öffentlichen Nahver-kehr. Wo es die Technologien erlauben, sollen die Busse künftig mit Strom oder Wasserstoff fahren. Nach Fertigstellung der Wasserstoff-Produktionsanlage in Bozen Süd wird es dafür sogar einen

„hauseigenen“ Treibstoff geben.Der öffentliche Verkehr ist aber nur

ein Teil eines umfassenden Systems, das vom Carsharing über E-Roller und E-Rä-der bis hin zu den Aufstiegsanlagen und Seilbahnen reicht. Ein Sektor, in dem Südtirol besondere Kompetenzen be-sitzt und wo die Möglichkeit besteht, be-reits erprobte Technologien einzuset-zen. Das Mobilitätsressort unterstützt

chen. Derzeit wird – und zwar weltweit – auf Hochdruck an entsprechenden Technologien und Konzepten gearbei-tet. Insbesondere Japan, die USA, China und Deutschland – aber auch die EU – in-vestiert jährlich Hunderte von Millionen Euro in die Forschung. Vor diesem inter-nationalen Szenario hat nun auch Südti-rol „die progressive Einführung von Elektromobilität als eines seiner strate-gischen Ziele deklariert“, wie Landesrat Thomas Widmann bestätigt. Damit spielt sich das Land an die Spitze der Liga der alpinen Regionen, wo das The-ma bisher kaum als Gesamtkonzept an-gedacht wurde.

Umfassendes System

Durch den massiven Ausbau von Bus und Bahn, aber auch dank diverser Lö-sungen wie der Verbindung von Zug und

0Emissionen, kein Ge-räusch – so werden Ende September die Teilneh-mer der ADAC eRallye Süd-tirol anrollen. 25 Elektro-mobile werden sich unter dem Motto „Alps Zero“

an fünf Tagen auf fünf verschiedenen Routen quer durch das Land messen. Die Besonderheit dieses Rennens, das vom ADAC-Magazin Motorwelt und von der Südtirol Marketing Gesellschaft (SMG) ins Leben gerufen wurde, ist der Einsatz von ausschließlich serienmäßig hergestellten Fahrzeugen mit vier Rä-dern, die durch einen Elektromotor an-getrieben werden.

Die Veranstaltung will der wachsen-den Bedeutung einer umweltfreundli-chen Mobilität Rechnung tragen. Sie soll aber auch die Bemühungen Südti-rols um eine neue Mobilität unterstrei-

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T I T E L : NACHHALTIGKEIT | Mobilität

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zudem die Entwicklung von themenspe-zifischen E-Bike-Rundwegen, auf denen man künftig innovative Akku-Tausch- und Ladestationen testen will.

Das Umrüsten auf einen weitgehend emissionsfreien öffentlichen Verkehr bringt laut Widmann aber nicht nur öko-logische und gesundheitliche, sondern auch wirtschaftliche Vorteile. So im Tou-rismus, wo der eingeschlagene Weg als Alleinstellungsmerkmal und Mehrwert genutzt werden kann. Großes Potenzial sieht der Landesrat auch für die Schaf-fung qualifizierter Arbeitsplätze. Die grünen Technologien seien zudem eine Chance für viele Betriebe.

Zu den Firmen, die sich bereits auf dieses Terrain gewagt haben, zählt die Letsmove GmbH mit Sitz in Gargazon, die sich auf sanfte Mobilität spezialisiert hat und auch Elektrobusse vermark-tet. „Kürzlich hat das Ressort für Mobilität eine Studie in Auftrag gege-ben“, sagt Daniel Campisi von Letsmo-ve. „Sie soll prüfen, ob auf den Strecken nach St. Vigil, zur Plätzwiese und auf die Seiser Alm künftig Elektrobusse einge-setzt werden können.“

Preisdifferenz schreckt ab

Und was passiert im Privatverkehr? Laut einer Umfrage des Bonner Instituts für angewandte Sozialwissenschaft infas fah-ren in Deutschland neun von zehn Pkw-Nutzer täglich weniger als 100 Kilometer.

Das bedeutet: Mit den aktuell am Markt verfügbaren Elektroautos könnten be-reits mehr als die Hälfte aller deutschen Autofahrer ihren Alltag problemlos be-wältigen. Mit künftig noch leistungsfähi-geren Energiespeichern könnten sich sogar bis zu 97 Prozent der Autofahrer ihre Mobilitätswünsche erfüllen. Aller-dings würde bis dato vor allem der Preis, so die Studie, viele Pkw-Besitzer vom Kauf eines Elektroautos abhalten.

Eine These, die Campisi so nicht gelten lässt: „Wer das behauptet, hat die Rechnung nicht bis zum Schluss ge-macht und nicht alle Faktoren berück-sichtigt.“ Die wahren Gründe vermutet Campisi anderswo: „Wir haben heute alle ein enormes Freiheitsbedürfnis, das von der Autowerbung noch kräftig unter-stützt wird. Ein Pkw-Besitzer will wissen, dass er mit seinem Wagen spontan zum Gardasee und wieder retour fahren kann.“ Mit einem reinen E-Fahrzeug sei dies derzeit noch nicht möglich. „Vielen Konsumenten fehlen zudem die ent-sprechenden Erfahrungswerte. Nie-

mand kann mir heute sagen, wie lange eine Batterie betriebsfähig bleibt.“ Dazu würden sich auch noch gesetzliche Hür-den gesellen. „Es ist – zumindest in Itali-en – nicht möglich, einen bereits zuge-lassenen Wagen mit Verbrennungsmo-tor auf Strom umzurüsten und diesen anschließend als E-Fahrzeug neu zu de-klarieren.“ Campisi spricht von einer Gesetzeslücke, die es zu schließen gilt.

„Vor allem die öffentliche Verwaltung könnte hier etwas tun.“

Trotz aller Startschwierigkeiten wird sich „die Elektromobilität auch im Indi-

vidualverkehr zur Schlüsseltechnolo-gie entwickeln“, behauptet die deut-

sche Siemens AG in ihrem jüngsten Bericht zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung. In dieselbe Ker-

be schlägt auch der deutsche Bun-desverband e.Mobilität, für den „die

Zeit des Systemwechsels bereits begon-nen hat.“

Es gibt aber auch viele, sehr viele Ge-genstimmen. Eine für alle: Nach Anga-ben des Mineralölkolosses Shell wird die Versorgung der deutschen Pkw-Flotte auch 2030 noch immer zu über 80 Pro-zent auf konventionellen Kraftstoffen ba-sieren. Schwarzmalern, die den Wunsch nach einer neuen Mobilität als unendlich langen Traum belächeln, antwortet Cam-pisi mit einer Provokation. „Eigentlich müsste – so wie es auch bei den Zigaret-tenpackungen der Fall ist – über jedem Auspuff die Aufschrift stehen: Schadet der Gesundheit.“

Funktioniert bereits sehr gut: Die Integration von Bahn und Radverleih in Südtirol

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Wie andere das Thema Nachhaltig-keit besetzen

T I T E L : NACHHALTIGKEITÜber den Tellerrand

NACHHALTIGE FERIENCLUBS TUI Umwelt Champion 2011

Der robinson Club Cala Serena auf Mallor-ca wurde als bester TUI Umwelt Champion 2011 in der Kategorie „umweltfreundlichstes Hotel“ ausgezeichnet. Entschieden haben das 500.000 Urlauber. Cala Serena ist seit Jahren Vorbild in Sachen Nachhaltigkeitsma-nagement: Es gibt eine Ozonwaschmaschi-ne, die Energie und Waschmittel spart, einen sekundären Wasserkreislauf, um WC-Spülun-gen Wasser sparend mit geklärtem Brauch-wasser zu tätigen und vieles mehr. Aus-schlaggebend für die gute Bewertung des Clubs sind aber vor allem der große Einsatz aller Mitarbeiter um Clubdirektor Klaus Au-gustin. „Die Gäste schätzen die Umweltpoli-tik des robinson Clubs ungemein“, erklärt Harald Zeiss, Leiter des TUI Nachhaltigkeits-managements. Zeiss lobt den Club „als her-ausragendes Beispiel“. robinson ist die Hotelkette in Deutschland, die sich am in-tensivsten für Umweltschutz und Nachhal-tigkeit einsetzt – und das schon seit der Fir-mengründung im Jahr 1970. Fazit: Die Gäste belohnen jahrelange Mühen in Sachen Nachhaltigkeit.

KEIN AUTO, KEIN STRESS Modellort für sanfte Mobilität

Der kleine Alpenort Werfenweng im Salz-burger Land setzt seit über zehn Jahren auf nachhaltigen Tourismus. Das Besondere: Gäste, die mit der Bahn anreisen oder den Autoschlüssel für die Dauer des Urlaubs ab-geben, erhalten ein breites Gratisangebot umweltschonender und sozial verträglicher Fortbewegungsarten. Von Shuttleservices über eine Flotte von Elektroautos bis hin zu Spaßvelos und Leihfahrrädern oder Lang-laufausrüstungen – alles kostenlos – gibt es alles, was das grüne Herz begehrt. „In den

ersten vier Jahren seit Einführung der auto-freien Initiative sind die Gästenächtigungen von 162.000 auf 212.000 angestiegen und das bei gleichbleibender Bettenanzahl im Ort“, erklärt Peter Brandauer, Bürgermei-ster von Werfenweng, stolz. „Alle Elektro-fahrzeuge werden über eine Solartankstelle am Dorfplatz sowie durch das Sonnenkraft-werk an der Südseite des Ortes, das pro Jahr 294.000 kWh Strom erzeugt, versorgt. Damit entspricht die solare Energiegewin-nung von Werfenweng dem Verbrauch von etwa 150 Haushalten und liegt weit über dem Bedarf der Elektrofahrzeuge. Fazit: Auch Nachhaltigkeit ist (noch) eine Profilierungsmöglichkeit.

ALTER SCHUH, NEUES DESIGN Weltkonzerne denken um

Mit den aktuellen Produkten der nike- Better World stellt der Weltkonzern nike Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der Un-ternehmensstrategie. So finden sich in der aktuellen Kollektion Schuhe, die fast kom-plett aus nachhaltig produzierten Materi-alien gemacht sind und einen Recycling- Anteil von 83 Prozent aufweisen. Teilweise werden Produkte wie Trainingsjacken sogar zu 100 Prozent aus recyceltem Material her-gestellt. nike hat sich ehrgeizige Ziele ge-setzt: Seit 2011 werden alle Schuhe aus um-weltfreundlichen Materialien hergestellt und mit wasserlöslichen Klebstoffen versehen. Bis 2015 sollen alle Kleidungsstücke folgen, bis 2020 dann alle Produkte. Und 2020 will man nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip den Kreislauf zu 100 Prozent nachhaltig gestalten. Dazu gehört ein umfangreiches Recycling-Programm, bei dem aus alten Schuhen neue Sportplatzböden werden, sowie der Vorsatz, bis 2017 klimaneutral zu werden. Fazit: In zehn Jahren wird es normal sein, nachhaltige Schuhe zu tragen.

NACHHALTIG MIT IT Mit EDV Energie sparen

SAP, der drittgrößte Softwarelieferant der Welt, hat erkannt, dass er mit seinen Pro-dukten in Sachen Nachhaltigkeit eine ent-scheidende Hebelwirkung nutzen kann. Warum? Seine Kunden stoßen 10.000 Mal mehr CO2 aus als das Unternehmen selbst. Damit verfügt SAP über die Chance, ein Sechstel der globalen CO2-Emissionen zu beeinflussen. Mithilfe eines Sustainability– Performance–Programms können Kunden feststellen, wo ihre größten Energievampire liegen. Auch unternehmensintern verfolgt SAP ambitionierte ökologische Ziele: Bis 2020 soll der eigene globale CO2-Ausstoß maßgeblich reduziert werden. SAP Deutsch-land geht mit gutem Beispiel voran und ver-ringerte den Papierverbrauch bereits um 25 Prozent oder 372 Tonnen und stellte die ge-samte Verwaltung zu 100 Prozent auf zerti-fiziertes Altpapier um. Fazit: Effiziente Software macht nicht nur Informationen verfügbar, sondern schont die Umwelt.

ES GRÜNT SO GRÜN Umwelthauptstadt 2012

Nach Stockholm und Hamburg wurde 2012 eine weitere Stadt mit dem Titel Umwelt-hauptstadt geadelt: Vitoria-Gasteiz, die spa-nische Stadt mit knapp 250.000 Einwoh-nern, hat sich die EU-Auszeichnung vor al-lem durch ihren „grünen Gürtel“ verdient. Dabei handelt es sich um ein Areal, das sich wie ein Ring um die Innenstadt zieht. „Das Gebiet, das teilweise natürlich begrünt war, wurde durch die Sanierung verwahrloster Flächen stark erweitert. Dadurch hat es je-der Bewohner nicht weiter als 300 Meter bis ins Grüne“, erklärt Erika Diaz de Argan-doña, Mitverantwortliche für das Projekt Vitoria-Gasteiz European Green Capital 2012. Weitere Maßnahmen tragen dazu bei, die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren zu erhalten. Vitoria-Gasteiz hat sich hohe Ziele gesteckt: nämlich zur „Grünen Stadt der Zukunft“ schlechthin zu werden. Fazit: Die grüne Verwandlung dient vielen als Best-Practice-Vorbild.

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T I T E L : NACHHALTIGKEIT | Green sells

Ein Land sieht grün. Green Region Südtirol: Mit diesem Statement macht Südtirols Standortagentur BLS seit Kurzem italienische Unternehmer und Investoren auf den Wirtschafts-standort Südtirol und seine grüne Vorreiterrolle aufmerksam.

DIE GANZE WELT redet von „green“, Süd-tirol „lebt“ die Farbe seit Langem: In Sa-chen erneuerbare Energie und Energie-effizienz ist unser Land Vorzeigeregion im Stiefelstaat und punktet mit seinem Know-how auch im Aus-land. Vom KlimaHaus über das Klimapaket Südtirol bis zum Netzwerk aus Forschung und Ent-wicklung – die Fakten sprechen für sich. Auf kaum eine andere Re-gion trifft also die Bezeichnung Green Region so zu wie auf Südti-rol: „Unsere Vorreiterrolle im Be-reich Green Energy innerhalb Itali-ens ist unbestritten und wird auch immer wieder durch zahlrei-che Studien und Untersuchungen bestätigt“, unterstreicht Wirt-schaftslandesrat Thomas Wid-mann. Klar, dass diese Tatsache für Südtirols Standortagentur Business Location Südtirol – Alto Adige (BLS) ein wichtiges Marke-tingargument ist, um Unterneh-mern und Investoren den Wirt-schaftsstandort Südtirol schmack-haft zu machen.

„Schuhlöffel“ in den Stiefel

Das gilt sowohl für den deutschen als auch für den italienischen Markt, die beiden Hauptmärkte für die Marketing-bemühungen der BLS. Tatsächlich bie-tet sich für Unternehmen aus Deutsch-land der Einstieg in den italienischen Markt von Südtirol aus geradezu an. Ganz besonders der Fall ist das für Be-triebe mit Schwerpunkt Energieeffizi-

enz und erneuerbare Energie, für die Italien derzeit aufgrund des Booms der grünen Technologien ein besonders lu-krativer Markt und Südtirol der ideale

„Schuhlöffel“ in den Stiefelstaat ist. Denn zur grünen Vorreiterrolle Südti-rols innerhalb Italiens kommen noch weitere Vorteile dieses Standorts, von denen deutsche Niederlassungen profi-tieren können, wie etwa die Zweispra-chigkeit, die stabilen Verhältnisse oder die Förderpolitik. Diese Tatsache hat die Kommunikationslinie der BLS in

Deutschland bestimmt. Dort wirbt man mit der Kernaussage: „Südtirol als Sprungbrett in den italienischen Markt“

– ein Statement, das sich als sehr über-zeugend für das Zielpublikum erwiesen hat und offensichtlich funktioniert, wie die zahlreichen Ansiedlungsanfragen und -pro-jekte aus deutschen Landen un-termauern.

Während man auf dem deut-schen Markt also von Anfang an das Ass des „Einstiegs in den Stiefel von oben“ ausspielte, war die Positionierung Südtirols auf dem italienischen Markt zu-nächst nicht so klar. „Für den italienischen Markt hatten wir bis 2011 noch keine unverwech-selbare Argumentationslogik de-finiert. Wir mussten einen Weg finden, unser Profil zu schärfen. Die Bewerbung als Green Region lag auf der Hand, hier sind wir stark, hier können wir uns gegen Mitbewerber abgrenzen. Aber wir wollten zunächst professio-nell abtesten lassen, ob die Ad-ressaten mit dieser Bezeichnung auch etwas anfangen können“, so BLS-Direktor Ulrich Stofner.

Eine qualitative Befragung durch das renommierte Marktforschungsinstitut ISPO aus Mailand sollte das abklären. Die Mitarbeiter des Instituts führten In-terviews mit je vier Kommunikationsex-perten, Vertretern des Unternehmer-tums und Touristikspezialisten sowie mit drei Vertretern des Sektors Green zu Potenzial, Interesse, Pro & Contra des

S Ü D T I R O L GREEN REGION I TA L I E N S ?

Stimmen aus der ISPO-Befragung 2011

„Südtirol verfügt schon jetzt über alle Eigen-schaften einer grünen Region. Es hat bereits eine entsprechende Kultur und Sensibilität der Verwaltung und der Bevölkerung.“

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englischen Terminus und der Bezeich-nung Green Region für die Provinz Bo-zen. Dabei kam heraus, dass Südtirol nach Ansicht der Befragten vor allem in der Wirtschaftswelt bereits den Appeal einer grünen Region innerhalb Italiens hat und sich die grüne Bezeichnung deshalb hervorragend für die Bewer-bung des Standorts eignet.

Starke Inhalte gefragt

Grundtenor unter den Befragten war aber auch, dass die Green Re-gion keine leere Hülle sein dürfe, sondern ernsthaft und politisch mitgetragen und mit Inhalten ge-füllt werden müsse. Bedenken, die laut Ulrich Stofner zwar be-rechtigt sind, für Südtirol aber nicht zutreffen: „Natürlich bein-haltet der Anspruch der grünen Region nicht nur die Bereiche Kommunikation und Marketing, sondern damit hängt auch die Entwicklung des gesamten Pro-dukts zusammen, in diesem Fall also des Standorts Südtirol. Aber dieser Prozess ist dank einer sehr vorausschauenden Umwelt- und Energiepolitik längst angebahnt worden, ich nenne hier stellver-tretend nur die Vision vom ‘Kli-maLand Südtirol’ von Landesrat Michl Laimer oder den Ausbau der nachhaltigen Mobilität von Landesrat Thomas Widmann“, so Stofner. Ganz wichtig sei es nun, hier am Ball zu bleiben und die Weiterentwicklung aktiv voranzutrei-ben: „Sonst werden wir links und rechts überholt – unsere Mitbewerber sind auch gut aufgestellt.“ Der nächste gro-ße Schritt in diese Richtung stehe be-reits an: der Technologiepark in Bozen. Die BLS baut auf dem Technologiepark-Areal die Module für die Unternehmen

und vermarktet diese. Gemeinsam mit dem TIS innovation park siedelt die BLS Unternehmen an, die Forschung und Entwicklung in jenen Bereichen betrei-ben, wo Südtirol Exzellenz entwickeln möchte, also insbesondere im Sektor Green. Dazu gehören Energie, Lebens-mittel und nachhaltige Technologien.

„Wenn wir Südtirol erfolgreich als Green Region etablieren wollen, gehört dazu eine entsprechende Umwelt-, Klima-

und Mobilitätspolitik, aber auch eine gezielte Förderung von Betriebsansied-lungen und der Innovation in diesem Bereich. Der Technologiepark kann hier entscheidende Arbeit leisten, denn er wirkt als eine Art Leuchtturm für nachhaltige Entwicklung und ist so ein Magnet für weitere Ansiedlungen, die neues Know-how und Innovationen ins

Land bringen“, bringt es Landesrat Widmann auf den Punkt. Das wieder-um stärke den Standort und erhöhe sei-ne Wettbewerbsfähigkeit.

Beim werblichen Auftritt am italie-nischen Markt hat die BLS bereits im vergangenen Herbst damit begonnen, Südtirol als Green Region Italiens zu po-sitionieren. Geworben wurde bislang in nationalen Tages- und Wochenzeitung-en aus dem Wirtschaftsbereich bzw.

mit Bezug zu Green Energy. Bei den Sujets, die man hierfür ge-wählt hat, dominiert – wie könn-te es anders sein – die Farbe Grün, die Motive kommen aus der Na-tur. Die Botschaft allerdings ist dem Bereich der Fakten entnom-men: Kommuniziert werden Zah-len, die Südtirols Leadership im Bereich Green untermauern.

Ziel der Kampagne ist es, auf möglichst eindrucksvolle und überraschende Art darauf auf-merksam zu machen, welche Vorreiterrolle der Standort in die-sem Sektor innerhalb des Staats-gebiets inne hat. „Wir haben hier eine Kreatividee gefunden, die nicht nur hält, sondern weiter reifen und wachsen kann. Bisher haben wir erst einige wichtige grüne Fakten für unsere Sujets verwendet. Bei dem Potenzial, das Südtirol in diesem Bereich aufweist, können und werden aber noch viele weitere folgen“, so BLS-Marketingchefin Birgit

Mayr, die fest davon überzeugt ist, nun auch in Italien den richtigen Hebel für die Vermarktung des Wirtschaftsstand-orts Südtirol gefunden zu haben. „Wir kommunizieren eine Seite von uns, in der wir wirklich herausragend und un-verwechselbar sind. Ich glaube fest dar-an, dass uns diese Positionierung viel Kraft gibt.“

„Südtirol hat eine sehr moderne Politik der Nachhaltigkeit, ich denke da ans KlimaHaus, an die Messe, an diverse grüne Initiativen.“

„Südtirol ist ein Vorreiter in Sachen Sauberkeit und ökologische Kultur und hat im Energiebereich große Investitionen getätigt.“

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(bk)

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Clever gegen dicke Luft Staus sind nicht nur lästig, sondern tragen auch wesentlich zur Luft-verschmutzung bei. integreen heißt das Verkehrsprojekt für Bozen, das auf intelligente Weise den Verkehr in der Landeshauptstadt umweltverträglicher regeln will.

Integreen setzt auf verschiede-nen Ebenen an: Es will einerseits den Verkehr dynamisch, intelli-gent und ökologisch nachhaltig regeln. Auf der anderen Seite will

es die Bevölkerung darüber aufklären, welchen Unterschied – für die Umwelt und für die eigene Brieftasche – es etwa macht, ob man das eigene Auto oder den Zug nimmt. integreen geht aber noch tiefer und gibt all jenen, die nicht auf das eigene Auto verzichten können, konkre-te Tipps, wie auch sie durch einen be-wussten Fahrstil einen kleinen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. Das Projekt hat sich das ehrgeizige Ziel ge-setzt, durch eine Kombination all dieser Maßnahmen die Luftverschmutzung um 15 bis 30 Prozent zu reduzieren.

Spezielle Test-Sonden-Fahrzeuge sammeln Informationen über den Ver-kehr der Stadt Bozen. Durch diese Daten

ist es möglich, den Verkehr zu analysie-ren und auch auszurechnen, welche Aus-wirkungen er auf die Luftqualität hat. Au-ßerdem kann so herausgefunden werden, wie der Verkehr dynamischer geregelt werden und reibungsloser ablaufen kann: Wie sollen etwa die Ampeln einge-stellt werden, dass sie zur „richtigen“ Zeit auf Rot oder Grün schalten, ohne Staus zu verursachen? Welche Straßen werden zu den Stoßzeiten am meisten befahren und welche Ausweichmöglichkeiten gibt es? Um diesen technischen Teil wird sich das Austrian Institute of Technology (AIT) kümmern, das auf Infrastrukturthemen der Zukunft spezialisiert ist. Das Projekt sieht auch eine stärkere Einbindung der Verkehrsmeldezentrale vor: Sie soll die Autofahrer regelmäßig über Staus und andere Verkehrsbehinderungen infor-mieren, damit diese rechtzeitig auf ande-re Straßen ausweichen können.

Bus, Bahn, Auto, Elektrorad…?

Neben den technischen Messungen und Erhebungen widmet sich ein Teil des Projekts auch der gezielten Sensibi-lisierung der Bevölkerung hin zu nach-haltigen Transportmitteln, intelligen-ter Mobilität und umweltbewusster Fahrweise. Denn nicht nur ungünstig geregelte Ampeln und Staus tragen zur Verschmutzung von Luft und Umwelt bei: Um eine langfristige und nachhal-tige Verbesserung zu erzielen, müssen die Autofahrer darüber aufgeklärt wer-den, welche Auswirkungen die Wahl des Fortbewegungsmittels auf die Um-welt hat. Wie sieht etwa mein ökologi-scher Fußabdruck aus, wenn ich die Strecke von A nach B mit dem eigenen Auto oder mit dem Bus zurücklege? Und was kostet mich das eine, was das andere?

Zu Stoßzeiten ist der Verkehr in der Landeshauptstadt oft alles andere als flüssig

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T I T E L : NACHHALTIGKEIT | Verkehr

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< Statistische Umweltdaten

< Informationen zur Mobilität

Verkehrs- und Umwelt-kontrollaufsicht

Dynamische Verkehrsdaten >

< Informationen zur Mobilität

< Dynamische Umweltdaten

integreen organisiert Umwelt- und Verkehrs-daten zwischen Verkehrszentren und -teilnehmernw

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Alles beginnt bereits mit der Planung der Fahrt: In den meisten Fällen ist es sinnvoller, auf das eigene Auto zu ver-zichten, und das nicht nur der Umwelt wegen. Oft braucht man mit dem eige-nen Auto einfach viel länger bis ans Ziel als mit anderen Fortbewegungsmitteln.

„Wir haben es selbst getestet“, sagt Rober-to Cavaliere vom TIS, der das Projekt be-treut. „Wir haben drei Mitarbeiter des TIS von Bozen Süd ins Stadtzentrum fah-ren lassen. Einer nahm das Auto, ein an-derer den Bus und der dritte das Elektro-rad. Das Ergebnis: Am schnellsten war das Elektrorad.“ Das liegt vor allem dar-an, dass es in Bozen ein gutes Netz an Fahrradwegen gibt. „Mit dem Auto braucht man nicht nur wegen des Ver-kehrs und der vielen Ampeln länger, son-dern auch, weil man mit der Parkplatzsu-che noch zusätzlich Zeit verliert,“ so Ca-valiere. Mit welchem Verkehrsmittel man am schnellsten ans Ziel kommt, könnte uns in Zukunft auch unser Handy sagen. Verschiedene Smartphone-Apps, die sogenannten Multimodal Journey Pl-anner, werden uns die effizienteste mul-ti-modale Lösung für einen bestimmten Zeitpunkt aufzeigen, also die Kombinati-on aus verschiedenen Verkehrsmitteln und sie werden uns auch auf dem Lau-

fenden halten, sollten sich die Bedin-gungen während der Fahrt ändern.

„Dicke Luft muss nicht sein“, sagt Ivan Moroder, Direktor des Amtes für Mobilität der Gemeinde Bozen. „Das Neue an diesem Projekt ist, dass es auf verschiedenen Ebenen ansetzt und ne-ben technischen Schwerpunkten auch gezielt auf Sensibilisierungsmaßnah-men setzt. integreen will aufzeigen, dass es einfach ist, etwas für die Umwelt zu tun, und dass jeder einen kleinen Bei-trag leisten kann. Bewusstes Fahren ist nämlich nicht nur gut für die Luft, son-dern auch für die Brieftasche.“

Zum bewussten Fahren gehört dazu, dass so gleichmäßig wie möglich gefah-ren wird, also auf sportliches schnelles Beschleunigen und straffes Herunter-bremsen weitgehend verzichtet wird. Weiters sparen alle Autofahrer Sprit, die Klimaanlage und Heizung sparsam einsetzen.

integreen ist ein Projekt der Ge-meinde Bozen (im Rahmen des Projek-tes „Bozen. Die Energiequelle“) in Zu-sammenarbeit mit dem TIS innovation park und dem Austrian Institute of Tech-nology (AIT) und wird gefördert durch das life+ Programm der Europäischen Union. (ep)

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Die Kunst des Weitblicks. Die Krise als Geburtsstunde nachhaltiger Entwicklungsmodelle: Auf einem Kongress in Brixen sollen Mitte Mai neue Ideen gebündelt werden und zum Handeln ermutigen.

T A G E D E R N A C H H A LT I G K E I T

Initiatoren:Günther Reifer, Evelyn Oberleiter, Terra Institute, Andreas Wild, Bildungshaus Kloster Neustift10.-13. Mai 2012 in Brixenwww.thinkmoreabout.com

(mdp)

NIMMT DIE NACHHALTIGKEIT in der Kri-se Fahrt auf oder gerät sie unter die Rä-der? Die Frage ist berechtigt, die Ant-worten darauf recht unterschiedlich. Denn das Thema ist kontrovers. Für die einen macht die Finanzkrise selbst um die Nachhaltigkeit keinen Bogen: Die Kreditklemme bedrohe die Klimapoli-tik und deren praktische Umsetzung ebenso wie die Bankenbranche oder die Autoindustrie. Andere wiederum sehen die ökonomische Flaute als Geburts-stunde einer nachhaltigen Entwick-lung. Unter ihnen auch Günther Reifer. „Jetzt erst recht“, sagt der Mitbegründer des Brix-ner Terra Institutes und Vorstandsmitglied des Vereins der Gemein-wohl-Ökonomie.

„Denn wir können nicht nach demsel-ben Muster weiter-wirtschaften und hof-fen, dass sich das Re-sultat diesmal ändert. Das ist nicht möglich.“ Davon ist auch die indi-sche Quantenphysikerin und Aktivistin für Biodi-versität Vandana Shiva über-zeugt: „Das vorherrschende Modell der wirtschaftlichen Ent-wicklung hat sich als lebensfeindlich herausgestellt. Hungriges Geld stürzt sich auf den letzten Tropfen Wasser und auf den letzten Zentimeter Land des Pla-neten.“ In einem begrenzten System sei unendliches Wachstum allerdings nicht möglich, so Reifer. Das habe die aktuelle Krise allzu deutlich gezeigt.

„Nun ist jeder von uns – egal ob Unter-nehmer oder Konsument – gefordert, mehr Verantwortung zu übernehmen und Weitblick zu beweisen. Womit ich nicht meine, dass wir nur in die Zukunft schauen müssen, sondern eher, dass wir unseren Blick fürs Wesentliche schärfen sollten.“

Nachhaltigkeit und Wachstum

Dass sich wirtschaftlicher Erfolg mit sozi-aler Verantwortung und Schonung der Umwelt durchaus verbinden lassen, be-weisen unter anderem Giganten wie Sie-mens, Viessman, Puma oder rewe. Sie alle wurden in den vergangenen Jahren mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Die Anerkennung geht an

Betriebe, die nachhaltiges Handeln zu Wachstum nutzen. „Wenn ich als Unter-nehmer auch weiterhin meinen Fokus nur auf die Menge und den Preis richte, entscheide ich mich nicht für, sondern gegen unsere Welt und mache mich mit-schuldig“, sagt Günther Reifer. Die Ausre-de, dass sich die Nachfrage gerade in Kri-senzeiten an billiger Massenware orien-tiere, lässt er nicht gelten. „Wir können und müssen unsere Kunden auch umer-

ziehen.“ Rückendeckung bekommt Rei-fer in dieser Sache von Jakob von Uexküll, dem Begründer des Alternativen No- belpreises: „Allzu oft wird die Wirtschaft noch von ängstlichen Zukunftsverhinde-rern vertreten, statt von Unternehmern, die diesen Namen verdienen.“

Jakob von Uexküll wird, ebenso wie Vandana Shiva und Claus Hipp, Mitte Mai an einem Kongress in Brixen teil-nehmen. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Tage der Nachhaltigkeit statt, die heuer im Mai bereits zum zweiten Mal vom Terra Institute und dem Bildungshaus Kloster Neustift ab-

gehalten werden. Deklariertes Ziel der Initiative ist es, die breite Öffent-

lichkeit zu nachhaltigem Handeln zu inspirieren und zu ermutigen. „Das passiert vor allem im Rah-

men des Kongresses, aber auch auf den verschiedenen Semina-ren, die wir ebenso anbieten wie einen Jugendkongress, der Kinder und Jugendliche einbin-

det“, sagt Reifer. Den Organisa-toren gehe es dabei nicht um eine

rein theoretische Diskussion, sondern um Ideen und Ansätze, die

auch umgesetzt werden können. Eine Formel, die durchaus Anklang

findet. Nach Brixen gehen die Tage der Nachhaltigkeit erstmals auch auf „Tour-nee“. „Im Herbst sind wir mit anderen Partnern und Referenten zunächst in Verona und dann in München und Innsbruck“, so Reifer.

‘Erde in Bewegung setzen’, Ideen bündeln und zum Handeln ermutigen so das Bestre-ben der Tage der Nachhaltigkeit

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T I T E L : NACHHALTIGKEIT | Veranstaltung

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T I T E L : NACHHALTIGKEIT | Meinung

Wie ist das mit der Homöopathie? Ein Mittel gilt für umso wirksamer, je stärker es ver-dünnt wird. Ich bringe das Beispiel, weil ich damit erklären will, warum nachhaltig und Nachhaltigkeit homöopathische Wör-

ter sind (abgesehen von einem Placebo-Wort, aber darüber später). Wie kam dieses schlichte, dieses nicht einmal grammatikalisch einwandfreie Adjektiv (denn streng genommen müsste es ja nachhaltend hei-ßen) zu seiner derzeitigen Konjunktur? Ich sag nicht Inflation, denn das klingt nach Entwer-tung. Davon kann bei nachhaltig keine Rede sein. Wer heute zählen will, muss es nachhal-tig tun. Nachhaltig ist gut, ist demokratisch, in seinem Namen lebt eine ganze Wirtschaft, es hat Sex-Appeal, und es braucht nicht übersetzt zu werden, denn im Unterschied zu den meisten Neuwörtern ist es sogar deutsch. Damit habe ich aber nicht meine Frage beantwortet. Warum geht’s die-sem Wort, dieser Nachhaltigkeit so gut? Mir fiele aus dem Stand kein an-deres deutsches Wort von ähnlicher Unwiderstehlichkeit ein. Und das seit Jahren. Unser Sepp Kusstatscher war noch Europaparlamentarier und in Deutschland war Fußball-WM, da-mals Sommermärchen genannt. Auf dem Weg von Europa ins heimatliche Villanders, bei Stuttgart war’s, fiel der grüne Sepp unter die Fußballfans. Es muss dabei ziemlich schlachtenbummle-risch zugegangen sein. Jedenfalls brachte der Anblick den Grünen auf trübe Gedanken, die er anschließend seinem Blog anvertraute. Darin stand zu lesen, solchem Massentru-bel vermöge er nichts abzugewinnen, denn er sei „nicht nach-haltig“. Fußball-Feste nicht nachhaltig? Ich schrieb dem Gut-menschen eine giftige Glosse hintennach, was er sich denn unterstehe, für nachhaltig nur gelten zu lassen, was er und seine Partei verträten. Auch was schlecht ist, könne nachhal-tig sein. Dann wäre es halt nachhaltig schlecht.

Sprachliche Spitzfindigkeit!, muss ich heute gestehen. Selbstverständlich hatte das Wort ursprünglich seine wörtli-che, gleichgewichtige Bedeutung. Es wollte sagen: Etwas hält, hält länger, wirkt nach, und das unabhängig davon, ob gut oder bös. Dann aber kamen die Grünen – endlich ist’s heraus!

– die Grünen entdeckten das Wort, wuschen es, auf homöopa-thisch gesagt: verdünnten es, und es ward nur noch in dem

einen, guten, grünen Sinn gebraucht. Ein Zauberwort war geboren: die Nachhaltigkeit, made in Germany. Das war in den 1980er-Jahren. Endlich trat wieder einmal

aus Deutschland ein Wort seinen Siegeszug um die Welt an. Auf Englisch heißt es sustainable, auf Fran-

zösisch durable und auf Italienisch sostenibile. Aber nur im Deutschen hat das Wort sämtliche

andere Bedeutungen aufgefressen. Nun muss heute ein Produkt, ein Prozess, außer nachhaltig auch nachverfolgbar sein.

Woher kommt das Zeug und auf wel-chem Weg? Im Fall der Nachhal-tigkeit gibt’s keinen Zweifel: Nach Südtirol gebracht hat das Placebo-Wort (sagt nichts, aber

hilft) eindeutig Hans Glauber, Vater der Toblacher Gespräche, und

Toblach darf auch als das Einfallstor der Nachhaltigkeit nach Mitteleuropa betrachtet

werden. Der 2008 verstorbene Kosmopolit hat den Begriff den Ökosozialisten in Frankfurt abgelauscht,

nach Toblach importiert und hier heimisch gemacht. Er hat auch dafür gesorgt, dass das Wort kein Monopol grüner Körnlefresser blieb. So wie andere ehemals alternative Wer-te wurde auch die Nachhaltigkeit nach und nach von der herrschenden Politik vereinnahmt. Die Wirtschaft sprang auf, veredelte und verhurte es und lebt seitdem davon. Ich wüsste nicht, was heute nicht für nachhaltig verkauft wird. Oh, ich könnte, wenn ich bösartig wäre, sehr nachhaltig weiterflegeln.

Florian Kronbichler, 60, ist freier Journalist in Bozen. Seine Kommentare und Glossen erscheinen in deutschen und italienischen Zeitungen.

Nach | hal | tig | keit die; das Konzept der Nachhaltigkeit beschreibt die Nutzung eines regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise regeneriert werden kann.

Dem Wort geht’s zu gutFür Florian Kronbichler ist Nachhaltigkeit ein nicht nur grammatikalisch fragwürdiger Ausdruck. Die Grünen verpassten dem Wort die einseitig gute Bedeutung. Heute ist es gänzlich weichgespült, und die Wirtschaft lebt gut davon.

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VOR 14 JAHREN brachte der Milchhof Meran als erster Milchhof Südtirols Bio-Milch auf den Markt. Südtirols Milch-wirtschaft sprang somit vergleichsweise spät auf den Bio-Zug auf, der seit den 90er-Jahren in Europa stetig an Fahrt zu-gelegt hatte.

Doch seitdem die Vermarktung an-gefangen hat, läuft sie gut, sogar so gut, dass mehr Nachfrage als Angebot herrscht und sich auch andere Milchhö-fe entschieden, die bislang in die kon-ventionelle Milchverarbeitung fließen-de Bio-Milch getrennt zu verarbeiten und zu vertreiben. Im Jahr 2000 zog der Milchhof Sterzing nach und erweiterte die Palette um Bio-Joghurt und Bio-But-ter. 2004 wurde die Psairer Bergkäserei gegründet, die ausschließlich Bio-Milchprodukte produziert. 2010 schließlich folgten der Brixner Milch-hof Brimi und die Bozner Mila. Die Pro-duktpalette ist dabei mitgewachsen: War es anfänglich nur Bio-Frischmilch, die verkauft wurde, so gibt es mittlerwei-le Butter, Joghurt, Mozzarella und ver-schiedene Schnittkäse in Bio-Qualität. Die Bio-Wirtschaft hat sich sehr gut ent-wickelt; dennoch machen die produ-

zierten fünf Millionen Kilogramm Bio-Milch nur 1,5 Prozent der gesamten Südtiroler Milchproduktion aus.

Intensiver Leben

Helene und Peter Nössing vom Schmal-zerhof in Flains bei Freienfeld wirken entspannt und freudig: Seit sie im Jahr 2000 von konventioneller Milchwirt-schaft auf Bio-Wirtschaft umgestellt ha-ben, sei es schon etwas anderes, die täg-liche Arbeit auf dem Hof zu verrichten.

„Es ist zwar immer noch Arbeit“, sagen sie, „aber irgendetwas in uns war immer schon näher an den Tieren, näher an den Produkten und näher an der Natur. Seit-dem wir uns nicht mehr dem Druck der höchsten wirtschaftlichen Leistung pro Kuh aussetzen, arbeitet es sich leichter – und es lebt sich intensiver!“ Auf biologi-sche Landwirtschaft umzustellen war für die beiden Bauersleute nur logische Konsequenz. Viel mussten sie gar nicht tun, denn ihre Einstellung zur Viehwirt-schaft war schon immer eine nicht rein wirtschaftlich geprägte. Helene Nössing ist neben ihrer Tätigkeit als Bio-Bäuerin auch noch Vizebürgermeisterin von

Freienfeld im Wipptal und bei zahlrei-chen Vereinen aktiv. Von Fortschrittsver-weigerung keine Spur.

So wie die Schmalzer arbeiten noch weitere 600 der insgesamt 12.000 Bau-ern in Südtirol nach den Kriterien des biologischen Landbaus, rund 80 davon produzieren Milch.

Die Auszahlungspreise für Bio-Milch liegen mit 62 Cent pro Kilo deutlich über den knapp 48 Cent für die konventionel-le Milch. Und auch der Markt für die Pro-dukte ist da: Neben Südtirol selbst wer-den die Südtiroler Bio-Milchprodukte vor allem erfolgreich im restlichen Itali-en vertrieben. Mit dem steigenden Ange-bot und der Mode, „Bio zu sein“-, steigt aber auch die Verwirrung. Was ist Bio? Und wie erkennt man die Bio-Produkte?

Was bedeutet Bio, was konventionell?

Bio-Produkte sind naturbelassen, nähr-stoffreich und arm an Schadstoffen. So-weit die Vorgaben im Allgemeinen. In der Milchwirtschaft bedeutet „Bio“ vor allem eine artgerechte Haltung der Tie-re, genügend Platz für Auslauf und Lie-

Die Bio-Milch macht’s Mit 1,5 Prozent Marktanteil ist die biologische Milchwirtschaft in Südtirol immer noch eine Nische. Eine Nische, die allerdings rasant wächst, immer mehr Anhänger und jetzt auch ein eigenes Zeichen hat.

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auslauf

liegeflächen

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fressplatz

fütterung

züchtung

kälberaufzucht

düngung

milchqualität

geflächen, Tageslicht und eine naturbe-lassene Fütterung; allesamt Faktoren, die sich auf die Milchqualität auswirken (siehe Tabelle). „Konventionell“ bedeu-tet, dass vor allem der wirtschaftliche Aspekt der Milchleistung im Vorder-grund steht, langfristig ist es aber auch für den konventionellen Bauern von Vor-teil, auf die Gesundheit, sprich Langle-bigkeit seiner Tiere zu achten.

In Südtirol sind verschiedene Bio-Verbände tätig. Diese haben zumeist strengere Richtlinien, als es das EU-Ge-setz vorgibt. Um Bio zu produzieren, muss man nicht zwingend einem Ver-band angehören. In Südtirol sind ver-schiedene Verbände tätig, darunter Bio-

land, Naturland, Demeter und der Bund Alternativer Anbauer.

Neues Südtirol-Bio-Logo

Der Sennereiverband Südtirol schuf mit dem neuen Bio-Siegel eine klare Marke für Südtirols Bio-Milchprodukte, die das Dach verbandsunabhängig über allen aufspannt, welche nach den Methoden der biologischen Landwirtschaft produ-zieren. Das Zeichen lehnt sich klar an die Dachmarke und das positive Image Süd-tirols an und nutzt damit Synergien. Das Zeichen „Qualität Südtirol“ ist seit An-fang 2006 auf den Packungen der Südti-roler Milchprodukte und garantiert ge-

prüfte Qualität. „Das neue Bio-Logo ist nun eine konsequente Fortsetzung für die kleine Sparte der Südtiroler Bio- Milcherzeugung. Es ersetzt nicht das Qualitätszeichen und ist auch optisch in einer anderen Farbe gehalten, aber man erkennt, dass auch das Bio-Logo zur glei-chen ‘Südtirol-Familie’ gehört“, sagt An-nemarie Kaser, Direktorin des Sennerei-verbandes Südtirol. Das im März der Öf-fentlichkeit vorgestellte Zeichen hat ein ehrgeiziges Ziel: Einerseits soll man da-mit die Produktion von Südtiroler Bio-Milch erhöhen und andererseits will man, aufbauend auf den positiven Asso-ziationen zu Südtirol, vor allem auf dem italienischen Markt punkten.

Konventionelle Milchkuhhaltung

Weidegang oder Auslauf nicht vorgeschrieben

Einstreu nicht vorgeschrieben, jedoch geringe Einstreu oder Gummimatte üblich

Bei Neubauten vergleichbarer Platz, in Südtirol aber noch viele Anbindeställe, die ca. 3 m² pro Kuh vorsehen; Auslauf ist nicht vorgeschrieben

Häufig Überbelegung am Fressplatz

Ganzjährige Silagefütterung zulässig. Häufig hoher Kraftfuttereinsatz

Auf hohe Leistung und lange Nutzungsdauer

Milchaustauscher oder Milch

Mist, synthetische Stickstoffdünger sind zugelassen

Es wird darauf geachtet, gute Qualität zu liefern, da ein höherer Fettanteil auch einen besseren Auszahlungspreis bringt

Bio-Milch- kuhhaltung

Weidegang oder zumindest Auslauf im Laufhof vorgeschrieben

Einstreu vorgeschrieben

6 m² pro Kuh, auch Anbindeställe sind zugelassen, dort ca. 3 m²

Pro Tier ein eigener

Ausschließliche Gras- u./o. Mais- silage unzulässig. Sommer: Frisch-gras und Weide; Winter: Heu und Silage, wenig Kraftfutter

Auf angepasste Leistung und lange Nutzungsdauer

Die ersten zwölf Wochen mit Milch der Mutterkuh

Leguminosen und Mist

Nachweislich wertvollere Milch durch höheren Anteil an Omega-3-Fettsäuren

(cs)

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Der Umtriebige. Norbert Troyer ist in einem Wasserkraftwerk aufgewachsen und stolz auf seine Firma, die mit dem Turbinenbau dazu beiträgt, Wasser als Energiequelle zu nutzen. Die Erfolgsgeschichte einer begeisterten Familie.

Text: Jessica BraunFoto: Max Lautenschläger

T U R B I N E N B A U T R O Y E R G M B H

Karl-von-Etzel-Straße, 2 I-39049 SterzingTel. +39 0472 765 [email protected] | www.troyer.it

„EIN KUNDE MEINTE, diese Form sei ero-tisch.“ Norbert Troyer legt die schwere Schale wieder zurück zu den anderen. Tatsächlich haben die Schaufeln einer Peltonturbine, wie sie hier in Sterzing im Werk Troyer GmbH hergestellt werden, wenn auch keine erotische, so doch zu-mindest eine sinnliche Form wie eine versilberte, hohle Apfelhälfte. Das ist wohl der Grund, warum viele der Kun-den, die bei Norbert Troyer eine Turbine oder ein ganzes Wasserkraftwerk bestel-len, nach Vertragsabschluss um eine Peltonschaufel bitten. „Die stellen sie sich auf den Wohnzimmertisch.“

Auch wenn er es sich nicht anmer-ken lassen mag: Norbert Troyer ist stolz auf die Firma, die sein Großvater 1934 gründete und die seither in Familienbe-sitz ist und beständig wächst. Der Standort Südtirol hat sicher dazu beige-tragen: Seit ewigen Zeiten nutzen die Menschen hier das Wasser als Energie-quelle. In Flüssen, Bächen und Wasser-fällen kommt es auf natürliche Weise aus den Bergen hinunter in die Täler, mit so viel Kraft, dass Südtirols Wasser-kraftwerke genug Strom produzieren, um den kompletten Bedarf der Region zu decken und den Überschuss zu ver-kaufen. „Wenn Kinder am Wasser spie-len, dann stauen sie es am liebsten oder leiten es um. Das steckt wohl in uns drin“, meint Troyer.

Davon, dass nicht gleich ein ganzes Tal geflutet werden muss, um einen Ort mit Strom zu beliefern. Oder dass ein Kraftwerk nicht zwingend hässlich und laut sein muss. Das kleine Kraftwerk in Sterzing hilft ihm dabei. „Fast lautlos.“ Troyer hat den Kopf in den Nacken ge-legt und lauscht. Der quaderförmige Bau liegt in einem steilen Tal gegenüber ei-ner Mühle. Man hört den Fluss rauschen, der einst das hölzerne Mühlrad antrieb. Vom Kraftwerk hört man fast nichts. Erst als er die Türen öffnet, dringt das Dröh-nen der Turbinen nach draußen. „Das Kraftwerk versorgt die ganze Gemeinde.“ Wie er so vor den Turbinen steht, eine Hand in der Hosentasche, die andere auf dem Geländer, sieht Norbert Troyer sei-nem Großvater sehr ähnlich. Neben dem „technischen Gen“ und der Begeis-terung für Turbinen hat er von ihm noch etwas anderes geerbt: die Leidenschaft für das Fotografieren. Doch während Va-lentin Troyer gern Maschinen und Mit-arbeiter ablichtete, zieht es den Enkel eher nach draußen in die Natur. Und was knipst er dort am liebsten? Troyer strahlt: „Wasserfälle sind ein tolles Mo-tiv.“ Es scheint, als bräuchte ein Troyer nur zwei Dinge im Leben, die ihn voran-treiben: Begeisterung und Wasser.

„Wenn Kinder am Wasser spielen, dann stauen sie es am liebsten oder leiten es um. Das steckt wohl in uns drin.“

Der 37-Jährige grüßt fröhlich die Ar-beiter, die in der Werkshalle fräsen, schleifen, schweißen. „Vorsichtig mit den Spänen. Die sind messerscharf.“ Troyer deutet auf einen Berg goldener Locken aus Metall. Abfälle vom Fräsen. Er selbst hat damit schon als Kind ge-spielt. „Mein Großvater war Kraftwerks-wart, und das Haus, in dem ich aufge-wachsen bin, war ein Kraftwerk.“ Die von Generation zu Generation vermittel-te Wissen der Familie ist weltweit ge-fragt. Oft haben die vier Troyers, die die Firma leiten, und ihre über 90 Mitarbei-ter zu viel zu tun, um neue Angebote

erstellen zu können. 25 Anlagen produ-ziert, liefert und installiert das Unter-nehmen im Jahr. Troyer zeigt auf die neue Werkshalle, die gerade neben der alten gebaut wird: „Ich hoffe, die ist jetzt groß genug. Aber das dachten wir auch von der alten.“ Die „alte“ Halle wurde vor knapp zehn Jahren in Betrieb genom-men das Unternehmen wächst in be-achtlichem Tempo. Mit drohendem Kli-mawandel und steigendem Umweltbe-wusstsein wird Wasser als erneuerbare Energiequelle immer wichtiger. Die An-fragen nach Turbinen steigen. Doch auch, wenn der produzierte Strom öko-logisch einwandfrei ist, muss Norbert Troyer manchen potentiellen Kunden oft erst von der Umweltverträglichkeit eines Wasserkraftwerks überzeugen.

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Mensch und Maschine: Norbert Troyer mit einer Turbine

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Die Laudatoren Max Lautenschläger und Ekkehart Baumgartner mit der Gewinnerin des Preises für junge Fotografen Insa Cathérine Hagemann

S E H E N , H Ö R E N , L E S E N

Alle Informationen zum Medienpreis und die Siegerreportagen stehen im Internet zum Abruf bereit: www.suedtirolmedienpreis.it

Junge Talente, neuer BlickBeim Südtirol Medienpreis bewerben sich Jungjournalisten aus

dem deutschsprachigen Ausland mit Südtirol-Reportagen. Der beste journalistische Text 2011 porträtiert den Graukäse, die beste Foto-

reportage den Südtiroler Literaten Joseph Zoderer.

UNTER DEM NEUEN NAMEN Südtirol Me-dienpreis verliehen die Südtirol Marke-ting Gesellschaft (SMG) und die Stiftung Südtiroler Sparkasse Anfang des Jahres bereits zum achten Mal den Förderpreis für junge Journalisten und zum fünften Mal das Pendant für junge Fotografen. Im Kulturzentrum Grandhotel in Toblach er-hielten Sandra Stricker, Jungjournalistin aus München, und die Hamburger Foto-grafin Insa Cathérine Hagemann den Me-dienpreis für den besten journalistischen Text und die beste Fotoreportage. „Sandra Stricker hat es mit einer Geschichte über den Graukäse geschafft, die Traditionen des Landes aufzuspüren und sie dem Le-ser begreifbar zu machen. Dabei setzte sie sehr gekonnt das Stilmittel der Personali-sierung ein – der Käse wird in ihrem Be-richt gewissermaßen zu einer Person, ihre Sprache ist außerordentlich präzise und plastisch“, sagte Jurymitglied und Lauda-

tor Ekkehart Baumgartner, seines Zei-chens Professor an der Akademie für Mode und Design in München. Die Preis-trägerin in der Kategorie Fotografie, Insa Cathérine Hagemann, überzeugte die Jury mit einem eindrücklichen fotografi-schen Porträt des bekannten Südtiroler Schriftstellers Joseph Zoderer. „Ihre Bil-der zeigen ihn in Gegenüberstellung mit Orten, die sein Leben maßgeblich geprägt haben“, heißt es in der Laudatio, die der freischaffende Fotograf Max Lautenschlä-ger bei der Preisvergabe hielt.

Guter Kontakt zum Nachwuchs

Mit dem Südtirol Medienpreis zeichnen die SMG und die Stiftung Südtiroler Sparkasse jährlich junge Journalisten und Fotografen aus, die mit Talent, Be-obachtungsgabe und Spürsinn das Land Südtirol aus der eigenen Perspektive

zeichnen. Zu diesem Zweck wurde 2004 ein Förderpreis für junge Journalisten ausgeschrieben, der 2007 durch einen Preis für den Bereich Fotografie erwei-tert wurde. Ziel des Südtirol Medienprei-ses ist zum einen die Region aus neuen Blickwinkeln zu beleuchten, und zum anderen Kontakte zu Nachwuchsjourna-listen und –fotografen zu pflegen. Der Preis ist in beiden Kategorien mit jeweils 3.000 Euro dotiert. Die Journalisten aus

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M A R K E T I N G

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men aus Stefanie Rigutto (SonntagsZei-tung), Ekkehart Baumgartner (Profes-sor für Kommunikation), Bene Bene-dikt (Alpin), Sönke Krüger (Welt, Welt am Sonntag, Berliner Morgenpost), Michael Meyen (Uni München), Markus Perwan-ger (RAI Sender Bozen), Mario Vigl (ADAC Motorwelt) und erhielt 2011 Ver-stärkung von einem waschechten (Exil-)Südtiroler: Erwin Brunner, Chefredak-teur von National Geographic Deutsch-land. Zur Fotografen-Jury zählen Frie-der Blickle, Max Lautenschläger, Tho-mas Linkel, Sadie Quarrier, Helmuth Rier, Stefano Scatà, Thomas Schweigert und Rebecca Swift.

Anfang 2012 schrieb der Südtirol Medienpreis den Förderpreis für junge Journalisten und das Pendant für junge Fotografen aus. Von den Bewerbern wurden wieder jeweils sechs Finalisten im Wettstreit um die Auszeichnung aus-gewählt, die pärchenweise, d.h. jeweils ein Journalist mit einem Fotografen,

zum Recherchieren nach Südtirol kom-men sollten. Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Bewegtbild und dem Be-reich Social-Media haben sich die Orga-nisatoren entschlossen, ab 2013 auch diese beiden Bereiche als zusätzliche Kategorien einzuführen.

Bereits jetzt gibt es alle Siegerrepor-tagen auch zum Hören: Der deutsche Schauspieler und bekannte Hörbuch-Interpret Christian Brückner hat sie ein-gelesen. „Diese Reportagen sind mittler-weile vom RAI Sender Bozen, aber auch von Ö1 wiederholt gesendet worden“, er-klärt SMG-Direktor Christoph Engl. „Das Medienecho ist nicht das direkte Ziel des Preises, trotzdem ist es natürlich erfreu-lich und gut für Südtirol, wenn die Re-portagen, die aufgrund des Medienprei-ses entstanden sind, in großen deut-schen Medien veröffentlicht werden, wie der Welt am Sonntag, Alpin, der Berliner Morgenpost, der Berliner Zeitung oder der Frankfurter Sonntagszeitung.“

Deutschland, Österreich und der Schweiz, an die sich der Wettbewerb richtet, sollen mit der Distanz eines „Nicht-Südtirolers“ einen etwas anderen Blickwinkel auf Südtirol werfen. Geei-nigt hat man sich dabei auf die Darstel-lungsform der Reportage, die – wie kaum eine andere Textart – eine große journa-listische Freiheit erlaubt. Als tatsachen-betonter, aber gleichzeitig persönlicher Erlebnisbericht setzt die Reportage – eingepackt in eine kunstvolle Sprache – ein sensibles Einfühlungsvermögen so-wie eine hohe Auffassungsgabe und Ana-lysekompetenz voraus. Bei der Auswahl an Themen können die Journalisten be-liebig zwischen Milieustudien, Porträts, Geschichts- und Alltagsthemen wählen. Reporter sollen als denkende Kameras das Erlebte vermitteln, doch können sie nie die visuellen Sinneseindrücke, die eine Bilddokumentation liefert, erset-zen. So schreibt der Südtirol Medien-preis auch einen Wettbewerb für junge Fotografen aus, die die Journalisten auf ihren Recherchereisen begleiten und diese bildlich festhalten.

Die Jury

Für den Preis für junge Journalisten wie für jenen für junge Fotografen konnte eine kompetente Fachjury gewonnen werden, die aufgrund spezifischer Kri-terien alljährlich die Sieger ermittelt. Die Journalisten-Jury setzt sich zusam-

Die Insignien des Südtirol Medienpreises

Geschichten in Bildern: Seit einigen Jahren gibt es auch den Förderpreis für Jungfotografen

(gzp)

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Polen: Magazin VoyageReisemagazin – Das wichtigste Reisemagazin in Polen beleuchtet auf fünfzehn Seiten Südtirols Winterfacet-ten: Es geht um Skifahren auf der Seiser Alm, um Well-ness in der Therme Meran und einen Besuch beim Weinproduzenten Alois Lageder … und um den unver-meidlichen „Bombardino“, dem populärsten polnischen Skifahrergetränk. Ausgabe Februar 2012

Deutschland: ZDF: Winterwunderland TV-Bericht im ZDF sowie auf ZDFneo und 3sat war diesen Winter das Magazin „Winterwunderland - Geschichten rund ums Sellamassiv“ zu sehen, bei dem der Zuschauer vom frischen Fisch auf der Comici Hüt-te genauso wie vom Kochkurs mit der Bäuerin Rosa

Piccolruaz, die traditionelle ladinische Spezialitäten vorstellt, erfährt. Außer-dem geht es um die ladinische Musik-gruppe Ganes und um zwei Slackliner in der Steinernen Stadt.

Italien: D Wochenmagazin – In der auflagenstarken D, einer Beilage der Repubblica, werden in einem „Wellness in den Bergen-Round-Up“ von insgesamt vier Häusern drei Südtiroler Hotels empfohlen. Das Rennen neben dem Grandho-tel Kronenhof in St. Moritz machen die Wellnessoasen Rosalpina in St. Kassi-an, das Adler in St. Ulrich und das Berghofer in Radein. Ausgabe Jänner 2012

Deutschland: Feel GoodReise- und Lifestyle Magazin – Passend zur Ziel-

gruppe des Heftes, das sich in erster Linie an He-donisten und Liebhaber für „durchdesignte Ur-

laube“ richtet, wurde in der Winterausgabe des Magazins Feel Good das Kunsthotel ImperialArt

in Meran vorgestellt. Laut Redaktion mache den Charme dieses Hotels die besondere Mischung aus imperialen Einrichtungsgegenständen und

neuen Design-Akzenten aus. Winter 2011

Deutschland: i-ref MagazineOnline-Kulturmagazin – Den Berliner

Blog über Alltagskultur lesen unglaub-liche 250.000 Menschen pro Monat.

Bereits mehrmals wurde von Südtirol aus live gebloggt. Die Themen: Trans-art, der Winzer Franz Graf Pfeil, Rei-ten auf Haflingern oder Hugo beim

Bozner In-Lokal Fisch-bänke – i-ref berichtet

und macht jungen, hippen Großstädtern

Lust auf Südtirol.

Über Südtirol berichtet. Geschichten über das Land in Magazinen, im Web und im TV: Ob Extremklettern in den Dolomiten, alte Feuerrituale oder Nostalgie nach unberührter Natur. Viele Medien haben sich für Lifestyle made in Südtirol begeistert.

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I M V I S I E R D E R M E D I E N

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Italien: case da abitare Design und Living – Auf vier Pocket-Seiten wird im Designheft case da abitare, einer Beilage des Corriere della Sera, der Meraner Desig-

ner Harry Thaler mit seinem Interieur und dem Museion-Projekt ‘Artist in Residence’ vorgestellt. Auf puristische Art und mit Verwen-

dung heimischer Hölzer hat Thaler die Schlafstätte des Künstler-häuschens für das Museion ausgestattet. Ausgabe Februar 2012

Niederlande: Flower Power Travel

Retro-Reisemagazin – Flower Power Travel widmet vier Seiten dem Reiseland Südtirol und zeigt dessen

nachhaltige Seiten: Ob Mobilcard, Eco Übernach-

tung im Vigilius Mountain, Bio-Wein-Verkostung bei

Lageder oder einem Be-such im Kräuterschlössel; alles dreht sich um nach-

haltiges Reisen. Ausgabe Winter 2011

Österreich: Servus in Stadt und LandMagazin für Tradition und Lebensgefühl – Das an Servus TV angelehnte Heft gibt auf sechs Seiten Einblick in die Tradition des Scheibenschlagens im Vinschgau. Das Heft zählt zu den erfolgreichsten Magazingrün-dungen in Österreich der letzten Jahre und ist seit Herbst 2011 auch in der Schweiz, in Liechtenstein und in Südtirol erhältlich. Ausgabe Februar 2012

England: Daily Mail SkiAbenteuer – und Infotainment Blog Der britische Reisejournalist Matt Caroll hat sich im Spät-sommer auf das Abenteuer Südtirol eingelassen und hält seine sportlichen wie kulinarischen Erlebnisse in Form von Video-Blogs fest. Unter anderem umrundet der junge Jour-nalist die Sellaronda per Bike, klettert auf der Via Ferrata,

wandert auf dem Kaiserjägersteig und joggt auf der Seiser Alm. Alle Print- und Online-Berichte waren im Daily Mail Ski Magazin zu lesen bzw. sehen. Wir haben die Filme für Sie auf www.smg.bz.it abgelegt.

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TUTTI FRUTTI: Auf der größten Messe für den Frischfruchthandel, der Fruit Logistica, gaben im Februar nicht nur natürliche Vitamine von über 2.400 Austellern aus aller Welt den Ton an. Auch Südtirol war mit bewährten und neuen Produkten präsent. Die Export Organisation Südtirol (EOS) organisierte für die Obstverbände VOG und VI.P, die Vereinigung für Obst- und Gemüsegroßhandel Fruttunion sowie für die Fruchtverarbeitungsbetriebe VOG Pro-ducts und FROM den Messe-Auftritt. Auf der Pressekonferenz am Südtirol-Stand mit über 30 internationalen Journalisten wurde unter anderem auch die internationale Fachmesse Inter-poma, die im Herbst in Bozen ihre Tore öffnet, vorgestellt.

B E R L I N , D E U T S C H L A N D

Sonnig, frisch & fruchtig: Der Auftritt der Südtiroler Apfelwirtschaft auf der Fruit Logistica 2012

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M A R K T P L AT Z

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„Ich würde mein Geld auf die Sonne und die

Solartechnik setzen. Wir dürfen nicht erst die

Erschöpfung von Erdöl und Kohle abwarten,

bevor wir das angehen.“Thomas Alva Edison

amerikanischer Erfinder, 1847 - 1931

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macht mobilEinsteigen und losfahren!

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