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LAMPEDUSA TEXTE Susanne Ramm-Weber Javid Ramezani Stefania Severi Masoud Razavy Pour Shmulik Krampf Barbara Jenner Fery Berger Gregory Edwards WALTER KRATNER VIDEO Masoud Razavy Pour

"Lampedusa" Video von Masoud Rezavy Pour | Objektinstallation von Walter Kratner

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Der iranische Videokünstler Masoud Razavy Pour dokumentierte 2015 die Objektinstallation „Lampedusa“ von Walter Kratner im Sakralraum der Wallfahrtskirche am Weizberg. Der Videofilm geht freilich über die Dimension eines reinen Dokumentarfilms hinaus. Masoud Razavy Pour verwendet in verschiedenen Sequenzen Filmmaterial, das neu gedreht wurde, um die entsetzliche Situation der Flüchtlinge in künstlerischer Form beschreiben zu können. Eigens für „Lampedusa“ geschriebene Texte von Kuratoren, Künstlern und Kunsthistorikern aus Italien, der Usa, Deutschland, aus dem Iran und Österreich collagierte Razavy Pour zu einem eindringlichen, visuellen Opus. Texte: Susanne Ramm-Weber (Offenburg), Javid Ramezani (Teheran), Stefania Severi (Rom), Walter Kratner (Graz), Masoud Razavy Pour (Graz), Shmulik Krampf (San Francisco), Barbara Jenner (Berlin), Fery Berger (Weiz), Gregory Edwards (San Francisco).

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LAMPEDUSA

TEXTESusanne Ramm-Weber

Javid RamezaniStefania Severi

Masoud Razavy PourShmulik Krampf Barbara Jenner

Fery BergerGregory Edwards

WALTER KRATNER

VIDEO Masoud Razavy Pour

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LAMPEDUSA

TEXTE

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LAMPEDUSA

TEXTE

Dr. Susanne Ramm-WeberKunstwissenschaftlerin, Offenburg, Deutschland

Javid Ramezani Art director, Assistant Professor, Teheran, Iran

Dr. Stefania Severi Kuratorin, Kunsthistorikerin, Rom, Italien

Walter KratnerKünstler, Graz, Östereich

Masoud Razavy Pour Visual-Media-Artist, Graz, Österreich

Shmulik Krampf Kurator, Galerie „refusalon“, San Francisco, USA

Barbara Jenner Künstlerin, Berlin, Deutschland

Fery BergerCaritas Österreich

Gregory Edwards Künstler, San Francisco, USA

deutschitalienischenglischfarsi | übersetzung: Sharareh Sharafeh

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DAS BOOT IST

SPIELBALL DER WELTEN

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Die Objekt-Installation „Lampedusa“ von Walter Kratner hat im Grundsatz etwas Klas-sisches. Das Video zur Installation zeigt ihre diversen Aspekte. Zunächst ist die gesamte Raumsituation im Blick und verdeutlicht, dass die Installation zur barocken Umgebung der Kirche im formalen Kontrast steht. Schlank, durchlässig und in drei getrennten, gleichwohl aufeinander bezogenen Teilen liegt ein Boot, pragmatisch auf kleinen Rollen auf einem Tuch gelagert, seitlich im Kirchenraum.

Der Titel „Lampedusa“ verweist auf die retten-de, italienische Insel im Mittelmeer, das erste Ziel tausender Flüchtlinge, die auf ein besse-res Leben hoffen. Die unerträglichen Meldun-gen von gesunkenen Schiffen und ertrunke-nen Flüchtlingen, die das Ziel nicht erreichen, beherrschen besonders im Frühjahr 2015 die Medien. Die Boots-Installation verweist auf die tragischen, traurigen Geschehnisse im Mit-telmeer, das zum Massengrab wird.

Zwei der drei farblich einheitlich gestalteten Teile stellen Bug und Heck des zerbrochenen Bootes dar, ohne Außenhaut, gerüstartig an-gedeutet nur, dabei formschön, wohlpropor-tion iert, unauffällig grau und handwerklich sorgfältig gearbeitet. Der Bug bäumt sich auf und neigt sich zur Seite. Indirekt kommt das Wasser, seine unruhige Bewegung ins Spiel

der Vorstellung, das Boot als Spielball der Wel-len. Der Schiffbruch ist programmiert. Hölzer mit Nägeln ragen sperrig gebrochen über die verschobenen Bootsteile hinaus. Die Bruch-situation ist sehr bewusst und präzise gestal-tet. Sie ist zentral und sie steht im Kontrast zur sorgfältigen handwerklichen Ausführung.

Inmitten dieses Bruchs liegt niedrig der dritte Teil, der mit seiner Breite die Bootsteile op-tisch verbindet und dem Ganzen einen Aspekt von Ruhe gibt. In diesem mittleren Teil liegt in einer Aussparung aus geordneten Lamellen wie eingebettet in einen gläsernen Sarg eine weißliche tote Ratte, Sinnbild für Tausende Ertrunkene. Im Video wird sie fokussiert. Sie gibt dem vermeintlich harmlosen Boot eine profunde Schärfe. Zugleich liegt sie unter der Glasabdeckung wie ein Museumsobjekt, Dis-tanz entsteht, das Ekelgefühl wird abgemildert und aufgefangen. Es wandelt sich in Ehrfurcht vor dem Tod.

Die Symbolisierung der Situation ist in der In-stallation ebenso eindeutig wie kompromiss-los. Die auf Spannung und Kontrast ausgelegte Form und der dramatisch geladene Inhalt ge-hen künstlerisch eine wirkungssteigernde Ein-heit ein. Deutlicher kann man die Tragik der Flüchtenden nicht machen.

Dr. Susanne Ramm-WeberKunstwissenschaftlerin, Offenburg, Deutschland

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UNSER RÜCKGRAT

IST GEBROCHEN

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Manchmal frage ich mich, welche Lehre dem Kerker zugrunde liegt, den sich der Mensch aufgebaut hat? Soll das der gesuchte Weg sein? Die verborgene Wahrheit und die unverhohlene Wirklichkeit? Oder verirre ich mich in den Wirrungen eines Weges mit historischen Wur-zeln?

Das Schiff erreichte nicht den Strand. Es ist im Ozean der Unwissen-heit zerschellt. Wie absurd zu glauben, dass seit gestern (bis zum heu-tigen Tag) nur die Farben blasser geworden wären. Das Innere dieses gebrochenen Schiffes liegt aufgerissen dar. Das geometrische Gerip-pe ebenfalls zerbrochen. Das Segel, ─ verloren gegangen. Es besteht auch keine Notwendigkeit für dessen Existenz.

„Wo wollen wir denn hin?” Die Vervielfältigung der Geometrie ist Stück für Stück in der Finsternis versunken und das Horn des Wellenbre-chers, das sich gegen den Himmel richtet, ist nutzlos. Unser Rückgrat ist gebrochen. Wir sind ineinander verknotet und das Fieber der Pest hat uns blind gemacht. Vielleicht offenbart sich ein Strand in einer der nächsten Wiederholungen.

Übersetzung: Sharareh Sharafeh

Masoud Razavy Pour Visual-Media-Artist, Graz, Österreich

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DAS ENDE DER GESCHICHTE UND DER LETZTE MENSCH

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Javid RamezaniArt director, Assistant Professor, Teheran, Iran

DAS ENDE DER GESCHICHTE UND DER LETZTE MENSCH

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ERTRANKEN.

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Javid RamezaniArt director, Assistant Professor, Teheran, Iran

,vermuten dort das erhoffte Glück. Hatten je-doch vergessen, dass für ihre Väter das Tor nach Europa den Weg in die Sklaverei 3 bedeu-tete.

Scheinbar ist das mittlere Stück der Installati-on eine Station zwischen dem Osten und dem „fortgeschrittenen“ Westen. Die getrocknete Leiche der toten verpesteten Ratte liegt in der Mitte und die zerbrochenen Teile seitlich da-von. Der mittlere Teil, wie die verdorrte Insel südlich von Sizilien, ist an Pest erkrankt und schon tot; vielleicht ist das die Schuld des hei-ligen Papstes.

Die Installation „Lampedusa” verweist auf vie-le interdisziplinäre Begriffe und auf eine Sym-bolik, welche man aus unterschiedlichen Pers-pektiven betrachten könnte. Die Dreiteiligkeit der Installation könnte mit der Gedanken-Tri-logie „Ost, West, Katastrophe“ auch einen Hin-weis auf die Dreifaltigkeit beinhalten.1 das gleichnamige Buch von Francis Fukuyama; ameri-kanische Politikwissenschaftler und Philosoph. 2 das Wort „Lampedusa” bedeutet „Fackel“. 3 die Insel Lampedusa war früher ein Stützpunkt für Piraten und Händler der afrikanischen Sklaven.

Übersetzung: Sharareh Sharafeh

Die Installation „Lampedusa” erinnerte mich an „das Ende der Geschichte und der letzte Mensch”1.

Das Werk stellt nämlich eine Geschichte aus, die weder linear noch periodisch verläuft. Die Installation erinnert an Stillstand und Wieder-holung. An Ereignisse wie: die Krise der Kirche während der Aufklärung, den Widerspruch zwischen Moral und Macht, an antike Sklave-rei und die daraus folgenden Migrationswellen der Afrikaner Richtung Europa. An den geisti-gen Austausch zwischen Griechenland und dem Osten, an das Erblühen der Zivilisation entlang der mediterranen Ländern.

Jedes dieser Ereignisse ist in ihrer ewigen Wie-derholung, ein Zeuge des Untergangs eben dieser Geschichte. Als ob die Zivilisation den Wahn der Modernität auf die Spur gekommen wäre. Für die „Zivilisation“ bedeutet die bren-nende Fackel2 der „Lampedusa” das Zeichen der inneren und äußeren Krisen des moder-nen Menschen und dessen Bedürfnis nach Mi-gration.

Das Boot wurde in drei Teilen zerstückelt. Die Besatzung hat das geplagte Schiff verlassen,- und / oder: die Migranten fanden auf der Su-che nach einem besseren Leben im stürmi-schen mediterranen Meer den Tod. Ertranken. Sie hatten den Horizont Europas erblickt und

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Sie sterben im Meer, wie die Ratten

850 Flüchtlinge starben vor kurzem auf ihrer Überfahrt von Afrika nach Italien. Die größte Seekatastrophe, die es je im Mittelmeer gab. Seit Jahren sollen ca. 2000 Menschen im Jahr auf diese Weise umkommen. Niemand weiß die Zahl der Ertrinkenden wirklich. Sie wird bei weitem höher sein. Auf jeden Fall ist sie him-melschreiend.

In den letzten Jahren hat Europa bewusst zu-geschaut; auch um die vielen anderen, die sich auf der Flucht befinden, abzuschrecken. In der Türkei warten 2 Millionen Syrer darauf, über das Meer nach Griechenland zu gelangen. Auch einige der 37 Flüchtlinge, die jetzt bei uns in Weiz leben, sind so zu uns gekommen.

In Deutschland wurden im letzten Jahr 260 Asylantenheime angezündet. Die öffentliche Debatte rund um Flüchtlinge wird immer ag-gressiver. Bürgermeister müssen zurücktre-

... DENN ICH WAR FREMD UND OBDACHLOS

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Fery Berger Caritas Steiermark, Weiz, Österreich

ten, weil sie Flüchtlinge in ihren Gemeinden unterbringen wollen. Sind das Zustände, die bald auch auf uns zukommen werden?

In Vogau wurde ein Gasthaus, indem Flücht-linge untergebracht sind, mit Steinen bewor-fen. Vor kurzem wurden alle Unterbringer von Flüchtlingen in der Steiermark von der Polizei aufgefordert, besonders vorsichtig zu sein.

Muss man inzwischen mutig sein, sich für Ver-folgte einzusetzen? Braucht es Mut öffentlich zu widersprechen, wenn es heisst: „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber...“ „Es können ja nicht alle zu uns kommen...“

Braucht es Mut für uns ChristInnen ganz klar auf der Seite der Verfolgten zu stehen? Braucht es Mut, die entscheidende Auffor-derung Jesu in seiner Gerichtsrede ernst zu nehmen: „Denn ich war fremd und obdachlos, und ihr seid zu mir gekommen.“? Mut ist das Motto der Pfingstvision 2015.

Es war Papst Franziskus, der Lampedusa mit seinem ersten Besuch weltweit bekannt ge-macht hat. Er ist es, der uns immer wieder auf-fordert, hinauszugehen aus unseren Kirchen, hinaus zu den Rändern unserer Welt.

Jesus möchte, dass wir Gott nicht nur im Tem-pel anbeten. Er möchte, dass wir ihn in den Geringsten erkennen; in denen, die heute wie Ratten vor unseren Toren ertrinken.

Walter Kratner, künstlerischer Leiter der Pfingstvision, führt uns in seiner Objektinstal-lation schonungslos unsere Wirklichkeit vor Augen. Die Ratte wird zur Provokation.

Lassen wir uns aufrütteln. Schauen wir über unsere Kirchtüren hinaus. Erkennen wir, dass wir als Menschheit alle in einem Boot sitzen. Erkennen wir, dass wir entweder alle an das andere Ufer kommen, oder alle gemeinsam untergehen.

Mai 2015

... DENN ICH WAR FREMD UND OBDACHLOS

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... HOFFNUNGSLOSIGKEIT VOR AUGEN

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Mut aus Verzweiflung

Flüchtige auf einem Boot, kein Land in Sicht: „Boat People“ nennen wir diejenigen, die vor den Toren Europas dazu verdammt sind, nicht anzukommen. „Boat People“ ist ein Begriff, hinter dem sich eine jahr-hundertalte Erfahrung verbirgt: Abschied und Aufbruch, ewige Reisen zwischen Diesseits und Jenseits. Individuelles Scheitern, Schuld und Hybris durchziehen viele der Geschichten von Schiffbrüchigen und Gestrandeten. Doch die Reisen zwischen Diesseits und Jenseits bieten nicht nur Projektionsflächen für individuelle Geschichten.

Das Mittelmeer ist ein Massengrab: Am 3. Oktober 2013 sinkt ein über-fülltes Motorschiff vor Lampedusa. 366 Flüchtlinge aus Eritrea und So-malia ertrinken. Acht Tage später sterben bei einem erneuten Unglück mehr als 250 Menschen aus dem bürgerkriegsgeplagtem Syrien. Der Beginn einer schrecklichen Serie bis heute.

Wie viele Menschen genau an den Außengrenzen der EU umkommen, ist nicht bekannt. Keine offizielle Stelle zählt sie und kein Grab erinnert an die vielen Frauen, Männer und Kinder. Einige Fachleute gehen von mehr als 23.000 ertrunkenen Flüchtlingen seit der 1990er Jahren aus. 1.700 Menschen sterben im Durchschnitt pro Jahr.

Der zerbrochene Bootskörper, den Walter Kratner im Sakralraum des Weizbergs installiert, zeigt die besondere Dialektik, die diesem Objekt innewohnt: Hoffnung kann es nur geben, wenn man sich zunächst die eigene Hoffnungslosigkeit vor Augen führt.

Walter Kratner Künstler und Kurator, Graz, Österreich

... HOFFNUNGSLOSIGKEIT VOR AUGEN

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From my perspective, as an African Ameri-can, it isn’t possible to consider the plight of so many Africans desperately trying to immi-grate to Europe without considering the plight of Africans on the high seas two centuries ago destined for the shores of America. It is called the “Middle Passage” in our history books. In chains, we were delivered to enthusiastic American buyers - themselves only recently liberated from the harsh existence they’d led in Europe - who hoped to reap a fortune off of our inexpensive labor. It paid off handsomely for many now influential American families.

The American Slave Trade was a subsidiary of the European Cartel exploiting Africa for the same purposes. The situation of African Peo-ple has been changed forever by that Enrich-ment Project carried out by so many agencies of Western Society. Whenever I am in Europe, it never fails (entgeht) to move me deeply, how much the Africans in Europe have in com-mon with African Americans here. In the Black

THE UNEQUALITY OF WEALTH

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neighborhoods of Europe and America, pover-ty, crime and despair exist right next to hope, limited advancement and the exhilaration of gaining a foothold in the wealthy countries which our exploitation aided in creating. And continues to aid in maintaining.

What happened to our customs, traditions and the philosophies that served our Pre-Colonial human needs going back to the Dawn Of Time? What has happened to us that leaves African economies inverted as pertains to wages and return on investment? What has happened to us that leaves many of our sons with the idea that in order to get ahead, they must rav-age our very own communities and harm our very own people? In America we did not im-migrate voluntarily as it only appears that the African Boat People are doing, but we sure are involved in the same activities on both sides of the Atlantic: pursuit of a stable lifestyle and a living wage. Some of us are more successful than others, but for the larger percentage of

our people - especially the young, both here and there, the Middle Passage does not end. Nor does the search for meaningful employ-ment and the respect of the larger culture. Voluntarily or not, we end up similarly circum-stanced. I consider the distinctions superficial.

So to sum up my opinion of the tragedy play-ing out on overflowing vessels in the Mediter-ranean Sea and on the Atlantic Ocean, suffice it to say that the narrative continues to be driv-en by exploitation. Our African Brothers and Sisters are merely reacting to the landscape of want left behind, by another cycle. Although that exploitation now occurs largely through the good offices of Multi-National Corpora-tions, in concert with corrupt African officials hand-picked for the job, the lion’s share of en-richment still finds it’s way into the coffers of influential Families in the West. The inequality of wealth continues unabated, as does the phi-losophy of victim-blaming which dates back at least to the thirteenth century.

Gregory Edwards Artist, San Francisco, Usa

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Aus der Perspektive eines Afro-Amerikaners, kann man die aktuelle Notlage verzweifelter afrikanischer Migranten nach Europa nur mit der Misere afrikanischer Menschen auf hoher See vergleichen, die vor zwei Jahrhunderten für die Küste Amerikas bestimmt waren. Unse-re Geschichtsbücher nennen es „Middle Pas-sage“. In Ketten wurden wir enthusiastischen amerikanischen Käufern zugestellt. Käufer, die sich selbst erst vor kurzem von der Abhängig-keit Europas befreit hatten und die hofften mit uns ihr Vermögen zu machen. Für einige heu-te einflussreiche Familien, war es der Beginn ihrer Bedeutung im amerikanischen Gesell-schaftsgefüge.

Der amerikanische Sklavenhandel war die Er-gänzung zum europäischen Kartell, das Afrika aus denselben Gründen ausbeutete. Dadurch veränderte sich Afrika für immer. Wenn ich in Europa bin, berührt es mich, wie viel afrikani-sche Bürger in Europa mit den amerikanischen gemein haben. In den Schwarzen-Vierteln Europas und Amerikas existieren die gleiche Armut, Kriminalität und Verzweiflung neben Hoffnung und ausgeprägte Chancenungleich-heit neben Heiterkeit. Sie versuchen einen festen Halt in der Wohlfahrtsgesellschaft zu

IN KETTEN

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erlangen, ─ an einem Wohlstand teilzuhaben, der auf Ausbeutung unseres Kontinents ba-siert und der durch unsere Hilfe entstanden ist und weiterbesteht.

Was geschah mit unseren Bräuchen, Traditio-nen und den präkolonialen Philosophien, die seit Urzeiten galten? Was ist geschehen, dass afrikanische Ökonomien scheiterten, was Lohn und Kapitalanlage betrifft? Was bedeutet es, dass unsere Kinder glauben nur vorwärts zu kommen, wenn sie ihre eigenen Wohnviertel verwüsten und unsere eigenen Leute verlet-zen? Wir wanderten nicht freiwillig nach Ame-rika aus. Anders als die heutigen afrikanischen Boat-People es tun. Aber auf beiden Seiten des Atlantiks suchen sie dasselbe: durch Arbeit ihr Auskommen zu finden. Einige von uns sind er-folgreicher. Doch für den größten Prozentsatz unserer Leute, besonders für die jungen von uns, hat die „Middle Passage“ noch kein Ende. Ebenfalls keine Ende hat die Suche nach einer sinnvollen Anstellung und der Wunsch nach dem Respekt vor einer großen Kultur. Ob wir wollen oder nicht, wir leben in ähnlichen Zu-ständen. Ich halte Unterscheidungen dabei für oberflächlich.

Fasse ich meine Meinung über die Tragödie auf den überfüllten Schiffen im Mittelmeer und im Atlantik kurz zusammen, reicht es zu sagen, dass die Gründe in der fortwährenden Ausbeutung liegen. Unsere afrikanischen Brü-der und Schwester reagieren jetzt lediglich auf die neuen Umstände. Obwohl die Ausbeutung heute hauptsächlich durch ein Konzert aus Multinationalen Konzernen und korrupten afrikanischen Beamten erfolgt, fließt der Lö-wenanteil der Bereicherung in die Geldsäckel einflussreicher westlicher Familien. Die Un-gleichheit in der Verteilung des Wohlstandes dauert unvermindert an. Ansätze dieser Un-gleichheit glauben Philosophen bereits im 13. Jahrhundert auszumachen.

Übersetzung: Walter Kratner

Gregory Edwards Künstler, San Francisco, Usa

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per quanto voi vi crediate assolti siete lo stesso coinvolti!

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Walter Kratner, da artista/scultore, ricorre alle immagini per trasmet-tere il suo messaggio. “Lampedusa” è un messaggio fortissimo, che ar-riva al cuore in modo ben più prorompente delle parole. La parola tace davanti all’immagine come tace davanti alle tante immagini di guerra, distruzione e morte che ci giungono in questi tempi. La barca è metafo-ra del viaggio per antonomasia, che è la vita, ed è pertanto culla, arca e bara, ma il presupposto è che essa salpi per approdare. Qui l’approdo è indicato nel titolo dell’opera, “Lampedusa”, isola in mezzo al Mediter-raneo che è sul limite tra due mondi, quello che considera l’individuo una entità con i suoi diritti-doveri e quello che considera l’altro da sé entità inferiore priva di diritti. Ecco pertanto che coloro che sanno di essere considerati “inferiori” fuggono reclamando il diritto di essere in-dividui. Ma il viaggio è denso di incredibili pericoli e la barca si spezza: la vita è spezzata e non trova il suo naturale approdo. La barca spez-zata è il viaggio tragicamente interrotto. E Walter Kratner ce lo mostra in tutta la sua drammatica crudezza, usando anche materiali raffinati e levigati perché la responsabilità della tragedia ha tanti risvolti inafferra-bili, subdoli, inquietanti. E nel relitto è un topo morto, trafitto. Il topo è l’ultimo ad abbandonare la nave in caso di naufragio. Il topo è immag-ine del mondo ctonio, del mistero pervasivo, dell’orrore strisciante, della peste. Il topo ci fa voltare lo sguardo ma Walter Kratner ci obbliga a guardare e ci grida, come nella bellissima canzone di Fabrizio De An-drè, Canzone del Maggio: «per quanto voi vi crediate assolti siete lo stesso coinvolti!»

Dr. Stefania Severi Curatrice, Storica dell Arte, Roma, Italiaper quanto voi vi crediate assolti siete

lo stesso coinvolti!

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DAS BOOT IST DAS LEBEN,ARCHE UND SARG

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Der Künstler/Bildhauer Walter Kratner greift auf Metaphern zurück, um seine Botschaft zu vermitteln. Die aufwühlende Botschaft der Objektinstallation „Lampedusa“ dringt tiefer in das Herz des Betrachters ein, als Wörter es könnten. Denn die Wörter verstummen in die-sen Tagen angesichts der Bilder von Kriegsge-schehen, Zerstörung,Flucht und Tod. Das Boot ist die Metapher für das „Reisen“ schlechthin. Das Boot ist das Leben, die Wiege, Arche und Sarg, - gedacht in See zu stechen, um an einem anderen Ort wieder anzulegen. Hier ist der Ort der Ankunft bereits aus dem Titel des Wer-kes abzulesen, „Lampedusa“, ─ eine Insel im Mittelmeer, die an der Grenze zweier Welten liegt. Zwischen einer Welt, die das Individuum als Bürger mit Rechten und Pflichten ansieht, und einer zweiten, die den Anderen als unter-legen und rechtlos behandelt. So flüchten die Rechtlosen dorthin, wo sie glauben, das Recht einfordern zu können, als Mensch behandelt zu werden.

Aber die Flucht ist voller Gefahren und das Boot zerbricht. Das Leben zerbricht und findet keine Fortsetzung. Das zerschellte Boot ist Bild

für eine solche tragisch unterbrochene Reise. Walter Kratner zeigt den Bruch in dramatisch-er Härte. Er baute das Objekt aus lackierten Hölzern und polierten Materialien nach, um zu beweisen, dass die Verantwortlichkeit für die Tragödie Folge unfassbarer, perverser, beäng-stigender Umstände ist.

Im Relikt des Bootsgerüstes findet sich eine tote Ratte. Die Ratte ist die letzte, die das sinkende Schiff verlässt. Die Ratte ist das ch-thonische, irdische Bild von der Welt, dem alles durchdringenden Geheimnis des Lebens, von der latenten Greuel, von der Pest. Die Rat-te lässt uns den Blick abwenden, aber Walter Kratner zwingt uns gerade dadurch hinzuseh-en und das ausgetrocknete Tier schreit uns zu: „Obwohl ihr glaubt, von Schuld freigesprochen zu sein, ward ihr doch beteiligt!“ 1

1(Zitat: „per quanto voi vi crediate assolti siete lo stesso coinvolti!“ Aus: Fabrizio De Andrè, Canzone del Mag-gio)

Übersetzung: Walter Kratner

Dr. Stefania Severi Kuratorin, Kunsthistorikerin, Rom, Italien

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... hoffnungsloser Bedürftigkeitund Wohlstand

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Graue Holzleisten formieren sich zu einem Hohlkörper. Das Gerüst eines Bootes, zweige-teilt, und in seiner Funktion beraubt. Silbern glänzende Metallgriffe und Rollen, neben an-tik anmutenden Holzleisten, erinnern an Ar-chive. Das skulpturale Objekt ist als Installati-on inszeniert. Nicht zuletzt aufgrund des Titels „Lampedusa“ verweist es auf die Flüchtlings-problematik. In der Weizer Kirche vor einem barocken Altar aufgebaut, wirkt es wie ein Mahnmal, das den Kontrast zwischen hoff-nungsloser Bedürftigkeit und Wohlstand sicht-bar macht und zum nachdenken anregt.

Die karge Ästhetik der Installation macht den Gegensatz noch deutlicher, wirkt erschreckend und neben dem üppigen Gold des Altars fast befremdlich.

Barbara Jenner Künstlerin, Berlin, Deutschland

... hoffnungsloser Bedürftigkeitund Wohlstand

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Albert Camus, in his writing about Sisyphus, he refers us to the Greek gods as a solution for understanding human condition. Sisyphus, the son of the gods, being punished by them, for defying them. That human condition is the eternal suffering of doing the same thing over and over, rolling a stone to the top of a moun-tain, and seeing it roll down.

In Walter Kratner’s piece, Lampedusa, takes us into the deep sea, where he puts imagery of a remnants ,drowned boat. Socially and Politi-cally connecting us to the subject matter. The matter is refugees from Africa drowning in the Mediterranean sea. Beginning of some of hu-manity‘s cradle, same sea, same issues.

Frantz Kafka says about his writing “I want to be the ax on the frozen lakes of your soul.” Well, my friend, the lakes melted already. Franz Kafka axed it already, and history repeats itself. We choose to turn our eyes to another direction, when the direction is right there.

Forty years ago, I was given an old edition of Albert Camus, the Myth of Sisyphus. I read

DROWNING IN THE MEDITERRANEAN SEA

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it daily trying to assess, and understand the equation. Prometheus, who was entrusted by the gods to create molding of mankind out of clay. Prometheus was tied to a rock in the ocean, left for the birds to eat.

A myth is an idea that some believe, some don’t, and hasn’t been proven true or false yet. In what’s called “human condition”, there is a desire to understand it.

Understanding the myth is a pain reliever of human condition.

Understanding the myth is understanding.

As politics and philosophy are unbridgeable, the tragedy, the punishments of God, are use-less, and understanding, becomes useless ef-forts of frustration.

As Sisyphus becomes the subject of ancient suffering, and Prometheus becomes eter-nal food. Refugees in the Mediterranean sea become manifestations of navigation gone wrong.

In a constant search of Icarus and Daedalus.

As Icarus and Daedalus are sinking into the sea, in attempt to fly like a bird, go higher, they are falling into the sea, at a meeting place with the same boats, and refugees. Greek mythol-ogy connects to it’s final destiny.

Shmulik Krampf Gallery Owner, “Refusalon”, San Francisco, Usa

DROWNING IN THE MEDITERRANEAN SEA

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Albert Camus bezieht sich auf den griechi-schen Mythos von Sysyphos als Erklärung für die „conditio humana“. Sisyphos, der Göt-tersohn, wurde bestraft, weil er den Göttern trotzte.

Eine Bedingung für das Menschsein ist das ewige Leid, dieselbe Tätigkeit unendlich wie-derholen zu müssen: Einen Felsblock auf ei-nen Berg hinauf wälzen zu müssen, der, fast am Gipfel, jedes Mal wieder ins Tal rollt.

Die Bildsprache von Walter Kratners Arbeit „Lampedusa“ führt uns auf hohe See, wo Über-reste eines gesunkenen Bootes den Betrachter mit dem aktuellen politischen Thema verbin-den. Das Thema handelt von Flüchtlingen aus Afrika, die im Mittelmeer ertrinken. Ertrinken in der einstigen Wiege der Menschheit. Die Fragen sind seit dem dieselben geblieben.

Franz Kafka sagte über sein Schreiben: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns”. Meine Freunde, die Meere sind bereits geschmolzen. Kafka hat sie bereits eingeschla-gen und die Geschichte wiederholt sich selbst. Wir haben entschieden, in eine andere Rich-tung zu sehen, obwohl die richtige Richtung bereits gegeben wäre.

die Bestrafung durch Gott ist sinnlos

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Vor vierzig Jahren bekam ich eine alte Ausgabe von Albert Camus` „der Mythos von Sisyphos“. Ich las täglich in diesem Essay und versuchte die Metapher für mich einzuordnen.

Die Götter vertrauten Prometheus die Erwe-ckung der Menschheit an. Also ging er auf die Erde und formte sie aus Ton. An einen Felsen über den Ozean wurde Prometheus gebunden und der Adler fraß von seiner Leber, die sich zu seiner Qual immer wieder erneuerte, da er ein Unsterblicher war.

Der Mythos ist eine Vorstellung, an die man-che glauben. Er erweist sich weder als „rich-tig“ noch als „falsch“. Er ist der Wunsch, die „conditio humana“ besser zu verstehen.

Den Mythos zu verstehen ist Qual, ein Schmerz-mittel für die menschliche Existenz.

Den Mythos zu „verstehen“ bedeutet „verste-hen“.

Politik und Philosophie sind zwei unüber-brückbare Felder. Die Tragödie, die Bestrafung durch Gott ist sinnlos. Die Bestrafung zu ver-stehen ist ebenfalls ein enttäuschender und sinnloser Versuch.

Sisyphos wurde ein klassisches Beispiel für Leid, und Prometheus wurde zur ewigen Nah-rung. Die Flüchtlinge im Mittelmeer sind Aus-druck fehlgeleiteter Navigation, ─ auf der kon-stanten Suche nach Ikarus und Daedalus.

Ikarus und Daedalus versinken nach ihrem Versuch, wie ein Vogel zu fliegen, im Meer. Immer höher geflogen, stürzen sie in die See und schlagen auf die Boote der Flüchtlinge. Die griechische Mythologie verbindet sich mit ihrem endgültigen Schicksal.

Shmulik Krampf Galerist, „Refusalon”, San Francisco, Usa

Übersetzung: Walter Kratner

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LAMPEDUSAVIDEORealisation:Masoud Razavy Pour

Texte gesprochen von:Walter Kratner

Fotografie für booklet:Franz Sattler TEXTE

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LAMPEDUSA Dr. Susanne Ramm-WeberKunstwissenschaftlerin, Offenburg, Deutschland

Javid Ramezani Art director, Assistant Professor, Teheran, Iran

Dr. Stefania Severi Kuratorin, Kunsthistorikerin, Rom, Italien

Walter KratnerKünstler, Graz, Östereich

Masoud Razavy Pour Visual-Media Artist, Graz, Österreich

Shmulik Krampf Kurator, Galerie „refusalon“, San Francisco, USA

Barbara Jenner Künstlerin, Berlin, Deutschland

Fery BergerCaritas Österreich

Gregory Edwards Künstler, San Francisco, USA

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Masoud Razavy PourShmulik Krampf Barbara Jenner

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WALTER KRATNER

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