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John Bellamy Foster, Brett Clark, Richard York Der ökologische Bruch LAIKAtheorie Der Krieg des Kapitals gegen den Planeten

John Bellamy John Bellamy Foster In Foster, Brett Clark ...von Klaus E. Lehmann // Erschienen unter dem Originaltitel The Ecological Rift: Capitalism’s War on the Earth bei Monthly

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John Bellamy Foster, Brett Clark, Richard York Der ökologische Bruch

LAIKAtheorie

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Der Krieg des Kapitalsgegen den Planeten

John Bellamy Foster, Jahrgang 1953, ist Profes-sor für Soziologie an der Universität des US-Bun-desstaates Oregon in Eu-gene und zugleich Chefre-dakteur der unabhängigen sozialistischen Zeitschrift Monthly Review. Seine Ar-beitsschwerpunkte sind

politische Ökonomie, Umwelt-Soziologie und mar-xistische Theorie. Aus seinem umfangreichen Werk erscheint demnächst im LAIKA Verlag die deutsche Ausgabe von The Ecological Revolution: Making Peace with the Planet (2009).

Brett Clark ist Dozent für Soziologie an der North Ca-rolina State University. Neben zahlreichen Veröffentlichun-gen hat er zusammen mit Ri-chard York eine Forschungs-arbeit zu Stephen Jay Gould, einem bedeutsamen Evolu-tionstheoretiker und Huma-nisten vorgelegt.

Richard York ist Dozent für Soziologie an der Uni-versität von Oregon in Eu-gene und Mitherausgeber des vierteljährlich erschei-nenden Journals Organiza-tion & Environment, einer der führenden internationa-len Zeitschriften für ökoso-ziale Forschung.

www.laika-verlag.de

LAIKA-Verlag · 39,90 €ISBN 978-3-942281-97-3

In Der ökologische Bruch legen die Autoren John Bellamy Foster, Brett Clark und Richard York auf Grundlage eines marxistischen Ansatzes eine dichte und überzeugende Analyse zum Klimawandel, zur Ökologie und zu den „plane-tarischen Grenzen“ der Erde vor.

Dieses Buch ist eine wertvolle Ressource für alle, die sich dem ökologischen Zerstörungsprozess der Welt entge-genstellen wollen.

Für John Bellamy Foster, Brett Clark und Richard York ist die weltweit vorherrschende Produktions-weise einer ungehemmten Warenproduktion ein Krieg des Kapitals gegen die Erde, der nicht erst droht, sondern sich schon längst im fortgeschrit-tenem Stadium befi ndet. Mit dem Verlust biologi-scher Vielfalt und durch die chemische Verschmut-zung steht das ökologische System vor einem Wendepunkt. Die Tretmühle der Akkumulation und die innere Logik des Produktionssystems selbst treiben den Planeten in Richtung eines ökologi-schen Zusammenbruchs.

Kein Zweifel: Die Warenproduktion ist auch un-ter den Bedingungen des Realsozialismus Teil des weltweiten Destruktionsprozesses. Gleichwohl setzen sich die Autoren für einen noch neu zu de-fi nierenden Sozialismus des 21. Jahrhunderts ein.

In ihrer bahnbrechenden Studie werden die gängi-gen stereotypen Interpretationen zu Karl Marx um-gewälzt. So baut Foster auf Marx’ Schriften über die Auswirkung der frühen kapitalistischen Land-wirtschaft auf die Bodenerosion und über die Evo-lutionstheorie auf, um eine Vision des Marxismus als ganzheitliche Weltsicht vorzulegen, in der die Ökologie ein integraler Bestandteil ist.

Die Autoren verwerfen die Ansicht von Systemver-tretern, die einen nachhaltigen Kapitalismus und marktbasierte Lösungen für die ökologische Krise propagieren.

www.laika-verlag.de

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Der ökologische Bruch

LAIKA Verlag

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Von John Bellamy Foster, Brett Clark und Richard York

Der ökologische BruchDer Krieg des Kapitals gegen den Planeten

aus dem US-amerikanischen Englisch von Klaus E. Lehmann

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Impressum

©LAIKA-Verlag Hamburg 2011 // LAIKAtheorie Band 6 // John Bellamy Foster, Brett Clark, Richard York: Der ökologische Bruch. Der Krieg des Kapitals gegen den Planeten // 1. Auflage // Übersetzung aus dem US-amerikanischen Englisch von Klaus E. Lehmann // Erschienen unter dem Originaltitel The Ecological Rift: Capitalism’s War on the Earth bei Monthly Review Press, New York 2011 // Satz und Cover: Peter Bisping // Korrektur: Gunthild Gerstmeier // Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm // www.laika-verlag.de // ISBN: 978-3942281-97-3

Der Verlag bedankt sich bei Gunthild Gerstmeier und Hanna Schneider für die unermüdliche lektorierende und redaktionelle Arbeit an diesem Buch.

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Einleitung: Ein Bruch in Erde und Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Teil 1 Kapitalismus und unhaltbare Entwicklung1. Das Reichtumsparadox . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

2. Brüche und Verschiebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

3. Kapitalismus im Wunderland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

4. Der Midas-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .104

5. Kohlenstoff-Metabolismus und globale Kapitalakkumulation . . . . . .116

6. Der planetarische Moment der Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .146

Teil 2 Ökologische Paradoxien7. Die Rückkehr des Jevons-Paradoxons . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161

8. Das papierlose Büro und andere ökologische Paradoxien . . . . . . . . 174

9. Die Tretmühle der Akkumulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182

10. Das absolute allgemeine Gesetz der Umweltschädigung unter dem Kapitalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195

Teil 3 Dialektische Ökologie11. Die Dialektik von Natur und marxistischer Ökologie . . . . . . . . . . .201

12. Dialektischer Materialismus und Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . .235

13. Die Grundrisse von Marx und die Ökologie des Kapitalismus . . . . .260

14. Die Soziologie der Ökologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .272

15. Imperialismus und ökologischer Metabolismus. . . . . . . . . . . . . .329

Teil 4 Auswege16. Die Ökologie des Konsums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .357

17. Der Metabolismus des Sozialismus des 21. Jahrhunderts . . . . . . .379

18. Warum ökologische Revolution? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .401

Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .421

Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .483

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Vorwort

Der ökologische Bruch, auf den im Titel dieses Buches Bezug genommen wird, ist der Bruch zwischen Menschheit und Natur. In Wahrheit ist die Welt ein unteil-bares Ganzes. Der Bruch, der heute dieses Ganze auseinanderzureißen und zu zerstören droht, ist ein Produkt künstlicher Spaltungen innerhalb der Mensch-heit, die uns von den materiellen natürlichen Bedingungen unserer Existenz und von nachfolgenden Generationen entfremden. Unsere Beweisführung läuft kurz gesagt darauf hinaus, dass sich in der metabolischen Beziehung zwischen Mensch und Natur ein tiefer Spalt geöffnet hat – in einem Stoffwechsel, der die Grund-lage des Lebens selbst darstellt. Der Ursprung dieser beispiellosen Krise liegt in der kapitalistischen Gesellschaft begründet, in der wir leben.

Ironischerweise sind die meisten Analysen der Umweltproblematik heutzu-tage weniger um die Rettung des Planeten oder des Lebens oder der Menschheit besorgt als um die Rettung des Kapitalismus – des Systems an der Wurzel unserer Umweltprobleme. Wie Derrick Jensen und Aric McBay in What We Leave Behind (Was wir hinter uns lassen) auf überzeugende Weise beschreiben, leben wir in einer Kultur, in der es eine »Umkehrung dessen gibt, was real und was nicht real ist«, wo »sterbende Ozeane und Dioxin in der Muttermilch« als weniger real ange-sehen werden als der »Industriekapitalismus«. Daher werden wir ständig dazu ver-führt zu glauben, dass »das Ende der Welt weniger zu befürchten sei als das Ende des Industriekapitalismus [...] Wenn die meisten Leute in der gegenwärtigen Kul-tur fragen: ›Wie können wir die globale Erwärmung stoppen?‹, dann ist das nicht ihre wirkliche Frage. Sie fragen vielmehr: ›Wie können wir die globale Erwärmung stoppen, ohne diesen Lebensstil [oder Todesstil, wie manche es nennen] wesent-lich zu verändern, der die globale Erwärmung in erster Linie verursacht?‹ Die Ant-wort lautet, dass man dies nicht kann. Es handelt sich um eine dumme, absurde und irrsinnige Frage«.

Jensen und McBay gelangen zu der Feststellung: »Industriekapitalismus kann niemals nachhaltig sein. Er hat immer das Land zerstört, von dessen Roh-stoffen er abhängig ist, und wird dies immer tun, solange bis es keine Böden oder Gewässer oder Luft mehr gibt, die er ausbeuten kann. Oder, und das ist

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offenkundig die weitaus bessere Option, bis es keinen Industriekapitalismus mehr gibt.«1

Wir könnten es nicht besser ausdrücken. Aber wir können in diesem Buch eine Analyse anbieten, die uns dabei hilft, die Natur dieser Zerstörung besser zu verstehen – wie sie zustande gekommen ist und warum es so schwer ist, dies zu ändern – und die einen Weg sichtbar macht (wenn er bisher auch kaum als solcher auszumachen ist), der von diesem System weg führt, das dabei ist, den Planeten zu töten.

Wir schreiben dieses Buch hauptsächlich als professionelle Umweltsoziolo-gen. Mehr als die meisten akademischen Disziplinen ist die Umweltsoziologie in direkter Antwort auf eine Krise entstanden: die Krise der Erde. Diese Disziplin hat sich aktuell zwischen zwei prinzipiellen Ansätzen polarisiert. Der eine liegt in dem Versuch, die Natur noch weiter unserem Willen zu unterwerfen, um sie unseren Produktionsbedürfnissen anzupassen. Diese generelle Sichtweise fin-det einen noch dominierenderen und gefährlicheren Ausdruck in den umwelt-bezogenen Wirtschaftswissenschaften. Der andere umfasst eine Analyse, die die sozialen Triebkräfte ökologischen Abbaus untersucht und dabei die Widersprü-che innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung beleuchtet. Dieser Ansatz besteht in einem Aufruf zur grundlegenden Veränderung der menschlichen Gesellschaft in Richtung auf ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gleichheit. Der betreffende Ansatz ist unter der Bezeichnung der ökologischen Modernisierung bekannt. Letz-terer besteht aus verschiedenen radikalen Ökologien, die die Tretmühle der kapita-listischen Akkumulation unter der Zielsetzung infrage stellen, einen neuen Bezug zur Erde zu erzeugen. Unsere Arbeit versucht, diese zweite, kritischere Sichtweise voranzutreiben.

Die Kapitel in diesem Buch entstanden zumeist aus vorher veröffentlichten Stücken, die während des letzten Jahrzehnts geschrieben wurden. Die Einleitung, sowie die Kapitel 7 und 16 erscheinen hier zum ersten Mal, während die Kapitel 6 und 9 tatsächlich neu und gegenüber früher veröffentlichten Versionen vollstän-dig verändert worden sind. Aufgrund dessen, dass die meisten dieser Kapitel ihren Ursprung in getrennten Stücken hatten, gibt es eine gewisse Menge an Wiederho-lungen, die im vorliegenden Buch als Ganzem unvermeidlich sind, besonders was das zentrale Konzept des metabolischen Bruchs angeht. Wir haben uns bemüht, solche Wiederholungen zu verringern und die verbliebenen Fälle sollten als Vari-anten innerhalb eines schlüssigen, übergreifenden Themas angesehen werden. Zu jeder Zeit greift unsere Analyse auf das grundlegende materielle Problem des öko-

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logischen oder metabolischen Bruchs zurück, der aus der Tretmühle der kapitalis-tischen Akkumulation erwächst.

Wir haben das Buch in vier unterschiedliche Teile aufgegliedert. »Teil Eins: Kapitalismus und unhaltbare Entwicklung« beschäftigt sich zuvorderst mit dem Konflikt zwischen kapitalistischer Wirtschaftsweise und umweltbezogener Nach-haltigkeit. »Teil Zwei: Ökologische Paradoxien« untersucht verschiedene paradoxe Erscheinungen (jenseits des »Paradoxon des Reichtums« in Kapitel 1), die mit wirtschaftlichem Wachstum, technologischem Wandel und Natur unter kapitalis-tischen Systemvoraussetzungen verbunden sind. »Teil Drei: Dialektische Ökolo-gie« spricht die komplexe Wechselbeziehung zwischen Gesellschaft und Umwelt sowie das kritisch-theoretische Handwerkszeug zu deren Analyse an. »Teil Vier: Auswege« legt sein Hauptaugenmerk auf das Problem der ökologischen Reform/ökologischen Revolution. Leser, die auf der Suche nach voll ausgearbeiteten Lösungen für die Umweltkrise sind, werden diese hier nicht entdecken. Aber sie werden, wie wir glauben, die Art von revolutionärer Hoffnung und realistisch-visi-onärer Perspektive finden, die wir brauchen und auf die wir bauen müssen, um eine gerechte und nachhaltige Zukunft aufzubauen.

Wir stehen in tiefer und umfassender Weise in der Schuld vieler Einzelner, die uns auf dem Weg des Entwicklungsprozesses der Analyse dieses Buches geholfen und uns dabei inspiriert haben. Wir würden uns gerne bei den vielen Umweltso-ziologen bedanken, mit denen wir uns im Verlauf unserer Untersuchung und deren schriftlicher Darstellung ausgetauscht haben und dabei besonders den Mit-gliedern der Umwelt- und Technologiesektion der Amerikanischen Soziologi-schen Gesellschaft (American Sociological Association – ASA). Unter diesen gilt unsere spezielle Anerkennung Eugene Rosa, Tom Dietz, Riley Dunlap, Andrew Jorgenson, Ariel Salleh, Kenneth Alan Gould, Marcia Hill Gossard und David Pel-low. Wir möchten ebenso unsere Schuld gegenüber einigen verstorbenen Genos-sen zum Ausdruck bringen: Fred Buttel, Stephen Bunker und Allan Schnaiberg. Wir danken auch Alf Hornborg, einem Anthropologen an der Abteilung für Menschliche Ökologie an der Lund University, für seine Unterstützung und seine tiefen Einsichten. Unter den Zeitschriftenredakteuren sind wir besonders dank-bar für den Zuspruch von John Jermier von Organization & Environment, Karen Lucas von Theory and Society, Servaas Storm von Development and Change, Linda Kalof von Human Ecology Review und Victor Wallis von Socialism and Democracy. Wir möchten uns ebenso bei Bertell Ollman, Anthony Smith und Marcello Musto für ihre Unterstützung und ihre Einsichten als Herausgeber von Büchern bezüg-

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lich zweier Kapitel bedanken, die in überarbeiteter Form weiter unten nachge-druckt sind.

Unter den marxistischen Ökologen, die bei der Findung des Weges zu dieser Art von Analyse geholfen haben, verweisen wir auf die bahnbrechenden Arbeiten von Paul Burkett, Elmar Altvater, Ted Benton, James O’Connor und Peter Dickens. István Mészáros hat direkte und indirekte Vorlagen zu unserer Diskussion der gesellschaftlich metabolischen Ordnung des Kapitals beigesteuert. Stephen Jay Gould ist uns bei allem, was wir hier umgesetzt haben, eine Quelle persönlicher und intellektueller Inspiration gewesen. Darüber hinaus haben wir von der Unter-stützung von Richard Levins und Richard Lewontin und deren dialektischem Ansatz in biologischen Fragen profitiert.

Bei der Zeitschrift Monthly Review möchten wir uns bei John Mage, John Simon, Michael Yates, Fred Magdoff, Claude Misukiewicz, Susie Day und Yos-hie Furuhashi bedanken, sowie bei Martin Paddio, Scott Borchert und Spen-cer Sunshine von der Monthly Review Press. Dabei ist es nur fair zu sagen, dass dieses Buch und viele der darin enthaltenen Gedanken ohne ihren beständigen Zuspruch, ihre Unterstützung und nicht selten ihre harte Arbeit unseretwegen niemals das Licht der Welt erblickt hätte.

Vieles von dem, was wir hier versucht haben zuwege zu bringen, wurde in tie-fer Weise von unserer Arbeit mit unseren Studenten und Kollegen der Umweltso-ziologie direkt an oder in früherer Verbindung mit der University of Oregon beein-flusst. Hier möchten wir besonders Jason Moore, Diana Gildea, Rebecca Clausen, Stefano Longo, Philip Mancus, Shannon Elizabeth Bell, Christina Ergas, Thembisa Waetjen, Paul Prew, Carlos Castro, Mark Hudson, Hannah Holleman, R. Jamil Jonna, Lora Vess, Laura Earles, Tony Silvaggio, Kari Norgaard, Eric Edwards, Dan Wilson, Jason Schreiner, Ryan Wishart und Cade Jameson anerkennend erwäh-nen. Val Burris und Joseph Fracchia an der University of Oregon haben in bestän-diger Weise ihr enormes Wissen über den Marxismus und ihr kritisches soziales Denken mit uns geteilt.

Über Ökologie zu schreiben hat offensichtlich nur Sinn, wenn man mit der Erde verbunden ist. Dies ist unweigerlich eine gemeinsame Beziehungsgeschichte, die wir mit den Leuten erfahren haben, die uns am nächsten stehen. In unseren Fällen teilen wir unsere Liebe zur Natur mit unseren Partnerinnen Carrie Ann Naumoff, Kris Shields und Theresa Koford - von denen jede einzelne in den Bestrebungen ihres eigenen Lebens ebenso sehr in die Thematik von Nachhaltig-keit und Gerechtigkeit involviert ist wie wir. Von ihnen lernen wir ständig. Des-

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wegen widmen wir unser Werk Der Ökologische Bruch und die Hoffnung auf die Menschheit und auf die Erde, die diese repräsentiert, ihnen und allen in der Welt, die wie sie sind.

4. August 2010Eugene, OregonRaleigh, North Carolina

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Einleitung

Ein Bruch in Erde und Zeit

Die Natur, die der menschlichen Geschichte voraus ging [...] existiert nirgendwo mehr (ausgenommen vielleicht auf einigen wenigen aust-ralischen Koralleninseln jüngeren Ursprungs).

Karl Marx1

Der Planet Erde, die Schöpfung, die Welt, in der sich die Zivilisation entwickelt hat, die Welt mit ihren klimatischen Mustern und stabi-len Küstenlinien, wie wir sie kennen, ist in unmittelbarer Gefahr. Die Dringlichkeit der Lage hat sich erst in den letzten paar Jahren herauskristallisiert. Wir haben nun klare Beweise für die Krise [...] Die erschreckende Schlussfolgerung lautet, dass die fortgesetzte Aus-beutung aller fossilen Brennstoffe auf der Erde nicht nur die anderen Millionen von Arten auf dem Planeten bedroht, sondern auch das Überleben der Menschheit selbst – und der Zeitplan dafür ist kürzer, als wir dachten.

James Hansen2

Der Begriff Anthropozän wurde vor einem Jahrzehnt von dem Nobelpreisträ-ger und Atmosphärenchemiker Paul Crutzen geprägt, um in der planetarischen Geschichte die etwa in der Zeit der Industriellen Revolution des späten 18. Jahr-hunderts zu Ende gehende Epoche des Holozän zu markieren. Holozän bedeutet wörtlich »Neues Ganzes« und steht für das stabile zwischeneiszeitliche Zeitalter, das auf die 10.000 bis 12.000 Jahre zurückgeht, in denen die Zivilisation aufkam. Anthropozän bedeutet im Unterschied dazu »Neumenschlich« und repräsentiert eine neue geologische Epoche, in der die Menschheit zur Haupttriebkraft schneller Veränderungen im System der Erde geworden ist.3 Zur selben Zeit ist hervorzuhe-ben, dass sich ein, möglicherweise fataler, ökologischer Bruch zwischen den Men-schen und der Erde aufgetan hat, der aus den Konflikten und Widersprüchen der

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modernen kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht. Der Planet wird nun von einer technologisch mächtigen, aber entfremdeten Menschheit beherrscht – entfremdet sowohl von der Natur als auch von sich selbst; und die von daher letztlich zerstö-rerisch gegenüber allem ist, was sie umgibt. Zur Debatte steht dabei nicht nur die Nachhaltigkeit der menschlichen Gesellschaft, sondern die Vielfalt des Lebens auf der Erde.

Es ist heute üblich, diesen ökologischen Bruch einfach nur unter der Begriff-lichkeit des Klimawandels zu sehen, der angesichts seiner Gefahren und der unlös-baren Probleme, die er für den Kapitalismus darstellt, alle Schlagzeilen erobert hat. Erst kürzlich haben Wissenschaftler in einem von Johan Rockström am Stock-holm Resilience Center geleiteten Projekt, an dem auch Crutzen und der führende US-Klimatologe James Hansen beteiligt waren, eine Analyse von neun »planeta-rischen Grenzen« entwickelt, die bei der Erhaltung eines Umweltsystems für die Erde, in dem die Menschheit sicher existieren kann, von entscheidender Bedeu-tung sind. Der Klimawandel bildet nur eine davon, und die anderen sind die Über-säuerung der Ozeane, der stratosphärische Ozonmangel, die Stickstoff- und Phos-phorkreisläufe, der weltweite Frischwasserverbrauch, die veränderte Landnut-zung, der Verlust an Biodiversität, die atmosphärische Aerosolaufladung und die chemische Verschmutzung. Für die beiden Letztgenannten, die atmosphärische Aerosolaufladung und die chemische Verschmutzung, gibt es noch keine geeig-neten physikalischen Maßeinheiten, aber für die anderen sieben Prozesse sind bereits klare Begrenzungen bestimmt worden. Drei der Begrenzungen – diejeni-gen für Klimawandel, Ozeanübersäuerung und stratosphärischen Ozonmangel – können als Knackpunkte betrachtet werden, die bei Erreichung eines gewissen Levels zu ausgedehnten qualitativen Veränderungen im System der Erde führen und die den Planeten zu destabilisieren drohen würden, in dem sie die Ursache für sein Verlassen der »Grenzen für einen gesunden Planeten« wären. Die Grenz-linien für die anderen vier Prozesse – Stickstoff- und Phosphorkreisläufe, Frisch-wasserverbrauch, veränderte Landnutzung und Verlust an Biodiversität – sind eher als signifikant für den Beginn einer irreversiblen Umwelterosion anzusehen.

Drei der Prozesse haben ihre planetarischen Grenzen bereits überschritten: der Klimawandel, der Stickstoffkreislauf und der Verlust an Biodiversität. Jeder davon kann deshalb laut unserer Terminologie als ein extremer »Bruch« im pla-netarischen System angesehen werden. Der stratosphärische Ozonmangel war ein sich in den 1990er Jahren ergebender Bruch, hat sich nun aber stabilisiert und ist sogar im Schwinden. Die Übersäuerung der Ozeane, der Phosphorkreislauf,

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der weltweite Frischwasserverbrauch und die veränderte Landnutzung sind alle-samt in schneller Entwicklung befindliche globale Klüfte, wenn auch noch nicht in extremem Maße. Unser Wissen über diese Klüfte kann verfeinert werden, und vielleicht werden in Zukunft weitere planetarische Klüfte entdeckt. Dennoch hilft uns die Analyse planetarischer Grenzen und Brüche, wie sie sich heute zeigen, das volle Ausmaß der ökologischen Krise zu verstehen, der sich die Menschheit nun gegenübersieht. Der Punkt liegt schlicht und einfach darin, dass der Planet, als Ergebnis von menschengemachten Veränderungen an der globalen Umwelt, an vielen Fronten angegriffen wird.4

In dem von Rockström und seinen Kollegen entwickelten planetarischen Grenzlinienmodell hat jeder ökologische Prozess einen vorindustriellen Wert (das heißt das vor Anbruch des Industriekapitalismus erreichte Niveau), eine vorgeschlagene Grenze und einen gegenwärtigen Status. Im Fall des Klimawan-dels betrug der vorindustrielle Wert 280 Millionstel (parts per million = ppm) *1 Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre; der vorgeschlagene Grenzwert liegt bei 350 ppm (erforderlich, wenn solche Knackpunkte wie ein katastrophales Ansteigen des Meeresspiegels vermieden werden sollen) und sein gegenwärtiger Status bei 390 ppm. Biodiversität wird an der Ausrottungsrate gemessen (Anzahl der Arten per Millionen Arten im Jahr). Die vorindustrielle Jahresrate, bezogen auf die »natürliche« oder »hintergrundbezogene« Rate von Artenverlust, lag bei 0,1–1 pro Million; der vorgeschlagene Grenzwert liegt bei 10 pro Million, wobei die gegenwärtige Rate über 100 pro Million beträgt (das 100–1.000fache der vor-industriellen Hintergrundrate). Auf den Stickstoffkreislauf bezogen betrifft der Grenzwert die Menge an Stickstoff in Millionen Tonnen, die der Atmosphäre durch menschlichen Verbrauch pro Jahr entzogen wird. Vor dem Aufkommen des Industriekapitalismus (genauer gesagt vor der Entdeckung des Haber-Bosch-Ver-fahrens im frühen 20. Jahrhundert), betrug die Menge des der Atmosphäre ent-zogenen Stickstoffes 0 Tonnen. Die vorgeschlagene Grenze, um einen irreversib-len Niedergang des planetarischen Systems zu verhindern, liegt bei 35 Millionen Tonnen pro Jahr. Der gegenwärtige Zustand beträgt 121 Millionen Jahrestonnen.

Bei jeder dieser extremen Lücken ist die Stabilität des Systems der Erde, wie wir sie kennen, gefährdet. Wir befinden uns im äußersten Alarmzustand. Wenn

* Der englische Ausdruck parts per million (ppm, zu Deutsch »Teile pro eine Million«) steht für die Zahl 10−6 und wird in der Wissenschaft für den millionsten Teil verwendet, so wie Prozent (%) für den hundertsten Teil steht.

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alles so weiter läuft wie bisher, steuert die Welt innerhalb der nächsten paar Jahr-zehnte auf erhöhte Schwellenwerte in Verbindung mit einem irreversiblen Nieder-gang der Umweltbedingungen zu, der einen großen Teil der Menschheit bedroht. Der Verlust an Biodiversität zu gegenwärtigen und vorherzusehenden Raten könnte zu einem Verlust von bis zu einem Drittel aller in diesem Jahrhundert noch lebenden Arten führen.

Dadurch, dass mehr und mehr Stickstoff in die Biosphäre gepumpt wird, ent-stehen tote Zonen in Seen und Ozeanen (ein Phänomen, das auch durch Phosphor beeinflusst wird). Jede dieser Lücken stellt für sich genommen eine weltweite öko-logische Krise dar. Diese Brüche enthüllen, dass die Begrenztheiten des Systems der Erde nicht durch das reine physikalische Ausmaß der Wirtschaft bestimmt werden, sondern durch die in den natürlichen Prozessen im Einzelnen erzeugten Brüche.5

Die entstehenden Lücken in den anderen ökologischen Prozessen, die noch nicht über ihre Grenzen hinaus geschossen sind, sind kaum weniger bedrohlich. Für den Phosphorkreislauf (zusammen mit dem Stickstoffkreislauf als ein einzi-ger planetarischer Grenzbereich eingestuft) betrug der jährliche vorindustrielle Zustrom in die Ozeane etwa eine Million Tonnen; der vorgeschlagene Grenzwert liegt bei elf Millionen Tonnen (beruhend auf der Annahme, dass die Sauerstoffar-mut in den Ozeanen beim Zehnfachen des Ausgangswertes liegt); und sein gegen-wärtiger Status beträgt bereits 8,5 bis 9,5 Millionen Tonnen. Die Übersäuerung der Ozeane betreffend bezieht sich der Wert auf einen mittleren weltweiten Sätti-gungszustand an Aragonit (einer Form von Kalziumkarbonat) an der Meerwas-seroberfläche. Ein fallender Zahlenwert deutet hier auf einen ansteigenden Säu-regehalt des Ozeans. Der vorindustrielle Wert betrug 3,44 (Aragonit-Sättigungs-grad an der Ozeanoberfläche); der vorgeschlagene Grenzwert – von dem an es ein massives Absterben von Gehäuse bildenden Organismen gäbe – beträgt 2,75; und der gegenwärtige Status liegt bei 2,90. Im Fall der Frischwassernutzung betrug der vorindustrielle jährliche Verbrauch in km3 (Kubikkilometern) 415; die geschätzte Grenze liegt bei 4.000 km3 (wodurch eine Schwelle markiert wird, jenseits derer der irreversible Niedergang und Zusammenbruch des terrestrischen und aquati-schen Ökosystems wahrscheinlich ist), während die gegenwärtige Verbrauchsrate 2.600 km3 beträgt. Dagegen werden die Parameter bei der Landnutzung durch den Prozentanteil an eisfreier Landoberfläche bestimmt, der in Farmland umgewan-delt wird. In vorindustriellen Zeiten war dieser Prozentsatz sehr niedrig. Der vor-geschlagene Grenzwert beträgt 15 Prozent (bei dessen Überschreitung die Gefahr

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der Auslösung katastrophaler Auswirkungen auf das Ökosystem besteht), wobei der gegenwärtige Status bei 11,7 Prozent liegt. In Bezug auf jede dieser entstehen-den Klüfte sehen wir uns einem gesteigerten Alarmzustand gegenüber, in dem wir uns in schnellem Tempo auf extreme Konditionen zubewegen, wodurch wir im Begriff sind, die Grenzen des Planeten zu überschreiten, indem wir das System der Erde untergraben, das die Bedingungen für das Leben trägt.

Es ist noch kein Maßstab für chemische Verschmutzung festgelegt worden, die entsprechenden Vorschläge umfassen jedoch die Messung der Auswirkungen von beständigen organischen Schadstoffen, wie Kunststoffen, endokrin wirksa-men Substanzen, Schwermetallen und nuklearen Abfällen auf das Ökosystem und das System Erde im Allgemeinen. Desgleichen wurde noch kein Maßstab für die atmosphärische Aerosolbelastung bestimmt (die Gesamtpartikelkonzentration in der Atmosphäre auf regionaler Basis), die Monsunsysteme auseinanderreißen, zu Gesundheitsproblemen führen und mit dem Klimawandel und den Frischwasser-grenzen interagieren kann.

Der stratosphärische Ozonabbau ist der einzige sich vormals öffnende Bruch, der in den 1990er Jahren unter Kontrolle gebracht wurde (soweit anthropogene Triebkräfte betroffen waren), indem ein Faktor reduziert wurde, der durch eine gesteigerte ultraviolette Sonneneinstrahlung zu einer schnell wachsenden Bedro-hung für das Leben auf dem Planeten geworden war. Der vorindustrielle Wert der Ozonkonzentration betrug 290 Dobsoneinheiten (Maßeinheit der atmosphäri-schen Ozondichte, wobei eine Dobsoneinheit unter gewöhnlichen Druck- und Temperaturverhältnissen mit 0,01 Millimeter Dicke definiert ist); der vorgeschla-gene planetarische Grenzwert liegt bei einer Konzentration von 276 (bei dessen Unterschreitung der Planet verheerende Schäden erleiden würde); und der gegen-wärtige Status beträgt 283. Zwischen dem 60. südlichen und dem 60. nördlichen Breitengrad wurde der Rückgang der stratosphärischen Ozonkonzentration auf-gehalten. Trotzdem wird es Jahrzehnte dauern, bis das antarktische Ozonloch ver-schwindet und der arktische Ozonverlust wird wohl noch für Jahrzehnte anhalten. Das Leben auf dem Planeten stand dicht am Abgrund.6

Diese Art der Abbildung planetarischer Grenzen gibt uns ein besseres Gefühl für die wirkliche Bedrohung des Systems der Erde. Auch wenn in den letzten Jah-ren die Umweltbedrohung von vielen als simple Frage des Klimawandels betrachtet worden ist, macht es der Schutz des Planeten erforderlich, dass wir uns um all diese planetarischen Grenzen kümmern, wie auch um weitere, die bisher noch nicht näher determiniert worden sind. Das wesentliche Problem ist dabei die unumgäng-

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liche Tatsache, dass ein expandierendes Wirtschaftssystem einem feststehenden Erdsystem zusätzliche Lasten auferlegt, die bis zum Punkt der planetarischen Über-belastung reichen. Es wurde geschätzt, dass die Menschheit in den frühen 1960ern bereits die Hälfte der jährlichen Biokapazität des Planeten aufbrauchte. Heute ist dies bis zu einer Überschreitung der regenerativen Kapazität der Erde um 30 Pro-zent angewachsen. Projektionen eines Weiter-so-wie-bisher weisen auf ein Stadium hin, in dem der ökologische Fußabdruck der Menschheit Mitte der 2030er Jahre der regenerativen Fähigkeit von zwei Planeten entsprechen wird.7

Rockström und seine Kollegen schlossen ihren Artikel in Nature mit der Fest-stellung: »Die bisherigen Anzeichen legen nahe, dass solange die [planetarischen] Grenzwerte nicht überschritten werden, die Menschheit die Freiheit besitzt, eine langfristige soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu verfolgen.« Auch wenn dies unzweifelhaft zutreffend ist, gibt es eine Tatsache, die in dieser Schlussfolge-rung offensichtlich nicht angesprochen wird – aber eindeutig die Pointe ihrer gan-zen Analyse ist – nämlich dass diese Grenzwerte in einigen Fällen bereits über-schritten worden sind und in anderen Fällen bei Fortsetzung des Weiter-so-wie-bisher bald überschritten werden. Außerdem kann dies in jedem einzelnen Fall einer primären Ursache zugeschrieben werden: dem gegenwärtigen Grundmuster der weltweiten sozioökonomischen Entwicklung, das in der kapitalistischen Pro-duktionsweise und ihren expansionistischen Tendenzen besteht. Das ganze Prob-lem kann unter Bezugnahme auf den allumfassenden Bruch in der menschlichen Beziehung zur Natur, der einem entfremdeten System unendlicher Kapitalakku-mulation entspringt, als »der globale ökologische Bruch« bezeichnet werden.

All dies legt nahe, den Gebrauch des Begriffes Anthropozän in Verdrängung des Holozän zur Beschreibung eines neuen geologischen Zeitalters zu verwen-den, was sowohl eine Beschreibung einer neuen, der Menschheit zufallenden Last als auch das Erkennen einer immensen Krise darstellt – eines potenziellen End-zeitgeschehens in der geologischen Evolution, das die Welt, wie wir sie kennen, zerstören könnte. Einerseits hat es seit der Industriellen Revolution eine große Beschleunigung der menschlichen Einwirkung in Bezug auf das planetarische System gegeben – insbesondere seit 1945 – bis zu dem Punkt, dass die bioche-mischen Kreisläufe, die Atmosphäre, die Ozeane und das Erdsystem als Ganzes nicht länger als unempfindlich gegenüber der menschlichen Ökonomie angese-hen werden konnten. Auf der anderen Seite könnte der gegenwärtige Kurs, auf den die Welt ausgerichtet ist, nicht so sehr als das Erscheinen einer stabilen neuen geologischen Epoche (des Anthropozän), sondern als ein End-Holozän oder, eher

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Unheil verkündend, als End-Quartär, als endzeitliches Geschehen beschrieben werden, um auf diese Weise auf das massenhafte Aussterben Bezug zu nehmen, das häufig ganze geologische Gebiete voneinander trennt. Planetarische Grenzen und Kippwerte, die zu einer irreversiblen Erosion der Lebensbedingungen auf der Erde führen, werden unter Fortführung des heutigen Weiter-wie-bisher mögli-cherweise bald erreicht sein, wie uns die Wissenschaft berichtet. Das Anthropozän könnte zum kürzesten Aufflackern in geologischer Zeitrechnung werden, das bald erlischt.

Die ökologische Krise der Sozialwissenschaft

Wenn nun die Naturwissenschaft solche ernsthaften Fragen über die Fortdauer des Lebens stellt, wie wir es kennen, was für eine Rolle spielt dann die Sozialwis-senschaft? Sollte sie uns nicht dabei helfen zu verstehen, wie die Menschheit durch eine radikale Veränderung ihres Systems von sozialer und ökonomischer Produk-tion, das heutzutage eindeutig die Hauptursache des Problems darstellt, auf diese massive Bedrohung antworten könnte? Leider ist die Rolle der Sozialwissenschaft in dieser Hinsicht paradox. Tragischerweise scheint es, dass die Sozialwissen-schaftler, je drückender das Umweltproblem geworden ist und je dringlicher der Ruf nach einer ökologischen Revolution ertönte, desto untätiger in Bezug auf das Thema geworden sind und nach einer Art von Problemlösung suchen, bei der eine wirkliche Veränderung nicht erforderlich ist. Obgleich es vor dreißig Jahren üblich war, dass die Infragestellung kapitalistischer Umweltausbeutung von Sozialwissen-schaftlern ausging, die sich damals im Randbereich der Umweltschützer beweg-ten, so hat sich heute die Hauptrichtung der umweltorientierten Sozialwissen-schaft hin zur ökologischen Modernisierung verschoben – zu einem Steuerungs-ansatz, der nachhaltige Technologie, nachhaltigen Konsum und marktbasierte Lösungen (tatsächlich eine Art »nachhaltigen Kapitalismus«) als Antwortlieferan-ten sieht.8 Hier entsprechen die Sozialwissenschaftler der Haltung der Hauptströ-mung der Umwelttechnokraten – wie zum Beispiel Thomas Friedman und Fred Krupp vom Environmental Defense Fund, Ted Nordhaus und Michael Shellenber-ger vom Breakthrough Institute, oder auch Newt Gingrich –, die vortragen, dass eine grüne Industrielle Revolution, die in technologischer Innovation und Effizi-enz wurzelt, eine grüne Gesellschaft hervorbringen wird. Für diese Gruppe wer-den neue »grüne Märkte« das ökonomische Wachstum steigern, was am Ende das wirkliche Ziel bleibt.9

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Folglich haben sich die Naturwissenschaftler eher um die schädlichen Aus-wirkungen des wirtschaftlichen Systems auf die Umwelt gekümmert und, entspre-chend radikalisiert, immer mehr grundlegende Fragen gestellt, während die Sozi-alwissenschaftler sich in wachsendem Maße dem bestehenden Wirtschaftssystem als Antwort zuwandten. In der Tat ist es nicht länger verwunderlich, wenn einer der bedeutendsten europäischen Sozialwissenschaftler wie Ulrich Beck (der Erfin-der des Konzeptes der »Risikogesellschaft«) davon schreibt, dass »der globale Kon-sens in Bezug auf den Klimaschutz, der nun in Reichweite ist, auch neue Märkte schafft [...] Unter dem Regime eines ›grünen Kapitalismus‹, der sich aus transnati-onal strukturierten, ökologisch erzwungenen Märkten zusammensetzt, bildet die Ökologie nicht länger ein Hindernis für die Wirtschaft. Eher trifft das Gegenteil zu: Ökologie und Klimaschutz könnten bald einen direkten Weg zu Profiten darstel-len.« Für Beck kann der Kapitalismus – losgelöst von seiner Realität als ein System unendlicher Kapitalakkumulation – in scharfem Gegensatz zu Jahrzehnten grüner Analyse, die genau entgegengesetzt argumentierte, als vollständig kompatibel mit der Erhaltung der Erde angesehen werden. Desgleichen verweist der Umweltso-ziologe Arthur Mol darauf, was er als »vielversprechende Entwicklungen und Aus-sichten bei der Zähmung des transnationalen Kapitalismus« bezeichnet, die durch »die Europäische Union und in geringerem Ausmaße von der NAFTA« geboten werden, denen als übernationale Machtstrukturen nachgesagt wird, dass sie in der Lage seien »den umweltmäßigen Nebenwirkungen des globalen Kapitalismus ent-gegen zu wirken.«10

Wie ist nun diese wachsende Untätigkeit der Sozialwissenschaft hinsicht-lich der Umweltproblematik zu erklären (unter ausdrücklicher Einbeziehung der Umweltsozialwissenschaft), gerade wenn die Problematik selbst, wie Naturwis-senschaftler betonen, sich in rascher Beschleunigung befindet? Die Beantwortung dieser Frage erfordert einen Blick auf einige der fortdauernden Schwächen, die die Sozialwissenschaft durchdringen, und wie dies im Einzelnen mit der ökologischen Krise zusammenhängt. Die Sozialwissenschaft ist in unserer Gesellschaft in vie-lerlei Hinsicht lahmgelegt worden, gerade weil ihr Gegenstand das Soziale ist, und infolgedessen sowohl ihre Analyse als auch das, was als akzeptabel oder unakzep-tabel erachtet wird, in der Tendenz durch die dominierenden Institutionen und Strukturen der vorherrschenden gesellschaftlichen Ordnung gefiltert wird. Die Stagnation, die so häufig für die zeitgenössische Sozialwissenschaft kennzeich-nend gewesen ist, ist folglich in zahlreichen Fällen eine immanente Funktion der Verpflichtung des Systems auf einen Stillstand in seinen grundlegenden sozialen

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Besitzstandsverhältnissen. Sozialwissenschaftler haben häufig erstaunliche, erfin-dungsreiche Techniken aufgezeigt, um dieses Problem zu umgehen und trotz der von der vorherrschenden Kultur vorgegebenen Grenzen kritische Gedanken auf-zuwerfen. Dabei werden wichtige Beobachtungen und Entdeckungen gemacht. Aber in den meisten Fällen richten sich solche Fragstellungen auf Themen, die vom Standpunkt des Gesellschaftssystems als Ganzem als Randthemen angesehen und von daher bereitwilliger toleriert werden. Wo die Sozialwissenschaft darüber hinaus geht und das Problem der Macht frontal anspricht, werden die meisten die-ser Beiträge, egal wie einzigartig sie auch sein mögen, am Ende als isolierte Ent-deckungen abgehandelt, die, da ihnen jeder bedeutungsvolle Bezug zur vorherr-schenden gesellschaftlichen Praxis fehlt, rasch in Vergessenheit geraten.

Mitte des 20. Jahrhunderts lieferte der führende britische Wissenschaftler und marxistische Sozialkritiker J. D. Bernal in seinem monumentalen Werk Science in History (1954) einen hilfreichen Ausgangspunkt für eine Diskussion über die Schwäche der Sozialwissenschaft in einer Klassengesellschaft. Wenn man einige der Gründe in Betracht zieht, die im Allgemeinen für das angeführt werden, was er die »Rückständigkeit« der Sozialwissenschaft im Verhältnis zu den Naturwis-senschaften im 20. Jahrhundert genannt hat, wies Bernal zwei davon als trüge-risch zurück: 1) die angebliche Unmöglichkeit des Experimentierens in den Sozi-alwissenschaften und 2) die Ansicht, dass der Fortschritt der Sozialwissenschaft dadurch ernstlich beeinträchtigt werde, dass sie Werturteile berücksichtigt. Ebenso verwarf er drei weitere allgemein offerierte Begründungen als von sehr begrenzter Erklärungskraft hinsichtlich des Versagens der Sozialwissenschaft: 1) die rückbe-zügliche Natur der Sozialwissenschaften, in der Menschen sowohl Studiensubjekt als auch Studienobjekt sind, 2) die schiere Komplexität der menschlichen Gesell-schaft, die als weit mehr als die reine Anhäufung der komplexen psychologischen Eigenschaften ihre Mitglieder gesehen wird, und 3) die veränderliche Beschaffen-heit der Gesellschaft, die keine festen Gesetze zulässt. Für Bernal haben all diese Faktoren zur Unterscheidbarkeit der Sozialwissenschaften beigetragen, aber deren Fortschritt nicht maßgeblich blockieren oder ihre Unterentwicklung erklären können.

Wie von ihm nahegelegt, konnten die wirklichen Hindernisse, denen sich die Sozialwissenschaften ausgesetzt sahen, vielmehr fast in Gänze der Tatsache zuge-schrieben werden, dass sie von der etablierten Machtordnung streng eingegrenzt wurden und dieser häufig direkt unterworfen waren, und zwar besonders den herrschenden Gesellschafts- bzw. Eigentumsverhältnissen (was in gewisser Weise

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auf die Naturwissenschaften nur indirekt zutreffend war). Trotz wichtiger Fort-schritte und revolutionärer Entwicklungen hat die Sozialwissenschaft zu »nor-malen Zeiten« mehr mit der Beibehaltung und Lenkung einer gegebenen gesell-schaftlichen Ordnung zu tun als mit der Begünstigung der für die menschliche Gesellschaft historisch notwendigen Veränderungen, bei denen die Entwicklung sozialer Fähigkeiten und Herausforderungen in Gang gehalten wird. Wie Bernal erläuterte, war das Gebot der Mächtigen, ihre hegemonische Kontrolle zu erhalten, so zwingend, dass Platon »mit Vorsatz Mythen erzeugte, anstatt den gewöhnlichen Leuten in der Politea rationale Erklärungen zu liefern«, um seine ideale aristokrati-sche Ordnung zu verteidigen. Heutzutage werden, wenn auch nicht immer auf so vorsätzliche Weise, ähnliche ideologische Mittel eingesetzt. »Kurz gesagt«, schrieb Bernal, »sind die Rückständigkeit und die Leere der Sozialwissenschaften dem vorrangigen Grund geschuldet, dass diese in allen Klassengesellschaften unver-meidlicherweise korrupt sind.«11

Die Sozialwissenschaft tritt folglich in einen relativ untätigen Zustand, sobald sich ein neues Machtsystem etabliert. Eine neue klassengesellschaftliche Ordnung erfordert, wenn sie erst einmal ihre anfängliche revolutionäre Phase überwunden hat und sie dabei ist sich zu festigen, nichts so sehr wie »das böse Gewissen und die schlechte Absicht der Apologetik« – da ihr Hauptziel nun darin besteht, ihre Posi-tion der Macht und Hegemonie zu erhalten.12 In dieser Weise eingegrenzt durch die Struktur der Macht, ist die Sozialwissenschaft zu normalen – nicht revolutio-nären – Zeiten unfähig, eine rationale Ausrichtung zu entwickeln, die es erlauben würde, in sinnvoller Weise mit der gesellschaftlichen Praxis zu interagieren, insbe-sondere wenn diese demokratischer Art ist.

Die »Korrumpierung«, auf die hier Bezug genommen wird, hat eindeutig nichts mit solch belanglosen akademischen Vergehen wie geistigem Diebstahl, Datenfälschung und direkter Vereinbarung mit privaten Interessen zu tun – alles Dinge, die gewöhnlich genug sind – sondern mit dem sehr viel stärker um sich greifenden Problem der breit gefächerten Kapitulation vor dem Status quo und der Umgehung aller alternativen Perspektiven, sogar auf Kosten des Verzichts auf rationale Analyse und sinnfällige gesellschaftliche Praxis. Ein Vorwärtskommen an der Hochschule (ebenso wie bei den Medien, in der Regierung und an anderen Stellen, wo Sozialwissenschaftler zu finden sind) beinhaltet allzu oft Selbstzensur, eine enge Fokussierung auf das relativ Belanglose und – im Sinne von gesellschaft-lichen Veränderungen – das Beiseitelassen von wirklich wichtigen Dingen. Infol-gedessen »wird die Sozialwissenschaft zu einer Ansammlung von harmlosen Plat-

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titüden unter Ausschaltung empirischer Ergänzungen.«13 Umso schlagkräftiger eine zusammenhängende Reihe von Einsichten einer bestimmten Gesellschafts-theorie ist etwa der Theorie von Marx – oder die durchschlagenderen Erkennt-nisse bestimmter Denker, wie etwa Rousseau, Hegel, Weber, Veblen, Schumpe-ter und Keynes –, desto wahrscheinlicher werden sie in ihrem Kern verworfen, aussortiert oder durch Bezugssysteme verfälscht und ersetzt, die der bloßen Auf-rechterhaltung des Status quo zuträglicher sind. Ein gutes Beispiel dafür ist das Aufkommen dessen, was Joan Robinson bekanntermaßen als »Bastard-Keynesia-nismus« bezeichnet hat, in der Wirtschaftswissenschaft nach dem Zweiten Welt-krieg besser bekannt als »neoklassische Synthese« in der die Hauptelemente der keynesianischen Revolution verworfen wurden, da sie für die etablierte Ordnung zu bedrohlich waren.14

Es ist daher kein Zufall, dass die größten Leistungen in der Sozialwissenschaft in Zeiten gesellschaftlicher Zerrüttung zustande kamen. Tatsächlich sind die Sozi-alwissenschaften, wie wir sie heute kennen, weitgehend ein Produkt der bürgerli-chen Revolutionen im Europa des 17. bis 19. Jahrhunderts und mit dem Entstehen des Kapitalismus verbunden. Dieser Zeitraum führte zum Aufkommen sowohl der modernen liberalen als auch der modernen sozialistischen Anschauungen. Mit dem 20. Jahrhundert jedoch, war die Sozialwissenschaft in wachsendem Maße gefestigt und als Bestandteil einer relativ stabilen Periode globaler kapitalistischer Hegemonie verankert. Auch wenn es revolutionäre Herausforderungen für das System gab, die eher von der Peripherie als aus dem Innersten des Weltsystems ausgingen, blieb die im Zentrum dieses Systems vorherrschende Sozialwissen-schaft – ungeachtet ihrer wachsenden Abkopplung von den Entwicklungstenden-zen der Welt – davon weitgehend unberührt. Die Hauptströmung der Sozialwis-senschaft war demzufolge von einer Reihe widersprüchlicher Tendenzen gekenn-zeichnet: 1) ihrem zunehmend statischen, unhistorischen Charakter, 2) ihrem Reduktionismus und abstraktem Empirismus (in groben Varianten des Positivis-mus die schlimmsten Tendenzen der Naturwissenschaft nachahmend), 3) ihrem wachsenden Relativismus, Kulturalismus und Irrationalismus (in Form einer komplementären, anti-historischen Tradition, die von den Geisteswissenschaften ausgeht) und 4) ihrem Anti-Naturalismus (im Sinne der Abtrennung vom weite-ren Umfeld des Daseins und den Grundvoraussetzungen des Lebens).15

Die Humanwissenschaften haben mehr und mehr die vorherrschende Attitüde und das Unvermögen »liberaler Machbarkeit« angenommen, die eine zerstreute Aufmerksamkeit in »unzählige Faktoren« individueller Mili-

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eus verwickelt. Das Ergebnis ist eine Unfähigkeit, die adäquaten Ursachen zu erfassen, die ausnahmslos strukturell bedingt, »hinter dem Rücken« der Ein-zelpersonen wirken. In seinen extremsten Formen führt ein so deformierter Ansatz im Hinblick auf die Sozialwissenschaft zu einer Aufgabe jedweder Vor-stellungskraft von Realismus überhaupt und von daher zu einer Gewichtung, die nicht so sehr auf einer Unzahl von Faktoren, sondern vielmehr auf unzäh-ligen Diskursen und kulturellen Konstruktionen liegt.16 Das Ergebnis davon ist eine Art von wirrem »reinem Empirismus«, bei dem, wie Hegel schrieb, »alles mit allem gleichberechtigt, ein Merkmal so wahr wie das andere ist und keines davon Vorrang genießt.«17

Auch wenn diese verschiedenen Neigungen der zeitgenössischen Sozialwis-senschaft anscheinend mannigfaltig sind und häufig einander diametral entge-gengesetzt zu sein scheinen, so teilen sie doch die Untauglichkeit, eine kritische historische Sicht der menschlichen Gesellschaft mit den Formen sozialer Praxis zu verbinden, die erforderlich sind, um eine bedeutsame gesellschaftliche Verän-derung zu bewerkstelligen. Das Ergebnis ist eine wirksame Kapitulation gegen-über dem Status quo. Der reale, innerhalb der Hauptströmung der Sozialwis-senschaft vergegenwärtigte Handlungsspielraum (sofern ein solches Handeln überhaupt noch ein Ziel bleibt) wird zu einer Art »pragmatischem« Manager-tum degradiert, das einem bürokratischen Ethos zu eigen ist – einer Philosophie schlichten »Zurechtkommens« mit all den von der Gesellschaft vorbestimmten Hauptrahmenbedingungen.

Die Enthistorisierung der Gesellschaft

»Nichts in der Biologie«, wie der Genetiker Theodosius Dobzhansky bekannter-maßen erklärte, »hat einen Sinn außer im Lichte der Evolution«18. Gleicherma-ßen hat wenig oder nichts in der menschlichen Gesellschaft einen Sinn außer im Licht der Geschichte. Deshalb ist zu sagen, dass das wichtigste Merkmal, das die etablierte Wissenschaft und Ideologie von ihren radikaleren Gegenstücken unter-scheidet, ihr Versuch ist, die Gegenwart als unhistorisch abzubilden, und zwar besonders dort, wo es um die gesellschaftlichen Produktivformen und Produk-tionsverhältnisse geht.19

Für Erstere mag sich die historische Entwicklung zwar in der Vergangen-heit ereignet haben, aber nur in dem Sinne, dass sie zur Gegenwart als Ende der Geschichte, das heißt, zum Höhepunkt der geschichtlichen Entwicklung geführt

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hat. Die Vorstellungen, die die Gegenwart kennzeichnen, werden aus ihrem Bezug zur materiellen Existenz herausgelöst und als universelle Vorstellungen der gesam-ten menschlichen Gemeinschaft verallgemeinert – oder derjenigen, die in diesem Punkt immer das Sagen hatten –, um so keine wirklich grundlegende Verände-rung zuzulassen.20 Francis Fukuyama fasst diese allgemeine Tendenz kurz und bündig zusammen, indem er den zeitgenössischen Liberalismus als die Epoche des Endes der Geschichte und des letzten Menschen beschreibt, in der in den gesell-schaftlichen Beziehungen keine Revolutionen mehr zu erwarten seien, sondern nur noch marginale Verbesserungen.21 Auf diese Weise verliert die Sozialwissen-schaft hinsichtlich der Analyse der Gegenwart das, was John Stuart Mill als ihren eigentlichen Zweck gekennzeichnet hat. »Das Grundproblem [...] der Sozialwis-senschaft«, schrieb er, »ist es, die [historischen] Gesetze herauszufinden, aufgrund derer jedes Gesellschaftsstadium das Stadium hervorbringt, das ihm nachfolgt und seinen Platz einnimmt.«22 Da diese Zukunft nun im Wesentlichen, wie die Gegenwart sein wird, besteht dieses »Grundproblem« nicht länger. Die systemati-sche Missachtung historischer Einflüsse, derer die vorherrschende Kultur bedarf, lähmt die Sozialwissenschaften in fast jeglicher Hinsicht.

Sozialwissenschaftler, die eher zum Positivismus wie in den Wirtschaftswis-senschaften neigen, forschen nach den Grundlagen gesellschaftlichen Daseins, tun dies aber in einem Zusammenhang, in dem die Geschichte weitgehend negiert wird, in Übereinstimmung mit der Ansicht, dass die Gegenwart ungeschichtlich sei. Im Ergebnis finden die historische Besonderheit der gegenwärtigen Bedin-gungen oder die widersprüchlichen und vergänglichen Beziehungen, in denen wir leben, keine wirkliche Aufmerksamkeit.23 Ein enges Zeitspektrum, in dem die gesellschaftlichen Bedingungen relativ stabil zu sein scheinen, wird häufig in eine Reihe von dauerhaften Bedingungen übertragen, wobei infolgedessen diese Bedingungen und Parameter aus der Analyse verschwinden, da sie dadurch prak-tisch eingebürgert werden. Faktoren in einer historischen Epoche, die für lange Zeiträume konstant bleiben, können vernünftigerweise als »Hintergrundbedin-gungen« etikettiert werden. Aufgrund ihrer Allgegenwärtigkeit und Beständigkeit werden sie, wie die Schwerkraft, für die meisten empirischen Analysen unsichtbar. Wir können sagen, dass solche »Hintergrundbedingungen« wie eine »gesellschaft-liche Schwerkraft« wirken oder wie gesetzähnlich auftauchende soziale Eigen-schaften, die einer spezifischen historischen Epoche zugeeignet sind. Sie beeinflus-sen alle Aspekte der Gesellschaft, während sie oft für soziale Beobachter unbe-merkt bleiben. Bei der »herkömmlichen ökonomischen Analyse«, wie Fred Block

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bemerkt, werden grundlegende »soziale Beziehungen der Kategorie der Hinter-grundfaktoren zugewiesen, von denen angenommen wird, dass sie sich über lange Zeit konstant erhalten« und bleiben von daher ununtersucht, auch wenn sie die Grundlagen gesellschaftlichen Lebens ausmachen.24 Dies ist das sprichwörtliche Problem des Fisches, der das Wasser, das ihn umgibt und sein Dasein durchdringt, nicht sehen kann. Es wird nicht erkannt, dass diese grundlegenden Bedingungen sich verändern können: Das Wasser kann verschmutzt, der Fluss kann trocken gelegt werden.25

Allerdings bedeutet die historische Ausprägung, die die Gegenwart bestimmt, dass die Bedingungen, die im Allgemeinen als schlichtweg gegeben angesehen werden und die eine Art von beständigem Gleichgewicht bilden, sich in der Tat ganz unvermittelt wandeln können. Oft ist das Versagen dabei, dies zu erkennen, einem zu kurzzeitigen historischen Bezugspunkt oder einem Mangel an histori-schem Bewusstsein geschuldet, was beides der zeitgenössischen Sozialwissen-schaft zu schaffen macht. Zum Beispiel erklärte der ehemalige Vorsitzende der US-Notenbank Alan Greenspan, bei seinen Aussagen vor dem Kongress über die große Finanzkrise von 2007–2009, dass der Fehler bei der unter seiner Leitung durchgeführten Computersimulation des Zentralbankrates bezüglich der Finanz-wirtschaft darin lag, dass die verwendeten Daten einem zu engen Zeitspektrum entnommen waren und somit die tatsächliche Unbeständigkeit von Veränderun-gen unberücksichtigt blieb. Greenspan selbst führte im Oktober 2008 aus: »Das ganze geistige Gebäude [...] brach im Sommer letzten Jahres zusammen, weil die in die Risikomanagementmodelle einbezogenen Daten im Allgemeinen nur die vergangenen beiden Jahrzehnte erfassten, die eine Periode der Euphorie gewesen waren. Wenn stattdessen die Modelle auf geeignetere Weise an historische Stress-perioden angepasst worden wären, hätte man den Kapitalbedarf höher angesetzt und die Finanzwelt wäre heute in einem weit besseren Zustand.«26 Mit anderen Worten zeigten die Ergebnisse dieser Computermodelle – unter Datenausschluss nicht nur der Großen Depression, sondern auch der größeren Wirtschaftskrisen von Mitte der 1970er und Anfang der 1980er Jahre – nicht gerade überraschender-weise, dass eine ernste Wirtschafts- und Finanzkrise außerhalb jeder Betrachtung stand und dass sich das Finanzsystem im Wesentlichen nach oben, aber niemals nach unten entwickeln würde. Wichtige historische Tendenzen, die nur der kapi-talistischen Ökonomie eigen sind (große periodisch auftretende Akkumulations-krisen), waren auf diese Weise aus der Analyse ausgeklammert worden, wodurch fehlerhafte Ergebnisse produziert wurden.

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Bei der Vermeidung eines solch enthistorisierten, verdinglichten Verständ-nisses ist der historische Materialismus ein unverzichtbarer Leitfaden. Die marx-sche Tradition steht der Behauptung äußerst skeptisch gegenüber, dass die meis-ten gesellschaftlichen Phänomene durch räumlich und zeitlich unveränderliche Gesetze erklärt werden können, wie im Falle des hochrangigen soziologischen Theoretikers Jonathan Turner, der sich sehr stark dem verpflichtet sieht, was er als »das Ziel des Positivismus« bezeichnet, »das darin besteht, Gesetzmäßigkei-ten zu formulieren und auszuprobieren, die für alle Gesellschaften an allen Orten zu allen Zeiten Gültigkeit haben.« Für Turner, »machen Marxisten und andere einen grundlegenden Fehler, wenn sie annehmen, dass die Gesetze gesellschaftli-cher Organisation zeitgebunden seien, derart, dass die Gesetzmäßigkeiten, die das Funktionieren des Feudalismus regeln, irgendwie andersgeartet seien als diejeni-gen, die den Kapitalismus leiten.«27

Marxistische Theoretiker betonen im Gegensatz zu solchen Exponen-ten unveränderlicher raumzeitlicher Gesetze die dramatischen Veränderungen in sozialen Strukturen und Grundmustern, die sich die gesamte menschliche Geschichte hindurch ereignet haben, und argumentieren, dass das, was für Beob-achter in jeder einzelnen Zeitperiode unveränderliche Gesetze zu sein scheinen, tatsächlich vorübergehende Tendenzen sein können, die für die jeweilige histori-sche Epoche einzigartig sind und aus der dialektischen Interaktion einer Gesamt-heit sozialer und natürlicher Prozesse hervorgehen. Historizität – die Auffassung, dass soziale »Gesetze« (wenn nicht auch Naturgesetze) über verschiedene histo-rische Zeiträume hinweg variieren – ist eines der grundlegendsten Konzepte der historisch materialistischen Tradition. Dieser Ansatz leugnet die Existenz sozia-ler Gesetze nicht, sondern historisiert diese vielmehr, indem sie sie als Tendenzen (tendenzielle Gesetzmäßigkeiten) ansieht, die aus historisch spezifischen Bedin-gungen hervorgehen.

Ungeachtet der Tatsache, dass viele soziale Gesetze innerhalb einer bestimm-ten Epoche unveränderlich erscheinen, beweist die Geschichte, dass diese oft in einer auffallend kurzen Zeitspanne hinweggefegt werden können. Solche größe-ren Transformationen, Veränderungen der sozialen Schwerpunkte, bewahrheiten sich besonders in Zeiten struktureller Krisen von ganzen gesellschaftlichen Sys-temen. Wie der konservative Kulturhistoriker Jacob Burckhardt im 19. Jahrhun-dert anmerkte, ereignet sich eine »historische Krise«, wenn »es zu einer Krise im Gesamtzustand der Dinge kommt, die ganze Epochen und alle oder viele Men-schen derselben Zivilisation umfasst [...] Der historische Prozess beschleunigt sich

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dann auf erschreckende Art. Entwicklungen, die andernfalls Jahrhunderte benöti-gen, scheinen wie Phantome in Monaten oder Tagen vorbei zu huschen und voll-ziehen sich in kurzer Zeit«28.

Angesichts der Vernunftwidrigkeiten eines Gesellschaftssystems – in dem die oberen Schichten ein maßgebliches Interesse daran haben, grundlegende Verän-derungen zu blockieren – könnte ein »Verrücktheitsrealismus« konzipiert werden, der suggeriert, dass alles andere als die gegenwärtige unakzeptable Realität »uto-pisch« sei, um genau diese revolutionären und umgestaltenden Aktionen auszu-schließen, die von der Menschheit insgesamt am dringendsten benötigt werden.29

In der Tat lehrt uns die Geschichte, dass es Zeiten gibt, in denen die Gesell-schaft darauf vorbereitet ist, »auseinanderzubrechen« und das Versagen bei der Durchführung einer drastischen Veränderung den Untergang der Zivilisation oder Schlimmeres bedeuten kann – heutzutage womöglich Schlimmeres, weil wir vom Niedergang des Planeten, wie wir ihn kennen, bedroht sind.30 Die Menschen gestalten ihre eigene Geschichte, aber nicht unbedingt so, wie es ihnen gefällt. Sie müssen vielmehr unter Bedingungen kämpfen, die in der komplexen Koevolu-tion von Natur und menschlicher Produktion begründet sind und den Zusam-menhängen von Macht und Ideologie unterliegen, die ein Erbe der Vergangenheit sind.31 In gewissen historischen Augenblicken wird das Gleichgewicht, das dazu gedacht ist, eine relativ stabile Gesellschaft zu begründen, von schnellen Entwick-lungen unterbrochen. Genau diese Art von historischem Augenblick ist es, dem die Menschheit sich nun gegenübersieht und der die größte Herausforderung zu gesellschaftlicher Veränderung seit der Industriellen Revolution darstellt.

In einer verdientermaßen berühmten Passage schrieben Karl Marx und Fried-rich Engels in der deutschen Originalausgabe von 1847 Das Kommunistische Manifest:

Die Bourgeoisie hat in ihrer kaum hundertjährigen Klassenherr-schaft massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaffen als alle vergangenen Generationen zusammen. Unterjochung der Natur-kräfte, Maschinerie, Anwendung der Chemie auf Industrie und Acker-bau, Dampfschifffahrt, Eisenbahnen, elektrische Telegrafen, Urbarma-chung ganzer Weltteile, Schiffbarmachung der Flüsse, ganze aus dem Boden hervor gestampfte Bevölkerungen. Welches frühere Jahrhundert ahnte, dass solche Produktionskräfte im Schoß der gesellschaftlichen Arbeit schlummerten?32

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Als dies 1847 geschrieben wurde, beherrschte der Kapitalismus nur einen klei-nen Winkel der Welt. Seitdem hat er sich mehr und mehr in ein weltweites oder globalisiertes System verwandelt. Die Entwicklung von Wissenschaft und Tech-nologie, von Industrie und Landwirtschaft hat sich um Welten über das von Marx und Engels dargestellte Niveau ausgedehnt. Tatsächlich haben die Veränderungen in der menschlichen Beziehung zur Umwelt seit der Industriellen Revolution und insbesondere seit 1945 – Atomkraft, moderne organische Chemie, die Eroberung der Luft und die Erforschung des Weltraumes, Digitaltechnik und Biotechnolo-gie – unser Verhältnis zum Planeten derart gewandelt, dass die Frage des Anth-ropozän erhoben werden kann. Bei all dem ist der Kapitalismus im Wesentlichen (wenn nicht sogar verstärkt) das geblieben, was er von Anfang an war: eine riesige Maschine für die unablässige Anhäufung von Kapital, vorangetrieben durch den konkurrierenden Tatendrang von Individuen und Gruppen, die ihr Eigeninter-esse in Form privaten Gewinns zu verwirklichen suchen. Solch ein System erkennt keine absoluten Grenzen seines eigenen Fortschreitens an. Das Rennen mit dem Ziel der Akkumulation, der wirklichen Bedeutung ökonomischen Wachstums, ist im Rahmen dieses Systems endlos.33

Joseph Schumpeter, der große konservative Wirtschaftswissenschaftler, cha-rakterisierte bekannter Weise den Kapitalismus als ein System »kreativer Zerstö-rung«34. In unserer Zeit allerdings rücken seine zerstörerischen Merkmale mehr und mehr in den Vordergrund. Wirtschaftlich hat sich das System selbst, obwohl getrieben und abhängig vom Wachstum, als anfällig für tief greifende Tenden-zen der Stagnation erwiesen – eine Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachs-tums, die einer wachsenden Ungleichheit in Verbindung mit einem Schwinden vieler historischer Faktoren entstammt (vor allem dem Aufbau von Industrie aus dem Nichts), die es in seinen früheren »goldenen Zeitaltern« angetrieben hatten. Dies hat als eine Art Kompensationsmechanismus zu einer Finanzialisierung des Akkumulationsprozesses geführt und mehr und mehr Vernunftwidrigkei-ten erzeugt.35 Ökonomisch gesehen beansprucht das System auf immer zerstö-rerischere Weise die Ressourcen und die Absorptionsfähigkeit der Natur, da die Wirtschaft in ihrer umfänglichen Relation zum planetarischen System kontinu-ierlich wächst. Das Ergebnis sind entstehende und sich ausdehnende ökologi-sche Klüfte, die zu planetarischen Abgründen werden.

Die wesentliche Natur des Problems liegt in der Tatsache begründet, dass es innerhalb der Bewegungsgesetze eines kapitalistischen Systems, in dem die Kapi-talakkumulation das vorrangige Gesellschaftsziel ist, keinen Ausweg aus diesem

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Dilemma gibt. Wie von Schumpeter festgestellt und von allen führenden Wirt-schaftswissenschaftlern – Adam Smith, David Ricardo, Karl Marx, Thorstein Veblen, Alfred Marshall, John Maynard Keynes – bis in die Gegenwart anerkannt, »ist der Kapitalismus ein Prozess [von Akkumulation und Wachstum], ein stati-scher Kapitalismus wäre eine contradictio in adjecto (ein Widerspruch in sich)«36. Es gibt keine vorstellbare kapitalistische Wirtschaftsweise, die mit einer »gleich bleibend statischen Ökonomie« vereinbar wäre, einem System, das ein endloses Wirtschaftswachstum als sein zentrales Merkmal aufgäbe. Mehrheitsorientierte Wirtschaftswissenschaftler rühmen praktisch ohne Ausnahme das wirtschaftli-che Wachstum, wobei sie heutzutage einzig und allein zugestehen, dass möglicher-weise Veränderungen notwendig sind, um sicherzustellen, dass dieses Wachstum nachhaltig ist – jedoch, wie schon immer, nach wie vor verstanden in Begriffen ökonomischen Wachstums.

Unter Aufgabe der Kapitalismuskritik und deren wachsender Streichung aus ihrer analytischen Betrachtung haben mehrheitsorientierte Sozialwissen-schaftler (in einigen Fällen sogar Umweltsoziologen) das essenzielle Problem, dem die planetarische Gesellschaft nun gegenüber steht, vollkommen aus ihrer analytischen Vorstellung ausgeblendet. Wenn der Begriff eines »grünen Kapita-lismus« erst einmal akzeptiert wird – als ob der Kapitalismus kein System von sich selbst ausdehnender Größe sei oder als ob unendliche Akkumulation in irgendeiner Weise mit umweltbezogener Nachhaltigkeit vereinbar wäre – , dann wird das Umweltproblem zu einer reinen Frage von Management und Märkten. Dann gibt es keine Notwendigkeit, sich mit dem unerbittlichen Vorwärtsdrang zu befassen, der das globale System des Monopolfinanzkapitals und seine Pro-zesse der habgierigen Ausbeutung der Erde bestimmt, vorwärts getrieben von einem spekulativen System anlagegestützter Akkumulation.37 Anstatt dem Kapi-talismus als einem realen, historischen Gebilde gegenüber zu treten, das über Jahrhunderte hinweg entstanden ist und auf organische Weise unter den Begriff-lichkeiten seiner eigenen Voraussetzungen und Entwicklungen erklärt werden muss, werden wir immer weiter darin bestärkt, die ökonomische Ordnung, in der wir leben, in rein technokratischen Begriffen als eine »Marktwirtschaft« anzusehen. Solcherart verdinglichte Lesarten der Realität erfordern nichts so sehr wie »ein Vergessen«.38

Im Mittelpunkt der Konstituierung der Umweltsoziologie als Fachrichtung steht ein Disput, der sich zwischen denjenigen ergeben hat, die an einen »grünen Kapitalismus« glauben, der sogenannten Schule der ökologischen Modernisierung,

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und denjenigen, die das vorherrschende soziale und ökonomische System getrie-ben sehen von einer Verpflichtung auf die weitere Ausdehnung der Produktion auf Kosten aller anderen, insbesondere umweltbezogenen Bedürfnisse, der Schule der Tretmühle der Produktion. Die Verfechter der ökologischen Modernisierung lösen sich vom Konzept des Kapitals als alles bestimmenden Inhalt, indem sie ihn auf wenig mehr als ein »Marktsystem« reduzieren. Folglich bezieht sich Arthur Mol, ein führender Vertreter dieser Sichtweise innerhalb der Soziologie, auf der ersten Seite seiner Globalization and Environmental Reform (Globalisierung und Umweltreform) auf den »Kapitalismus als schlichtes ›Schlagwort‹« der »späten 1960er und 1970er Jahre« – und zwar »ganz wie« das der »Globalisierung« heut-zutage. Dabei liegt der Hauptaugenmerk, wie er anderswo bemerkt, »darauf, den ›freien Marktkapitalismus‹ in der Weise neu auszurichten und zu transformie-ren, dass er immer weniger hinderlich wirkt und in steigender Weise auf grundle-gende und strukturelle Art zur Erhaltung der gesellschaftlichen Versorgungsbasis beiträgt.«

Desgleichen lenken die Hauptgegner der Schule der ökologischen Moderni-sierung (die dialektischen Gegenspieler der eben genannten) von der Schule der Tretmühle der Produktion allzu häufig von einer gründlichen Kritik des Kapitalis-mus als einer historischen Produktionsweise ab, wobei sie es vorziehen, das Prob-lem einfach in mechanistische Begriffe zu fassen – als ob die Metapher einer wirt-schaftlichen Tretmühle ein geeigneter Ersatz für die geschichtliche Wirklichkeit des Kapitalismus sei.39

Diese Aufgabe der historischen Kapitalkritik zu einer Zeit, in der diese mehr denn je von Nöten ist, stellt den größten Einzelfehler der zeitgenössischen Sozi-alwissenschaft, einschließlich der ökologischen Sozialwissenschaft dar, wie John Kenneth Galbraith in seinem Kapitel »Die Umbenennung des Systems« in seinem letzten Buch The Economics of Innocent Fraud (Die Wirtschaftsweise des harmlo-sen Betrugs) eindringlich feststellt:

Als der Kapitalismus, der historische Bezugspunkt, aufhörte, salonfä-hig zu sein, wurde das System umbenannt. Der neue Begriff war harmlos, aber auch bedeutungslos [...] Als einigermaßen gelehrter Ausdruck kam nun die »Marktwirtschaft« daher. Darin lag keine negative Geschichte, genau genommen überhaupt keine Geschichte. Es wäre in der Tat schwer gewesen, eine harmlosere Bezeichnung zu finden, was einen Grund für diese Wahl darstellt [...] So unterrichten wir die jungen Leute eben

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über die Marktwirtschaft. Davon also reden, wie ich bereits gesagt habe, anspruchsvolle politische Führer, angepasste Journalisten und viele Gelehrte. Keine Einzelperson oder Firma ragt dabei hervor. Keine wirt-schaftliche Macht wird herauf beschworen. Da gibt es nichts von Marx oder Engels. Da ist nur der unpersönliche Markt, ein nicht gänzlich harmloser Betrug.40

Diese »Umbenennung des Systems« vermeidet systematisch den gesellschaft-lichen Bruch, die mit dem historischen Konzept des Kapitalismus in Verbindung gebracht wird. Für Galbraith ist dies eine Form von »harmlosem Betrug«, für Ber-nal war es eine der Klassengesellschaft immanente »Korrumpierung« der Sozi-alwissenschaft. Wie marxistische Sozialwissenschaftler (besonders seit Lukács) argumentiert haben, wird die gesellschaftliche Realität »verdinglicht«, das heißt, gesellschaftlich-produktive Beziehungen werden in Beziehungen zwischen Din-gen umgewandelt. In der Auslöschung der sozialen Beziehungen und der gesell-schaftlichen Anziehungskraft, die die materielle Realität formen, liegt ein Prozess der Enthistorisierung.41 Das historische System des Kapitalismus mit seinen gesell-schaftlichen Klassenmerkmalen, die in der Produktion verwurzelt sind, wird zu einem bloßen »Markt«, einem scheinbar konkreten Gebilde, jedoch ohne jede reale Festlegung – ein Beispiel dafür, was Alfred North Whitehead »den Trug-schluss der verlegten Greifbarkeit«42 genannt hat.

Die Enthistorisierung der Natur

Die Sozialwissenschaft wird heutzutage nicht nur durch ihr wachsendes Versagen dabei, sich der historischen Besonderheit (und folglich den hegemonischen Struk-turen) der heutigen Gesellschaft zu stellen gelähmt, sondern auch durch ihre wie-derholte Weigerung, sich kritisch mit der Realität der Naturwelt auseinanderzu-setzen. Von daher sind die Sozial- und die Geisteswissenschaften (insbesondere Gebiete wie Wirtschaftswissenschaften, Politikwissenschaften, Soziologie, Kultur-anthropologie, Philosophie und Kulturforschung) – von den Anliegen aus betrach-tet, die Gegenstand der Naturwissenschaft sind, und ganz besonders aus Sicht der Vorstellungen der Naturgeschichte oder der Evolution – allesamt in unterschied-lichen Ausmaßen durch ihre radikale Trennung von der Natur gekennzeichnet. Das lange Aufbegehren gegen den Positivismus und die lange Beherrschung der Sozialwissenschaften durch naturwissenschaftliche Vorstellungen ist natürlich für

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die Entwicklung der heutigen Sozial- und Geisteswissenschaften entscheidend gewesen. Dennoch haben sich Anthropozismus und Kulturalismus, sowie die ext-reme Vernachlässigung der natürlichen und materiellen Bedingungen, zu der dies geführt hat, als in wachsendem Maße schwächend erwiesen, besonders im gegen-wärtigen Zeitalter planetarischer ökologischer Krisen.

Das Wort Natur, sollte man hier einwerfen, ist eines der komplexeren Worte des modernen Sprachgebrauchs, da es bekannter Weise in verschiedenen Zusam-menhängen für die materielle Welt und sogar für das Universum steht; den grund-legendsten Bereich der Existenz, die elementaren Triebkräfte des Lebens, den Gegenstand der Naturwissenschaft, eine gewisse Zeitlosigkeit und unveränderli-che Gesetze, die Evolution, das Nichtmenschliche und Nichtgesellschaftliche, das Nichtintellektuelle und Nichtspirituelle und so weiter. So verschiedenartig und doch unverzichtbar sind seine Anwendungen, dass Max Weber auf die fundamen-tale »Vieldeutigkeit des Naturbegriffes« Bezug nahm, indem er argumentierte, dass das Höchste, was man sagen kann, darin liegt, dass es sich in jeder seiner vie-len Bedeutungen auf »einen Komplex gewisser Arten von Gegenständen« bezieht, »einen Komplex, der sich von einem anderen Komplex von Gegenständen unter-scheidet, die verschiedene Eigenschaften haben.«43 Tatsächlich kann der Begriff der Natur als das vielleicht primäre Beispiel für das betrachtet werden, was Fredric Jameson als fundamentalen »ontologischen Bruch« des Daseins bezeichnet hat, indem er dialektische Gegensätze aufstellte, die zwar ergründet, aber niemals voll-ständig überbrückt werden können.44

Die dialektische Erkenntnis dieses ontologischen Bruchs – und der Versuch seiner Aufarbeitung auf verschiedenen Wegen von einer folgerichtigen materia-listischen, naturalistischen, realistischen Perspektive aus – hat in den letzten Jah-ren zu Fortschritten innerhalb des kritischen und dialektischen Materialismus geführt, die die Möglichkeit eines weit reichenden Naturalismus anerkennen, das heißt die Vereinigung der Natur- und Sozialwissenschaften auf einer gewisser-maßen höheren Prinzipienebene.45 Dennoch scheinen die Humanwissenschaf-ten heutzutage zum größten Teil einer immer strikteren Trennung zwischen den, von C. P. Snow so bezeichneten, »zwei Kulturen« verpflichtet zu sein – vertreten von den Geistes- bzw. Sozialwissenschaften und den Naturwissenschaften. Infol-gedessen sehen wir die Sozialwissenschaften bei der Errichtung immer höhe-rer Mauern und beim Bau immer tieferer Gräben, die alle darauf abzielen, sich selbst von den Objekten (wenn nicht den Methoden) der Naturwissenschaft abzuschotten.46

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Mit ihrer Unabhängigkeitserklärung von der Natur (die als Gegenstand der Naturwissenschaft angesehen wird) hat die Sozialwissenschaft allzu oft auf ein früheres newtonsches Prinzip reagiert, welches die Natur zuvorderst in Begriffen von zeitlosen, unveränderlichen Gesetzen sah. Hier wirkt der Widerstand gegen die Natur häufig als »Essenzialismus« in seinen verschiedenen Formen, wobei Menschen und die menschliche Gesellschaft auf bloße biologische Gebilde oder Nebenprodukte reduziert werden (oft in grob deformierter Weise wie bei klassi-schen rassistischen und sexistischen Ideologien). Aus dieser Perspektive steht die Natur für etwas, das vorgegeben und unveränderlich ist oder das sich zu lang-sam verändert, um von direkter Wichtigkeit für die menschliche Gesellschaft zu sein. Theodor W. Adorno stellte fest, dass die Natur »mit dem Verlust ihrer Ent-stehungsgeschichte« als naturhistorisches Phänomen in »etwas im Prinzip [...] Unveränderliches«47 verwandelt wird.

Auf diese Weise wurde es bei den Sozialwissenschaften üblich, den Bereich Menschheit/Gesellschaft/Kultur/Verstand als einen Bereich zu sehen, der sich abseits von der Natur entwickelt hat. Solche anthropozentrischen Sichtweisen wurden durch die sogenannte Eroberung der Natur in Verbindung mit moder-ner Wissenschaft und Technologie verstärkt, wobei ein »Menschliches Ausnah-meparadigma« genährt wurde beziehungsweise die Anschauung, dass Menschen nicht nur von den allgemeinen Naturgesetzen ausgenommen seien, sondern diese in Anbetracht ihres Erfindungsreichtums in fast unbegrenzter Weise überschrei-ten könnten. Die Natur wurde als gegeben angenommen, da die soziale Welt außerhalb der Beschränkungen und Grenzen natürlicher Einflüsse existierte. Man nahm an, dass – was auch immer für soziale Probleme in Bezug zur Natur sich ergäben – wissenschaftlich-technologische Reparaturmittel dazu verwendet wer-den könnten, um die bestehende gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Daraus ergab sich, dass die umweltbezogene Nachhaltigkeit von menschlichen Gesellschaften kein Problem darstellte.48

Obwohl jede Notwendigkeit geleugnet wurde, sich mit den natürlichen Bedin-gungen menschlicher Gesellschaften zu befassen, hat die Sozialwissenschaft in ihrer eher abstrakt-empiristischeren Form häufig versucht, die methodologischen Erfolge der Naturwissenschaft zu kopieren, indem sie mit Mitteln eines groben Positivismus nach unabänderlichen Gesetzen der Sozialwissenschaft suchte, par-allel jenen für die Natur selbst entdeckten. Dies bedeutete jedoch fast ausnahmslos die Enthistorisierung sowohl der Natur als auch der Gesellschaft – indem alles in der menschlichen Gesellschaft (und der Natur selbst) entweder auf der Grundlage

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eines gleich bleibenden Status quo oder einer strukturell-funktionalistischen und zweckorientierten Vorstellung von »Modernismus« gestaltet wird. Was geworden ist, wird als absolut behandelt, als sein eigener Endzweck gesehen. Allenfalls wird es als Entfaltung eines vorbestimmten Ergebnisses betrachtet – eine Sichtweise, die weit entfernt ist von der Kontingenz der darwinistischen Evolution oder des mar-xistischen historischen Materialismus. Alles Vergangene, das nicht in eine solch künstliche, »whiggistische« Sichtweise der Geschichte passt, wird einfach als falsch und missglückt verworfen. Dieser Ansatz verursachte, was Adorno »die Parado-xie« nannte » [...]der zufolge der vorherrschende Empirismus« durch seine Leug-nung der realen Geschichte »eben gerade die Erfahrung beschneidet«.49

Überdies haben die jüngsten Abweichler von dieser vorherrschenden, moder-nistischen Tradition nicht so sehr an der Geschichte festgehalten, sondern sie viel-mehr durch andere Mittel, wie durch Irrealismus, Relativismus und inhaltslosen Postmodernismus verkürzt. Zum Beispiel erklärte Keith Tester unter Zurschau-stellung des ontologischen Trugschlusses (der Leugnung jedweden von der Natur unabhängigen Daseins außer dem Gedanken), der so kennzeichnend für das kriti-sche »strong programme« in der Wissenschaftssoziologie ist: »Ein Fisch ist nur ein Fisch, wenn er gesellschaftlich als solcher eingestuft wird [...] Tiere sind in der Tat ein weißes Blatt Papier, das mit jeder Botschaft und jeder symbolischen Bedeutung beschrieben werden kann, die sozial erwünscht ist.«50

Die Soziologie hatte in dieser Hinsicht ein besonders gequältes Erbe. Ihr frühes verheerendes Zusammentreffen mit Sozialdarwinismus, Rassismus und grobem Positivismus, die in der Soziologie des 19. Jahrhunderts viel ausmachten, führte im 20. Jahrhundert zur nachfolgenden Ablehnung aller Ansichten, die bestrebt waren, Natur- und Biologiewissenschaften mit gesellschaftlicher Entwicklung zu verknüpfen. Folglich befand sich die Umweltsoziologie, insofern sie ökologische Fragen ernst nahm, in kontinuierlichem, scharfen Gegensatz zum vorherrschen-den soziologischen Paradigma des menschlichen Exzeptionalismus (Ausnahme-status) – der, in Verneinung der menschlichen Abhängigkeit von (oder sogar der gegenseitigen Abhängigkeit mit) der Natur, eine radikale konstruktivistische Sicht-weise präsentiert hat, in der die physikalische Welt und die Evolution so gut wie inexistent sind.51

Die Ironie bei all diesen Entwicklungen liegt darin, dass mindestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen von Darwins Evolutionstheorie die Naturwissenschaft (im Gegensatz zur Sozialwissenschaft) in ihren Anschauun-gen dazu neigte, eher mehr als weniger historisch und dialektisch zu sein. Seit dem

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frühen 20. Jahrhundert wurden die Biosphäre (ein von Vladimir I. Vernadsky in Verbindung mit der Entdeckung entwickelter Begriff, der besagt, dass Leben bei der Bildung der Atmosphäre eine Rolle gespielt hatte) und das Universum selbst in steigendem Maße unter zeitlichen Bedingungen betrachtet.52 Hegel schrieb einmal: »Das Wahre ist das Ganze.« Dies sagt uns jedoch nur, dass es nicht außerhalb sei-nes »Werdens«53 verstanden werden kann. Die Entwicklung der Ökologie und der heutigen Erdsystemwissenschaft (einschließlich der Klimawissenschaft) reflektiert die Bewegung in Richtung auf komplexe, historische, materialistische, ganzheitli-che Formen der Analyse, die Eventualitäten mit in Betracht ziehen – weit entfernt von den vorgeblich mechanistischen Gesetzmäßigkeiten der newtonschen Wis-senschaft. Tatsächlich hat die wachsende planetarische ökologische Krise ein Ver-ständnis dafür hervorgebracht, wie schnell sich Natur unter bestimmten Bedingun-gen verändern kann und dass eine Koevolution zwischen Menschheit und Natur besteht.54 Peter M. Vitousek, ein Ökologe, bemerkt, dass Menschen dabei sind, qua-litative und historische Veränderungen in der Welt zu erzwingen, die »die Struktur und Funktion der Erde als System verändern« werden. Folglich ist es für die Sozial-wissenschaften von höchster Wichtigkeit, diese Fragen aufzugreifen.55

Obwohl der Ablauf natürlicher Prozesse oft in Übereinstimmung mit geologi-schen Zeitprinzipien gesehen wurde, die zu langsam und zu allmählich sind, um die menschliche Geschichte zu beeinflussen und die Natur deshalb häufig als Reich der Dauerhaftigkeit abgehandelt wurde, befindet sich dies nun in rascher Verän-derung. Natur als Geschichte (das heißt Naturgeschichte) prägt in wachsendem Maße unser Bewusstsein, seit sie mehr und mehr den Kräften der menschlichen Geschichte unterworfen ist.56 Die Entwicklung der menschlichen Wirtschaft im Anthropozän hat auf die beispiellose Beschleunigung der Veränderungen in der Atmosphäre, im Klima, in den Ozeanen und in den Ökosystemen der Erde als Katalysator gewirkt. Das Ende des Holozän, bedingt durch die anthropogen her-beigeführte globale Erwärmung, bedeutet, dass unversehens eine Veränderung in geologischem Maßstab Eingang in die menschliche Geschichte selbst gefunden hat.

Tatsächlich liegt die größte Gefahr des Klimawandels für das Leben vielleicht im wachsenden Tempo der Veränderungen im System der Erde, unermesslichen naturevolutionären Prozessen und sogar in der sozialen Anpassung und demzu-folge in der drohenden Ausrottung von Arten und gar der menschlichen Zivili-sation selbst. Die von Menschen bewirkte globale Erwärmung geschieht in weit schnellerem Maße als die Erwärmung, die sich im Normalfall am Ende von Eis-zeiten ereignet.57

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Ein Weg, auf dem Arten versuchen, sich an den Klimawandel anzupassen, besteht in der Wanderung in Richtung der Polregionen mit ihren kühleren Tem-peraturen (wie auch in höher gelegene Gebirgsregionen). Die wärmeren Tempe-raturzonen bewegen sich jedoch faktisch rascher zu den Polen hin als die Arten. James Hansen erklärt dazu in Storms of My Grandchildren (Stürme meiner Enkelkinder):

Studien über mehr als tausend Arten von Pflanzen, Tieren und Insekten (einschließlich der Verbreitungsgebiete von Schmetterlingen, die von Mitgliedern der Öffentlichkeit kartiert wurden) haben für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eine durchschnittliche Wanderungs-rate in Richtung Nord- und Südpol von etwa vier Meilen (ca. 6,5 km) pro Jahrzehnt ergeben. Das ist nicht schnell genug. Während der vergange-nen dreißig Jahre haben sich Regionen, in denen eine bestimmte Durch-schnittstemperatur vorherrscht (»Isotherme«), in einer Verlagerungsge-schwindigkeit von etwa fünfunddreißig Meilen (ca. 56 km) pro Jahrzehnt polwärts bewegt [...]

Solange die Gesamtbewegung von Isothermen zu den Polen sehr viel geringer ist als die Größe der Lebensräume oder Verbreitungsgebiete, in denen Tiere leben, ist die Auswirkung auf die Arten begrenzt. Nun ist aber die [isothermische] Bewegung in Richtung der Pole unaufhaltsam und beträgt über mehrere vergangene Jahrzehnte hinweg insgesamt mehr als einhundert Meilen (ca. 160 km). Wenn die Menge der Treibhausgase weiterhin in bisherigem Umfang wächst, wird sich die Geschwindigkeit der Isothermenbewegung in diesem Jahrhundert auf mindestens siebzig Meilen (ca. 112,5 km) pro Jahrzehnt verdoppeln.

Faktisch verlieren die Arten, die versuchen der globalen Erwärmung davonzu-laufen, das Rennen. Das Tempo der Temperaturveränderung ist einfach zu hoch. Das schlimmste Schicksal erwartet die polaren und alpinen Arten, die gewisser-maßen »vom Planeten verstoßen«58 werden.

Im Frankreich des 18. Jahrhunderts verwendete Horace Bénédict de Saus-sure (1740–99), ein führender Geologiewissenschaftler, den Begriff »Revolution«, wie in jener Zeit üblich, um massive Veränderungen in der Vergangenheitsge-schichte der Erde als »Naturrevolutionen« zu beschreiben. In der Tat benutzten, wie der große Historiker der Geologiegeschichte Martin J. S. Rudwick in Bursting

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the Limits of Time schrieb, die Geologen des 18. Jahrhunderts das Wort »Revo-lution« im gleichen allgemeinen Sinn wie in der politischen Geschichte, indem sie es »auf die Welt der Natur und insbesondere auf die Vergangenheitsgeschichte der Erde [...]« anwandten. »Worin angesichts so unterschiedlicher Anhaltspunkte wie Berge, Fossilien und Vulkane alle übereinstimmten, war die Tatsache ,dass die Erde aus irgendeinem Grund massive Veränderungen durchgemacht hatte und dass sich diese Veränderungen in einem zeitliche Rahmen abgespielt hatten, der sicherlich in Relation zur menschlichen Lebensspanne gewaltig, bezogen auf die gesamte Menschheitsgeschichte vielleicht sogar unvorstellbar war.« Sie spiegelten strukturelle Kräfte wieder, die sich im Laufe der Zeit aufgebaut hatten und dann plötzlich auseinander barsten.59

Diese Vorstellung von Naturrevolutionen war Teil der im 18. und 19. Jahrhun-dert gemachten Entdeckung der geologischen Zeit, als festgestellt wurde, dass die Welt nicht nur einige wenige Jahrtausende, sondern Millionen von Jahren alt war. Daraufhin hat sich dies in das Bewusstsein der Gesellschaft eingeprägt. Dennoch neigte die Doktrin des Gradualismus, verbunden mit der aktionistischen Geologie von Charles Lyell und Charles Darwins evolutionärer Biologie, infolge des ruhige-ren Klimas im England des 19. Jahrhunderts dazu, die Bedeutung der »Naturrevo-lutionen« in gewisser Weise auszulöschen und eine neue Sichtweise der Natur als relativ »passiv« hervorzubringen, die vom Standpunkt der menschlichen Geschichte und der Sozialwissenschaft aus kein bedeutsamer Akteur mehr war.60

Das Versagen der Sozialwissenschaftler, sowohl die radikale Geschichtlichkeit der menschlichen Gesellschaft als auch die radikale Geschichtlichkeit der Natur zu erkennen, führt folglich zu einem Versäumnis, die ökologische Krise unserer Zeit mit dem Realismus, dem dialektischen Verständnis, der Dringlichkeit und dem Engage-ment für revolutionäre Umgestaltungen der menschlichen Gesellschaft anzugehen, die erforderlich sind. Naturwissenschaftler erzählen uns, dass die US-Gesellschaft ihre Kohlenstoffemissionen praktisch auf null absenken muss, während Sozialwis-senschaftler uns – was in diesem Zusammenhang reichlich absurd und völlig abseits der meisten drängenden ökologischen Bezüge ist – dahin gehend aufklären, dass es notwendig sei, unsere Einkaufsgewohnheiten ökologisch zu modernisieren.61

Die strukturelle Bedeutung und das Ausmaß der ökologischen Krise spiegeln sich nicht in Lösungen von entsprechender Bedeutung und Umfang. Dieses Ver-sagen sowohl an Vorstellungskraft als auch an gesellschaftlicher Praxis ist in vie-lerlei Hinsicht eine Produkt doppelter Entfremdung: von der Natur und innerhalb der menschlichen Gesellschaft selbst. Dies hat nicht nur zu Unbeweglichkeit im

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Hinblick auf soziale Veränderung geführt – in der Tat eine Tendenz zum Müßig-gang angesichts der Katastrophe – sondern auch dazu zu glauben, dass die Krise im Wesentlichen durch dieselben gesellschaftlichen Institutionen bewältigt wer-den kann, die sie zuvorderst überhaupt erst in Gang gebracht haben.

Die Gefahr liegt nicht so sehr bei der überwältigenden Mehrheit der Sozial-wissenschaften (Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen, Politikwissenschaftler, Anthropologen, Geografen), die Vogel-Strauß-gleich die ökologische Krise unse-rer Zeit im Wesentlichen ignoriert haben und erst noch in der Realität erwachen müssen, als bei denen, die empfehlen, die Krise zu verwalten (Umweltökonomen, Umweltsoziologen, Umweltpolitologen), und die beteuern, sie könnten den Kapi-talismus »vergrünen« und die »Modernität« vergrünen, wobei sie es ständig ableh-nen anzuerkennen, dass der Kapitalismus keine unabänderliche Voraussetzung menschlicher Existenz darstellt und dass die Natur, weit entfernt davon, gefestigt zu sein, in jeder praktischen Hinsicht genau von diesem System zerstört wird. Alle geläufigen Vorstellungen von ökologischer Modernisierung werden angesichts der fortschreitenden Ausweitung des ökologischen Bruchs in zunehmendem Maße bedeutungslos und unwichtig.

Die These, dass unbegrenztes Wachstum unter dem Kapitalismus so gesteuert werden kann und sollte, dass ein System nachhaltiger kapitalistischer Entwicklung entsteht (eine Ansicht, die wir als »Kapitalismus im Wunderland« bezeichnen), lehnt gleichzeitig ein Verständnis des Kapitalismus als ein historisches System und die Auffassung ab, dass die Natur selbst auf eine Weise historisch komplex und zufällig ist, die wir gerade erst beginnen zu verstehen.62 Die großen geologischen Zeitalter in der Geschichte des Planeten finden ihre Unterteilung im massenhaf-ten Absterben von Arten. Der Homo sapiens ist unter dem gegenwärtigen ökono-mischen und sozialen System dabei, den natürlichen Lebensraum zu zerstören, was das sechste Massenaussterben vorantreibt.63 Angesichts der Entfremdung und Verdinglichung, die heutzutage so weit verbreitet sind, ist die ökologische Zerstö-rung in einer Epoche, die von Kapitalinteressen bestimmt ist, zu einer simplen Lebensart geworden. 64

Das Einzige, was uns retten kann, ist eine Revolution in der Struktur der menschlichen Gesellschaft selbst. Ohne solche revolutionären Veränderungen in der metabolischen Beziehung des Menschen zur Erde (in den materiellen Produk-tionsverhältnissen), wird die Zukunft der Welt wie der bourgeoisen menschlichen Natur »garstig, viehisch und kurz« sein.65

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Planetarische Grenzlinien und der Drang zur Anhäufung von Kapital

Die kritische Problemstellung unserer Zeit ist das Durchbrechen der planetari-schen Grenzlinien, die genau deswegen erkannt worden sind, weil das Produkti-onssystem nun droht, sie zu überschreiten, und dies in drei Fällen – beim Klima-wandel, beim Stickstoffkreislauf und bei der biologischen Diversität – bereits getan hat. Diese Problematik ist für das Erdsystem, wie wir es kennen, zu einer Frage von Leben und Tod geworden – und zwar so sehr, dass die Bedrohung dieser planeta-rischen Grenzlinien seitens der menschlichen Wirtschaft von Wissenschaftlern als das bestimmende Charakteristikum dessen ausgemacht worden ist, was nun als Anthropozän bezeichnet wird.

Was die Angelegenheit so schwerwiegend sein lässt, ist die Unfähigkeit unse-res Gesellschaftssystems, auf wirkungsvolle Weise auf diese planetarische Krise zu antworten. Eine der kapitalistischen Ökonomie innewohnende Eigenschaft liegt darin, dass sie notwendigerweise in ihrer Expansion grenzenlos ist. Es handelt sich um ein System unter der Devise: wachse-oder-stirb. Die »Triebkraft zur Anhäu-fung von Kapital« kennt keine physischen Grenzen. Alle Hindernisse werden als bloße Barrieren betrachtet, die in unendlicher Abfolge zu überwinden sind.66 Das Kapital ist folglich, von einem weiteren sozialen und ökologischen Standpunkt aus gesehen, ein Götze, eine nicht aufzuhaltende, vernichtende Kraft.67 Es ist als Sys-tem nicht direkt um die Entfaltung des Gebrauchswertes, sondern eher um die Entfaltung des Tauschwertes besorgt – einem bloßen quantitativen Element, das seine Bedeutung nur aus seinem exponentiellen Wachstum ableitet. Wie István Mészáros, der große marxistische Philosoph, erklärt: »Quantität regiert das kapita-listische System auf absolute Weise.«68

Qualitative soziale Beziehungen, einschließlich derer zu den natürlichen Lebensbedingungen, sind kein Bestandteil seines Systems der Rechnungsfüh-rung. Marx erklärte dies bekanntermaßen in den Begriffen seiner G-W-G’ For-mel – wobei das Kapital verstanden wird als die »kontinuierliche Umwandlung von Kapital-als-Geld in Kapital-als-Waren, gefolgt von einer Rückumwandlung von Kapital-als-Waren in Kapital-als-mehr-Geld.«69 Es ist der Tauschwert, der nur quantitatives Wachstum kennt – nicht der Gebrauchswert, der sich auf die qualitativen Gesichtspunkte der Produktion bezieht – , der das System antreibt. Folglich verwandelt sich Kapital unablässig in mehr Kapital, das den Mehrwert oder Profit einschließt, dessen Generierung das »absolute Gesetz dieser Produk-

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tionsweise« ist.70 »Die Kraft des Gedankens des privaten Unternehmertums«, schrieb E. F. Schumacher, »liegt in seiner erschreckenden Einfachheit. Er legt nahe, dass die Gesamtheit des Lebens auf einen einzigen Aspekt reduziert wer-den kann – den Profit.« Und der Profit besteht seinem Wesen nach in quantita-tivem Wachstum.71

Wir können die Schlussfolgerungen daraus vollkommener verstehen, wenn wir uns Hegel zuwenden, der dialektisch zwischen Schranken und Grenzen im Leben eines jeden organischen Wesens unterscheidet. »Eine Grenze«, die darauf basiert, etwas zu sein, bei dem es »wesentlich ist [sie] zu überwinden«, schrieb er, »ist nicht bloß [eine] Grenze als solche, sondern [eine] Schranke.« Grenzlinien verweisen also auf reale Grenzen; und Schranken sind bloße Hindernisse, die es zu übersteigen gilt. »Eine empfindendes Geschöpf«, das sich einem Hindernis gegen-über sieht, das für es unerlässlich ist, es zu überwinden, »Hunger, Durst, etc.«, wird dies, so argumentiert Hegel, nicht als feste Begrenzung betrachten, sondern versu-chen, »über diese eingrenzende Schranke hinauszugehen.«72

Indem er diese hegelsche Unterscheidung verwendet, beschrieb Marx das Kapital in den Grundrissen als

schranken- und maßlosen Trieb, über seine Schranke hinauszugehn. Jede Grenze ist und muß Schranke für es sein. Es hörte sonst auf, Kapital – das Geld als sich selbst produzierend zu sein. Sobald es eine bestimmte Grenze nicht mehr als Schranke fühlte, sondern als Grenze sich in ihr wohl fühlte, wäre es selbst von Tauschwert zu Gebrauchswert, von der allgemeinen Form des Reichtums zu einem bestimmten substantiellen Bestehn desselben herabgesunken. Das Kapital als solches schafft einen bestimmten Mehrwert, weil es keinen unendlichen at once setzen kann; aber es ist die beständige Bewegung, mehr davon zu schaffen. Die quan-titative Grenze des Mehrwerts erscheint ihm nur als Naturschranke, als Notwendigkeit, die es beständig zu überwältigen und über die es bestän-dig hinauszugehn sucht.

In einer Fußnote fügt er hinzu: »Eine Schranke gegen das Fortschreiten des Kapitals erscheint [ihm] als ein Missgeschick, das überwunden werden muss [...] Wenn ein Kapital von 100 auf 1.000 anwächst, dann ist 1.000 nun der Ausgangs-punkt, von dem aus das Wachstum zu beginnen hat; die zehnfache Vermehrung um 1.000 % gilt dabei nichts.«73 Und so setzt sich der Prozess fort, indem er einfach

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nur einen neuen Ausgangspunkt für seine Expansion in immer größerem Maß-stab setzt.

Es sollte also nicht überraschend sein, dass orthodoxe oder neoklassische Wirtschaftswissenschaftler, die hauptsächlich darum besorgt sind, die Bedürfnisse des kapitalistischen Systems zu artikulieren, sich unerbittlich gegen die Auffas-sung gewehrt (oder diese heruntergespielt) haben, dass es unüberwindliche phy-sische Grenzen des ökonomischen Wachstums gibt, jenseits derer die ökologische Lebensfähigkeit des Planeten gefährdet ist. Wie in der Unternehmenswelt liegt das Hauptinteresse dieser Wirtschaftswissenschaftler in der Expansion des Wirt-schaftssystems – Produktion, Gewinne, Akkumulation, geballter Reichtum – und erst in zweiter Linie (wenn überhaupt) in der Daseinsqualität. Infolgedessen liegt der dominierende Ansatz in Bezug auf den Klimawandel sogar im Fall derer, die sich überhaupt mit dem Problem befassen, wie etwa Nicholas Stern, dem Haupt-autor des Stern Review, darin, Beschränkungen bei den Treibhausgasemissionen zu befürworten, um den Planeten zu retten – außer wenn solche Einschränkungen zu einem signifikanten Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums (der Kapitalakku-mulation) führen würden. 74

Die Vorstellung von »nachhaltiger Entwicklung«, obwohl ein wesentliches Konzept im Kontext einer wachsenden ökologischen Krise, soweit es die Notwen-digkeit ökologischer Nachhaltigkeit hervorhebt, ist häufig als eine Kategorie zur Verstärkung der Notwendigkeit eines nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstums gebraucht worden. Ein Beispiel dafür ist der führende britische Umweltökonom David Pearce, Autor des regierungsamtlichen Pearce Report, Blueprint for a Green Economy (Blaupause für eine Grüne Wirtschaft), der feststellt, dass »nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung [...] ziemlich einfach zu definieren ist. Es handelt sich um den ständig steigenden oder zumindest nicht fallenden Verbrauch pro Kopf oder BNE (Bruttonationaleinkommen), oder was sonst der vereinbarte Indika-tor für Entwicklung ist. Auf diese Weise wird nachhaltige Entwicklung mittler-weile von den meisten Wirtschaftswissenschaftlern interpretiert, die das Thema ansprechen.«75

Die Theoretiker der ökologischen Modernisierung haben dem einfach die grünfärberische unternehmerische Behauptung hinzugefügt, dass dem Kapi-talismus oder der »Marktwirtschaft« innewohnende ökologische Modernisie-rungstendenzen die »Ausweitung der Grenzen« des Wachstums möglich mach-ten. Ökologische Modernisierung verkörpert, ihrem führenden Verfechter Arthur Mol zufolge, die Überzeugung, dass »eine umweltmäßig intakte Gesellschaft«

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unabhängig von »verschiedenen anderen sozialen Kriterien und Zielsetzungen« geschaffen werden kann, »wie dem Umfang der Produktion, der kapitalistischen Produktionsweise, dem Einfluss der Arbeiter, der gleichen Verteilung von Wirt-schaftsgütern, Geschlechterkriterien und so weiter. Die Einbeziehung der letzt-genannten Reihe von Kriterien könnte zu einem radikaleren Programm führen (im Sinne eines Abrückens von der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung), jedoch nicht notwendigerweise zu einem ökologisch radikaleren Programm.« Wie ein anderer Theoretiker ökologischer Modernisierung, Maarten Hajer, eingeräumt hat, erfordert eine ökologische Modernisierung »keinerlei strukturellen Wandel, sondern bedeutet in dieser Hinsicht eine im Grunde modernistische und tech-nokratische Herangehensweise an die Umwelt, die suggeriert, dass es eine tech-nisch institutionelle Lösung für die gegenwärtigen Probleme gibt.« Aus diesem Grund sieht die ökologische Modernisierung keinen Anlass, sich mit der Realität des Kapitalismus auseinander zu setzen. In Hajers Worte »ist es [...] offensicht-lich, dass ökologische Modernisierung [...] nicht die systemischen Eigenschaften des Kapitalismus anspricht, die das System grundsätzlich verschwenderisch und unbeherrschbar machen«.76

Diese strikte Auffassung von ökologischer Modernisierung als bloßer Kor-rektur innerhalb der ursprünglichen Modernisierungstendenz der Gesellschaft lässt wenig Raum für die Berücksichtigung sozialer Ungleichheit. Darüber hinaus werden die größeren Probleme der globalen ökologischen Krise, wie die globale Erwärmung oder die Formen, die die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur angenommen haben, von den Vordenkern der ökologischen Modernisie-rung normalerweise nicht angesprochen.77 Anstatt sich mit einer allumfassenden Kritik der historischen Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur zu beschäf-tigen, hält die vorherrschende Perspektive ökologischer Modernisierung all dies für selbstverständlich. Alles beginnt und endet mit einem Technikverständnis, das sowohl Ursache wie Wirkung, Problem und Lösung ist: bestenfalls eine Frage technologischer Innovation gekoppelt mit entsprechenden Formen ökologischen Managements.

Ökologische Modernisierung steckt folglich überall hinter der Entwicklung und Handhabung grüner Technologien und ersetzt die alten, umweltschädigenden Vorgehensweisen. Unternehmer werden als wichtige Triebkräfte bei diesem Wech-selprozess angesehen, während sie nur auf ein wachsendes Umweltbewusstsein der Öffentlichkeit reagieren und wichtige Innovationen in Bezug auf Produkte und Technologien verfolgen. Wie die Hauptverfechter dieser Perspektive konstatieren,

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»zielt die grundlegende Absicht der ökologischen Modernisierungsprozesse dar-auf ab«, durch technologische Erneuerung »einen der entscheidenden Konstruk-tionsfehler der Moderne wettzumachen.« 78 Der Standardweg zur Quadratur des expandierenden Kreises (oder der Spirale) kapitalistischer Produktion liegt darin, die technologische Blackbox als Lösung aller Probleme ins Spiel zu bringen.

Die Technologie versperrt jedoch beide Wege. »Die Annahme einiger Kritiker, dass der technologische Wandel ausschließlich ein Teil der Lösung und kein Teil des Problems darstellt«, schreibt Herman Daly, »ist auf den ersten Blick lächerlich und wird durch die Arbeit von Barry Commoner [in The Closing Circle] (1971) vollkommen zunichte gemacht. Wir müssen Commoners extremer Hervorhe-bung der Bedeutung der Problem verursachenden Technologie nach dem 2. Welt-krieg (unter folgerichtiger Bagatellisierung der Rolle, die Bevölkerung und Reich-tum gespielt haben) nicht zustimmen, um zu erkennen, dass der jüngste technolo-gische Wandel eher ein Teil des Problems als der Lösung gewesen ist.«79

Selbstverständlich ist technologischer Wandel ein notwendiger Bestandteil jedweder ökologischen Lösung. Ökologische Modernisierer in der Soziologie und Nachhaltigkeitsentwickler in der etablierten Wirtschaftswissenschaft gehen jedoch weit darüber hinaus, indem sie behaupten, dass Technologie Zauberei bewirken kann: nämlich die »Entmaterialisierung« der Wirtschaftsproduktion, sodass die kapitalistische Wirtschaft wie auf Wolken schweben (oder eine »schwe-relose Gesellschaft« hervorbringen) kann, um dabei seine unablässige Expansion fortzusetzen – jedoch mit rasch schwindenden Folgen für die Umwelt. Unnötig zu sagen, dass solche technologischen Fantasien in der Wirklichkeit keine Grundlage haben.80

Noch ist technologischer Optimismus in der ökologischen Literatur weit ver-breitet (und hier besonders unter ökologischen Modernisierungstheoretikern). Alle Arten von technischen »Positiv-Summen«- und »Win-Win«-Strategien wer-den vorgelegt. Hajer spricht voller Zuversicht von »Technisierung der Ökologie« als Antwort auf die ökologische Krise. Aus dieser Sicht »werden mikroelektronische Technologien als Lösung für den ›Götzeneffekt‹ » des Kapitalismus präsentiert.81

Technologischer Wandel wird propagiert mit dem Versuch zu argumentieren, dass die gesellschaftlichen Beziehungen (von Macht und Eigentum) die gleichen bleiben könnten – während es bloß Werte, Bewusstsein und Wissen seien, die sich veränderten, und dies die technologische Erneuerung lenkt. Solche Ansich-ten sind schlimmer als die der alten Geisterbeschwörer, da sie alle Vorspiegelun-gen von wissenschaftlichem Verständnis im Namen der Wissenschaft zum Teufel

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wünschen. Dabei werden nicht nur die physikalischen Grundregeln der Thermo-dynamik beiseitegelassen, sondern es wird auch die Art und Weise übergangen, in der Technologie in das gesellschaftliche System eingebettet ist.82

Die Auffassung, dass die wirtschaftliche Produktion im Allgemeinen unter dem gegenwärtigen System kontinuierlich expandieren kann, ohne dass es zu öko-logischer Verschwendung und Erosion kommt (die Entmaterialisierungshypo-these), verstößt gegen die grundlegenden physikalischen Gesetze. Wie der glän-zende Umweltökonom Nicholas Georgescu Roegen schrieb: »Hätten die Wirt-schaftswissenschaften die entropische Natur des Wirtschaftsprozesses erkannt, wären sie möglicherweise dazu in der Lage gewesen, ihre Zuarbeiter für die Ver-besserung der Menschheit – die Ingenieurswissenschaften – davor zu warnen, dass ›größere und bessere‹ Waschmaschinen, Automobile und Superjets zu einer ›größeren und besseren‹ Umweltverschmutzung führen müssen.«83 Obwohl neue Technologien (und gewiss auch viele ältere) in Bezug auf die Verminderung der Auswirkungen der Produktion auf die Umwelt große Dinge bewerkstelligen kön-nen, hebt das Ausmaß der Auswirkungen ökonomischer Expansion im Allgemei-nen alle Energie- und Umwelteinsparungen auf (ein Phänomen, das als Jevons-Paradoxon bekannt ist).84 Seit 1975 ist die pro Dollar des BIP verbrauchte Energie-menge in den Vereinigten Staaten um die Hälfte gesunken, was eine Steigerung der Energieeffizienz um diesen Betrag bedeutet. Während der gleichen Zeit ist jedoch der Gesamtenergieverbrauch der US-Gesellschaft um etwa 40 Prozent gestiegen.85

Neue Umwelttechnologien kommen nicht aufgrund ihres Nutzens bei der Schaffung eines nachhaltigen Umweltbezuges zur Anwendung, sondern aufgrund von Gewinnerwägungen von Unternehmen, die kaum mit ökologischen Erforder-nissen übereinstimmen. Der Ökonom Juliet Schor bemerkt dazu: »Firmen haben einen Widerwillen dagegen, Technologien zu installieren, deren Vorteile sie nicht erfassen können. Ein dezentralisiertes Sonne-Wind-System, zum Beispiel, mag technische Vorteile aufweisen, wie die Vermeidung des Energieverlustes, der eine Begleiterscheinung von Energieerzeugung auf weite Entfernung in zentralisierten Anlagen darstellt. Wenn aber die Technologien nur begrenzten Umfang haben und leicht nachzubauen sind, haben große Firmen die Schwierigkeit, die Gewinne abzuschöpfen, die Investitionen wünschenswert erscheinen lassen.«86

Tatsächlich besteht das einzig angestrebte Ziel technologischer Innovation unter dem Kapitalismus in der Expansion von Produktion, Gewinnen, Akkumu-lation und Reichtum für die Leute an der Spitze und nicht im Schutz der Umwelt. Donella Meadows und ihren Mitautoren sagen dazu in Grenzen des Wachstums

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- Das 30-Jahre-Update: Signal zum Kurswechsel: »Wenn die erklärten Ziele einer Gesellschaft darin liegen, die Natur auszubeuten, die Eliten zu bereichern und langfristige Perspektiven zu ignorieren, dann wird diese Gesellschaft Technologien und Märkte entwickeln, die die Umwelt zerstören, das Gefälle zwischen den Rei-chen und den Armen ausweiten, und kurzfristige Profite optimieren. Kurz gesagt, dass die Gesellschaft Technologien und Märkte entwickelt, die einen Zusammen-bruch beschleunigen, anstatt ihm vorzubeugen.«87

Obwohl die sprichwörtliche Effizienz des Marktes häufig als »unsichtbare Hand« ins Spiel gebracht wird, die solche Umweltprobleme löst, rangiert die öko-logische Erosion neben Ungleichheit und Armut als starkes Indiz für »das Ver-sagen des Marktes«. Die kapitalistische Marktwirtschaft ist zu jeder Zeit mit der Konzentration des wirtschaftlichen Überschusses und Reichtums und der Verla-gerung eines Großteils der Kosten auf die Gesellschaft und auf die Umwelt ver-zahnt. Sie bietet in ihren nationalen Bruttoeinnahmestatistiken eine verzerrte Berechnung bezüglich der Fürsorge für Mensch und Umwelt. Sie ist verantwort-lich für die hemmungslosesten Formen von Verschwendung.88 Wie Charles Lind-bloom aufgezeigt hat, ist das Bemerkenswerteste an der »Marktwirtschaft« des entwickelten Kapitalismus das hohe Ausmaß seiner »Verteilungsineffizienz«.89 Ein Beispiel für solche gesamtwirtschaftliche Verteilungsineffizienz ist der in ein solches System integrierte Kurzzeithorizont, der fast ausschließlich auf Basis individueller Gier funktioniert. Die schwerwiegende Nichtberücksichtigung der Zukunft im modernen Profitsystem bedeutete, wie der etablierte Ökonom Lester Thurow grimmig anmerkte, dass »gute Kapitalisten beschließen werden, nichts zu unternehmen«, ganz gleich wie schlimm die Umweltprobleme in ferner Zukunft aufgrund ihres augenblicklichen Verhaltens sein werden. Irgendwann einmal wird dann eine Generation antreten, die nicht länger die Möglichkeit hat zu han-deln, weil die Bedingungen für einen unumkehrbaren Verfall »der veränderten Umwelt der Erde« bereits in Gang gesetzt sein werden. »Jede Generation trifft gute kapitalistische Entscheidungen, die Folge jedoch ist kollektiver gesellschaftlicher Selbstmord.«90

Eine Art, dies zu betrachten, besteht darin, den Kapitalismus als Luftblasen-wirtschaft anzusehen, die die Umweltressourcen und die Absorptionsfähigkeit der Umwelt aufbraucht, während sie die Kosten auf die Erde selbst zurückver-lagert und dadurch eine enorme Schuldenlast aufbaut. Solange das System rela-tiv klein ist und sich weiter nach außen ausdehnen kann, wird diese ökologische Schuld häufig verlagert, ohne die Kosten zu erkennen, die bereits entstanden sind.

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Wenn das Wirtschaftssystem erst einmal beginnt, sich nicht nur seinen regiona-len, sondern auch seinen planetarischen Grenzen zu nähern, wird die wachsende ökologische Schuld immer prekärer, und es droht ein ökologischer Zusammen-bruch. Um dies aufzuhalten, ist nichts weniger als eine ökologische Revolution von Nöten, die darauf abzielt, die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse mit den Bedingungen für eine ökologische Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen.91

Der Neue Ganze Mensch

Im 19. Jahrhundert führte Karl Marx den Begriff des »metabolischen Bruchs« oder eines Bruchs im metabolischen Austausch zwischen Menschheit und Natur ein. Der Zusammenhang bestand darin, dass der Boden auf dem Land seiner Nährstoffe beraubt wurde und diese Nährstoffe in Form von Nahrung und Tex-tilien in die Städte geschickt wurden, wo sie schließlich zur Schadstoffbelastung beitrugen. Diese Unterbrechung des Nährstoffkreislaufes im Boden untergrub die Regenerationsfähigkeiten des Ökosystems. Marx argumentierte, dass es notwen-dig sei, den Metabolismus des Bodens »zu restaurieren«, um die Umweltnachhal-tigkeit für kommende Generationen zu garantieren. Eine solche Transformation der metabolischen Beziehung erforderte eine Gesellschaft, die von assoziierten Produzenten geführt wurde, die den qualitativen und quantitativen Austausch zwischen der Gesellschaft und den Lebensbedingungen regulierten.92 Natur kann dabei als ein Netz oder Gewebe gesehen werden, das aus unzähligen Prozessen, Beziehungen und Interaktionen aufgebaut ist, dessen Zerreißen letztlich zu einem Zusammenbruch des ökologischen Systems führt. Die metabolische Analyse dient als Mittel zum Studium dieser komplexen Beziehungen von ökologischer Erosion und Nachhaltigkeit. Infolgedessen werden das marxsche Konzept des sozioökolo-gischen Metabolismus und das Auftreten eines metabolischen Bruchs unter dem Kapitalismus im Zentrum dieses Buches stehen.

Die Analyse von Marx kann, auch wenn sie sich in erster Linie auf die Stick-stoff- und Phosphor- wie auch die Kaliumkreisläufe bezog, als Schlüssel zu dem gesamten Problem der planetarischen Grenzen gesehen werden. Ökosysteme und natürliche Abläufe sind komplex und existieren in vielfältigen Schichten, wobei sie letztlich als bestimmende Faktoren für das Leben dienen. Das Abholzen ural-ter, lange bestehender Wälder (wie im pazifischen Nordwesten von Nordamerika oder im brasilianischen Amazonasgebiet), von denen zahlreiche Arten abhängig sind, erzeugt häufig ein aberwitziges Steppdeckenmuster, das aus der Luft wie iso-

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liertes Flickwerk erscheint. Grün, dort wo noch Bäume stehen; braune Flecken, dort wo die Pflanzenwelt beseitigt wurde. Der Wald scheint buchstäblich in Stü-cke geschnitten. Stellenweise erzeugt die Abholzung Breschen durch den Wald, wodurch die Integrität des gesamten Ökosystems – die für gewöhnlich in Form des Rückgangs von »Schlüsselarten« gemessen wird – zerstört wird. Versuche, ori-ginale Forstgebiete durch monokulturelle industrielle Baumpflanzungen zu erset-zen, bedeuten einfach den Austausch eines mannigfaltigen ökologischen Systems durch eine relativ sterile (und durch die Kontaminierung mit Pestiziden oft toxi-sche), menschengemachte Umwelt. Ein derartiger Industriewald ist umso extre-mer, da er zu einer reinen Handelsware wird: so und so viele Festmeter an stehen-den Hölzern.93

Genau diesem Prozess, in Stücke zerteilt und konform zur menschlichen Öko-nomie neu organisiert zu werden, ist die Erde auf verschiedene Art auch als Ganze unterworfen – in einer Weise, die wir kaum zu verstehen begonnen haben. Gleich-wohl ist eindeutig, dass die allgemeine Beschaffenheit der »Teilung der Natur« unter dem Kapitalismus derart ist, dass sie das versimplifiziert, was vorher kom-plex war.94 Dies erzeugt schwerwiegende ökologische Brüche, die dann solange verlagert und herum geschoben werden, bis der Punkt erreicht ist, von dem an dies nicht länger möglich ist, ohne die planetarischen Grenzlinien zu überschreiten.95

Dieser ökologische Bruch ist im Grunde das Produkt eines gesellschaftlichen Bruchs: der Beherrschung des Menschen durch den Menschen. Die treibende Kraft ist eine Gesellschaft, die auf Klassen, Ungleichheit und endloser Aneignung beruht. Auf globaler Ebene wird sie dadurch repräsentiert, was L. S. Stavrianos in Global Rift – einer Geschichte der Dritten Welt – als die imperialistische Auf-teilung zwischen Zentrum und Peripherie, Nord und Süd, armen und reichen Ländern beschrieben hat.96 Diese umfangreichere Welt ungleichen Austausches ist genauso Teil des Kapitalismus wie das Streben nach Gewinn und Akkumula-tion. Der notorische Imperialist Cecil Rhodes sagte einmal: »Ich würde den Plane-ten annektieren, wenn ich könnte.«97 Wie die Dinge lagen, war er nur dazu fähig, einige der reicheren Teile Afrikas unter Beschlag zu nehmen, Menschen zu ver-sklaven und die Erde nach Gold und Diamanten zu durchgraben. Es kann keine Lösung für das Ökologieproblem der Welt erzielt werden, die sich nicht die Über-windung des Kapitalismus als imperialistisches Weltsystem zum Ziel setzt.

Es ist Zeit, den Planeten für eine nachhaltige menschliche Entwicklung zurück zu erobern. Eine solche ökologische Revolution, die in erster Linie vom globalen Süden ausgeht, hat in unserem Zeitalter bereits begonnen und setzt neue Grund-

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lagen zur Hoffnung. Ein Umweltproletariat, das einen neuen Kampf für eine öko-logische Hegemonie repräsentiert, ist dabei sich zu erheben, um der ökologischen Erosion sowie der gesellschaftlichen Ausbeutung, die mit der Expansion des Kapi-talismus verbunden sind, den Kampf anzusagen. Im Jahr 1998 privatisierte die Bolivianische Regierung in Verbindung mit der Weltbank das Wasser in Coch-abamba. Bechtel, eine US-Ingenieursfirma, erhielt dafür den Auftrag. Der Was-serpreis verdreifachte sich und denjenigen, die sich das Wasser nicht mehr leisten konnten, wurde der Hahn abgedreht. Die Leute gingen in einer ganzen Reihe von Wasserkriegen auf die Straße, um der Privatisierung des Wassers und der Vorherr-schaft von Unternehmensinteressen den Kampf anzusagen. Im April 2000 wurde Bechtel dazu gezwungen, das Land zu verlassen. Überall in Bolivien fanden ähn-liche Kämpfe statt, als die Leute gegen die Suez Wassergesellschaft kämpften, der die Kontrolle über das Wasser in der Hauptstadt La Paz überlassen worden war. Diese Strömung verhalf später Boliviens sozialistischem und indigenem Präsiden-ten Evo Morales ins Amt, der proklamierte, dass Wasser frei zugänglich sein muss und nicht Gegenstand privater Geschäfte sein kann.98

Am 22. April 2010, dem zehnten Jahrestag des Sieges im Wasserkrieg von Cochabamba, wurde in Bolivien unter der Führung von Morales das Cocha-bamba-Protokoll oder Das Abkommen der Völker über den Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde verabschiedet. Seine Eröffnungsansprache begann er mit dem Slogan »¡Planeta o Muerte, Venceremos!« Das Cochabamba-Protokoll enthielt die Erklärung: »Die Menschheit steht einem großen Dilemma gegenüber: den Weg von Kapitalismus, Ausplünderung und Tod fortzusetzen oder den Weg der Harmonie mit der Natur und des Respekts vor dem Leben zu wählen.« Unter anderem bestand es darauf, dass 6 Prozent des BNE der reichen Länder (annä-hernd gleichbedeutend mit dem realen Anteil der Militärausgaben am US-BNE) der Hilfe für die ärmeren Länder gewidmet werden sollten, um sich dem Klima-wandel anpassen zu können. Und es forderte eine 50prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen der entwickelten Länder aus den 1990er Jahren bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts.99

Das Ziel der menschlichen Entwicklung sollte, wie Morales es zum Ausdruck brachte, nicht sein, besser zu leben, sondern gut zu leben.100 Das bedeutet, dass das Leitprinzip »genug« lautet und eine wirtschaftliche Entwicklung für die ärmsten Länder neben der Stabilisierung der Wirtschaftsproduktion überall auf der Welt erforderlich macht. Dies kann nur mit einer erheblich höheren Konzentration auf materielle Gleichheit zusammen mit einer qualitativen menschlichen Entwicklung

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erreicht werden. »Ein freies Leben«, schrieb Epikur, »kann nicht zum Erwerb gro-ßen Reichtums führen, denn dieser ist ohne Knechtschaft beim Pöbel oder bei den Mächtigen nicht leicht zu erreichen [...] Und wenn es trotzdem irgendwie zu gro-ßem Reichtum langt, so kann man diesen leichthin teilen, um die Sympathie sei-ner Nachbarn zu gewinnen.«101

Angesichts des »abschließenden Kreislaufs« planetarischer Grenzen muss die Welt ein ökonomisches System entwickeln, dass nicht auf endloser Akkumulation beruht, sondern stattdessen unter Schutz der Ökosysteme den Bedürfnissen der Menschen Rechnung trägt. Trotzdem gibt es gegenwärtig einen Widerspruch zwi-schen der Ökologie und dem vorherrschenden Wirtschaftssystem. Elmar Altva-ter erläutert dazu in Die Zukunft des Marktes: »Das ›Beharrungsprinzip‹ ist [...] innerhalb des ökologischen Systems vernünftig. Und dennoch ist, was im ökolo-gischen System vernünftig ist, im Hinblick auf die [kapitalistische] Marktökono-mie unvernünftig: eine Wirtschaft ohne Profit.«102 Dabei gibt es nur eine mögliche Lösung für diesen Widerspruch: eine ökologische und soziale Revolution, die uns von dem engen Profitsystem befreit und es durch eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft ersetzt.

»Der Sozialismus ist«, bemerkte Schumacher in seinem Small Is Beautiful, eben wegen »der Möglichkeit von Interesse, die er zur Überwindung der Religion der Ökonomie entwirft, …des modernen Trends zur vollkommenen Quantifizie-rung zulasten der Wertschätzung qualitativer Unterschiede.«103

Wenn das Holozän der letzten zehn oder zwanzig Jahrtausende für die Epo-che des »Neuen Ganzen« in der geologischen Evolution stand, und das Anthropo-zän der letzten zwei Jahrhunderte für die Epoche des »Neuen Menschen« (ironi-scherweise gekennzeichnet durch die Krise der menschlichen Beherrschung des Planeten), dann ist das, was wir anstreben müssen ein Holoanthropozän – eine Epoche des »Neuen Ganzen Menschen«, die auf der Überwindung der Entfrem-dung von Mensch und Natur beruht. Der Bruch in Ökologie und Gesellschaft kann nur durch eine neue revolutionäre Umgestaltung in den menschlichen, sozi-alen und ökologischen Beziehungen geschlossen werden. »Naturrevolution« und Sozialrevolution müssen vereint werden. Die Menschheit muss auf lange Sicht eine neue Stufe in ihrer realen historischen Entwicklung erreichen, in der die Erde eine Begrenzung darstellt und das Leben respektiert wird.

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Teil 1 Kapitalismus und unhaltbare Entwicklung

1. Das Reichtumsparadox

Heutzutage wird die orthodoxe Wirtschaftswissenschaft vorgeblich zu einem vollkommen neuen Zweck nutzbar gemacht: die Errettung des Planeten aus sei-ner ökologischen Zerstörung, die durch die kapitalistische Expansion angerichtet wurde. Dabei verspricht sie, dies durch eine weitere Ausdehnung des Kapitalismus selbst zu bewirken, der dazu von seinen Exzessen und Auswüchsen befreit werde. Ein wachsendes Heer von selbst ernannten »nachhaltigen Entwicklern« argumen-tiert, dass es keinen Widerspruch zwischen der unbegrenzten Kapitalakkumula-tion – dem Glaubenssatz des Wirtschaftsliberalismus von Adam Smith, der bis in die Gegenwart gilt – und der Bewahrung der Erde gibt. Das System kann sich weiterhin ausdehnen, indem es einen neuen »nachhaltigen Kapitalismus« hervor-bringt, der die Effizienz des Marktes gegenüber der Natur und ihrer Reproduktion zum Tragen bringt. In Wahrheit läuft diese Vision auf nichts weiter als eine erneu-erte Strategie hinaus, um aus der planetarischen Zerstörung zu profitieren.

Hinter dieser tragischen Schmierenkomödie steckt die verzerrte Berechnung, die tief in der Funktionsweise des Systems verwurzelt ist, das Reichtum vollkom-men in Bezug auf Werte sieht, die durch Tausch geschaffen werden. In solch einem System haben Waren nur zum Verkauf auf dem Markt einen wirklichen Wert. Die äußere Natur – Wasser, Luft, lebendige Arten – außerhalb dieses Tauschsystems wird als »Geschenkzugabe« gesehen. Wenn man solche Scheuklappen erst einmal übergestülpt hat, wird es möglich, wie es der führende US-Klimaökonom Wil-

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liam Nordhaus getan hat, vom relativ ungehinderten Wirtschaftswachstum unter gewohnten Bedingungen für ein gutes weiteres Jahrhundert von heute an gerech-net zu sprechen – und dies trotz der Tatsache, dass führende Klimawissenschaftler die Verfolgung eines identischen Weges über dieselbe Zeitspanne hinweg als abso-lut katastrophal sowohl für die menschliche Zivilisation als auch für das Leben auf dem Planeten als Ganzem ansehen.1

Solche weit auseinander liegenden Vorhersagen von Mainstreamökonomen und Naturwissenschaftlern sind der Tatsache geschuldet, dass in der normalen Betrachtungsweise des kapitalistischen Systems sowohl der Beitrag der Natur zum Reichtum als auch die Zerstörung der natürlichen Bedingungen weitgehend unsichtbar bleiben. Eingesponnen in ihren Kokon leugnen orthodoxe Wirtschafts-wissenschaftler entweder die Existenz der Natur in ihrem Gesamtzusammenhang oder gehen von der Annahme aus, dass sie auf vollständige Weise beschränkten erwerbsorientierten Zwecken unterworfen werden kann.

Diese fatale Schwachstelle einer allgemein anerkannten Wirtschaftslehre kann bis zu ihren konzeptionellen Grundlagen zurückverfolgt werden. Das Aufkom-men der neoklassischen Wirtschaftslehre im späten 19. und frühen 20. Jahrhun-dert wird für gewöhnlich mit der Ablehnung der Arbeitswerttheorie der klassi-schen politischen Ökonomie und ihrer Ersetzung durch die Begriffe Grenznutzen und Grenzproduktivität verbunden. Was jedoch selten erkannt wird ist, dass zur selben Zeit eine andere kritische Sichtweise aufgegeben wurde: die Unterscheidung zwischen Reichtum und Wert (Gebrauchswert und Tauschwert). Damit ging die Möglichkeit einer breiteren ökologischen und sozialen Konzeption von Reichtum verloren. Diese Scheuklappen orthodoxer Wirtschaftslehre, die eine umfassendere natürliche und menschliche Welt ausblenden, wurden von Figuren infrage gestellt, die etwas bewohnten, was John Maynard Keynes als die »Unterwelten« bezeich-nete. Dazu gehörten Kritiker wie James Maitland (Earl of Lauderdale), Karl Marx, Henry George, Thorstein Veblen, und Frederick Soddy. Heute, in einer Zeit unbe-grenzter Umweltzerstörung, feiern solche heterodoxen Ansichten ein Comeback.2

Das Lauderdale-Paradox

Die ökologischen Widersprüche der vorherrschenden ökonomischen Ideologie werden am besten in Begriffen beschrieben, die in der Geschichte der Wirtschafts-wissenschaften als das »Lauderdale-Paradox« bekannt sind. James Maitland, der achte Earl of Lauderdale (1759–1839), war der Autor von An Inquiry into the

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Nature and Origin of Public Wealth and into the Means and Causes of Its Incre-ase (Eine Untersuchung über die Natur und den Ursprung öffentlichen Reichtums und über die Mittel und die Ursachen seines Wachstums) (1804). In dem Para-doxon, mit dem sein Name verbunden wurde, argumentierte Lauderdale, dass es eine umgekehrte Relation zwischen öffentlichem Reichtum und privaten Vermö-gen gäbe und zwar dergestalt, dass eine Zunahme bei den Letzteren häufig zur Verringerung des Ersteren führe. »Öffentlicher Reichtum«, schrieb er, »könnte genau damit definiert werden, aus allem zu bestehen, was der Mensch als für ihn nützlich oder reizvoll begehrt.« Solche Güter haben einen Gebrauchswert und bedeuten von daher Reichtum. Private Vermögen jedoch, die öffentlichem Reich-tum entgegenstehen, benötigten etwas Zusätzliches (und hätten somit eine zusätz-liche Beschränkung), indem sie »aus allem bestehen, was der Mensch als für ihn nützlich und reizvoll begehrt und an dem ein gewisser Mangel herrscht.«

Mangel ist, mit anderen Worten, ein notwendiges Erfordernis dafür, dass etwas einen Tauschwert besitzt und privates Vermögen vermehrt. Dies ist jedoch bei öffentlichem Reichtum nicht der Fall, der alles umfasst, was einen Gebrauchswert aufweist, und folglich nicht nur, das, an dem Mangel herrscht, sondern auch das, was es im Überfluss gibt. Dieses Paradoxon brachte Lauderdale zu der Argumen-tation, dass wachsender Mangel bei solchen, ehemals reichlich vorhandenen, aber lebenswichtigen Elementen, wie Luft, Wasser und Nahrungsmittel, wenn ihnen Tauschwerte beigemessen werden, individuellen privaten Reichtum vermehrt und in der Tat auch den Reichtum des Landes – begriffen als »die Gesamtsumme individueller Reichtümer« – , dies jedoch nur auf Kosten des Allgemeinwohls. Wenn, zum Beispiel, jemand Wasser, das zuvor frei verfügbar war, monopolisieren könnte, indem er eine Quellengebühr erhebt, würden die messbaren Reichtümer der Nation auf Kosten des wachsenden Durstes der Bevölkerung vermehrt.

»Jedes allgemeine Verständnis von Menschlichkeit«, protestierte Lauderdale, »würde sich auflehnen« gegen jedwedes Vorhaben privaten Reichtum zu vermeh-ren, »indem man einen Mangel an irgendeiner Ware erzeugt, die im Allgemei-nen für den Menschen nützlich und notwendig ist.« Dennoch war er sich darüber im Klaren, dass die bürgerliche Gesellschaft, in der er lebte, bereits auf vielfache Art eine weitgehende Auslese vornahm. Er legte dar, dass holländische Siedler in besonders fruchtbaren Perioden seltene Gewürzpflanzen verbrannten oder Ein-geborene dafür bezahlten »die jungen Blüten oder grünen Blätter der Muskat-nussbäume zu pflücken, um diese abzutöten, und dass in reichlichen Jahren »die Tabakpflanzer in Virginia« auf Basis einer Rechtsverordnung für jeden Sklaven,

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der auf ihren Feldern arbeitete, »einen gewissen Anteil an Tabak« verbrannten. Solche Taktiken wurden dazu entworfen, die Knappheit zu steigern, indem pri-vater Reichtum (und damit der Reichtum einiger weniger) durch die Zerstörung dessen vermehrt wurde, was den öffentlichen Reichtum ausmachte – in diesem Fall das Produkt der Erde. »Dieses Prinzip wird von denen, deren Interessen sie dazu bringen, daraus einen Vorteil zu ziehen, so sehr als Wirklichkeit verstanden«, schrieb Lauderdale, »dass nichts als die Unmöglichkeit seiner allgemeinen Durch-führung den öffentlichen Reichtum gegen die Raffgier privater Habsucht schützt.«3

Von Beginn an wurde Reichtum, im Gegensatz zu bloßem Vermögen, in der klassischen politischen Ökonomie mit dem in Verbindung gebracht, was John Locke als »immanenten Wert« bezeichnete und spätere politische Ökono-men »Gebrauchswert«4 nannten. Materielle Gebrauchswerte, die es natürlich schon immer gegeben hatte, bildeten die Grundlage menschlicher Existenz. Die für den Verkauf auf dem kapitalistischen Markt produzierte Waren verkörper-ten jedoch auch noch etwas anderes: einen Tauschwert. Jede Ware wurde folglich unter »einem zweifachen Aspekt« betrachtet, der aus Gebrauchs- und Tauschwert besteht.5 Das Lauderdale Paradox war also nichts als ein Ausdruck dieses zwei-fachen Aspekts von Reichtum und Wert, der den Widerspruch zwischen dem gesamten öffentlichen Reichtum (der Summe aller Gebrauchswerte) und der Anhäufung privaten Vermögens (der Summe der Tauschwerte) erzeugt.

David Ricardo, der größte der klassischen liberalen Politökonomen antwor-tete auf Lauderdales Paradox, indem er die Bedeutung unterstrich, die begriffli-che Unterscheidung von Reichtum und Wert (Gebrauchswert und Tauschwert) beizubehalten. In Übereinstimmung mit Lauderdale betonte Ricardo, dass es, wenn Wasser oder irgendeine andere natürliche Ressource, die früher frei zugäng-lich war, aufgrund des Anwachsens einer absoluter Knappheit einen Tauschwert erlangte, zu »einem akuten Verlust an Reichtum« käme, der den Verlust natürli-cher Gebrauchswerte widerspiegelt – sogar bei gleichzeitiger Zunahme privaten Vermögens.6

Im Gegensatz dazu antwortete der führende französische Anhänger von Adam Smith, Jean Baptiste Say, der zu einem der Vorkämpfer neoklassischer Wirtschafts-lehren wurde, auf das Lauderdale Paradox, indem er es einfach wegdefinierte. Er argumentierte, dass Reichtum (Gebrauchswert) dem Wert (Tauschwert) zu sub-sumieren sei, um damit ersteren Begriff zu tilgen. In seinen Letters to Malthus on Political Economy and Stagnation of Commerce (Briefe an Malthus zur Politischen Ökonomie und zur Stagnation des Handels) (1821), beanstandet Say folglich »die

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Definition, die Lord Lauderdale dem Reichtum gibt.« Nach Says Ansicht war es absolut notwendig, die Identifizierung von Reichtum mit dem Gebrauchswert ins-gesamt aufzugeben. Er schreibt:

Als Adam Smith festgestellt hatte, dass es zwei Arten von Werten gibt, einen Wert, der sich nach dem Gebrauch und den anderen Wert, der sich nach dem Tausch richtet, gab er den ersten unverzüglich auf und beschäftigte sich das ganze Buch hindurch nur noch mit dem Tausch-wert. Das haben Sie selbst getan, Sir [sich an Malthus wendend]; das hat Mr. Ricardo getan; das habe ich getan; das haben wir alle getan: und zwar aus dem Grund, dass es in der politischen Ökonomie keinen anderen Wert gibt [...] [Infolgedessen] besteht Reichtum in dem Wert der Dinge, die wir besitzen, wobei das Wort Wert auf den einzig zulässigen Tausch-wert beschränkt bleibt.

Say leugnete nicht, dass es »in der Tat Dinge gibt, die einen natürlichen Reich-tum bilden, die sehr kostbar für den Menschen, aber nicht von der Art sind, auf die politische Ökonomie angewandt werden kann.« Die politische Ökonomie beinhaltete jedoch seinem Wertbegriff zufolge – der darauf angelegt war, den Begriff des Reichtums insgesamt zu verdrängen – einzig und allein den Tausch-wert. Natürlicher oder öffentlicher Reichtum blieb im Gegensatz zum Tauschwert unberücksichtigt.7

Nirgendwo in der liberalen Politökonomie hat das Lauderdale Paradox grö-ßere Verwicklungen hervorgerufen als im Zusammenhang dessen, was Marx als den »seichten Synkretismus« von John Stuart Mill bezeichnete.8 Mill’s Princip-les of Political Economy (Prinzipien der Politischen Ökonomie) (1848) schienen allein schon auf dieser Grundlage von Anfang an nahezu in sich zusammen zu fallen. In den »Vorbemerkungen« zu seinem Buch, erklärte Mill (laut Say), dass »als Reichtum folglich alle nützlichen oder angenehmen Dinge definiert werden können, die einen Tauschwert besitzen« – wobei Reichtum im Wesentlichen auf den Tauschwert reduziert wird. Mills charakteristischer Eklektizismus und seine klassischen Wurzeln brachten ihn jedoch auch dazu, die umfassende Irrationali-tät dieser These herauszustellen, indem er seine eigene Argumentation untergrub. So finden wir im selben Abschnitt eine eindringliche Behandlung des Lauderdale Paradoxes, die auf den Konflikt zwischen Kapitalakkumulation und dem Reich-tum der Allgemeinheit verweist. Zitat Mill:

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Dinge, für die im Tausch nichts erlangt werden kann, wie nützlich oder notwendig sie auch sein mögen, sind in dem Sinne, in dem sie in der Politischen Ökonomie Anwendung finden, kein Reichtum. Luft erbringt zum Beispiel, obwohl sie die Allerhöchste aller Notwendigkeiten ist, auf dem Markt keinen Preis, weil sie unentgeltlich erlangt werden kann: einen Vorrat von ihr anzulegen, würde niemandem einen Gewinn oder Vorteil einbringen; und die Gesetzmäßigkeiten ihrer Produktion und Verteilung sind Gegenstand einer sehr andersgearteten Untersuchung aus der Politi-schen Ökonomie. Aber auch wenn Luft keinen Reichtum darstellt, ist die Menschheit viel reicher, indem sie diese unentgeltlich erhält, da die Zeit und die Arbeit, die andernfalls benötigt würde, um dem dringendsten aller Bedürfnisse nachzukommen, anderen Aufgaben gewidmet werden kann. Es ist möglich, sich Umstände vorzustellen, unter denen Luft ein Teil von Reichtum wäre. Wenn es üblich würde, sich lange Zeit an Orten aufzuhalten, an die auf natürliche Weise keine Luft vordringt, wie in Tau-cherglocken, die ins Meer versenkt werden, würde eine künstlich herge-stellte Versorgung mit Luft, wie in Häuser eingespeistes Wasser, einen Preis erbringen: und wenn durch irgendeine Umwälzung in der Natur die Atmosphäre zu knapp für den Verbrauch würde oder unter eine Mono-polstellung geriete, könnte Luft einen sehr hohen Marktwert erzielen. In solch einem Fall würde ihr Besitz, über seine eigenen Bedürfnisse hinaus, für den Besitzer zu Reichtum; und der allgemeine Reichtum der Mensch-heit erschiene auf den ersten Blick durch etwas vermehrt zu werden, was [in Wahrheit] eine sehr große Katastrophe wäre. Der Irrtum läge darin, nicht zu berücksichtigen, dass, wie reich auch der Besitzer der Luft auf Kosten der übrigen Gemeinschaft werden würde, alle anderen Leute dadurch ärmer würden, dass sie gezwungenermaßen für etwas bezahlen müssten, was sie zuvor ohne Bezahlung erhalten hatten.9

Mill verweist hier in Übereinstimmung mit Lauderdale auf die Möglich-keit eines breiten Bruchs in der kapitalistischen Wirtschaftsweise zwischen der beschränkten Streben nach privatem Vermögen auf wachsender monopolisti-scher Grundlage und dem öffentlichen Reichtum der Gesellschaft und dem All-gemeinwohl. Trotz dieser tiefen Einsichten jedoch schloss Mill die Diskussion mit diesen »Vorbemerkungen« am Ende mit der Zurückweisung des Lauderdale

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Paradoxons, indem er Reichtum einfach als Tauschwert definierte. Auf das, was Say im Hinblick auf Smith in Wealth of Nations (Der Reichtum der Nationen) sagte – nämlich, dass er sich nach seinen anfänglichen Definitionen »das ganze Buch hindurch vollständig nur mit dem Tauschwert« beschäftige – , nahm auch Mill in seinen Principles of Political Economy Bezug.10 Die Natur wurde nicht als Reichtum abgehandelt, sondern als etwas »unentgeltlich« dargebotenes, als freie Geschenkgabe vom Standpunkt der kapitalistischen Wertberechnung aus gesehen.

Marx und das Lauderdale Paradox

Im Gegensatz zu Say und Mill, hielt Marx wie Ricardo, nicht nur am Lauderdale Paradox fest, sondern machte sich dieses sogar zu eigen, indem er darauf beharrte, dass die Widersprüche zwischen Gebrauchs- und Tauschwert, Reichtum und Wert, spezifisch für die kapitalistische Produktion seien. In Die Armut der Philo-sophie antwortete er auf Proudhons verworrene Behandlung (in Die Philosophie der Armut) des Gegensatzes zwischen Gebrauchswert und Tauschwert, indem er ausführte, dass dieser Widerspruch in dramatischster Weise von Lauderdale ausgeführt worden war, der »seine Systematik auf dem umgekehrten Verhältnis der beiden Wertarten« begründet hatte. In der Tat stützte Marx seine gesamte Kritik der politischen Ökonomie in großen Teilen auf den Widerspruch zwi-schen Gebrauchswert und Tauschwert, indem er darauf verwies, dass dies eine der Schlüsselkomponenten seiner Beweisführung in Das Kapital gewesen war. Er beharrte darauf, dass unter kapitalistischen Verhältnissen die Natur auf raub-gierige Weise zugunsten des Tauschwertes untergraben werde: »Die Erde ist das Reservoir, dessen Innerstem die Gebrauchswerte entrissen werden.«11

Diese Einstellung stand in engem Bezug zum Bestreben von Marx, die kapi-talistische Wirtschaft gleichzeitig unter dem Gesichtspunkt ihrer wirtschaftli-chen Wertbezüge und ihrer materiellen Veränderungen der Natur zu betrachten. Folglich war Marx der erste bedeutende Ökonom, der – ausgehend vom ersten und zweiten Gesetz der Thermodynamik – die neuen Begrifflichkeiten von Ener-gie und Entropie in seine Analyse der Produktion einbrachte.12 Dies ist in seiner Abhandlung über den metabolischen Bruch zu erkennen – die Zerstörung des Metabolismus zwischen Mensch und Boden, die durch den Transport von Nah-rung und Ballaststoffen in die Stadt erfolgt, wobei die dem Boden entzogenen Nährstoffe, anstatt in die Erde zurückzukehren, zur Belastung für Luft und Was-

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ser werden. Diesem Konzept zufolge werden Natur und Arbeit gleichermaßen beraubt, da beiden die für ihre Reproduktion lebenswichtigen Bedingungen ent-zogen werden: nicht »frische Luft« und Wasser, sondern »verschmutze Luft« und Wasser würden, wie Marx ausführte, zur Lebensgrundlage der Arbeiter.13

Die Analyse von Marx der Zerstörung des Reichtums der Natur um der Akku-mulation willen wird am augenfälligsten in seiner Behandlung des kapitalistischen Bodenpachtzinses und dessen Bezuges zur industriellen Landwirtschaft. Ricardo hatte seine landwirtschaftliche Pachtzinstheorie aus »den ursprünglichen und unzerstörbaren Kräften des Bodens« hergeleitet; Marx antwortete darauf, dass »der Boden keine ›unzerstörbaren Kräfte‹ hat« – in dem Sinne, dass er erodieren kann, das heißt Bedingungen ökologischer Zerstörung unterliegt. An dieser Stelle in Marx´ Behandlung der kapitalistischen Landwirtschaft werden die Analyse des metabolischen Bruchs und das Lauderdale Paradox mit seiner übergreifen-den Kritik zusammen geführt. Hier nimmt er auch häufig Bezug auf Nachhaltig-keit als materielle Erfordernis für jede zukünftige Gesellschaft – die Notwendig-keit, die Erde für »nachfolgende Generationen« zu bewahren. Eine Bedingung für Nachhaltigkeit, beharrte er, ist die Erkenntnis, dass niemand (nicht einmal eine ganze Gesellschaft oder alle Gesellschaften zusammen genommen) Besitzer der Erde ist – die in Übereinstimmung mit den Prinzipien guter Haushaltsführung für zukünftige Generationen erhalten werden muss. Damit eine nachhaltige Bezie-hung zwischen Menschheit und Erde unter modernen Bedingungen möglich wird, muss die metabolische Beziehung zwischen Menschen und Natur von asso-ziierten Produzenten im Einklang mit ihren Bedürfnissen und denen künftiger Generationen auf vernünftige Weise geregelt werden. Das bedeutet, dass die vita-len Lebensbedingungen und die in solche Prozesse involvierten Energien erhalten werden müssen.14

Wenige Dinge waren nach Ansicht von Marx wichtiger als die Abschaffung der großen privaten Landmonopole, die die Mehrheit der Menschheit trennten von: (1) einem direkten Bezug zur Natur, (2) dem Land als Produktionsmittel, und (3) einem gemeinschaftlichen Bezug zur Erde. Er fand Vergnügen daran, in seiner Social Statics (Sozialstatik) (1851) ausführlich aus Herbert Spencers Kapi-tel »The Right to the Use of the Earth« (Das Recht zur Benutzung der Erde) zu zitieren: »Gleichheit [...] erlaubt keinen Landbesitz, oder die übrigen Menschen würden nur unter Duldung auf der Erde leben [...] Es ist unmöglich, irgendeinen Modus zu finden, durch den Land zu Privatbesitz werden kann [...] Eine Bean-spruchung exklusiven Bodenbesitzes bringt einen Despotismus der Landeigen-

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tümer mit sich.« Land, so beharrte Spencer, gehört in angemessener Weise »der großen Körperschaft der Gesellschaft.« Die Menschen seien gleichsam »Miter-ben« der Erde.15

Obwohl Marx die Natur für gewöhnlich aus einer ausschließlich mensch-lichen Perspektive unter Bedingungen tragbarer Gebrauchswerte betrachtete, bezog er sich von Zeit zu Zeit auch auf das Recht der Natur, nicht auf einen bloßen Gebrauchsgegenstand reduziert zu werden. Folglich zitierte er Thomas Müntzers berühmten Einwand, dass in der sich entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft »alle Geschöpfe zu Eigentum gemacht worden sind, die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, die Pflanzen auf der Erde – und alle Lebewesen ebenfalls befreit werden müssen.«16

Ökologie und die Theorie vom Wert der Arbeit

Ironischerweise erheben grüne Denker (und zwar sowohl nichtsozialistische wie sozialistische) häufig den Vorwurf, dass die Theorie vom Wert der Arbeit, an der Marx in seiner Kritik des Kapitalismus festhält, ihn in direkten Gegensatz zu der ökologisch ausgestalteten Wertanalyse bringe, die heute von Nöten sei. In Small Is Beautiful, bemerkte E. F. Schumacher, dass es in der modernen Gesellschaft eine Neigung gebe, »alles, was wir nicht selbst gemacht haben, als wertlos zu behan-deln. Sogar der große Dr. Marx verfiel in diesen verheerenden Irrtum, als er die so genannte ›Theorie vom Wert der Arbeit‹ formulierte.« Luiz Barbosa, ein Mit-arbeiter an Twenty Lessons in Environmental Sociology (Zwanzig Lektionen in Umweltsoziologie) (2009), schrieb, dass Marx »glaubte, dass die Rohstoffe uns gra-tis (kostenlos) von der Natur bereit gestellt werden und dass erst die menschli-che Arbeit ihnen Wert verleiht. Folglich versäumte es Marx, den der Natur imma-nenten Wert zu bemerken.« Der Ökosozialist Jean-Paul Deléage hat beanstandet, dass Marx, indem er die Arbeit zum einzigen Ursprung von Wert erklärt, »den natürlichen Ressourcen keinerlei immanenten Wert beimisst.« Der Sozialökologe Mathew Humphrey verleiht der Ansicht Glaubwürdigkeit, dass »Marx’ Bindung an die Theorie vom Wert der Arbeit, in der die außermenschliche Natur als wert-los wahrgenommen wird« als Ausdruck »seiner anthropozentrischen Anschau-ung«17 gewertet werden kann.

Hier ist es wichtig zu verstehen, dass gewisse begriffliche Kategorien, die Marx in seiner Kritik der politischen Ökonomie verwendet, wie den der Natur als »kos-tenloser Geschenkgabe« und der Theorie vom Wert der Arbeit selbst, Erfindungen

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der klassischen liberalen politischen Ökonomie waren, die in Marx´ Kritik der klas-sischen politischen Ökonomie eingebunden wurden – insofern sie die realen Ten-denzen und Widersprüche des Systems abbildeten. Marx verwandte diese Begriffe in einer Argumentation, die darauf abzielte, die bürgerliche Gesellschaft und ihre begrenzten sozialen Kategorien zu überwinden. Die Vorstellung von der Natur als einer zur Ausbeutung bestimmten »kostenlosen Geschenkgabe« wurde ausdrück-lich von den Physiokraten und von Adam Smith, Thomas Malthus, David Ricardo und John Stuart Mill – das heißt weit vor Marx – gefördert.18 Darüber hinaus wurde der Gedanke, lange nach Marx, in der etablierten Wirtschaftslehre verewigt. Obwohl er dies als Realität der bürgerlichen politischen Ökonomie akzeptierte, war Marx sich nichtsdestotrotz sehr wohl der sozialen und ökologischen Widersprü-che bewusst, die einer solchen Sichtweise innewohnen. In seinem Ökonomischen Manuskript von 1861–1863, attackierte er wiederholt Malthus wegen eines Rück-falls in die »physiokratische Auffassung« von der Umwelt »als Geschenkgabe der Natur an den Menschen«, während er es zugleich versäumte zu erkennen, dass die konkrete Aneignung der Natur zu Produktionszwecken – und das ganze darauf auf-gebaute Wertgefüge in der kapitalistischen Gesellschaft – tatsächlich mit spezifisch historischen gesellschaftlichen Beziehungen verknüpft war.19 Für Marx in seiner nachdrücklichen Betonung der Notwendigkeit, die Erde für künftige Generationen zu bewahren, wies die kapitalistische Ausbeutung der Umwelt als frei verfügbarer Gegenstand schlicht auf den Widerspruch zwischen natürlichem Reichtum und einem System der Kapitalakkumulation hin, das diesen systematisch »beraubte«.

Seit die Behandlung der Natur als »kostenlose Geschenkgabe« der Arbeits-weise der kapitalistischen Wirtschaft immanent zu Eigen war, wurde sie dennoch weiterhin als ein grundlegendes Theorem, das der neoklassischen Wirtschaftslehre unterliegt, erfasst. Dieses wurde in der Arbeit des großen neoklassischen Ökono-men des späten 19. Jahrhunderts, Alfred Marshall, als Axiom wiederholt und ist in den orthodoxen ökonomischen Lehrbüchern weiterhin gefördert worden. Daher stellt die zehnte Ausgabe von Economics (1987), einem weithin benutzten Ein-führungslehrbuch von Campbell McConnell, folgendes fest: »[Der Begriff] Land bezieht sich auf alle natürlichen Ressourcen – alle ›kostenlosen Geschenkgaben der Natur‹ – die im Produktionsprozess nutzbar sind.« Und weiter hinten im sel-ben Buch finden wir: »Land hat keine Produktionskosten; es ist eine ›kostenlose und nicht reproduzierbare Geschenkgabe der Natur.‹«20

In der Tat ist diese Anschauung so entscheidend für die neoklassische Wirt-schaftslehre, dass sie in den etablierten Umweltwirtschaftswissenschaften weiter-

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lebt. Zum Beispiel stellen Nick Hanley, Jason F. Shogren und Ben White in ihrer einflussreichen Introduction to Environmental Economics (Einführung in die Umweltwirtschaftslehre) (2001) fest, dass »natürliches Kapital alle [kostenlosen] Geschenkgaben der Natur umfasst.«21

Grüne Kritiker mit nur der dunkelsten Ahnung von klassischer politischer Ökonomie (oder von neoklassischer Wirtschaftslehre) konzentrieren sich häufig auf Marx’ Festhalten an der Theorie vom Wert der Arbeit – der Ansicht, dass nur Arbeit Wert erzeugt. Es ist jedoch wichtig, daran zu erinnern, dass die Theorie vom Wert der Arbeit nicht auf Marx’ Kritik der politischen Ökonomie beschränkt war, sondern die gesamte Basis für die klassische liberale politische Ökonomie bil-dete. Missverständnisse, die auf den antiökologischen Charakter der Theorie vom Wert der Arbeit verweisen, ergeben sich aus der Zusammenführung der Katego-rien von Wert und Reichtum – seitdem werden diese in der heute gültigen Wirt-schaftslehre als Synonyme behandelt. Wie wir gesehen haben, war es nichts ande-res als das Lauderdale Paradox, dass Say, Mill und andere dazu gebracht hat, die autonome Kategorie des Reichtums (Gebrauchswertes) aufzugeben und dazu bei-zutragen, der aufkommenden neoklassischen Wirtschaftstradition die Bühne zu bereiten. Kapitalistischer Logik zufolge war es keine Frage, dass die Natur wertlos (eine kostenlose Geschenkgabe) war. Das Problem bestand vielmehr darin, wie man den Begriff Reichtum, in Unterscheidung vom Wert, aus dem Kerngefüge der Wirtschaftslehre entfernen konnte, da er die Grundlage für eine kritische Sicht-weise legte, die wir heute »ökologisch« nennen würden.

Marx wehrte sich, wie bemerkt, strikt dagegen, die Unterscheidung zwischen Reichtum und Wert über Bord zu werfen, wobei er soweit ging, andere Sozialisten zu kritisieren, wenn sie den Fehlschluss »Wert gleich Reichtum« bereitwillig über-nahmen. Wenn, wie er argumentierte, menschliche Arbeit eine Quelle von Reich-tum war – und zwar eine, die unter dem Kapitalismus zur Wertgrundlage wurde – dann war die Natur eine andere unverzichtbare Quelle von Reichtum. Diejeni-gen, die – dem Warenfetischismus der kapitalistischen Wertanalyse zum Opfer fal-lend – Arbeit als die einzige Quelle von Reichtum sahen, maßen ihr folglich »über-natürliche Kreativkraft« bei. »Die Arbeit«, formulierte Marx zu Beginn der Kritik des Gothaer Programms, »ist nicht die Quelle allen Reichtums. Die Natur ist eben-sosehr die Quelle der Gebrauchswerte (und aus solchen besteht doch wohl der sachliche Reichtum!) als die Arbeit, die selbst nur die Äußerung einer Naturkraft ist, der menschlichen Arbeitskraft.« Am Anfang von Das Kapital zitierte er Wil-liam Petty, den Begründer der klassischen politischen Ökonomie, der gesagt hatte:

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»Arbeit ist der Vater materiellen Reichtums, die Erde die Mutter.«22 »Mensch und Natur«, beharrte Marx, waren »die beiden ursprünglichen Träger« bei der Schaf-fung von Reichtum, die »weiterhin zusammenwirken.« Das Versagen des Kapita-lismus bei der Einbeziehung der Natur in seine Wertberechnung und seine Ten-denz zur Verwechslung von Wert und Reichtum waren grundlegende Widersprü-che des Kapitalsystems in sich. Diejenigen, »die Marx vorwarfen, der Natur keinen Wert beizumessen« schrieb Paul Burkett, »sollten ihre Kritik auf den Kapitalismus selbst umleiten.«23

Genau wie Lauderdale, nur mit größerer Kraft und Folgerichtigkeit, stritt Marx dafür, dass der Kapitalismus ein System sei, das sich auf die Akkumulation von Werten stütze, auch wenn dies auf Kosten realen Reichtums geschehe (ein-schließlich des gesellschaftlichen Charakters menschlicher Arbeit selbst). Der Kapitalist, bemerkte Marx, übernahm für seinen Bezug zur Welt [die These]: »Après moi le déluge!« (Nach mir die Sintflut)24 oder das Kapital habe, wie er später häufig beobachtete, einen vampirähnlichen Bezug zur Natur, indem es eine Art lebenden Toten repräsentiere, der sich dadurch am Leben hält, dass er der Welt das Blut aussaugt.25

Weltfremde Ökonomen und ihre Kritiker

Dennoch wurde der gesamte klassische Reichtumsbegriff, der seine höchste Ent-wicklung in der Arbeit von Ricardo und Marx gefunden hatte, mit dem Auf-kommen der neoklassischen Wirtschaftslehre auf den Kopf gestellt. Dies ist in allgemeinerer Form in der Arbeit von Carl Menger, einem der Begründer der Österreichische Schule der Nationalökonomie, zu erkennen. In seinen Principles of Economics (Prinzipien der Volkswirtschaftslehre) (1871, nur vier Jahre nach Marx’ Kapital veröffentlicht), griff Menger das Lauderdale Paradox auf direkte Weise an (in der Tat mag die entsprechende Bezeichnung als »Paradox« mit ihm entstanden sein), indem er argumentierte, dass dieses »auf den ersten Blick überaus eindrucksvoll« sei, aber auf falschen Merkmalen beruhe. Für Menger war es von Bedeutung, sowohl die Unterscheidungen zwischen Gebrauchswert und Tauschwert als auch zwischen Reichtum und Wert zu verwerfen. Reich-tum beruhe auf Tausch, der nun als in subjektiven Nutzwerten verwurzelt zu betrachten sei. Indem er sowohl auf Lauderdale als auch auf Proudhon antwor-tete, beharrte er darauf, dass die bewusste Erzeugung von Mangel in der Natur (für das Kapital) vorteilhaft sei. Indem er Lauderdale tatsächlich auf den Kopf

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stellte, bestritt er, dass es sinnvoll sei »eine lang fortdauernde Verringerung von reichlich vorhandenen (nicht wirtschaftlichen) Gütern [wie Luft, Wasser, Natur-landschaften] zu fördern, da diese dadurch schließlich in gewissem Maße knapp gehalten würden, wie folglich auch die Bestandteile des Reichtums, das dadurch im Wachsen begriffen ist.« Im selben Zusammenhang warf Menger die These auf, dass Mineralwasser möglicherweise aufgrund seiner Knappheit wirtschaftlich zu einer Ware werden könne. Was Lauderdale als Paradox oder sogar als Fluch dar-stellte – die Förderung privaten Vermögens durch die Zerstörung öffentlichen Reichtums – sah Menger als Selbstzweck an.26

Dieser Versuch, das Paradoxon des Reichtums aus der Wirtschaftslehre zu ent-fernen, führte zu vernichtenden Anklagen durch Henry George, Thorstein Veblen und Frederick Soddy, die sich neben anderen in der Unterwelt der Wirtschafts-wissenschaften bewegten. In seiner meistverkauften Arbeit, Progress and Poverty (Fortschritt und Armut) (1879), betonte George entschieden die Bedeutung der Beibehaltung einer sozialen Vorstellung von Reichtum:

Für gewöhnlich wird von vielen Dingen als Reichtum gesprochen, die unter Berücksichtigung kollektiven und allgemeinen Reichtums keines-falls als Reichtum anzusehen sind. Solche Dinge besitzen einen Tausch-wert [...] dergestalt, dass sie zwischen Individuen oder einer Menge von Individuen die Kraft besitzen, Reichtum zu erwirtschaften; sie sind jedoch [vom sozialen Standpunkt aus betrachtet] kein wirklicher Reich-tum, insofern als dessen Wachsen oder Schrumpfen keine Auswirkung auf die Summe des Reichtums hat. So da sind: Pfandbriefe, Hypotheken, Schuldscheine, Banknoten oder andere Vereinbarungen für den Transfer von Reichtum. Als da sind: Sklaven, deren Wert die bloße Macht einer Klasse repräsentiert, sich die Einkünfte einer anderen Klasse anzueignen; Ländereien oder andere natürliche Gegebenheiten, deren Wert nichts anderes ist als das Ergebnis der Anerkennung eines exklusiven Rechtes zu deren Gebrauch zugunsten gewisser Personen und der in der bloßen Macht besteht, die infolgedessen den Eigentümern gegeben ist, einen Anteil an dem Reichtum einzufordern, das von denen produziert wird, die diese [Gegebenheiten] nutzen [...] Per Verordnung der souveränen politischen Macht können Schulden erlassen, Sklaven befreit und Län-dereien dem Gemeineigentum des gesamten Volkes unterworfen wer-den, ohne dass die Herausbildung von Reichtum sich auch nur um einen

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Deut dessen vermindert, was einige dabei verlieren und andere gewinnen mögen.27

Unter sorgfältiger Untersuchung der sich verändernden Definitionen in der Wirtschaftslehre verurteilte George rundheraus Say, Mill und die Österreichische Schule wegen der Tilgung des Begriffs des Gebrauchswertes und der vollständi-gen Definition von Reichtum in Begrifflichkeiten des Tauschwertes. Produzierter Reichtum, argumentierte er, sei im Wesentlichen das Ergebnis von »in Materie geprägter Anstrengung« und müsse in Verbindung mit herstellbaren Gebrauchs-werten gesetzt werden. Wert entstehe aus Arbeit. Genau wie Marx bezog er sich auf die grundlegenden Lehrsätze des Griechischen Materialismus (wie in ihrer berühmtesten Form von Epikur und Lucretius erhoben), indem er argumentierte, dass nichts rein durch Arbeit geschaffen werden könne; »nichts kann aus nichts hervorgehen.«28

Auch andere ökonomische Abweichler stellten den begrenzten orthodoxen Ansatz von Reichtum infrage. Veblen bestritt, dass die Hauptschubkraft der kapi-talistischen Wirtschaftsweise unter einem System fehlenden Eigentums in der Übernahme öffentlichen Reichtums zugunsten privater Gewinne liege. Er nannte dies den »Amerikanischen Plan«, weil dieser in den Vereinigten Staaten »folge-richtiger und umfassender ausgearbeitet worden war als sonst irgendwo«, und nahm in Begriffen, die denen von Lauderdale ähnelten, darauf Bezug als »bestän-dige Praxis, allen öffentlichen Reichtum im Zuge legalisierter Inbesitznahme in privaten Gewinn umzuwandeln« – besonders gekennzeichnet durch »die Über-nahme fruchtbaren Bodens und seine Umwandlung in privaten Gewinn.« Eben dieses räuberische System hatte in den Vereinigten Staaten seine Entstehungsplatt-form in der Sklaverei und in »den Auswüchsen und Schlächtereien, mit denen die indianische Bevölkerung des Landes überzogen wurde.«29

Soddy, der Gewinner des Nobelpreises in Chemie von 1921, war ein wichti-ger Vorläufer ökologischer Wirtschaftslehren. Er war ein Bewunderer von Marx, der argumentierte, dass es ein verbreiteter Irrtum sei zu denken, dass Marx die menschliche Arbeit als Quelle allen Reichtums ansah. Marx, so bemerkte Soddy, war Petty und der klassischen Tradition gefolgt, indem er die Arbeit als den Vater und die Erde als die Mutter des Reichtums ansah.30 Die Freigiebigkeit der Natur sei Teil des »allgemeinen Reichtums« der Welt. In Erneuerung des Lauderdale Para-doxons wies Soddy in seiner Kritik der etablierten Wirtschaftslehre darauf hin,

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»dass die Verwirrung in Bezug auf die Definition von… »Reichtum« bereits in Versuchen früherer [klassischer] Ökonomen Einzug gehal-ten habe, wenngleich der moderne [neoklassische] Wirtschaftswissen-schaftler sich schon dabei, diesen überhaupt zu definieren, so scheu wie ein Vogel verhalte. Folglich gelangen wir zu dem Befund, dass Reichtum sozusagen aus den das Leben ermöglichenden Erfordernissen oder glei-chermaßen zweifelsfreien und beleihbaren Erscheinungen besteht, die jedoch, wenn sie in unbegrenzter Fülle zu haben sind, wie Sonnenlicht oder Sauerstoff oder Wasser, nicht länger Reichtum im ökonomischen Sinne ausmachen, obwohl ohne eine jede dieser Voraussetzungen ein Leben unmöglich wäre.«

In diesem Punkt, schrieb Soddy, »ist der Ökonom, in Unkenntnis der wissen-schaftlichen Gesetzmäßigkeiten des Lebens, zu keinerlei Vorstellung des Reich-tumsbegriffes gekommen« und hat, angesichts der Umwelterosion, auch keinen Gedanken auf die Kosten für Natur und Gesellschaft verschwendet.31 Sich Mills verdrehter Behandlung des Lauderdale Paradoxons zuwendend, bezieht sich Soddy auf die »merkwürdigen Verkehrungen« derer, die aufgrund dessen, dass sie den Marktaustausch zum einzigen Kriterium von Wert/Reichtum machten, dach-ten, dass die Erzeugung von Mangel im Hinblick auf Nahrung, Brennstoff, Luft und so weiter, die Menschheit reicher mache. Ergebnis dessen war, dass »der Öko-nom sich auf wirksame Weise selbst auf die Hörner eines sehr misslichen Dilem-mas gespießt hat.«32

Trotz der verheerenden Kritik, die aus der Unterwelt der Wirtschaftswissen-schaften aufstieg, entfernte sich die vorherrschende neoklassische Tradition unter Ausschluss der gesamten Frage sozialer (und natürlicher) Kosten innerhalb ihrer Kernanalyse, dennoch stetig von jeglicher Vorstellung von gesellschaftlichem/öffentlichem Reichtum. Folglich blieb es, wie der ökologische Wirtschaftswissen-schaftler K. William Kapp in seinem wegweisenden Social Costs of Private Enter-prise (Die sozialen Kosten privaten Unternehmertums) von 1950 ausführte, trotz der Einführung einer wichtigen Analogie zur orthodoxen Tradition durch die Ver-öffentlichung von Pigous Economics of Welfare (Die Ökonomie der sozialen Für-sorge), weiterhin zutreffend, dass die »Analyse der sozialen Kosten nicht nur inner-halb des Hauptteils der Wert- und Preistheorie fortgeführt wird, sondern auch als ein eigenständiges System sogenannter Wohlfahrtsökonomie.« Kapp führte das Aufkommen des gesamten Problems des sozialen Reichtums/der sozialen Kosten

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auf niemand anderen als auf Lauderdale zurück, wobei er Marx als einen der ver-nichtendsten Kritiker des kapitalistischen Raubbaus an der Erde betrachtete.33

Die Rückkehr des Lauderdale Paradoxons

Heute ist das Lauderdale Paradox noch bedeutsamer als zu der Zeit, als es im frühen 19. Jahrhundert ursprünglich formuliert wurde. Wassermangel, Luft-verschmutzung, der Hunger in der Welt, wachsender Brennstoffmangel und die Erwärmung der Erde sind nun zu globalen Realitäten geworden. Darüber hin-aus sind die Versuche, die privaten Vermögen innerhalb des Systems durch die Ausbeutung solcher Mangelsituationen auszudehnen, wie durch den weltweiten Drang zur Privatisierung des Wassers, allgegenwärtig. Infolgedessen sprach der führende Ökowirtschaftswissenschaftler Herman Daly – diesmal in einem sich rächenden Sinne – von der »Rückkehr des Lauderdale Paradoxons«.34

Die ökologischen Widersprüche der eingängigen Wirtschaftslehre werden am augenfälligsten in ihrer Unfähigkeit, auf die planetarische Umweltkrise zu antwor-ten. Dies zeigt sich sowohl im wiederholten Versagen, das Ausmaß der vor uns stehenden Gefahr zu erfassen, als auch in den beschränkten Akkumulationsstrate-gien, die dazu aufgeboten werden, um diese zu bewältigen. Dies zeigt sich in erster Linie in der erstaunlichen Naivität der führenden orthodoxen Wirtschaftswissen-schaftler – sogar derer, die auf Umweltthemen spezialisiert sind – die aus einer verzerrten Berechnung hervorgeht, die zwar Tauschwerte bemisst, jedoch die Gebrauchswerte weitgehend ausschließt, das heißt, Fragestellungen von Natur und öffentlichem Reichtum. Daher wurde William Nordhaus 1991 im Magazin Sci-ence folgendermaßen zitiert: »Die Landwirtschaft, der Bestandteil der Wirtschaft, der empfindlich gegenüber dem Klimawandel ist, steht für nur 3% der nationa-len Wirtschaftsleistung. Das bedeutet, dass es ausgeschlossen ist, dass sich dadurch eine besonders umfassende Auswirkung auf die US-Wirtschaft ergibt«, weil ein-fach nur die Landwirtschaft versagt. Unter diesem Gesichtspunkt hätte ein Ausfall der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten nur geringe Auswirkungen auf die Wirtschaft als Ganze! Offenkundig ist dies kein Widerspruch der Natur, sondern der kapitalistischen Wirtschaft in Verbindung mit ihrer Unfähigkeit, materielle Realitäten in Rechnung zu stellen. Der Oxfordökonom Wilfred Beckerman prä-sentierte die gleiche kurzsichtige Sichtweise in seinem Buch Small Is Stupid (Klein ist dumm) (1995), indem er behauptete, dass »selbst wenn der Nettoausstoß der [US] Landwirtschaft gegen Ende des nächsten Jahrhunderts um 50 Prozent sänke,

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dies nur 1,5 Prozent des Bruttosozialproduktes (BSP) ausmachen würde.« Diese Ansicht brachte ihn anderweitig zu der Schlussfolgerung, dass die globale Erwär-mung unter Weiterführung der üblichen Bedingungen nur eine »zu vernachlässi-gende« Auswirkung auf die weltweite Produktionsleistung haben würde. In ähnli-cher Weise schrieb Thomas Schelling, der Gewinner des Nobel-Gedenkpreises der Bank von Schweden in Wirtschaftswissenschaften, im Jahre 1997 in der Zeitschrift Foreign Affairs: »Die Landwirtschaft [in den entwickelten Ländern] ist praktisch der einzige Wirtschaftssektor, der unter den Auswirkungen des Klimas steht und der nur einen kleinen Prozentsatz – in den Vereinigten Staaten drei Prozent – des nationalen Einkommens beiträgt. Wenn die landwirtschaftliche Produktivität sich durch den Klimawandel drastisch reduzierte, würden die Lebenshaltungskosten um ein bis zwei Prozent steigen, während sich das Prokopfeinkommen voraus-sichtlich verdoppeln würde.«35

Die hier unterschwellig vorhandene Annahme – dass die Landwirtschaft der einzige Bestandteil der Wirtschaft sei, der vom Klimawandel gefährdet ist – ist offensichtlich falsch. Bei solchen Auffassungen ist es jedoch außergewöhn-lich, dass die Scheuklappen dieser führenden neoklassischen Ökonomen es ver-hindern, dass auch nur der leiseste Funken einer gemeinsamen Auffassung zum Durchbruch gelangt. BSP-Bewertungen werden zum ein und alles, ungeachtet dessen, dass solche Bewertungen nur ökonomisch hinzuaddierten Wert und nicht den gesamten Bereich materieller Existenz betreffen. Dabei gibt es außerhalb der Berechnung des Nationaleinkommens kein Verständnis von Produktion als einem System, das die Natur (und die Menschheit) einbezöge. Und selbst dann sind die verlautbarten Ansichten erstaunlich naiv, indem sie darin versagen zu erkennen, dass ein Absinken der landwirtschaftlichen Produktion um die Hälfte außeror-dentliche Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise hätte. Heute mit einem »Hungertsunami, der um die Welt fegt« und mindestens einer Milliarde Men-schen weltweit, der ein sicherer Zugang zu Nahrungsmitteln fehlt, scheinen diese Feststellungen, die vor nur einem Jahrzehnt von führenden Umweltökonomen erhoben wurden, in ihrer Ignoranz als geradezu kriminell.36

Dieselbe verzerrte Berechnungsweise, die auf »maßvoll hochgerechnete Aus-wirkungen« der globalen Erwärmung auf die Wirtschaft hinweist, brachten Nord-haus im Jahre 1993 dazu, den Klimawandel als »zweitrangiges Problem« einzu-ordnen und zu behaupten, dass »die Schlussfolgerung, die aus den meisten Wirt-schaftsstudien hervorgeht, dahin geht, maßvolle Beschränkungen einzuführen, unser Werkzeugarsenal zu bündeln und uns auf drängendere Probleme zu kon-

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zentrieren.« Obwohl er einräumte, dass die Wissenschaftler in Verbindung mit den aktuellen Trends im Hinblick auf eine drohende Umweltkatastrophe besorgt sind, seien die Ausblicke der meisten Wirtschaftswissenschaftler eher »heiter«.37

Nichts davon sollte uns überraschen. Wie allgemein bekannt, liegt die generelle Orientierung des Kapitalismus im Hinblick auf öffentlichen Reichtum in einer Art Sickerwirtschaft, in der Ressourcen und menschliche Arbeit intensiv ausgebeutet werden, um für den oberen Teil der Gesellschaft unermesslichen Wohlstand zu erzeugen. Dies wird mit dem falschen Versprechen gerechtfertigt, dass etwas von diesem Wohlstand letzten Endes zu denen im unteren Teil durchsickert. In ähnli-cher Weise könnte man die ökologischen Versprechungen des Systems als »Sicke-rökologie« bezeichnen. Uns wird erzählt, dass die Umwelt, wenn wir eine uneinge-schränkte Akkumulation zulassen, durch eine immer größere Effizienz verbessert wird – eine Art von Sekundärwirkung. Die Tatsache, dass die gefeierte Effizienz des Systems von sehr begrenzter, zerstörerischer Art ist, wird kaum je erwähnt.

Eine Besonderheit des Kapitalismus, die durch das Lauderdale Paradox heraus-gestellt wurde, besteht darin, sich aus dem Mangel zu ernähren. Infolgedessen ist nichts für den Kapitalismus als System gefährlicher als Überfluss. Verschwendung und Zerstörung sind deshalb für das System vernünftig. Obwohl oft behauptet wird, dass wachsende Umweltkosten das ökonomische Wachstum begrenzen, werden sol-che Kosten unter dem Kapitalismus weiterhin auf die Natur (und die Gesellschaft) als Ganze ausgelagert. Dies sorgt perverserweise durch eine selektive Anpassung von Teilen der Natur (öffentlichen Reichtums) für neue Aussichten auf private Profite.

All dies verweist auf die Tatsache, dass es, wie für gewöhnlich angenommen wird, keinen wirklichen Rückkopplungsmechanismus von den wachsenden öko-logischen Kosten auf die Wirtschaftskrise gibt, auf den man sich bei der Kontrolle der kapitalistischen Zerstörung der biosphärischen Bedingungen der Zivilisation und des Lebens selbst verlassen könnte. Durch die perverse Logik des Systems zie-len ganze neue Industrien und Märkte darauf ab, von der Zerstörung des Planeten zu profitieren, wie etwa in der Industrie des Abfallmanagements und im Kohlen-stoffhandel, die beide gerade erst eröffnet worden sind. Diese neuen Märkte wer-den als Teil- und Ad-hoc-«Lösungen« für die Probleme gerechtfertigt, die durch die Bewegungsgesetze des Kapitals unablässig erzeugt werden.38

Das Ansteigen der natürlichen Knappheit wird als eine goldene Gelegenheit betrachtet, eine weitere Privatisierung der Allgemeingüter der Welt voranzutrei-ben. Diese Tragödie der Privatisierung des Gemeingutes beschleunigt nur die Zer-störung der natürlichen Umwelt, während zugleich das System ausgeweitet wird,

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das auf ihr lastet. Dies wird am besten durch die schnelle Frischwasserprivatisie-rung veranschaulicht, die heutzutage als ein Megamarkt für globale Akkumula-tion gesehen wird. Die Austrocknung und Kontaminierung des Frischwassers verringert öffentlichen Reichtum und schafft Investitionsmöglichkeiten für Kapi-tal, während die Profite, die mit dem Verkauf des zunehmend knappen Wassers gemacht werden, als Beiträge zu Einkommen und Vermögen verbucht werden. Es ist von daher nicht überraschend, dass die UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung auf einer Konferenz im Jahre 1998 in Paris vorgeschlagen hat, dass die Regierungen sich in Fragen der Wasserknappheit an »große multinationale Konzerne« wenden sollten, um »offene Märkte« für Wasserrechte einzurichten. Gérard Mestrallet vom weltweiten Wasserriesen Suez, hat offen formuliert: »Was-ser ist ein effizientes Produkt. Es handelt sich um ein Produkt, das normalerweise frei zugänglich wäre, und es ist nun unsere Aufgabe, es zu verkaufen. Es ist jedoch ein Produkt, das zum Leben absolut notwendig ist.« Weiterhin bemerkte er: »Wo sonst [als bei der Monopolisierung der in wachsendem Maße knappen Wasser-ressourcen im Sinne von privaten Gewinnen] kann man einen Geschäftsbereich finden, der vollkommen international ist, in dem Preise und Mengen, anders als beim Stahl, selten sinken?«39

Nicht nur Wasser bietet neue Gelegenheiten, um aus Mangel zu profitieren. Dies ist auch im Hinblick auf Brennstoffe und Nahrungsmittel der Fall. Eine wach-sende Brennstoffknappheit – da die Weltnachfrage nach Öl die Vorräte übersteigt, während das Ölfördermaximum näher rückt – hat zu Preissteigerungen bei fossi-len Brennstoffen und Energie ganz allgemein und zu einer globalen Verschiebung in der Landwirtschaft von Feldfrüchten als Nahrungsmittel zu Feldfrüchten zur Brennstofferzeugung geführt.

Dies hat einen Boom auf dem Agrobrennstoffmarkt erzeugt, der aufgrund von Belangen »nationaler Sicherheit« von Regierungen vorangetrieben wurde. Das Ergebnis waren umfassendere Nahrungsmittelengpässe, einschließlich einer Auf-wärtsspirale bei Nahrungsmittelpreisen und der Anstachelung des Welthunger-problems. Spekulanten sahen darin eine Möglichkeit, durch die Monopolisierung von Land und primären Warenressourcen schneller reich zu werden.40

Ähnliche Fragen ergeben sich hinsichtlich der Schemata des Kohlenstoffhan-dels, die offensichtlich darauf abzielen, die Erzielung von Profiten aus der Redu-zierung der Kohlenstoffemissionen zu befördern. Solche Schemata werden wei-ter vorangetrieben, auch wenn Versuche in dieser Hinsicht die Reduzierung von Emissionen weit verfehlt haben. Hier sticht die Kapitalexpansion das aktuelle

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öffentliche Interesse am Schutz der vitalen Lebensbedingungen aus. Zu jeder Zeit arbeiten Kreise der herrschenden Klasse aktiv an der Verhinderung eines radika-len Strukturwechsels in diesem wie in anderen Bereichen, da jede substanzielle Veränderung in den Beziehungen zwischen Gesellschaft und Umwelt eine Infra-gestellung der Produktionstretmühle und die Ingangsetzung einer ökologisch-kul-turellen Revolution bedeuten würde.

In der Tat sind globale Erwärmung und Wüstenbildung vom Standpunkt der Kapitalakkumulation aus gesehen getarnte Segnungen, die die Aussichten auf expandierende Privatvermögen vermehren. Wir werden also auf die Fragestel-lung von Lauderdale zurückgeführt: »Welche Meinung«, fragte er, »würde man vom Verstand eines Menschen haben, der als Mittel zur Vermehrung des Reich-tums [...] eines Landes die Schaffung einer Verknappung von Wasser vorschla-gen würde, dessen Fülle verdientermaßen als eine der größten Segnungen für das Gemeinwesen betrachtet wird? Auf jeden Fall ist gewiss, dass es jemandem, der solches vorschlüge, auf diesem Wege gelänge, das Ausmaß an individuellem Ver-mögen zu vermehren.«41

Zahlreiche ökologischen Kritiker haben selbstverständlich versucht, die mit der Entwertung der Natur verbundenen Widersprüche anzusprechen, indem sie neue grüne Bewertungssysteme entwarfen, die Verluste an »natürlichem Kapi-tal« mit einbezogen.42 Obwohl solche Versuche wichtig sind, um die Irrationali-tät des Systems herauszuarbeiten, stoßen sie doch auf die raue Wirklichkeit, dass das gegenwärtige System nationaler Berechnungen die kapitalistischen Realitä-ten der Nichtbewertung/Unterbewertung natürlicher Triebkräfte (einschließlich der menschlichen Arbeitskraft) genau widerspiegelt. Um dies zu verändern, ist es erforderlich, das System zu überwinden. Die in unserem Zeitalter der globa-len ökologischen Krise vorherrschende Form der Bewertung ist eine wahrhaftige Widerspiegelung der kapitalistischen Form sozialer und umweltmäßiger Erosion, die dazu führt, von der Zerstörung des Planeten zu profitieren.

In der Kritik von Marx war Wert als entfremdete Form von Reichtum konzi-piert.43 Tatsächlicher Reichtum entstammte der Natur und der Arbeitskraft und war verbunden mit der Erfüllung echter menschlicher Bedürfnisse. In der Tat »wäre es falsch«, wie Marx schrieb, »zu sagen, dass die Arbeit, die Gebrauchswerte erzeugt, die einzige Quelle des durch sie erzeugten Reichtums, das heißt materi-ellen Reichtums ist [...] Der Gebrauchswert umfasst ein natürliches Element [...] Arbeit ist eine natürliche Voraussetzung menschlichen Daseins, eine Grundbe-dingung materiellen Austausches [Stoffwechsels] zwischen Mensch und Natur.«