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1 JANUAR 2001 Inhalt Einblick in komplexe Systeme durch Visualisierung – das Hochleistungsgraphiksystem Onyx2 am RZUW ........ 2 Szenengenerierung und Visualisierung in der Fahrsimulation .......................................................... 9 Virtuelle Neuroanatomie bei Drosophila melanogaster ........ 13 Strukturelle und funktionelle Kernspintomographie des menschlichen Gehirns – Visualisierungen mit dem Hochleistungsgraphiksystem Onyx2 .................................. 21 Analyse der Zellmigration ..................................................... 31 Amira zur Visualisierung von 3D-NMR-Daten ...................... 34 Das ATM-Kernnetz der Universität Würzburg ...................... 37 Die Universität Würzburg im Gigabit-Wissenschaftsnetz ...... 42 Computersicherheit – ein Problem? Ein Statusbericht über die Auswirkungen an der Universität Würzburg .............................................. 45

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JANUAR 2001

Inhalt

Einblick in komplexe Systeme durch Visualisierung – das Hochleistungsgraphiksystem Onyx2 am RZUW........ 2

Szenengenerierung und Visualisierungin der Fahrsimulation .......................................................... 9

Virtuelle Neuroanatomie bei Drosophila melanogaster ........ 13

Strukturelle und funktionelle Kernspintomographie desmenschlichen Gehirns – Visualisierungen mit demHochleistungsgraphiksystem Onyx2 .................................. 21

Analyse der Zellmigration ..................................................... 31

Amira zur Visualisierung von 3D-NMR-Daten...................... 34

Das ATM-Kernnetz der Universität Würzburg ...................... 37

Die Universität Würzburg im Gigabit-Wissenschaftsnetz...... 42

Computersicherheit – ein Problem?Ein Statusbericht über die Auswirkungenan der Universität Würzburg.............................................. 45

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RECHENZENTRUM DER UNIVERSITÄT WÜRZBURG

Einblick in komplexe Systeme durch Visuali-sierung – das HochleistungsgraphiksystemOnyx2 am RZUW

Peter Dieterich, Rechenzentrum

Das Studium komplexer Systeme bildet zunehmend den Schwerpunkt der Forschung. Der Zu-gang zum Verständnis derartiger Systeme erfolgt in der Regel auf experimentellem Wege, wobeiVisualisierung, Simulation und Modellierung der Resultate sich als wissenschaftlich erfolgreicheMethoden erwiesen haben. Die Techniken erfordern fast immer die Verarbeitung großer Daten-mengen, so daß moderne Hard- und Software vorhanden sein muß. Da vor allem leistungsfähigeVisualisierungssyteme an der Universität fehlten, hat das Rechenzentrum in Kooperation miteinigen Forschungseinrichtungen ein Hochleistungsgraphiksystem vom Typ Onyx2 im Rahmeneines HBFG-Antrages beschafft, das diesen Anforderungen Rechnung trägt. Zudem wurdenerste Anwendertreffen und Schulungen organisiert, die einen interdisziplinären Austausch vonKnow-how fördern sollen.

Komplexe SystemeKomplexe Systeme stehen mit stark wachsendemTrend im Mittelpunkt der Forschung [1], inbeson-dere bei biomedizinischen Fragestellungen.Während Physiker in den letzten Jahrzehntenimmer tiefer in die Struktur der Materie bis hin zuAtomen und Quarks eingedrungen sind und hierauch Theorien und Modelle erfolgreich erstellenkonnten, stellt sich insbesondere in den lifesciences die Frage nach der Funktion von Syste-men in ihrer Gesamtheit und den zugrundeliegenden Gesetzen. Beispiele für derartigeProbleme sind makroskopische Quanteneffekte(Supraleitung oder Quanten-Hall-Effekt [2]),biologische und medizinische Systeme wie Zellen[3] , Organe und Organismen [4] oder die Ent-wicklung von großen Systemen wie der Wirt-schaft oder des Gesamtökosystems [1].

Die Definition eines komplexen Systems kann aufverschiedenste Weise erfolgen. Einfach ausge-drückt, sind diese Systeme auf alle Fälle kompli-ziert, bestehen aus vielen miteinander wechsel-

wirkenden Komponenten, die häufig nicht ge-trennt voneinander betrachtet werden können. DieAusdehnung der Objekte kann sich über ver-schiedenste räumliche Längen erstrecken, dieWechselwirkung verschiedenste zeitliche Skalenüberdecken. Typischerweise gilt, daß das Ganzemehr als die Summe der Einzelteile ist. Zudemexistieren verschiedenste mathematische Ansätze,die Komplexität von Systemen auch quantitativzu erfassen, beispielsweise durch die Charakteri-sierung von Strukturen, die aus der System-dynamik resultieren, oder aufgrund der Nicht-bzw. Vorhersagbarkeit von dynamischen Abläufen[5]. Ein wichtiges Kennzeichen komplexerSysteme ist das Auftreten von Strukturen undFunktionen, sogenannten emerging features [6],die durch kooperative Effekte entstehen.

Aufgrund der hohen Komplexität dieser Systemeist es in der Regel (auf alle Fälle praktisch,vielleicht auch prinzipiell [2]) nicht mehr mög-lich, theoretische Aussagen aus first principles

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(wie der quantenmechanischen Schrödinger-Gleichung) abzuleiten. Vielmehr müssen ver-schiedenste Experimente durchgeführt werden,auf deren Basis dann nach übergeordneten Geset-zen gesucht werden kann. Die experimentellenErgebnisse erfassen häufig jedoch nur einenkleinen Ausschnitt der raum-zeitlichen Dynamikdes Systems und sind mit Ungenauigkeiten undRauschen behaftet. Trotzdem liefern Experimenteeine riesige Datenmenge, die es zu analysierenund weiterzuverarbeiten gilt.

Die Datenmenge kann meist nicht auf eineeinzige Zahl reduziert werden, die das Systemcharakterisieren würde. Vielmehr muß nachgeeigneten Verfahren gesucht werden, welche dieDaten in adäquater Form darstellen oder reduzie-ren können, ohne dabei signifikante Details wieIndividualitäten zu verdecken.

Ein möglicher Zugang ist die visuelle Inspektionder Daten. Dies kann von einer Rekonstruktionder Daten, beispielsweise einer 3D-Darstellungvon mikroskopischen Schnittbildern, über zeitab-hängige Bildsequenzen bis hin zu modernenMethoden des visuellen Dataminings in unstruk-turierten Daten [7] gehen.

Abbildung 1 zeigt, daß Datenvisualisierung einezentrale Verbindung zwischen Experiment undModellierungsansätzen bzw. Systemhypothesendarstellen kann. Ein einfaches konkretes Beispielbietet die Untersuchung der Zellbewegung durch

Zeitrafferaufnahmen (siehe Artikel von Schwabund Dieterich). Die – in diesem Falle einfache –Visualisierung des zeitlichen Ablaufes der Zellbe-wegung gestattet bereits erste Hypothesen überdie zugrunde liegenden Mechanismen, die zumErstellen eines Modells verwendet werden kön-nen. Falls es in eine mathematische Form ge-bracht werden kann, erlaubt die Visualisierungder resultierenden Simulationsergebnisse einenVergleich mit den experimentellen Daten bzw.liefert Anregungen für eine Verfeinerung desModells oder neue experimentelle Untersuchun-gen. Ganz ähnlich kann die 3D-Rekonstruktionvon 2D-Schnittbilddaten, beispielsweise aus derkonfokalen Lasermikroskopie oder von histologi-schen Präparaten, neue Einblicke in die Strukturder untersuchten Objekte geben. Auf diese Weisewird am Lehrstuhl für Genetik von Prof. Heisen-berg ein Standard-Gehirn der Drosophila-Fliegeerstellt, das zum Ableiten von Struktur-Funktions-beziehungen herangezogen werden kann (sieheArtikel von Rein et al). Schließlich kann dieVisualisierung von 4D-Daten (diese sind dreidi-mensional und werden zudem zu verschiedenenZeitpunkten aufgenommen), beispielsweise vonfunktionellen NMR-Daten des menschlichenGehirns, Einblicke geben, welche Bereiche desGehirn bei visuellen Reizen aktiviert werden(siehe Artikel von Bartsch et al.).

Während es bei den obigen Beispielen darumgeht, experimentelle Daten geeignet darzustellenund zu quantifizieren, kann mit Methoden derComputergraphik auch der umgekehrte Weggegangen werden. Wie unter dem Schlagwortvirtual reality bekannt, wird hier versucht, auskünstlichen Daten möglichst realitätsnahe Szenenzu generieren. Diesen Ansatz verfolgen Mitarbei-ter am Lehrstuhl für Informatik I von Prof.Noltemeier im Projekt Fahrsimulator (sieheArtikel von Grein et al.).Abbildung 1: Studium komplexer Systeme und Beitrag der

Visualisierung zum Modellierungs- und Verständnisprozeß.

Warum ein Onyx2-System im RZ?In vielen Bereichen der Universität Würzburgmüssen umfangreiche Datenmengen visualisiertund analysiert werden, wobei die Forscher häufigdurch fehlende oder unzureichende Hard- undSoftware in ihren Aktivitäten eingeschränktwerden. Beispielsweise untersuchte Karlheinz

Rein am Lehrstuhl für Genetik unter Leitung vonProf. Heisenberg die Gehirnstruktur von Droso-phila-Fliegen mit Hilfe von konfokaler Laser-mikroskopie. Die am Lehrstuhl vorhandenenEDV-Ressourcen reichten aber sehr schnell nichtmehr aus, um in der benötigten Genauigkeit

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Abbildung 2:Hardware-Aufbaudes Onyx2-Systems.

visuelle 3D-Rekonstruktionen der Fliegengehirnezu generieren. Auch viele andere Forscher, vor-wiegend im Bereich life sciences, bearbeitetenähnliche Problemstellungen und hatten Interessean einer gemeinsamen leistungsfähigen Lösung.

Deshalb wurde in enger Kooperation des Rechen-zentrums mit einer Reihe von Anwendern, insbe-sondere den Lehrstühlen für Genetik (Prof.Heisenberg), Informatik I (Prof. Noltemeier) undBiophysik (Prof. Haase), ein HBFG-Antrag fürein Hochleistungsgraphiksystem gestellt. DieAnforderungen der Anwender bedingten, daß nurein Onyx2-System der Firma SGI in Frage kam.Dieses stellte zum Zeitpunkt der Beantragung dasweltweit führende System im Bereich High-End-

Graphik und Visualisierung dar. Das Systemwurde bewilligt und steht den Antragstellernsowie allen Anwendern, die entsprechendeProbleme angehen möchten, seit Ende 1999 zurVerfügung.

Da es Auftrag des Rechenzentrums ist, den EDV-Bedarf, der in unterschiedlichen Einrichtungender Universität Würzburg vorhanden ist, zentralabzudecken, hat dieses die Antragskoordination,Auftragsabwicklung sowie Systembetreuungdieses Graphiksystems übernommen. Zudemerlaubt das RZ als zentraler Anlaufpunkt dieKoordination der Aktivitäten sowie den Aus-tausch von Informationen zwischen den Anwen-dern.

Hardware des Onyx2-SystemsDas Onyx2-System eignet sich für anspruchsvolleProbleme der Visualisierung, die mit Worksta-tions oder PCs überhaupt nicht oder nur unzurei-chend durchgeführt werden können.

Die einzelnen Komponenten des Systems sind inAbbildung 2 dargestellt:

• Die Onyx2 ist ein Multiprozessor-System, das4 Prozessoren vom Typ MIPS R10000 besitzt.

• Die Prozessoren haben gemeinsamen Zugriffauf 4 Gigabytes Hauptspeicher.

• An Festplatten stehen etwa 150 GB zur Verfü-gung. Diese gestatten durch sogenanntestriping Mechanismen einen Datentransfer vontypischerweise 30-50 MB/s.

• Kernstück der Maschine sind zwei voneinan-der unabhängige Graphikpipelines.

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werden können. Der raster manager (RM)generiert aus den Geometriedaten ein Rasterbild,das im Framebuffer abgelegt wird. Pro Pipe sindzwei RMs vorhanden. Zudem ist jeder RM mit 64MB Texturspeicher ausgestattet, das beispielswei-se bei virtual reality Applikationen (siehe Artikelvon Grein et al.) oder bei Volumenvisualisie-rungen zur Performance-Steigerung verwendetwerden kann. Der Framebuffer der Maschineumfaßt 180 MB pro Pipe. Schließlich generiertder display generator (DG) aus dem digitalenInhalt des Framebuffers ein Videosignal, das amBildschirm angezeigt wird.

Lightwave-KomponentenDer oben beschriebe Aufbau der Graphikpipelinebedingt, daß die vollständige Graphikleistung derMaschine nur beim direkten Arbeiten am Systemgenutzt werden kann. Ein Arbeiten über das Netzmit dem X-Window-Mechanismus gestattet zwarden Zugriff auf das System, aber nicht die volleGraphikleistung. Hierzu müßte der Inhalt desFramebuffers ausgelesen, verpackt und über dasNetz an den remote Arbeitsplatz geschickt wer-den, wofür es keine technische Standardlösunggibt.

Um aber trotzdem den Hauptanwendern denZugriff auf das System von einem eigenen Ar-beitsplatz aus mit voller Funktionalität und rundum die Uhr zu gestatten, wurde eine spezielleTechnik der Firma Lightwave Communications

installiert. Diese erlaubt, daß das Bildschirm-signal in der vollen Bandbreite (beispielsweise1280*1024 Pixel bei 32 Bit Farbtiefe und 72 Hz)sowie in umgekehrter Richtung die Daten vonMaus und Tastatur über 5 Glasfasern übertragenwerden können.

Mit dieser Technik, die in Abbildung 3 schema-tisch illustriert ist, wurde es möglich, neben denzwei Arbeitsplätzen im Rechenzentrum dreiweitere in den Instituten der Hauptanwender zuschaffen. Ein sogenannter MatrixHub erlaubt es,die beiden Ausgänge der Onyx2-Pipes auf einebeliebige Kombination von 2 der 5 Arbeitsplätzezu verschalten. Diese Technik hat sich als robustund zuverlässig bewährt.

Diese Graphikeinheiten sind genauer auch inAbbildung 2 (unten) dargestellt. Die Daten sindüber einen leistungsfähigen cross bar an Memoryund CPU angebunden. Sie werden in dieserPipeline sukzessive bearbeitet, wobei am Endedas Bild auf dem Bildschirm entsteht.

Dabei erlaubt die geometry engine (GE) dieDurchführung von Rotationen oder Translationen,Beleuchtungsberechnungen und Bildverarbei-tungsoperationen. Diese Operationen sind inHardware und teilweise mehrfach parallel imple-mentiert, so daß sie sehr schnell ausgeführt

Abbildung 3:Die Arbeitsplätzesowie dieLigthwave-Lösung.

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Interaktives Volumerendering

Das Onyx2-System gestattet durch den hohenTexturspeicherausbau zusammen mit einer daraufbasierenden Visualisierungstechnik, daß auchgroße Datensätze (bis 64 MB) mit interaktivenFrameraten dargestellt werden können. Abbil-dung 4 zeigt einen Performance-Vergleich ver-schiedener Rechner. Während das Onyx2-Systemauch bei großen Datensätzen noch interaktives

Arbeiten erlaubt, brechen die Rechner Indigo2und Octane bereits nach einigen MB ein.

Zudem gestattet die Onyx2 auch die onlineGenerierung von Stereobilder, die mit Shutter-brillen betrachtet zusätzlich einen räumlichenEindruck der visualisierten Strukturen vermitteln.

Das Onyx2-System ist mit einer Vielzahl hoch-wertiger Software ausgestattet, wobei derSchwerpunkt naturgemäß im Bereich Graphik,Visualisierung und Bildverarbeitung liegt. Einvon vielen Anwendern eingesetztes Programmzur Visualisierung ist Amira (siehe Artikel vonRein et al. und Schaupp et al.). Dieses nutzt dieHardware-Möglichkeiten der Onyx2 sehr gut aus.Zudem stehen viele weitere Software-Produkteauf dem System zur Verfügung:

• AVS (Advanced Visualisation System) – einäußerst mächtiges Graphikpaket,

• ANSYS – ein leistungsfähiges Finite ElementeProgramm,

• IDL – eine interaktive Programmiersprachezur Analyse und Visualisierung technisch-wissenschaftlicher Daten,

• CATIA und ProEngineer – leistungsfähigeProdukte im CAD-Bereich,

• KISMET – gestattet die Simulation des Ver-haltens von Maschinen und Robotern,

• Matlab – ein umfangreiches Programm fürSimulation und Visualisierung,

• Compiler und Entwicklungsumgebungen,• OpenGL, GLUT, Inventor, ImageLib, Motif,

X11,• Public Domain Software (gs, tk/tcl, ...).

Software

Abbildung 4: Leistungsfähigkeitvon Rechnern beim textur-basierten Volumerendering(Quelle: Karlheinz Rein undMalte Zöckler).

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Aktuelle ProjekteIn dieser Benutzermitteilung berichten einigeAnwender, die auf dem Onyx2-System arbeiten,über den aktuellen Stand ihrer Forschung und denBeitrag des Onyx2-System zu diesen Arbeiten.

Die Anwender, die erstmals mit dem Onyx2-System gearbeitet haben, waren in der Regel sehrbeeindruckt von den Möglichkeiten des Systems.Häufig konnten die Daten in einer Art und Weisevisualisiert werden, die den Forschern einenvöllig neuen Eindruck ihrer untersuchten Objektegab. Andererseits wurde auch klar, daß dasArbeiten am System nicht mit wenigen Maus-klicks zu realsieren ist, sondern eine gewisseEinarbeitungszeit erfordert. Hierbei sollen auchregelmäßige Benutzertreffen sowie Schulungenhelfen.

Die in dieser Benutzermittlung beschriebenenProjekte stellen eine repräsentative Übersicht der

aktuell laufenden Arbeiten und der dabei einge-setzten Techniken dar. Dies sind aber nicht dieeinzigen Aktivitäten, die auf der Onyx2 ablaufen.Beispielsweise untersuchen weitere Gruppen diePhänomene bei dreidimensionaler Zellwande-rung, die Struktur von neuronalen Zellen und dieGesamtstruktur des menschlichen Gehirns. Auchhier ermöglicht die Datenvisualisierung völligneue Einblicke in die Struktur der untersuchtenObjekte und liefert Impulse zur Ableitung vonStruktur-Funktionsbeziehungen.

Die in dieser Benutzermitteilung dargestelltenArbeiten sollen auch andere Wissenschaftleranregen, die beschriebenen Methoden und Tech-niken bei deren eigener Forschungstätigkeitgewinnbringend einzusetzen.

• Die Onyx2 besitzt zudem einen Hardware-SVHS-Videoausgang, der keinerlei Perfor-mance-Einbußen der Graphikleistung bedingt.Das hier gelieferte Videosignal (25 Hz,768*576 Pixel) kann von einem Videorecorderauf Band aufgezeichnet oder als Datenfile aneinem Video-PC oder einer SGI O2-Worksta-tion gespeichert werden. Mögliche Formatesind AVI oder MPEG.

• Weiterhin besteht die Möglichkeit, aus einzel-nen Bildern, beispielsweise einer Zeitserie vonBildern, mittels eines MPEG-Encoders einVideofile zu erzeugen, das in Präsentationeneingebunden und gezeigt werden kann.

BenutzertreffenDer Visualisierungsprozeß sowie Bildverarbei-tungsverfahren zur Quantifizierung der Ergebnis-se setzen in der Regel anspruchsvolle Hardwareund Software voraus, die im Rahmen des Antra-ges beschafft wurden. Zudem ist Know-how im

EDV-Bereich, inklusive Programmiererfahrung,sowie mathematisch-physikalisches Wissen zurDatenquantifizierung erforderlich. Demnach stelltdie Kette vom Experiment über die Datenvisua-lisierung und Quantifizierung bis hin zur Model-

VideosequenzenDas Onyx2-System ermöglicht die Generierungvon dynamischen und interaktiven Visualisie-rungssequenzen, die auch als Video- oder Daten-filme aufbereitet werden können.

Zu diesem Zweck wurden einige Methodenentwickelt und getestet, die folgendeFunktionalitäten bieten:

• Auf dem Bildschirm kann ein Ausschnittdefiniert werden, dessen Inhalt über dasProgramm mediarecorder aufgezeichnetwerden kann. Dies ist bei einfachen Visua-lisierungen bequem, kann bei umfangreichenVisualisierungen jedoch Performance-Proble-me bereiten, da der Framebuffer ausgelesenund gespeichert werden muß.

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lierung ein multidisziplinäres Problem dar, daskaum von einer einzelnen Person bewältigtwerden kann.

Deshalb wurde bereits bei der Antragstellung desOnyx2-Systems festgestellt, daß die Beschaffungdes Systems alleine nicht ausreicht, damit dieAnwender effizient damit arbeiten können.Vielmehr wurde als Ziel definiert, die Anwenderin regelmäßigen Treffen zusammenzubringen, umden Know-how-Austausch zu fördern, Koopera-tionen anzuregen, spezielle technische oderorganisatorische Fragen zu klären oder auchgemeinsame Kurse zu veranstalten.

Beim ersten Treffen, an dem sich Anfang Oktoberüber 20 Teilnehmer im Rechenzentrum trafen,wurden die Möglichkeiten des Systems sowieAnwendungsbeispiele vorgestellt. Zudem stelltendie Teilnehmer, die aus den Bereichen Informatik,Biophysik, Biologie und Medizin kamen, kurz ihreigenes Forschungsgebiet vor.

Es wurde vereinbart, sich regelmäßig im Abstandvon etwa zwei Monaten zu treffen. WeitereInteressenten können gerne in den Kreis aufge-nommen werden und sollten sich hierzu an denAutor

[email protected].

[1] Artikelserie über komplexe Systeme undAnwendungen in der Chemie und Biologie, zumNervensystem, über Strukturbildungen, Klima-entwicklungen und Wirtschaftssysteme, ScienceV284, S. 79 ff (1999).

[2] R. B. Laughlin et al., The Theory of Every-thing, PNAS V97(1), S. 28-31, The middle way,PNAS V97(1), S. 32-37 (2000).

[3] The E-cell project - software developement forwhole-cell simulation und The Virtual cell project,siehe http://www.e-cell.org/ sowiehttp://www.nrcam.uchc.edu/

[4] The Physiome Projecthttp://www.physiome.org/

[5] R. Badii und A. Politi, Complexity -Hierarchical structures and scaling in physics,Cambridge University Press 1997.

[6] siehe Aktivitäten am Santafe Institutehttp:/ /www.santafe.edu/

[7] Keim, Visual Data Exploration, siehehttp:/ /www.informatik.uni-halle.de/~keim/

Referenzen und Links

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Szenengenerierung und Visualisierungin der Fahrsimulation

Martin Grein, Armin Kaussner und Hartmut NoltemeierLehrstuhl für Informatik I

Der Aufwand, den man treiben muss, um einen Menschen in einem Fahrsimulator zumindestzeitweise vergessen zu lassen, dass er sich in der Realität keinen Meter vorwärts bewegt, istenorm. Neben Sound- und Bewegungssimulation leistet die Visualisierung hierzu den wichtigstenBeitrag. Am IZVW (Interdisziplinäres Zentrum für Verkehrswissenschaften an der UniversitätWürzburg) entsteht momentan in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Informatik I eineFahrsimulation, mit der sogenannte dynamische Szenerien untersucht werden. Dies sind Szene-rien, in denen das Straßennetz und die Landschaft abhängig vom Verhalten des Fahrers oderdurch Eingriffe des Versuchsleiters während einer Versuchsfahrt verändert werden können.

Die Visualisierungskomponente dieser Fahr-simulation kann auch von der SGI Onyx2 desRechenzentrums berechnet werden (ein Aus-schnitt der Szenerie aus der Sicht des Fahrers istin Abbildung 1 zu sehen). Obwohl es sich bei

Abbildung 1: Szenerieausschnitt im IZVW-Fahrsimulator.

dieser Maschine um eine sehr leistungsfähigeGrafik-Hardware handelt, gilt es, entscheidendeAspekte zu berücksichtigen, damit die enormeKapazität des Rechners nicht durch ungeschicktesVorgehen verschenkt wird.

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Abbildung 3: Billboarding bei Bäumen.

Die Qualität der Visualisierung wird im wesentli-chen von zwei Kriterien bestimmt. Zum einenmuss natürlich die Szenerie, in der sich der Fahrerbewegt, ansprechend aussehen, d. h. sehr detail-reich modelliert sein. Zum anderen ist es wichtig,dass die Verzögerungszeiten zwischen Fahrerein-gaben (wie z. B. Lenkbewegungen) und Änderun-gen in der grafischen Darstellung der Szenerie(wie z. B. Verschieben der Blickrichtung) mög-lichst gering sind. Als Faustregel gilt: Die Verzö-gerungszeiten liegen in einem annehmbaren

Bereich, wenn dem Fahrer pro Sekunde minde-stens 30 Bilder präsentiert werden. Beide Kriteri-en stehen in Konkurrenz: Eine sehr üppig ausge-stattete Landschaft besteht aus sehr vielen Objek-ten, was wiederum mehr Rechenarbeit für denGrafikcomputer bedeutet und damit niedrigereBildwiederholraten nach sich zieht. Im folgendenwerden einige Techniken vorgestellt, mit denensich in den meisten Szenerien ein Kompromisserzielen lässt.

Fotorealistische TexturenDie Architektur der gängigsten Grafikhardware,so auch die der SGI Onyx2, ist darauf getrimmt,möglichst effizient Dreiecke darzustellen. DieRundungen z. B. in der Karosserie eines Fahr-zeugs müsste man daher durch ein ausreichendfeines Netz aus kleinen Dreiecken annähern. Diesführt schnell zu mehreren tausend Dreiecken proFahrzeug. Möchte man in der Simulation z. B.das Verhalten des Fahrers bei dichtem Autobahn-verkehr (ca. 50 gleichzeitig sichtbare Fahrzeuge)untersuchen, wird die Bildwiederholrate auch beidiesem Grafikrechner zu gering. Man kann dieDreiecksanzahl wesentlich reduzieren, wenn manreale Fahrzeuge von allen Seiten fotografiert undein sehr einfaches, d. h. aus sehr wenigen Dreiek-ken bestehendes Modell eines Fahrzeugs mitdiesen sogenannten Texturen „tapeziert“. Da diewenigsten Autofahrer auf der Autobahn einInteresse daran haben, die Karosserie andererFahrzeuge aus nächster Nähe zu studieren, fälltihnen auch nicht auf, daß die Rundungen undLichteffekte nur durch ein aufgeklebtes Foto und

nicht durch die tatsächliche Form des Fahrzeugsentstehen. Der VW-Bus in Abbildung 2 bestehtnur aus ca. 450 Vektoren (Ecken eines Dreiecks).Die meisten davon (ca. 400) befinden sich dabeiin den Rädern. Dieses Vorgehen läßt sich wie imAbschnitt Level of Detail Techniken beschriebennoch weiter optimieren.

Abbildung 2: VW-Bus mit aus Fotografien gewonnenenTexturen.

BillboardingEs ist nahezu unmöglich, einen Baum mit allenVerästelungen und Blättern aus einer vertretbarenAnzahl von Dreiecken aufzubauen, ohne dass eraussieht wie in einem Comic-Film. Auch hier istes einfacher, einen realen Baum zu fotografierenund in der resultierenden Textur die Umgebungdes Baumes als transparent zu markieren. DieTextur wird schließlich auf eine flache, auf demBoden stehende Platte projiziert. Ein Baumbesteht also lediglich aus zwei Dreiecken, ausdenen die rechteckige Platte zusammengesetzt ist.Damit man den Baum trotzdem von allen Rich-

Szenengenerierung und Visualisierung in der Fahrsimulation

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Level of Detail (LOD) TechnikenWie schon beschrieben, kann man durch dieProjektion fotorealistischer Texturen auf sehreinfache Modelle die Anzahl der Dreiecke, dieeine Grafikmaschine pro Bild zu bewältigen hat,stark reduzieren. Es gibt jedoch Objekte (z. B. dieRäder von Fahrzeugen), bei denen diese Methodenicht zu einem befriedigenden Aussehen führt.Man kann hier ausnützen, dass aufgrund derbeschränkten Auflösung des von einer Grafik-hardware berechneten Bildes (üblich sind Auflö-sungen von 1024x768 oder 1280x1024 Bild-punkten) ein Objekt, das weit vom Fahrer entferntist, sowieso nur ungenau dargestellt werden kann:Es ist dann sehr klein und hat nur wenige Bild-punkte „zur Verfügung“. Die Level of DetailTechnik besteht darin, solche komplexen Objektein mehreren Detailstufen zu halten (vgl. auchWavelets, hierarchische Datenstrukturen wieQuadtrees und Octrees, Kompressionstechniken).Für Objekte, die sich sehr nahe am Beobachterbefinden, wird die höchste Detailstufe verwendet.Mit zunehmender Entfernung werden die Details

Abbildung 4: Drei Detailstufen beiRädern von Fahrzeugen.

mehr und mehr herausgenommen. In der nie-drigsten Detailstufe könnte ein Rad einesFahrzeugs z. B. nur noch aus einem Quaderbestehen. Eine Palette von 3 Detailstufen einesRades zeigt Abbildung 4.

Auch auf den Verlauf der Straße läßt sich dieseTechnik anwenden: Der Fahrer wird nichtbemerken, dass die Kurve, die sich in 1 kmEntfernung von ihm befindet, eigentlich nuraus zwei Ecken besteht. Hauptsache sie wirdglatt, je mehr er sich ihr nähert (Abbildung 5) .

Trotz der Anwendung der beschriebenen Tech-niken kann ein Bild einer Szenerie der Fahr-simulation leicht aus über 10000 Dreieckenbestehen. Die Forderung, solche Szenerien mitmindestens 30 Bildern pro Sekunde berechnenzu können, erklärt, warum die Grafikhardwarebei Simulatoren eine der teuersten Komponen-ten ist.

im peripheren Gesichtsfeld des Fahrers befinden.Auch hier gilt: Die wenigsten Fahrer, die sich aufden Verkehr konzentrieren, bemerken den „Be-trug“.

tungen betrachten kann, wird die Platte immersenkrecht zur Blickrichtung des Fahrers gedreht(siehe Abbildung 3). Diese Vorgehensweise nenntman Billboarding. Sie kann auch für andereObjekte verwendet werden, die sich hauptsächlich

Abbildung 5: LOD-Management bei derStraße: Aus der Fahrerperspektive istnicht zu erkennen, dass die Aufteilung inDreiecke mit zunehmender Entfernungimmer gröber wird.

Szenengenerierung und Visualisierung in der Fahrsimulation

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RECHENZENTRUM DER UNIVERSITÄT WÜRZBURG

Literatur[1] J. Foley, A. van Dam, S. Feiner, J. Hughes: Com-puter Graphics, Addison-Wesley, 1995

[2] R. Möller (Hrsg.): Tagungsband 5. WorkshopSichtsysteme - Visualisierung in der Simulations-technik, Wuppertal, 1997; Tagungsband 6. WorkshopSichtsysteme - Visualisierung in der Simulations-technik, Bremen, 1999.

[3] M. Woo, J. Neider, T. Davis, D. Shreiner: OpenGLProgramming Guide, 3. Edition, Addison-Wesley,1999.

[4] R. Kempf, C. Frazier: OpenGL Reference Manual,1997.

[5] T. Moller, E. Haines: Real-Time Rendering, A KPeters Ltd, 1999.

[6] H. Samet: The Design and Analysis of Spatial DataStructures, Addison-Wesley, 1994.

[7] E. J. Stollnitz, T. D. DeRose, D. H. Salesin:Wavelets for computer graphics: a primer, IEEEComput. Graph. Appl., 15:76-84, 16:75-85, 1995.

[8] A. K. Louis, P. Maaß, A. Rieder: Wavelets. Theorieund Anwendungen, Teubner, 1998.

[9] M. Raghavan, „The Stewart Platform of theGeneral Geometry Has 40 Configurations“, J. ofMechanical Design, Vol. 115, pp. 277-282, June 1993

[10] Chongyao Lu, „Closed-Form ForwardKinematics of the 6-6 6DOF Stewart ParallelMechanisms with One Solution“, College ofMechanical Science and Engineering, The HuazhongUniversity of Science and Technology,members.spree.com/sip/tongwuwei/paper2/myLu2.html

Szenengenerierung und Visualisierung in der Fahrsimulation

Kinematik des SimulatorsDie in einem realen Fahrzeug auftretendenlinearen und rotatorischen Beschleunigungenhaben, bei normaler Fahrt, üblicherweise etwafolgende Wertebereiche (1 g = 9.81 m/s2):

• Längsrichtung: -0.6 g (Bremsen) ... 0.4 g(Beschleunigen)

• Querrichtung: -0.7 g ... 0.7 g• Hub: -0.8 g ... 1.1 g• Rollen: +- 320°/s2 (Drehung um die Längs-

achse des Fahrzeugs)• Nicken: +- 360°/s2 (Drehung um die Querach-

se des Fahrzeugs)• Gieren: +- 45°/s2 (Drehung um die Hochachse

des Fahrzeugs).

Diese Werte können nur begrenzt im Bewegungs-system des IZVW-Fahrsimulators abgebildetwerden. Aufgrund der geometrischen Auslegungdes Systems und der Leistung der elektrischenAktuatoren lassen sich damit nur reduziertelineare und rotatorische Beschleunigungen mit± 0.5 g bzw. ± 100°/s2 erzielen. Außerdemkönnen langanhaltende lineare Beschleunigungen,wie sie z. B. beim Durchfahren einer Kurveauftreten, nur durch Kippen der Plattform nachge-bildet werden.

Um den Einfluss dieser Bewegungssimulation aufdie Versuchsperson untersuchen zu können,müssen die genauen Beschleunigungen, z. B. im

Augpunkt der Versuchsperson, bekannt sein. DerHersteller des Bewegungssystem kann in jedemZeitschritt der Simulation, also mit ca. 60 Hz, diegenaue Länge der 6 Aktuatoren liefern. Um ausdiesen Werten die interessierenden Beschleuni-gungen berechnen zu können, muss das Problemder direkten Kinematik des Systems gelöst wer-den. Das Bewegungssystem des Fahrsimulatorsgehört zu der Klasse der 6-6 Stewart-Plattformen,da die Aktuatoren an der Bodenplatte und an derbewegten Konstruktion über jeweils 6 Gelenkeangreifen. Die direkte Kinematik solcher Syste-me, also die Berechnung der Koordinaten undWinkel des Augpunktes aus den 6 Aktuator-stellungen, führt zu einem System nichtlinearerGleichungen und kann, wie in [9] gezeigt, bis zu40 Lösungen haben. Es gibt einige Ansätze, dieGleichungen durch Anbringen von Sensoren ander Plattform zu vereinfachen. So wird in [10]gezeigt, dass schon der Einsatz von 3 Längen-Sensoren ausreicht, um das Problem in geschlos-sener Form mit eindeutiger Lösung darzustellen.Da im vorliegenden Fall keine zusätzlichenSensoren zur Verfügung stehen, wird das Glei-chungssystem numerisch gelöst. Um das Verfah-ren zu validieren, wurden die Lösungen, die esliefert, auf der Onyx2 visualisiert. Diese Maschi-ne ist in der Lage, die direkte Kinematik online zuberechnen und in dem auf der Titelseite gezeigtenModell darzustellen. Man erhält auf diese Weisedie Simulation einer Bewegungssimulation.

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Virtuelle Neuroanatomie beiDrosophila melanogaster

Karlheinz Rein*, Michael Mader und Martin HeisenbergLehrstuhl für Genetik und Neurobiologie, Biozentrum

Die Taufliege Drosophila melanogaster wird als Modellsystem für die Erforschung des Gehirnsbenutzt. Das Fliegengehirn (Abbildung 1) besteht aus etwa 300.000 Nervenzellen. Damit kanndie Fliege ein erstaunliches Verhaltensrepertoire erzeugen: Orientierungsleistungen, Lernen undGedächtnis sind nur einige Beispiele dafür. Mit Hilfe der Genetik läßt sich das Gehirn der Fliegegezielt verändern. So manipulierte Fliegen können Änderungen in ihrem Verhalten zeigen. DieFunktionen des Gehirns können anhand dieser Verhaltensänderungen erforscht werden.

Abbildung 1:DrosophilaGehirn3D-Rekonstruktioneines DrosophilaGehirns vor derelektronen-mikroskopischenAufnahme einesganzen Kopfes.Hauptstrukturendes Neuropils sindoptische Loben(grün), Unter-schlundganglion(gelb),Antennalloben(rot), Zentral-komplex (orange)und Pilzkörper(blau).

* Neue Adresse: Artemis Pharmaceuticals, Tübingen, [email protected]

Bis vor einigen Jahren ließen sich dreidimensio-nale Gehirnmodelle nur zeitintensiv und untergroßem experimentellem Aufwand aus Schnitt-serien rekonstruieren. Heute dagegen steht mitder Konfokalmikroskopie ein Verfahren zur

Verfügung, das es ermöglicht, solche Schnitt-serien sehr schnell „optisch” zu erstellen, ohnedas Objekt zu zerstören. Dazu wird das Gehirnder Fliege im Ganzen präpariert und mitFluoreszenzmarkern gefärbt. Mit dem Konfokal-

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mikroskop aufgenommene Datensätze erreichenAuflösungen von unter 1 µm. Die Visualisierungund Prozessierung dieser Daten stellt höchsteAnforderungen an die Hard- und Software desbenutzten Systems. Im Rahmen eines Projektsbenötigt man etwa 50 – 100 Datensätze vondenen jeder immerhin eine Größe von 200 – 400MB erreicht. Diese müssen nicht nur paarweiseverglichen sondern auch alle miteinander verrech-net werden. Das Onyx2-System bietet – zusam-men mit der Software Amira – für die so entste-henden vielfältigen Anforderungen eine idealePlattform.

Im Virtuellen Neuroanatomie Labor (VNL) wirdAmira um neuroanatomische Werkzeuge ergänzt.Mit diesen kann der Schritt von einer eher de-

skriptiven zu einer quantitativen Anatomievollzogen werden. So erhält man neben einerBeschreibung der Variabilität der Gehirne einen„Mittelwert“, das sogenannte Standardgehirn. DieTransformation neuer Daten auf dieses Standard-gehirn ermöglicht erst ihre Bewertung – diequantitative Anatomie. Mit Hilfe der molekularenGenetik kann man heute die Aktivität einzelnerGene sichtbar machen. Dreidimensionale Gehirn-modelle ermöglichen die Verknüpfung dieserGenaktivität mit bestimmten Strukturen desGehirns. So läßt sich die Aktivität verschiedenerGene miteinander vergleichen und quantifizieren.Die Integration dieser Genaktivitäten in dasStandardgehirn führt zu einem genetischenGehirnatlas, der alle molekularen Informationenmit der Anatomie des Gehirns verbindet.

MolekulargenetikSeit Beginn der 80er-Jahre gehen die entscheiden-den Fortschritte in der Gehirnanatomie von dermolekularen Genetik aus. Während vorherZelltypen im Gehirn vorwiegend nach morpholo-gischen Kriterien differenziert und klassifiziertwurden, steht dem Neuroanatomen heute ein fastunerschöpfliches Arsenal von genetischenMarkern zur Verfügung, die einzelne Gene inbestimmten Gehirnzellen (Neuronen- und Glia-Zellen) sichtbar machen. Damit lassen sich invielen Fällen Strukturen im Gehirn darstellen, dievorher im umliegenden Gewebe nicht differen-

ziert werden konnten (siehe Yang et al., 1995).Was vielleicht noch wichtiger ist, man kann durchdie Kenntnis des jeweiligen Gens diesen Struktu-ren zell- und stoffwechsel-physiologische Eigen-schaften zuordnen (siehe Han et al., 1996). Diemolekulare Differenzierung der Morphologie hatdie Hilfswissenschaft Gehirnanatomie in denMittelpunkt der Neurobiologie gerückt, weil sichdie molekularen Probleme in der Regel im Zu-sammenhang mit bestimmten neuronalen Struktu-ren stellen.

KonfokalmikroskopieEine technische Entwicklung, die eine 3D-Datenerfassung ermöglicht, ist die konfokaleLaser-Scanning-Mikroskopie (Abbildung 2a).Sieht man von den nicht-invasiven, tomographi-schen Verfahren (CT, MRI) ab, deren Auflösungdie Zellebene nicht erreicht, lassen sich 3D-Modelle von Gehirnen bisher nur aus Dünn-schnittserien rekonstruieren. Die Herstellungdieser Serien und die Eingabe der Schnitte in denComputer sind äußerst zeitintensive Vorgängeund überdies muß großer experimenteller Auf-wand getrieben werden, um die richtige Zuord-nung der einzelnen Schnitte zueinander zu ge-währleisten. Seit einigen Jahren bietet sich nundie Konfokalmikroskopie als eine neue, attraktiveMöglichkeit der Datenaufnahme an. Sie gestattet

es, Präparate bis zu einer Dicke von mehreren100 µm mit einer Auflösung von unter 1 µm inallen drei Raumrichtungen zu registrieren. Mitanderen Worten, sie kann in Blockpräparatevirtuelle optische Schnitte legen (Abbildung 2b),wodurch die Anfertigung von echten Schnitt-serien und die schwierige 3D-Rekonstruktion ausden Schnitten entfällt.

Konfokalmikroskope können sowohl reflektiertesals auch durch Fluoreszenz emittiertes Licht zurGenerierung von 3D-Daten benutzen. Wegen derdamit verbundenen größeren Flexibilität in denDarstellungsmöglichkeiten, der einfacherenHandhabung und der geringeren Artefakte wird inden „life sciences“ jedoch heute fast ausschließ-

Virtuelle Neuroanatomie bei Drosophila melanogaster

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Digitalisierte Bilder realer oder virtueller Schnitt-serien von Gehirnen, die sich für die 3D-Rekon-struktion im µm-Bereich eignen, sind gewaltigeDatenmengen, deren Bearbeitung und Archivie-rung hohe Anforderungen an die Leistungsfähig-keit von Hard- und Software stellt. Schon dereinfache interaktive Vergleich dreier Gehirndaten-sätze erfordert einen Hauptspeicher (RAM) vonüber einem Gigabyte, eine Größenordnung, dieheute selbst für Höchstleistungssysteme keineSelbstverständlichkeit ist.

Volumenvisualisierungen, die in Echtzeit verän-dert werden, ermöglichen exploratives Arbeitenmit den 3D-Datensätzen („data-mining“) undschaffen so ganz neue Möglichkeiten der Daten-analyse – eine „virtuelle Anatomie“: VirtuelleSchnitte können in Echtzeit in beliebiger Orien-tierung durch die Daten bewegt werden. Ein„elektronisches Skalpell“ macht Teile der Datenvöllig durchsichtig („clipping“, siehe Abbildung 4)und „virtuelle Färbungen“ heben bestimmteDatenbereiche durch eine Änderung der Farbe

lich der Fluoreszenz der Vorzug gegeben. Zudemhaben jüngste Fortschritte in der Entwicklung undHerstellung von Fluoreszenfarbstoffen derenHaltbarkeit und Helligkeit (Fluoreszenz-lebensdauer und Quantenausbeute) so immenserhöht, daß diese jetzt fast alle neuen genetischenMarker (s. o.) für die Konfokalmikroskopienutzbar machen. So kann man beispielsweise diehochauflösende Konfokalmikroskopie in Kombi-nation mit einem dieser Marker dazu verwenden,

Genexpressionsmuster im Gehirn darzustellen(siehe Abbildung 3). Mit Hilfe dieser Technikenund dem virtuellen Neuroanatomie Labor (VNL,s. u.) gelang es, durch Mutation verursachtestrukturelle Veränderungen des Gehirns mitbisher nicht gekannter Auflösung darzustellen(Melzig et al., 1998). In der Zwischenzeit wirddieses Verfahren routinemäßig zur morphologi-schen Charakterisierung von Mutanten-Phänoty-pen eingesetzt.

Abbildung 2: Konfokalmikroskop. a) Prinzip. b) Gleichzeitige Darstellung von 7 aus etwa 200 virtuellen Schnitten durch einDrosophila Gehirn, dessen Neuropil fluoreszenzmarkiert und so „sichtbar“ gemacht wurde.

b)

a)Ein konfokales Laserscan-Mikroskop benutzt nur Licht,das von einem „Punkt“ (einem kleinen, ellipsoidförmigenVolumen) aus einem fluoreszenzgefärbten Präparatkommt. Eine Lochblende vor dem Detektor (Detektions-Lochblende) blockiert alles Licht, das nicht von diesemPunkt kommt. Dieser Punkt liegt genau in der Fokus-ebene. Zusätzlich wird an diesem Punkt auch am meisten„Licht erzeugt“ (Fluoreszenzemission angeregt), indemdieser Punkt durch eine Lochblende vor dem Laser(Anregungs-Lochblende) am stärksten beleuchtet wird.Die Abbildungen beider Lochblenden liegen zusammen inder Fokusebene, sie sind „konfokal“.Durch Verändern der Fokusebene oder Verschieben desPräparates wird dieser Punkt durch das ganze Präparatbewegt, „gescannt“. Für jede Position wird so dieFluoreszenzintensität registriert und es entsteht ein 3D-Datensatz des Präparats.

Visualisierung

Virtuelle Neuroanatomie bei Drosophila melanogaster

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Abbildung 4: Virtuelle Anatomie.

Oben: Kombinierte Volumen- und Oberflächenvisualisierung.Die Volumenvisualisierung (orange) des gesamten Neuropilseines Drosophila Gehirns ist zusammen mit einem Oberflä-chenmodell (grün) eines bestimmten Neuropilbereichs, desPilzkörpers, dargestellt.

Unten: Elektronisches Skalpell. Der vordere und linke Teil desGehirns wurde elektronisch weggeschnitten („clipping“) unddas Oberflächenmodell wurde ausgeblendet, so daß man jetztdie weiter innen liegenden Neuropilbereiche (zentral in derMitte: Ellipsoidkörper und Fächerkörper des Zentral-komplexes) erkennen kann.

und Opazität besonders hervor. Die „virtuelleKombination“ von Daten verschiedener Individu-en (siehe Abbildung 3) eröffnet dem Vergleichund der Analyse ganz neue Möglichkeiten.

Diese Entwicklung hat gerade die Schwelleerreicht, ab der sich den Neurowissenschaftlerndie Möglichkeit eröffnet, 3D-Daten an ihremArbeitsplatz in Echtzeit zu bearbeiten. Es zeichnetsich schon jetzt ab, daß der Umgang mit digitalenBilddaten bald zu den normalen Arbeitsvorgängenin biowissenschaftlichen Labors gehören wird.

Genexpressionsmuster einer Fliege (Teiledes Pilzkörpers, Volumenvisualisierung,orange) kombiniert mit der entsprechen-dem Gehirnmodell (ganzer Pilzkörper,rotes Gitternetz, Hauptstrukturen, bunteOberflächen) einer anderen Fliege. DasGehirnmodell wurde aus der NeuropilFärbung eines Fliegengehirns extrahiert,in denen die Hauptstrukturen segmentiertund Oberflächen um diese segmentiertenBereiche berechnet wurden. DerPilzkörper dieses Modells ist als rotesGitternetz gezeigt. In Teilen des Pilz-körpers einer anderen Fliege ist „einbestimmtes Gen aktiv“ (Expression derGal4 enhancer-trap Linie 17d, dargestelltmit einem UAS-lacZ Reporter Konstruktund anti-ß-Gal Antikörper). Die Volumen-visualisierung (orange) dieser Teile desPilzkörpers der einen Fliege wurde demGehirnmodell der anderen Fliegeüberlagert.

Systeme

Abbildung 3: Visualisierung zweier Gehirne.

Das Onyx2 Infinite Reality System des Rechen-zentrum ist – zusammen mit der Software Amira– eine ideale „Virtuelle Anatomie“ Plattform. Inder vom Rechenzentrum eingerichteten Konfigu-ration erlaubt dieses System die Echtzeit-visualisierung von Anatomiedaten am Arbeits-platz. Das Graphiksubsystem unterstützt die für

schnelle Volumenvisualisierung nötigen Operatio-nen in spezieller Hardware, statt sie (langsamer)in Software auf den CPUs auszuführen. Die hoheRechenleistung der mit 4 CPUs ausgestattetenMaschine senkt die Verarbeitungszeit von mehre-ren Gigabyte Gehirndatensätzen (Alignierung,Berechnung von Mittelwerten etc., s. u.) von

Virtuelle Neuroanatomie bei Drosophila melanogaster

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Virtuelles Neuroanatomielabor (VNL)Das virtuelle Neuroanatomielabor (VNL) bestehtaus Amira, das um eine Reihe von Funktionali-täten und Werkzeuge ergänzt wurde, die für dieNeuroanatomie benötigt werden. Viele der Werk-zeuge wurden in der gerade beendeten erstenFörderperiode des BMBF Verbundprojekts„Virtual Brain“ (BMBF Projekt Nr. 0310958) vonden beteiligten sieben Gruppen aus Berlin,Magdeburg, Freiburg und Würzburg erstellt.Diese Funktionalitäten sollen in der jetzt folgen-den zweiten Förderperiode zu dem VNL zusam-mengefügt, ergänzt und mit einer einheitlichenBenutzeroberfläche versehen werden.

Im folgenden sind einige Werkzeuge beschrieben,die wir zur Generierung eines Standardhirns

(s. u.) eingesetzt haben. Nach Erfassung derDatensätze mit dem Konfokalmikroskop werdendiese automatisch in das Amira Datenformatkonvertiert. In der Datenvorverarbeitung(„preprocessing“) werden die durch die Aufnah-me bedingten Skalierungen korrigiert (präparat-spezifischer Brechungsindex). Bei Bedarf kannman die Anzahl der Datenpunkte („Voxel“)verändern („resampling“) und die Datensätze aufeinen informativen Ausschnitt reduzieren(„cropping“). Die Datensätze werden dann in dieselbe Orientierung gebracht („alignment“). Dieskann entweder manuell (z. B. mit zwei in Echtzeitzueinander bewegbaren Volumenvisualisierungen,siehe Abbildung 6) oder vollautomatisch mitHilfe unterschiedlicher Verfahren (z. B. Grau-

Abbildung 5: Amira - Grafisches UserInterface von Amira. Der Objectpool(grüner Bereich rechts oben) zeigt diegerade geladenen Daten und Moduleals Icons an. Parameter dieser Modulewerden im Bereich darunter („workarea“) dargestellt und könneninteraktiv geändert werden. DieAusgabe aller Visualisierungsmodulewird in einem gemeinsamen 3D-Viewer angezeigt (großes Fensterlinks).

Wochen auf Stunden. Durch die direkte Anbin-dung des Systems können die der neuen Techni-ken direkt in routinemäßige Arbeitsabläufeeingebunden werden.

Als Softwareplattform für die hier beschriebenenArbeiten haben wir Amira eingesetzt. Amira(Abbildung 5) ist ein objektorientiertes Systemzur 3D-Visualisierung, Analyse und Datenverar-beitung, das auf ein interaktives Arbeiten ausge-richtet ist. Neben der Visualisierung bietet Amiradie Möglichkeit, Bildvolumina interaktiv zusegmentieren, d. h. in Teilstrukturen zu zerlegen.

Aus diesen Segmentierungen können danngeometrische Modelle erzeugt werden, die eineexplizite Repräsentation der anatomischen Teil-strukturen enthalten. Diese sind die Vorausset-zung für quantitative Analysen, wie Volumetrieoder Formanalyse und zur Generierung reduzier-ter Modelle, die auch auf PCs dargestellt werdenkönnen. Amira erlaubt es, mehrere Datensätzegleichzeitig zu bearbeiten, darzustellen und dabeiunterschiedliche Koordinatensysteme zu berück-sichtigen. Spezielle Verfahren lassen sich alseigene C++-Module oder TCL-Scripte hinzufü-gen.

Virtuelle Neuroanatomie bei Drosophila melanogaster

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Die Anatomie des Fliegengehirns wird seit über100 Jahren beschrieben. Diese Beschreibungenbeschäftigten sich jedoch weitgehend mit einigenwenigen Gehirnen. Genau wie Menschengehirnesind Fliegengehirne individuell verschieden, d. h.variabel. Um Gehirne überhaupt vergleichen zukönnen, muß man diese Variabilität quantifizie-ren. Die Analyse von Volumen, Form- undPositionsunterschieden der Neuropile ist mit„average intensity maps“, mit „probabilisticmaps“ und mit Hilfe von Graphen möglich (s. a.Abbildung 8 ; Rein et al., 1999a ).

An den optischen Loben, einem Teil desDrosophila-Gehirns, wurden bereits einige der

neuen Möglichkeiten aufgezeigt, die quantitativeAnatomie bietet (siehe Abbildung 9). So konntenzwischen Gehirnen von Männchen und Weibchensignifikante Unterschiede in der Größe, Positionund Form der einzelnen Neuropilbereiche nach-gewiesen werden. Aus dem direkten Vergleichunsegmentierter, gemittelter Grauwertdatensätzezeigen sich die morphologischen Unterschiedemit sog. „Effect-Size-Maps“ sehr schnell. Diesewurden durch Wahrscheinlichkeitskarten bestä-tigt, die aus der Überlagerung der segmentiertenDatensätze entstanden sind (Rein et al., 1999).

Quantitative Anatomie

wertkorrelation) geschehen. Alle uns interessie-renden Neuropilbereiche werden nun in denGrauwertdatensätzen markiert und erhalten ihrenentsprechenden Namen („segmentation“,„labelling“, siehe Abbildung 7). Da die einzelnenGehirnstrukturen keine unterschiedlichenIntensitäten zeigen und ihre Grauwertgrenzenunscharf sind, ist diese Segmentierung nur inter-aktiv möglich. Allerdings wird sie durch eineVielzahl von Werkzeugen in Amira unterstützt(z. B. Interpolation, Autotracing, Templates). Jetztsind die Voraussetzungen geschaffen, die Gehirnezu vergleichen (virtuelle Anatomie, s.o.), ihreVariabilität mit Hilfe der Methoden der quantitati-ven Anatomie (s. u.) zu beschrieben, einenGehirnmittelwert (Standardgehirn) zu errechnenund Genexpressionsmuster zu integrieren (geneti-scher Atlas, s. u.). Abbildung 6: Alignment. Manuelles Alignment zweier

Gehirne mit simultaner Volumenvisualisierung und interaktiverÄnderung der Orientierung der beiden Gehirne zueinander.

Abbildung 7:Segmentierung.Den verschiede-nen Neuropil-bereichen einesoptischenSchnittes (links)werden in Amiradurch Markierung(Mitte) verschie-den Neuropilezugewiesen(rechts).

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Abbildung 9: Quantitative Anatomie. Frontale Schnitte durch 3D Datensätze eines Teils des Fliegenhirns, des optischenLobus. Links eine Ebene des 3D Datensatzes einer einzelnen Fliege. In der Mitte ein Schnitt durch einen „Durchschnitts-Lobus“aus 29 Fliegen („average intensity map“), die man durch Mitteln der alignierten Grauwertdatensätze erhält. Rechts der Schnittdurch die 3D Wahrscheinlichkeitskarte („probabilistic map“) von 66 Fliegen. Diese entsteht durch das Aufsummieren deralignierten und segmentierten Datensätze. Die Farbe kodiert die Wahrscheinlichkeit für eine Struktur, an einem bestimmten Ortvorzukommen.

Unterschiede zwi-schen den Gehirnenvon zwei Gruppenvon Fliegen (hiermännliche undweibliche Fliegen)lassen sich durchden Abstand dereinzelnen Neuro-pilbereiche quantifi-zieren. Die buntenKanten zeigenfarbkodiert dierelativen Unterschie-de in Prozent. DieKugeln visualisierendie einzelnenNeuropile und dietransparentenFlächen ihreUmrisse.

StandardgehirnTrotz des erheblich dickeren Neuropils (200 µm)ist es möglich, nicht nur optische Loben sondernauch ganze Drosophila Gehirne mit hoher Auflö-sung aufzunehmen (bis zu 1 µm) und darin dieHauptstrukturen deutlich zu unterscheiden. Einsolches Gehirn, in dem die meisten bekanntenNeuropilstrukturen markiert sind, ist bereits perWWW zugänglich (Rein et al., 2000). DiesesModell enthält einen kleinen Teil der konfokalenSchnitte und in der Auflösung stark reduzierte3D-Oberflächenmodelle der Neuropile in einemFormat (VRML), das 3D-Ansicht und Manipula-tion auf einem PC erlaubt. Die Aufnahme undSegmentierung von etwa 50 solcher Gehirne von

Wildtyp-Fliegen ist inzwischen abgeschlossen.Diese bilden die Basis für ein quantitativesneuroanatomisches Modell für das Gehirn deradulten Taufliege Drosophila, das Standard-gehirn. Es ergibt sich sowohl als Durchschnitteiner Verteilung von Gehirnen als auch als„durchschnittlichster“ Repräsentant dieser Vertei-lung, als „durchschnittlichstes“ Gehirn. Zusam-men mit der Beschreibung der Variabilität wird esals allgemeine Referenz für anatomische Gehirn-daten dienen und Aussagen über die morphologi-sche Variabilität des Gesamtgehirns und putativeSexualdimorphismen ermöglichen (Rein et al., inVorbereitung).

Abbildung 8: Positionsunterschiede der Neuropile.

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Mit Hilfe der molekularen Genetik kann manheute die Aktivität einzelner Gene sichtbarmachen (Abbildung 10). DreidimensionaleGehirnmodelle ermöglichen die Verknüpfungdieser Genaktivität mit bestimmten Strukturen desGehirns (s. a. Abbildung 3). Wir werden dieseGenexpressionsmuster analysieren und Verfahrenzu ihrer Integration in das Standardgehirn entwik-keln. Dies wird ihre standardisierte Darstellungund damit ihren Vergleich ermöglichen. So wirdletztlich ein genetischer Gehirnatlas entstehen,der alle molekularen Informationen mit derAnatomie des Gehirns verbindet. Hierdurch wirdeine Brücke zwischen den molekularen undsystemischen Funktionen von Genen geschlagenund die allgemeine Kommunikation anatomie-bezogener Daten in der neurobiologischen For-schung an Drosophila verbessert.

Genetischer Atlas

Referenzen

Barth M., Heisenberg M. (1997): Vision affectsmushroom bodies and central complex inDrosophila melanogaster. Learning & Memory 4:219-229

Han K.-A., Millar N. S., Grotewind M. S., DavisR. L. (1996): DAMB, a novel dopamine receptorexpressed specifically in Drosophila mushroombodies. Neuron 16: 1-20

Melzig J., Rein K., Schäfer U., Pfister H., JäckleH., Heisenberg M., Raabe T. (1998), A proteinrelated to p-21 activated kinase (PAK) that isinvolved in neurogenesis in Drosophila adultnervous system. Curr. Biol 8 (22): 1223-1226

Rein K., Zöckler M., Heisenberg M. (1999): Aquantitative 3D model of the Drosophila opticlobes. Curr. Biol 9:93-96

Rein K., Zöckler M., Heisenberg M. (1999a):Towards a quantitative 3D model of the

Drosophila brain. Göttingen Neurobiology report,Elsner N. und Eysel U, Ed., G. Thieme VerlagStuttgart, 840

Rein K., Hiesinger P. R., Zöckler M., Kirsten J.,Fischbach K. F., Heisenberg M. (2000): Three-dimensional Reconstruction of the DrosophilaLarval and Adult Brain. FLYBRAIN(www.flybrain.org)

Yang M. Y., Armstrong J. D., Vilinsky I., Straus-feld N. J., Kaiser K. (1995): Subdivision of theDrosophila mushroom bodies by enhancer-trapexpression patterns. Neuron 15: 45-54

Alle Visualisierungen wurden mit der SoftwareAmira (www.amiravis.com) durchgeführt.

Die Arbeiten wurden gefördert durch das BMBFVerbundprojekt Virtual Brain (BMBF Projekt Nr.0310958).

Abbildung 10: Genexpression.Dargestellt ist die Expressionzweier Gene (enhancer-trapLinien), die beide in Teilen desPilzkörpers aktiv sind (Ansichtvon hinten auf den Pilzkörper).

Oben: Expressionsmuster der Linie 201y, Färbung derZellkerne (nukleärer Reporter, Volumenvisualisierung).

Unten: Expressionsmuster der Linie MB247 in einer ZellFärbung (cytoplasmatischer Reporter, Volumenvisualisierungzusammen mit Iso-Oberfläche).

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Strukturelle und funktionelle Kernspin-tomographie des menschlichen Gehirns –Visualisierungen mit dem Hochleistungs-graphiksystem Onyx2

Andreas J. Bartsch, Georg Homola und Laszlo SolymosiAbteilung für Neuroradiologie,Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Mit Hilfe der Kernspintomographie gelingt es, strukturelle und funktionelle Bilddaten desmenschlichen Gehirns in hoher räumlicher und auch zeitlicher Auflösung zu akquirieren. Dabeiwird die Eigenschaft bestimmter Atomkerne ausgenutzt, ein resonanzfähiges magnetischesMoment zu besitzen. Ionisierende Strahlung wird bei dieser bildgebenden Methode nicht benö-tigt. Durch diese attraktiven Charkteristika konnte sich die Kernspintomographie zu einemeffizienten Instrument der bildgebenden Diagnostik und wissenschaftlichen Forschung für denMenschen entwickeln. Die Visualisierung und statistische Analyse der kernspintomographischenBildinformationen erfordert die Verarbeitung von Datenmengen im Bereich bis zu mehrerenhundert Megabytes. Bei der Auswertung von Stichproben mehrerer Personen sind einige Giga-bytes zu bewältigen. Der Einsatz einer leistungsfähigen Hard- und Software ist dafür notwendigeVoraussetzung. Das Hochleistungsgraphiksystem der Onyx2 gestattet die komfortable undanspruchsvolle Bearbeitung kernspintomographischer Bilder im Rahmen von Forschungs-projekten und zu ausgewählten medizinischen Zwecken. Hierzu sollen im folgenden einigeGrundlagen, Beispiele und Perspektiven vorgestellt werden.

Prinizipien der KernspintomographieDie verschiedenen Methoden kernspintomogra-phischer Bildgebung (Magnet-Resonanz-Tomo-graphie MRT, Magnetic Resonance Imaging MRI,Nuclear Magnetic Resonance NMR) beruhen aufder Eigenschaft bestimmter Atomkerne, einenquantenmechanischen Eigendrehimpuls (Spin)und das daran gekoppelte magnetisches Momentzu besitzen. Dadurch verhalten sie sich in einemhomogenen Magnetfeld als kleine permanent-magnetische Partikel und richten sich parallel zudem statischen Grundfeld Bstat =B0 aus (Abbil-dung 1a). Hierin können sie ähnlich wie mechani-sche Kreisel im Gravitationsfeld mit einer Kreis-frequenz ω0 präzidieren: Die Einstrahlung eines

hochfrequenten elektromagnetischen Wechsel-feldes (δB1(t)) auf eben dieser Präzessions-frequenz ω0 regt die magnetischen Kernmomentezur Präzession bzw. magnetischen Kernresonanzan, die sich nach Abschaltung des externen HF-Feldes δB1(t) unter Ausstrahlung eines ebenfallshochfrequenten, schwachen elektromagnetischenFeldes abbaut (Abbildung 1b). Die Rohdatendieser abgestrahlten HF-Signale lassen sichempfangen und dann zu Bildmatrizen transfor-mieren, wenn ihr Ursprung im Raum eindeutiglokalisiert werden kann. Eine solche Ortszu-ordnung wird dadurch möglich, daß dem homo-genen Grundfeld Bstat ein örtlich definiert anstei-

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gendes Gradientenfeld überlagert wird. Dessendrei Gradientenfeld-KomponentenG(t)=(Gx,Gy,Gz) werden in den drei Raum-richtungen (x,y,z) zu versetzten Zeiten geschaltet.Das gestaltet die magnetische Resonanz orts-abhängig, da das Signal nur in den Regionenangeregt wird, in denen Magnetfeld und einge-strahltes Feld zusammenpassen, d. h. dieResonanzbedingung erfüllt ist (Abbildung 1b).Genauere Details dieser Methode und Anwen-dung auf NMR des menschlichen Gehirns findensich in Referenz [1].

Im statischen Grundfeld Bstat des Kernspin-tomographen (MR-Scanner) werden Gradienten-feldschaltung G(t), HF-Einstrahlung (δB1(t)) undAuslesung der HF-Signale zu geeigneten Puls-sequenzen kombiniert, die während der Bild-

akquisition ablaufen. Hochfeldgeräte gewähren inder Regel bessere Signal-zu-Rausch-Verhältnisse,und durch starke Gradienten (bis zu > 60 mT/m)kann u. a. die Ortsauflösung verbessert werden.Modernen MR-Scannern stehen heute bereitsBstat-Feldstärken zwischen 0.3 Tesla bis zu über10 Tesla zur Verfügung. Zur Darstellung desmenschlichen Gehirns werden zumeist 1.5 Teslaverwendet, und an einigen Zentren kommenbereits 3-Tesla-Geräte zur Anwendung. Offengebaute MR-Scanner, die nicht in der sonstüblichen Röhrenform konstruiert werden, arbeitenim Bereich niedrigerer Feldstärken (um 0.3 T).Sie gestatten es, kernspintomographische Unter-suchungen auch bei sehr adipösen und Menschenmit deutlicher Platzangst sowie z. T. schonwährend operativer Eingriffe vorzunehmen.

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Grundprinzips der magnetischen Kernresonanz.

Die Phänomene der magnetischen Resonanzlaufen weit unterhalb des optischen Frequenz-spektrums ab, und ihre elektromagnetischenQuanten brechen im Gegensatz zu ionisierendenStrahlen keine Molekülbindungen auf. Dennochsind hohe Bstat-, δB1- und Gx,y,z-Feldstärkenbiologisch nicht völlig inert. Das statische FeldBstat zieht ferromagnetische Teile an, und entspre-chende Implantate können sich gegebenfallsverschieben. Ionische Ladungsträger könnendurch sehr starke Felder (über 10 T) an denStrömungsrand des schnell fließenden Blutesverlagert werden, und auch Makromolekülekönnen Orientierungseffekten unterliegen.Nervenleitgeschwindigkeit, elektrokardiogra-phische und -enzephalographische Aktivitätensind zumindest potentiell durch sehr starke

Magnetfelder reversibel beeinflußbar. Das HF-Wechselfeld δB1(t) kann insbesondere Erwärmun-gen erzeugen, seine Leistung wurde daher für dieGanzkörperbelastung mit einer spezifischenAbsorptionsrate auf i. d. R. 1 W/kg begrenzt. DieGradientenschaltungen können über ihre Gradien-tenanstiegsraten, Schaltfrequenzen und Maximal-gradientenstärken biologische Wirkungen entfal-ten, die von Magnetophosphenen (lichtblitzarti-gen Wahrnehmungen), leichten Kitzelgefühlen bishin zu Muskelzuckungen durch Nervenstimula-tionen reichen. Daher sind auch diese Wertedurch strenge Vorschriften begrenzt.

NMR gestattet so auf sicherem Wege eine örtlichund zeitlich hochaufgelöste Bildgebung, die freivon den Strahlenbelastungen des konventionellen

Strukturelle und funktionelle Kernspintomographie des menschlichen Gehirns

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„Röntgens“ (inklusive der Computer-Tomographie CT) und der nuklearmedizinischenVerfahren (z. B. Single-Photon-Emission-Compu-ter-Tomographie SPECT, Positronen-Emissions-Tomographie PET) arbeitet. Prinzipiell sind siealle der graphischen Visualisierung zugänglich,

durch ihre Datenfülle bedarf jedoch gerade dieMRT entsprechender Hochleistungsrechen-systeme. So stellt bereits die multiplanare Rekon-struktion einige rechentechnische Ansprüche anMR-Visualisierungen.

Strukturelle Magnetresonanztomographie (sMRT)Der Kern des Wasserstoffatoms, d. h. das Proton,weist ein starkes magnetisches Moment auf.Durch den hohen Wasseranteil vieler Gewebekommen Protonen im menschlichen Körperzudem häufig und in relativ hoher Dichte vor.Daher sind sie maßgeblich an der NMR beteiligt.Ihre Dichte unterscheidet sich jedoch zwischenverschiedenen Gewebetypen. Außerdem variierenweitere Parameter der Kernresonanz, insbesonde-re die sogenannten Relaxationszeiten. Als Spin-Gitter-Relaxationszeit T1 wird dabei die Zeit-konstante des Rückganges der Längs-, als Spin-Spin-Relaxationszeit T2 diejenige des Abfallensder Quermagnetisierung bezeichnet. Beidewerden durch die jeweilige Gewebezusammen-setzung bestimmt, wobei während der longitudi-nalen Spin-Gitter-Relaxation Energie auf dieUmgebung abgegeben und während der transver-salen Spin-Spin-Relaxation Magnetisierungzwischen „umklappenden“ Spins ausgetauschtwird. Die Einstellung der Repetitionszeit TR, d. h.der Zeit zwischen zwei Meßwiederholungeninnerhalb einer Pulssequenz, und der EchozeitTE, d. h. der Zeit von der Mitte des δB1(t)-Pulsesbis zum Entstehen des maximalen Echosignals,beeinflußt die Wichtung auf verschiedeneGewebekontraste [1]. Auf einzelne Puls-sequenzen, ihre Wichtungen und möglicheKontrastmittelgaben kann hier nicht näher einge-gangen werden. 3D-Gradienten-Echo-Sequenzenmit einer Präparation der Magnetisierung(Magnetization Prepared Rapid Gradient EchoMP-RAGE), die durch einen 180°-Puls vor jedemDurchlauf der Phasenkodierschritte erreicht wird,liefern aber beispielsweise auch bei kurzenRepetitionszeiten TR einen ausgesprochen gutenKontrast. Der Kopf eines Menschen kann so bei1.5 Tesla und einer isotropen räumlichen Auflö-sung von ca. 1 mm vollständig mit standardisier-ten Routineprotokollen in etwa 8 Minutengescannt werden. Abbildung 2 zeigt als Beispiel

einer strukturellen NMR-Aufnahme ein unauffäl-liges sagittales Schnittbild des humanen Gehirns.

Die Größe und räumliche Auflösung eines NMR-Datensatzes wird in erster Linie von der Anzahlder digitalen Volumenelemente (Voxel), d. h. vonder Pixelmatrix der Bildebene und der Anzahl derSchichten bestimmt. Die räumliche Ausdehnungder Voxel ergibt sich aus den Pixelgrößen und derSchichtdicke der Aufnahme. Die unterschiedli-chen NMR-Signalintensitäten werden bei derBildberechnung in Grauwerte transformiert, dieüber Kontrastabstufungen Gewebedifferenzie-rungen gestatten. Grundsätzlich liefert so jedesMRT-Bild gewisse strukturelle Informationen.Bei der sMRT des menschlichen Gehirns wird einbesonderer Wert gelegt auf die Differenzierungvon grauer, nervenzellhaltiger und weißer,nervenfaserführender Substanz sowie der zere-brospinalen Flüssigkeit. Ihre Trennung kanndurch manuelle, halb- oder vollautomatisierte

Abbildung 2: T1-gewichtetes strukturelles NMR-Schnitt-bild des menschlichen Gehirns, aufgenommen mit kurzemTR und TE einer MP-RAGE 3D-Sequenz, dargestellt

Strukturelle und funktionelle Kernspintomographie des menschlichen Gehirns

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Segmentierungen erfolgen, die mit schwellen-bezogenen Grauwertunterschieden operieren.Diese sind mit verschiedenen Softwarekompo-nenten des Onyx2-Systems möglich. UnterKenntnis der Voxelgröße lassen sich aus denGewebesegmentierungen die entsprechenden(Partial-) Volumina berechnen.

Innerhalb eines Gewebes kann das NMR-Signalweitere Informationen kodieren. So gelingt eszum Beispiel, einige Faserverläufe in der weißenHirnsubstanz durch sogenanntes diffusion tensorimaging zu untersuchen. Dabei werden fraktionalanisotrope Eigenschaften von Nervenfasern zurNMR genutzt, die sich aus der bevorzugtenDiffusion von Wasssermolekülen parallel entlangder Faserausrichtung ergeben. In anderen Orien-tierungen stellen Faserhülle, Membran undZytoskelett der Nerven Diffusionshindernisse dar.Teilweise gelingt es dadurch, die strukturelle,d. h. anatomische Konnektivität zwischen Hirn-regionen direkt und nichtinvasiv zu visualisieren.Für die Berechnung und graphische Veranschauli-chung der zugrundeliegenden vektoriellenDiffusionstensorenanalysen ist der Einsatz einesHochleistungsgraphiksystems zu empfehlen.

Neben der Gewebedifferenzierung spielt dieLokalisierung eine hervorragende Rolle. Umstandardisierte Beschreibungen zu ermöglichen,können sMRT-Daten des menschlichen Gehirnsim Koordinatensystem nach Talairach undTornoux ausgerichtet werden, welches sich anbestimmten, weitgehend invarianten anatomi-schen Strukturen orientiert. Abbildung 3 zeigt dievollautomatische Oberflächenrekonstruktioneines menschlichen Gehirns, die nach Segmentie-rung von NMR-Daten einer 3D-Sequenz (MP-RAGE) mit dem Programmpaket SPM99 [2] undeinem MATLAB-basierten Surface-Renderinggewonnen wurde. Darauf können Koordinateneindeutig zugeordnet werden, z. B. projiziert dergrün markierte Punkt in Abbildung 3 im individu-ellen Talairach-Raum auf [-51 11 -14] mm.

Ähnlich wie das menschliche Gesicht zeigt auchdas menschliche Gehirn eine faktisch unbegrenzteVariabilität seiner Ausdehnung und Formgestal-

tung. Das erschwert quantitative Vergleichezwischen Individuen, Gruppen von Personen unddie Beschreibung von Abweichungen seinerGestalt. Diese müssen in Zusammenhang mit derjeweils zugrundeliegenden Verteilung bewertetwerden. Die Projektion eines individuellenGehirns auf eine Wahrscheinlichkeits-Schablone(Probability-Template) visualisiert solche Abwei-chungen und unterstreicht regionale Eigenheiten.Ein Weg der Quantifizierung steht mit verschiede-nen Prozeduren der „Normalisierung“ auf virtuel-le Bezugs- oder sogenannte „Standardgehirne“zur Verfügung. Diese werden z. B. im Rahmender Anstrengungen vom International Consortiumfor Brain Mapping (ICBM, siehe http://nessus.loni.ucla.edu/icbm/) aus großen Stich-proben der NMR-Daten von menschlichenGehirnen gewonnen, so z. B. am MontrealNeurological Institute (MNI) aus einem Pool von152 bzw. 305 Personen. Nach der gemeinsamenAusrichtung im Talairach-Raum können mit dersMRT visualisierte menschliche Gehirne überWarping-Algorithmen derartigen Standard-gehirnen angenähert werden. Die dabei erfolgen-den virtuellen Deformationen resultieren infiktiven, voxelbezogenen Konzentrations-änderungen der Gewebe und erfordern unter-schiedliche vektorielle „Kraftfelder“. Abbildung 4zeigt ein Mapping der Statistik funktionellerNMR-Daten auf ein solches MATLAB-gestütztesSPM99-Surface-Rendering eines menschlichen„Referenzgehirnes“.

Abbildung 3: MATLAB-gestützte individuelle Oberflächen-rekonstruktion eines menschlichen Gehirnes nach SPM99-Segmentierungen eines 1mm isotropen MP-RAGE-Datensat-zes.

Strukturelle und funktionelle Kernspintomographie des menschlichen Gehirns

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auf Parameter der Perfusion und Sauerstoff-sättigung des menschlichen Blutes reagieren. ZurDarstellung derartiger Epiphänomene vonneuronalen, d. h. auf Nervenzellen zurückgehen-den Aktivitäten hat vor allem der „bloodoxygenation level-dependent“ (oder BOLD-)Effekt eine wichtige Bedeutung erlangt. BOLD-Kontraste entstehen u. a. dadurch, daß die meta-bolische Aktivierung neuronaler Felder denEinstrom des diamagnetischen, sauerstoffhaltigenroten Blutfarbstoffes in die frühvenöse undMikrozirkulation der entsprechenden Regionenerhöht. Das führt zu geringeren T2*-Verkürzun-gen des Gewebewassers unter dem lokalenSuszeptibiltätsgradienten-Einfluß des paramagne-tischen, sauerstoffhaltigen Hämoglobins. Mit derBOLD-fMRT können deshalb nichtinvasiv undohne ionisierende Strahlung hämodynamischeAntworten verfolgt werden, die neuronale Funk-tionen mit einer bestimmten zeitlichen Latenz(von ca. 2 – 5 s), aber auch mit einer gewissenräumlichen Unschärfe bei Auflösungen im Milli-meter-Bereich begleiten [1]. Insbesondere eignensich schnelle, T2*-gewichtete Sequenzen desEcho-Planar-Imaging. Die lokalen Signalver-änderungen, die in der BOLD-fMRT gemessen

Aus biologischer Sicht bilden morphologische(Ultra-)Struktur und physiologische Funktion vonZellen, Geweben, Organen bzw. deren Kompar-timenten natürlich keineswegs Antipoden. IhreTrennung bleibt insofern zu einem gewissenGrade stipulativ, und die Definition des Funk-tionsbegriffes erscheint ausgesprochen dehnbar.Funktionelle Abläufe bewegen sich allerdingseinerseits im strukturellen Raum, können diesenaber andererseits auch verändern. FunktionelleVisualisierungen konfrontieren uns daher bei-spielhaft mit den Problematiken bei der Veran-schaulichung komplexer Systeme.

Verschiedene NMR-Sequenzen lassen sich aufdiverse funktionsrelevante Kontraste wichten.Dabei können bereits einzelne NMR-Bilderfunktionelle Informationen enthalten, z. B. wennsie die (semi-)quantiativ beurteilbare Verteilungbestimmter Ionen erfassen. Da jedoch die meistenfunktionellen Parameter einen weiten Spielraumumfassen, stützt sich die fMRT in aller Regel aufZeitreihenanalysen und schreitet sozusagen vonder strukturellen dritten in eine funktionelle vierteDimension. Funktionell relevant für unser Gehirnsind insbesondere NMR-Kontraste, die sensitiv

Abbildung 4: Kognitive Stimulation des menschlichenGehirnes zur fMRT, und zwar durch wechselnde menschlicheGesichter (linker oberer Quadrant: Projektion signifikanterAktivierungen eines Probanden auf sein mittleres,realigniertes EPI-Volumen) bzw. durch Kontur-/Formänderung(rechts: Projektion signifikanter Aktivierungen von 12ProbandInnen auf ein anatomisches NMR-Referenzgehirn;parametrische SPM99-Auswertung)

Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)

Strukturelle und funktionelle Kernspintomographie des menschlichen Gehirns

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Die digitale Datenvisualisierung verdrängt zuneh-mend das konventionelle „Abfilmen“ in derNeuroradiologie. KernspintomographischeVisualisierungen auf Hochleistungsgraphik-systemen wie der Onyx2 bieten entscheidendeVorteile. Diese leiten sich zum einen aus derbeanspruchten Rechenzeit ab, zum anderenwerden jedoch auch Darstellungen möglich, dieauf herkömmlichen Rechnern nicht umgesetztwerden können. Die Graphik-Hardware derOnyx2 liefert hier hervorragende Voraussetzun-gen. Visualisierungen lassen sich in der zweitenund dritten Dimension kombinieren, und selbstzeitreihenbezogene Daten werden anschaulichdarstellbar. Abbildung 6 zeigt die Kombinationeiner anatomischen 2/3D-Visualisierung desmenschlichen Gehirnes aus sMRT-Daten.

Vorteile kernspintomographischer Hochleistungsvisualisierung

werden, sind dabei relativ klein, d. h. in derGrößenordnung von 1 – 3 % bei einer Bstat = 1.5Tesla. Abbildung 5 zeigt eine Zeitverlaufanalysedes BOLD-Signals in einer transversalen EPI-Schicht aus der durch Wechsel von Flickerlicht-Epochen stimulierten Sehrinde des menschlichenGehirns.

Die extrahierten Signalverläufe bzw. ihre Anpas-sung an Modellfunktionen gestatten funktionelleInterpretationen und statistische Untersuchungen.Entsprechende Algorithmen analysieren diefunktionellen NMR-Daten hypothesengeleitet(inferential, model-led in nicht/parametrischenTestungen) oder explorativ (data-driven), wobeisich die statistischen Ansätze im Idealfall ergän-

zen können. Verschiedene Programme stehendafür zur Verfügung. In der Regel sind jedochzunächst mehrere Schritte der spatiotemporalenDatenvorverarbeitung erforderlich, wie ein slicetiming (temporale Korrekturen auf die Verzöge-rungen zwischen den Schicht- und Volumen-akquisitionen insbesondere bei ereignisbezogenenStimulationen), die Bewegungskorrektur und ggf.Glättungsprozeduren. Die derart gewonnenenfunktionellen Karten sind ihrerseits wiederum als3D-Bilder visualisierbar und können auf einmittleres funktionelles Bild realigniert bzw. unterbestimmten Voraussetzungen auf den anatomi-schen Raum struktureller NMR-Daten kore-gistriert werden. Abbildung 4 zeigt ein derartigesMapping höherer visuell-kognitiver Funktionen.

Abbildung 5: Flickerlicht-stimulation der Sehrinde desmenschlichen Gehirns, Auswer-tung des Zeitverlaufes von Voxelneiner Mosaik-EPI-Schicht mit demAFNI-Package (Analysis ofFunctional NeuroImages 2.0) [4].

Abbildung 6: Das menschliche Gehirn aus MP-RAGE-Daten,dargestellt mit der Orthoslice- und Isosurface-Funktion.

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Freier Bildaufbau im Echtzeit-ModusDas Multiprozessor-System der Onyx2 ist grund-sätzlich „real-time-“ tauglich. Bei „on-line“Anbindung des MR-Scanners an ein derartigesSystems wird „Real-Time-Imaging“ möglich.„Off-line“ gestattet das System den freien Bild-aufbau aus transferierten NMR-Daten im Echt-zeit-Modus. Leider existiert keine direkte Anbin-dung der Universitätskliniken an die Onyx2 amHubland, die zu überwindende Distanz würde

allerdings auch enorme Kosten verursachen. Beieiner Größe hochaufgelöster sMRT-Daten einesganzen menschlichen Gehirnes von 25 – 50 MBund dem Umfang der fMRT-Daten von mehrerenhundert Megabytes können Bildschirmum-leitungen über das Netz jedoch keine adäquatenDatentransfer-Raten gewährleisten. Daher wirdvon unserer Arbeitsgruppe der Graphikraum amRZUW genutzt.

Abbildung 7 unterstreicht sukzessive Möglichkei-ten eines Hochleistungsgraphiksystems zurMultiplanar-Rekonstruktion unter simultanemDisplay mit Isosurface-Rendering und einer MIP-Projektion.

Abbildung 7: Das menschlichen Gehirnaus MP-RAGE-Daten, dargestellt mitmultiplen Simultan-Funktionen (Orthoslice,Isosurface, MIP-Projection-View).

Interaktives Volume-RenderingDer Texturspeicher der Onyx2 ermöglicht, auchumfangreiche s/fMRT-Daten weitgehend ininteraktiven Frame-Raten über 12 pro Sekundedarzustellen. Diese Fähigkeit ist u. a. zur Daten-inspektion, Kontrolle von Alignments undBewegungsartefakten etc. von Bedeutung. Abbil-

dung 8 veranschaulicht die Möglichkeiten desinteraktiven Volume-Rendering auf der Onyx2 inSnapshots von verschiedener Transparenz, dieOberflächen, Gefäße und Hirn unterschiedlichstark hervortreten lassen.

Abbildung 8: Interaktives Volume-Rendering des MP-RAGE-Datensatzes eines menschlichen Kopfes, dargestellt mit derVoltex-Funktion der Amira-Software mit geringer (links) und hoher Transparenz (rechts).

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3D-Segmentierung von BildkomponentenDie Segmentierung von normalen oder krankhaf-ten Gewebsanteilen bzw. Kompartimenten istanhand von Schwellenwerten in NMR-Bildernmöglich. Bis zu einem gewissen Grad könnendiese Prozesse automatisiert werden. Die Güte-begrenzungen von Schwellenwertanpassungenund der eingehenden Bilder erfordern jedochhäufig zusätzlich eine zeitaufwendige visuelleKontrolle und Unterstützung. Auf einem Systemwie der Onyx2 können 3D-Segmentierungen von

Bildkomponenten aus NMR-Daten komfortabelgelöst werden. Einige Software-Produkte bietendazu halb- bis vollautomatische Tracking-Toolsan, die z. T. später noch visuelle Korrekturen aufdie herauszuarbeitenden Konturen zulassen. InAbbildung 9 wurde so die rot dargestellte Strukturals ein gutartiger Tumor des Hörnervs(Akustikusneurinom) heraussegmentiert undeingefärbt.

Abbildung 9:sMRT-Hochleistungs-visualisierungeinesAkustikusneuri-noms (rot),dargestellt mitmultiplenSimultan-Funktionen(Segmentation,Orthoslice, Voltex,Average-Projection-View)der Amira-Software.

Generierung von VideosequenzenMit dem Onyx2-System können dynamischeVideosequenzen in verschiedenen Formatengeneriert werden. Dadurch werden f/sMRT-Datenund ihre Weiterverarbeitungen einer komfortablenInspektion und Präsentation zugänglich. Dievisuellen Stimualtionsprotokolle der fMRTstützen sich zudem teilweise auf äußerst komple-xe Bildserien. Diese können mit der Onyx2 leichtin Videofiles von verschiedenen Frame-Raten undKomprimierungen gefaßt werden. Um solcheVideoparadigmen bei der Akquisition der fMRT-Daten als externen Trigger für den Scannerverwenden zu können, hat unsere Arbeitsgruppemit Unterstützung von Herrn Haas eine innovati-

ve Methode entwickelt: Dabei werden die NMR-Sequenzen zeitlich kohärent zum Video aufBruchteile von Millisekunden genau über Impulseauf der Audiospur angetrieben. Da das externeTriggersignal auf eine Refraktärphase des Scan-ners treffen kann, verursacht die Delay-Zeit (TD)zwischen Aufnahme der letzten Schicht desaktuellen bis zur ersten des nächsten Volumens inder Zeitreihe ungleiche temporale Verschiebun-gen der Schichten. Das läßt sich im „slice timing“über virtuelle (d. h. freie) „time bins“ innerhalbder TD ausgleichen. Damit wird auch die schnel-le, ereignisbezogene fMRT videogetriebensteuerbar.

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Um die Möglichkeiten eines Hochleistungs-graphiksystems wie der Onyx2 adäquat nutzen zukönnen, bedarf es der Schulung, der Expertise,des Personals und einiger Zeit. Die Erstellungeines zweiminütigen Videofiles an der Onyx2 ausNMR-Daten kann mehrere Stunden des Entwur-fes, der „Choreographie“ und der endgültigenGenerierung beanspruchen. Beispielfiles sindüber die Autoren verfügbar. An weniger leistungs-starken Systemen, die kein interaktives Arbeitenmit großen Datenmengen unterstützen, verviel-facht sich der zeitliche Aufwand erheblich.Abbildung 10 zeigt die NMR-Hochleistungs-visualisierung eines MP-RAGE-Datensatzes desmenschlichen Gehirns. Die durchschimmerndenGefäßbäume unterstreichen, daß entsprechendeInformationen auch in nicht perfusions-gewichteten NMR-Bildern enthalten und z. T.ohne Kontrastmittelgaben darstellbar sind.

Abbildung 9 zeigt die sMRT-Hochleistungs-visualisierung eines Hörnerventumoren, wie siemittels NMR nichtinvasiv und präoperativ erfol-gen kann. Anhand dieser Bilder können die Mög-lichkeiten der Onyx2 nur statisch verdeutlichtwerden. Die Stärke des Systems liegt jedoch gera-de in der dynamisch-interaktiven Visualisierung.

Prinzipiell treffen die getroffenen Ausführungenauch auf die anderen o. g. medizinischen bildge-benden Verfahren zu. Beispielsweise können ge-eignete Bildnachbearbeitungen die Qualität vonnuklearmedizinischen und CT-Scans anheben unddadurch die notwendige Strahlenexposition fürPatientInnen reduzieren (s.a. http://www.gsf.de/).

Abbildung 11 bis Abbildung 13 zeigen weitereBeispiele der Hochleistungsvisualisierung vonfMRT-Daten des humanen auditorischen Systems.

Abbildung 10:NMR-Hochleistungs-visualisierung vonMP-RAGE-Datendes menschlichenGehirns, darge-stellt mit derVoltex- undProjection-View-Funktion vonAmira.

Beispiele von NMR-Hochleistungsvisualisierungen des menschlichen Gehirns

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AnmerkungDie Visualisierung wurde soweit nicht andersvermerkt mit dem Programm Amira(www.amiravis.com) auf dem Onyx2-Systemerstellt. Für die statische Datenanalyse kamen dieProgramme SPM [2] und AFNI [4] zum Einsatz.

Von den Autoren ist unterwww.neuroradiologie.uni-wuerzburg.de eineausführliche Version dieses Artikels zusammen

mit weiterführenden Literaturhinweisen und einerÜbersicht der laufenden Projekte der Arbeitsgrup-pe zu beziehen.

Naturwissenschaftliche bzw. medizinischeDiplomandInnen und DoktorandInnen sindherzlich willkommen, sich zu aktuellen Themen-angeboten zu informieren.

Referenzen[1] Orrisson W. W. (Editor): Neuroimaging,Saunders, Philadelphia (2000).

[2] SPM99 - Statistical Parametric Mapping,http://www.fil.ion.ucl.ac.uk/spm

[3] Bartsch AJ, Hofmann E, Homola G,Schumacher I, Oltmanns F, Jatzke S, WanningerF, Fallgatter AJ, Pfuhlmann B, Jabs B, HamelbeckB, Lesch KP, Hoell T, Solymosi L, Beckmann H:

BOLD contrast functional MRI of higher visualprocessing and the serotonin transporter promoterpolymorphism. International Journal ofNeuropsychopharmacology V3(1): S. 381(P.20.10), 2000.

[4] Analysis of Functional NeuroImages (AFNI),http://varda.biophysics.mcw.edu/ ~cox/index.html#AFNIstuff

Abbildung 12: Wie oben mit Projektion auf einen strukturel-len NMR-Scan; der grüne Voxel-Cluster fällt in den Bereichder menschlichen Hörrinde und könnte mit der akustischenAktivierung durch das EPI-Geräusch in Verbindung stehen.

Abbildung 13: fMRT-Aktivierung der rechten Hörrinde desMenschen unter elektrischer Reizung über das linke äußereOhr

Abbildung 11: Unilaterale Signaldifferenz (links) zwischenzehntem und drittem EPI-Scan eines Probanden in Projektionauf den mittleren, realignierten EPI-Voltex.

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Analyse der Zellmigration

Albrecht Schwab, Institut für PhysiologiePeter Dieterich, Rechenzentrum

Auf den ersten Blick erscheint es so, daß jede Zelle in unserem Körper einen fest vorgegebenenPlatz hat, den sie Zeit ihres Lebens nicht verläßt. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Praktischalle Zellen in unserem Körper sind zumindest während eines gewissen Abschnitts ihres Lebensauf Wanderschaft. Diese Mobilität der Zellen spielt für unser Wohlergehen eine große Rolle,denn wichtige physiologische Vorgänge hängen von der Zellwanderung (Migration) ab. Sopatrouillieren die weißen Blutkörperchen ständig durch unseren Körper, um im Rahmen derImmunabwehr z. B. eingedrungene Krankheitserreger unschädlich machen zu können. DerVerschluß von Wunden ist an das Einwandern von Zellen aus den Wundrändern in das verletzteGewebe gebunden. Ebenso hängt die Bildung neuer Blutgefäße vom Auswandern von Zellen derGefäßwand ab. Bei bestimmten krankhaften Veränderungen kann die Zellwanderung jedochlebensbedrohend werden. Das ist z. B. der Fall, wenn Krebszellen sich auf Wanderschaft machenund an anderen Stellen im Körper Tochtergeschwülste (Metastasen) entstehen.

Biologisch-medizinische MotivationEs ist also von großer medizinischer Bedeutung,die zellulären Vorgänge genau zu verstehen, diewährend der Zellwanderung ablaufen. Dazugehören zum einen dynamische Umbauvorgängeim Zellskelett, zum anderen auch der Transportvon Salz und Wasser über die Zellmembran. Einganz wesentlicher Punkt bei diesen Vorgängen istdie Tatsache, daß man bei wandernden Zellen aufden ersten Blick ein Vorder- und ein Hinterendeunterscheiden kann. Die daraus resultierenderäumliche Trennung verschiedener Umbauvor-gänge im Zellskelett bzw. Transportschritte überdie Zellmembran ist Voraussetzung für dieZellwanderung. Abbildung 1 zeigt in schemati-scher Form die Verteilung und Wirkung einigeran der Zellwanderung beteiligter Transport-

proteine. Sie bewirken vereinfacht gesagt einSchwellen des Vorderendes und ein Schrumpfendes Hinterendes wandernder Zellen.

Experimente, die sich mit den Mechanismen derZellwanderung beschäftigen, laufen oft so ab, daßdas Wanderungsverhalten von Zellen beobachtetwird, die z. B. mit Pharmaka behandelt oder mitgentechnischen Methoden verändert worden sind.Um die dabei auftretenden Phänomene quantitativerfassen und damit Rückschlüsse auf bestimmtezelluläre Vorgänge ziehen zu können, ist es daherunerläßlich, das Wanderungsverhalten so genauwie möglich beschreiben und analysieren zukönnen.

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Analyse der ZellbewegungExperimentell wird die Zellbewegung zunächstmit einer an einem Mikroskop angeschlossenenVideokamera aufgezeichnet. Anschließendmüssen die Bildsequenzen, die aktuell bis zu1000 Bilder mit Zeiten von 1-120 Sekundenzwischen den einzelnen Bildern umfassen,ausgewertet werden.

Zum einen können aus den EinzelbildsequenzenMPEG-Videos o. ä. generiert werden, die einevisuelle Analyse der Dynamik erlauben. Anderer-seits müssen die Zellen für eine quantitativeAnalyse gekennzeichnet (segmentiert) werden.Hierzu kommt das Programm Amira auf derOnyx2 zum Einsatz. Amira bietet das Tool ImageSegmentation Editor (siehe Abbildung 2), wel-ches die halbautomatische Segmentierung vonZellkonturen erlaubt.

Wie in Abbildung 2 gezeigt, können die einzelnenZellen pro Bild in ihren Umrissen gekennzeichnetwerden. Dies geschieht interaktiv, wobei diverse

Methoden diesen Prozeß unterstützen und auto-matisieren. Hierzu zählen:

• Ein Lasso-Tool, das durch das Verfolgen vonKanten nicht das vollständige Umfahren desObjektes erfordert, sondern nur den gelegentli-chen manuellen Eingriff an kritischen Stellen.

• Ein sogenanntes Snake-Tool, das eine aktiveKontur, die mit einem geschlossenen Gummi-band verglichen werden kann, an die vorhan-denen Zellstrukturen (beispielsweise Kantenund Grauwerte) anpaßt. Dieses kann auch aufdas nächste Bild übertragen und automatisiertan die aufgrund der Zellbewegung entstehen-den Veränderungen angepaßt werden.

• Ein Interpolationstool, welches es erlaubt, daßaus zwei oder mehreren bereits definiertenZellkonturen die dazwischenliegendenZellumrisse berechnet werden.

Abbildung 1: Schematische Darstellung einer von links nachrechts wandernden Zelle. Dem Auswachsen des Vorderendesliegt u. a. die Salz- und Wasseraufnahme mit den Na+/ H+-und Cl-/HCO3

--Austauschern sowie dem Na+-HCO3--

Kotransporter zugrunde. Das Nachziehen des Hinterendeswird durch einen K+-Kanal unterstützt, der für ein lokalesSchrumpfen an diesem Zellpol verantwortlich ist.

Analyse der Zellmigration

HCO3-

CL-

HCO3-

Na+

H+

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Damit ist es möglich, in vertretbarer Zeit und mithoher Genauigkeit die Zellbewegung zu erfassen.Nicht zu unterschätzen ist dabei auch die Lei-stung der Onyx2, die den interaktiven Zugriff aufdie Bildsequenzen erlaubt, die typischerweiseeinige hundert Megabyte umfassen.

Aus den Zellkonturen, die nach der Segmentie-rung zu jedem Beobachtungszeitpunkt bekanntsind, können nun Größen berechnet werden,welche die Dynamik der Zellbewegung charakte-

risieren. In Abbildung 2 ist beispielsweise die ausden Konturen für die orange gekennzeichneteZelle resultierende Trajektorie dargestellt. In denSnapshots ist diese zusammen mit den Original-bildern illustriert.

Weitere Größen wie Fläche oder Strukturindexsind aus den Segmentierungsdaten ableitbar undsollen helfen, die Zelldynamik auch quantitativ zuerfassen.

Abbildung 2: Links oben ist der Segmentierungseditor von Amira gezeigt, der auf eine Serie von Bildern angewendet wird, dieZellbewegungen zeigen. Mit diversen Hilfsmitteln können die Zellkonturen erfaßt werden. Die Zelltrajektorie rechts zeigt dieBewegung der orange gekennzeichneten Zelle über einen Zeitraum von 78 Minuten, wobei etwa alle 5 Sekunden Aufnahmengemacht wurden (knapp 1000 Meßzeitpunkte). Unten wird ein Overlay der Originalbilder der orangen Zelle zusammen mit derZelltrajektorie gezeigt. Der zeitlich passende Schwerpunkt ist dabei mit einem Kreis markiert.

Image Segmentation Editor von Amira

Trajektorie der Zellbewegung

Snapshots zu verschiedenen Zeitpunkten

Analyse der Zellmigration

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Amira zur Visualisierung von3D-NMR-Daten

Frank Schaupp, Daniel Haddad, Silvia Olt, Sascha Köhler und Axel Haase,Lehrstuhl für Experimentelle Physik V (Biophysik)

Von den menschlichen Sinnen ist der visuelle wohl der faszinierendste. Mit einem Blick vermagman komplexe Zusammenhänge ebenso zu erfassen wie räumliche Strukturen. Die nichtinvasive Methode der NMR-Tomographie liefert Bilder und Meßwerte aus dem Inneren leben-der Organismen, und so visuelle Informationen über die Struktur und Funktion innerer Organe,vom Handgelenk bis zum Gehirn. In enger Zusammenarbeit mit Biologen und Medizinernentwickelt unsere Arbeitsgruppe Verfahren zur Bildgebung an Pflanzen, Tieren und Menschen.Laufende Projekte beschäftigen sich unter anderen mit Angiographie, Fluß- und Perfusions-messungen an verschiedenen biologischen Systemen, z. B. am Rattenherzen oder dem menschli-chen Gehirn. Mit NMR-Mikroskopie an Zellkonglomeraten und an der Biene können selbstkleinste Strukturen sichtbar gemacht und z. B. deren Stoffwechsel beobachtet werden. Späte-stens seit der Anschaffung des Hochleistungsgrafikrechners Onyx2 kommen verstärkt neueVisualisierungstechniken zum Einsatz.

EinleitungWährend man mit der Graphiksoftware IDL,einer befehlszeilenorientierten Entwicklungs-umgebung, ein Werkzeug zur Prozessierung,Quantifizierung und einfachen 2D- und 3D-Visualisierung der Rohdaten zur Hand hat, bietendie Module von Amira Möglichkeiten, sichschnell und interaktiv einen dreidimensionalen

Eindruck seines Datensatzes zu verschaffen undihn weiterzuverarbeiten. Hier ist vor allem dasSegmentieren wichtig, um die inneren Strukturenzu quantifizieren oder Oberflächenrekonstruk-tionen zu erstellen. Auf der Onyx2 ist dies auchmit den für uns üblicherweise bis zu 100 MBgroßen Datensätzen in Echtzeit möglich.

Möchte man sich zum Beispiel den Gefäßverlaufim Herzen oder Gehirn anschauen, so vermitteltdas Durchsehen der einzelnen 2D - Schnittbildernur schwer einen räumlichen Eindruck desGefäßverlaufes. Bei einer Maximum-Intensity-Projection (MIP) projiziert man jeweils entlangeiner Raumrichtung den Punkt mit dem größtenGrauwert auf eine Fläche und kann damit denVerlauf kleinster Gefäße und sogar Engstellen derHerzkranzgefäße sichtbar machen (vgl. Abbil-

Angiographie und MIPdung 1). Bilder mit geeigneter Auflösung könnenbislang nur im Tierversuch gewonnen werden,aber in der Regel werden so entwickelte Aufnah-metechniken in der Zukunft auch am Menscheneingesetzt.

Unterscheiden sich in einem Bild die Grauwerteder verschiedenen Strukturen stark, spricht manvon einem guten Kontrast. Bei kontrastreichenBildern liefert das Isosurface-Modul gute Ergeb-

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nisse. Dabei setzt man eine Schwelle, die eineGrenze zwischen innen und außen und damit eineOberfläche definiert. Grauwerte kleiner als dieSchwelle liegen außerhalb der Oberfläche,größere innerhalb. Während eine Maximum-

Abbildung 1: Maximum Intensity Projectioneiner Angiographie des Rattenherzens.

Abildung 2: Maximum Intensity Projection einerAngiographie des menschlichen Kopfes mit Isosurface.

Direktes VolumerenderingAm eindrucksvollsten und intuitivsten zumBetrachten dreidimensionaler Datensätze ist wohldas direkte Volume Rendering Modul (Voltex).Ordnet man jedem Datenpunkt entsprechendseinem Grauwert einen Wert für Lichtemissionund -absorption zu und simuliert dann den Durch-gang von Licht durch das komplette Volumen,erhält man eine Darstellung, bei der die Struktu-ren des Datensatzes als transparente 3D Wolkenerscheinen. Als Beispiel dient ein 3D-Datensatzeines Bienengehirns, der mit dem Voltex Modulbearbeitet und dann mit der Snapshot-Funktionaus geeigneter Perspektive „fotografiert“ wurde(vgl. Abbildung 3).

Intensity-Projection (Abbildung 1) eine guteVorstellung vom Gefäßverlauf vermittelt, verwen-det man das Isosurface Modul, um den dreidi-mensionalen Verlauf der Gefäße direkt darzustel-len (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 3: Voltex–Darstellung (Volume rendering) einesBienenkopfes.

SegmentierungOrdnet man in den einzelnen Schichten einesDatensatzes jeweils den Bereich, der zu einembestimmten Organ gehört, einem sogenannten

Material zu, erhält man ein Label Field, dasanstatt der kompletten Bilddaten nur noch eineschematische, dreidimensionale Darstellung der

Amira zur Visualisierung von 3D-NMR-Daten

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ausgewählten Organe beinhaltet. Das Label Fieldwird z. B. als Grundlage zur Oberflächen-rekonstruktion der einzelnen anatomischenStrukturen des Bienengehirns, wie der optischeLoben (gelb), der Antennal-Loben (grün) und derPilzkörper (rot; vgl. Abbildung 4) verwendet.Außerdem dient das Label Field zur Quantifizie-rung des Volumens dieser Organe und zu numeri-schen Simulationen auf der Basis finiter Elemen-te. Präpariert man ein Bienengehirn aus derKopfkapsel heraus, kann man, nach einerFluoreszenzfärbung, mittels konfokaler Mikros-kopie hochaufgelöste 3D-Datensätze gewinnen.Ein Nachteil dieser Bilder ist, daß sich das Gehirnaußerhalb der Kopfkapsel verformt und nichtmehr seine natürliche räumliche Struktur besitzt.Die mit NMR aufgenommenen Bilder besitzeneine niedrigere Auflösung, zeigen das Gehirn aberinnerhalb der Kopfkapsel. Legt man nun mitAmira den konfokalen Datensatz in halb-transparenter Darstellung über den NMR Daten-satz, kann man die Bilder der beiden Methodendirekt miteinander vergleichen und Aussagenüber die bei der Präparation des Gehirns unver-meidlichen Verformungen machen.

In einem segmentierten Datensatz (vgl. Abbil-dung 4) können nun einzelne Materialien (Orga-ne) ein- und ausgeblendet werden, was natürlicheinerseits die Darstellung einzelner Organeermöglicht, ohne daß diese wie im ursprünglichenBilddatensatz durch andere verdeckt werden.Andererseits kann man gerade beim Zusammen-setzen mehrerer Organe nach dem Baukastenprin-zip aus deren Stereogeometrie auf die funktionel-le Verknüpfung der Organe untereinander schlie-ßen. Dies kann vor allem bei der Betrachtung derVerschaltung der einzelnen Hirnbereiche äußerstnützlich sein.

Neben einer rein manuellen Segmentierungerlauben die Werkzeuge und Funktionen desImage Segmentation Editor auch eine halbauto-matische Auswahl und erleichtern damit dieArbeit erheblich. Trotzdem ist immer das kriti-sche Auge des Benutzers gefragt, um sicherzu-stellen, daß die vom Computer vorgeschlageneStruktur auch biologisch sinnvoll ist.

Durch die grafische Oberfläche ist die Benutzungvon Amira weitgehend selbsterklärend und leichtzu erlernen.

Abbildung 4:Oberflächen-rekonstruktioneines Segmen-tierten Datensat-zes einesBienengehirns.

Amira zur Visualisierung von 3D-NMR-Daten

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Das ATM-Kernnetz der Universität Würzburg

Helmut Celina, Rechenzentrum

Die Bedeutung der Datenkommunikation innerhalb wie außerhalb der Hochschule ist in denletzten Jahren dramatisch gestiegen. Einerseits werden an den Arbeitsplatzrechnern von Mitar-beitern und in den Rechnerräumen für die Studierenden verwendete Programme häufig vonzentralen Novell-Servern oder Unix- bzw. Linux-Applikationsservern geladen und Dateien aufServer-Laufwerken abgespeichert. Andererseits wird auch eine schnelle Anbindung an das Netzdes DFN-Vereins (siehe Artikel „Die Universität Würzburg im Gigabit-Wissenschaftsnetz“) unddamit an das Internet benötigt, um Mails verschicken und empfangen oder im WWW nachInformation suchen zu können. Innerhalb der Universität übernimmt die Aufgabe der Daten-weiterleitung inzwischen das seit kurzem fertiggestellte ATM-Kernnetz.

HistorieAls erstes gesamtuniversitäres Kernnetz wurdeEnde 1993 ein Lichtwellenleiterring in Betriebgenommen, der vier Campusbereiche (Hubland,Kliniken, Röntgenring und Sanderring) und dreigrößere Gebäudekomplexe (Alte Universität,Residenz und Wittelsbacherplatz) miteinanderverband. Als Netzwerktechnik auf diesen von derTelekom angemieteten Glasfasern kam dasÜbertragungsprotokoll FDDI zum Einsatz, so daßfür den gesamten Backbone-Datenverkehr insge-samt 100 MBit/s zur Verfügung standen. Dieeinzelnen Teilnetze der Campus- bzw. Gebäude-bereiche waren mit Ethernet (10 MBit/s) ange-schlossen. Bei den aktiven Netzwerk-komponenten im FDDI-Ring handelte es sich umAGS+-Router der Firma Cisco.

1997 wurden dann im Rahmen des Netz-investitionsprogrammes (NIP) Switches vom TypOmni der Firma Xylan (inzwischen Alcatel)beschafft und das Campusnetz Hubland auf dieneuere Netzwerktechnik ATM (AsynchronousTransfer Mode) umgestellt. Die zur Verfügungstehende Bandbreite auf diesen immer noch imEinsatz befindlichen Strecken beträgt 155 MBit/s,wobei nun jedoch durch die Sternstruktur aufjeder Einzelverbindung die volle Bandbreitegenutzt werden kann.

Abbildung 1: Switch der Firma Xylan/Alcatel.

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Abbildung 2: Datennetz der Universität Würzburg.

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Aktueller StandDurch Anmietung neuer Glasfaserstrecken imStadtbereich, die durch die Firma wücom bereit-gestellt werden, konnte nun seit Anfang 2000 dasalte Stadtnetz sukzessive ebenfalls auf neuereATM-Komponenten umgestellt werden. DieStruktur ist ein teilvermaschtes Viereck Sander-ring–Röntgenring–Frauenklinik–Rechenzentrum,an das in Form von vier Sternen die übrigenGebäude der Universität angeschlossen sind.Auch Gebäude, die bislang nur mit 10 MBit/sangebunden waren, profitieren nun von höhererBandbreite, die auf den neu geschaffenen Verbin-dungen überwiegend 622 MBit/s beträgt. ZumEinsatz kommen größtenteils Switch/Router vomTyp 8540MSR der Firma Cisco; die alten FDDI-Router sind gänzlich aus dem Backbonenetz derUniversität verschwunden.

Abbildung 3:8540MSR derFirma Cisco.

Vorteile der neuen NetzstrukturZunächst einmal sind die neuen Netzwerk-komponenten natürlich erheblich leistungsfähigerals die Router aus dem Jahr 1993, um den gestie-genen Anforderungen an das Datennetz gerechtzu werden. Doch der Bandbreitengewinn undhöhere Routing-Leistung sind nicht die einzigenVorteile, die aus dem Einsatz von ATM imHochschulnetz entstehen.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Netztechnolo-gien wie Ethernet oder FDDI, die jedes Daten-paket unabhängig von allen anderen Daten-paketen behandeln, ist ATM prinzipiell verbin-dungsorientiert. Dadurch kann einer bestimmtenVerbindung relativ leicht eine spezielle Dienst-güte garantiert werden. Anwendungen, die garan-tierte Bandbreiten benötigen (Sprachübertra-gungen in Telefon-Qualität, Video-Ströme usw.),werden dadurch ermöglicht. Mithilfe zweierkürzlich vom Rechenzentrum beschaffter ATM-Codecs lassen sich so, unbeeinflußt von gleich-zeitig auf den verwendeten Fasern auftretendemInternet-Verkehr, Audio- und Video-Signale inPAL-Qualität übertragen.

Aufsetzend auf dem ATM-Grunddienst derDatenzellen-Weiterleitung erfolgt der jeweiligeVerbindungsaufbau durch PNNI (Private Networkto Network Interface), welches sich durch dyna-misches Routing auszeichnet. Dies bedeutet, daßbei Vermaschungen der Netztopologie (wie sieauch im Universitätsnetz vorhanden sind) allemöglichen Wege zwischen zwei Endpunkten zurVerfügung stehen. Neben der Lastverteilung aufden bestehenden Verbindungen ermöglicht diesauch, bei plötzlich auftretenden Zusatzanforde-rungen die Bandbreiten durch Zuschaltungweiterer Wege zu erhöhen. Diese Skalierbarkeitbedeutet jedoch keinen höheren Konfigurations-aufwand, da das PNNI-Protokoll die notwendigenAnpassungen der Topologie automatisch vor-nimmt. Außerdem ist durch Schaltung vonRedundanzwegen eine höhere Ausfallsicherheitgewährleistet.

Auf höheren Protokollschichten ermöglicht ATMdie Bildung von virtuellen lokalen Netzwerken(VLANs), die eine größere Flexibilität bei derDefinition von Subnetzen gewähren. So läßt sich

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beispielsweise für die Zeitdauer des Umzugseines Instituts in ein neues Gebäude das verwen-dete Subnetz auf beide Gebäude ausdehnen. Diemitgenommenen Rechner müssen dann nach demUmzug nicht umkonfiguriert werden, sondernkönnen mit ihrer alten Internetadresse weiterver-

wendet werden. In Fällen von erhöhtenDatenschutzanforderungen können ATM-VLANsdurch Verschlüsselungshardware oder Softwareauch zu virtuellen privaten Netzwerken (VPNs)werden.

Details der Netzwerktechnik ATMUnterschiedliche Datenströme auf einem Mediumstellen unterschiedliche Anforderungen an dasverwendete Netzwerkprotokoll. So ist zumBeispiel Sprachübermittlung (Telefonie) sehrempfindlich gegenüber Datenverzögerung(delay), aber relativ unempfindlich gegenüberDatenverlust (loss); Knacken oder Knistern in derLeitung wird beim Telefonieren eher akzeptiertals Verzerrung der Sprache. Andererseits istbeispielsweise Dateiübermittlung per FTP (FileTransfer Protocol) sehr empfindlich gegenüber

Datenverlust (ein fehlendes Byte kann eine ganzeDatei unbrauchbar machen), aber recht unemp-findlich gegenüber Verzögerungen.

Bei der Entwicklung von ATM stand also dieNotwendigkeit im Vordergrund, mit einer Techno-logie sehr unterschiedliche Anforderungen undCharakteristiken abdecken zu können.

ATM arbeitet mit Datenpäckchen einer festenLänge. Jede ATM-Zelle ist 53 Byte lang und

Abbildung 4: Analyse einer ATM-Verbindung mit dem Netzwerkanalysator Prism-Lite der Firma Radcom.

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damit kürzer als typische Pakete anderer Proto-kolle für Datennetzwerke, aber länger als Zellenanderer digitaler Telefonvermittlungsprotokolle.

Da ATM ein verbindungsorientiertes Protokollist, um Dienstgüte (Quality of Service, QoS)leicht implementieren zu können, muß vor demVersenden von Daten eine durch das ganze Netzführende Verbindung aufgebaut werden. Dazuwerden zahlreiche Parameter (voraussichtlichedurchschnittliche Datenrate, Häufigkeit undmaximale Größe von Spitzenlast, Verträglichkeitvon Paketverlust, ...) übermittelt und an jedembeteiligten Netzwerkknoten berücksichtigt. Dergesamte Verbindungsaufbau erfolgt bei Bedarfautomatisch; man spricht hierbei von SwitchedVirtual Circuits (SVCs). Bei Bedarf können auchfeste Verbindungen geschaltet werden, sogenann-te Permanent Virtual Circuits (PVCs).

Kommt eine Verbindung zustande, so werden ihrauf jeder Einzelstrecke zwei Identifikations-nummern, Virtual Path Identifier (VPI) undVirtual Channel Identifier (VCI), zugeordnet.Anhand dieser beiden Bitfolgen kann jede an-kommende Zelle in einem ATM-Switch sehrschnell auf die richtige weiterführende Leitung

vermittelt werden. Der 5 Byte lange Kopf(Header) einer ATM-Zelle besteht also im wesent-lichen aus eineinhalb Byte VPI, zwei Byte VCI,einem halben Byte Datentyp-Bezeichner (PayloadType Identifier, PTI) und einem Byte Quersumme(Header Error Control, HEC). Für die Nutzdatender Verbindung stehen dann noch 48 Byte je Zellezur Verfügung.

Um herkömmliche lokale Netze (Local AreaNetworks, LANs) und ihre Netzwerkprotokolleauch über ein ATM-Netz hinweg verwenden zukönnen, wird im Kernnetz der Universität Würz-burg LAN-Emulation (LANE) eingesetzt. DerBenutzer ist deshalb nicht auf spezielle ATM-Anwendungen angewiesen. Gleichzeitig könnenaber Server direkt mit ATM-Netzwerkkartenausgestattet werden, um eine optimale Anbindungzu gewährleisten. Die Konfiguration der LAN-Emulation erfolgt über den sogenannten LANEmulation Configuration Server (LECS), der deneinzelnen LANE Clients die Kommunikation mitdem LAN Emulation Server (LES) und demBroadcast and Unknown Server (BUS) ermög-licht. Diese wiederum verwalten und verteilen dieATM-Adressen der einzelnen Clients und ermög-lichen so den Datenaustausch.

Die Zukunft von ATM im HochschulnetzParallel zur Entwicklung von ATM-Standards fürimmer höhere Bandbreiten wurden auch andereNetzwerktechnologien weiterentwickelt. Sowurde Ethernet (10 MBit/s) inzwischen weitge-hend durch Fast Ethernet (100 MBit/s) abgelöst,Gigabit-Ethernet (1000 MBit/s) ist ebenfallsstandardisiert und auch verfügbar, und Gremienarbeiten an der Entwicklung von 10-Gigabit-Ethernet. Diese Techniken zeichnen sich dadurchaus, daß bewährte Verfahren verwendet werden,die sich relativ leicht implementieren lassen. Dieverfügbaren Komponenten sind also pro An-schluß meist billiger als ATM-Anschlüsse ver-gleichbarer Bandbreite. Allerdings darf nicht

vernachlässigt werden, daß ATM einige Möglich-keiten bietet, die mit einer Ethernet-Technologienicht oder nur schlecht zu verwirklichen sind. Fürdie nächsten Jahre ist also wohl davon auszuge-hen, daß ATM als Netzwerktechnologie imKernnetz zum Einsatz kommen wird, währendEndgeräte (PCs, Drucker, usw.) mit Fast Ethernet(oder in Zukunft vielleicht auch mit Gigabit-Ethernet) angeschlossen werden. Große Bedeu-tung kommt dadurch Switch/Routern zu, die alsVermittlungskomponente einerseits in ein ATM-Netz integriert werden können, andererseits abermit hohen Portdichten Fast-Ethernet u. ä. bereit-stellen.

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Die Universität Würzburg im Gigabit-Wissenschaftsnetz

Hartmut Plehn, Rechenzentrum

Die Anbindung der Universität an das Internet wurde am 10. Oktober 2000 vom Breitband-Wissenschaftsnetz (B-WiN) auf das Gigabit-Wissenschaftsnetz (G-WiN) umgestellt. DieAnschlusskapazität wurde dabei mehr als vervierfacht.

Die Erfahrungen der letzten Jahre im B-WiNzeigen, dass sich wie auch in vergleichbarenLändern die von einer deutschen Hochschule überdas Internet übertragenen Datenmengen typi-scherweise einmal pro Jahr verdoppeln. DerVerein zur Förderung eines Deutschen For-schungsnetzes (DFN-Verein), staatlich geförder-ter Provider für die Hochschulen und Forschungs-einrichtungen in Deutschland, löst daher derzeit

das 1996 in Betrieb gegangene B-WiN durch dasG-WiN ab. Die Universität Würzburg ist seit dem10. Oktober 2000 an das G-WiN angebunden,wobei die Anschlusskapazität gegenüber dem B-WiN von 34 Mbit/s auf 155 Mbit/s erhöht wurde.Die Umstellung war sowohl vom DFN-Verein alsauch vom Rechenzentrum gut vorbereitet, so dasssie völlig reibungslos und fast unbemerkt vonstat-ten ging.

Warum G-WiN?

Struktur und Technik des G-WiNDas G-WiN setzt sich aus einem Kernnetz,Zugangsleitungen zu den Mitgliedseinrichtungenund Auslandsanbindungen zusammen. Im Kern-netz sind die 10 sogenannten Level-1-Knoten mitmehreren anderen Kernnetzknoten verbunden.Die geplanten 19 Level-2-Knoten sind über zweiunabhängig voneinander geführte Glasfaser-strecken an jeweils einen Level-1-Knoten ange-bunden, siehe Abbildung 1.

An die Kernnetzknoten sind die Mitgliedsein-richtungen mit Kapazitäten von derzeit 128 kbit/sbis 622 Mbit/s angeschlossen. Das entspricht derGeschwindigkeit von 2 bzw. fast 10000 parallelenISDN-Kanälen. Das G-WiN ist so konzipiert, dasseinzelne Hochschulen bei Bedarf mit einerBandbreite von 2.4 Gbit/s, in einer späteren Phasesogar mit Vielfachen dieser Bandbreite ange-schlossen werden können. Die Bezeichnung

„Gigabit“-Wissenschaftsnetz ist daher durchausgerechtfertigt.

Mit der Umstellung auf das G-WiN wurden dieVerbindungen vom WiN in die USA von viermal155 Mbit/s auf zweimal 622 Mbit/s erweitert.Weiterhin besitzt das G-WiN Anbindungen an daseuropäische Forschungsnetz TEN-155. Für dieKonnektivität zu kommerziellen Netzprovidern(wie T-Online) gibt es neben dem bisher schonbestehenden gemeinschaftlichen AustauschpunktDE-CIX (Common Exchange Point) in Frankfurtauch die Möglichkeit, direkte bilaterale Übergän-ge zwischen den Netzen anderer Provider unddem G-WiN zu betreiben.

Im G-WiN wird vom DFN-Verein als Grund-dienst (DFN-Internet) das Internet Protocol (IP)auf Basis des Übertragungsprotokolls Packet

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Over SONET (POS, SONET=SynchronousOptical NETwork) vermittelt. AsynchronousTransfer Mode (ATM), das im B-WiN noch alsÜbertragungsprotokoll eingesetzt wurde, wird imG-WiN nur als Zusatzdienst (DFN-ATM) angebo-ten und ist nicht mehr im Entgelt für den Basis-anschluss enthalten. Nur ATM bietet die fürAnwendungen wie Vorlesungsübertragungen inEchtzeit oder Telemedizin benötigten geringenVerzögerungszeiten. Daher wird aufgrund dersteigenden Nachfrage nach solchen Diensten dieAnmietung des DFN-ATM-Dienstes voraussicht-lich erforderlich sein.

Als weiterer Zusatzdienst wird vom DFN-Vereindie zeitlich begrenzte Schaltung von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen zwei Mitgliedsein-richtungen mit festgelegten und reserviertenBandbreiten angeboten (DFN-Connect).

Abbildung 1:Kernnetz-struktur desG-WiN.

KernnetzknotenDer DFN-Verein betreibt anders als noch beimB-WiN die Kernnetzstandorte selbst. Im allgemei-nen ist das Equipment in Räumen netztechnischzentral gelegener Mitgliedseinrichtungen unterge-bracht. So befindet sich der Kernnetzknoten inWürzburg im Raum U24 des Rechenzentrums amHubland und versorgt von da aus über Zugangs-leitungen die Universität und die FachhochschuleWürzburg-Schweinfurt. Abbildung 2 zeigt dieAusstattung des Würzburger Kernnetzknotens mitinsgesamt sechs Netzwerkschränken, von denendrei mit Equipment der DeTe-Systeme, die die

G-WiN-Glasfaserverbindungen betreibt, und dreimit Netzkomponenten des DFN-Vereins bestücktsind. Um Ausfallsicherheit und eine hohe Verfüg-barkeit zu gewährleisten, wurde bei der Herrich-tung der Standorte ein hoher Aufwand betrieben.So ist die Stromversorgung der Netzwerk-schränke beispielsweise auf zwölf separat gesi-cherte Stromkreise verteilt, die an USV-Anlageund Notstrom-Aggregat angeschlossen sind. DieSchränke sind außerdem klimaüberwacht und mitelektronisch per PIN zu öffnenden Türschlössernversehen.

Abbildung 2: Netzwerk-schränke im G-WiN-Kernnetz-knoten Würzburg.

Die Universität Würzburg im Gigabit-Wissenschaftsnetz

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VerfügbarkeitBei der Konzeption des G-WiN wurde besondersgroßer Wert auf eine hohe Ausfallsicherheit undVerfügbarkeit gelegt. Zum Beispiel ist der Kern-netzknoten in Würzburg, einer von derzeit 27Kernnetzknoten in Deutschland, über zweiunabhängig voneinander geführte und rund umdie Uhr überwachte Glasfaserstrecken an denbenachbarten Knoten in Erlangen angebunden(siehe auch Abbildung 1).

Das Rechenzentrum seinerseits versucht imRahmen der personellen, technischen und

finanzierbaren Möglichkeiten ebenfalls, durch dieStruktur des Backbone-Netzes wichtige Bereichedes Netzes ausfallsicherer zu gestalten. Im neuenUniversitäts-ATM-Netz (siehe Artikel „Das ATM-Kernnetz der Universität Würzburg“) sind allezentralen ATM-Verbindungen redundant ausge-legt. Zusätzlich sind wichtige IP-Teilnetze, indenen sich z. B. die zentralen Name-, Mail- undNovell-Server befinden, über mehrere Routererreichbar, so dass der Ausfall einer einzelnenNetzkomponente nicht das gesamte Netzwerkbeeinträchtigen kann.

Tarifierung im G-WiNDie Bandbreite des G-WiN-Anschlusses von 155Mbit/s beschränkt die pro Zeiteinheit maximalübertragbare Datenmenge, sagt aber direkt nichtsüber die durchschnittlich und damit insgesamt ineinem Monat von einer DFN-Mitgliedseinrich-tung übertragene Datenmenge aus. Der DFN-Verein geht daher im G-WiN erstmals dazu über,die Anschlusskosten nicht nur anhand derAnschlussbandbreite, sondern auch in Abhängig-keit von der tatsächlich aus dem Internet abgeru-fenen Datenmenge zu erheben. Anders als nochim B-WiN, wo missbräuchliche oder verschwen-derische Datentransfers über die Außenanbindung

unmittelbar „nur“ andere behinderten, verursa-chen im G-WiN höhere Übertragungsmengendirekt auch höhere Kosten für die jeweiligeEinrichtung. Die Finanzierung des G-WiN-Anschlusses der Universität Würzburg ist beieinem für Ende 2001 prognostizierten Wechsel indie nächsthöhere Volumenklasse (bei gleicherBandbreite) zwar vorerst gesichert; das Hoch-schuldatennetz mit seiner Anbindung an dasInternet ist aber eine wertvolle und teure Ressour-ce, mit der im Interesse der gesamten Universitätvon allen Nutzern sehr verantwortungsbewusstumgegangen werden muss.

FazitIn allen Bereichen der EDV ist eine ständigeSteigerung der Leistungsfähigkeit der beteiligtenKomponenten zu beobachten. Teilweise wirddiese Entwicklung durch höhere Anforderungenvorangetrieben, teilweise werden dadurch aberauch neue Anwendungsgebiete erst ermöglicht.So konnte das WWW in seiner heutigen Formerst durch die Verbreitung der Internet-Technolo-gie mit ausreichenden Bandbreiten entstehen. DieDaten der „klassischen Medien“ wie Telefon,Fernsehen und Radio könnten in nicht allzu fernerZukunft alle über ein Medium, das Internet, über-tragen werden. Die Ankündigung der großen Mo-bilfunkbetreiber, als Vermittlungstechnologie inden UMTS-Trägernetzen (Universal Mobile Tele-communications System) das Internet Protokollverwenden zu wollen, belegt dies eindrucksvoll.

Das Datennetz wird auch in Zukunft den steigen-den Anforderungen, die durch leistungsfähigereEndgeräte oder neue Anwendungen bedingt sind,angepasst werden müssen. Dies betrifft dieAnschlussbandbreite der Endgeräte in denGebäudenetzen, die Backbone-Kapazität desHochschulnetzes und die Außenanbindung an dasWissenschaftsnetz. Die in vielen Gebäuden derUniversität derzeit noch betriebenen BNC-Netzemüssen in den nächsten Jahren im Rahmen einergroßen Baumaßnahme durch eine zeitgemäßestrukturierte Verkabelung abgelöst werden, umzukünftigen Anforderungen zu genügen. Mit demneuen ATM-Kernnetz und dem G-WiN ist dieUniversität im Backbone und bei der Außenan-bindung derzeit optimal versorgt.

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Computersicherheit – ein Problem?Ein Statusbericht über die Auswirkungenan der Universität Würzburg

Peter Dieterich, Rechenzentrum

Zunehmend finden sicherheitsrelevante Vorfälle wie Einbrüche in Computersysteme Beachtungin der Tagespresse. Beipiele des Jahres 2000 sind Einbrüche in die Firmennetze von Microsoftund Nike, sogenannte ‘denial of service’ Attacken gegen große Dienstanbieter im Internet wieYahoo, Amazon und eBay oder der im Mai weltweit um sich greifende Love Letter Virus. Auchdas Rechenzentrum beobachtet fast täglich Zugriffsversuche auf das Netz der Universität. DerBericht beschreibt die typischen Angriffsszenarien und Möglichkeiten, wie die Situation verbes-sert werden könnte. Beispielsweise erwägt das Rechenzentrum die Abschaltung aller Dienste, beidenen das Paßwort im Klartext über das Netz gesendet wird.

Das Netz von Hochschulen für den BereichForschung und Lehre ist charakterisiert durch denBegriff der Offenheit, die zum Erlernen und fürdie Entwicklung neuer Technolgien durchausgewünscht ist.

Anders als in der Industrie, wo ein sogenanntesFirewall-System [1] die Firma vor Angreifernschützen und die Mitarbeiter in ihren Möglichkei-ten einschränken kann, ist das Universitätsnetz(außer für spezielle Bereiche wie Verwaltung und

Klinik) grundsätzlich offen. An der UniversitätWürzburg werden über 5000 Rechner betrieben,die mit hoher Bandbreite Zugang zum Internethaben. Andererseits ist dies keine Einbahnstraße,so daß auch aus dem Internet auf die meistendieser Rechner zugegriffen werden kann. Daglobale Schutzmaßnahmen an einer Universität,beispielsweise über Firewall-Technologien, kaumrealisiert werden können, sind die Anwendergefordert, ihre Systeme halbwegs sicher zukonfigurieren, eine schwierige Aufgabe.

Abbildung 1: Angreifer können aus dem Internet heraus Rechner der Universität Würzburg auf Sicherheitslöcher testen unddiese Informationen für einen Einbruch ausnutzen. Häufig werden nach einem „erfolgreichen“ Einbruch sogenannte Sniffer-Prozesse installiert, welche die Datenkommunikation abhören können, beispielsweise um in den Besitz weiterer Paßwörter zugelangen.

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Jeder Rechner, der Kontakt zum Internet hat,bietet meist auch eine Reihe von Diensten an, aufdie vom Internet aus auf diesen Rechner zugegrif-fen werden kann. Beispielsweise sind dies wie inAbbildung 1 illustriert Prozesse wie telnetd odertftpd, die ein remote Login in den Rechnergestatten, oder Prozesse, welche ein Informati-onsangebot liefern, beispielsweise WWW oderftp. Häufig weisen diese Dienste jedoch Lückenauf [2], welche ausgenutzt werden können, umunerlaubt Systemprivilegien auf dem Rechner zuerlangen.

Deshalb suchen Hacker auch regelmäßig nachden bekanntesten Lücken und Einstiegs-möglichkeiten in Rechner. Ein typisches Beispielzeigt Abbildung 2. Hier ist die Anzahl der Verbin-dungen über einen Tag aufgetragen, die proMinute zwischen dem Internet und der Universi-tät Würzburg stattfinden (getrennt nach denNetzprotokollen TCP und UDP). Während beideKurven den typischen Arbeitstag mit einemMaximum der Kurven zwischen 10 und 16 Uhrwiederspiegeln, zeigen die Peaks besondereEreignisse an. Eine genauere Analyse der Datenzeigt, daß fast hinter allen derartigen Peaks einScan, d. h. die systematische Suche nach anfälli-gen Diensten zu finden ist. Manche Scans erstrek-ken sich über den ganzen Bereich der Universität,

andere dagegen wählen nur Teilbereiche aus. Esist unklar, inwieweit die Aktivitäten koordiniertablaufen.

Viele dieser Scans werden zum Sammeln vonInformationen verwendet, um dann möglicher-weise zu einem späteren Zeitpunkt von eineranderer Stelle aus in die Systeme einzubrechen.

In den vergangenen Jahren wurde etwa alle 1.5Monate ein größerer Einbruch in ein System ander Universität Würzburg beobachtet. In derRegel werden dabei keine Daten von Benutzernzerstört. Andererseits sind die Rechner nacheinem „erfolgreichen“ Einbruch aber meist ineinem Zustand, daß sie auf alle Fälle neu instal-liert werden müssen. Grund dafür sind Program-me wie Sniffer (Abbildung 1) oder Hintertüren,die häufig auf dem Rechner in getarnter Forminstalliert werden. Dabei werden auch System-programme, die Auskunft über das Filesystemoder Prozesse liefern, ausgetauscht, um beispiels-weise die Prozesse des Hackers zu verbergen.

Meist werden die Systeme nach einem erfolgrei-chen Einbruch als Sprungbrett für weitere Aktivi-täten genutzt [3]. Umgekehrt waren Rechner, vondenen aus in die Universität Würzburg eingebro-chen wurde, meist ebenfalls „gehackt“.

Abbildung 2: Anzahl der Verbindungenpro Minute zwischen dem Internet undder Universität Würzburg getrennt nachden Protokollen TCP und UDP übereinen Tag.

Warum steigt die Zugriffszahl?Die beobachtete Zunahme der Angriffe underfolgreichen Einbrüche hat mehrere Gründe:

• Das Internet wächst (siehe Abbildung  3a),wodurch sich sowohl die Anzahl der Ziele als

Computersicherheit - ein Problem? Ein Statusbericht über die Auswirkungen an der Universität Würzburg

hacker@work - was passiert?

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auch der Angreifer erhöht. Anwender könnenrelativ leicht ihren Rechner ans Netz bringen,auch ohne technische Details zu kennen.

• Über Informationsstrukturen wie das WWWsind Hackerprogramme per Mausklick verfüg-bar. Damit können auch Personen ohne detail-liertes Know-how Hackerangriffe durchfüh-ren.

• Nachdem viele Jahre ausschließlich Unix-Rechner potentielle Angriffsziele darstellten(laut CERT 95 % im Jahre 1995), bieten nunauch Microsoft-Systeme (nachdem diese auchzunehmend am Netz sind) geeignete Angriffs-punkte und viele Lücken (Abbildung 3b).

• Die zunehmende Verbreitung von Linux-Systemen, die auch das Rechenzentrum sehrbegrüßt, hat leider auch ein paar Schattensei-

ten. Zur Zeit gehen fast täglich Advisories [2]über Linux-Systeme ein (siehe Abbildung 3b).Auch wenn diese häufig Probleme einesProgramms bei verschiedenen Distributionenbeschreiben, wird hier doch der Trend deut-lich, daß zunehmend Linux-Systeme alspotentielles Angriffsziel vorhanden sind.Problematisch ist dies besonders deshalb, weileine Vielzahl von Anwendungen und Netz-diensten, die häufig nicht benötigt werden,meist als Standard installiert werden. Währendbei Windows-Systemen meist der Anwendersicherheitsrelevante Fehler begehen kann, istbei den Linux-Systemen vor allem derSystemverwalter gefragt, das System aufeinem möglichst aktuellen und sicheren Standzu halten.

Abbildung 3: a.) Entwicklung der Anzahl der Rechner und WWW-Server im Internet als Funktion der Zeit (Quelle [4]).b.) Zeitentwicklung der pro Monat im Jahr 2000 über das CERT eingehenden Advisiories und deren Verteilung auf die verschie-denen Betriebssysteme.

Prinzipielle LösungsansätzeSecurity-Fragestellungen sind aufgrund verschie-denster Aspekte schwierig zu lösen:

• Sie sind technisch kompliziert und bedingenviel Arbeit für den Systemverwalter. Zudemkann der Anwender Einschränkungen seinerArbeitsmöglichkeiten durch Security-Maßnah-men erfahren. Das Rechenzentrum versuchtdurch Weitergabe von Informationen undSchulungen der Systemverwalter hier einwenig Abhilfe zu schaffen.

• In vielen Bereichen wird das Problem derComputer-Sicherheit nicht wahrgenommen.Meist haben die Anwender keine aus ihrerSicht wichtigen Daten, bedenken aber nicht,

daß Angreifer häufig nur das schwächste Gliedeiner Kette suchen.

Globale (technische und organisatorische)Schutzmaßnahmen der Universität können nichteinfach vom Rechenzentrum vorgegeben werden.Vielmehr ist hierzu ein Konsens mit den Institutensowie der Hochschulleitung erforderlich. Ausdieser Problematik heraus hat die ‘StändigeKommission für Angelegenheiten des Rechenzen-trums’ einen Arbeitskreis ‘Security-Management’eingesetzt. Dieser soll eine mittelfristige Entwick-lung einleiten, welche auf die Definition einerhochschulweiten Sicherheitspolitik und derenRealisierung zielt.

Computersicherheit - ein Problem? Ein Statusbericht über die Auswirkungen an der Universität Würzburg

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SofortmaßnahmenJeder Anwender und Systemverwalter kann undsollte jedoch möglichst bald geeignete Schritteergreifen, um die Sicherheit der eigenen Datenund Systeme zu erhöhen. Zumindest sollte ver-sucht werden, eine sogenannte base line pro-tection zu erzielen, d. h. eine Art Minimalschutz,der die gröbsten Löcher der Systeme absichert.Hierzu gehören die folgenden Maßnahmen:

• Der häufigste und einfachste Einbruch in einSystem erfolgt über Accounts, die kein Paß-wort haben. Teilweise werden derartigeAccounts bei der Standardinstallation angelegtund müssen unbedingt geschlossen werden.

• Auch der Anwender sollte mit seinem Paßwortbehutsam umgehen, d. h. bedenken, daß beimLogin mit telnet oder ftp das Paßwort imKlartext über das Netz gesendet wird (sieheAbbildung 1). Dies ist insbesondere problema-tisch, wenn das Login von außerhalb derUniversität Würzburg erfolgt. Deshalb solltenunbedingt Ersatzprogramme wie die SecureShell [6] verwendet werden, die auch einabgesichertes Login über „unsichere“ Netzeerlaubt. Das Rechenzentrum erwägt, im Jahr2001 alle Dienste, bei denen das Paßwort imKlartext übertragen wird, abzuschalten.

• Unnötige Dienste sollten auf dem Systemabgeschaltet werden. Vor allem bei Linux-Distributionen werden oft Serverdienste (wieWWW, POP oder IMAP-Server) standardmä-ßig aktiviert, obwohl diese nicht benötigtwerden. Tools wie SAINT [7] ermöglichenzudem einen Check des Systems über das Netzund geben Hinweise auf Dienste, diedeaktiviert werden sollten. Die Überprüfungmit derartigen Tools wird empfohlen.

• Bei Download von Programmen aus demInternet, besteht die Gefahr, daß der eigenenRechner mit Viren oder trojanischen Pferden,die beispielsweise auch Hintertüren in dasSystem einbauen, infiziert wird. Deshalbsollten Programme nicht unüberlegt ausgeführtund stets aktuelle Virensuchsoftware verwen-det werden. Insbesondere sollte ein automati-sches Öffnen von Mail-Attachements, z. B.Autostart von Word und Anzeige des Doku-ments, unterlassen werden, um damit nichtautomatisiert Viren oder Trojaner zu aktivie-ren. Die Vorfälle um den Love-Letter-Virus [5]haben eindrucksvoll gezeigt, wie sich Virenüber derartige Mechanismen explosionsartigverbreiten können.

FazitDurch den täglichen und intensiven Kontakt zumInternet entstehen viele Probleme der Computer-sicherheit. Sowohl Systemverwalter als auch

Endanwender sind gefordert, diese Gefahren ernstzu nehmen.

Referenzen und Links[1] William R. Cheswick und Steven M. Bellovin,‘Firewalls and Internet Security, Repelling theWily Hacker’, Addison Wesley (1994).

[2] Siehe beispielsweise http://www.rz.uni-wuerzburg.de/security/aktuell/

[3] DFN-CERT Infobulletin DIB-2000:01,‘Distributed Denial of Service Angriffe’,http:// www.cert.dfn.de/infoserv/dib/dib-2000-01.html

[4] Diverse wichtige Daten und Statistiken zurEntwicklung des Internetshttp://www.isoc.org/zakon/Internet/ History/HIT.html

[5] http://www.cert.org/advisories/CA-2000-04.html

[6] http://www.openssh.org/

[7] http://www.wwdsi.com/saint/

Computersicherheit - ein Problem? Ein Statusbericht über die Auswirkungen an der Universität Würzburg