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Aufklrung und Kritik 3/2014, Schwerpunkt Friedrich Jodl 29 Dr. Gerhard Engel (Hildesheim) Friedrich Jodls Wirtschaftsethik Wollen wir wahrhaft wissenschaftlich verfahren, so dÄrfen wir unsere Ideale sozialer Entwicklung nach keiner anderen Richtung hin bilden als nach derjenigen, welche uns die all- gemeinen Entwicklungsgesetze des Organischen andeuten. 1 Friedrich Jodl I. Einleitung: Was ist Wirtschaftsethik? In einer Zeit, in der die Wirtschaft weni- ger wegen ihrer Leistungen, sondern eher wegen ihrer Fehlleistungen von sich re- den macht, muss man einem allgemein- verstndlichen Aufsatz ber ›Wirtschafts- ethik‹ vielleicht doch einige erluternde Bemerkungen voranstellen. Man kann die- sen Begriff nmlich als Widerspruch in sich selbst empfinden. Das zeigt folgen- de, oft zitierte Anekdote: Der Satiriker und Schriftsteller Karl Kraus (1874-1936) soll mit einem Studenten ins Gesprch gekom- men sein und ihn gefragt haben, womit er sich denn beschftige. Die Antwort mit Wirtschafts-Ethik soll Kraus zu der spitz- zngigen Bemerkung veranlasst haben: Junger Mann, da mssen Sie sich aber fr eines von beiden entscheiden! 2 Dieser Wortwechsel ist vermutlich nur gut erfunden; 3 aber Anekdoten halten sich ge- rade deshalb so hartnckig, weil sie ver- breiteten Gefhlslagen, manchmal sogar Ressentiments Ausdruck verleihen. Und nicht nur Laien, also intellektuelle Endver- braucher, sondern auch ernst zu nehmen- de Fachleute 4 zeigen gelegentlich eine er- staunliche Distanz zu einer Disziplin, die inzwischen nicht nur in Forschung und Lehre fest etabliert ist, 5 sondern offen- sichtlich auch Fragen behandelt, die, wie Kant wohl gesagt htte, ›unabweislich‹ sind: Sie drngen sich jedem aufmerksa- men Beobachter des Zeitgeschehens auf. Massenentlassungen bei steigenden Br- senkursen, ›Spekulationsgewinne‹, die sich ›weiter ffnende Schere zwischen Arm und Reich‹, aber auch Skandale und Be- trgereien groen Stils festigen den ver- breiteten Eindruck: Wer im wirtschaftli- chen Sinne erfolgreich ist, kann kaum hohe moralische Mastbe besitzen; und wer die Moral hochhlt, kann kaum wirtschaft- lich erfolgreich sein. Natrlich ist das Problem einer gerechten Wirtschaftsordnung und des fr sie ange- messenen moralischen Handelns nicht erst im 19. oder 20. Jahrhundert erfunden wor- den. Sptestens seit Aristoteles stellt sich die Frage, wie man auf gerechte Weise ›sein Haus bestellen‹ soll und nach wel- chen Gesetzen (gr.: nÅmoi) das Haus (der oÇkos) gefhrt werden sollte. 6 ›Oikono- mia‹ war die sowohl deskriptive als auch normative Lehre von der Haus-Haltung – wobei zur damaligen Zeit unter ›Haus‹ vorrangig eine buerliche Produktionsge- meinschaft und erst in zweiter Linie ein stdtischer Manufaktur-Haushalt zu ver- stehen war. Im spten 18. Jahrhundert jedoch begann eine Entwicklung, die schlielich die berkommene Wirtschafts- und Sozial- struktur und ihre philosophischen Refle- xionen vllig verndern sollte: die Indu- strialisierung. Um das grundstrzend Neue

Friedrich Jodls Wirtschaftsethik - Gerhard Engel · 30 Aufkl•rung und Kritik 3/2014, Schwerpunkt Friedrich Jodl an dieser Entwicklung zu veranschauli-chen, werfen wir zun•chst

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Aufkl�rung und Kritik 3/2014, Schwerpunkt Friedrich Jodl 29

Dr. Gerhard Engel (Hildesheim)Friedrich Jodls Wirtschaftsethik

Wollen wir wahrhaft wissenschaftlich verfahren, so dÄrfenwir unsere Ideale sozialer Entwicklung nach keiner anderenRichtung hin bilden als nach derjenigen, welche uns die all-gemeinen Entwicklungsgesetze des Organischen andeuten.1

Friedrich Jodl

I. Einleitung: Was ist Wirtschaftsethik?

In einer Zeit, in der die Wirtschaft weni-ger wegen ihrer Leistungen, sondern eherwegen ihrer Fehlleistungen von sich re-den macht, muss man einem allgemein-verst�ndlichen Aufsatz �ber ›Wirtschafts-ethik‹ vielleicht doch einige erl�uterndeBemerkungen voranstellen. Man kann die-sen Begriff n�mlich als Widerspruch insich selbst empfinden. Das zeigt folgen-de, oft zitierte Anekdote: Der Satiriker undSchriftsteller Karl Kraus (1874-1936) sollmit einem Studenten ins Gespr�ch gekom-men sein und ihn gefragt haben, womit ersich denn besch�ftige. Die Antwort �mitWirtschafts-Ethik� soll Kraus zu der spitz-z�ngigen Bemerkung veranlasst haben:�Junger Mann, da m�ssen Sie sich aberf�r eines von beiden entscheiden!�2

Dieser Wortwechsel ist vermutlich nur guterfunden;3 aber Anekdoten halten sich ge-rade deshalb so hartn�ckig, weil sie ver-breiteten Gef�hlslagen, manchmal sogarRessentiments Ausdruck verleihen. Undnicht nur Laien, also intellektuelle Endver-braucher, sondern auch ernst zu nehmen-de Fachleute4 zeigen gelegentlich eine er-staunliche Distanz zu einer Disziplin, dieinzwischen nicht nur in Forschung undLehre fest etabliert ist,5 sondern offen-sichtlich auch Fragen behandelt, die, wieKant wohl gesagt h�tte, ›unabweislich‹sind: Sie dr�ngen sich jedem aufmerksa-

men Beobachter des Zeitgeschehens auf.Massenentlassungen bei steigenden B�r-senkursen, ›Spekulationsgewinne‹, die sich›weiter �ffnende Schere zwischen Armund Reich‹, aber auch Skandale und Be-tr�gereien gro�en Stils festigen den ver-breiteten Eindruck: �Wer im wirtschaftli-chen Sinne erfolgreich ist, kann kaum hohemoralische Ma�st�be besitzen; und werdie Moral hochh�lt, kann kaum wirtschaft-lich erfolgreich sein.�

Nat�rlich ist das Problem einer gerechtenWirtschaftsordnung und des f�r sie ange-messenen moralischen Handelns nicht erstim 19. oder 20. Jahrhundert erfunden wor-den. Sp�testens seit Aristoteles stellt sichdie Frage, wie man auf gerechte Weise›sein Haus bestellen‹ soll und nach wel-chen Gesetzen (gr.: nÅmoi) das Haus (deroÇkos) gef�hrt werden sollte.6 ›Oikono-mia‹ war die sowohl deskriptive als auchnormative Lehre von der Haus-Haltung –wobei zur damaligen Zeit unter ›Haus‹vorrangig eine b�uerliche Produktionsge-meinschaft und erst in zweiter Linie einst�dtischer Manufaktur-Haushalt zu ver-stehen war.

Im sp�ten 18. Jahrhundert jedoch beganneine Entwicklung, die schlie�lich die�berkommene Wirtschafts- und Sozial-struktur und ihre philosophischen Refle-xionen v�llig ver�ndern sollte: die Indu-strialisierung. Um das grundst�rzend Neue

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an dieser Entwicklung zu veranschauli-chen, werfen wir zun�chst einen Blick aufeine Grafik, die das Wirtschaftswachstumin Zentraleuropa von 1000 – 1820 n.u.Z.abbildet (vgl. Abbildung 1).

Die Schottischen Moralphilosophen, al-len voran David Hume (1711-1776) undAdam Smith (1723-1790), haben die um1700 aufkommende beschleunigte Wachs-tumstendenz als erste erkannt und darausgrunds�tzliche konzeptionelle Konsequen-zen gezogen. Ihnen fiel auf, dass damalseinige L�nder (also u.a. Schottland undEngland) eine besonders schnelle wirt-schaftliche Entwicklung durchliefen – wasdie Frage aufwarf, ob es daf�r systemati-sche Ursachen gab. Es �berrascht alsonicht, dass Smith diesem Ph�nomen ei-nes seiner beiden Hauptwerke widmete,dessen ausf�hrlicher Titel lautet: �An In-quiry Into the Nature and Causes [!] ofthe Wealth of Nations� (1776).8 Schonfr�her hatte David Hume in seinen �Es-says, Moral and Political� entsprechendeFragen gestellt und damit den systemati-schen Horizont einer bis heute andauern-den Diskussion um die Ursachen des Eu-rop�ischen Sonderweges ge�ffnet.9

Zwanzig Jahre vor seinem Hauptwerk, dasihn ber�hmt werden lie�, hatte Smith einanderes Buch geschrieben, n�mlich die�Theory of Moral Sentiments� (1759), die�Theorie der moralischen Gef�hle�.10 Die-ses Werk war ein Buch �ber deskriptiveEthik: Es ging nicht darum, moralischeVorschriften zu begr�nden, sondern dar-um, moralische Reaktionsgewohnheiten zubeschreiben und zu erkl�ren; darum, wel-che moralischen Gef�hle es gibt und un-ter welchen Umst�nden wir sie entwickeln;und darum, welche moralischen Anspr�-che wir aneinander stellen.

Die beiden B�cher von Smith werfen eininteressantes Problem auf – das �Adam-Smith-Problem�. Es lautet: In welchemsystematischen Verh�ltnis stehen die bei-den Ver�ffentlichungen zueinander? Die-se Frage hat die Smith-Forschung langeZeit besch�ftigt.11 Denn ›Moral‹ wird imAllgemeinen so verstanden, dass wir un-sere eigenen Interessen gegen�ber ande-ren Menschen zur�ckstellen sollen; dasWirtschaftsleben dagegen scheint von unszu verlangen, dass wir systematisch dastun, was in unserem eigenen Interesseliegt; moralische R�cksichten seien da fast

Abb. 1: Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Zentraleuropa bis 1820 (in Geary-Khamis-Dollar)7

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schon im Wege. Und dabei setzen wirungepr�ft voraus, dass es ohne Weiteresklar ist, was die Moral von uns in kompli-zierten Situationen verlangt – eine Voraus-setzung, die man in komplexen modernenGesellschaften ja durchaus bezweifelndarf. Wir k�nnen das Verh�ltnis der bei-den B�cher zueinander bestimmen wie inAbbildung 2 oben beschrieben. Die ein-zelnen Quadranten seien hier kurz kom-mentiert:

– Quadrant I untersch�tzt Smith undverletzt eine Grundregel der Hermeneu-tik: Auch und vor allem bei Philoso-phen sollte man davon ausgehen, dasssie eine konsistente, also in sich stim-mige Sicht der Wirklichkeit vertreten(k�nnen).– Quadrant II geht davon aus, dassSmith die ver�nderten sozialen Bedin-gungen seiner Zeit erkannte und gewis-

serma�en in Reaktion darauf eine mitmoralischen Gesichtspunkten vereinba-re ›Theorie der Marktwirtschaft‹ schrei-ben wollte.– Quadrant III verlangt, dass wir diein WN beschriebene �konomie durch›moralische Gef�hle‹ steuern. DieseDeutung verlangt allerdings eine norma-tive Lesart von MS.– Quadrant IV setzt voraus, dassSmith mit WN in Reaktion auf die ver-�nderten sozialen Bedingungen seinerZeit einen grundlegenden konzeptionel-len Neuansatz entwickeln wollte, der dieBehauptungen von MS zur�cknimmt.

Wenn wir diese Problemstellung akzep-tieren, dann scheint mir das wirtschafts-ethische Grundproblem im Verh�ltnis derQuadranten II und IV zu liegen. Wir k�n-nen es so formulieren:

Abb. 2: M�gliche Beziehungen zwischen der „Theory of Moral Sentiments“ (MS)und „Wealth of Nations“ (WN) bei Smith

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Inwieweit lassen sich unsere morali-schen GefÄhle mit den Erfordernisseneiner modernen produktiven Wirtschaftin Einklang bringen?

›Wirtschaftsethik‹ ist der Versuch, auf die-se Frage eine systematische Antwort zufinden, die nicht hinter den von den Schot-tischen Moralphilosophen entwickeltenProblemhorizont zur�ckf�llt. Das bedeu-tet: Weder d�rfen wir die Funktionsgesetz-lichkeiten einer modernen Marktwirtschaftzugunsten moralisierender Gesichtspunktevernachl�ssigen, noch d�rfen wir dieseFunktionsgesetzlichkeiten einer ethischenBeurteilung entziehen – jedenfalls dann,wenn wir von unseren Institutionen undGewohnheiten verlangen, dass sie sich ei-nem moralphilosophischen Stresstest stel-

len k�nnen sollten. Die Zielrichtungwirtschaftsethischer Argumentation l�sstsich damit wie in Abbildung 3 unten ver-anschaulichen.

Das von den Schottischen Moralphiloso-phen aufgeworfene Problem versch�rftsich noch, wenn wir einen Blick auf dienachfolgende Wirtschaftsentwicklungwerfen. Seit etwa 1820, also einige Jahrenach dem Ende der Napoleonischen Krie-ge, begannen einige der merkw�rdigstenund folgenreichsten Entwicklungen derj�ngeren Geschichte – n�mlich die europa-weite Industrialisierung sowie die dadurchm�gliche allm�hliche Hebung des Massen-wohlstandes. Welche neue Dimension die-se Entwicklung aufweist, macht Abbildung4 deutlich (s. n�chste Seite):

Abb. 3: Das Adam-Smith-Problem: Das Verh�ltnis von traditionellerHandlungsmoral und systemischer Marktmoral und ihre Probleme12

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Die Grafik veranschaulicht eine Entwick-lung, die von den Schottischen Moral-philosophen wahrscheinlich mit ungl�ubi-gem Staunen zur Kenntnis genommenworden w�re. Denn der leichte Anstieg inden Wachstumsraten ab 1700, der bereitsvon Hume und Smith zum Anlass genom-men wurde, ihre bahnbrechenden Theori-en zu entwickeln, wird von der Entwick-lung ab 1820 und erst recht durch densteilen Anstieg seit 1900 v�llig in denSchatten gestellt. Und damit sind wir beizwei Problemen, die aller Aufmerksamkeitwert sind: Wie war diese EntwicklungmÉglich? Und: Wie ist sie moralisch zubeurteilen?

Aus seinem gemeinsam mit Friedrich En-gels verfassten ›Kommunistischen Mani-fest‹ geht hervor, dass Karl Marx sichschon im Jahre 1848 der Dimension die-ser Entwicklung in vollem Umfang be-wusst war. Es gibt wohl kaum eine ein-drucksvollere Hymne auf das Ausma� unddie (durchaus auch positiven!) Auswir-kungen der sich im 19. Jahrhundert be-schleunigenden industriellen Entwicklungals diese:

„Die fortw�hrende Umw�lzung der Produktion,die ununterbrochene Ersch�tterung aller ge-sellschaftlichen Zust�nde, die ewige Unsicherheitund Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vorallen anderen aus. Alle festen eingerosteten Ver-h�ltnisse mit ihrem Gefolge von altehrw�rdigenVorstellungen und Anschauungen werden aufge-l�st, alle neugebildeten veralten, ehe sie verkn�-chern k�nnen. Alles St�ndische und Stehendeverdampft, alles Heilige wird entweiht, und dieMenschen sind endlich gezwungen, ihre Lebens-stellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mitn�chternen Augen anzusehen.Das Bed�rfnis nach einem stets ausgedehnterenAbsatz f�r ihre Produkte jagt die Bourgeoisie�ber die ganze Erdkugel. �berall mu� sie sicheinnisten, �berall anbauen, �berall Verbindungenherstellen. [...]An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnissebefriedigten Bed�rfnisse treten neue, welche dieProdukte der entferntesten L�nder und Klimatezu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelleder alten lokalen und nationalen Selbstgen�g-samkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitigerVerkehr, eine allseitige Abh�ngigkeit der Nationenvoneinander. Und wie in der materiellen, so auchin der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeug-nisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut.Die nationale Einseitigkeit und Beschr�nktheitwird mehr und mehr unm�glich, und aus den vielennationalen und lokalen Literaturen bildet sich eineWeltliteratur.“14

Abb. 4: Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Zentraleuropa bis 2000 (in Geary-Khamis-Dollar)13

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Diese mit einer f�r Marx charakteristischenMischung von Faszination und Abscheuvorgetragene Schilderung war der unge-heuren wirtschaftlichen Dynamik des 19.Jahrhunderts durchaus angemessen. Zuihren unbeabsichtigten und moralisch pro-blematischen Nebenwirkungen geh�rten�mlich auch die (vor�bergehende) Pro-letarisierung gro�er Bev�lkerungsteile.W�hrend in b�uerlichen Gemeinschaftenfr�herer Zeiten famili�re und d�rfliche So-lidarit�tsnetzwerke f�r die soziale Absiche-rung der Menschen bei Krankheit und imAlter sorgten, zerfielen diese Netzwerkeunter dem Druck der starken Bev�lkerungs-zunahme und der Wanderungsbewegun-gen in die St�dte: Verelendungstendenzenwaren die Folge. Hier galt es, neue insti-tutionelle L�sungen zu finden, um die›Lage der arbeitenden Klassen‹ systema-tisch zu verbessern.

Friedrich Jodl erwies sich in dieser Situa-tion auch im Bereich der Wirtschafts- undSozialpolitik als ein vergleichsweise un-abh�ngiger und nicht selten auch urteils-kr�ftiger Beobachter seiner Zeit: Unabh�n-gig, weil er weder Marx noch Smith ein-fach folgte, sondern eine eigenst�ndige,teilweise bis auf heutige Problemstellun-gen vorausweisende Perspektive einnahm;und urteilskr�ftig, weil er trotz aller zeitbe-dingten Irrt�mer und Verengungen in ein-zelnen Punkten sogar wegweisende Vor-schl�ge unterbreitet hat, die auch aus heu-tiger Sicht beachtenswert sind.

Im Folgenden werde ich im zweiten Ab-schnitt zun�chst seine Position erl�utern,wie er sie in seinem wirtschaftsethisch be-deutsamsten Aufsatz von 1885 mit demTitel „Volkswirtschaftslehre und Ethik“ausformuliert hat. Dabei geht es zun�chst

um seine Interpretation des Werkes vonAdam Smith. Danach wollen wir Jodls ei-gene Antwort auf die Frage untersuchen,wie sich Volkswirtschaftslehre und Ethikmiteinander vermitteln lassen. Im drittenAbschnitt unterziehen wir die AnsichtenJodls einer kritischen Revision – wobei›Kritik‹ bedeutet, auch seine aus heutigerSicht wegweisenden Auffassungen ange-messen zu w�rdigen. Und im abschlie�en-den vierten Abschnitt werfe ich die Frageauf, ob Jodls Position intern konsistent ist –ob also alle Teile seiner wirtschaftsethi-schen Konzeption widerspruchsfrei zu-sammenpassen.

II. Ethik und Wirtschaft: FriedrichJodls Position

II.1 Adam Smith und die Folgen

Obwohl am Ende des 19. Jahrhundertsdie Ansicht an Boden gewann, erst KarlMarx habe die Politische �konomie aufeine gleicherma�en solide wissenschaftli-che wie praxisrelevante Grundlage gestellt,sieht Friedrich Jodl das Hauptverdiensthierf�r bei den Schottischen Moralphilo-sophen, insbesondere bei Adam Smith(1723-1790). Ihm sei es gelungen, „die Be-trachtung des wirtschaftlichen Lebensvom Juristischen einerseits, vom Ethi-schen andererseits abzul�sen und damiterst die Forschung nach den inneren Ge-setzen und Lebensbedingungen diesesKulturzweiges zu beginnen.“15 Jodl f�llthinter die Einsicht Smiths in die Ausdif-ferenzierung moderner Gesellschaften alsonicht zur�ck: Er sieht klar, dass wir beider Untersuchung der Funktionsgesetz-lichkeiten des Marktes und seiner Einbin-dung in eine moderne Gesellschaft nicht

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vorankommen k�nnen, wenn wir die han-delnden Akteure ohne Weiteres moralischbewerten – statt zun�chst zu untersuchen,warum sie so handeln, wie sie handeln,und ob eigeninteressiertes Handeln unterbestimmten Voraussetzungen nicht docheinem gesellschaftlich erw�nschten Zweckdienen kann.16

Eine solche Trennung zwischen Markt-mechanismus und Moral bedeutet nicht,dass wir das Marktgeschehen nicht mehrunter einer moralischen Perspektive beur-teilen d�rften. Aber sie bedeutet, dass wirdie Untersuchung der Funktionsgesetz-lichkeiten der Wirtschaft, der ›Marktkr�fte‹,von ihrer moralischen Bewertung analy-tisch trennen, um auf diese Weise der Ge-fahr zu entgehen, deskriptive und normati-ve Aspekte, Tatsachenaussagen und Wert-urteile miteinander zu vermengen. Jodlschreibt:

„Die Gesetze, nach denen diese Kr�fte wirken,zu erforschen, ist die Aufgabe der Wissenschaftvom Nationalreichtum, der Volkswirtschafts-lehre.“17

Welcher Art sind nun die ›Kr�fte‹, die inM�rkten wirken? Wie kommen die er-w�nschten und unerw�nschten Folgeer-scheinungen des Markthandelns zustan-de? Mit seiner Antwort f�llt Jodl zu Be-ginn seines Aufsatzes eine folgenschwereTheorieentscheidung:

„Will man das wirtschaftliche Leben der V�lkerverstehen, so muss man den Menschen als Egois-ten betrachten und zu zeigen versuchen, wie alledie einzelnen, auf ihr wirtschaftliches Wohlergehengerichteten Individualwillen den Mechanismusdes Wirtschaftslebens in Bewegung setzen undin Gang erhalten. Das nat�rliche Streben jedesMenschen ist darauf gerichtet, seine Lage zuverbessern; jeder sucht also so billig und so gutwie m�glich zu kaufen und so teuer und soschlecht wie m�glich zu verkaufen; und die Be-

friedigung der Bed�rfnisse auf der einen Seite,die M�glichkeit eines Gewinnes und der gesell-schaftlichen Existenz auf der anderen Seite h�ngt... von der ... gegenseitigen Regelung dieserbeiden Tendenzen ab.“18

Man beachte, dass Jodl hier nicht voneigeninteressiertem Handeln spricht – wasja zumindest die M�glichkeit offen lie�e,dass die Einzelnen ihr Interesse geradedarin sehen, anderen Gutes zu tun. Stattdessen unterstellt Jodl den Akteuren einenegativ konnotierte moralische Eigenschaft,die dann sp�ter auch zu tugendethischenEmpfehlungen zu ihrer zivilisatorischenEind�mmung f�hren wird (vgl. unten, S. 39):den Egoismus. Neben diese moralphilo-sophische Vorentscheidung tritt eine kon-zeptionelle Behauptung von besondererTragweite: Jodl unterstellt Smith die An-sicht, die Staatst�tigkeit m�sse sich auf dieSicherung von Eigentumsrechten und dieSicherung des �u�eren und inneren Frie-dens beschr�nken – was auf eine strengeBegrenzung der Staatst�tigkeit hinausliefe,wie sie im 20. Jahrhundert etwa RobertNozick mit moralischen Argumenten zubegr�nden versucht hat.19 Jodl schreibt:

„Wenn ... das wirtschaftliche Leben einenMechanismus darstellt, welcher sich durch die inihm wirkenden Kr�fte selbstt�tig reguliert, so folgtweiter, dass jeder Eingriff in den nat�rlichen Gangder wirtschaftlichen Entwicklung von au�en herein �bel ist. Auf das entschiedenste wendet sichdaher die neue Lehre gegen den Staat, d.h. gegenjeden Versuch desselben, die Formen und Rich-tungen des wirtschaftlichen Lebens durch Geset-ze bestimmen zu wollen. [...] Der Staat kannnichts weiter sein als die bewaffnete Macht, wel-che die Gesellschaft gegen jeden Akt der Gewaltvon seiten anderer unabh�ngiger Gesellschaftensch�tzt und die Sicherung der Vertr�ge garantiert,durch welche die Menschen �ber ihr Eigentumund die Verwendung ihrer wirtschaftlichen Kr�fteverf�gen. Man kann von Staats wegen nicht vor-schreiben, welche Gegenst�nde produziert wer-

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den sollen, zu welchen Preisen der Produzent ver-kaufen d�rfe, unter welchen Bedingungen es ge-stattet sein solle, Geld zu leihen oder zu verleihen.In allen diesen Dingen w�rde der Staat durchseine Intervention mehr schaden als n�tzen.“20

Und er res�miert: „Positive Dienste ver-mag der Staat der Gesellschaft nicht zuleisten; denn ... jedes Gesetz ... ist ein An-griff auf die Freiheit.“21

An diese libert�re Lesart Smiths kn�pftJodl zwei zivilisationstheoretisch und mo-ralisch bedeutsame Feststellungen. Dieerste lautet: Der Marktmechanismus be-sitzt eine positive Kollektivwirkung. DieGesellschaft werde durch das Wirken un-beeintr�chtigter Marktkr�fte „auf eineimmer h�here Stufe des Haushaltes, derOrganisation und der Macht [!] emporge-hoben“.22 Die zweite Feststellung besagt:Dieser Kollektivvorteil werde erkauftdurch ein gravierendes Individualrisiko:Sowohl einzelne Unternehmen als aucheinzelne Haushalte und Individuen liefenin einem Konkurrenzsystem Gefahr, ineine Lage zu kommen, in der sie nichtmehr ihre Rechnungen bezahlen k�nnen.Nach libert�rer Ansicht (die Jodl hier Smithunterstellt, nicht nachweist) l�sst sich andiesem Umstand jedoch nichts �ndern,weil sonst die positive Kollektivwirkungdes wirtschaftlichen Mechanismus beein-tr�chtigt werde: In der gleichen Weise, inder bankrotte Unternehmen nicht vomStaat gef�rdert werden d�rften, weil soder wirtschaftliche Fortschritt in Richtungauf effizientere Produktionsmethodenblockiert werde, d�rften auch Individuennichts vom Staat erhoffen, wenn sie einmalin wirtschaftliche Schwierigkeiten gekom-men seien.23 Jodl interpretiert Smith fol-genderma�en:

„... ebensowenig k�nnen diejenigen ein Recht auf�ffentliche Hilfe in Anspruch nehmen, welche sichunf�hig [sic] erweisen, an der gro�en Tafel derGesellschaft einen n�hrenden Platz f�r sich zugewinnen. Niemand hat einen Anspruch aufExistenz an die Gesellschaft, wenn er sich ihr nichtn�tzlich zu machen imstande ist ...“.24

Die in solchen F�llen gew�hrte staatlicheF�rsorge vergr��ere nur das Armutspro-blem, statt es zu beseitigen; und wollte manaus der �ffentlichen Unterst�tzung gar eineinklagbares Recht machen, liefe das nurdarauf hinaus, „die Leichtsinnigen, Tr�genund Unbrauchbaren von dem �berschus-se zu f�ttern, den sich die Vorsichtigen,T�tigen und nutzbringenden Glieder derGesellschaft erworben haben“ – so die Dar-stellung Jodls vom Smithschen Liberalis-mus.

Doch nat�rlich wei� auch Jodl, dass AdamSmith etwa zwanzig Jahre vor seinem Werk�ber den ›Wohlstand der Nationen‹, ausdem er die soeben geschilderte Positionherausgelesen haben will,25 die ›Theorieder moralischen Gef�hle‹ geschriebenhatte, in dem Smith den Menschen als mit-f�hlendes und empathisches Wesen schil-dert. Er steht jetzt also vor dem obenschon erl�uterten Problem, diese beidenB�cher in einen konsistenten Zusammen-hang zu bringen – will er Smith nicht ein-fach einen grundlegenden Sinneswandelunterstellen. Dieses Problem l�st Jodl so,dass das moralphilosophische Werk dieGr�nde liefere sowie die Motivation be-schreibe, den im Konkurrenzkampf desMarktes Gestrandeten zu Hilfe zu kommen.Da wir nach den Erkenntnissen Smiths inder ›Theorie der moralischen Gef�hle‹ janicht nur „egoistische“ Menschen seien,sondern auch moralische Gef�hle wie Mit-leid und Sympathie f�r andere hegten,

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werde nach Jodls Auffassung „ein Reichder Sitte Geltung behalten und die N�ch-stenliebe wenigstens die �rgsten Aus-schreitungen des als Triebkraft im Wirt-schaftsleben nun einmal unentbehrlichenEgoismus verhindern.“26 Pointiert formu-liert: Die moralischen Ressourcen einerGesellschaft werden zum Puffer einer see-lenlosen, aber h�chst effizienten und zivi-lisatorisch sogar erforderlichen �kono-mie. Sie bringe den Menschen als Gat-tungswesen optimal voran – was ja geradeaus humanistischer Sicht kein vernachl�s-sigbarer Gesichtspunkt ist.

Allerdings weist Jodl auch darauf hin, dassdiese Position (›Moral als Reparaturbe-trieb des Kapitalismus‹) alles andere alsselbstverst�ndlich ist: Radikalere Markt-theoretiker wie Fr�d�ric Bastiat27 h�ttensogar diese moralistischen Flicken aus derMarktgesellschaft entfernen wollen. Jodlfasst die sozialdarwinistische Position deran Bastiat orientierten radikalen Theoreti-ker so zusammen: Warum sollte es in derGesellschaft anders zugehen als in der Na-tur? Habe nicht Darwin �berzeugend ge-zeigt, dass organismische H�herentwick-lung nun mal an die Ausmerzung von In-dividuen und Populationen gebunden sei?Jodl beschreibt ihre Position so:

„In diesem Kampfe erh�lt sich nur dasjenige,was bestimmten Zwecken und Verh�ltnissen sichanzupassen, hierf�r speziell sich zu organisierenund nach der von den Umst�nden gefordertenRichtung zu vervollkommnen imstande ist. DasUnpassende, f�r den Kampf Unt�chtige, gehtzugrunde ... Hiermit war erst der Schlussstein indas ganze Geb�ude gef�gt: das Prinzip derSelbstbehauptung und des Egoismus alsHaupthebel des kosmisch-universellen Fort-schrittes nachgewiesen.“28

Soweit also die Darstellung Jodls von derwirtschaftsethischen Position Adam Smithsund seiner Nachfolger. Wir werden sie inAbschnitt III.1 einer kritischen Betrach-tung unterziehen. Zun�chst gilt es jedoch,sich zu fragen, welche alternativen Vorstel-lungen Jodl nun zum Zusammenhang vonVolkswirtschaftslehre und Ethik entwi-ckelt. Dabei wollen wir in Abschnitt II.2eher grunds�tzliche Probleme diskutieren,w�hrend Abschnitt III.2 auf Jodls konkre-te sozial- und gesellschaftspolitischen Vor-schl�ge eingeht.

II.2 Jodls Konzept einer moralisch ge-z�gelten Wachstumswirtschaft

Wenn wir vom heutigen Standpunkt ausden „Optimismus“29 zu pr�fen h�tten, denJodl bei seinen liberal gesinnten Zeitge-nossen am Werke sah, w�rden wir ihn imGro�en und Ganzen f�r berechtigt haltend�rfen. �berall dort, wo sich liberale Prin-zipien der wirtschaftlichen Organisationdurchsetzen konnten, ist der Wohlstandim 20. Jahrhundert auf eine damals kaumf�r m�glich gehaltene Weise gestiegen –getrieben und verst�rkt durch die zahlrei-chen technisch-wissenschaftlichen und in-stitutionellen Innovationen, die in diesemZeitraum durch Forscherdrang, mensch-liche W�nsche und auch milit�rische Kon-kurrenz entstanden sind.

Dies alles war um 1870 f�r den gebildetenZeitgenossen noch kaum absehbar. Im Ge-genteil: Der sich allm�hlich immer mehrbeschleunigende wirtschaftliche Auf-schwung, den Wirtschaftshistoriker seit1820 konstatieren, wurde f�r den damali-gen Beobachter von einem geradezu dra-matisch zu nennenden Bev�lkerungs-

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wachstum30 verdeckt: Die wachsendeProduktivit�t der Gesamtwirtschaft wurdezun�chst von einer entsprechend starkwachsenden Bev�lkerung absorbiert, sodass bei weitem nicht alle Menschen �berl�ngere Zeitr�ume in den Genuss vonReallohnzuw�chsen kommen konnten.Immerhin boten die St�dte der stark ange-wachsenen Landbev�lkerung eine �berle-benschance; das erkl�rt den massenhaftenZuzug in die St�dte, wie wir ihn auchheutzutage in vielen Entwicklungsl�ndernbeobachten k�nnen. Aber die teilweiseelenden Lebensverh�ltnisse der Menschenboten den Zeitgenossen immer noch gen�-gend Gr�nde, �ber Ursachen und Ver-meidbarkeit dieser Entwicklung nachzu-denken. Kurz: Die ›soziale Frage‹ wargeboren.31

Es ist kein Zufall, dass sich Wissenschaft-ler und Moralisten mit dieser ›sozialenFrage‹ besch�ftigten; denn man kann ei-nem gesellschaftlichen Missstand ja imPrinzip durch zwei grunds�tzlich ver-schiedene Strategien begegnen. Entwederschreibt man ihn einem Moralversagen zu;dann wird man versuchen, den jeweiligenMissstand dadurch zu beseitigen, dassman durch Aufkl�rung, Information undnotfalls auch durch Propaganda be-stimmte moralische Ideale in den K�pfenund Herzen der Menschen verankert. Oderman schreibt gesellschaftliche �bel einemTheorieversagen zu; dann sind sie Aus-druck (nicht mangelnden ›Guten Willens‹,sondern) mangelnder Einsicht in gesell-schaftliche Funktionsmechanismen unddie tatsÑchlichen Ursachen gesellschaft-licher �bel. Das legt nahe, nicht Moral zupredigen, sondern Wissenschaft zu trei-ben; und im Erfolgsfall kann man danndie jeweiligen moralischen Ideale durch

eine erkenntniskompatible �nderung vonRechten und Regeln zur Geltung bringen,ohne dass diese Ideale f�r die einzelnenAkteure handlungswirksam sein m�ssen.Einfacher gesagt: In einem funktionieren-den Konkurrenzsystem bin ich gerade ausEigeninteresse gut beraten, den potentiellenKunden gewisserma�en die W�nsche vonden Augen abzulesen.

Welche Position nimmt nun Friedrich Jodlbei der Beantwortung dieser ›sozialen Fra-ge‹ ein? Wenn man sich �ber seine Ant-wort klar zu werden versucht, f�llt zu-n�chst auf, dass er beide Strategien insAuge fasst. Seine Antwort, die auf einTheorieversagen abstellt, lautet:

„Ist der Optimismus jener volkswirtschaftlichenDoktrin [des Liberalismus, G.E.] berechtigt; sinddie Erfahrungen,welche das Jahrhundert zwischen1766 und 1866 mit den Wirkungen jener Doktrin,soweit sie in die Praxis umgesetzt worden ist,gemacht hat, derart, um als St�tze der Theoriegelten zu k�nnen?“ – Nein. – „... die gemachtenErfahrungen, wie kurz sie teilweise sein m�gen,sind inhaltsschwer, und sie gen�gen, um denBeweis zu liefern, dass die Hoffnung, aus demsich selbst �berlassenen und lediglich vom Egois-mus geleiteten Mechanismus des wirtschaftlichenLebens ein Reich der Gl�ckseligkeit und desallgemeinen Fortschrittes erbl�hen zu sehen, nureine Illusion ist.“32

Und noch deutlicher:

„Jener naturalistische Optimismus ..., welcher dieWirksamkeit sittlich-idealer Kr�fte durch denv�llig sich selbst und seinen immanenten Gesetzen�berlassenen Mechanismus des wirtschaftlichenLebens ersetzen zu k�nnen glaubt, erweist sichden Tatsachen der modernen Wirtschaftsge-schichte gegen�ber als durchaus unhaltbar ...“.33

F�r Jodl hat demnach die ›Doktrin desLiberalismus‹ theoretisch versagt – alsoerstens die Annahme, dass wir uns, wieAdam Smith es ausdr�ckte, unter Wett-

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bewerbsbedingungen (!) auf das Eigenin-teresse des B�ckers verlassen d�rfen, umvon ihm angemessen und gut ern�hrt zuwerden, und uns daf�r nicht auf seine›sittlich-idealen Kr�fte‹ verlassen m�ssen,sowie zweitens die Annahme, dass sichdurch die ›Unsichtbare Hand‹34 indivi-dueller Marktentscheidungen auch gesamt-gesellschaftlich alles zum Guten f�genwerde. Das Wirkungsgef�ge des Marktesf�hre im Gro�en und Ganzen n�mlichgerade nicht zu den Ergebnissen, die seineVertreter in Aussicht gestellt hatten.

Leider erfahren wir nicht n�her, welche„Tatsachen der Wirtschaftsgeschichte“diesem Optimismus widersprechen; derBegriff ›Tatsache‹ setzt, wissenschafts-theoretisch gesehen, ja eine bestimmteTheorie (und eine Beobachtungstheorie)voraus: ›nackte Tatsachen‹ gibt es nur f�rPositivisten.35 Und so ist zu bef�rchten,dass der Philosoph Jodl hier angesichtsder fr�hkapitalistischen Verh�ltnisse einemverbreiteten Gef�hl Ausdruck verlieh, abernicht die m�glichen Alternativen zu seinerSichtweise in Betracht zog – etwa: Mas-senarmut statt Massensterben; Massen-armut als kurzfristig notwendiges Durch-gangsstadium einer �berv�lkerten und un-terkapitalisierten Industriegesellschaft imAnfangsstadium; staatliche Fehlsteuerun-gen und institutionelle Defizite; entgegendem blo�en Augenschein allm�hlich wach-sende Durchschnittseinkommen; fehlen-des Wissen (nicht: fehlende Moral!); diesich beschleunigende, zivilisatorisch (undhumanistisch!) wichtige Innovationsdyna-mik; und anderes mehr.

Es wirkt daher wie eine unfreiwillige Be-st�tigung der These Max Webers, dass Wert-urteile mangelnde Kenntnisse signalisie-

ren,36 wenn Jodl im verbleibenden Teilseines Aufsatzes der moralischen Verurtei-lung der wirtschaftlichen Verh�ltnisse sei-ner Zeit ungew�hnlich viel Raum widmet.Hier schreibt er die angeprangerten Um-st�nde nicht mehr einem Theorie-, son-dern einem Moralversagen zu. DiesesMoralversagen �u�ert sich allerdings nichtin der individuellen Gleichg�ltigkeit gegen-�ber der zeitgen�ssischen Massenarmut;sie �u�ert sich auch nicht darin, dass wiruns leider unf�hig zeigen w�rden, innerhalbdes „sozialen Daseinskampfes die ernsteStimme der sittlichen Pflicht“ zu verneh-men, die uns dazu bringen will, die Un-gleichheit der Einkommen zu reduzieren;oder dass wir in schuldhafter Weise unwil-lig seien, zwischen dem „volkswirtschaft-lich unbestreitbaren“ Satz „Alle Arbeit istWare“ und dem ethischen „Fundamental-prinzip �Kein Mensch ist blo� Mittel�“einen „Ausgleich“ zu schaffen, wie Jodles formuliert.37 Seine Kritik setzt tiefer an– n�mlich bei der grunds�tzlichen Frage,„ob denn jene volkswirtschaftliche Forde-rung, die Entwicklung der Menschheit zuf�rdern, indem man [!] ihre Bed�rfnissesteigert, irgendeinen Anspruch habe, alsoberster und ausschlie�licher Grundsatzzu gelten.“38 Kurz: Es geht hier (im Jahre1885!) um die Grenzen des Wachstumsund damit um die Ethik (nicht nur alsPuffer, sondern) als Prellbock gegen ein›�berbordendes‹ Wachstum.39

Gewiss: F�r Jodl ist es unbestreitbar, dassdas moderne Wirtschaftssystem in jedemAugenblick zahllose Bed�rfnisse zahlloserMenschen befriedige, und es sei ebensorichtig, dass erst die Industrialisierung die„ungemein starke Vermehrung der Bev�l-kerung gestattet“ habe.40 Aber f�r ihn stelltsich die wirtschaftsethisch entscheidende

Aufkl�rung und Kritik 3/2014, Schwerpunkt Friedrich Jodl40

Frage nicht in quantitativem, sondern inqualitativem Sinn – �hnlich wie 80 Jahresp�ter f�r den Sozialpsychologen und Phi-losophen Erich Fromm: Haben oder Sein?41

Oder mit Friedrich Jodls Worten:

„Es ist eine traurige, aber allbekannte Wahrheit,dass unsere Zeit, ausger�stet mit den ungeheu-ersten Mitteln des Genusses, das wirkliche Ge-nie�en kaum versteht, weil sie alles von au�enerwartet, weil die Vorbereitungen zum Genusseso umst�ndlich geworden sind, dass sie immerschon drei Viertel des Genusses selbst verschlin-gen [...]. Hier ist auf keine Besserung zu hoffen,solange jenes volkswirtschaftliche Axiom von dernotwendigen best�ndigen Steigerung der Bed�rf-nisse bei Gebildeten wie Ungebildeten, Besit-zenden wie Nichtbesitzenden, als ein selbst-verst�ndlicher Grundsatz praktischer Lebenshal-tung gilt.“42

Und dann folgt jener Abschnitt, der Jodlals einen Verzichtsethiker im Interesserepublikanischen Bewusstseins kennzeich-net:

„Wer seinen Bed�rfnissen best�ndig zu wachsengestattet, dessen Seele wird unvermeidlich zu engf�r wirklich frohes Behagen, und dessen Besitzist unter allen Umst�nden zu klein, um ihm einOpfer f�r �ffentliche Zwecke und f�r die Ge-samtheit zu gestatten. Auch hier sto�en wir aufeinen tiefgreifenden Widerspruch zwischenVolkswirtschaftslehre und Ethik, der nach Aus-gleich verlangt.“43

Es ist also nicht nur so, dass unser mora-lisches Empfinden angesichts der wach-senden Ungleichheit der materiellen Le-bensverh�ltnisse abzustumpfen droht, wiesie die moderne Konkurrenzgesellschafterzeuge; vielmehr w�rde unser morali-sches Versagen schon bei der Frage be-ginnen, ob wir uns �berhaupt auf den›Wachstumswahn der Konkurrenzgesell-schaft‹ einlassen sollten: Blo�es Wachs-tum k�nne n�mlich die ›eigentlichen Be-d�rfnisse‹ des Menschen gar nicht befrie-

digen. Kurz: Es gehe darum, nicht �u�ere,sondern „innere G�ter“ sch�tzen zu lernen;und das sei keine b�rgerliche Marotte,sondern entspringe dem gemeinsamenmoralischen Erfahrungshorizont derMenschheit:

„... die Ethik aller Zeiten hat die Menschheitgelehrt, ihre Bed�rfnisse zu beschr�nken und inder Bed�rfnislosigkeit ein Gl�ck zu suchen, dassich immer weiter zur�ckzieht, je mehr der Kreisdessen, was zum Leben begehrenswert erscheint,sich erweitert. [...] In Wahrheit kann es kaumgr��ere Gegens�tze geben als jene heitere Ge-n�gsamkeit, jene sinnvolle Selbstbeschr�nkungdes Daseins, welche Epikurs Freundeskreis undseine Schule kennzeichnete, und die in vielenKreisen unserer modernen Kultur herrschendeLebenshaltung.“44

Zwei Dinge seien daher n�tig, um dem vonJodl konstatierten kollektiven Moralver-sagen der Gesellschaft entgegenzuwirken:die Adelung der produktiven Arbeit durchein „Bewusstsein idealer Zwecke der Ge-meinschaft“ sowie eine Ethik der „Selbst-beschr�nkung“,45 die im Verzicht wiedereinen Gewinn zu sehen lehre. �Wenigerist mehr� k�nnte ein heutiger Jodl-Anh�n-ger sagen – und sich des Beifalls wachs-tumskritischer Zirkel sicher sein.

Jodls sonstige, teilweise sogar wegwei-senden wirtschafts- und gesellschaftspoli-tischen Ideen stehen mit dieser grunds�tz-lichen Ablehnung der Innovationsdynamikmoderner Marktwirtschaften in keinemsystematischen Zusammenhang. Wir wol-len sie daher erst in Abschnitt III.2 er�rternund wenden uns zun�chst seiner Deutungvon Adam Smiths Liberalismus zu.

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III. Jodls Fehlleistungen – und Errun-genschaften

III.1. Die Smith-Interpretation

�berrascht k�nnen wir feststellen: Jodlwar nicht nur einer der ersten Wachs-tumskritiker, sondern wohl auch der erstetypische Kritiker dessen, was heutzutage�Neoliberalismus� genannt wird.46 Er gibtzun�chst zu, in seiner Arbeit von 1885 dieNational�konomie Adam Smiths nur „ineiner fl�chtigen Skizze“ gew�rdigt zuhaben, und kritisiert dann (leider ohnefachwissenschaftlich untermauerte Argu-mente) die „herrschende“ Orientierung derWirtschaftspolitik an Smiths Liberalis-mus.47 Doch auch wenn 130 Jahre nachJodl immer noch die gleichen Argumentevorgebracht werden, gewinnen sie da-durch nicht an hermeneutischer und wis-senschaftlicher Glaubw�rdigkeit.

Beginnen wir mit seiner schon zitiertenFeststellung: „Positive Dienste vermag derStaat der Gesellschaft nicht zu leisten;denn ... jedes Gesetz ... ist ein Angriff aufdie Freiheit.“ H�tte Smith eine solcheAussage als „Inbegriff seiner Gedanken“akzeptiert?48

Nein. Wir wollen das an einem humanis-tisch relevanten Beispiel n�her pr�fen,n�mlich der (Aus-)Bildung. Der erste und,systematisch gesehen, wichtigste Punkt isthier die Tatsache, dass Smith sehr wohlden Zusammenhang von Wirtschaft, Bil-dung und Ausbildung erkannt und darauseine wichtige Funktion des Staates abgelei-tet hat. Hier sind vor allem folgende Er-kenntnisse einschl�gig:

– Erstens brauchen Menschen Bil-dung, um ausbildungsfÑhig zu wer-den – wobei ich hier unter ›Bildung‹ein Wissen verstehe, das sie mit m�g-lichst vielen gemeinsam haben. Dazugeh�ren Kulturtechniken wie Lesen,Schreiben und (einfaches) Rechnen,aber auch die mit Recht so genannte›Allgemeine Bildung‹. Sie erm�glichtes, sich in der Welt zurechtzufindenoder auch ein zivilisiertes und umsich-tiges Gespr�ch jenseits von Wetter, K�-che und Krankheiten zu f�hren.49

– Zweitens brauchen Menschen auchAusbildung – also ein Wissen, das siemit den meisten anderen nicht gemein-sam haben. Gerade in einer arbeits-teiligen Gesellschaft ist der Wohlstandeine zentrale Funktion dieses Ausbil-dungswissens.

Das Problem lautet: Wer sollte das allesbezahlen (m�ssen)? Die libert�re Antwortw�rde hier lauten: Der Einzelne und seineFamilie nach dem Grundsatz „Wer bestellt,bezahlt.“ Und wer das Geld nicht aufbrin-gen kann, sollte daf�r eben Kredite aufneh-men und sie dann ›sp�ter zur�ckzahlen‹.

Aber der �konomische Teufel steckt ebenauch hier im Detail. Beide Formen desWissens sind n�mlich in einem wichtigenPunkt nicht vergleichbar: ihrer Kreditie-rungsfÑhigkeit. Zwar kann man sich vor-stellen, dass die Kosten einer Universit�ts-oder Meisterausbildung von privaten Geld-gebern vorfinanziert werden; hier kann mandie Risiken ungef�hr absch�tzen, undInvestitions- und Ertragsphase stehen ineinem akzeptablen Verh�ltnis zueinander.Aber der Staat als Anbieter von Ausbil-dungskrediten kann niedrigere Zinss�tzebieten und verf�gt aus eigener Kraft �ber

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einen Sanktionsmechanismus gegen�bers�umigen R�ckzahlern.

Im Bereich der Primar- und Sekundar-stufenbildung werden wir allerdings keineprivaten Kreditgeber finden. Sie m�sstenn�mlich, um ihre Risiken vertretbar zu hal-ten, die Zahlungsf�higkeit eines Menschenin 20, 30 oder gar 40 Jahren einigerma�enzuverl�ssig absch�tzen k�nnen. Das k�n-nen sie selbstverst�ndlich nicht; und daherg�be es niemanden, der bereit w�re, seinGeld in so etwas Unberechenbares wieeinen Menschen zu investieren, der gerademal den Windeln entwachsen ist. F�r die-ses Segment der Bildungsfinanzierung g�-be es also keine Anbieter. Und die Nach-frager? Nun: Wer aus seinem monatlichenEinkommen kaum etwas f�r nicht lebens-notwendige Zwecke abzweigen k�nnte,fiele schon deshalb als Nachfrager aus.Das bedeutet: Auch die Nachfrageseite desBildungsmarktes w�re allenfalls durchMenschen besetzt, die es sich leisten k�n-nen. Ein breitgef�cherter Bildungsmarktk�me so nicht zustande.50

Hier hat nun der Staat, wie schon Smithwusste, eine zentrale Aufgabe. Indem erdurch die Erhebung von Steuern (und dasbedeutet: durch die Einschr�nkung indivi-dueller Freiheit!) kollektive Mittel bereit-stellt, verteilt er die Risiken der Bildungauf die gesamte Gesellschaft und schafftdadurch erst einen Bildungsmarkt.51 Er tutdas gerade im Interesse derer, die manheutzutage �unterprivilegiert� nennt. Wirlesen bei Smith:

„In einer entwickelten und kommerzialisiertenGesellschaft sollte sich die �ffentlichkeit vielleichtmehr um die Erziehung des einfachen Volkesk�mmern als um die der oberen Schicht. [...][Menschen] aus der unteren Schicht ... haben

nur wenig freie Zeit f�r ihre Ausbildung. Ihre Elternk�nnen sie selbst w�hrend der Kindheit kaumunterhalten, und sobald sie arbeitsf�hig sind,m�ssen sie sich eine Besch�ftigung suchen, umihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.“52

Dieses Argument kl�rt die ÉkonomischeSeite des Bildungsproblems: Die Gesell-schaft steht sich umso besser, je wenigerweit die ›Schere zwischen ungebildet und(aus-)gebildet‹ ge�ffnet ist.53 Aber derMoralphilosoph Smith hat nat�rlich mehrals nur �konomische Argumente zu bieten.Als Theoretiker der sich erstmals entwi-ckelnden modernen Marktwirtschaft warihm bewusst, dass die wohlstandsschaf-fende Arbeitsteilung auch humane Kostenmit sich bringt. Dem staatlichen Bildungs-wesen w�chst daher auch eine erstrangigeanthropologische Aufgabe zu. Smithschreibt:

„Mit fortschreitender Arbeitsteilung wird dieT�tigkeit der �berwiegenden Mehrheit der-jenigen, die von ihrer Arbeit leben, also derMasse des Volkes, nach und nach auf einigewenige Arbeitsg�nge eingeengt, oftmals auf nureinen oder zwei.[54] Nun formt aber die All-tagsbesch�ftigung ganz zwangsl�ufig das Ver-st�ndnis der meisten Menschen. Jemand, dertagt�glich nur wenige einfache Handgriffe aus-f�hrt, die zudem immer das gleiche oder ein�hnliches Ergebnis haben, hat keinerlei Gelegen-heit, seinen Verstand zu �ben. Denn da Hinder-nisse nicht auftreten, braucht er sich auch �berderen Beseitigung keine Gedanken zu machen.So ist es ganz nat�rlich, dass er verlernt, seinenVerstand zu gebrauchen, und so stumpfsinnig undeinf�ltig wird, wie ein menschliches Wesen nureben werden kann. [...] Dies aber ist die Lage,in welche die Schicht der Arbeiter, also die Massedes Volkes, in jeder entwickelten und zivilisiertenGesellschaft unweigerlich ger�t, wenn der Staatnichts unternimmt, sie zu verhindern.“55

Und schlie�lich erf�hrt staatlich erm�glich-te Bildung bei Smith auch eine gesell-schaftspolitische Begr�ndung. Wir alle

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leben n�mlich lieber in einer Gesellschaft,in der m�glichst viele Menschen alphabeti-siert sind, und noch lieber in einer Gesell-schaft, in der sie diese Kulturtechnik aucherfolgreich angewendet haben. Wir lesenbei Smith �ber die allgemeinen Vorteile derVolksbildung:

„Selbst wenn der Staat als solcher keinen Vorteilvon der Schulausbildung f�r Menschen aus denniederen Schichten haben sollte, so m�sste erdennoch daran interessiert sein, dass sie nichtAnalphabeten bleiben. Tats�chlich aber zieht ernicht unbetr�chtlichen Nutzen daraus. Denn jegebildeter die B�rger sind, desto weniger werdensie T�uschungen, Schw�rmerei und Aberglaubenausgesetzt, die in r�ckst�ndigen L�ndern h�ufigzu den schrecklichsten Wirren f�hren. Au�erdemist ein aufgekl�rtes und kluges Volk stets zur�ck-haltender, ordentlicher und zuverl�ssiger als einunwissendes und ungebildetes.“56

Man beachte, dass Smith hier immer nur�ber die staatliche Verantwortung f�r dasBildungswesen spricht, nicht jedoch �berdessen staatliche Veranstaltung. Sein Buchenth�lt einige sehr harsche Bemerkungen�ber die Qualit�t staatlicher Schulen unddie Leistungsbereitschaft fest besoldeterLehrer – vielleicht ein weiterer Grunddaf�r, warum er bei P�dagogen (und Jour-nalisten) nicht gerade wohlgelitten ist. Das�ndert aber nichts daran, dass f�r ihn dasBildungswesen eine genuine staatliche Auf-gabe darstellt – und zwar, wie gezeigt, aus�konomischer, aus anthropologischerund aus gesellschaftspolitischer Sicht.57

Welche anderen Staatsaufgaben nenntSmith? Vor 40 Jahren haben EberhardWille und Martin Gl�ser58 diese Frage sobeantwortet:

– Kein Staat ohne die Sicherungnach auÖen. Er ben�tigt also von sei-nen B�rgern Ressourcen, um die Ver-

teidigung organisieren und bezahlen zuk�nnen. Sie war und ist eine notwen-dige Bedingung der Freiheit.– Das Gleiche gilt f�r die innere Si-cherheit: Wer sich nicht sicher seinkann, dass das Erarbeitete auch morgennoch ihm selbst geh�rt und nicht R�u-bern, Dieben und Betr�gern, muss sichleider so etwas wie einer ›Inneren Si-cherheitssteuer‹ unterwerfen. Auch sieist eine notwendige Bedingung derFreiheit.– Der Staat muss die Marktordnungsichern. F�r Smith hie� das vor allem:Die Z�nfte m�ssen entmachtet und imInteresse aller der inl�ndischen undausl�ndischen Konkurrenz ausgesetztwerden. Heutzutage k�nnen wir die po-sitiven Auswirkungen der Konkurrenzauf Preise und Qualit�t am Beispiel derFreigabe der Telefonm�rkte studieren.– Der Staat muss ferner Preisabspra-chen verhindern. Produzenten werdenn�mlich immer versuchen, dem Druckdes Wettbewerbs zu entkommen undh�here Preise am Markt durchzusetzen,als die Konsumenten ihnen freiwilligzugestehen w�rden. In autorit�ren Staa-ten gilt das Treffen zweier Menschennoch als Beisammensein; kommenhingegen drei Menschen zusammen, istWachsamkeit am Platze. Ganz �hnlichwar f�r Smith das Zusammentreffendreier Unternehmer aus der gleichenBranche ein zuverl�ssiger Indikator f�reine Verschw�rung gegen den Konsu-menten. Daher ist auch ein Kartellamtim Interesse aller.59

– Es kann aber auch im Interesse allersein, f�r eine gewisse Zeit Monopolezu erlauben – etwa bei riskanten oderteuren Produktionsverfahren. In sol-chen F�llen kann der Staat mit Hilfe

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des Patentrechts f�r einen zeitlich be-grenzten Schutz des Produzenten sor-gen – und damit Innovationen f�rdern.– Produzierte Waren m�ssen ihrenWeg zum Konsumenten finden, Vor-produkte den Weg zum Produzenten.Eine prosperierende Wirtschaft ver-langt also eine funktionierende Infra-struktur. Ihre Finanzierung durch dieErhebung in Mautstellen entspr�chezwar dem Grundsatz „Wer bestellt,zahlt“, w�re aber unwirtschaftlich undzeitintensiv; daher stehen sich (au�erin bautechnischen Ausnahmef�llen) allebesser, wenn der Staat f�r die kollektiveBereitstellung der entsprechenden Res-sourcen (auch der Bebauungsfl�chen!)sorgt. Eine funktionierende Infrastruk-tur ist also eine notwendige Bedingungf�r nachhaltige Prosperit�t.60

– Der Staat muss eine Rechtsaufsicht�ber zivilrechtliche Vertr�ge f�hren.Schlie�lich tragen wir alle die Verant-wortung daf�r, dass es zu keinen Aus-beutungsvertr�gen kommt. Obwohl dieb�rgerliche Freiheit zu einem sehrgro�en Teil aus der Vertragsfreiheitbesteht, kann und wird auch dieseFreiheit missbraucht werden. Waszivilrechtlich erlaubt ist und was nicht– auch das regelt der Staat als Beauf-tragter der Gesellschaft.– Und schlie�lich w�re noch dasGeldmonopol zu nennen. Auch hierstehen sich in der Regel alle besser,wenn es eine einheitliche W�hrung gibt,mit der man fl�chendeckend seinenZahlungsverpflichtungen nachkommenkann – was eine Zentralbank voraus-setzt, die vor allem an der Geldwert-stabilit�t orientiert ist und nicht denWeisungen der Regierung untersteht.

Staatliche Verantwortung bedeutet, wiegesagt, aber nicht immer auch staatlicheDurchfÄhrung. W�rde Smith heute leben,k�nnte er uns eine lange Liste von Projek-ten vorlegen (vielleicht beginnend mit derElbphilharmonie und dem Berliner Haupt-stadtflughafen), f�r die es vielleicht gutegesellschaftliche Gr�nde geben mag; aberwenn man den Einfluss der Politik nachder Auftragserteilung nicht begrenzt, kannman sie schnell in eine kabaretttauglicheLage man�vrieren.

Wir sehen jedenfalls: Was Jodl in seinerArbeit von 1885 f�r Smiths Auffassungenausgibt, hat mit Smiths Auffassungen kaumetwas zu tun. Doch warum hat er sich da-mals auf eine so oberfl�chliche, ja partei-ische Weise mit Smith auseinandergesetzt?Diese Frage erh�lt noch zus�tzliches Ge-wicht, wenn man bedenkt, dass Jodl dreiJahre fr�her im Rahmen seiner zweib�n-digen ›Geschichte der Ethik‹ eine deutlichabgewogenere und sachlich zutreffendereDarstellung von Smiths Ideen gegeben hat.Wir lesen dort unter der �berschrift „Ethikund Volkswirtschaftslehre“:

„Denn, wie wir heute auch von den Wirkungendenken m�gen, welche das von Smith verk�ndetePrinzip der freien Konkurrenz auf die Wohlfahrtder V�lker aus�bt – dar�ber kann kein Zweifelsein, dass Smith dieses System gerade aus demGesichtspunkte der Humanit�t, der Volkswohl-fahrt, gefordert und dem zu seiner Zeit herrschen-den Merkantil- und Monopolsystem gegen�ber-gestellt hat, an welchem er tadelt, dass es dasWohl der Gro�en und M�chtigen beg�nstige, dieInteressen der Kleinen und Armen unterdr�cke.Er verlangt die freie Konkurrenz, weil sie daseinzig Gerechte und allein geeignet sei, diewirtschaftliche Lage der Armen und Niedrigenzu sichern, den Gegensatz der Klasseninteressenzu mildern und sie mit dem Interesse derGesellschaft im ganzen zu vers�hnen.“61

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So ist es. Aber wie ist dann die hermeneu-tische Fehlleistung von 1885 zu erkl�ren?

Vielleicht hilft hier ein Blick auf die Zeit-geschichte. Jodls Publikation „Volkswirt-schaftslehre und Ethik“ von 1885 erschienin der Reihe „Deutsche Zeit- und Streit-fragen“. Hier ging es offensichtlich nichtum hermeneutisch korrekte Interpreta-tionen, sondern um politische Partei-nahme. Zu den damals viel diskutierten„Zeitfragen“ geh�rte n�mlich auch, wieman sich zu den ›Sozialistengesetzen‹Bismarcks stellen sollte, die, so ihr Titel,�gegen die gemeingef�hrlichen Bestrebun-gen der Sozialdemokratie� gerichtet warenund auf ein politisches Bet�tigungsverbothinausliefen. Sie waren am 19. Oktober1878 mit der konservativ-nationalliberalen(!) Reichstagsmehrheit verabschiedet wor-den und waren seitdem hei� umstritten.F�nf Jahre nach Jodls Aufsatz, n�mlicham 25. Januar 1890, wurden sie abge-schafft und die Deutsche Sozialdemo-kratie damit zur akzeptierten politischenKraft.

Es liegt nun nahe, den im Vorfeld erschie-nenen Aufsatz Jodls nicht als seri�se Dar-stellung von Adam Smiths Politischer�konomie und des Problems ›Volkswirt-schaftslehre und Ethik‹ zu lesen, sondernals Kampfschrift, in der es auch um poli-tische Parteinahme62 zur Schw�chung desnationalliberalen Gegners ging, der den›Sozialistengesetzen‹ zugestimmt hatte.Das ist umso bedauerlicher, als es geradeAdam Smith war, der in seiner ›Theorieder ethischen Gef�hle‹ den besonderenmoralischen Wert der Unparteilichkeit, des›impartial spectator‹, betont hatte.63

All dies k�nnte seiner langfristigen Wir-kung abtr�glich gewesen sein. In einer zu-sammenfassenden sozialphilosophischenArbeit zur ›sozialen Idee in den Weltan-schauungen des 19. Jahrhunderts‹ aus demJahre 1910 wird Friedrich Jodl mit keinemWort erw�hnt – au�er als Mitherausgeberder Schriften Ludwig Feuerbachs.64

III.2. Die Wirtschafts- und Gesell-schaftspolitik

Wie soll es gemacht werden, dass Volkswirt-schaftslehre und Ethik in engere BerÄhrungund Wechselwirkung treten und die volks-wirtschaftliche Praxis unseren sittlichen For-derungen weniger grell widerspreche?

Friedrich Jodl

Die vorangegangenen kritischen Bemer-kungen sollten nicht davon ablenken, dassJodl auch einige wegweisende wirtschafts-ethisch relevante Ideen formuliert hat,denen wir uns nun zuwenden wollen. Ichkonzentriere mich dabei auf drei Punkte.

1. Der Markt als Instrument und Spiel-regelIm ›Kampf der Weltanschauungen‹ des19. Jahrhunderts, den er als Kampf zwi-schen Religion und Wissenschaft auffass-te, hat Jodl sich auf der ›wissenschaftli-chen‹ Seite positioniert. Unabh�ngig da-von, ob seine Entgegensetzung von wis-senschaftlicher und religi�ser Weltauffas-sung sinnvoll und ersch�pfend ist,65 er-kl�rt sich so seine Abneigung auch gegensÑkulare Heilsversprechen – seien sie nunmarxistisch-sozialistischer oder liberalerPr�gung. Das bedeutet: Nach seiner Auf-fassung d�rfen wir von der Zukunft wederden Eintritt in ein weltliches Paradies nachMarxschem Vorbild erwarten, in dem uns

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›nach unseren Bed�rfnissen‹ gegebenwird, noch wird sich ›alles zum Gutenwenden‹, wenn wir nur auf ›die Markt-kr�fte‹ vertrauen. Das hat Jodl v�llig richtiggesehen: Komplexe Systeme sind leis-tungsf�hig, verlangen aber eine aufw�ndigeSteuerung – und nicht blo� die Hoffnungauf den Zeitablauf. Vor allem aber: Gesell-schaftliche Prozesse laufen nicht einfach›naturw�chsig‹66 ab, sondern sind durchmenschliche Entscheidungen grundlegendbeeinflussbar – zum Guten wie zumSchlechten.

Gegen diesen Steuerungsoptimismus ver-wies man im sp�ten 19. Jahrhundert aufdas Walten von ›Naturgesetzen‹, die derMensch nicht einfach aufheben k�nne: Inder gleichen Weise, wie man den Lauf derGestirne und seine Auswirkungen auf dieErde nicht einfach hinwegw�nschen k�n-ne, lie�en sich auch die ›Marktkr�fte‹ undihre Wirkungen nicht einfach negieren.Doch die Auffassung, Marktkr�fte seieneben Ausdruck anthropologischer und da-mit naturgesetzlich verankerter Strebungendes Menschen, und man solle ihnen daher›freien Lauf lassen‹, l�sst Jodl in dieserForm nicht gelten. Wir lesen bei ihm:

„Aber was beweist das [die Existenz vonMarktkr�ften, G.E.] f�r die Unab�nderlichkeitdieser Erscheinungen? Unab�nderlich sind dochwohl nur die Naturgesetze selbst, keineswegsaber immer auch die Bedingungen, unter welchensie wirken, und die Erscheinungen, welche daraushervorgehen.“67

Und etwas sp�ter lesen wir:

„Von dem Augenblick an, wo wir in das Reichder Menschengeschichte eintreten, muss es mitder fatalistischen Berufung auf die Unab�nder-lichkeit der Naturgesetze sein Bewenden haben.Auch die wissenschaftlichste Erkl�rung einesbestehenden Zustandes kann nicht hindern, dass

der vern�nftige Wille, der sich von ihm nichtbefriedigt f�hlt, diesem Sein ein Sollen gegen-�berstellt und mit unabweislicher Macht dem Ein-zelnen wie der Gesamtheit gegen�ber die Frageerhebt: �Was habt ihr mit den Naturgesetzengemacht?�“68

Auch wenn wir im 20. Jahrhundert gelernthaben, die Chancen nicht zu �bersch�tzen,solche „Bedingungen“ nach Beliebenschaffen zu k�nnen, erweist sich Jodl hierals klarsichtiger Denker: Er sieht die ana-lytische Notwendigkeit, zwischen Spielenund Spielregeln zu unterscheiden. Mitanderen Worten: Auch wenn wir aus an-thropologischen Gr�nden dazu neigen,innerhalb eines Spiels den Spielraum dergeltenden Regeln nach Kr�ften zu unserenGunsten auszunutzen, verantworten wirdie Spielregeln immer noch selbst undk�nnen sie sogar gezielt �ndern. Auf dieInstitution ›Markt‹ angewendet bedeutetdas: Es liegt an uns, wo und in welchemMa�e wir Marktkr�fte zur L�sung gesell-schaftlicher Probleme zulassen und wonicht. M�rkte sind also institutionelleInstrumente und weder ein Weg zum Heilnoch ein Weg zum Untergang.69

Wenn Jodl im weiteren Verlauf seiner Aus-f�hrungen diese Perspektive nur skizzen-haft entwickelt und dabei auf eine „Staats-und Lebenskunst“ hofft, die es erm�glichenm�sse, uns von den Extremen „Manches-tertum und Sozialismus“ gleicherma�enfernzuhalten,70 so ist das nicht seiner be-schr�nkten Urteilskraft oder seinen be-grenzten Kenntnissen zuzuschreiben, son-dern dem Stand der Wissenschaft, auf dieer sich st�tzen musste: Erst f�nf Jahresp�ter wird der britische Wirtschaftswis-senschaftler Alfred Marshall mit seinemwegweisenden Buch ›Principles of Eco-nomics‹71 die moderne Wirtschaftswis-

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senschaft begr�nden und mit ihr diemikro�konomische (also auf individuellesVerhalten abstellende) Wirkungsanalysemenschlichen Handelns.72

2. BevÉlkerungswachstum und demogra-fischer Übergang�berraschend klarsichtig sind Jodls An-sichten zum Problem des Bev�lkerungs-wachstums. Nat�rlich war ihm das kom-plizierte Ineinander von �konomischemund demografischem Wachstum nicht ver-borgen geblieben: Einerseits erm�glichteine wachsende Produktivit�t auch die Er-n�hrung einer gr��eren Anzahl Menschen;andererseits h�lt das Kapitalwachstum,das wir f�r eine produktive Besch�ftigungdieser Menschen ben�tigen, mit dem Be-v�lkerungswachstum nicht immer Schritt.Ein quantitativ nicht begrenztes Bev�lke-rungswachstum ist nach seiner Auffassungdaher mit dem Risiko verbunden, dass diefortschreitende wirtschaftliche und tech-nologische Entwicklung strukturelle Ar-beitslosigkeit produziert: Es werden mehrMenschen geboren als sinnvoll besch�ftigtwerden k�nnen.73 Um nicht das Grund-recht des Einzelnen auf „Vermehrung“verletzen zu m�ssen, empfiehlt er die all-gemeine Hebung des Lebensstandards derArbeiterklasse als wirksamstes und dar�berhinaus auch auf Freiwilligkeit beruhendesMittel gegen den damals hohen Bev�l-kerungsdruck:

„Wirksamer Schutz gegen eine Art der �berv�l-kerung, welche dem Leichtsinne und dem Fehlendes Pflichtgef�hles den eigenen Spr��lingen ge-gen�ber entstammt, kann blo� gewonnen wer-den, wenn es den Kulturv�lkern gelingt, dengr��ten Teil ihrer Arbeiterklassen auf die Stufedes heutigen Mittelstandes mit m��igem, abereinigerma�en sicherem Wohlstande zu erheben,und durch Steigerung des wirtschaftlichen Sinnes,durch die M�glichkeit edleren Familienlebens,

durch kraftvolle strenge Sitte und ein entspre-chendes Erziehungssystem die tats�chlicheVermehrung der unteren Volksschichten mit dengegebenen Verh�ltnissen wenigstens einigerma-�en auszugleichen.“74

Jodl argumentiert hier sowohl �konomisch(„Steigerung des wirtschaftlichen Sinnes“),als auch moralisch („kraftvolle strengeSitte“, „M�glichkeit edleren Familienle-bens“). Lassen wir mit Marx die „kraftvollestrenge Sitte“ Jodls ›verdampfen‹ und be-schr�nken uns auf den reinen bev�lke-rungs�konomischen Sachverhalt: Stei-gende Kosten f�r Kinder f�hren zu einersinkenden Nachfrage75 (also zu wenigerKindern) und damit zu dem, was heutigeBev�lkerungforscher den ›demografi-schen �bergang‹ zu einer Gesellschaftnennen, die trotz aller Wohlstandsgewinneallenfalls noch bestandsstabil ist.76

3. Sozialpolitik und das Recht auf eineMindestsicherungMenschen gehen in einer Wettbewerbs-wirtschaft ein spezifisches Risiko ein: Siek�nnen arbeitslos werden, wenn ihre Pro-dukte und Dienstleistungen (pl�tzlich)nicht mehr gefragt sind.

Es gibt (mindestens) drei M�glichkeiten,wie man gesellschaftlich mit diesem Risikoumgehen kann:

1. Der Staat subventioniert Anbieter,die sich am Markt nicht mehr behaup-ten k�nnen. Dabei werden mit Steuer-geldern Zahlungen an Unternehmenoder Privatpersonen geleistet oder aufandere Weise der Absatz des betref-fenden Produkts gef�rdert.2. Man verzichtet auf Subventionenund �berl�sst diejenigen, die von Ent-lassungen oder Nachfrageeinbr�chenbetroffen sind, den karitativen Anstren-

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gungen gesellschaftlicher, nicht-staat-licher Kr�fte.3. Da Arbeitslosigkeit ein systemi-sches Risiko ist, das immer dann ent-steht, wenn wir uns Wahlm�glichkeitenzugestehen (und wer wollte sie nichthaben?), kann man dieses Risiko auchnur auf systemischem Wege angehen,n�mlich durch staatlich organisierteVersicherungen.

Jodl spricht sich f�r die dritte M�glichkeitaus. Sein Argument l�sst sich so rekon-struieren: Gerade wenn wir kollektiv in denGenuss der zivilisatorischen Vorteile einerWettbewerbswirtschaft kommen (und da-von war Jodl, wie wir gesehen haben,�berzeugt), dann sollten wir die mit derTeilnahme an Marktprozessen verbunde-nen Risiken fairerweise ebenfalls kollektivabsichern – und sie nicht den Schwankun-gen karitativer Hilfsbereitschaft �berlas-sen. Wir lesen bei ihm:

„Die Versicherung bewirkt das Gegenteil wie dasAlmosen; statt das Selbstgef�hl herabzudr�cken,zeigt sie einen hebenden und st�rkenden Einflussauf den Charakter. Noch sicherer wird diesesZiel erreicht durch das System einer gewissenBeteiligung der Arbeiter am Gewinn, wobei dieseAnteile teils als Pr�mie in eine Versicherungs-kasse, teils als profitbringendes Kapital in dasUnternehmen des Chefs fallen.“77

Auch hier zeigt sich: Jodl hat durchauswegweisende Intuitionen. Dazu geh�rtauch der Hinweis, wie sich solche institu-tionellen Innovationen durchsetzen wer-den, n�mlich „zun�chst nicht durch Ge-setz, sondern gewisserma�en nur auf demGnadenwege“.78 Das bedeutet: Unterneh-men, die um qualifizierte Arbeitnehmerkonkurrieren, bieten entsprechende Betei-ligungsmodelle an, und wenn sich dieseModelle bew�hren, werden sie sich ver-

breiten. Kurz: Hier wird eine Politik mitAugenma� und mit experimentellem Sinnsowie entlang evolution�rer Denkschema-ta empfohlen. Der Philosoph FriedrichJodl h�tte es heute wohl so ausgedr�ckt:eine Politik „mit Mitte und Ma�“.79

Heute w�rden wir sagen: Moderne Gesell-schaften k�nnen sich nur in dem Ma�eproduktiv entwickeln, wie sie auf denverschiedensten Handlungsfeldern sozialeDilemmata mit Hilfe institutioneller Inno-vationen l�sen.80 Ein solches Dilemmaliegt beispielsweise dann vor, wenn wirentscheiden sollen, ob wir an einem Wett-bewerbsspiel teilnehmen wollen oder nicht,oder ob wir (noch grunds�tzlicher formu-liert) eine Gesellschaft moralisch akzep-tieren sollten, in der Wettbewerbsspieleeine zentrale Rolle spielen. Zwar k�nnenwir dabei viel gewinnen, aber wir k�nneneben auch viel verlieren. Dieses Risiko giltes, kollektiv zu minimieren. Um es in einemBild zu sagen: Wenn der Staat ein sozialesNetz spannt, in das wir fallen k�nnen, wennwir scheitern, erlaubt er uns gleichzeitig,mit dessen Hilfe noch h�her zu springen.81

Da es bei Humanisten ja leider �blich ist,die eigene intellektuelle Existenzberechti-gung durch die Gegnerschaft zu Religionund Kirche nachzuweisen, wollen wir dieDiskussion dieses Punktes nicht verlassen,ohne auf Jodls ungew�hnlich faire Be-wertung der karitativen Anstrengungen derchristlichen Kirche hinzuweisen, die sie inZeiten fehlender oder embryonaler Staat-lichkeit erbracht hat. Er schreibt:

„Nur die Blindheit des Hasses verm�chte zuverkennen, wie au�erordentlich Gro�es diechristlichen Kirchengesellschaften durch Lehreund Beispiel, durch F�rderung des sittlichenHeroismus, durch gro�artige Organisationen f�r

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Kranken- und Armenpflege geleistet haben, umdas heilige Feuer der Liebe auf dem Altare derMenschheit nicht verl�schen zu lassen.“82

Mir scheint, auch hier k�nnen wir von Jodllernen.

IV. Schluss: Grenzen des Wachstumsoder Wachstum der Grenzen?

Kn�pfen wir abschlie�end noch einmal andas eingangs zitierte Motto von FriedrichJodl an. Es lautete:

„Wollen wir wahrhaft wissenschaftlich verfahren,so d�rfen wir unsere Ideale sozialer Entwicklungnach keiner anderen Richtung hin bilden als nachderjenigen, welche uns die allgemeinen Entwick-lungsgesetze des Organischen andeuten.“

Bei der Diskussion dieses au�erordentlichinteressanten und vielschichtigen Zitats83

wollen wir uns auf zwei Aspekte beschr�n-ken.

1. Wer die soziale Entwicklung an „allge-meinen Entwicklungsgesetze[n] des Orga-nischen“ orientieren m�chte, legt sichdarauf fest, Wettbewerbsprozessen einezentrale Stellung innerhalb des Gemein-wesens zuzuweisen. Denn die „Entwick-lungsgesetze des Organischen“ bedeutenja auch, die allgemeine Knappheit an Res-sourcen durch Konkurrenz zu bew�ltigen.Dabei geht es um Anpassung, also umdie optimale Ausnutzung von Ressourcenin einem gegebenen Rahmen.84 So k�n-nen wir uns an steigende Energiepreiseetwa dadurch anpassen, dass wir unserVerhalten �ndern und Umschichtungen inunserem Haushaltsbudget vornehmen. Aufwelche Weise die einzelnen Individuen dastun werden, ist naturgem�� (!) nicht vor-aussagbar: Evolution�re Prozesse sind be-reits auf dieser Ebene ergebnisoffen.

2. Wir k�nnen von den ›Entwicklungsge-setzen des Organischen‹ allerdings auchlernen, Knappheiten nicht nur in einemgegebenen Rahmen zu bew�ltigen, son-dern auch durch seine Ausweitung – alsodurch Innovationen. Es geht dabei nichtum die Grenzen des Wachstums, sondernum das Wachstum der Grenzen: Wir su-chen nicht die optimale L�sung im Rah-men fester Knappheitsgrenzen, sondernwir erweitern diesen Rahmen.85 Um dasEnergiebeispiel noch einmal aufzugreifen:Statt uns an einen gegebenen Rahmen an-zupassen, k�nnen wir auch neue M�glich-keiten der Energieproduktion oder Ener-gienutzung ›entwickeln‹. Das Leben ist erstrecht auf dieser Ebene ein ergebnisoffenerProzess: Wir kennen k�nftige Innovatio-nen nicht, denn sonst k�nnten wir sie jaheute schon einf�hren.86 Innovationen er-weitern jedenfalls den Radius des M�gli-chen auf eine geradezu ehrfurchteinfl�-�ende Weise – wie wir an den Abbildun-gen 1 und 4 sehen konnten.

Unter diesem Aspekt stellt sich die Frage,ob Friedrich Jodl hier konsistent gedachtund argumentiert hat. Erinnern wir uns:Wachstum hat f�r ihn moralisch destruk-tive Konsequenzen; weniger sei mehr; undes geht ihm darum, sich innerhalb einesbestimmten Rahmens zu bescheiden.Gleichzeitig m�chte er „unsere Ideale so-zialer Entwicklung nach keiner anderenRichtung hin bilden als nach derjenigen,welche uns die allgemeinen Entwicklungs-gesetze des Organischen andeuten“. Dochgerade sie legen nahe, dass das Wachs-tum der Grenzen die vorgeblichen ›Gren-zen des Wachstums‹ sprengen wird.

Erst recht aus humanistischer Sicht m�s-sen wir uns die Frage stellen, ob der Sinn

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einer ›freien Marktwirtschaft‹ nicht gera-de darin besteht, den sozialen und politi-schen Raum f�r Innovationen zu �ffnen.›Frei‹ sind wir n�mlich vor allem in demSinne, dass wir ›nein‹ sagen k�nnen – zuDenkgewohnheiten, Institutionen, Produk-ten, Weltanschauungen und zu den Men-schen, die sie repr�sentieren. Und die spezi-fische Conditio humana besteht nicht nurdarin, dass wir ›nein‹ sagen kÉnnen, son-dern dass wir, wie Kant wusste, uns so-gar selbst das Gesetz geben k�nnen, dasauch zu dÄrfen. Eben darin besteht politi-sche Freiheit – und eine der humanisti-schen Tradition angemessene Politik. Dochwer in diesem Sinne ›frei‹ ist, wird unwei-gerlich Neues in die Welt bringen. Und sowird das Wachstum der Grenzen zur ein-zigen Form menschengem��er Politik.

Dennoch: Friedrich Jodl hat bereits um1900 diesen gewaltigen Denkraum ge�ff-net, viele Probleme gesehen, manche weg-weisenden L�sungen vorgeschlagen undsich, wie jedermann, eben manchmal auchgeirrt. Daher ist es mehr als angemessen,sich seiner wieder zu erinnern.

Anmerkungen:Herrn Prof. Dr. Ingo Pies (Universit�t Halle-Wit-tenberg) danke ich herzlich f�r eine kritische Durch-sicht des Manuskripts und wertvolle Anregungen.1 Jodl (1885/1917), S. 104 f.2 Diese Anekdote wird zitiert etwa bei Lenk undMaring (1992), S. 7.3 Ich habe bisher keine Quelle ausfindig machenk�nnen. F�r entsprechende Hinweise w�re ich je-doch dankbar.4 Vgl. dazu etwa Niklas Luhmann (1993, S. 137):„Bei allen Diskussionen �ber Ethik im allgemeinenund �ber Wirtschaftsethik im Besonderen sollten dieProtagonisten sich gehalten f�hlen, genau zu sagen,was sie meinen und welche Regeln sie unter derBezeichnung Ethik f�r moralisch begr�ndbar halten.Diese Forderung ist ihrerseits kein (in diesem Falle

w�re das ein paradoxes) ethisches Gebot, sondernschlicht eine Frage des Interesses an der weiterenBeteiligung an solchen Diskussionen. Ich sucheschon die Wagenschl�ssel in meiner Tasche.“5 Lehrst�hle f�r Wirtschaftsethik gibt es u.a. an denUniversit�ten Halle-Wittenberg und M�nchen.6 Vgl. dazu die Aristoteles zugeschriebenen DreiBÄcher Äber Hauswirtschaft, die ›Oikonomika‹(Zoepffel 2006), darin vor allem Buch II.7 Quelle: http://zuwi.at/themen/wachstum/osterreichs-wirtschaftswachstum-in-den-letzten-2000-jahren/. (Andreas Sator danke ich f�r dieGenehmigung zum Abdruck.) Der ›Geary-Khamis-Dollar‹ ist eine abstrakte Rechnungsgr��e, die ver-schiedene W�hrungen vergleichbar macht. Die Da-ten beziehen sich auf den �sterreichischen Raum,gelten tendenziell aber auch f�r andere mittel- undwesteurop�ische Regionen und L�nder. Vgl. dazuFederico (2002); zu einem Update ferner Bolt undvan Zanden (2013).8 Das Original ist im Rahmen der Glasgower Ge-samtausgabe im Internet verf�gbar (Smith 1776/1976), die deutsche Standard-�bersetzung ist Smith(1776/1983).9 Vgl. dazu Hume (1741/1742/1988) sowie Engel(2013a). Zum Europ�ischen Sonderweg in Wirt-schaft, Recht und Wissenschaft vgl. die erste Ab-handlung („Europa und die Z�hmung der Herr-schaft“) in Albert (1986), S. 9-59.10 Smith (1759/2004).11 Vgl. dazu schon Jodl (1882/1930), S. 364, fer-ner Macfie (1959), Priddat (1990), Homann (2002)und Wilson und Dixon (2006). Das Problem kanninsofern heute als gel�st gelten, als man nicht mehrdavon ausgeht, Smith habe zwei verschiedene Men-schenbilder entwickelt und zwei einander widerspre-chende ethische Theorien vertreten. Das ist schondeshalb prima facie unplausibel, weil Smith gleich-zeitig am ›Wohlstand der Nationen‹ und an verbes-serten Auflagen seiner ›Theorie der ethischen Ge-f�hle‹ gearbeitet hat.12 Zum Zitat in Quadrant II vgl. die vorige Anmer-kung.13 Zur Quelle und zu weiteren Angaben vgl. Anm. 7.14 Marx und Engels (1848/1972), S. 465.15 Jodl (1885/1917), S. 87.16 Jodl argumentiert hier also als Wissenschaftler,nicht als Moralist. Dies ist bis heute weder in sozial-wissenschaftlichen noch in humanistischen Zusam-menh�ngen selbstverst�ndlich, obwohl wir doch ei-

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nen Bakteriologen tadeln w�rden, der sich als For-scher vom �rger �ber den Schaden �bermannenl�sst, den bestimmte Bakterien in h�her differenzier-ten Organismen anrichten k�nnen. Erst recht m�sstenwir ihn dann tadeln, wenn er sich dazu hinrei�en lie-�e, alle Bakterien zu bek�mpfen und dabei �bers�-he, dass es unter ihnen auch lebenswichtige und n�tz-liche gibt.17 Jodl (1885/1917), S. 88.18 Ebd., S. 87 f. Es sei nur am Rande vermerkt,dass Jodl hier den Mechanismus der Preisbildungmit moralischem Unterton erl�utert („so schlecht wiem�glich“). �Gewinn� wird so mit �Betrug� assoziier-bar – was ja einer vormodernen Ethik durchausentspricht (vgl. dazu Clark und Lee 2011, S. 5).Nach moderner Anschauung haben Individuen je-doch das moralische Recht, nicht mehr Ressourcenf�r den Erwerb eines Gutes aufzuwenden, als sienach eigenen MaÖstÑben f�r gerechtfertigt halten.19 Vgl. dazu Nozick (1974).20 Jodl (1885/1917), S. 89.21 Ebd., S. 89 f.22 Ebd., S. 90. Man beachte, dass Jodl hier offen-sichtlich auch die milit�risch bedeutsame Kompo-nente wirtschaftlicher Entwicklung im Blick hat –einAspekt zivilisatorischen Fortschritts, der heutzuta-ge nur h�chst ungern thematisiert wird, nichtsdesto-weniger aber nat�rlich von kaum zu �bersch�tzen-der Bedeutung ist.23 Das schlie�t nat�rlich nicht aus, dass man sichmoralisch verpflichtet f�hlen kann, Menschen in Notauf gesellschaftlicher Ebene zu helfen. KirchlicheCaritas, s�kulare Stiftungen und gesellschaftlicheInitiativen k�nnten hier ein weites Bet�tigungsfeldfinden. Vgl. dagegen unten, Abschnitt III.2, beson-ders S. 36.24 Ebd., S. 90, ebenso das folgende Zitat im Text.25 Es f�llt auf, dass dieser Aufsatz bzw. Essay g�nz-lich ohne (vor allem prim�re) Literaturnachweiseauskommt – ein meist verl�ssliches Anzeichen da-f�r, dass man sich mit der jeweiligen Position nichtzureichend auseinandergesetzt hat.26 Jodl (1885/1917), S. 91.27 Fr�d�ric Bastiat (1801-1850) war �konom undPolitiker und gilt als Begr�nder der Auffassung, einunangetastetes Marktsystem, in dem nur die Kauf-bereitschaft von Individuen z�hle, werde zu gesell-schaftlich optimalen Zielzust�nden f�hren. Das be-deutet im Umkehrschluss: Jeder gut gemeinte staat-liche Eingriff bleibe eben nur gut gemeint und f�hre

notwendig zu gesamtgesellschaftlichen Effizienz-einbu�en.28 Jodl (1885/1917), S., 92 f.29 Ebd., S. 93.30 Die Weltbev�lkerung hat sich zwischen 1750 und1950 vervierfacht, seitdem noch einmal nahezu ver-dreifacht. Vgl. dazu Herden (2007). Im 18. und 19.Jahrhundert war das Bev�lkerungswachstum aufEuropa und Nordamerika, im 20. auf S�damerikaund Asien konzentriert. Im 21. Jahrhundert wirdAfrika nachziehen.31 Vgl. dazu Siegmann (1988) und ausf�hrlich Rit-ter (1998). Jodl (1885/1917) erw�hnt die „soge-nannte soziale Frage“ auf S. 107.32 Jodl (1885/1917), S. 94 f.33 Ebd., S. 99.34 Vgl. dazu Smith (1776/1976), S. 456 (S. 349der Internetausgabe); deutsch in Smith (1776/1983),S. 371: „[Der wirtschaftliche Akteur] wird ... voneiner unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweckzu f�rdern, den zu erf�llen er in keiner Weise beab-sichtigt hat. [...] ja gerade dadurch, dass er das ei-gene Interesse verfolgt, f�rdert er h�ufig das derGesellschaft nachhaltiger, als wenn er wirklich be-absichtigt, es zu tun.“ Und dann folgt jener ber�hm-te Satz, den nicht nur jeder Politiker und Parteif�h-rer, sondern auch jeder organisierte Humanist mor-gens beim Aufstehen sorgf�ltig bedenken sollte:„Alle, die jemals vorgaben, ihre Gesch�fte dientendem Wohl der Allgemeinheit, haben meines Wis-sens niemals etwas Gutes getan.“35 Vgl. dazu schon Popper (1934/2005). Wenn gilt,dass Erfahrungswissenschaften „Theoriensysteme“sind (S. 36), wenn weiterhin gilt, dass „Basiss�tze“,die �ber unsere „Erfahrungen“ sprechen, theorie-getr�nkte „Festsetzungen“ sind (S. 83), dann ver-bietet sich eigentlich die Jodlsche Rede von „Tatsa-chen“ – erst recht 100 Jahre nach Kant.36 Vgl. dazu Weber (1922/1988), S. 602: „Ich er-biete mich, an den Werken unserer Historiker denNachweis zu f�hren, dass wo immer der Mann derWissenschaft mit seinem eigenen Werturteil kommt,das volle Verstehen der Tatsachen aufhÉrt.“ (H.i.O.)37 Jodl (1885/1917), S. 102.38 Ebd., S. 109.39 Vgl. dazu oben, S. 9. Zu einer genau entgegen-gesetzten Auffassung vgl. Homann (2002).40 Ebd., S. 110.41 Vgl. dazu Fromm (1976).42 Jodl (1885/1917), S. 111.

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43 Ebd.44 Ebd., S. 112.45 Ebd. und S. 113.46 Zur Metakritik vgl. Engel (2013b). Kritiker des�Neoliberalismus� finden auch heute noch bei Hu-manisten eine irritierend gro�e Resonanz – als obder Titel der 1977 in Moskau (!) besorgten Werk-auswahl von Heinrich Mann „Der neue Humanis-mus wird sozialistisch sein“ (Mann 1977) bei ihnenimmer noch ein gewisses programmatisches Gewichthat. Statt dessen gilt: Der neue Humanismus wirdliberal sein, denn seine proklamierten Ziele stimmenmit denen des klassischen und modernen Liberalis-mus genau �berein, wie man sich unschwer �berzeu-gen kann (Engel 2010a und 2010b). Friedrich Jodlist mit seiner Distanz zum zeitgen�ssischen Sozialis-mus in diesem Punkt �brigens durchaus auf einemgutem Wege. Zur W�rdigung der auch hier zu beobach-tenden Eigenst�ndigkeit Jodls vgl. Fink (2012).47 Jodl (1885/1917), S. 93. Auch heute noch kriti-sieren Schriftsteller, Humanisten und sonstige ambi-tionierte Nicht-�konomen gern und oft den �Neo-liberalismus�, ohne zu bemerken, dass sie damit einemangelnde Lernbereitschaft zeigen, die sie in sonsti-gen weltanschaulichen Zusammenh�ngen �sch�rf-stens� zu kritisieren pflegen.48 Ebd., S. 89 f. und 93.49 Johann Wolfgang von Goethe hat diese Funktionder Bildung zu dem Satz ver›dichtet‹: „Sich mitzu-teilen, ist Natur; Mitgeteiltes aufzunehmen, wie esgegeben wird, ist Bildung.“ (Zitiert nach Assmann2004, S. 197.)50 Vgl. zu den Problemen der Bildungs�konomikaus wirtschaftsethischer Sicht Backes-Gellner undWeckm�ller (1999).51 Das bedeutet �brigens nicht, dass die mit Aus-bildungsprozessen verbundenen Risiken mit der�bernahme durch den Staat verschwunden w�ren.Im Gegenteil: Sch�ler und Studenten haben eigent-lich die Pflicht, diszipliniert zu lernen und nicht zu›chillen‹, ›abzuh�ngen‹ oder sich sonstigen Wegendes Trittbrettfahrens hinzugeben. Aber da in unse-rer politischen Kultur sehr viel �ber Rechte, aberkaum �ber die mit ihnen immer notwendig verbun-denen Pflichten gesprochen wird, sind derartige Zu-sammenh�nge weder bekannt, noch gibt es ein sp�r-bares politisches Interesse daran, diese Zusammen-h�nge bekannt zu machen. Zu den Ausnahmen z�hltder Altbundeskanzler Helmut Schmidt (1997). Diesich daran anschlie�ende „Allgemeine Erkl�rung der

Menschenpflichten“ findet sich im Internet etwa beihttp://www.humanistische-aktion.de/mpflicht.htm.Aus sozialphilosophischer Sicht ist noch zu erg�n-zen, dass Rechte und Pflichten immer nur zusam-men gedacht werden k�nnen und nur zusammen auchdauerhaft gesellschaftlich implementierbar sind.52 Smith (1776/1983), S. 664.53 Diese Schere ist �brigens eine wesentliche undmeist untersch�tzte Ursache der Einkommensschere.54 Vgl. dazu zur Illustration den Film „ModernTimes“ von und mit Charlie Chaplin (1936).55 Smith (1776/1983), S. 662 f. Hv. von mir.56 Ebd., S. 667. Anschauungsmaterial f�r dieseAuffassung liefert die heutige Politik zur Gen�ge.�brigens war sich Smith durchaus auch der militÑ-rischen Begr�ndung von Bildung und Ausbildungbewusst (vgl. etwa ebd., S. 666). Die weitgehendeAusblendung milit�rischer Aspekte der Politik inheutigen Debatten signalisiert einen Niveauverlustgegen�ber seiner Politischen �konomie. (Im Sach-register der deutschen Ausgabe seines Buches tauchtdas Wort ›Milit�r‹ nicht ein einziges Mal auf, ob-wohl im 1. Kapitel des F�nften Buches die Vertei-digungsausgaben des Staates von der Antike bis zurGegenwart ausf�hrlich untersucht werden.)57 Zum Problem der Organisation der Bildung beiSmith vgl. Blaug (1975/1985).58 Wille und Gl�ser (1977/1985). Zum Problem vonindividueller Freiheit und staatlichem Zwang vgl. auchPies und Engel (1998).59 Zucker, Vitamin C, Wurstwaren – es gibt wohlauch im heutigen Deutschland kaum ein Lebensmit-tel, das davor sicher ist, kartellrechtlich ins Geredezu kommen.60 Die verrottende Infrastruktur der Bundesrepu-blik Deutschland zeigt, dass die Lehren des klassi-schen Liberalismus durchaus mehr Beachtung fin-den k�nnten.61 Jodl (1882/1930), S. 368. Im 20. Jahrhundertdr�ckt Karl Homann das so aus: „Wettbewerb istsolidarischer als Teilen.“ (Homann und Blome-Drees1992, S. 16)62 Auch der heutige organisierte Humanismus ist inentsprechender Weise gef�hrdet. Oder mit HelmutFink (2012, S. 81) gesprochen: „Der Bogen in dieGegenwart ist schnell geschlagen.“63 Vgl. dazu das ausf�hrliche kommentierte Regis-ter in Smith (1759/2004), S. 615 f.64 Vgl. dazu B�umer (1910). In heutigen dogmenge-schichtlichen Darstellungender Sozialpolitik (etwa in

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Ritter 1998) findet Jodl ebenfalls keine Erw�hnung.65 Jodl schreibt: „... schlie�lich stehen religi�se undwissenschaftliche Weltanschauung als zwei Grund-formen der geistigen Organisation einander gegen-�ber, beide das Produkt langer historischer Entwick-lung, und f�r welche von beiden man sich entschei-det, das h�ngt, nach dem trefflichen Worte Fichtes,davon ab, was f�r ein Mensch man ist.“ (Jodl 1903/1917, S. 428) Abgesehen davon, dass eine solcheProblemdefinition Argumenten allenfalls eine Signal-funktion zubilligt, ist diese fast schon manich�ischanmutende Zweiteilung der Weltanschauungen heu-ristisch unfruchtbar und dar�ber hinaus unvollst�n-dig. Das lehrt schon ein Blick in Carl Friedrich vonWeizs�ckers Buch „Die Sterne sind gl�hende Gasku-geln, und Gott ist gegenw�rtig“ (Weizs�cker 1993).66 Unter ›naturw�chsig‹ sei hier verstanden: ›Etwasist menschlicher Gestaltbarkeit prinzipiell entzogen‹.67 Ebd. Hier ist in aller Klarheit die wissenschafts-theoretische Differenz zwischen Gesetzen und Rand-bedingungen (oder „Antecedens-Bedingungen“)angesprochen. Vgl. dazu etwa Stegm�ller (1983),S. 120. Um ein Beispiel zu geben: Zyankali wirktt�dlich; aber ob ich beispielsweise an meiner Ehe-frau die entsprechenden physiologischen Ablaufs-gesetze zur Wirkung kommen lasse, h�ngt nicht vondiesen Gesetzen ab. (Sie wird mir dieses Beispielnachsehen.)68 Jodl (1885/1917), S. 100. Er argumentiert hiermit Kant, wie die Verwendung der Ausdr�cke ›un-abweislich‹ oder ›vern�nftiger Wille‹ signalisiert. Vgl.auch ebd., S. 105: „Die ethische Idee aber, welcheden belebenden Mittelpunkt aller Forderungen zubilden hat, l�sst sich nicht deutlicher aussprechenals in den Worten Kants: Es m�sse oberste Regelsein, die Menschheit in jedem anderen immer auchals Zweck, niemals als blo�es Mittel zu behandeln.“69 Eine solche Perspektive erlaubt es, gesellschaft-liche Institutionen einer �Alternativanalyse� zu un-terziehen, in der die Frage beantwortet wird: Mitwelchen Regeln l�sst sich ein angestrebtes Ziel ambesten erreichen?Vgl. dazu Albert (1978), Kap. 23.70 Jodl (1885/1917), S. 116.71 Marshall (1890/1920). In diesem Buch f�hrte ererstmals Angebots- und Nachfragekurven sowieheute gel�ufige Begriffe wie Konsumentenrente oderProduzentenrente ein.72 Wir ben�tigen eine derartige Wirkungsanalyse,um die Reaktionen der Menschen auf Regel�nde-rungen genauer prognostizieren zu k�nnen; erst dann

k�nnen wir uns sinnvoll fragen, ob wir diese Regel-�nderung aus ethischen Gr�nden wollen sollten.73 Allerdings wirkt die mit dem Fortschritt des Wis-sens zunehmende Arbeitsteilung diesen Automati-sierungsfolgen auch wieder entgegen.74 Ebd., S. 115. Auf die Freiwilligkeit des Verzichtsauf Kinder legt Jodl gro�en Wert, wie sich in seinerKritik an der staatsmonopolistischen Kindererzie-hung nach den Vorstellungen Fichtes zeigt: „Wemdabei nicht ein stiller Schauder �berl�uft, nun, derist unverbesserlich, der verdient – im geschlossenenHandels- und Erziehungsstaate [Fichtes, G.E.] zuleben und Kinder zu haben.“ (Jodl 1898/1916, S.188) Auch hier weist er auf die Tendenz hin, dasssteigender Wohlstand mit sinkender Kinderzahl ver-bunden ist.75 Gemeint ist: Die Anzahl der elterlichen Entschei-dungen, Kinder zu bekommen, wird sinken.76 Zur Bev�lkerungs�konomik vgl. einf�hrendFelderer (1991), ferner Birg (1996).77 Jodl (1885/1917), S. 108 f. Auch die durch denFreihandel entstehende internationale Konkurrenzwird von Jodl nicht bek�mpft, sondern schon imInteresse einer ausreichenden Ern�hrung der euro-p�ischen V�lker als notwendig erachtet. Vgl. dazuseine Kritik an Fichtes Geschlossenem Handelsstaatin Jodl (1898/1916).78 Ebd., S. 109.79 Vgl. dazu Mayer-Tasch (2006) – ein Philosoph,dem sich Jodl wohl auch in �kologischen Fragenverbunden gef�hlt h�tte. Vgl. dagegen Engel (2007).80 Vgl. dazu n�her Engel (2013c).81 Vgl. dazu Homann und Pies (1996) sowie zumgrunds�tzlichen Problem der Einbettung von Wett-bewerbsstrukturen in die moderne Gesellschaft Ho-mann und Suchanek (2000), S. 456-462.82 Jodl (1885/1917), S. 102.83 Im Grunde er�ffnet sich hier die ganze Bandbrei-te des Themas �Evolution und Gesellschaft� – vonden evolution�ren Pr�gungen unserer Pr�ferenzenbis hin zum Management von Innovationsprozessen.Diese Diskussion kann hier noch nicht einmal be-gonnen werden. Der interessierte Leser sei jedochauf die Schriften Friedrich August von Hayeks ver-wiesen, zun�chst auf Hayek (1969).84 F�r diesen Bereich der Anpassungsprozesse ineinem gegebenen Rahmen hat Virginia Postrel (1998,S. XVI) den zutreffenden und sch�nen Ausdruck„Stasis“ gepr�gt und einem breiteren Publikum be-kannt gemacht.

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85 Zum Begriff des ›Wachstums der Grenzen‹ vgl.Pies und Hielscher (2010), S. 6. Eine leicht zug�ng-liche Arbeit zu diesem innovationsorientierten Denk-ansatz ist F�cks (2011).86 Ein strukturell �hnliches Argument f�r die Un-voraussagbarkeit sozialer Prozesse hat Karl Pop-per schon in den f�nfziger Jahren entwickelt. Es lautetin Kurzform: (1) Der Ablauf der Geschichte wirddurch das Wachstum des Wissens stark beeinflusst.(2) Wir k�nnen unser k�nftiges Wissen nicht wis-senschaftlich vorhersagen, denn wir „k�nnen nichtheute das vorwegnehmen, was wir erst morgen wis-sen werden“. (3) Daher k�nnen wir den zuk�nfti-gen Ablauf der Geschichte nicht vorhersagen. Vgl.dazu Popper (1960/2003), S. XIII f.

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