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Das Studienprojekt 3 „Financial Times“ diskutiert im tagesaktuellen Themenbereich der finanzgeschwächten Städte die Rolle des Planers. Es werden Einflüsse, Verführungen und Risiken einer zunehmenden Bedeutung der Privatwirtschaft auf das Arbeitsfeld des Planers durchleuchtet. Darüber hinaus wird versucht die Zeichen der Zeit zu lesen, um den Planer in diesen Entwicklungen durch kraftvolle Aussagen für die Zukunft in seiner Position zu stärken.
Citation preview
FINANCIAL TIMESF Ü R D I E P L A N U N G
Mathias Burke, 3005655Tim Koblun, 3004101
Jennifer Margitan, 3006751Patricia Roth, 3004309
Yvonne Werner, 3005994
Wir möchten Prof. Michael Koch für seine Wegbegleitung, Denkanstöße und diskursiven Gespräche sowie die Freiheiten innerhalb des akademischen Rahmens während unserer Projektfindung einen besonderen Dank aus-sprechen. Des Weiteren danken wir allen Interviewpartnern, Workshopgästen und Kritikern für ihre fachliche Meinung und weiterführenden Ideen, die unser Projekt erst geformt haben, darunter Prof. Ingrid Breckner, Prof.
Angelus Eisinger, Prof. Thomas Krüger, Dr. Juliane Pegels und Sonja Stemme.
FINANCIAL TIMESF Ü R D I E P L A N U N G
Für eine Positionierung des Planers in Zeiten steigenden privatwirtschaft-lichen Einflusses auf die Stadtentwicklung.
Ein Studienprojekt 3 der HafenCity Universität Hamburg, Stadtplanung, Wintersemester 2009 bis Sommersemester 2010.
~
sinnvollste Interventionen und kühnste Entwürfe ma-chen wenig Sinn, wenn sie ewig dazu verdonnert sind, Theorie zu bleiben. Ein Planungsstudent kommt im Lau-fe des Studiums an den Punkt, an dem er sich fragt, wer so etwas finanzieren soll.
Mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise hat sich die generelle finanzielle Misere weiter verschlechtert und hat damit auch langwierige Konsequenzen für die Planung. Dabei gibt es sie noch, die großen und kleinen Projekte, hier und auf der ganzen Welt, die das Planerherz höher schlagen lassen. Wer ist hier der Geldgeber? Sind es die Staaten und Kommunen, die all das finanzieren kön-nen? Nein, die Wirtschaftskrise betrifft die ganze Welt und hier wie auch überall sonst wird schnell klar: An den Privaten kommt man kaum vorbei. Aber sollte man das überhaupt wollen?
Zu Beginn unseres Projekts haben wir uns mit fünf un-terschiedlichen Meinungen und Haltungen zur Rolle der Privatwirtschaft in Stadträumen zusammengefunden. Be-griffe wie Kapitalismus, Privatwirtschaft und Investoren wurden ungern genutzt und ließen sich scheinbar kaum mit dem eigenen Planungsverständnis, dem Streben
nach sozialer Gerechtigkeit und der ‚Stadt für alle‘ verein-baren. Gewisse Vorurteile waren nicht zu leugnen. Was aber nicht zur folge hatte, das Thema unvoreingenom-men und mit wissenschaftlicher Skepsis zu betrachten.
Ein knappes Jahr haben wir uns intensiv mit der Mate-rie auseinandergesetzt, diskutiert, Gespräche mit Exper-ten geführt, Orte vor der Haustür und auf der anderen Seite des Erdballs untersucht und viele Seiten Literatur unterschiedlichster Fachbereiche gewälzt. Auf der Suche nach einer Haltung zur Thematik haben wir gemeinsam Vorurteile abgelegt, neue Perspektiven gewonnen und es geschafft eine Positionierung zu diesem Thema einzuneh-men, mit der wir vor einem Jahr kaum gerechnet hätten.
Ergebnis ist dieser Bericht unseres Studienprojektes 3 ‚Fi-nancial Times‘, in dem wir im tagesaktuellen Themenbe-reich der finanzgeschwächten Städte die Rolle des Planers diskutieren. Wir durchleuchten Einflüsse, Verführungen und Risiken einer zunehmenden Bedeutung der Privat-wirtschaft auf das Arbeitsfeld des Planers. Darüber hinaus versuchen wir, die Zeichen der Zeit zu lesen, um den Pla-ner in diesen Entwicklungen durch kraftvolle Aussagen für die Zukunft in seiner Position zu stärken.
Liebe Planerin, lieber Planer,
Viel Spaß beim Lesen wünschen
Mathias Burke, Tim Koblun, Jennifer Margitan, Patricia Roth, Yvonne Werner
BEGINN
Hop oder Top! Was mit der Pla-nung geschieht, wenn die Rolle pri-vatwirtschaftlicher Akteure in der Stadtentwicklung zunehmend wich-tiger wird.
10 Financial Times für die Planung
Inhalt
EXPEDITION
In vielen deutschen Gemeinden treten privatwirtschaftliche Akteu-re schon wie selbstverständlich als Stadtentwickler auf und beeinflus-sen dadurch das traditionelle Stadt-bild und die Rolle des Planers, zum Beispiel in:
16 Überblick 18 Daimler Quartier & Sony Center:
Die Neue (private?) Mitte Berlins20 Herzogenaurach: Herzo Base:
Ein neuer Stadtteil für Adidastown.22 Wertheim Village:
Ein durchgeplantes Markendorf24 Autostadt Wolfsburg:
Zwischen Wohnen & Erlebnis26 Dorfanger Boberg:
Ein privates Idyll im Grünen 28 Outletcity Metzingen:
Werksverkäufe als Touristenmagnet30 Leipzig Central Park Residence:
Leipzigs erste Gated Community
INPUT
Stadtpraktiker und -theoretiker zeigen auf, was der Stand der For-schung ist und proklamieren neue Anforderungen an den Planer:
36 Arbeitet zwischen den Stühlen: Rem Koolhaas
40 Der Planer zwischen Zufällen und Retorten: Friedrich von Borries
44 Brandhubs: Kerstin Höger
48 Stadträume in Spannungsfeldern: Juliane Pegels
52 Wie Mickey Mouse Stadt baut: Frank Roost
56 Urbanität & die Privaten: Angelus Eisinger
08 12 32
ARTIKEL
Viele Faktoren beeinflussen das städtische Gefüge, das sich aus der Balance zwischen gesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen Interes-sen definiert. Diese Umstände und was daraus für die Rolle des Planers folgt, erklären:
66 Unternehmen in der Stadt70 Markenallerlei76 Die gebaute Identität78 Per Konsum ins Glück82 Ist sicher sicher?86 Urbanität90 Corporate Citizenship98 Zur Rolle des Planers heute
MANIFEST
Planung kann so einfach sein - wenn der Planer die neuen Rahmenbedin-gunen zu nutzen weiß: Profilanfor-derungen an den Planer von mor-gen.
110 Der Planer von morgen ... Ein Manifest an die Planungs-profession.
ABSCHLUSS
Ein Appell an die Stadtplanung privatwirtschaftliche Ressourcen zu nutzen und zu walten.
120 Conclusio124 Projekthintergrund
Man nehme: Geld, Macht & Idea-le ... und baue eine neue Stadt! Wir nehmen Sie mit auf eine Reise um die Welt zu extremen Stadtstruk-turen unter privatwirtschaftlichem Einfluss.
62 106 118
TRAVEL ISSUE
EXTRA
Beginn
Abb.
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g
Seite 10 Beginn
Financial Times. Wir be-finden uns in Zeiten, die geprägt sind von Fi-nanzrahmen und öko-
nomischen Entwicklungen. „Sind die Städte noch zu retten?“ titelte der Spiegel 1971. „Eine Entwick-lung, die in die Katastrophe führen kann“, sagen Deutschlands Bürger-meister für ihre Städte voraus. Der Ruf nach Rettung kommt vielleicht zu spät: „Zu weit klaffen privater Wohlstand und öffentliche Armut auseinander“ (Der Spiegel, 1971,
S.54). Das Problem war aber schon damals bekannt. Damit Städte funktionieren, brauchen sie Geld. Täglich ist in Zeitungen von ver-schuldeten Staaten zu lesen. Wo vor beinahe 80 Jahren mit der Charta von Athen städtebauliche Visionen erdacht wurden, steht man heute an der Kante zum Staatsbankrott. Auch in Deutschland stellt sich in vielen Gemeinden die Frage, wie sich die Städte eigentlich über Wasser halten sollen. Im Jahr des oben genannten Spiegel-Artikels betrugen die Schul-
den des öffentlichen Gesamthaus-haltes umgerechnet 70 Milliarden Euro. Bis heute ist es nicht gelun-gen diese Schulden abzubauen. Im Gegenteil: Im Jahr 2008 stieg die Schuldenlast auf einen Wert von über 1500 Milliarden Euro. (vgl. Nicodemus, 2009, S. 788)
Im Zuge der damals beginnenden globalen Wirtschaftskrise rutschten viele Kommunen nach und nach in ein Schuldenloch, aus dem sie sich heute kaum noch befreien können.
Financial Timesfür die Planung
2,65
2006 2007 2008 2009 2010
8,617,61
-7,2
-15,0*
Die addierten Haushaltsüberschüssse und -defizite aller Kommunen in Deutschland, in Milliarden Euro* Jahresschätzung des Deutschen Städtetags
Abb. 1
Seite 11Beginn
Der Gürtel wird enger geschnallt. Schwimmbäder, Kultureinrichtun-gen und Schulen werden geschlos-sen, Dienstleistungen eingestellt und Arbeitsplätze gestrichen. Die Kassen sind leer, es muss gespart werden. (vgl. Pinzler, 2010, S.21f )
Was bedeutet all dies für die Stadt-planung? Wo kaum Geld vorhanden ist, um die vorhandene Infrastruk-tur zu halten, kommt meist auch die Planung zu kurz. Jüngst verkündete die Bundesregierung, dass sie plant den Etat für die Städtebauförderung zu halbieren. Die Planung muss res-sourcenschonender werden. Viel-leicht ist es auch die Aufgabe der Planung, notwendige Projekte nicht aufzugeben, sondern neue Finanzie-rungsmöglichkeiten zu finden. Ein solches Engagement ergibt sich aus den Bedürfnissen der Gesellschaft, aber auch aus dem Selbstverständ-nis des Planers. Dieses Selbstver-ständnis gilt es nach außen zu tra-gen, um auch bei sinkenden Etats einer Obsoleszenz des Stadtplaners entgegenzuwirken.
Doch wer soll freiwillig Geld in die Stadt stecken? Die privaten Haus-halte zahlen bereits ihre Steuern. In Zeiten der Krise wird vermehrt auf das Ideenpotenzial aus der Bevölke-rung gesetzt. Kommunen und Bür-ger schaffen es gemeinsam mit klei-nen Etats Strukturen zu bewegen. Großprojekte lassen sich auf diese Weise jedoch nicht finanzieren. Dies bringt privatwirtschaftliche Akteure ins Spiel. Es ist kein neues Phäno-
men, dass auch Betriebe und pri-vate Investoren ein Interesse an der Mitgestaltung städtischer Räume haben. Allerdings missfällt vielen der Gedanke einer Planung, die mit kapitalistischen Interessen durch-geführt wird. Die Politik gibt bei zunehmender Privatisierung zudem nicht nur ihre Gestaltungsmacht, sondern schlimmstenfalls auch ihre Entscheidungsmacht ab. ‚Die Zeit‘ fragte erst kürzlich: „Wenn noch mehr Rathäuser als bisher quasi pleite sind, wenn sie über gar kei-nen Etat mehr entscheiden können, wozu braucht das Land sie dann noch?“ (Pinzler, 2010, S. 21). Es wird also höchste Zeit den aktuellen Rahmenbedingungen mehr Auf-merksamkeit zu schenken.
Vielleicht findet sich genau hier die letzte Rettung für die gemeinnützi-ge Planung. Vielleicht aber auch nur ein nützlicher Verbündeter. Nach all den Jahrzehnten ist es allemal an der Zeit, den Veränderungen ins Auge zu blicken, die Stadtplanung auf den Prüfstand zu stellen und zu un-tersuchen welche Rolle der Planer in diesen, von der Finanzwelt gepräg-ten Zeiten, den Financial Times, einnehmen soll.
Alle Beiträge in diesem Bericht geben Rückschlüsse und nehmen immer wieder Bezug auf die Rolle des Planers unter einer zunehmend bedeutenderen Stellung der Privat-wirtschaft als Akteur in der Stadt-entwicklung.
Pinzler, P. (2010): Aus der Not in die Tugend.
In: DIE ZEIT N° 27 1. Juli 2010, S. 21f
Nicodemus, S.; Statistisches Bundesamt (Hg.)
(2009): Schulden des öffentlichen Gesamthaus-
haltes 2008. SFG Servicecenter Fachverlage,
Reutlingen
Der Spiegel (Hg.) (1971): Länge mal Breite
mal Geld. In: DER SPIEGEL 24/1971 <http://
wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?
did=43176577&aref=image035/0546/PPM-
SP197102400540072.pdf&thumb=false>. Zu-
griff am 13.08.2010
Abb.1: Eigene Darstellung nach (Pinzler, 2010)
Seite 12 Titelthema
Seite 13Titelthema
Expedition
Abb.
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Wertheim Village
Herzogenaurach: Herzobase
Dorfanger Boberg
Leipzig Central Park Residence
Outlet City Metzingen
Autostadt Wolfsburg
Daimler Quartier & Sony Center
Expedition
In Anbetracht leerer kommunaler Kassen erhält die Rolle privatwirtschaftli-cher Akteure in der Planung eine neue Gewichtung. Diesen stehen oft finan-zielle Mittel zur Verfügung, ohne die manche Planung kaum möglich wäre. Damit Städte nicht still stehen, müssen neue finanzielle Quellen gefunden werden. Privatwirtschaftliche Akteure scheinen dabei oft Interesse zu haben eine aktive Rolle in Planungsprozessen einzunehmen. Dass die Kommunen städtebauliche Projekte nicht immer alleine finanzieren ist dabei nichts neu-es. Es gibt eine Reihe von Beispielen, in denen privatwirtschaftliche Akteure aber nicht bloß eine Geldgeberrolle eingenommen haben. Teilweise wurde ihnen die Planung von großen Projekten fast ausschließlich überlassen.
Welchen Einfluss können privatwirtschaftliche Akteure auf städtebauliche Projekte haben? Und was bewegt sie dazu städtebauliche finanziell zu un-terstützen? Wie kam es zu diesen Projekten und welchen Nutzen ziehen sie daraus? Und vor allen Dingen: welche Rolle nimmt der Planer bei diesen Planungsprozessen ein?
Dafür werden in den Expedition städtebauliche Projekte untersucht, die ohne den Einfluss privatwirtschaftlicher Akteure kaum möglich gewesen wären. Um sie untereinander vergleichbarer zu machen, werden steckbrief-artig die Fakten zu den Projekten gezeigt und überdies hinaus, Motivatio-nen, Hintergründe und die Rolle des Planers beschrieben.
Expedition
Wertheim Village
Herzogenau-rach: Herzo
Base
Daimler Quartier & Sony Center
Wertheim Village ist ein Outletcenter mit luxuri-ösen Markenstores, das eine 1A-Einkaufsstraße mit traditionellen Laden-häusern nachbildet.
Herzo Base ist ein Kon-versionsprojekt in Her-zogenaurach, umgesetzt und finanziert durch die adidas-Salomon AG, der das Gelände zudem als Standort der Firmenzen-trale dient.
Nach dem Mauerfall wurde die innerstädtische Brachfläche um den Pots-damer Platz zum Wieder-aufbau in die Hände der Konzerne Daimler und Sony übergeben.
Neue (private?) Mitte Berlins
Ein neuer Stadtteil für Adidastown
Ein durchgeplantes Markendorf
Seite 16 Expedition
Expedition
Dorfanger Boberg
Leipzig Cen-tral Park Resi-
dence
Outlet City Metzingen
Autostadt Wolfsburg
Dorfanger Boberg ist ein Wohnprojekt süd-östlich von Hamburg. Privat finanziert und umge-setzt, entsteht es in einer öffentlich-privaten Part-nerschaft.
Leipzig Central Park Re-sidence ist eine der ers-ten Gated Communities Deutschlands. Durch einen Sicherheitszaun schottet sich der Kom-plex von der Innenstadt Leipzigs ab.
Die Stadt Metzingen hat sich durch seine 75 innerstädtisch angesie-delten Outlet Stores zu einem internationalen Besuchermagnet entwi-ckelt und dadurch seine Innenstadt renoviert.
Autostadt Wolfsburg ist eine Firmenzentrale mit Freizeit- und Aus-flugscharakter, die damit nicht nur sich, sondern auch ihrer Stadt Gutes tut.
Ein privates Idyll im Grünen
Leipzigs erste Gated Community
Werksverkäufe als Touristenmagnet
Zwischen Wohnen & Erlebnis
Seite 17
Daimler Quartier & Sony Center Die Neue (private?) Mitte Berlins
Typstädtebäuliches Revitalisierungs-projekt eines Stadtquartiers
GesamtkostenSony Center: 600 Millionen €Daimler Quartier: ca. 2 Milliar-den €
FinanzierungSony Center: Kreditfinanziert durch Investorengruppe aus Deutschland und den USA
BeteiligteUnternehmen Daimler-Benz und Sony.
NutzungenBüro, Wohnen, Einzelhandel, Unterhaltung, Ausstellungsfläche
ZielgruppeDienstleistungsbetriebe, später auch Touristen und Konsumen-ten
Kontext & MotivationNach dem Mauerfall erhoffte sich die Stadt Berlin wieder zu einem der inter-nationalen Wirtschaftszentren zu wer-den. Vor allem der Dienstleistungssek-tor sollte gestärkt werden. Das Gebiet, das während des zweiten Weltkrieges größtenteils zerstört wurde und auf dem Grenzstreifen zwischen Ost- und Westberlin lag, wurde mit dem Fall der Mauer wieder bebaubar. Die Stadt bemühte sich Konzerne mit hoher Re-putation als Investoren zu finden um Berlin als Wirtschaftsstandort neu zu etablieren und so weitere Konzerne anzulocken. Deshalb teilte man das große Areal und verkaufte es ohne städtebäuliches Konzept oder Leitbild an die Konzerne Daimler-Benz und Sony.
Seite 18 Expedition
Expedition
Der Daimler-Benz Konzern melde-te sein Interesse am Gelände um den Potsdammer Platz bereits zur Mitte der achtziger Jahre. Ziel war einen neuen repräsentativen Standort in Berlin zu schaffen, der die bereits stark vorhande-ne Präsenz des Unternehmens in Ber-lin zu unterstützen. Die Bebauung ist geprägt von einem historischen Bezug des Ortes. Überdies hinaus sollte Berlin wirtschaftlich wieder stärker aufgestellt werden. Berlin Mitte sollte deshalb zu einem neuen Dienstleistungsstandort werden.
Politischer HintergrundAufgrund seiner historischen Bedeu-tung war die neue Bebauung des Pots-dammer Platzes nach der Wende sehr umstritten. Hatte der Platz vor dem Zweiten Weltkrieg noch einer wichtige Funktion als städtischer Knotenpunkt, verwahrloste er durch Kriegszerstörung und später als Grenzgebiet zwischen Ost- und Westberlin. Nach dem Mau-erfall, war die Bebauung des Platzes das erste große Projekt auf gesamtberliner Boden.
Aufgabe des PlanersFür das Areal wurden bereits vor dem Mauerfall auf beiden Seiten Berlins Pläne geschmiedet. Der Schwer-punkt zum historischen Bezug wurde bei beiden Entwürfen deutlich. Die Aufgabe der Planung lag zunächst in dem Versuch diese Entwürfe zu ver-einen. Von Ost und West entworfene großflächige Rahmenpläne mussten koordiniert werden. Zuständigkeiten und Verantwortungen waren durch die neuen politischen Zustände nicht immer deutlich erkennbar und wider-sprachen sich teilweise.
Überdies hinaus sollten aber die Be-dürfnisse der Wettbewerbsjury und der Stadt erfüllt werden. Es musst ein Ort geschaffen werden, der Anzie-hungspunkt für Firmen aus aller Welt werden sollte. Hier sollte die Keimzel-le für Berlins neues Wirtschaftswachs-tum entstehen. Die historische Ver-antwortung sollte dabei nicht außer Acht gelassen werden.
Nur wenige Jahre später haben der
Daimler Konzern und Sony ihre Grunstücke wieder verkauft. Der-zeit gibt es auch Überlegungen beim Daimler Konzern ganz aus den Bau-ten des Berliner Zentrums auszuzie-hen, da die Mieten zu hoch sind.
Evert, H. (2010): Unruhe bei Daimler am Pots-
damer Platz. <http://www.morgenpost.de/print-
archiv/wirtschaft/article1344768/Unruhe-bei-
Daimler-am-Potsdamer-Platz.html> Zugriff am
22.08.2010
manager-magazin.de (2008): Sony verkauft So-
ny-Center. < http://www.manager-magazin.de/fi-
nanzen/artikel/0,2828,548241,00.html> Zugriff
am 22.08.2010
merkur-online.de (2007): Daimler verkauft
Areal am Potsdamer Platz an SEB-Bank. < http://
www.merkur-online.de/nachrichten/wirtschaft/
daimler-verkauft-areal-potsdamer-platz-seb-
bank-378924.html > Zugriff am 22.08.2010
Roost, F. (2008): Branding Center. Über den
Einfluss globaler Markenkonzerne auf die Innen-
städte. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wies-
baden
Abb.: <http://www.ece.com/shared/media/down-
loads/1326_de.jpg>
Seite 19
Spree
Deutscher BundestagBundeskanzleramt
Schloss Bellevue
Kontext & MotivationTrotz der schwierigen finanziellen Situation der Stadt Herzogenau-rach in den neunziger Jahren wurde der ehemalige US-Artillerie-Stand-ort erworben und dem Konzern adidas zur Verfügung gestellt, der daraufhin seinen Firmenhauptsitz auf das Gelände verlegte.
Das Ziel von adidas war einen neuen Stadtteil zu schaffen, der den Konzern aber auch die Stadt Herzogenaurach vermarkten soll. Nachdem die adidas Firmenzent-rale auf das Gelände verlegt wurde, plante adidas die weitere Nutzung und Gestaltung des Geländes. Der Masterplan unterteilt Herzo Base in verschiedene Sektoren: World of Sports, Public World, World of
Herzogenaurach: Herzo Base Ein neuer Stadtteil für Adidastown
TypNeubau eines Stadtteils auf Kon-versionsfläche
Gesamtkostenüber 200 Mio.€
Finanzierungdurch Adidas Group
BeteiligteAdidas Group, Stadt Herzo-genaurach, agps.architecture
NutzungenWohnen, Einzel- und Groß-handel, Freizeit, Infrastruktur, Gewerbe
Zielgruppezahlungskräftige Kunden (aus dem näheren und weiteren Umfeld) sowie Anwohner
Seite 20 Expedition
Expedition
Living und World of Commerce. Es werden Arbeitsplätze und Woh-nungen geschaffen und durch den Eventcharakter sollen Gäste und Käufer von nah und fern angezo-gen werden.
Aufgabe des PlanersDie GEV Grundstücksgesellschaft mbH & Co. KG, die 1996 ge-gründet wurde, entwickelte den Stadtteil Herzo Base und verkauf-te die unbebauten Grundstücke an Grundstückseigentümer. 90% der GEV-Anteile gehören der adidas-Gruppe und 10% der Stadt Herzo-genaurach. Der Masterplan wurde von Angélil/ Graham/ Pfenniger/ Scholl Architecture (Zürich und Los Angeles) umgesetzt, die den internationalen Wettbewerb ge-
wonnen hatten. Den Wettbewerb für den Bebauungs- und Erschlie-ßungsrahmen der Wohnbebauung gewann das Büro Eckert, Negwer, Suselbeek aus Berlin. Die Ent-wicklung von Herzo Base wird von Planern ausgeführt, weitreichende Entscheidungen jedoch von der GEV getroffen, die weitestgehend in privater Hand ist.
Herzo BaseHerzogen-aurach Nürnberg
München
Regensburg
Ulm
Würzburg
Frankfurt am
Main
Stuttgart
Augsburg
A3
A3
A9
A8
A7
A6
A5
Heidelberg
Mannheim
Hacker, G. (o.J.): Herzogenaurach. Herzo Base.
<http://www.herzogenaurach.de/wirtschaft/Her-
zobase/Herzobase.htm>. Zugriff am 25.06.2010
GEV Grundstücksgesellschaft (Hg.) (2005): Der
Stadtteil Herzo Base wächst. <http://www.360-
grad-living.de/NewsletterPDF/360_NEWSL-
TR_032005.pdf>. Zugriff am 25.06.2010
Abb.1: <http://www.adidas-group.com/de/press-
room/resource_center/adidas_group/default.
aspx>
Seite 21
Kontext & MotivationWertheim Village ist eine luxuri-öses Outletcenter in einem Ge-werbegebiet der Stadt Wertheim, das eine historische Einkaufsstraße nachbildet. Die Ladenhäuser, deren Fassaden einem traditionellen frän-kischen Weindorf nachempfunden sind, werden von hochklassigen Marken besetzt.
Wertheim Village ist eines von neun Chic Outlet Shopping Villages in Europa, die dank ihrer günstigen Lage in für ihre Kultur und Ge-schichte bekannten Regionen und dank der Nähe zu Transitstädten zahlkräftige internationale Touris-ten anziehen soll. Die Kombination aus Freizeit, Sightseeing und Shop-ping machen die Villages zu einer
Wertheim VillageEin durchgeplantes Markendorf
TypNeubau einer 1A-Einkaufsstraße in Gewerbegebiet
Gesamtkostenk.A.
Finanzierungrein privatwirtschaftlich
BeteiligteValue Retail
NutzungenEinzelhandel, Gastronomie
Zielgruppevornehmlich zahlkräftige, inter-nationale Touristen
Seite 22 Expedition
Expedition
eigenen Touristendestination, die internationl einheitlich vermarktet wird. (vgl. Value Retail, 2009a und 2009b)
Politischer HintergrundWertheim Village ist völlig unab-hängig von der Stadt Wertheim, beide pflegen jedoch eine enge ge-meinschaftliche Tourismusmar-keting-Partnerschaft. 2008 wurde Wertheim Village außerdem vom Nationalen Tourismusverband ein-geladen der offiziellen Liste von Tourismuspartnern beizutreten. (vgl. Value Retail, 2009a, S. 2)
Aufgabe des PlanersDa es sich de facto um einen priva-ten Verkaufsraum handelt, der zwar eine öffentliche Einkaufsstraße imi-
tiert, jedoch im rechtlichen Sinne keinen öffentlichen Raum darstellt, steht dem Planer keine gestalterische Rolle zu. Die Straße entstand aus dem Werkzeugkasten hauseigener Architekten. Für die Stadtplaner der Stadt Wertheim handelt es sich bei der Ansiedelung von Wertheim Vil-lage in ihrem Gewerbegebiet jedoch um eine wichtige strukturpolitische Entscheidung. Stellt Wertheim Vil-lage zunächt eine Konkurrenz dar, generiert es jedoch neben steuerli-chen Einnahmen auch für die Stadt touristische Gewinne. Es ist Auf-gabe der Planung und Politik diese Beziehung zum Unternehmen Value Retail zugunsten eines gemeinsamen Tourismusmarketing zu forcieren. (vgl. Stadt Wertheim)
Wertheim Village
Wertheim
Frankfurt
Nürnberg
Würzburg
A5
A3
A66
A7
A81
Value Retail (Hg.) (2009a): Wertheim Village
Outlet Shopping. Frankfurt. <http://www.value-
retail.com/downloads/WV-Fact-Sheet.pdf>. Zu-
griff am 19.05.2010
Value Retail (Hg.) (2009b): Unique Characteris-
tics. <http://www.valueretail.com/downloads/Va-
lueRetail_AboutUs.pdf>. Zugriff am 20.05.2010
Stadt Wertheim (Hg.) (o.J.): Wirtschaftsstandort
im Grünen. <http://www.wertheim.de/servlet/
PB/menu/1272357_l1/index.html>. Zugriff am
22.06.2010
Abb.1: eigene Fotografie
Seite 23
Autostadt Wolfsburg Zwischen Wohnen & Erlebnis
Kontext & MotivationDie Volkswagen AG geriet im Jahr 1992 in eine starke wirtschaftli-che Missstellung. Innerhalb von zwei Jahren musste das Unterneh-men 13.000 Arbeitsplätze aufge-ben - 15.000 weitere sollten noch gestrichen werden. Es schien als hätte VW den Kampf auf den glo-balisierten Märkten dieser Welt verloren. Durch die schlechte Wirtschaftslage des Unternehmens musste auch die Stadt Wolfsburg starke Einbußen hinnehmen. Durch Arbeitszeitverkürzungen und Lohnminderungen schaffte es VW wieder zu einem kontinu-ierlichen Aufschwung. Um die-sen Positivschub zu nutzen und den Konzern auf den Weltmärk-ten weiter zu verankern schuf der
TypStadtrevitalisierung
Gesamtkostenca. 10 Mio. DM
FinanzierungPrivat Public Partnership
BeteiligteStadt Wolfsburg, Volkswagen AG
NutzungenKonzernspitze, Dienstleitungen, Ausstellungsflächen, Lagertür-me, Museum, Luxushotel, Res-taurants
Zielgruppepotenzielle Neukunden für den Konzern sowie Touristen, die sich in der Stadt Wolfsburg auf-halten, übernachten und einkau-fen
Seite 24 Expedition
Expedition
Konzern in einer Public Private Partnership die Autostadt. Dabei gab VW auch der angeschlagenen Stadt Wolfsburg wieder etwas zu-rück - eine neue Identität und da-durch Besucher, Einwohner und Einnahmen.
Politischer HintergrundDie Stadt hatte vor dem Bau der Autostadt starke finanzielle Prob-leme. Durch die Krise bei Volks-wagen, hatte sie mit einer stark steigenden Arbeitslosenquote und sinkenden Steuereinnahmen zu kämpfen. Nach Versuchen die Revitalisierung mit den Bürgern durchzuführen, war die Stadt und die Politik erleichtert über das An-gebot des Unternehmens.
Aufgabe des PlanersEin Planer war an der Entwicklung nicht beteiligt. Den Machern ging es im ersten Schritt auch um die Produktionssteigerung in ihrem Unternehmen. Die Planungen be-zogen sich nur auf das Gebiet der Volkswagen AG, jedoch war ihnen bewusst, dass eine Aufwertung des Unternehmens nur mit einer Auf-wertung des städtischen Kontextes einhergehen könnte. Die positiven Auswirkungen auf Wolfsburg kom-men eher aus der Image-Richtung. Eine Entwicklung, die jetzt beide Seiten für sich nutzen.
Volkswagen AG (o.J.): Unternehmen - Konzept
<http://www.autostadr-wolfsburg.de>. Zugriff am
18.06.2010
Siegfried, K.-J. (Hrsg.: Stadt Wolfsburg, Insti-
tut für Museen und Stadtgeschichte) (2002);
Wolfsburg - zwischen Wohnstadt und Erleb-
nisstadt: Materialien zu Städtebau, Architektur,
Wohnen und Urbanität, 2. erw. Auflage, Appel-
hans, Braunschweig
Abb.: <http://www.ausmotive.com/images/Auto-
stadt-01.jpg>
Wolfsburg/West
Heinrich-Nordhoff-Str.Mittellandkanal
Volkswagen AG
Autostadt
ICE-Bf
SchlossB 188
Volkswagen Arena
Dieselstraße
VfL-Stadion
A 39
Seite 25
Seite x Expedition
Kontext & MotivationZiel war es im Hamburger Stadt-teil Bergedorf ein neues Quartier entstehen zu lassen, welches aus-schließlich durch private Mittel fi-nanziert wurde. Die GbR Dorfan-ger Boberg ist die verantwortliche Projektgesellschaft, die sowohl die Finanzierung als auch die Umset-zung leitet.
Das Quartier besteht aus mehre-ren Abschnitten in denen sich die hauptsächliche Bebauung aus Ein-familienhäuser und Reihenhäuser zusammensetzt. Durch den Pro-jektablauf aus einer Hand soll eine möglichst reibungslose und profit-reiche Realisierung gewährleistet werden.
Dorfanger BobergEin privates Idyll im Grünen
TypNeubau einer Wohnsiedlung
Gesamtkostenk.A.
Finanzierungprivatwirtschaftlich durch Projektgesellschaft
BeteiligteGesellschafter: HPE Wohnbau GmbH, Hamburg, Otto Wulff Bauunternehmung KG, Ham-burg, Stadtplaner, Architekten
NutzungenWohnen, Einzelhandel, Infra-struktur
Zielgruppevornehmlich Familien aus der Mittelschicht mit Wunsch nach dem Eigenheim im Grünen
Seite 26 Expedition
Expedition
Politischer HintergrundUm eine schnellere und effizientere Umsetzung zu ermöglichen wur-de das Projekt aus privater Hand umgesetzt. Vorteile birgt dies auch für die Stadt Hamburg, der somit neue Projekte ohne großes finanzi-elles Risiko ermöglicht wird.
Aufgabe des PlanersBei diesem Projekt waren vor allem Stadtplaner beteiligt, die dazu bei-tragen sollten, die Planung mög-lichst effizient und nachhaltig zu gestalten. Die Projektgesellschaft wirbt stark mit ökologischen As-pekten und möchte dies auch um-gesetzt sehen.
Der Planer arbeitet für die priva-te Seite und setzt Interessen und
Wünsche der Gesellschafter um. Eine Zusammenarbeit mit der Stadt Hamburg bleibt bei einem PPP-Projekt aus interessensbe-dingten wie rechtlichen Gründen nicht aus.
Hamburg
Elbe
A1
A25B5
A1
A24
Dorfanger
Hagge, H. (o.J.): Dorfanger Boberg. <http://www.
boberger-anger.de/index.php?page=dorfangerbob
erg>. Zugriff am 23.06.2010
Hagge, H. (o.J.): Dorfanger Boberg. Verkaufsin-
formationen. <http://www.boberger-anger.de/ind
ex.php?page=informationen>. Zugriff am
23.06.2010
Bartels, O. Bodenschatz, H. Branding-Rettig,
H. (2001): Dorfanger Boberg. Ein urbanes Quar-
tier am Stadtrand. Dölling & Galitz, Hamburg
Abb.: Bartels, O. Bodenschatz, H. Branding-
Rettig, H. (2001): Dorfanger Boberg. Ein urba-
nes Quartier am Stadtrand. Dölling & Galitz,
Hamburg
Seite 27
Kontext & MotivationDie württembergische Mittelstadt Metzingen liegt inmitten des schö-nen, beschaulichen Emstales, rund 30 Kilometer südlich von Stuttgart und zählt gerade einmal 22.000 Einwoh-nern. Und doch ist Metzingen ein internationaler Touristenmagnet. Im Jahr 2009 kamen mehr als drei Mil-lionen Besucher aus 165 Nationen nach Metzingen. Grund hierfür ist die Firma Hugo Boss. Die Bekleidungs-firme, im Jahr 1923 in Metzingen ge-gründet, machte die Stadt mit seinem Fabrikverkauf in der schwäbischen Heimat international bekannt und lockte mit einem Umsatz von heute schätzungsweise 150 Millionen Euro viele weitere Firmen nach Metzingen. Insgesamt haben sich über 70 Mar-ken in 75 Outlet Stores in der Stadt
Outlet City MetzingenWerksverkäufe als Touristenmagnet
TypEinzelhandelskonzept mit Auswirkung auf die Stadtentwicklung
Gesamtkostenk.A.
Finanzierungk.A.
BeteiligteStadt Metzingen, Holy AG (Management und Projektent-wicklung, diverse Markenher-steller (z.B. Hugo Boss)
NutzungenEinzelhandel
Zielgruppekaufkräftige Tages- sowie Lang-zeittouristen
Seite 28 Expedition
niedergelassen. Mit der Entscheidung den Fabrikverkauf in die Innenstadt zu integrieren wurde eine Brücke zur Stadtentwicklung geschlagen. Das Motto: Tradition trifft auf die The-men der Zeit: Architektur, Mode, De-sign, Lifestyle, Kultur und Kulinaria (vgl. Outlet City Metzingen, o.J.).
Die weitere Förderung und Anord-nung des Fabrikverkaufs motivierte die Stadt Metzingen, langfristig aus den rund drei Millionen Tagesbesu-chern in den Outlet Stores Touristen zu machen, die mehrere Tage in der Region verbringen. So erhofft sich die Stadt synergetische Effekte durch die Ansiedelung des Fabrikverkaufs in unmittelbarem Anschluss an die Innenstadt, um Impulse für die In-nenstadtentwicklung zu erzeugen und damit die Attraktivität der Stadt auf Langzeittouristen zu erhöhen. (Stadt Metzingen, o.J.;a)
Politischer HintergrundIm Jahr 1999 wurde eine Grundsatz-entscheidung für die Niederlassung von Fabrikverkauf in der Innenstadt
gefällt. Damit wurde sich gegen die „grüne Wiese“ entschieden und für das Potenzial, die Innenstadt durch die Entwicklung des Fabrikverkaufs aufzuwerten.
Aufgabe des PlanersEine Aufgabe der Stadtplanung in Metzingen ist die Förderung und An-ordnung des Fabrikverkaufs. Getrof-fene Raumnutzungsentscheidungen werden in einem Geschäftsflächen-entwicklungsplan festgehalten. Dieser differenziert die Nutzungsarten des Flächennutzungsplanes weiter aus. Der Geschäftsflächenentwicklungs-plan ist parzellenscharf. Er definiert, wo ein innenstadtrelevantes Sorti-ment angeboten werden darf und wo es ausgeschlossen wird. Die In-nenstadtrelevanz schlägt sich in Sor-timentspaletten nieder. Damit wird die Geschäftswelt der Innenstadt und der Ortszentren gestärkt und der Fab-rikverkauf in das Stadtgefüge verträg-lich integriert und geregelt. (vgl. Stadt Metzingen, o.J.)
Mit der Entscheidung den Fabrikver-
kauf in unmittelbaren Anschluss an die Innenstadt anzusiedeln, zielt die Stadt zudem auf synergetische Ver-knüpfungen von Innenstadt und Fab-rikverkaufsstandorten ab, die Impulse für die Stadtentwicklung bieten. Hier ist es die Aufgabe des Planers diese Impulse in konkreten städtebauliche Entwürfen und Entwicklungskonzep-ten zu übertragen. (ebd.)
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Abb.: <http://farm2.static.flickr.com/1172/1170
579598_9733ef9ae2_o.jpg>
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Neckar
Metzingen
Stuttgart
Tübingen
Nürtingen
Sindel�ngen
Böblingen
Reutlingen< Si
ngen
München >
< Karlsruhe Heilbro
nn >
A 81
A 8
Expedition
Kontext & MotivationIn den USA, Südamerika und Süd-afrika gehören Gated Communities längst zum städtischen Bild. Central Park Residence bedient nun auch den Leipziger Markt. In unmittel-barer Nähe zum Clara-Zetkin-Park entstehen unter dem Namen Cen-tral Park Residence drei luxuriöse Stadtvillen mit Appartements und Penthouses und eine weitläufige Parkanlage mit italienischem Flair.
Die Architektur lehnt sich an die historischen Gebäude des umgeben-den Musikviertel an. Die gesamte Wohnanlage der Eigentümerge-meinschaft wird nach außen durch eine Zaunanlage abgegrenzt und verfügt über ein breites Sicherheits- und Schlosssystem.
Leipzig Central Park Residence Leipzigs erste Gated Community
TypLuxusneubebauung eines innen-stadtnahen Baufeldes
Gesamtkosten27 Mio. €
Finanzierungrein privatwirtschaftlich
BeteiligteBauherr: AS Leipzig Central Park Residence Bauträger GmbH & Co. KG, Projektma-nagement: Real Estate Leipzig GmbH & Co. KG, Architekten: H&L Generalplanung und Projektmanagement GbR
NutzungenWohnen, Grünfläche
ZielgruppeSicherheitsbedürftige der höhe-ren Einkommensschicht
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Central Park Residence wurde als Leipzigs erste Gated Community vermarktet. (vgl. AS Leipzig Central Park Residence, 2009) Unter dem Motto Service - Luxus - Sicherheit fand das Vorhaben schon vor Bau-beginn über 130 Interessenten (vgl. AS Leipzig Central Park Residence, 2009)
Aufgabe des PlanersBei Central Park Residence handelt es sich um einen Komplex, der sich nur auf Baufeldgröße ausdehnt. Jegliche Planung auf dem Gelände wurde vom Bauherren und dessen Architekten übernommen. Viel Wert wurde auf gestalterische und sicherheitsgewährleistende Elemen-te gelegt. Dabei wurde auf eine op-tische Anpassung der Fassaden an
die Umgebung des Musikerviertel geachtet, jedoch wurde eine nach-haltige Einbindung in das Quartier (bewusst) nicht berücksichtigt.
Zentrum
Clara-Zetkin-Park
Hauptbahnhof
Central Park Residence
Elster
AS Leipzig Central Park Residence (Hg.)
(2009): Comfort Park Residence am Clara-
Zetkin-Park. <http://www.cpr-le.de/fileadmin/
user_upload/RRS_drucksachen/CPR_Informati-
on.pdf>. Zugriff am 20.06.2010
Abb.: <http://www.cpr-le.de/fileadmin/user_up-
load/galerie/2009-05-18/IMG_1656.JPG>
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Für die Expedition wurden Orte besucht, in denen dem Planer je eine ganz bestimmte, aber auch sehr unterschiedliche Rolle zugeteilt wurde. Auch bei augenscheinlich sehr ähnlichen Orten und Projekten der Privatwirtschaft müssen klare Unterschiede in Arbeitsfeld und Wichtigkeit der jeweiligen Planer gemacht werden. In der Autostadt Wolfsburg und Herzo Base bei-spielsweise nahm der Planer lediglich eine passive Rolle in der Verwaltung ein. Wichtige Planungs- und Umsetzungsschritte lagen in der Hand von Architekten und Unternehmer.
Dass es aber auch anders geht, zeigt das Projekt Dorfanger Boberg. Im Ent-stehungs- und Entscheindungsprozess wurden vor allem Stadtplaner hinzu-gezogen um „die Planung möglichst effizient und nachhaltig zu gestalten“. Ein anderer Bereich der Nachhaltigkeit beschäftigte auch den Planer im Outlet Center Metzingen: „Aufgabe der Stadtplanung in Metzingen ist die Förderung und Anordnung des Fabrikverkaufs. Mit einem unmittelbaren Anschluss an die Innenstadt, sollen synergetische Verknüpfungen von In-nenstadt und Fabrikverkaufsstandorten entstehen.“ Eine Aufgabe zur Er-haltung einer ganzen Stadt.
So unterschiedlich die Positionen in den vorgestellten Gebieten sind - auf den Planer verzichten zu können scheint niemand. Wie wichtig ist der Pla-ner für die Privatwirtschaft noch? Welche Rolle nimmt er ein? Wird er als Marionette zwischen den einzelnen Disziplinen hin und her hüpfen oder wird er einen neuen Standpunkt und neue Funktionen finden und vertei-digen? Die Privatwirtschaft scheint der Stadt das Geld - das Material - zu liefern um sie zu erhalten. Können sich Städte nur erfolgreich weiterentwi-ckeln, wenn ihnen das Kapital der Privatwirtschaft zufließt? Ein Blick in die aktuelle Forschung soll helfen und lehren.
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Arbeitet zwischen den Stühlen: Rem Koolhaas
Abb. 1
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„Heute wird alles geprägt durch die letzte Ideologie, die wir noch haben, durch die Ideologie des Marktes. Vor 15 Jahren war es noch selbstverständlich, dass die Architekten für öffentliche Bauherren planten und das Gemein-wohl im Blick hatten. Diese soziale Dimension des Bauens ist mittlerweile fast verschwunden, der Staat hat sich zurückgezogen. Heute kommen die wichtigsten Aufträge von den Privaten, und die sehen in der Architektur meist nur eine Werbemaßnahme, einen Renditebringer, alles andere ist egal. Auch viele Städte sind dem Aufmerksam-keitssyndrom verfallen und folgen nur noch der ökonomischen Logik. In Wahrheit investieren sie nicht in Kultur, sondern in Effekte, in Marketing.“ (Zeit, 2008)
Rem Koolhaas ist eine Art Architekt - die Be-tonung kann auf ‚eine‘ aber auch auf ‚Art‘ lie-
gen. Denn Koolhaas ist eine „seltene Kombination aus Visionär und Aus-führer - Philosoph und Pragmatiker - Theoretiker und Prophet“ (The Pritzker Architecture Prize, o.J.), so die Jury des Pritzker-Preises, den er 2000 gewann. Diesen vielseitigen Eindruck bestätigt er immer wie-der. Einerseits durch seine Gebäude,
wie zum Beispiel der neuen Sende-zentrale des chinesischen Fernseh-senders China Central Television, andererseits durch diverse Publika-tion. Diese entstammen beispiel-weise aus seiner jüngst gegründeten ‚Forschungsstation‘ AMO. AMO ist eine Art ‚Denkfabrik‘ und Kon-terpart zu dem von Koolhaas 1975 mitgegründeten Büro OMA (Of-fice for Metropolitan Architecture). (vgl. Rauterberg, 2008, S. 104) Die Vielseitigkeit Rem Koolhaas‘ und
seines Büros OMA/AMO spiegelt sich auch in den Auftraggebern wi-der. Zu ihnen gehören sowohl der internationale Modekonzern Prada als auch die Europäische Union, was zur Folge hat, dass das Büro in sehr unterschiedlichen Kontexten auf der ganzen Welt tätig ist. (vgl. OMA, 2010a)
Neben seiner Bürotätigkeit forscht Rem Koolhaas zudem an der Har-vard Graduate School of Design.
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Dort betreibt er das Forschungspro-jekt ‚Project on the City‘. Im Mittel-punkt der Forschungen stehen ur-bane Prozesse in der gesamten Welt. (vgl. Harvard University, 2010a)
Von 1996-97 untersuchte Koolhaas zusammen mit Studenten die Aus-wirkungen der rasanten Modernisie-rung im Pearl River Delta in Süd-china. Das Pearl River Delta ist ein Ballungsgebiet von fünf Städten mit einer Bevölkerung von zwölf Milli-onen Menschen, die bis zum Jahr 2020 voraussichtlich auf 36 Millio-nen anwachsen wird. Die Moderni-sierung in dem Gebiet wurde durch spezielle Wirtschaftszonen beein-flusst. Sie dienten der kommunisti-schen Regierung als Experimentier-feld für die kontrollierte Freisetzung des Kapitalismus, wodurch die Ge-gend zu einem beispiellosen Urba-nisierungsexperiment von enormem Ausmaß wurde. Die von Koolhaas und seinen Studenten durchgeführte Untersuchung basiert auf einer Serie von zusammenhängenden Studien, die sich jeweils mit den komplexen Veränderungsprozessen im Pearl River Delta auseinandersetzen. Die Ergebnisse wurden in dem Buch ‚Great Leap Forward‘ veröffentlicht. (vgl. Harvard University, 2010b)
Die Veröffentlichung des zweiten Projekts der ‚Projects on the City‘-Reihe trägt den Titel ‚Harvard De-sign School Guide to Shopping’ und widmet sich ganz der Bedeu-tung von Einzelhandel und Kon-sum in der heutigen Gesellschaft.
Shopping sei wohl die finale Form öffentlicher Aktivitäten behauptet Koolhaas. Durch die Untersuchung von Räume, Menschen, Techniken, Ideologien und Erfindungen zeigt das Projekt, wie sich das Stadtbild durch eine Reihe von Formen in der Konsumwelt auf dramatische Weise umgestaltet hat. (vgl. Harvard Uni-versity, 2010c)
Koolhaas vertritt in seinen Büchern eine düstere Sichtweise und kriti-siert die Gegenwartsarchitektur, die nur noch vom Kommerz bestimmt sei: „Das Bauprodukt der Moderni-sierung ist keine moderne Architek-tur, sondern Junkspace. Junkspace ist das, was zurück bleibt, nachdem die Modernisierung ihren Zyklus durchlaufen hat, genauer, was er-starrt während die Modernisierung stattfindet. Es ist ein alter Glanz, injiziert mit neuem Elan, wodurch die Kasse lauter klingelt: Barcelona verschmilzt mit den Olympischen Spielen, Bilbao mit Guggenheim, 42nd Street mit Disney. Junkspace gehorcht nur einem Gesetz: dem von Yen, Euro und Dollar.” (Haus der Niederlande, 2008; Koolhaas, 2004)
Woran hat Rem Kool-haas vor 15 Jahren ge-arbeitet?
Mit der Eröffnung des Eurotunnels 1994, kam der nordfranzösischen Industriestadt Lille eine neue Be-deutung zu. Mit dem Eurostar-
Zug war man von Lille zukünftig schneller in der Londoner City als vom Londoner Stadtrand. Viele Engländer bauten und kauften sich daraufhin Häuser und Büros, weil sie „rein zeitlich gesehen, dort näher an London sind, als von der Peri-pherie Londons aus“ (Arch+, 1993), so Koolhaas in einem Interview der Arch+. Ursprünglich war die neue Bahnstation für den Eurostar-Zug unterirdisch und einige Kilome-ter außerhalb der Innenstadt Lilles geplant. Pierre Mauroy, damaliger Bürgermeister, erkannte das Poten-zial für die Stadt, das sich aus einer Verlegung der Station näher an das Stadtzentrum ergeben würde. Da-raufhin konzipierte die Stadt 1989 ein enormes Programm, das nicht nur eine neue Bahnstation für den Eurostar-Zug vorsah, sondern gleich ein komplett neues 120 Hektar gro-ßes Stadtquartier, mit insgesamt 800.000 Quadratmeter neuer Flä-che für Einzelhandel, Büros, Woh-nen, Parkplätze, Hotels, einem Kon-gresszentrum, einem Konzertsaal und der Bahnstation für den Eu-rostar-Zug. Für die Umsetzung des Programms in einen städtebaulichen Entwurf wurde ein internationaler Wettbewerb ausgerufen, den Rem Koolhaas mit seinem Büro OMA schließlich gewann. (vgl. Trip, 2007, S. 92ff und Espace croisé, 1996)
Das Vorhaben der Stadt Lille ver-langte eine Gesamtinvestition von 800 Millionen Euro. Diese Summe konnte die Stadt allein nicht finan-zieren, daher ging sie eine öffentlich-
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private Partnerschaft ein. Private In-vestoren finanzierten schließlich 560 Millionen Euro der Gesamtsumme. (vgl. Trip, 2007, S. 93 und OMA, 2010b) „Politiker verfügen kaum über Geld und sind weitgehend auf Dritte angewiesen, wenn sie bauen wollen“ (Arch+, 1993), berichtet Rem Koolhaas weiter. Von dieser Abhängigkeit, sieht er auch den Pla-ner betroffen: „Wir haben heute die Möglichkeit verloren, eine Stadt in ihrer dreidimensionalen Substanz zu planen, sie als Vision zu betrachten, als Modell. Diese Zeit ist für immer vorbei. (…) Man kann nur noch versuchen, jene Prozesse zu regulie-ren, modifizieren oder umzulenken, die sowieso stattfinden. Man kann Prozesse nicht blockieren oder in völlig andere Richtungen lenken.“ (ebd.) Dies hat nach Koolhaas eine „Machtlosigkeit des Architekten und Stadtplaners“ (ebd.) zur Folge, die sich aus den vielen Dingen er-gibt, die ein solches Projekt beein-flussen, wie „politische, technische, finanzielle, psychologische usw.“ (ebd.).
In dem Interview der Arch+, das von Philipp Oswald geführt wurde, reflektiert Rem Koolhaas das Projekt in Lille und leitet drei Gründe für die „Aushöhlung der Rolle des Pla-ners und Architekten“ (ebd.) ab. Der erste Grund ist eine intellektuelle Schwäche. Manche Architekten und Planern sind „in geradezu lächerli-cher Weise unsensibel für die Frage der Umsetzungsmöglichkeiten, wo doch die Frage der Umsetzung im
Urbanismus das entscheidende Pro-blem ist“ (ebd.), so Koolhaas. Der zweite Grund sind wie bereits er-wähnt wurde politische Schwächen in Form von Finanzierungsproble-men und dem Streben nach Konsens sowie fehlende Risikobereitschaft seitens der Politik. (vgl. ebd.)
Der dritte Grund sind die ‚Deve-loper‘. „Diese (…) agieren immer primitiver“, sagt Koolhaas weiter, „sie widersetzen sich intuitiv und unermüdlich jedem Versuch, ihre Projekte in ein programmatisches Konzept zu integrieren. Heute gibt es keine Bürger mehr, die als verant-wortliche Bewohner einer Stadt ihre Bürger-Rolle in Form eines stadtbe-zogenen Bauwerks zum Ausdruck bringen. Die Developer von heute sind nicht mehr Bewohner einer Stadt, sondern transnationale Kor-porationen, schweifende Kapitale; sie erkunden in fast biologisch-ins-tinkthafter Weise Anlage- und Pro-fitmöglichkeiten jeder Art, auch auf vulgärster Ebene. (…) Das sind lo-gische Prozesse, die aber niemals die Stabilität erzeugen, die notwendig wäre, um programmatisch arbeiten zu können.“ (ebd.)
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images/bekend/Coolpowerp07.jpg> (bearbeitet)
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Der Planer zwischen Zufällen und Retorten: Friedrich von Borries
Abb. 1
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„Als Wissenschaftler versuchen wir, die Welt zu verstehen. Als Gestalter versuchen wir, diese Welt zu verän-dern. Deshalb setzen wir uns forschend und entwerfend mit den politischen Fragen auseinander, die unsere Gegenwart bestimmen: Wachsende globale Ungleichheit, Umweltzerstörung und Klimawandel, Überwa-chungstechnologien und Sicherheitspolitik.“ (Projektbüro Friedrich von Borries, 2010)
Friedrich von Borries, ein Macher und vor allem ein Denker der deutschen Architektur-,
Planer und Design/Kunst-Szene. Derzeit versucht er das Vorgehen in seinen Denkprozessen und das Verstehen der Vorkommnisse in der Welt an der Hochschule für bildende Künste in Hamburger an seine Studentinnen und Studenten zu vermitteln.
In seiner Vorlesung ‚Designge-schichte/ -theorie‘ findet im Som-mersemester 2010 ein Seminar unter dem Namen ‚Intervention‘ statt, in welchem untersucht wer-den soll, ob - und wenn ja wie - sich die künstlerische Disziplin ‚Design‘ interventionistisch tätig werden kann (Vgl. HfbK, 2010, S. 32).
Friedrich von Borries selbst studier-te an der Universität der Künste Berlin die Fachrichtung Architektur.
Während seines Studiums konnte er einen Auslandsaufenthalte an der ISA St. Luc Bruxel in Belgien wahr-nehmen, bevor er, wieder zurück in Deutschland sein Studium an der Universität Karlsruhe beendete. Dort kann er 2004 auch promovie-ren.
Von 2001 bis 2003 lehrt er an der Technischen Universität Berlin und zusätzlich von 2002 bis 2005 an der Stiftung Bauhaus Dessau. Im Aka-
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demischemjahr 2007/2008 war er Gastwissenschaftler an der ETH Zürich und dem MIT Cambridge. In diesem Zeitraum leitete er zudem auch das Seminar für Kunst und öf-fentlicher Raum an der Akademie der bildenden Künste Nürnberg.
In seinen Arbeiten und Forschun-gen hat sich von Borries vorwiegend mit der Analyse verschiedenster Marketingstrategien im städtischen Raum auseinandergesetzt. Seine wohl bekannteste Publikation ist das 2005 erschienene Buch ‚Wer hat Angst vor Niketown?‘. In diesem Buch beschreibt und analysiert er die Marketingmaßnahmen der welt-weit agierenden Marke Nike.
Neben der ausführlichen Beschrei-bung aller internen und externen Werbe- und Eventaktionen, be-richtet er von einer Angst einer ‚Niketown‘. Hiermit ist eine Stadt gemeint, in der Werbung die Stadt quasi ‚auffrisst‘. Eine Stadt in der Regulationen und subjektive Wahr-nehmung versagt haben und die Privatwirtschaft eine eigene Welt aufbauen konnte, ohne das die Bewohner eine reale Chance und Wahlmöglichkeit hatten.
Neben seiner Lehre und immer wieder veröffentlicht werdenden Büchern hat er ein Büro in Berlin. In dem Labor, welches Friedrich von Borries mit Matthias Böttger leitet, wird der Forschungs- und Interessensraum weit ausgebreitet. Das Büro ‚raumtaktik‘ beschäftigt
sich mit der Frage, wie sich Archi-tektur und Urbanismus entwickeln, wenn sie mit ihren politischen, all-tagskulturellen und ökonomischen Prozessen im Verhältnis zu einander stehen.
Mit Matthias Böttger zusammen, hatte von Borries 2008/2009 die Ehre das Generalkommissariat für den deutschen Beitrag der 11. Ar-chitektur Biennale in Venedig zu übernehmen. Der Pavillon ‚UP-DATING GERMANY‘ wurde mittlerweile in vielen Orten auch außerhalb von Italien und Deutsch-land gezeigt. Die Macher sagen über den Pavillon selbst: „Die Welt ist im Ungleichgewicht – ökonomisch, ökologisch und sozial. Architektur und Städtebau können die Welt nicht retten – aber einen Beitrag leisten und tun es auch. Es wird gespart, gedämmt und optimiert.“ (Böttger und von Borries, 2008)
„Doch damit sind die Möglichkei-ten des Entwerfens und räumlichen Intervenierens noch lange nicht er-schöpft. Uns interessiert das, was über den neuesten Stand der Technik hinausgeht: neue Konzepte, Denk-weisen, Strategien, die – Schritt für Schritt – Verhaltensweisen und Le-bensvorstellungen erneuern.“ (Bött-ger und von Borries, 2008)
Es macht den Anschein, als sei der Denker und Macher, der Planer und Architekt ein Alleskönner und Alles-wisser. Aber Borries macht auch auf eine veränderte Rolle aufmerksam:
„Die klassische Moderne schrieb dem Architekten und der Archi-tektur eine moralisch-pädagogi-sche Aufgaben zu, die, auf einem idealistischen Weltbild beruhend, auf eine neue, egalitäre Realität zielte. Für diese neue Realität, so der auch die heutige Architekten-generation prägende Traum der klassischen Moderne, sollte Ar-chitektur Raum schaffen. Die tat-sächliche Aufgabe von Architektur hat sich in den letzten Jahren aber radikal geändert, seit die Illusi-onsmaschine des Marketings die Wirklichkeit wiederentdeckt hat: Architektur soll die Identität von Marken vermitteln, soll das Er-lebnisraum Element der Marken-kommunikation sein. Daraus wird Architektur und Stadtplanung ein neuer Funktionalitätsbegriff entstehen, der das Selbstverständ-nis und Aufgabenfeld von Archi-tekten, Planern und Gestaltern grundlegend verändert wird.“ (von Borries, 2004, S. 18)
„Räume werden nicht mehr lang-fristig, auf eine Zukunft hin ge-plant, sondern für die Gegenwart inszeniert und bespielt. Genau an diesem Punkt muss der Architekt ansetzen, wenn er mehr sein will als ein Raummanipulator. Er muss sich der Methode des Brandings und der Globalisierung bemächti-gen und seinerseits zum gewieften, reaktiven Taktiker werden. Nur so kann er innerhalb der heutigen und künftigen Realität nach neu-en Möglichkeiten fahnden, Räume
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für nicht determinierte Ereignisse zu schaffen.“ (von Borries, 2004, S. 87f )
Die neusten Wahrnehmungen von von Borries in der Öffentlichkeit sind sein neustes Buch (mit Matthi-as Böttger) ‚Fernsehtürme - 8.559 Meter Politik und Architektur‘ und die Ausstellung ‚Klimakapseln: Überlebensbedingungen in der Ka-tastrophe‘ in Hamburg. In dieser geht es darum, dass die Menschheit noch immer die globale Erwärmung ignorieren. Dies mündet von Bor-ries in der Hoffnung der Menschen, dass den Ingenieuren und Planern dieser Welt noch etwas einfällt. Er stellt die realistische Frage: ‚Wie werden wir uns anpassen, wenn der Klimawandel Realität gewor-den ist?‘ Er entwirft ein Szenario, in der die Reichen in abgeriegelten Kapseln leben, während die Armen auf schwimmende Inseln warten. In fiktionalen Porträts stellt er die Protagonisten der Kapselwelt vor, den Architekten, den Flüchtling, den Sonnenlenker und andere. Ein Glossar gibt zudem einen Überblick über Projekte, in deren Rahmen sich Künstler, Regisseure und Architek-ten in den letzten Jahrzehnten mit dem Thema Klima befasst haben.
Böttger, M.; von Borries, F. (2008): Updating
Germany. Projekte für eine bessere Zukunft.
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language=de>. Zugriff am 17.06.2010
Projektbüro Friedrich von Borries (2010): Ar-
beitsfeld des Projektbüros. <http://www.friedrich-
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von Borries, F. (2004): Wer hat Angst vor Ni-
ketown?: Nike-Urbanismus, Branding und die
Markenstadt von Morgen. episode publishers,
Rotterdam
Abb.1: <http://architecture.rmit.edu.au/Projects/
Images/match.point/friedrich-von-borries_250.
jpg> (bearbeitet)
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Brandhubs: Kerstin HögerBrandhubs = Vereinigung ökonomischer Aspekte mit sozialen und kulturellen Werten in neuartigen privat-öffentlichen Räumen.
Abb. 1
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„Die derzeitige Restrukturierung unserer globalisierten Städte von eintönigen Dienstleistungs- oder Einkaufs-zentren zu vielfältigen Erlebnisräumen ist eine Erscheinung der Veränderung des urbanen Raums in der zeit-genössischen Erlebnisgesellschaft. Dieser Umbau des urbanen Raums wird immer weniger von der öffentlichen Hand geprägt, dafür treten verstärkt Markenkonzerne als urbane Visionäre auf und integrieren zunehmend den Stadtraum und neuerdings den ‚Brandhub‘ in ihre globalen Brandingstrategien.“ (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 2007, S. 705)
Kerstin Höger ist seit 2010 Professorin für Architektur und Städ-tebau an der Technisch-
Naturwissenschaftlichen Universität Norwegen in Trondheim. Zuvor war sie zehn Jahre als Assistentin und Dozentin an der ETH Zürich tätig. Neben ihrer akademischen Tätigkeit betreibt sie seit 1999 ein Architek-tur- und Städtebaubüro in Zürich. Ihre Forschungen befassen sich mit
Veränderungen im urbanen Raum. Schwerpunkte dabei sind unter an-derem ‚corporate architecture and urbanism, branding of cities‘ sowie städtische Knotenpunkte, im eng-lischen ‚Hubs‘. Diese Schwerpunk-te sind auch Gegenstand des For-schungsprojekts ‚Branding and the City‘. In diesem untersucht Kerstin Höger zusammen mit Kees Chris-tiaanse „privat-öffentliche Stadt-entwicklungsprojekte welche neue
Identitäten und Erlebnisse hervor-bringen und gleichzeitig kommerzi-ell als auch gesellschaftlich orientiert sind“ (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 2007, S. VIII) - sogenannte ‚Brandhubs‘.
Was sind Brandhubs?
Kerstin Höger: „Brandhubs sind umfassende Stadtentwicklungs-
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projekte, entwickelt von Groß-konzernen in Partnerschaft mit unternehmerischen Städten. Meist von berühmten Architekten und Planern entworfen, werden sie als Brandinginstrumente eingesetzt, mit dem Ziel, die ‚Corporate Iden-tities‘ in einer urbanen Umgebung zu vermitteln und so als öffentliches Erlebnis einem breiten Publikum erfahrbar zu machen. Als Verkörpe-rung von spezifischen Bildern oder Lebensstilen stellen sie eine wahr-hafte Verräumlichung von Marken-werten dar, wobei die Marken selbst zum Ort, zu einer städtischen Des-tination werden. Zusätzlich zu den ehemals getrennten Nutzungen wie Büros, Einzelhandel und Wohnen sind Brandhubs mit diversen Un-terhaltungs- und Kulturangeboten angereichert, die zusammen einen Erlebnisknotenpunkt bilden, der gänzlich um die gegebenen Marken- und Submarken-Identitäten herum organisiert ist. Die direkten Vor-gänger dieser Entwicklung sind die Flagship-Stores, wie etwa die welt-weit etablierten Niketowns oder die einzigartigen Prada Epicenter. Diese Projekte sind allerdings auf einen rein architektonischen, wenn nicht ausschließlich innenarchitektoni-schen Maßstab begrenzt. Neu ist dieses Phänomen im urbanen Maß-stab, wenn Brandhubs im Rahmen von privat-öffentlichen Partner-schaften strategisch auf einer plane-rischen und politischen Ebene im-plementiert werden. Mit Projekten wie dem DaimlerChrysler-Quartier und Sony Center in Berlin, VW
ErlebnisWelt in Wolfsburg und Mi-gros WESTside in Bern werden die Implikationen von Brandhubs of-fensichtlich; sie zeigen sich in Trans-formationen des Stadtraums sowie im Image und Einfluss der Global Players. Brandhubs zeichnen sich durch eine neue Identität und Urba-nität aus, die zugleich kommerziell als auch gesellschaftlich orientiert ist. Dieses paradoxe Modell hat nichtsdestoweniger das Potenzial, die Stadt zu (re)aktivieren, jedoch je nach verfolgten Strategien nicht im-mer unbedingt auf eine nachhaltige Weise.“ (Höger, 2007, S. 705)
Chancen und Risiken durch Brandhubs
Kerstin Höger sieht in den Brand-hubs eine Chance, die urbane (Re-)Vitalisierung zu fördern. Durch die „Integration von Architektur und Städtebau in kommerzielle Me-chanismen“ (Höger, 2007, S. 715) können „verfallene oder monotone Gebiete aufgewertet werden und zu einem neuen Image gelangen“ (edb., S. 716). So wurde zum Beispiel der Potsdamer Platz in Berlin „von ei-nem brachliegenden Mauerstreifen in ein prestigeträchtiges Stadtzen-trum ausgebaut“ (edb.). Effekte solcher (Re-)Vitalisierungsprojekte für die Stadt sind unter anderem: „ökonomische Impulse, Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zusätzliche Steuereinnahmen“ (edb.). Im Ge-genzug bieten Städte Markenkon-zernen diverse Anreize für die Ver-
ortung ihres Markenauftritts. Dies sind zum Beispiel günstiges Land an zentralen Stellen, finanzielle Un-terstützung und erleichterte Bau-genehmigungen (vgl. edb.). „Diese Art von Geben und Nehmen und das gemeinsame Interesse an der Schaffung einer attraktiven urbanen Destination ist es, was die Städte und Konzerne zusammenbindet.“ (Höger, 2007, S. 716) Unter dem Aspekt der Brandhubentwicklung wirft Kerstin Höger die Frage auf, inwieweit Architektur und Städte-bau von dieser komplexen Integra-tion in kommerzielle Mechanismen beeinflusst werden (vgl. edb., S. 715). Deshalb „bleibt zu hinterfra-gen, wie umfassend und angebracht diese Beziehung ist und wie der Städtebau rund um den Brandhub auf seine Präsenz im urbanen Raum reagiert“ (edb., S. 716).
Das Risiko von Brandhubs als Ins trument der Stadtentwicklung liegt zum einen in der Frage der Nachhal-tigkeit, „zumal ihre Stärke auf dem Vergänglichen, dem Event, dem Erlebnis beruht“ (Höger, 2007, S. 717), zum anderen in dem jeweili-gen Programm des Brandhubs selbst (vgl. edb., S. 716). „Während einige Brandhubs sich eher auf die ökono-misch ausgerichtete Entertainment-Mall und das Disneyland-Modell stützen, um Identität und Urbani-tät zu schaffen, bevorzugen andere anspruchsvollere, kultur- und kon-textorientierte Brandingstrategien.“ (Höger, 2007, S. 716) „Als nach-haltige Alternative zu den reinen auf
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Profit ausgerichteten Umgebungen, wie Einkaufszentren oder –Passagen, ermöglichen [solche] Brandhubs neue kulturelle und soziale Räume. Diese neu geschaffenen Markenräu-me werden als Spiegel unserer Zeit von der Gesellschaft inzwischen ebenso konsumiert wie Marken des alltäglichen Bedarfs. Dieser viel-schichtige Konsum ist der Antrieb für eine Urbanität, die in maßgebli-cher Weise die Zukunft des urbanen Raums beeinflussen wird.“ (edb., S. 716) Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob und falls wie Brandhubs lokale und sozialkultu-relle Bedürfnisse berücksichtigen und wie sie in Zukunft nachhaltig in städtische Entwicklungsstrategi-en integriert werden können (Bun-desamt für Bauwesen und Raum-ordnung, 2007, S. VIII) sowie, „ob die Stadt von ihnen Besitz ergreift oder ob sie umgekehrt von der Stadt Besitz ergreifen“ (Höger, 2007, S. 717).
Wie sollte man, im Hintergrund der Brandhub-Entwick-lung, heute Stadtpla-nung betreiben?
Kerstin Höger: „Angesichts der sich rapide ändernden Vermarktungs-zyklen und der zunehmenden Kritik an der schonungslosen Privatisie-rung und Kommerzialisierung des urbanen Raums braucht es Strate-gien, die die räumlichen und zeitli-chen Kräfte der Brandkultur in Fra-ge stellen. Als Vermittler zwischen
privaten und öffentlichen Werten sind Architekten und Planer aufge-fordert, die Wichtigkeit der Brand-kultur anzuerkennen, um sie zu ih-rem Vorteil zu nutzen. Architektur und Städtebau müssen innerhalb des ökonomischen und politischen Machtspiels eine operative Rolle einnehmen, wobei die Prinzipien des Brandings und der globalisierten Erlebnisökonomie auf kritische Wei-se hinterfragt werden. Dies benötigt nachhaltige Entwurfsstrategien und Planungsinstrumente, die soziale Aspekte kreativ mit pragmatischen ökonomischen und funktionalen Erfordernissen verbinden.“ (Höger, 2007, S. 717)
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
(2007): Information zur Raumentwicklung.
Raumbilder und Stadtentwicklung. 12/2007.
Bundesamt für Bauwesen
und Raumordnung, Bonn.
Höger, K. (o.J.): Kerstin Höger Architekten
GmbH. Kerstin Höger. <http://www.kerstin-
hoeger.com/HOEGER/index.htm> Zugriff am:
08.06.2010
Höger, K. (2007): Brandhubs: Markenzeichen
im Stadtraum. In: Information zur Raument-
wicklung. Raumbilder und Stadtentwicklung.
12/2007. Bundesamt für Bauwesen
und Raumordnung, Bonn.
Abb.1: <http://caad.arch.ethz.ch/buildit/data/use
rs/superk_k.jpg> (bearbeitet)
Stadträume in Spannungs-feldern: Juliane Pegels
Abb. 1
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„Die zwei wichtigsten Erkenntnisse der Studie sind, dass eine zu große Zahl der Räume als marginal klassi-fiziert wird und die Anzahl der registrierten Probleme und Verstöße zu hoch ist. Daraus schließen die New Yorker Planer, dass die Anforderungen an die Räume expliziter und zielgerichteter formuliert werden müs-sen, um die daraus resultierenden Aufgaben der beteiligten Akteure entsprechend genauer thematisieren zu können und eine genaue Basis für systematische Kontrollen zu erhalten. (...) Auf operationeller und ideeller Ebene müssen die beteiligten Akteure von der Relevanz der neuen Pflichten, der veränderten Rechte und den Räumen innenwohnenden Potentialen überzeugt werden und diese ‚leben‘ lernen.“ (Pegels, 2004, S. 2)
Im Spannungsfeld zwischen privaten und öffentlichen Ak-teuren. Diese Beziehung be-sonders im Zusammenhang
mit öffentlich zugänglichen Stadt-räumen bildet einen Schwerpunkt in Juliane Pegels‘ Arbeiten. Dieses Phänomen ist keine Seltenheit und wird immer prägnanter, wodurch es in der Forschung an Stellenwert ge-winnt, um in Zukunft eine sinnvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen.
Nach dem Studium der Architektur an der RWTH Aachen absolvier-te Juliane Pegels ein Studium der Stadtplanung in New York City an der Columbia University. Mit dem Thema der öffentlichen Räume in privater Hand beschäftigte sich Ju-liane Pegels in New York ausführ-licher und schrieb darüber ihre Promotion wieder an der RWTH Aachen. Sowohl in dieser Arbeit, die sich mit öffentlich zugängli-
chen Räumen in privatem Besitz in New York City beschäftigt, als auch im Forschungsprojekt STARS, welches den Fokus auf Räume in Deutschland legt, geht es um das Spannungsfeld öffentlicher und pri-vater Akteure bei der Ausgestaltung von Stadträumen. Die Aufarbeitung der ‚privately owend public spaces‘ in New York City lässt Schlüsse für den deutschen Planungskontext zu. Diese sind in den USA gang und
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gäbe, da Bauherren unter gewissen Regularien zusätzliche Geschoss-fläche genehmigt wird, falls sie auf dem Grundstück einen öffentlich nutzbaren Raum errichten. Seit fast 50 Jahren hat sich diese Maßnahme besonders in New York bewährt und so konnte eine Vielzahl an öffentli-chen Räumen in der Stadt entste-hen. Der deutlichen qualitativen Unterschiede der Räume, die auf die minimalen Spezifikationen der Zonenbauordnung New Yorks zu-rückzuführen sind, gilt es entgegen zu steuern. Juliane Pegels Studie er-möglichte umfassende Handlungs-strategien. (vgl. RWTH Aachen, o. J.; Pegels, 2004, S. 1f )
„Die zwei wichtigsten Erkenntnisse der Studie sind, dass eine zu große Zahl der Räume als margnial klassi-fiziert wird und die Anzahl der regis-trierten Probleme und Verstöße zu hoch ist.“ (Pegels, 2004, S. 2) Eine Initiative, die auf Grund der gewon-nenen Erkenntnisse gegründet wur-de, hat es sich zur Aufgabe gemacht diese einzelnen Räume aufzuwerten und ein Netzwerk zu entwickeln, damit Potenziale besser genutzt wer-den können. Eine Verbesserung soll auch durch systematische Kontrolle und Durchsetzung gesetzlicher An-forderungen entstehen, was jedoch ein Konfliktpotenzial birgt. Es ver-langt eine Kooperationsbereitschaft auf Seiten der Bauherren, da sie sich auf vermeintlich eigenem Grund-stück in ihren Rechten einschränken lassen müssten. Die Zusammenar-beit zwischen der privaten und der
kommunalen Seite gestaltet sich schwierig und umso wichtiger ist es klare Kompetenzen und Verant-wortlichkeiten auszuarbeiten. (vgl. Pegels, 2004, S. 1f )
Auch in Deutschland gibt es öffent-lich zugängliche Stadträume, die nicht allein Produkt öffentlicher Aktivitäten sind (sogennante hyb-ride Räume). Im Forschungsprojekt STARS an der RWTH Aachen sind genau diese alltäglichen Räume von Belang und werden im Hinblick auf ihre Hintergründe, Entstehung und Wirkungen analysiert. Im Fo-kus steht der Schnittbereich von kommunalen und nicht kommuna-len Akteuren. Untersucht wurden Räume in Aachen, Hannover und Leipzig, die aufzeigen, wie sich eine Kooperation der unterschiedlichen Beteiligten gestaltet und welche Po-tenziale aber auch neuen Aufgaben sich aus dieser Zusammenarbeit ergeben. In der Studie wurden zu-erst anhand von Fallstudien die Pro-duktion und Entwicklung hybrider Räume beschrieben, danach wurden Ursache- und Wirkungszusammen-hänge öffentlich-privater Produk-tion analysiert. Daraus erschlossen sich Konsequenzen für die Ausge-staltung der Kooperation und die öffentliche Steuerungskompetenz. Deutlich zu erkennen ist, dass es nicht „den privaten Akteur“ gibt, genauso wenig wie die kommunale Seite sich in den Einzelfällen gleich verhält. Bei STARS wurden viele kleinräumige Beispiele gewählt für deren Aufwertung oder Verbesse-
rung nicht eine alleingültige Lösung gefunden werden konnte, sondern spezifische Handlungsempfehlun-gen gegeben werden konnten. Die Zusammenarbeit zwischen kom-munaler und nicht-kommunaler Seite ist zudem von Fall zu Fall sehr unterschiedlich und damit auch teilweise erfolgreich und teilweise konfliktbeladen. Nicht-kommunale Akteure handeln nicht zwangsläufig rein wirtschaftlich und profitori-entiert. Zu diesen Akteuren zählen auch Kirchen und Verbände, de-ren Motivationen anderer, nämlich zivilgesellschaftlicher Natur sind. Die Unterscheidung der einzelnen Akteure ist ebenso schwierig wie die Klassifizierung öffentlicher und privater Räume. Diese Bandbrei-te an Möglichkeiten der Objekte wie auch der Akteure macht es be-sonders schwierig für die kommu-nale Seite und für die Stadtplaner. Die Verhaltensweisen öffentlicher Akteure müssen vielgestaltig sein, damit sie wirkungsvoll auf die Ent-wicklung der Stadträume Einfluss nehmen wollen. (vgl. Selle, 2009, S. 12) Zusammenfassend lassen sich aus der Studie dennoch gemeinsame Erkenntnisse ziehen. (vgl. Berding, 2009; Altrock, 2009)
Hybride Räume sind in Städten all-täglich, allerdings verschiedenster Art, in unterschiedlichen Kontexten und Lagen. Nicht nur die Akteure sind sehr vielseitig, sondern auch deren Interessen sowie die Haltung und Wahrnehmung der kommuna-len Akteure gegenüber diesen Räu-
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men. Es zeigt sich, dass der Planer flexibel und dynamisch handeln muss, damit eine Kooperation wie ein hybrider Raum funktionieren kann. Der Planer muss kompro-missbereit sein, ohne seine eigenen Ziele zu vernachlässigen. Außerdem muss er mit dem Partner kommuni-zieren und dies so früh wie möglich. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden braucht der Planer neue In-strumente und Methoden und muss seinen eigenen Standpunkt neu de-finieren. (vgl. Pegels, 2004, S. 2) Altrock, U. (2009): Stadräume in Spannungsfel-
dern aus Governance-Perspektive. In: Stadträume
in Spannungsfeldern. Plätze, Parks und Promena-
den im Schnittbereich öffentlicher und privater
Aktivitäten. Verlag Dorothea Rohn, Dortmund
(im Erscheinen)
Berding, U. et al. (Hg.) (2009): STARS. Mate-
rialien Teil 03. <http://www.pt.rwth-aachen.de/
images/stories/pt/dokumente/forschung/stars/
stars_materialien_3.pdf>. Zugriff am 23.06.2010
Pegels, J. (2004): Privatly Owend Public Space.
Kurzfassung der Dissertation. <http://www.pt.rw
th-aachen.de/images/stories/pt/dokumente/
forschung/diss_pegels_kurz.pdf>. Zugriff am
23.06.2010
RWTH Aachen (Hg.) (o. J.): Dr. Juliane Pegels.
<http://www.pt.rwth-aachen.de/index.php?optio
n=com_content&view=article&id=218&Item
id=1>. Zugriff am 23.06.2010
Selle, K. (2009): Stadträume in Schnittbereichen:
Untersuchungsperspektiven. Neue Blicke auf
Plätze, Parks und Promenaden. In: Stadträume in
Spannungsfeldern. Plätze, Parks und Promenaden
im Schnittbereich öffentlicher und privater Akti-
vitäten. Verlag Dorothea Rohn, Dortmund (im
Erscheinen)
Abb. 1 eigene Fotografie (bearbeitet)
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Wie Mickey Mouse Stadt baut: Frank Roost
Abb. 1
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Frank Roost ist ein Ana-lyst, der das Phänomen der ‚Disneyfizierung‘ der Städte untersucht. Er
studierte Stadtplanung an der TU Berlin und der Columbia Univer-sity New York. Ab 2000 lehrte er am Fachgebiet Planungs- und Ar-chitektursoziologie der TU Berlin und hatte mehrere Forschungsauf-enthalte am Institute for Advanced Studies der UNO in Tokyo, an der Columbia University New York und an der Universidad de Buenos Aires.
Seit 2007 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Land-schaftsarchitektur der ETH Zürich und am Fachgebiet Raumplanung an der TU Dortmund. (vgl. Univer-sität Dortmund)
Er ist unter anderem Autor der Pu-blikationen ‚Brandingcenter - Über den Einfluss globaler Markenkon-zerne auf die Innenstädte‘ und ‚Die Disneyfizierung der Städte - Groß-projekte der Entertainmentindustrie am Beispiel des New Yorker Times
Square und der Siedlung Celebrati-on in Florida‘. Seine Forschung und Recherche beziehen sich auf den Schnittbereich zwischen Planung, Architektur, öffentlichem Raum und gobalen Markenkonzernen.
Besonders die Disney-Themenparks dienen bei der Gestaltung von Ein-kaufs- und Unterhaltungsbereichen als Vorbild. Frank Roost hat unter-sucht, wie die Walt Disney Compa-ny nun selbst versucht im Stadtpla-nungssektor zu expandieren. Disney
„Während so in den Passagen und malls Urbanität simuliert wird, werden andererseits die Innenstädte den privaten Konsumzonen angeglichen. So werden klimatisierte Einkaufspassagen gebaut, Büroviertel von Si-cherheitsdiensten patroulliert, historische Gebäude für touristische und kommerzielle Zwecke neu erschaf-fen und ganze Straßenzüge so umgestaltet, daß sie den Qualitäten kontrollierter Erlebniszonen wie Disney-land nahekommen, die Vorstellungen über Design und Aufenthaltsqualität des ‚öffentlichen‘ Raumes ganzer Generationen von Amerikanern geprägt haben.“ (Roost, 2000, S. 32)
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ist die treibende Kraft von bedeu-tenden Stadterneuerungsvorhaben in den USA. Die Kombination aus historisierender Inszenierung und modernem Serviceangebot wird in dem Buch ‚Die Disneyfizierung der Städte‘ als Weg der Städte in die Freizeit- und Dienstleistungsgesell-schaft untersucht.
Die Walt Disney Company wird Planer
Mit ihren Themenparks hat die Walt Disney Company ein Modell einer perfekten Organisation und Gestaltung eines öffentlichen Rau-mes zu Konsumzwecken geliefert, das in mannigfaltiger Weise bei der Gestaltung von Fußgängerzonen oder Shoppingmalls nachgeahmt wurde (vgl. ebd., S.96). Der Kon-zern erkannte schließlich die Mög-lichkeit sich mit seinem Wissen und seiner Erfahrung bei der Gestaltung wirklicher Städte zu beteiligen. Die Imagineering-Abteilung des Disney-Konzerns arbeitet schon seit Jahren mit zuständigen Behörden interes-sierter Städte zusammen (vgl. ebd., S.96f ).
Als sich das Scheitern des ursprüng-lichen Büroprojekts am Times Square Anfang der neuziger Jahre abzeichnete, bot sich der Walt Dis-ney Company eine ausgezeichnete Chance ihr Know How in die Pla-nung einzubringen und wurde spä-ter sogar zum tragenden Akteur (vgl. ebd.). Angesichts der Bedeutung des Times Square als traditionellem Ver-
gnügungsviertel schien der Einstieg eines Entertainmentkonzerns in die Stadtplanung auch durchaus pas-send.
Für die Planung konnte der Archi-tekt A.M. Stern gewonnen werden, der schon vorher die gestalterischen Prinzipien ganz im Sinne der Walt Disney Comany Orte umzusetzen wusste. Mit Hilfe einer vereinfa-chenden, idealisierten, historisieren-den Gestaltung schuf er scheinbar abwechslungsreiche, aber zugleich vertrauenwürdig wirkende Räume. Dieses „Prinzip der Aneignung und Verarbeitung des Bildes der Stadt in vereinfachter, aber den Konsumen-ten ansprechender Form“ (ebd., S. 97) wandte Stern also auch in sei-nem 42nd Street Now!-Plan an, der nur ein indifferentes Nutzungskon-zept, aber ein dafür umso detaillier-teres Gestaltungskonzept vorgab. Mit der Sanierung des Viertels wur-den jedoch alle nicht konformen Nutzungen und Personen ausge-schlossen. Die Planung unterschlug, dass zur Geschichte des Gebiet nicht nur seine Theater und Lichter, sondern auch die Funktionen des Quartiers als Ort des Sexgewerbes, des Drogenkonsums, der sozialen Widersprüche und Ausgegrenzten gehörte. Damit erfüllt die Planung auf dem Gebiet der 43nd Street eine Tourismuszone nach dem Vorbild der Erlebnisbereiche in Disneyland. (vgl. ebd., S. 97f )
Die Produktion eines Ide-albildes
Auch bei der Planung von Celebra-tion (siehe Extrablatt: Travel Issue) kam das Know How des Unterhal-tungskonzern zum Einsatz. Schon 1991, also Jahre bevor Disney selbst begann sich für die Planung um Celebration die Konzepte des New Urbanism anzueignen, verwies Sha-ron Zukin darauf, dass die Gestal-tung der neotraditionellen Siedlun-gen, wie sie die Anhänger des New Urbanism bauten, maßgeblich von der Technik der Disney-Imagineers beeinflusst worden seien (vgl. ebd., S. 98). Durch eine bestimmte städ-tebauliche Anordnung der Gebäu-de und historisierende Architektur versuchten die New Urbanists die Wahrnehmung urbaner Qualität und dessen Herstellung zu beein-flussen. Die Anhänger der New Urbanism-Bewegung bezeichneten ihre Architektur ‚neotraditional‘, wobei Andres Duany, ein Mitglied der New Urbanism-Bewegung, in einem Interview berichtete, dass sie diesen Begriff aus dem Vokabular des Disney-Marketing übernom-men hatten (vlg. ebd., S. 98). „Nach Duany ist das Wort ‚neotraditional‘ erstmalig verwendet worden, als 1985 eine Marktforschungsfirma vom Disney-Konzern damit beauf-tragt wurde, herauszufinden, was für eine Gesinnung der typische Kunde der ‚babyboomer‘ genannten Gene-ration der in den Nachkriegsjahren Geborenen haben würden.“ (ebd., S. 98)
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Daraus definiert sich auch die Ziel-gruppe der neotraditionellen Sied-lungen wie Celebration: „Es ist die erste Generation von Amerikanern, die ihre Kindheit in der suburbia verbracht haben, und die daher die wirklichen amerikanischen Klein-städte kaum aus eigener Anschau-ung kennt.“ (ebd., S. 100) Für sie ist die Main Street U.S.A. in Disney-land eine Art ideelle Hauptstraße.
„Damit sind für den größten Teil der amerikanischen Bevölkerung der Aufenthalt in herkömmlichen urbanen Räumen, in denen sich Zufallserlebnisse ergeben und sozi-ale Vielfältigkeit erlebbar wird, zur Ausnahme geworden. Statt dessen wird es für einen Großteil von ihnen normal, sich in als Erlebniswelten gestalteten Einkaufszentren aufzu-halten, den Besuch eines Vergnü-gungsparks als Abenteuer zu emp-finden und die soziale Vielfalt ihrer Region nur durch die Medien wahr-zunehmen. Angesichts dieses neu-en Lebensstils haben sich, um die entgegengesetzten Wünsche nach Abwechslungsreichtum und Sicher-heit gleichzeitig zu befriedigen, die inszenierten ‚künstlichen‘ Konsum-zonen der Einkaufszentren und die kaum weniger inszenierten ‚rea-len‘ Städte einander angeglichen.“ (Roost, 2000, S. 32) Damit wurde das kollektive Gedächtnis einer gan-zen Generation, wie eine Kleinstadt mit urbanen Qualitäten auszusehen hat, von Disneyland geprägt. Nach Frank Roosts Auffassung bedeutet das aber auch gleichwohl, dass der
Disney-Konzern heute auch die Möglichkeit besitzt, dieses Bild von Stadt nun wieder weiter zu verarbei-ten und wirkliche Städte nach die-sem Bild zu produzieren (vgl. ebd., S. 100).
Universität Dortmund (Hg.) (2008): Profil
Frank Roost. <http://www.raumplanung.uni-
dortmund.de/stb/profil/mitarbeiterfr.html>, Zu-
griff am 18.06.2010
Roost, F. (2000): Die Disneyfizierung der Städ-
te. Großprojekte der Entertainmentindustrie am
Beispiel des New Yorker Times Square und der
Siedlung Celebration in Florida. Leske + Budrich,
Opladen.
Abb.1: <http://www.vogt.arch.ethz.ch/img/uploa
d/thumbnails/138.jpg> (bearbeitet)
Seite 56 Input
Urbanität & die Privaten: Angelus Eisinger
Abb. 1
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Prof. Dr. Angelus Eisinger ist Städtebau- und Pla-nungshistoriker mit sozial- und wirtschaftsgeschicht-
lichem Hintergrund und beschäftigt sich in Unterricht, Forschung und Praxis schwerpunktmäßig mit der ak-tuellen Stadt- und Raumentwicklung. Im Zentrum seiner Forschungs- und Unterrichtstätigkeit stehen wirkungs-geschichtliche und kulturwissenschaft-liche Untersuchungen der Architek-tur-, Stadt- und Raumentwicklung. Daneben ist er in der Beratung und
Evaluation von Planungsprozessen tä-tig und beteiligt sich in Konzeptarbei-ten bei städtebaulichen Wettbewerben und Planungsstudien. (vgl. HafenCity Universität Hamburg, 2010)
Herr Eisinger, welches sind die wichtigsten Faktoren für Urbani-tät?
Ich muss vielleicht damit beginnen, dass ich große Schwierigkeiten mit der Vokabel Urbanität habe. Ich würde sie am liebsten eigentlich
vermeiden, da mit ihr sehr viele widersprüchliche Positionen kom-muniziert werden, ohne dass man sich dessen bewusst ist. Für mich hat die immer noch beste Definition Edgar Salin gegeben, der 1960 am deutschen Städtetag einen Vortrag gehalten hat, am Ende der ersten Wiederaufbauphase in Deutsch-land. Er verknüpft darin Urbanität sehr stark mit Toleranz, Integrati-onsfähigkeit und mit Weltoffenheit. Das heißt, es ist eine mentale Prädis-position. Das Spannende bei Salin
„Sozialpolitik, Wohnungsbaupolitik, Kulturpolitik, lauter Dinge, die so traditioneller Weise Herzstücke der Stadtpolitik waren, sind eigentlich aus den Drehbüchern verschwunden. (...) Es wurde gesagt, es sei das privatwirtschaftliche Interesse, das der Stadt am besten dient und die Politik muss dafür sorgen, dass das privatwirtschaftliche Interesse sich durchsetzt. Aber andere haben sich der Logik, dieses Skripts widersetzt und festgestellt: ‚Nein! Es braucht Freiräume, es braucht andere Logiken!‘ “ (vgl. Eisinger, 2009)
Seite 58 Input
war, dass er einen Abriss über 2500 Jahre Stadtgeschichte gemacht und gesagt hat: Urbanität findet sich in nur ganz wenigen Phasen der Ur-banisierungsgeschichte in nur ganz wenigen Städten und auch dort nur zu ganz kurzen Zeiträumen. Da sind wir wirklich schon in diesem Thema drin: In wie weit haben wir es bei Urbanität mit einem Mythos zu tun und wie wird der produziert und wie weit lassen sich diese Qualitäten, die diesem diffusen Begriff mitschwin-gen, auch effektiv umsetzen?
Unter Anbetracht der Tatsache, dass viele städtebauliche Pläne und Leitbilder das Stichwort Ur-banität aufnehmen - in wie weit ist es berechtigt diesen Begriff, der von jeder Person selbst definiert wird, städtebaulich seriös zu nut-zen? Darf man Urbanität im Städ-tebau fordern?
Es gab eine recht interessante Vor-beschreibung in der starken Debatte der sechziger Jahre nach Salins Vor-trag, der wirklich wie eine Bombe eingeschlagen hat. Ziemlich schnell wurde das Leitbild im Städtebau ‚Urbanität durch Dichte‘ formuliert. Diese Urbanität durch Dichte war eigentlich der Versuch zu rationali-sieren wovon Salin spricht, nämlich dem Scheitern des Wiederaufbaus. Sie haben gesehen: ‚Mit dieser stän-dig gleichen Dichte kommen wir nicht zu dem was wir wollen, also müssen wir das mal heraufschrau-ben.‘ Das Risiko bei Urbanität in Städtebau und Planung ist, dass es
zu einer diffusen Rezeptur wird. Ich glaube aber, das hat sehr viel mit den Verfahren zu tun, mit denen man ar-beitet wenn man Urbanität wirklich produktiv macht. Ich könnte mir vorstellen den Begriff Urbanität auf den Tisch zu werfen und dann die verschiedenen Beteiligtendarüber verständigen lässt, was dieser tat-sächlich bedeutet. Das heißt, dass die Differenzen klar werden, die hinter den Erwartungen, die ein Developer im Vergleich zu einem Architekten oder zu einem Planungsbeauftragten der öffentlichen Hand hat, stecken. Das ist natürlich ein vorrausetzungs-reiches Verfahren und deshalb wür-de ich selbst empfehlen, dass beim Gebrauch dieses Begriffes in einem Verfahren die Leiter wenigsten dazu angehalten wären gleich zu interve-nieren und nachzufragen: ‚Wie? Wo? Wie können sie das garantieren?‘ Es kann ein wichtiges Hilfsmittel sein um präzise Antworten zu formulie-ren, aber wenn es nur auf der Ebene der Behauptung bleibt, dann ist das Risiko zu groß, dass dieser Begriff einfach instrumentalisiert wird. Er kann aber genutzt werden um einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Wenn Edgar Salin diesen Begriff an bestimmte Orte und Verhält-nismäßigkeiten bindet, gibt es dann Urbanität heute noch? Wel-che wären diese urbanen Orte?
In der Stadtsoziologie kursieren ja ganz unterschiedliche Definitionen von Stadt. Louis Wirth hat einmal davon gesprochen, dass Dichte, Mi-
schung und eine kritische Masse not-wendig sind, damit Stadt überhaupt entsteht. Ich glaube, das ist eine viel zu abstrakte Definition. Nach meiner Vermutung sind urbane Orte oder Orte, an denen man so et-was wie Urbanität vermuten könnte, solche, die fähig sind auf Unerwarte-tes plausibel zu reagieren. Die Städte haben in diesem immer stärker glo-balisierten Entstehungsprozessen in unglaublichem Maße bewiesen wie adaptionsfähig sie sind. Wir sind ei-gentlich eine ‚Gesellschaftsmaschine‘ durch die Jahrhunderte. Da ist es für die Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Stadtethnologie völlig klar, dass es menschheitsgeschichtlich betrach-tet eine 1A-Leistung schlechthin ist, dass aus diesen kleinen Städtchen plötzlich Millionenstädte wurden und dabei die Integration verschie-dener Gruppen auch einigermaßen plausibel funktioniert. Ich denke es ist heute immer noch so. Wo es dichte Durchmischung und Aufein-andertreffen von Unterschiedlichem gibt und man diese Dinge auch zulässt entstehen am ehesten auch diese Orte entstehen, die man mit Urbanität umschreibt.
Ich kann nicht wirklich großflächig Räume ausmachen, aber ich kann für mich immer wieder Gebiete und Orte benennen, wo etwas von die-sem Geist mitschwingt. Ich finde, dass gewisse Park- oder Platzanla-gen, aber auch Institutionen, wie die Wiener Kaffeehäuser, immer noch Orte der Urbanität sind, da sie un-ter diesem kapitalistischem Verwer-
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tungsdruck noch Orte sind, die sich aus dieser Zeitlogik ausklinken. Ich kann mich in der Frühe dort hin-ein setzen, meinen Kaffee bestellen und kann um elf Uhr abends wieder herausgehen. Der Kellner wird mich zwei, drei mal Fragen, ob ich etwas möchte, aber es nötigt mich nie-mand. Es gibt eine kleine Eintritts-barriere, die ich überwinden muss: Den Kaffee muss ich mir leisten können. Es ist kein komplett offener Raum, aber der Raum selbst setzt eigentlich keine großen Bedingun-gen an die Interaktion. Das sind für mich eher metaphorische Hinweise, wenn ich Urbanität suchen müsste.
Wenn man sich heute ein ideales Städtebild mit urbanem Raumbild vorstellt, muss dieses neu erfun-den werden oder sollte man es aus der erfolgreichen Vergangenheit adaptieren?
Ich glaube der Plan der Innenstadt in Berlin macht deutlich, dass die Rekonstruktion einer mystifizier-ten, urbanen Vergangenheit nicht zu einer tauglichen Gegenwart führt. Aber man kann tatsächlich aus der Auseinandersetzung mit der Stadt des 19. Jahrhunderts sehr viel für die Stadt des 21. Jahrhunderts ler-nen. Dafür brauche ich aber einen Übersetzungsprozess. Und da sehe ich auch die kreative Leistung von Planerinnen, Architekten und Städ-tebauern.
Sie selbst haben Probleme mit dem Begriff. Ist Urbanität ein tot-
geredeter Begriff? Oder funktio-niert eine Stadt ohne sie gar nicht?
Wenn man einmal die statistische Realität Stadt nimmt und wir davon ausgehen müssen, dass im europä-ischen Kontext circa 75% oder 80% der Menschen in solchen Kontexten leben - die meisten wollen gar keine Urbanität, die mit diesem Mythos aufgeladen ist. Ich glaube auch, dass Orte, denen man im höchsten Maß Urbanität zuschreiben würde, wie
Manhattan beispielsweise oder Teile von Paris, sich gerade dadurch aus-zeichnen, dass sie unterschiedliche Geschwindigkeiten und Lebens-muster nebeneinander kennen. Für mich war es eine Erfahrung in New York der neunziger Jahre zu merken, wie dörflich Manhattan im Endef-fekt funktioniert. Ich glaube, diese Parallelität von ganz unterschiedli-chen Geschwindigkeiten und Kul-turen, die ich persönlich in meinem Raum erfahre, ist ganz elementar.
Tendiert die Stadt dazu solche Par-allelitäten heute aufzulösen? Dass immer alles schneller, alles besser sein muss, dass dieser fruchtbare Boden für die Urbanität mögli-cherweise stirbt?
Wenn wir über Mythos Urbanität reden, sollten wir nicht nur über den Mythos reden, mit dem Deve-loper hausieren gehen. Wir sollten uns Gedanken machen, warum wir uns mit der Stadt des 19. Jahrhun-derts auseinandersetzen, die ganz wesentlich diesen Urbanitätsmythos generiert hat. Das Traurige an dieser Stadt des 19. Jahrhunderts ist eben, dass sich diese Geschichte ganz un-terschiedlich erzählen lässt. Da wäre die künstlerische, ästhetische Per-spektive, im Prinzip auch eine stadt-soziologischen Perspektive, auf diese unglaubliche Geschichte, dass die-ses Wachstum im physischen Sinn so verdaut wurde und wirklich ein neuer Aggregatzustand entstanden ist. Aber sobald ich diese Geschichte sozialpolitisch, ökonomisch zu er-zählen beginne, dann gibt es ganz viele schwarze Flecken und düstere Einträge. Ich würde also gar nicht sagen, dass wir von einem giganti-schen Verlust reden müssten.
Dennoch gibt es natürlich Dynami-ken, die zeigen wir der Zumutung des anderen immer mehr auswei-chen können. Richard Sennet hat diese Geschichte in „Fleisch und Stein“ stark betont. Das liegt dann wieder ziemlich nahe bei städtebau-lichen Programmen. Wenn die Inte-
Abb. 2
Seite 60 Input
grationsmaschine Stadt funktionie-ren soll, dann muss sie uns erlauben auf produktive Art und Weise mit Unbekannten und dem Anderen in Berührung zu kommen. Das heißt, wir würden da schon an den Mythos der Urbanität anknüpfen, aber nicht behaupten, er würde sich unbedingt automatisch einstellen. Dies hängt natürlich mit einem weiten Pro-gramm zusammen.
Lässt sich ein solches Programm denn überhaupt planen?
Ich glaube, es braucht beides. Die neunziger Jahre haben ja den Auf-stieg einer inkrementalistischen, projektfokussierten Planungstheo-rie mit sich gebracht, kontrastiert durch eine alte Masterplanung. Der alte Masterplan ist dabei dieses ide-ale, fertig durchkomponierte Bild. Gegen dieses Bild ist die Planungs-theorie von unten richtig, aber auch Sturm gelaufen. Man sagte: ‚Es ist ja nicht der generalistische Archi-tekt, der die Stadt macht, es sind die verschiedenen Akteure von unten, die selbst auch die Stadt machen.‘ Meiner Meinung nach entsteht in der Interaktion zwischen den beiden Akteursgruppen dann eine plausib-le, langfristig tragfähige Stadt.
Der Prozess der Planung bildet also den fruchtbare Boden für nachhaltige Stadt?
Genau, das beginnt natürlich sehr früh damit, dass man über Freiräu-me nicht nur im Sinne von öffent-
lichen Raum, sondern auch über mentale Freiräume oder Dinge, die nicht entschlüsselt werden können oder ökonomischem Verwertungs-druck entzogen werden, sehr früh nachdenkt. Die lassen sich dann mit der Zeit nicht mehr einbauen. Es ist spannend zu sehen, wie diese Bra-chentransformationsprojekte, die von Developern gemacht wurden, teilweise unglaubliche Erfindungs-gabe haben diese Verbindung von Pioniernutzern und langfristige Ver-wertungsinteressen zu stabilisieren.
Hier muss sich die Politik wieder öfter zu einem Anwalt der Stadt, des Öffentlichen in der vollen Brei-te machen. Ash Amin hat für mich einen sehr intelligenten Begriff for-miert: ‚particular scripts of reality‘. Also die Vorstellung, dass es so et-was wie spezifische Drehbücher, nach denen Realität verfasst wird, gibt. Das hat zwei Dinge mit sich gebracht. Auf der einen Seite kann man dadurch erklären, das es in den
letzten zehn bis 15 Jahren zu einer Allianz zwischen privatwirtschaft-lichen Interessen und Stadtpolitik gekommen ist. Das ist im Moment eine Art Monokonstrukt, das jetzt aufzubrechen beginnt, weil man merkt, dass es nicht so produktiv ist wie man es sich versprochen hat.
Die andere Seite dieser Geschich-te ist aber, dass bestimmte Realitä-ten aus dem Drehbuch geschrieben wurden. Sozialpolitik, Wohnungs-baupolitik, Kulturpolitik und lauter solche Dinge, die traditionellerweise Herzstücke der Stadtpolitik waren, sind eigentlich aus diesen Drehbü-chern verschwunden und zwar, weil man sehr stark aus dem angelsächsi-schen Ansatz heraus gesagt hat: ‚Es ist das privatwirtschaftliche Interes-se, das der Stadt am besten dient. Und die Politik muss dafür sorgen, dass das privatwirtschaftliche Inter-esse sich durchsetzt.‘ Aber andere haben sich der Logik dieses Skripts widersetzt und festgestellt: ‚Nein! Es braucht Freiräume, es braucht ande-re Logiken!‘
Ist der Einfluss der Privatwirtschaft auf städtische Prozesse tatsächlich größer geworden oder gab es ihn schon immer in der Kommunal-politik?
Es ist schon so, dass man die Ge-schichte der Stadt nicht erzählen kann, ohne sie als Geschichte der Privatwirtschaft zu erzählen. Ich glaube aber, dass sich in den letzten 20 Jahren tatsächlich neue Produkti-
Abb. 3
Seite 61Input
Eisinger, A. (2009): Eigens geführtes, unveröf-
fentlichtes Interview mit Angelus Eisinger vom
10.12.2009. Hamburg
HafenCity Universität Hamburg (o.J.) <http://
www.hcu-hamburg.de/bachelor/stadtplanung/ar-
beitsgebiete/angelus-eisinger/personen/>. Zugriff
am 12.08.2010
Abb.1-3: eigene Fotografien (bearbeitet)
onsmuster von Stadt gebildet haben, die auch viel damit zu tun haben, dass der Immobilienmarkt ein nicht mehr nur internationaler, sondern globaler Markt geworden ist. Große Portfolios versuchen überall dort zu investieren, wo sie meinen möglichst hohe Renditen erzielen zu können. Es sind ganze neue Spielregeln nach denen Stadtraum verhandelt wird. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Konsequenz der Regulierung und des Liberalisierungsprogramms der neunziger Jahre, wo man aufgrund der marktwirtschaftlichen Logik ge-sagt hat, dass der Staat sich eigent-lich aus sehr vielen Bereichen zurück zu ziehen hat. Dieses Programm ist dann früher konsequent in Großbri-tannien umgesetzt worden.
Danken Sie an die Industrialisie-rungsgeschichte des 19. Jahrhun-derts: Entstehende Gemeinwerke, Stadtverwaltungen und die Tatsa-che, dass Wasserversorgung, Strom-versorgung und Infrastruktur im Allgemeinen eine öffentliche Auf-gabe wurde, war eine Reaktion auf das Scheitern privatwirtschaftlicher Anbieter. Wenn man sich jetzt den Diskurs der 1990er wieder vor Au-gen führt, wo all diese Dinge wieder rückgängig gemacht wurden, ist das für mich als Historiker nicht nach-zuvollziehen. Da gibt es Lektionen, die in Lehrbücher aller Bibliothe-ken stehen und ich wurde während meines Ökonomiestudiums in den achtziger Jahren noch damit kon-frontiert. Industrieökonomik hieß, dass es öffentliche Güter gibt und
öffentliche Güter werden sinnvoller-weise vom Staat produziert. In der Zwischenzeit wurden solche Dinge wie Wasser - oder Stromversorgung privatisiert. Es waren gigantische Verschiebungen am Werke, die die Stadtrealität fundamental beein-flussten. Und das heißt, es gab eine starke Kulturveränderung im euro-päischen Kontext.
Sehen Sie da dann noch die Lekti-on, die aus dem historischen Kon-text, dem Scheitern der Privatwirt-schaft in solchen Bereichen, noch gelernt werden muss?
In den letzten zwei bis drei Jahren wurden wir immer stärker mit den versteckten Kosten solcher Politik konfrontiert. Die geplatzte Finanz-blase hat das deutlich gemacht. Es ist unheimlich problematisch, wenn öffentlicher Raum immer weiter privatisiert wird. Das bedeutet, dass es Sicherheitspatrouillen gibt, dass Städte immer mehr zu Freilichtcafés umfunktioniert werden. Dabei gibt es die Zutrittsregelung: Du bist Kon-sument, dann bist du Teil von uns, oder aber du bist kein Konsument, dann hast du dort nichts zu suchen. Diese Ausschlussmechanismen, fin-de ich ungemein problematisch. In diesem Fall habe ich etwas gegen die Privatisierung des Raumes. Gleich-zeitig habe ich in Zürich überaus positive Erfahrungen gemacht, was Privatisierung auch bedeuten kann. Dass die Privaten mit ihren Ideen und ihren Interessen die Stadt un-glaublich bereichern können. Ich
würde mich wirklich verwehren das so dialektisch und ausschließend zu sehen, aber ich glaube wir sollten immer präzise schauen, wo es um Öffentlichkeit, wo es um private In-teressen geht und was können beide Seiten leisten beziehungsweise nicht leisten können? Denn manchmal merkt man, dass das, was als unfair daher kommt, unter Umständen auch eine ganz wichtige Bereiche-rung für den unmittelbaren Kontext sein kann. Und das kann gleichzei-tig auch wieder heißen, dass es eben wirklich auf Städtebau und Planung ankommt. Nicht auf einer super ab-strakten Leitbildebene oder auf gro-ßem Maßstab, sondern an ganz kon-kreten Stellen. (vgl. Eisinger, 2009)
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Abb.
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Auf den vorangegangenen Seiten ist deutlich zu erken-nen, dass die Rolle der privatwirtschaftlichen Akteure im städtischen Kontext inzwischen von großer Bedeutung ist. Allerdings geht es diesen Unternehmen meist um den Profit und die Vermarktung ihrer Produkte. Es entste-hen Räume, die für den Moment geplant, inszeniert und gewinnorientiert sind. Langfristige und nachhaltige Pla-nungen liegen meist nicht im Interesse profitorientierter Unternehmen. Städtische Räume werden kommerziali-siert und zu regelrechten Erlebniswelten, die das gesell-schaftliche Bedürfnis nach Sicherheit und Abwechslung befriedigen sollen. Nicht allein in den USA sind solche Räume bereits zur Normalität geworden und haben somit die Vorstellung und das Bild der Stadt bei einem Großteil der Bevölkerung verändert. Die Motivation privater Ak-teure ist allerdings nicht immer mit finanziellem Gewinn gleichzu- setzen. In Deutschland zum Beispiel, sind hyb-ride Räume, also Räume die nicht allein der öffentlichen Hand obliegen, keine Seltenheit. Die Interessen können auch am Gemeinwohl orientiert sein und sind damit mindestens so unterschiedlich wie die Akteure selbst.
Dennoch wird deutlich, dass das Verhältnis zwischen der privaten und öffentlichen Hand auf einem Geben und Nehmen beruht, wobei die Verteilung der Rechte und Pflichten klar sein muss. Dies gelingt nur selten; es be-steht die Gefahr, dass die öffentliche Hand oder die Pla-ner benachteiligt werden. Zum einen liegt dies an den fehlenden finanziellen Mitteln, politischen und struktu-rellen Schwächen, welche privaten Akteuren und ihren Fähigkeiten entgegenkommen und zudem oft ausgenutzt werden, aber auch an der mangelnden Kompetenz der Planer und Architekten, die teilweise nicht in der Lage zu sein scheinen, im Bereich der Umsetzung mit sinnvollen Möglichkeiten zu intervenieren. Für die Zukunft wird es immer wichtiger die privaten Akteure mit einzubeziehen
und sich mit ihnen zu verständigen. Der Planer kann zwischen öffentlichen und privaten Werten vermitteln und folgende Entwicklungen zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Dies setzt voraus, dass der Planer flexibel und dy-namisch handeln muss, damit eine Kooperation wie zum Beispiel ein hybrider Raum funktionieren kann. Der Pla-ner kann sich die Methoden des Brandings und der Glo-balisierung zu Eigen machen und damit planerische Inte-ressen umsetzen. Ob dies letzendlich möglich ist und sein wird, ist schwierig zu sagen, da dies von vielen Faktoren abhängt und von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich ist. Es ist keine leichte Aufgabe den Entwicklungen, die aus Veränderungen der Wirtschaft und Gesellschaft her-rühren, entgegenzutreten und im Endeffekt ist dies auch wenig sinnvoll. Es wird allein schwer genug die Prozesse zu regulieren, zu modifizieren und umzulenken.
Im folgenden Kapitel werden die einzelnen Faktoren, die die eben genannten Zusammenhänge be- dingen oder beeinflussen genauer aus verschiedenen Perspektiven be-leuchtet. Betrachtet man die Unternehmen, die im städti-schen Raum aktiv werden, so stellt sich die Frage nach de-ren Motivation und Auswirkungen, die ihr Handeln auf die Umwelt haben wird. Besonders deutlich ist dies bei Markenkonzernen die Stadtraum für verkaufsorientierte Zwecke nutzen. Welche Konsequenzen hat ihr Auftreten für die Stadtplanung? Wird Stadtraum kommerzialisiert und vielleicht selbst zur Marke? Welche Rolle spielen da-bei gesellschaftliche Veränderungen, wie zum Beispiel das Konsumverhalten oder das steigende Sicherheitsbedürf-nis? Und was macht Stadt beziehungsweise Urbanität für private Akteure attraktiv und sind diese im Stande selbst Urbanität zu gestalten? Letzten Endes verlangen diese Entwicklungen eine Veränderung der Rolle des Planers! Aber was heißt das für den geltenden Planerbegriff und ist die Zeit für ein Umdenken gekommen?
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Unternehmen in der StadtDie Stadt, meist Kreuzungspunkt wichtiger Wirtschaftswege, ist die zentrale Sammelstelle aller ökonomi-schen Kraft. Auch heute noch ist sie Zentrum wirtschaftlicher Aktivität und bildet einen bedeutenden Raum für Unternehmen und Investitionen. Waren es früher die Akkumulation von physischen Wirtschaftswegen und ökonomischem Wissen, die den Unternehmensstandort Stadt beeinflussten, so sind einige aktuelle Ent-wicklungstrends erkennbar, die offensichtlich darüber hinaus die Beziehung von Stadt und Unternehmen begünstigen.
Abb. 1
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wachsender Grundstücks-markt
Trotz der Randwanderung der Öko-nomie bilden Städte einen Schwer-punkt wirtschaftlicher Aktivität und Großinvestitionen. Ihr über-schüssiges Kapital legen Banken, Versicherungsfonds und transnatio-nale Konzerne in global gestreuten Immobilienbesitz an. „Die Grund-stücksmärkte verwandeln sich in eine Anlagensphäre, in der Grund und Boden wie Aktien gehandelt werden. Damit geraten die Metro-polen in den spekulativen Sog eines hochmobilen Geldkapitals, das mit Hilfe einer spektakulären Inves-torenarchitektur den städtischen Raum hierachisch neu ordnet” (Ronneberg, 1999, S. 67). So wer-den private Unternehmer zu Stadt-entwicklern.
städtische Teilprivatisierung
„Jeder öffentliche Raum, der von der Privatwirtschaft gestaltet wird, ist zunächst einmal eine Bankrott-erklärung der Kommune” (Kreye, 2007, S. 2). Um ihren oftmals maroden Haushalt in den Griff zu bekommen, verkaufen Städte öf-fentliches Eigentum und Räume an Privatinvestoren. Für die Wirtschaft ergeben sich neue Märkte, so z.B. in Public Privat Partnerships, in dessen Modell privates Kapital zur Erfül-
lung staatliche Aufgaben mobilisiert wird, oder durch Cross-Border-Leasing, bei dem öffentliches Eigen-tum, wie Messehallen, Wasserwerke oder Straßenbahnen an internatio-nale Investoren verkauft und gleich-zeitig zurückgemietet wird - beide profitieren von Steuervorteilen. (vgl. Rügemer, 2004, S. 10)
Annäherung Kultur & Wirtschaft
Betrachtete man früher Wirtschaft und Kultur als zwei völlig gegen-sätzliche Bereiche, so findet heute Kultur immer mehr Einzug in wirt-schaftliche Sektoren. (Stadt-)Kultur ist Standort-, Image- und Entwick-lungsfaktor geworden. Nach diesem Verständnis leistet Wirtschaft mit ihren finanziellen Mitteln kulturel-le Entwicklungshilfe. Als Gegen-leistung erhalten die Unternehmen einen Imagegewinn. „Die Sinnpro-duktion der Künstler soll den Un-ternehmen oder ihren Produkten einen immateriellen Mehrwert ver-schaffen.” (Söndermann, 2007, S. 7)
Konsumgesellschaft und Unterhaltungsökonomie
Auf der Basis eines wachsenden Mas-senkonsums begann sich allmählich ein neuer Sektor von Dienstleis-tungen zu entwickeln, der auf die Ausdifferenzierungen vormals stan-
dardisierter Verbrauchsmuster re-agierte. Der Konsum stellt jetzt eine „Artikulationsweise des Sozialen” (Ronneberg, 1999, S. 71) dar, über den sich Milieus als Lebensstilgrup-pen definieren. „Die Unterhaltungs-industrie und der Einzelhandel ver-suchen für diese konsumistischen Formen der Identitätsbildung die notwendigen Symbole und Zeichen mitzuliefern, indem sie die Waren und Dienstleistungsprodukte als Er-lebnis oder Lifestyle anbieten” (Ron-neberg, 1999, S. 71). Die finanzielle und administrative Unterstützung der Erlebnisökonomie durch Lan-desregierungen und Kommunen, die sich Beschäftigungseffekte und zusätzliche Steuereinnahmen ver-sprechen, gilt als wichtiger Bestand-teil zum endgültigen Durchbruch zum Tertiärzeitalter. (vgl. Ronne-berg, 1999, S. 70)
Ziele und Nutzen
Die Privatwirtschaft sieht in den Formen der Adaption und Konst-ruktion von Stadtstrukturen meist nicht nur einen rein finanziellen Nutzen. Vor allem große Marken-konzerne stellen ein geschicktes Konzept auf, das gezielt ihre Umge-bung und das Image Urbanität auf-greift, um indirekt Verkaufsgewinne zu erzielen. Welche übergeordneten Nutzen und Ziele verfolgen also Unternehmen in der Stadt?
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Vergünstigungen:
Für Unternehmen beinhalten Partnerschaften mit der Stadt diverse Anreize, wie die Be-reitstellung von günstigem (Bau-)Land in zentralen Lagen, finanzielle Unterstützung, erleichterte Baugenehmigungen, verorteter Markenauftritt sowie Zugang zu lokalen Besonderheiten. Für die unternehmerischen Städte bringen diese Vitalisierungsprojek-te ökonomische Impulse, Schaffung von Arbeitsplätzen, zusätzliche Steuer-einnahmen sowie direkte Investitionen für gemeinnützige Einrichtungen. Diese Art von „Geben und Nehmen“ und das gemeinsame Interesse an der Schaffung einer attraktiven urbanen Destination ist, was die Städte und Konzerne verbindet. (vgl. Ronneberg, 1999, S. 88ff)
€ € €Abb. 2
Verräumlichung:
Architektur eignet sich aufgrund ihres Symbol- und Erlebniswertes besonders gut zur Umsetzung von Brandingstrategien. Investoren und Unternehmer haben verstanden, dass diese Gebietsentwicklungen in historischen oder teilhistorischen Umgebungen nach-haltiger urbaner Zentren behaglichere Arbeitsumgebungen, größere Rentabilität und vor allem ein respektables Image für die Unternehmen mit sich bringen. „Aus diesem Grund partizipieren auch Unternehmen vermehrt an dem derzeitigen Um-bau unserer Städte zu vielfältigen Erlebnisräumen. Als Partner der Städte tragen sie zu allen Aspekten der Planung, des Baus, Brandings und Gebäu-demanagements bei und entwickeln neue städtische Wahrzeichen.“ (Hö-ger, 2007, S. 14)
Abb. 3
Nutzungsmix:
Bei der Gestaltung greifen Markenkonzerne und unternehmerische Städte gern auf das Konzept der thematisierten Urban Entertainment Destinationen zurück. Um Besucher aus unterschiedlichen Marktsegmenten anzuziehen, integrieren UEDs drei Schlüssel-komponenten, die so genannte „Trinity of Synergy“ aus Einkaufen, Unter-haltung, Hotels und Gastronomie. Innerhalb einer fußgängerfreundlichen Umgebung bildet dieser modulare Nutzungs- und Identitätsmix einen ur-banen Hub, welcher eine charakteristische Begegnung mit der Marke und der Stadt ermöglicht. (vgl. Höger, 2007, S. 16) Abb. 4
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Co-Branding:
Durch räumliche Nähe und dem Aufbau von Multibrand-Monopolen entsteht ein ge-genseitiger Imagetransfer. Nach dem Prinzip des Bilbao-Effekt profitieren nicht nur Unternehmer und Grundstücksbesitzer. Sobald die unternehmerische Strategie die Schranken des einzelnen Ladengeschäfts oder kontrollierten Unternehmensareals verlässt, um ganze Stadtquartiere oder Nachbarschaf-ten zu besetzen, nehmen die urbanen Beziehungen an Komplexität zu. (vgl. Höger, 2007, S. 16) Abb. 5
Imagegewinn:
Die Marke fungiert nicht mehr nur als Gütesiegel für die Qualität des Pro-duktes, sondern soll dieses mit einem immateriellen Wert versehen. Als sozialer Treffpunkt entworfen, hat der Unternehmensstandort die Auf-gabe das Gut als Kulturprodukt oder Lebensstil zu vermarkten - und zwar prioritär vor dem direkten Verkaufsgewinn. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „De-Materialisierung“ und „Emotionalisierung“ des Konsums, „wobei Kunden nicht mehr materielle Güter, sondern The-men, Symbole, Kulte und Erlebnisse kaufen“ (Höger, 2007, S.13). Es gilt Schlüsselwerte zu erzeugen, z.B. Sicherheit, Qualität, Umweltbewusstsein, Kraft, Komfort, ... (vgl. Höger, 2007, S. 13f )
Eleganz
€
Abb. 6
Curbach, J.V. (2007): Unternehmen als kollek-
tive Weltbürger. In: Politik mit dem Einkaufswa-
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Höger, K. (2007): City – Branding: Marken bau-
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Kreye, A. (2007): Jenseits der Puppenstu-
ben, <http://www.sueddeutsche.de/kul-
tur/439/423199/text/>. Zugriff am 11.11.2009
Söndermann, Michael (2007): Kulturwirtschaft
und Creative Industries 2007. Bündnis 90/Die
Grünen (Hrsg.), Berlin
Ronneberg K., Lanz St., Jahn W. (1999): Die
Stadt als Beute, J.H.W. Dietz, Bonn
Rügemer, W. (2004): Cross Border Leasing. Ein
Lehrstück zur globalen Enteignung
der Städte. Verlag Westfälisches Dampfboot,
Münster
Abb.1: <http://www.saalbach.at/
typo3temp/pics/551d21ef33.jpg>
Abb.2-6: eigene Darstellungen
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Abb. 1
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Beginnen wir die Ge-schichte dort wo sie be-gann - Anfang des 19. Jahrhunderts. Marken
waren traditionell ein Symbol und ein Wortlaut für die Produktion und das produzierende Gewerbe. Dies bezieht sich vor allem auf Zeiten in denen es einen starken wirtschaft-lichen, gesellschaftlichen und oder technischen Fortschritt gab. Wäh-rend der Industrialisierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs Ende des 19. Jahrhunderts kam die Marke
allerdings zu neuem Ruhm. Im Du-den der Etymologie wird die Marke heute als ein Handels-, Waren- und Fabrikzeichen (vgl. Beck, 1893, S.272) beschrieben. Ein Zeichen, welches auch als Logo benannt wer-den könnte. Was gegenwärtig eine Marke ausmacht, scheint allerdings mehr zu sein als ein Logo auf einem T-Shirt.
Die Geschichte der ‚modernen‘ Marke beginnt mit der Wende des 20. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit
versuchten sich die europäischen Produzenten von der Masse der Anbieter in Europa abzuheben. Sie kämpften darum, die Aufmerk-samkeit und das Vertrauen der Verbraucher zu bekommen – hier liegen wohl die Anfänge moderner Marketingstrategien. In dieser, von Aufbrüchen gekennzeichneten, Zeit wurden einige der noch heute be-kanntesten und bedeutendsten Un-ternehmen gegründet. Dazu zählen beispielsweise Dr. Oetker, gegrün-det im Jahre 1892, der Konzern
MarkenallerleiMarken, überall Marken! Auf der Straße, in der Schule und bei der Freizeitgestaltung. Immer mehr suchen sie sich ihren Platz in den Städten. Es macht den Anschein, als eroberten sich die Logos und Werbungen die ganz Stadt. Doch ist dies wirklich so? Oder ist das eine Erscheinung die es schon immer auf irgendeine Weise gab! Ist die Stadt vielleicht schon selbst zur Marke geworden?
ODOL 1893, die Kaffee-Dynastie Jacobs im Jahr 1895 und Melitta kurze Zeit später im Jahr 1908. Die traditionsträchtigen Unternehmen Brandt und Nivea folgten 1912 (vgl. Schütz, 2001, S. 25ff). Wie alle großen Unternehmen bestehen die eben genannten aus mindestens ei-ner Marke.
Ein gutes Beispiel für das ‚Marken-allerlei‘ in machen Unternehmen ist der Konzernriese ‚Unilever‘ in Ham-burg. Hier werden die Marken der Firma in vier Hauptbereiche einge-teilt: ‚Kochen & genießen‘, ‚Rund ums Haus‘, ‚Gesund leben‘ und ‚Schönheit & Pflege‘. Hinter ihnen verstecken sich um die 40 Marken aus allen Bereichen des Alltags (vgl. Unilever: Unsere Marken, 2010), mit denen jeder früher oder später in Berührung kommt. Unterneh-men wie Unilever haben sich einen Markt in ‚Marken-Nahe-Bereichen‘ aufgebaut. Dies ist ein Bereich, in dennen sich Produkte immer wier-der überschneiden können. Produk-te die sich ähnlich sind und Produk-te die von den Konsumenten im gleichen ‚Kaufrutsch‘ gekauft wer-den. Neben diesen Unternehmen gibt es auch diese, die sich in den unterschiedlichsten Branchen einen Namen gemacht haben.
Das wohl bedeutendste Beispiel ist die Oetker Gruppe. „Die Oetkers waren Pioniere der Markenartikel-industrie in Deutschland und ge-hören seit Jahrzehnten zu den gro-ßen Werbetreibenden. Vermutlich
hat keine andere deutsche Familie so viel Geld dafür ausgegeben, ih-ren Namen im Land bekannt zu machen, wie sie. Die Investitionen haben sich ausgezahlt. Die Oetker-Gruppe ist heute der größte Her-steller von Nahrungsmitteln in Deutschland. Aber nicht nur das. Die meisten Menschen unterschät-zen den Oetker-Konzern gewaltig. Backpulver und Pudding spielen keine große Rolle mehr. Das mit Abstand größte Geschäft macht die Nahrungsmittelfirma heute mit Tiefkühlpizza. (...) Noch höhere Umsätze als mit Nahrungsmitteln erwirtschaftet die Familie mit Bier. Ob Radeberger oder Jever, Dort-munder Union oder Henninger, Clausthaler oder Schöfferhofer Weizen - (...) keine andere Familie braut in Deutschland gegenwärtig so viel Bier wie Oetker. Beim Sekt halten die Oetkers den zweiten Platz. Unter ihrer Aufsicht wer-den die Sorten Henkell Trocken, Söhnlein Brillant (...) gekeltert. Der Wodka Gorbatschow stammt ebenso von Oetker wie der Likör Batida de Coco. Darüber hinaus besitzt die Familie ein halbes Dut-zend Luxushotels wie das Brenner`s Park-Hotel in Baden-Baden, sie hat mit der Condor-Gruppe ihre eigene Fluggesellschaft und mit dem Bankhaus Lampe ihr eigenes Kreditinstitut. [Die Oetkers] (...) sind außerdem erfolgreiche Verle-ger. Nach der Bibel erreichen ihre Koch- und Backbücher die höchs-ten Auflagen in Deutschland.“ (Jungbluth, 2004, S. 11f )
Mit einer möglichst breiten Produkt-palette versuchen die Unternehmen einen möglichst großen Teil der Be-völkerung zu erreichen. Dazu nut-zen sie das Identifikationspotential der Marken und beeinflussen somit die Kunden. Aber auch für gewisse Stadtstrukturen kann dies Auswir-kungen haben. Ein Konzern wie Oetker hat Einfluss, Geld und ist in gewisserweise ein ‚Stadtmacher‘. Er platziert Hotels, schafft Arbeits-plätze und gibt möglicherweise ei-ner Stadt ein bestimmtes Image und schafft Identität. Angefangen haben die Auswirkungen auf das Stadtbild mit der Entwicklung der ersten um-fassenden Unternehmenskonzepte. Der Vorreiter war das Werk der All-gemeinen Electricitäts-Gesellschaft, kurz AEG. Hier entwickelte Peter Behrens das erste deutsche - zu er-wähnende - Corporate Design. Zu-sammen mit den Designern, Archi-tekten und Künstlern Ludwig Mies van der Rohe und Walter Gropius entwarf Peter Behrens nicht nur ein neues Logo sondern auch ein ange-passtes Produktdesign, die Archi-tektur des Werkes und der Arbeiter-wohnungen. Hinzu kam noch die Typographie der Geschäftspapiere. Das Trio sorgte dadurch für eine konstante Weiterentwicklung des Markenzeichens über die nächsten Jahre hinweg. Mies van der Rohe und Walter Gropius wurden später mit dem Bauhaus berühmt und zu Lehrenden der neuen Sachlichkeit. Diese hatten sie an diesem Projekt in Deutschland gestartet – die Tra-dition industrieller Sachlichkeit.
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(Messedat, 2005, S. 52ff)
Zu Beginn der 1930er Jahre ver-schärfte sich die politische Situation in Deutschland und Mitteleuropa. In den USA entwickelte sich parallel eine Absatzkrise der US-amerikani-schen Wirtschaft. Aus diesen Grün-den verlagerten sich die Innovatio-nen in der industriellen Form- und Produktgestaltung in die United States. Eine breite Masse von Desi-gnern, Ingenieuren und Künstlern versammelte sich auf dem amerika-nischen Kontinent und befasste sich mit der Gestaltung industrieller Pro-duktformen. Hierbei achteten sie vor allem auf die Ästhetik. Um ihr Ziel zu erreichen griffen die ‚Kämp-fer‘ auf die Stromlinienform zurück. Diese vom Bauhaus geprägte Form war gerade richtig in Mode gekom-men. Sie vermittelte dem Betrachter den technischen und ökonomischen Fortschritt und wurde zu einem amerikanischen Lebensgefühl. In dieser Zeit haben sich viele heraus-ragende Architekten und Designer
einen Namen gemacht. Die meisten sind uns bis heute bekannt und prä-gen die Lehre des Design-Verständ-nisses. Das dies seine Berechtigung hat zeigt vor allem der Designer Raymond Loewy. Er entwickelten in den 1930er, 1940er Jahren unter anderem die bis heute bekannten Marken wie das Muschellogo des Unternehmens Shell oder die rote Zielscheibe von Lucky Strike. (Hell-mann, 2002, S. 4ff)
Damit eine Marke über Jahre und Jahrzehnte bestehen kann, scheint sie mehr zu beinhalten, als allein die Anpreisung der Produkteigenschaf-ten. Sie scheint eine ‚Persönlichkeit‘ zu beinhalten, die den Konsumenten mit Hilfe von Werbemaßnahmen impliziert wird. Slogans brennen sich in die Köpfe der Verbraucher, welche verbreiten die Marken über Mundpropaganda weiter verbreiten. Der Mercedes-Konzern verkörper-te dies einst in dem Werbeslogan: „Mercedes ist eine distinguierte Marke“. Zu dem hat jede Marke
eine Heimat - ein Herkunftsland. Audi, ein deutscher Autohersteller, ist stolz auf seine Heimatwerke und benutzt vorherrschende Klischees für eigene Zwecke: „Audi liefert deutsche Wertarbeit“. Zu alledem kann eine Marke natürlich auch zu einem Symbol werden. Ein Symbol für Wohlstand oder eine Lebens-weise. So ordnen wir beispielsweise Markenkleidung gleich einer be-stimmten Einkommensklasse zu. Dies führt auch dazu, dass diese Klasse sich der Marke selbst an-nimmt - so entstehen Klisches. (vgl. Aaker 2001, S. 62)
In Zeiten des globalisierten Marktes müssen sich Marken durchsetzen können. Monopole sind selten ge-worden und so wird mit Werbung, Image und Erlebnis um jeden Kun-den gebuhlt. Damit muss sich nicht nur das Logo immer weiter entwi-ckeln können, sondern eine ganze Marke – mit ihrer Philosophie. Es ist ein Gesamtkonzept, das sich selbst im Ursprung nicht wandeln darf,
Seite 73Artikel
Abb. 2
sich aber an neue Gegebenheiten in der Gesellschaft anpassen muss. Dabei ist die enge Verbundenheit zwischen Marke und Produkt vor allem ein Wunsch der Kundschaft. Dies zeigen auch neuere Forschun-gen: Menschen kaufen nicht nur noch Produkte, sondern vielmehr Problemlösungen, gute Gefühle, Glück und vor allem Erlebnisse. (vgl. Schüller, 2009, S. 1f )
Um darzustellen, welche imense Be-deutung ein Logo, beziehungsweise eine Marke für ein Unternehmen haben kann, lohnt es einen Vergleich mit dem eigentlichen wirtschaftli-chen Wert einer Ware anzustellen. Ein Versuch hierfür wäre, die Marke als ein Produkt zu betrachten, wel-ches wie Geld dem Austausch von Leistungen dient. Bei der Marke kommt hinzu, dass sie darüber hi-naus auch selbst zur Leistung wird. Die Leistung besteht zum Beispiel darin, dass die Marke einen ‚Le-bensstil‘ spendet. Wenn sich die Leistungen von Geld und Marke anpassen lassen, sollte man überle-gen, ob sie nicht auch die gleichen Risiken bergen. Das größte Risiko, welches wir bei Geld kennen ist der Wertverlust – die Inflation. Eine immer größer werdende Asym-metrie zwischen Güter- und Geld-menge. Diese endet schließlich im Verlust von Vertrauen und mit aller Wahrscheinlichkeit in der vollstän-digen Entwertung des Geldes. Im Systemkomplex der Marken kann dieses Risiko demnach auch exis-tieren. Wenn ein gesamter Konzern
zu einer Marke wird, zu einer Ein-heit verschmilzt und die gewählten Markenversprechen nicht gehalten werden können, verliert das gesamte Unternehmen an Glaubwürdigkeit, Anteile am Markt und dadurch an Kunden. Die Marke wird entwertet.
Modernes Branding ist die Übertra-gung von Kernwerten auf Produkte, Personen oder Unternehmen. Sie bilden Identitäten und werden auch als diese angesehen. Dafür bieten sie jedem Kunden Identifikations-möglichkeiten. „In diesem Identi-fikationsangebot spiegelt sich die grundsätzliche Widersprüchlichkeit unserer Gesellschaft, und deshalb können sich so viele mit Nike iden-tifizieren – deshalb ist Nike eine er-folgreiche Marke. Nike propagiert gleichzeitig die Grundprinzipien des Hyperkapitalismus (...) und den Widerstand gegen dieses System, Widerstand gegen Reglementie-rung, Durchschnittlichkeit, Alltag, Langeweile und Ordnung“ (von Borries, 2004, S. 39). Diese Identi-tät umfasst die Verankerung der zu vermittelnden Werte und kann die unterschiedlichsten Formen anneh-men. Sie birgt neben den Chancen aber Risiken wie beispielsweise die Marken-Inflation. Dessen muss man sich bewusst sein.
Zunehmend breiten sich die Mar-kenkonzerne nicht nur in den Städ-ten aus, sondern thematisieren auch gesellschaftliche Probleme: „Nike reagiert auf Grundprobleme unserer Gesellschaft, thematisiert in Wer-
bekampagnen und urbanen Inter-ventionen heutige Missstände und Problemfelder – von der Funktions-weise der Stadt bis zu den Problemen benachteiligter Jugendlicher. Nike stellt gleichzeitig eine »Philosophie« als Lösungsmodell zur Verfügung und präsentiert Vorbilder, die diese Lebenseinstellung erfolgreich leben“ (von Borries, 2004, S. 39f ). Eine thematisierte Gesellschaft ist stark mit den Geschehnissen der Stadt verbunden in der sie lebt. Im globa-len Kontext wird es auch für Städte und Regionen zunehmend wichti-ger, eine positive, starke und unver-wechselbare Identität zu schaffen.
Dieses Phänomen findet sich in den Beispielen wie Adidastown oder ChryslerCity wieder. Hier breitet sich die Marke, der Konzern als In-vestor in der Stadt aus. Allerdings in Räumen, die wirklich als Stadt und urbane Orte funktionieren sol-len. Anders die Autostadt von VW. Hier wirbt eine Marke in der Stadt und spielt einen urbanen Ort vor. Allerdings hilft sie mit dem verbrei-teten Image wieder der Stadt in der sie liegt.
Seite 74 Artikel
„Diversity and Inclusion is fun-damental to Nike’s performance.
It’s what makes us better. It’s what makes us smarter. It helps our business grow and helps us
connect with consumers.”
Gina A. Warren,Nike Diversity & Inclu-
sion (Nike: Diversity & Inclusion, 2010)
Im globalen Wettbewerb können auch Städte zu Marken werden. Eine Kommune ist zwar kein pro-fitorientiertes Unternehmen, ein Bürger kein Kunde aber die Steu-ereinnahmen stellen für die Stadt eine große Einnahmequelle dar. Ein logisches Ziel ist es deswegen, die Steuereinnahmen zu halten oder zu festigen. Ausfälle dieser Einnah-men bedeuten zunehmende Ver-schuldung für die Stadt. Durch die Abgabe bestimmter Bereiche an die Privatwirtschaft versuchen Städte demnach sich selbst zu erhalten und zu reaktivieren. Wenn sie für geziel-te Maßnahmen keine Gelder zur Verfügung haben, behandeln Kom-munen Markenkonzerne wie andere Investoren auch. Vielleicht sehen sie in dem Branding ‚ihrer‘ Stadt eine Gefahr, aber die Chance auf neue oder größere Einnahmen scheint verlockend.
Seite 75Artikel
Aaker, D., Joachimsthaler, E. (2001): Brand
Leadership. Die Strategie für Siegermarken. Fi-
nancial Times Prentice Hall, München
von Borries, F. (2004): Wer hat Angst vor Ni-
ketown?: Nike-Urbanismus, Branding und die
Markenstadt von Morgen. episode publishers,
Rotterdam
Duden, K. (1893): Etymologie der neuhochdeut-
schen Sprache. C. H. Beck, München
Jungbluth, R. (2004): Die Oetkers: Geschäfte
und Geheimnisse der bekanntesten Wirtschafts-
dynastie Deutschlands. Campus Verlag, Frank-
furt am Main
Messedat, J. (2005): Corporate architecture:
Entwicklung, Konzeote, Strategien. avedition,
Ludwigsburg
Schütz, P. (2001): Die Macht der Marken. Ge-
schichte und Gegenwart, Disertation, Universität
Regensburg, 2001
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Nike (2010): Diversity and Inclusion. < http://
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Abb.1: <http://www.flickr.com/photos/2391257
6@N05/3557188754/>
Abb.2: <http://www.hoemmerich.com/wp-cont
ent/uploads/2008/08/gute-werbung-nike.jpg>
Seite 76 Artikel
Die gebaute IdentitätDie Visualisierung eines Images hilft bei der Kundenorientierung: „Im Kanon der klassischen Corporate Iden-tity Bausteine nimmt Architektur eine Art Youngstar Status ein.“
Norbert W. Daldrop(Messedat, 2005)
Architekten setzen sich mit den Menschen und mit dem gebauten Um-feld derer auseinander.
Lange galten Architekten als Köni-ge ihres Faches. In einer aktuellen Diskussion - in wieweit Architekten durch einzelne Prestigeobjekte die Stadtplanung ersetzen können - scheinen sie nun auch andere Fach-gebiete übernehmen zu wollen. Seit dem Erfolg von Frank Gehry mit seinem Guggenheim Museum in Bilbao 1997 - und dem daraus ent-standenen Bilbao-Effekt – gilt Ar-chitektur als möglicher Initiator zur Entwicklung einer ganzen Region.
In den 90er Jahren gliederte sich die Architektur in die Corporate Iden-tity der Unternehmen ein und for-cierte zur Corporate Architecture. Inzwischen hat sich der Ausdruck allgemein etabliert und prägt heu-te zahlreiche Projektarbeiten. Dort verschafft der Architekt sich einen Namen. Er baut eine eigene Welt und eigene Maßstäbe. Durch gute, hervorstechende, vll. ausgeflippte Architektur wird er zur Ikone in der Branche und weitet sich aus. Aus in andere Bereiche: in Design, Fo-tografie, Mode... Der Architekt als König seiner Welt?
Durch den Massenkonsum ab dem Ende des zweiten Weltkrieges und die darauf erschienende Vielzahl von Produkten und Dienstleistun-gen ist es für Unternehmen immer wichtiger geworden, von den Kon-sumenten wahrgenommen zu wer-den. Sie wollen und müssen sich von der Konkurrenz abgrenzen und eine eigene Identität entwickeln. Mit dem Wunsch der optischen Ab-grenzung spielte auch die Architek-tur eine zunehmend wichtigere Rol-le. Sie verschafft den Unternehmen eine optische Abgrenzung und eine Unverwechselbarkeit nach Außen. Dabei ist sie die neuste Disziplin im
Seite 77Artikel
Corporate Identity – der Marken-Identitäts-Bildung. (vgl. Messedat, 2005, S. 24ff)
Historisch gesehen wurde der Ar-chitektur oft eine spezielle Aussage mitgegeben; sie sollte beispielsweise Macht und eine bestimmte Welt-anschauung verkörpern. Gerade Regierungen und Religionen haben sich seit Menschengedenken durch Gebäude Ausdruck und Aufmerk-samkeit verschafft. Die Frage, wie sich Macht gestalthaft äußern sollte und müsste, ist uralt. Der Lösung solcher Herausforderungen verdan-ken wir im wesentlichen die große Architektur der Welt. Corporate Architecture ist dabei aber selbst ein neuer Schwerpunkt im Bereich der Architektur, dass über die Grund-anforderungen wie Nutzbarkeit, Bauqualität und Wirtschaftlichkeit auch das Bestreben vereinen muss, Gebäude der Identität des Nutzers anzupassen. Dabei soll die Außen-hülle eine Aussage über ein Produkt treffen und die Corporate Identity
an die Außenwelt weitergegeben werden. Sie muss einer Grundidee folgen, vielleicht auch ein Werte-system vermitteln oder sogar ein Lebensgefühl verbreiten. (vgl. Mes-sedat, 2005, S. 57ff)
Aber gerade die suburbanen Räume zeigen ein Bild von Austauschbar-keit – Logos an den Hauswänden dominieren das Bild. Jede Einkaufs-straße gibt die gleichen Publikums-magneten wieder: H&M, C&A, Galeria Kaufhof oder Deichmann um nur einige zu nennen. Anhand der vorhanden Marken können wir uns nicht orientieren. Das soll mit aussagekräftiger Corporate Ar-chitecture sicherlich nicht gemeint sein. Da diesen Regionen oft der Anreiz für ein Corporate Architec-ture fehlt, versuchen Sie etwas neues zu schaffen. Sie bilden Dörfer nach, wie in Wertheim Village (siehe Ex-peditionen) und schaffen so eine ganzheitliche Corporate Architec-ture über die Markengrenze hinaus.
Das Ziel einer guten und erfolgrei-chen Corporate Identity kann aber auch heute nur durch ein enges Zu-sammenspiel zwischen den unter-schiedlichsten Disziplinen funktio-nieren. Neben der Architektur sind vor allem die Fachbereiche Marke-ting, Projektentwicklung, visuelle Kommunikation sowie Produkt- und Grafikdesign mit einbezogen. Dies zeigt auf, dass der Architekt als Mittelpunkt im Planungsprozess an Bedeutung zu verlieren scheint. Einzelpersonen wie Peter Behrens, die sich mit Corporate Architec-ture einen Namen gemacht haben, werden zunehmend die Ausnahme. Architektur und Stadtplanung sind zunehmend auf die Unterstützung anderer Disziplinen angewiesen und das ist auch gut so.
Messedat, J. (2005): Corporate architecture:
Entwicklung, Konzeote, Strategien. avedition,
Ludwigsburg
Abb.1: eigene Darstellung
Abb. 1
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Per Konsum ins GlückInteressen der Gesellschaft ändern sich und mit ihnen auch die Bedürfnisse an die Umgebung. Konsumieren ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu einem immer wichtigeren Bestandteil des Alltagslebens gewor-den. Dass dies auch auf momentane Stadtstrukturen Auswirkungen hat, scheint klar. Aber wie kann man mit diesen Auswirkungen einer konsumorientierteren Gesellschaft und deren Interessen umgehen? Kann und soll der Stadtplaner intervenieren, um eine nachhaltige und vielschichtige Nutzung auch weiterhin zu garantieren?
Abb.1
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Shoppen ist die “finale Ak-tivität der Menschheit“ (Koolhaas, 2001). Mit die-ser These verdeutlicht Rem
Koolhaas wie der Konsum in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeu-tung gewonnen hat. Die Lebenswei-se in den industrialisierten Staaten hat sich verändert und mit ihr auch die Kaufgewohnheiten. Es geht nicht mehr nur um die bloße Ware und den ursprünglichen Zweck den sie erfüllt, sondern um den Erwerb von Objekten, „die Komfort und Ansehen sichern“ (Bauman, 2009, S. 42). Der Konsum rückt in den Mittelpunkt der Gesellschaft und soll somit Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte der Menschen er-füllen; das Erworbene koordiniert die gesellschaftliche Integration, die Ausbildung sozialer Schichten und die Entwicklung menschlicher Individuen und spielt zudem eine wichtige Rolle im Prozess der Aus-bildung der Identität von Einzelnen oder von Gruppen (vgl. ebd., S. 41). Merkmale des Konsumismus wer-
den nun erläutert und in Zusam-menhang mit Stadt und Urbanität gebracht.
„I shop therefore I am...“
(Baumann, 2007, S.17). Einkaufen als Aktivität und die dadurch erwor-bene Ware gewinnen in der heutigen Gesellschaft mehr und mehr an Be-deutung. Der Wert einer Ware misst sich nicht allein an seinem Preis, sondern an den subjektiven Verspre-chungen, die die Konsumenten mit der Ware verbinden und die durch sie erfüllt werden sollen. Früher war der Dreh- und Angelpunkt der Ge-sellschaft das Produzieren. Durch sie wurde die eigene Existenz gesichert. Je mehr aber der Wohlstand in den 50er und 60er Jahren Einzug hielt, desto größer wurde das private Ka-pital der breiten Masse, womit auch die Bereitschaft dieses Geld auszuge-ben wuchs, vor allem für Waren die den Komfort und Lebensstandard steigerten. Der Begriff Konsum bezieht sich auf ein Merkmal und
eine Beschäftigung von einzelnen Menschen. Mit der Zeit erlangte der Konsum im Leben der Men-schen einen höheren Stellenwert und wurde sogar zum eigentlichen Daseinszweck. (vgl. Bauman, 2009, S. 38)
Inzwischen „ist Konsumismus ein Attribut der Gesellschaft. Damit eine Gesellschaft sich dieses Attri-but aneignet, muss die vollkommen individuelle Fähigkeit des Wollens, Wünschens und Sehens – genau wie die Arbeitskraft in der Gesellschaft von Produzenten – von den Ein-zelnen losgelöst (…) und zu einer externen Kraft recycelt/verdinglicht werden“ (ebd., S. 41). Daraus resul-tiert eine bestimmte Form mensch-lichen Zusammenlebens, nämlich eine Gesellschaft von Konsumen-ten, für die spezifische Parameter für individuelle Lebensstrategien festge-legt und Entscheidungen und Ver-haltensweisen von Einzelnen ma-nipuliert werden (vgl. ebd., S. 41). Jeder konsumiert individuell, tut
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dies aber nach bestimmten Hand-lungsmustern, die von außen gege-ben werden. Hält sich der Einzelne nicht an das implizierte Konsumver-halten, fällt er aus dem Raster und aus dem gesellschaftlichen Zusam-menhang.
„Konsumieren ist daher eine Investition in die eigene Mitgliedschaft in der Gesell-schaft, was sich in der Kon-sumgesellschaft als Verkäuf-lichkeit übersetzen lässt“
(ebd., S. 76). Das Individuum wird selbst zu Ware, es investiert in sich selbst. Angepriesene Konsumgüter versprechen die Attraktivität und den Marktwert des Käufers zu er-höhen. Kommt er seiner Pflicht als Konsument nicht nach, verliert er an „sozialem Wert“ und das Selbst-wertgefühl des Individuums wird verringert. In der Gesellschaft der Produzenten wurde der Einzelne vornehmlich nach seiner körper-lichen Leistung bewertet, konnte
er aus gesundheitlichen Gründen seiner Arbeit nicht nachkommen und verdiente kein Geld mehr, so hatte dies meist eine gesellschaft-liche Abstufung zur Folge. Meist entstanden diese Krankheiten oder Verletzungen nicht aus eigenem Verschulden. Im Gegensatz dazu ist die zu erbringende Leistung in der Konsumgesellschaft die Fähig-keit Güter/Dienstleistungen zu erwerben. Sie ist abhängig vom fi-nanziellen Hintergrund und von der Konsumbereitschaft des Ein-zelnen. Ob man in der Gesellschaft besteht oder nicht, hängt allein vom individuellen Verhalten ab. Investiert man nicht ausreichend für eine Mitgliedschaft in der Ge-sellschaft liegt das an eigenem Ver-sagen. Soziale und humane Werte werden von materialistischen abge-löst. Diese Kommodifizierung, das heißt, dass die Konsumenten selbst zu Konsumgütern werden, bildet die Grundlage einer Konsumgesell-schaft. (vgl. ebd., S. 76 ff)
Meist befinden sich Orte des Kon-sums konzentriert in Stadtzentren, da unter anderem auf Grund der Be-völkerungsdichte ein großer Absatz-markt zu erwarten ist. Um die Ware verkaufen zu können, müssen sich die Anbieter im Konkurrenzkampf behaupten und Vermarktungsstra-tegien entwickeln. Es gilt das Image zu stärken und eine Präsenz im Stadtraum zu schaffen, sei es durch Werbeaktionen auf einer bildlichen Ebene oder räumlich durch den Ver-kaufsraum, wie Flagshipstores. Die-se Maßnahmen verändern das Stadt-bild, indem der Raum genutzt oder eine Nutzung dessen erzeugt wird. Die hauptsächliche Nutzung ist der Konsum. In Städten stehen folglich Einkaufszentren im Mittelpunkt, in denen die heilsversprechenden Gü-ter gekauft und Straßen auf denen die gekauften Waren öffentlich zur Schau gestellt werden (vgl. ebd., S. 74). Das Kapital großer Konzerne, die ihre Ware anbieten, ermöglicht Investitionen im größeren Rahmen, wodurch Projekte zur Verkaufsstei-
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gerung andere Ausmaße erreichen können und somit einen höheren Stellenwert innerhalb der Stadt bekommen. Die Ware wird omni-präsent und führt zu einer konsu-morientierteren Nutzung des Stadt-raums.
Ein verantwortlicher Stadtplaner muss sich den Veränderungen des Stadtraums und der Art der Nut-zungen bewusst sein und mit ihnen umgehen. Nutzer des öffentlichen Raums, die diesen lediglich aus Konsuminteresse durchqueren, ha-ben auch andere Anforderungen an ihn. Es stellt sich die Frage wie mit diesen neuen Anforderungen umge-gangen werden soll. Ein Konsument möchte auf der Straße das gleiche geboten bekommen wie in Geschäf-ten oder Einkaufszentren. Was in letzter Konsequenz hieße, dass ein Stadtplaner oder ein daran Interes-sierter die Nutzung des öffentlichen Raums propagieren müsste. Die ak-tuelle Situation sieht jedoch anders aus. Private Akteure sind es, die den Raum für sich entdeckt haben und somit auf die Konsumbereitschaft und den Erlebnisdurst der Nutzer reagieren. Die Ware oder besonde-re Ereignisse, wie kleinere Events, Festivals und marketingorientierte Aktionen werden omnipräsent. Lo-gische Konsequenz ist Verdrängung sowohl von Personengruppen, die auf Grund ihrer sozialen Stellung nicht konsumfähig sind und das zu vermarktende und verkaufende Bild von Stadt stören, als auch von konsumunabhängigen Nutzungen,
die keinen Profit bringen, wie das einfache Verweilen auf Plätzen und in Parks oder Aneignungen des Raums mit politischer, sozialer und ökologischer Motivation, welche den Interessen der Konsumenten entgegenstehen und als unattraktiv gelten.
Diese Veränderungen müssen von Stadtplanern wahrgenommen wer-den, damit auf sie reagiert werden kann. So kann den negativen Er-scheinungen entgegengewirkt wer-den. Beachtenswert ist aber, dass dies auch Möglichkeiten für Stadt birgt, die für eine positive Stadtent-wicklung genutzt werden können.
Bauman, Z. (2007): Consuming Life. Polity
Press, Cambridge
Bauman, Z. (2009): Leben als Konsum. Ham-
burger Edition, Hamburg
Knöfel, U., Wellershoff, M. (2001): Kaufen,
Kaufen, Kaufen. <http://www.spiegel.de/spie-
gel/kulturspiegel/d-20885678.html>. Zugriff
am 13.05.2010
Abb.1: <http://www.appletribu.com/wp-con-
tent/uploads/2008/03/sfondofifth-avenue.jpg>
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Ist sicher sicher?Unabhängig von Kriminalitätsstatistiken entwickelt die Gesellschaft ein subjektives Sicherheitsbedürfnis. Die Tatsache, dass sich Menschen in einem Raum wohlfühlen, gehört zu den Grundansprüchen an die Planung. Doch welche Mittel und Kosten sind gerechtfertigt, um diese Wünsche zu erfüllen? Und welche Auswirkungen hat eine zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums auf diesen Prozess?
Abb. 1
Das Zusammenfinden in Gemeinschaften, Dörfern und schließ-lich Städten soll seit
jeher das menschliche Grundbe-dürfnis an Sicherheit stillen. Mit be-festigten Grenzen sollten zunächst Gefahren von außen abgewehrt wer-den. Als diese im Zuge neuer Waf-fentechnologien überflüssig wurden, öffnete sich die Stadt auch gegen-
über jenen, die vorher aus-ge- schlossen werden konnten.
Die Machthaber, die ihr Territorium und dessen Bewohner zunächst vor äußeren Gefahren schützten, fürch-ten nun zunehmend die Bewohner und Nutzer innerhalb der Städte. Die Stadt ist ohne beschützte Gren-zen schwerer zu kontrollieren und ruft so ein neues Maß an Unsicher-
heit hervor. Um das Sicherheitsge-fühl zu stärken werden zunehmend präventive Maßnahmen ergriffen (vgl. Zinganel, 2010, S. 33).
Das Thema der Unsicherheit in der Stadt schlägt sich seither immer wie-der in Diskursen wieder (vgl. Wehr-heim, 2003, S. 17). Die Ängste in der Gesellschaft wurden, trotz aller Bemühungen, bis heute nicht be-seitigt. Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass dieser Prozess nie endgültig beendet werden kann. Dass Angsträume immer wieder in den Diskussionsmittelpunkt rü-cken, begründet sich zum Teil durch politische Kampagnen und Medien-berichten. So „scheinen gerade sozi-ale Transformationsprozesse Ängste zu verstärken oder hervorzurufen“ (Wehrheim, 2003, S. 18). Der Wandel von gewohnten Lebens-strukturen sensibilisiert gegenüber Veränderungen aller Art. Ein erhöh-tes Sicherheitsbedürfnis geht zudem von der Bevölkerung aus und erhöht dadurch die Akzeptanz gegenüber
neuen und immer schärferen Maß-nahmen.
In den von „Globalisierung, Dein-dustrialisierung und Flexibilisierung sowie von neuen Migrationsströmen gekennzeichneten spätmodernen Gesellschaften“ (Zinganel, 2010, S. 34) kann man von einem sozialen Transformationsprozess sprechen. Das erklärt, weshalb das Thema auch in unserer heutigen Gesell-schaft trotz sinkender Kriminalitäts-statistiken von hoher Bedeutung ist.
Die subjektive Sicherheit wird vor allem mit präventiven Maßnahmen sichergestellt. Die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume in Form von Kameras, Polizei und Si-cherheitsdiensten nimmt dabei eine wichtige Rolle ein. Technisch immer fortgeschrittener, personell aufwen-diger und zunehmend flächende-ckend wird die Überwachung, trotz Bedenken, dass die Privatsphäre dadurch eingeschränkt wird, als normaler Bestandteil des öffentli-
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chen Lebens akzeptiert. Dass diese Überwachung für frühere Verhält-nisse inzwischen ungewöhnliche Formen angenommen hat und in-zwischen als normal gilt, zeigt wie hoch die Akzeptanz gegenüber den Maßnahmen ist, mit denen ein Si-cherheitsgefühl hergestellt werden soll (vgl. Zinganel, 2010, S. 34). Es scheint, als ob viele Mittel recht sind, um dem Grundbedürfnis sub-jektiver Sicherheit gerecht zu wer-den (vgl. Wehrheim, 2003, S. 18f ). Das Bestreben gipfelt heute in der vermehrten Errichtung von Gated Communities, also stark vom Um-feld abgegrenzten und streng be-
wachten Gemeinden (vgl. Zinganel, 2010, S. 35). Das Prinzip der um-mauerten mittelalterlichen Stadt, in der sich die vermeintliche Gefahr aus dem eigenen Lebensraum ausge-grenzt wird.
Dass sich das empfundene Sicher-heitsgefühl - die subjektive Sicher-heit - unabhängig von der tatsäch-lichen Kriminalitätsentwicklungen, der objektiven Sicherheit, entwi-ckelt, ist bereits bekannt (Zinganel, 2010, S. 18). Ein kritischer Aspekt hiebei ist, dass die subjektive Sicher-heit von tatsächlich unbedeutenden Aspekten beeinflusst werden kann. Dies betrifft unter anderem Perso-nengruppen die vor allem durch Äußerlichkeiten stigmatisiert wer-den. So wird ein Raum, in dem sich augenscheinlich sozial- und finaz-schwache Menschen aufhalten oft für bedrohlich gehalten. (vgl. Wehr-heim, 2003, S. 20ff)
Sauberkeit, Ordnung und die damit suggerierte Sicherheit haben sich zu
relevanten, weichen Standortfak-toren entwickelt (vgl. Wehrheim, Innnenstadt-Management wie bei Einkaufszentren fordert und sich dabei – auch angesichts knapper Kassen – zunehmend durchsetzt“ (Eick, 1998, S. 104). Mit der Pri-vatisierung der Stadt geht also die Privatisierung der Sicherheit einher. Angesiedelte Unternehmen hegen mit Sicherheitsdiensten und eigenen Vorschriften im bisher öffentlichen Raum einen eigenen Kontrollan-spruch. Wenn diese privatwirt-schaftliche Nutzung die weichen S ndortfaktoren erhöhen, bzw. erhalten wollen und sich vor allem kaufkräftige Kundschaft wünschen droht die Gefahr der zunehmenden Ausgrenzung stigmatisierter Grup-pen.
Anonymität und Heterogenität im öffentlichen Raum gehen somit verloren. Sobald die Nutzer des öf-fentlich zugänglichen Raums von Wachdiensten und Kameras aufge-zeichnet und auf bestimmte Merk-
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Blum, E. (2003): Schöne neue Stadt. Wie der
Sicherheitswahn die urbane Welt diszipliniert.
Birkhäuser, Basel
Eick, V. (1998): Neue Sicherheitsstrukturen im
neuen Berlin. ‚Warehousing‘ öffentlichen Raums
und staatlicher Gewalt. In: PROKLA Heft 110
Jahrgang 1998, Nr.1, S. 95ff Verlag Westfälisches
Dampfboot, Münster,
Zinganel, M. (2010): Auf Angst gebaut. In:
Aus Politik und Zeitgeschichte 17/2006, S. 33ff.
Societäts-Verlag, Frankfurt am Main
Wehrheim, J. (2003): Großstadt zwischen
Ambivalenz und Überwachung. Eine aktuelle
Retroperspektive. In: Jahrbuch StadtRegion
2002. Schwerpunkt: Die Sichere Stadt, S. 15ff
Leske + Budrich, Opladen
Abb.1: <http://www.banksy.co.uk/shop/images/
shop%20large/whatareyoulookingat.jpg> Sonst.
Abb. : Eigene Darstellungen
male hin identifiziert werden, lässt sich nicht mehr von einer Anony-mität sprechen. In dem Land mit der höchsten Überwachungskame-radichte, wurde bereits festgestellt „Wir werden uns in Großbritanni-en von der eigenen Anonymität im öffentlichen Raum verabschieden müssen. Jedesmal, wenn wir aus dem Haus gehen, wird uns jemand identifizieren, uns finden können“ (Blum, 2003, S.30). Die Tatsache das bestimmte Personengruppen aus diesem Raum verdrängt und andere angelockt werden, löst gleichzeitig die Heterogenität des scheinbar öf-fentlichen Raums auf.
Die Stadt, die zunehmend von pri-vater Hand gestaltet wird, birgt also das Risiko nicht mehr den bisher bekannten Prinzipen der Stadt zu entsprechen. Ob der öffentliche Raum mit seinen bisherigen Prin-zipien überhaupt weiter existieren muss oder ob Heterogenität und Anonymität im digitalen Zeitalter überholte Werte sind, liegt im Er-
messen des Planers. Will er diese Werte wahren, muss er den Spagat schaffen, zwischen Sicherheits- und Überwachungsbedürfnis und dem kalkulierten Risiko bei der Ein-schränkung oder dem Verzicht sol-cher Maßnahmen, die bisher zur Befriedigung dieser Bedürfnisse eingesetzt werden. 2003, S. 19). „Es ist vor allem der Einzelhandel, der die privatwirtschaftliche Kontrolle über städtische, öffentliche Räume einklagt, ein
Was ist Urbanität? Vom lateinischen Begriff „Urbs“, Stadt, abgelei-
tet, wurde ursprünglich ein weltge-wandter städtischer Bürger als urban beschrieben. Mit der Zeit aus dem Sprachgebrauch verschwunden, erleb-te der Begriff mit einem Vortrag Edgar Salins 1960 eine Renaissance. Dieser verbindet Werte wie Toleranz, Inte-gration und Weltoffenheit mit dem Begriff Urbanität; ist dabei aber der Meinung, dass er zu vermeiden sei, da
er Widersprüche fördert (vgl. Eisinger, 2009). Gleichwohl scheint sich, gera-de seit diesem Vortrag, die Urbanität zu einem beinahe unverzichtbaren Wert des Städtebaus entwickelt zu ha-ben. Es findet noch immer ein nicht verebbender Diskurs hierüber statt. (vgl. Wüst, 2004, S.50 ff)
Definierte Urbanität früher die Gei-steshaltung eines Menschen, gilt sie heute als Eigenschaft die ein städti-scher Raum inne haben kann. Gera-de die allgegenwärtige Nutzung und
Beliebtheit des Begriffs deutet den Mangel an einer klaren Definition an. Es scheint als sei Urbanität eine Wor-thülse, die jeder nach eigenen Vor-stellungen ausfüllen kann. Einerseits zeigt sich das Wort „von sämtlichen Bemühungen um alternative Bezeich-nungen unbeeindruckt, andererseits ist Urbanität weder wirklich ein ein-geführter Begriff noch werden dessen Kontexte nachgeprüft. Vielmehr ist die Verwendung des Wortes durch eine gewisse Beliebigkeit gekennzeich-net, mit der es auf unterschiedlicher
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UrbanitätKaum ein städtebauliches Projekt, Masterplan oder Leitbild kommt heute noch ohne den Wunsch nach Ur-banität aus. Wie sich dieser Anspruch jedoch realisieren lässt, darüber herrscht Uneinigkeit. Ist es überhaupt möglich mit städtebaulichen Mitteln Urbanität zu erzeugen? Wollen und können privatwirtschaftliche Ak-teure diese Urbanität nutzen? Welche Rolle spielt der Planer dabei? Ein Exkurs über einen Mythos!
Dieses Frage hingen wir an der HafenCity Universität aus und baten darum, Antworten auf beiliegende Post-Its zu schrei-ben.
Basis in unterschiedlichen Zusam-menhängen bemüht wird“ (Wüst, 2004, S. 44).
In vielen Publikationen und wissen-schaftlichen Arbeiten finden sich Unmengen an Interpretationen und Definitionen. Zusammen ergibt sich ein Umriss, jedoch keine klare Defi-nition von Urbanität. Häufig dient sie sogar bewusst als undefinierbare Unbekannte (vgl. Wüst, 2004, S.50 ff.). Dies bringt ein wesentliches Pro-blem bei der Verwendung des Begriffs
mit sich. Wenn Urbanität als Ziel ei-nes städtebaulichen Projekts genannt wird, was ist dann eigentlich das Ziel dieses Projekts?
Überschneidungen lassen sich in die-ser Masse an Definitionen zuhauf finden. Urbanität hebt die Stadt von einer reinen baulichen Agglomeration ab. Die Rede ist von einer städtisch weltoffenen Lebensweise, Toleranz, Vielseitigkeit, Gewandtheit, Nut-zungsmischung, von der Fähigkeit des Raumes auf ungewohnte Situationen
integrativ zu reagieren. (vgl. Wüst, 2004, S.50 ff.)
Wenn man historisch urbane Räume betrachtet, wird deutlich, dass der Be-griff eine zwiespältige Geschichte hat. So haben die europäischen Städte zur Zeit der Industrialisierung zwar un-vorstellbare Menschenmassen erfolg-reich integriert; doch war dieser Vor-gang verbunden mit großem Elend und sozialer Ungerechtigkeit. Heute scheint der Begriff unter Ausblendung aller negativen Aspekte eine Mystifi-
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zierung durchlebt zu haben (vgl. Ei-singer, 2009). Urbanität ist kosmopo-litisch, international, modern.
Diese mystifizierte Urbanität übt auf private Akteure einen großen Reiz aus. Entscheidender Unterschied zu den klassischen Stadtentwicklern, also den Kommunen selbst ist, dass privatwirtschaftliche Akteure vor-nehmlich wirtschaftsorientiert han-deln. Mögliche negative Begleiter-scheinungen von tatsächlich urbanen Räumen werden bewusst ausgeblen-det und vermieden, wenn mit diesem Begriff neue Stadträume angepriesen werden. Das bringt Entwicklungen hervor, „die seit längerem beobacht-bar sind. Die Stadt wird mehr und mehr eingerichtet für den kaufkräf-tigen, erwachsenen Kunden. Alte Menschen und Kinder, Arme und teilweise auch die Frauen werden an den Rand gedrängt. Damit aber verliert die Stadt ein wesentliches Element von Urbanität, nämlich ihre Öffentlichkeit. Eine Öffentlichkeit, von der angebbare Gruppen aus-
gegrenzt sind, ist per definitionem keine Öffentlichkeit.“ (Siebel, 1994, S.19)
Je weniger öffentlich der Raum ist, je steriler und von allem Bösen befreit, desto weniger kann wirkliche Urba-nität stattfinden (vgl. Siebel, 1994, S.18f). Wüst kommt zu dem Schluss, dass Urbanität inzwischen nicht mehr als ein Mythos sei. Dieser Umstand sei als solcher unproblematisch, „hei-kel ist jedoch, dass ein Mythos keinen Selbstzweck erfüllt, sondern als Mittel symbolischer Politik der Durchset-zung verschleierter Interessen dient“ (Wüst, 2004, S. 147). Verdeutlichen lässt sich dies am genannten Beispiel Wertheim Village. Urbanes Leben wird hier suggeriert, indem ein ge-schichtlicher Raum imitiert wird. Hinter den historisch nachempfun-denen Fassaden verbergen sich Lager-häuser, die ideale Verkaufsflächen für die vielen Outletstores bieten. Diese ‚Stadt‘ wirkt auf den ersten Blick ur-ban, ist dabei aber befreit von allen Konflikten, Durchmischungen und
Unsicherheiten. Diese Räume bilden nicht mehr die Grundlage für urbanes Verhalten; sie können allenfalls Urba-nität simulieren, um andere Interessen umzusetzen.
Lässt sich nun mit städtebaulichen Mitteln überhaupt ein Nährboden für Urbanität herstellen? An den differie-renden Definitionen ist eine gewisse Schnittmenge herauszulesen, die die Voraussetzungen für einen urbanen Raum bilden. Hierzu gehört eine erlebbare Geschichte des Ortes, bei-spielsweise in Form von erhaltener Architektur, die nicht nur für einhei-mische identitätsstiftend wirkt. Hinzu kommen Straßen und Plätze die ein urbanes Verhalten ermöglichen oder gar voraussetzen. Dieser Raum muss mit Menschen gefüllt sein, die sich urban verhalten (vgl. Schäfers, 2006). Der Raum muss Heterogenität und Anonymität gewähren den Kern des großstädtischen, urbanen Lebens (vgl. Kneer, Schroer, 2010). Denn eine hohe Personendichte allein bringt kei-ne Urbanität. Selbst dann nicht, wenn
sie sich in Räumen aufhalten, die alle städtebaulichen urbanitätsfördernden Prinzipien erfüllen. (vgl. Häusser-mann, Siebel, 2004)
Es wird deutlich, welche Ansprüche damit verbunden sind, wenn ein ur-baner Raum geschaffen werden soll. Es geht um mehr als rein bauliche Maßnahmen. Das Verhalten, die Gei-steshaltung der Menschen im Raum, soll mit baulicher Substanz beeinflusst werden. So scheint es logisch, dass der Anspruch einen urbanen Raum zu schaffen kaum möglich ist. Wenn Urbanität tatsächlich gewollt ist, dann muss definiert werden, was sie be-deuten und wie sie umgesetzt werden soll. Realistischer ist es einen Raum zu erzeugen, der lediglich den Anschein eines urbanen Ortes hat. Strahlt die-ser die gewünschte Atmosphäre aus, kann er die Grundlage bieten, urba-nes Verhalten auszuleben. Um dieses Flair, den Mythos Urbanität, geht den privatwirtschaftlichen Akteuren eher, als um eine tatsächlich ausgelebte Ur-banität.
Für den Planer ergibt sich aus diesen Umständen die Aufgabe, Wünsche und Intentionen der Akteure heraus-zulesen. Wenn der Begriff Urbanität fällt, bedarf es einer Begriffsklärung, und nicht einer Variablen, die jeder nach eigenem Gusto ausfüllt. Der Begriff kann dennoch als Hilfsmit-tel dienen, differierende Wünsche, Vorstellungen und Ansprüche an die Planung in Worte zu fassen (vgl. Eisinger, 2009). Wobei wiederum die Gefahr besteht, den Begriff in-flationär zu gebrauchen. Nicht jede Planung kann den Anspruch haben eine urbane Lebensweise zu verbrei-ten. Die klassische Urbanität ist nicht einmal überall erwünscht. Gerade bei privatwirtschaftlichen Akteuren gilt es herauszufinden, mit welchen Voraus-setzungen sie urbanen Raum schaffen wollen. Haben sie Interessen, die un-ter dem Deckmantel der utopischen Urbanität verwirklicht werden sollen oder ein wahres Interesse daran, einen Raum zu schaffen, der mehr sein soll als ein bloßer Ort des Konsums?
Seite 89Artikel
HafenCity Hamburg GmbH (Hg.) (o.J.):
Reiseziel. Urbanität – Tourismus in der
HafenCity. <http://www.hafencity.com/de/
leben/reiseziel-urbanitaet-tourismus-in-der-
hafencity.html>. Zugriff am 11.05.2010
Häussermann, H.; Siebel, W. (2004): Stadt-
soziologie. Eine Einführung. Campus Verlag
GmbH, Frankfurt am Main
Kneer, G.; Schroer, M. (Hg.) (2010): Handbuch
spezielle Soziologien. VS Verlag, Wiesbaden
Muri Koller, G; Friedrich, S. (2008): Stadt(t)
räume - Alltagsräume? Jugendkulturen zwischen
geplanter und gelebter Urbanität. Wiesbaden
Schäfers, B. (2006): Stadtsoziologie. Stadtent-
wicklung und Theorien. Grundlagen und Praxis-
felder. VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV
Fachverlage GmbH, Wiesbaden
Siebel, W. (1994): Stadtsoziologie. Was macht
eine Stadt urban? Zur Stadtkultur und Stadtent-
wicklung. BIS-Vlg, Oldenburg
Simmel, G. (1903): Die Großstädte und das
Geistesleben
Wüst, T. (2004): Urbanität. Ein Mythos und sein
Potenzial. VS Verlag für Sozialwissenschaften/
GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
Abb. : eigene Darstellung. Ergebnisse aus einer
offenen Befragung an der HafenCity Universität.
Seite 90 Artikel
Corporate CitizenshipLängst können Unternehmen nicht mehr nur ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen. Zuneh-mend wird von ihnen auch ein Engagement für ihre Umwelt gefordert. Die Unternehmen selbst nehmen diese Aufgabe gerne an - jedenfalls unter der Bedingung, dass sie für die Pflichten, die ihre Unterneh-mensaufgaben überschreiten, auch gewisse Rechte zugesprochen bekommen. Doch wie gestaltet sich dieses Geben und Nehmen? Welche Möglichkeiten und Gefahren bietet diese unternehmerische Beteili-gung am Leben außerhalb des Betriebszauns?
Unternehmen als strukturpolitische Weltbürger
Abb. 1
„Businesses cannot reap the econo-mic benefits of open global markets without acknowledging - and res-ponding to - their social and political responsabilities. They must be global citizens.“ (Kofi Annan in: World Eco-nomic Forum, 1996)
Seite 91Artikel
In diesem Appell forderte der ehemalige UN Generalsekre-tär Kofi Annan im Jahr 1999 auf dem World Economic
Forum die Unternehmen auf, ne-ben ihren ökonomischen Rechten und Pflichten, gesellschaftliche Ver-antwortungsbereiche anzuerken-nen und eine globale Bürgerrolle einzunehmen. Die Unternehmen ihrerseits zeigen sich zunehmend einverstanden der Rolle des Welt-bürgers gerecht zu werden. So wird die Vorstellung von Unternehmen als globale Bürger auf internatio-naler Ebene immer populärer und konsensfähiger (vgl. ebd.). Dennoch gibt es unterschiedliche Auffassun-gen von ‚global citizenship‘, was sich in den begrifflichen Unklarheiten verdeutlicht. (vgl. ebd., S. 181f )
Begriffe wie Corporate Citizenship oder Corporate Social Responsabi-lity werden in der Debatte um ge-sellschaftliche Verantwortung von Unternehmen oftmals synonym verwendet, da sie in der Praxis bei-de sehr auslegungsbedürftig sind. Corporate Citizenship wird häufig in einer instrumentellen Variante als Bezeichnung für ein strategisches bürgerschaftliches Engagement ver-wendet (vgl. ebd., S. 182). Vor dem Hintergrund von Globalisierungs-prozessen verweist ‚Corporate Ci-tizenship‘ jedoch auch auf eine er-weiterte gesellschaftpolitische Rolle von Unternehmen, nämlich die des ‚Weltbürgers‘ im globalen Raum. „Auf diese Weise wird Unterneh-men formal der Mitgliedstatus als
Bürger mit bestimmten Rechten und Pflichten in einer postnatio-nalen politischen Gemeinschaft zugeschrieben“ (ebd.,S. 182). Die entsprechende Frage nach Corpo-arte Citizenship würde demnach lauten: Welche Rolle schreibt eine Gesellschaft Unternehmen vor dem Hintergrund der Globalisierung zu? (vgl ebd., S.182)
Davon abzugrenzen ist die Frage nach Corporate Social Responsabili-ty, was mit ‚gesellschaftlicher Verant-wortung‘ treffend übersetzt werden kann (vgl. ebd., S.183). In seiner normativen Bedeutung ist der Be-griff lediglich eine Leerformel, „weil eine Definition von ‚gesellschafltli-cher Unternehmensverantwortung‘ zwangsläufig nur im Rückgriff auf konkrete politische und kulturelle Rollenerwartungen der Gesellschaft an Unternehmen getroffen werden kann“ (ebd., S. 183). Corporate Social Responsability bezeichnet also das „normative, kulturelle und politische Füllmaterial“ (ebd.), mit dem die Rolle von Unternehmen als Corporate Citizens in einer Ge-sellschaft konkretisiert wird. „Wäh-rend Corporate Citizenship Unter-nehmen formal einen Bürgerstatus verleiht, ist Corporate Social Res-ponsability also die zugehörige nor-mative Gebrauchsanweisung, die inhaltiche Festlegung darauf, welche Verantwortungsbereiche und Rol-lenerwartungen mit einer solchen Einbürgerung einhergehen“ (ebd.). Die passende Frage nach Corporate Social Responsability wäre demnach
„As a world Citizen wie feel obliged to help solve social problems in the regions in which we live and work.“ (Bundesverband der Deut-schen Industrie e.V., 2010)
“We believe that corporate citizenship creates business
value.” (Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.,
2010)
Seite 92 Artikel
anders als jene nach Corporate Citi-zenship: Wie sieht die entsprechen-de Rollenbeschreibungen inhaltlich aus, wenn Unternehmen die Rolle als kollektive Bürger in einer Gesell-schaft zukommt? (vgl. ebd.)
Nach dieser ersten Begriffsabgren-zung, soll sich der nächste Abschnitt den Prinzipien der Corporate Ci-tizenship widmen. Auch Corpo-rate Citizenship unterliegt sehr unterschiedlichen Definitionen. So versteht die EU Kommission darunter zwar recht bedeutungs-los „die Gestaltung der Gesamtheit der Beziehungen zwischen einem Unternehmen und dessen lokalem, nationalen und globalem Umfeld“ (Europäische Kommission, 2001, S. 28), deutlich wird jedoch der expli-zite Verweis auf eine übernational-staatliche Beziehungsverflechtung. Konkreter wird die Art der Bezie-hung zwischen Unternehmen und ihrem gesellschaftlichen Umfeld bei Westebbe und Logan, die Corpo-rate Citizenship als „das Gesamte über die eigentliche Geschäftstätig-keit hinausgehende Engagement des Unternehmens zur Lösung gesell-schaftlicher Probleme“ (Westebbe, Logan, 1995, S. 13) verstehen. Das World Economic Forum schließt
dagegen die wirtschafliche Rolle von Unternehmen nicht aus. Es be-zeichnet Corporate Citizenship als „the contribution a company ma-kes to society through its core busi-ness activities, its social investment and philantropic programmes, and its engagement in public policy“ (World Economic Forum, o.J.).
Dahinter verbergen sich zwei un-terschiedliche Vorstellungen von Corporate Citizenship. Die erste be-schreibt es als bürgerschaftliches En-gagement, wobei eine Win-Win-Si-tuation geschaffen wird. Nach dem Motto „tue Gutes und rede darüber“ sind die jeweiligen, meist lokal oder regional angesiedelten, Projekte und Vorhaben mit unternehmensstrate-gischen Überlegungen verbunden. Im Vordergrund steht Profitsiche-rung aufgrund einer verbesserten Reputation (vgl. Curbach, 2007, S. 185ff) oder wie es Habisch formu-liert: „Ein Unternehmen, das sich als Bürger gemeinsam mit anderen interessierten Mitbürgern ein kon-kretes Problem seines Standorts, seiner Branche, seines gesellschaft-lichen Umfelds vornimmt und zu dessen Lösung beiträgt, tut mithin immer auch etwas für sich selbst“ (Habisch, 2001, S. 62). Backhaus-
Wir wagen es, innovativ zu sein, um als Unterneh-men- in ökonomischer wie in sozialer Hinsicht- zu
profitieren. Wir entwickeln und unterstützen Initiativen mit anderen Unternehmen, Unternehmensorganisatio-
nen, öffentlichen und lokalen Einrichtungen sowie auf
höchster staatlicher Ebene. Wir sehen in CSR nicht ein-fach nur eine „gute Sache“, sondern eine große Chance,
unsere eigene Wettbewerbsfä-higkeit sowie unsere Attrak-tivität als sozial engagiertes Unternehmen zu steigern. (Bundesverband der Deut-schen Industrie e.V., 2010)
Seite 93Artikel
Maul versteht unter Corporate Citi-zenship die „freiwillige Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch private Unternehmen vor dem Hintergrund wirtschaftspoli-tisch günstiger Rahmenbedingun-gen“ (Backhaus-Maul, 2004, S. 24). Diese Auffassung von Corporate Ci-tizenship wird jedoch vielfach als zu einseitig und begrenzt bewertet.
Neben ihr hat sich eine zweite Be-deutung entwickelt, die Unterneh-men eine erweiterte „gesellschafts-politische-gestalterische Rolle vor dem Hintergrund von globalen Steuerungsdefiziten nationalstaatli-cher Regierungen“ (Curbach, 2007, S. 188) zuschreibt. „Die Rollen-erwartung und -beschreibung von Unternehmen als Weltbürger ge-winnt vor allem in jenen Kontexten an Brisanz, wo Staaten im Vergleich zu NGOs und Unternehmen an Kapazität zur Regulierung und zur Durchsetzung und Verbreitung von ökologischen, sozialen und ethi-schen Standards verlieren.“ (ebd., S. 188f )
So beteiligen sich Unternehmen im-mer mehr an der Gestaltung und Durchsetzung von Standards und politischer Regulierungen, gehen
Selbstverpflichtungen ein oder re-gieren in Public-Private-Partnerships mit (vgl. ebd., S. 189). Dabei inves-tieren Unternehmen nicht nur in ihr direktes Umfeld in Form von Akti-onen und Spendengeldern, sondern „beeinflussen, oftmals in Zusam-menarbeit mit öffentlichen Akteu-ren die Gestaltung sozialer und po-litischer Ordnungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebe-ne“ (ebd., S. 189). Der UN Global Compact, im Jahr 2000 als Folge von Kofi Annans Aufruf gegründet, ist eine der größten gemeinsamen Plattform für Unternehmen, die sich verantwortlicher Unternehmenspra-xis verschrieben haben. Erst kürzlich Anfang 2010 hat der Global Com-pact ein ‚Cities Programme‘ veröf-fentlicht, dessen Ziel es ist „to advace urban engagement in the initiative and provide support to city leaders“ (Hall, 2010). Im Vorwort der ersten Veröffentlichung des Cities Program-me steht geschrieben: „Recently sca-led up efforts to advance urban en-gagement in the cities, in particular, have the potential to make enormous strides in creating truly sustainable societies – where economic, social, political and environmental issues are integrated and advanced. The Global Compact Cities Programme seeks
„Wir sehen keinen Konflikt zwischen geschäftlichem
Erfolgsstreben und sozialem und umweltpolitischem En-gagement. Für mich ist der
Unterschied zwischen einem guten und einem großartigen Unternehmen der Folgende:
Ein gutes Unternehmen bietet exzellente Produkte
und Dienstleistungen – ein großartiges Unternehmen bietet exzellente Produkte
und Dienstleistungen und ist gleichzeitig be-
strebt, eine bessere Welt zu schaffen.“(Bundesverband
der Deutschen Industrie e.V., 2010)
to do just that – and assists cities to coordinate the resources, expertise and experience within government, business and civil society to address complex urban challenges“ (Global Compact Cities Programme, 2010, S.5). In dem Zitat wird deutlich, wie die Unternehmen mit ihrer Kompe-tenz versuchen Stadtplanung zu hel-fen. Unlängst treten sie auch zuneh-mend als städtebauliche Akteure auf und bestimmen Stadt nicht nur mit, sondern machen Stadt.
Grundsätzlich ist es keine neue Erscheinung, dass Unternehmen strukturpolitisch auftreten, denn Unternehmen haben stets die staat-liche Ordnung beeinflusst. „What is new it that this influence is increa-singly becoming formalized and le-gitimized through their involvement in partnerships with governments, international institutions and ci-vil society organisations.“ (Zadek, 2001, S. 99) Dies drückt sich in der Stadtplanung zum Beispiel in Public Private Partnerships aus, die längst zum Planungsalltag geworden sind. Unternehmen können dadurch eine „quasi-governmental position“ (Marsdon, 2000, S. 13) einnehmen. Ähnlich zum bürgerschaftlichen motiviertem Corporate Citizenship
liegt der Fokus auf einem Win-Win-Potential - nur auf einer ordnungs-politischen Ebene. Beim zweiten Verständnis von Corporate Citizen-ship werden Unternehmen also zu struktur- und ordnungspolitischen Wirtschafsakteuren, wobei im Ge-genzug öffentliche Akteure an poli-tischer Gestaltungsmacht einbüßen müssen. (vgl. Curbach, 2007, S. 188ff) So hängen Partnerschaften in der Planung oftmals mit einem Machtverlust der öffentlichen Hand zusammen, was den Weg für pri-vatwirtschaftliche Einflussnahme ebnet.
Dem ist zunächst nichts entgegen-zusetzen. Doch ist der Corporate Citizen immer auch ein guter Citi-zen? Zunächst einmal vermengt der Bürgerbegriff zwei Dimensionen von Bürgerschaft: „den Bürger als politischer, gemeinwohlorientierter ‚Citoyen‘ mit Rechten und Pflich-ten in einer politisch definierten Gemeinschaft einerseits, und an-dererseits der Bürger als privater Bourgeois der Marktsphäre, für den seine privatwirtschaftlichen Rechte im Vordergrund stehen und der sei-ne ökonomischen Eigeninteressen durchaus - im Rahmen der vorgege-benen Spielregeln - auch auf Kosten
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„Wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Verant-wortung von Unternehmen hängen heute unmittelbarer zusammen als noch vor eini-gen Jahren.“ (Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.,
2010)
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der Gemeinschaft verfolgen darf und soll“ (ebd., S. 196). Man kann also nicht davon ausgehen, dass sich das unternehmerische Eigeninteres-se stets mit dem gesellschaftlichen Gemeinwohlinteresse deckt. Un-ternehmen sind in ihrer Bürgerrolle zunächst ‚Bourgeois‘, deren ökono-misches Interessen im Vordergrund stehen und stehen müssen: „Profit making is not antithetical to good corporate citizenship. Indeed, it is required of good citizens. Just as private individuals are expected to work and earn an income as part of participating in society and being good citizens, business organisations are expected to generate income suf-
ficient to pay their bills and reward their investors“ (Carroll, 1998, S. 51). Dazu kommt, dass Unterneh-men als Bürger auch ein Anrecht auf Partizipation am politischen Prozess als Regierende haben (vgl. Curbach, 2007, S. 199), indem sie wie auch schon oben erwähnt als ordnungs-politische Akteure auftreten. Jedoch entscheiden Unternehmen „on the development of a global framework and influence its general conditions without being authorized or cont-rolled democratically“ (Scherer et al., 2006, S. 519). Dieses Fehlen einer demokratischen Legitimati-on und Kontrolle ist entscheidend problematisch, wenn städtische
wirtschaftliches Umfeld gesellschaftliches Umfeld
übernimmt gesellschaftliche Verantwortung
öffentlich-politische Sphäre
struktur- oder ordnungspolitischer Akteur
Unternehmen Bürger
Regierender
Regierter
nutzt seinegesellsch.-politischen
Partizipationsmöglichkeiten, indem es spezifische
Staatsaufgaben übernimmt
Abb. 2
Seite 96 Artikel
Strukturen aus privatwirtschaftli-cher Hand entstehen. Man könnte argumentieren, dass der Bürgersta-tus den Unternehmen aber nicht nur die Lizenz zur aktiven Teilnah-me am politischen Prozess verleiht, sondern sie auch zu Gesetzeskonfor-mität und gesellschaftlichen Spielre-geln verpflichtet. Diese Pflichten als Unternehmensbürger werden aber im Globalisierungsprozess zuguns-ten der politischen Selbstbestim-mung geschwächt, „zum einen weil eine nationalstaatliche und gesetzli-che Regulierung im globalen Raum nicht oder nur lückenhaft greift, zum anderen weil Unternehmen sich ihre Spielregeln zunehmend selbst gestalten“ (Curbach, 2007, S. 201).
Zusammenfassend kann man also sagen, dass Unternehmen durch die ihr auferteilte Bürgerrolle ihr rein wirtschaftliches Umfeld ver-lassen und durch die Übernahme von gesellschaftlichen Aufgaben zunehmend in das gesellschaftliche Umfeld eindringen. Dadurch ste-hen ihnen auch Rechte und Pflich-ten eines Bürgers zu, die Unterneh-men bewusst nutzen, um sich aus dem Status des Regierten in die des Regierenden zu heben. Dies geht
einher mit einem zunehmenden Machtverlust der öffentlichen Hand und Globalisierungsprozessen. Die Unternehmen als Bürger nutzen ihre gesellschaftspolitischen Partizipati-onsmöglichkeiten, indem sie spezi-fische Staatsaufgaben übernehmen und damit Teil der politisch-öffent-lichen Sphäre werden. So lässt sich erklären, dass auch Unternehmen auch zunehmend als städtebauliche Akteure auftreten. Unklar bleibt jedoch, ob sie dabei als Bourgeois oder Citoyens auftreten und damit nach Gemeinwohlinteressen han-deln oder ein reines Eigeninteresse verfolgen. Es kann davon ausgegan-gen werden, dass das Handeln eines Unternehmens zu einem gewissen Teil von seinen wirtschaftlichen In-teressen mitbestimmt wird.
Was bedeutet es für die Planung, wenn klassische stadtgestaltende Aufgabenbereiche, nicht mehr in der Hand des Planers liegen? Mit dem zunehmenden Einfluss von Unternehmen auf soziale, politische und bauliche Stadtstrukturen wird die eigentliche Rolle des Planers all-mählich ausgehöhlt. Grundsätzlich ist es eine zu begrüßende Tatsache, dass Unternehmen ihre Umwelt mitgestalten und entwickeln. Dabei
Seite 97Artikel
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Abb.1:<http://farm1.static.flickr.com/133/3456
00350_57f7bdb5c8_o.jpg>
Abb.2: eigene Darstellung
ist es legitim, wenn sie wirtschaft-liche Ziele verfolgen. Illegitim ist jedoch, wenn diese wirtschaftli-chen Ziele dem Allgemeininteresse widersprechen oder diese gar miss-achten. Wichtig wäre demnach die-se ‚Einbürgerung‘ zu steuern. Mit
dem zunehmenden strukturpoliti-schen Einfluss von Unternehmen steigt auch der Legitimationsbedarf ihrer Teilhabe am politisch-gestal-terischen Prozess - und damit der Bedarf nach Kriterien, Regeln und Kontrollen.
Seite 98 Artikel
Der niederländische Architekt Rem Ko-olhaas sieht schwarz, was die Bemühung
um Stadt angeht. Er bemerkt: „Die mit dem Schicksal der Stadt befass-ten Experten ähneln Schachspie-lern, die gegen einen Computer antreten und verlieren. Ein unsicht-barer Autopilot durchkreuzt pau-senlos alle Bemühungen, der Stadt Herr zu werden; er unterläuft je-den Versuch, sie zu definieren, gibt all die schwungvoll vorgetragenen
Thesen über ihr aktuelles Scheitern und ihre zukünftige Unmöglichkeit der Lächerlichkeit preis und hält sie unbeirrbar auf ihrem nach vorne ge-richteten Kurs.“ (Koolhaas, 1999, S. 8f )
Eine Weiterführung des Phasen-Modells von Gerd Albers erfolg-te durch Klaus Selle, Inhaber des Lehrstuhls für Planungstheorie und Stadtentwicklung an der RWTH Aachen. Die Diskussion einer „möglichen Neubestimmung räum-
licher Planung und Entwicklung“ (Selle, 2006, S. 12) beförderte die-ser durch das Projekt ‚Planung neu denken‘. Anlass des Projektes war der Versuch, „Entwicklungslinien und Veränderungen im Planungs-verständnis nachzuziehen [sowie] Rolle, Reichweite, Arbeitsweisen und Organisationsformen der Praxis zu Beschreiben“ (ebd.). Das materi-elle Ergebnis dieses Projekts sind der 580-Seiten starke Band „Zur räum-lichen Entwicklung beitragen – Konzepte, Theorien, Impulse“ und
Zur Rolle des Planers heute1900 Auffangplanung, circa 1965 Entwicklungsplanung, ab 1980 Perspektiveplanung - das sind die Schritte des Phasen-Modells von Gerd Albers. Zeit für eine neue Phase? Stagniert die Planung in alten Mustern? Re-signation?
Abb.1
Seite 99Artikel
der 603-Seiten starke Band ‚Praxis der Stadt- und Regionalentwicklung - Analysen, Erfahrungen, Folgerun-gen‘. Über 1000 Seiten, mit Beiträ-gen der verschiedensten Fachleute - klingt das nach Stagnation? Nach Resignation?
Im Vorwort des ersten Bandes der Reihe ‚Planung neu Denken‘, zitiert Klaus Selle den Schriftsteller Adolf Muschg. „Resignation“ – so Muschg – bedeutet wörtlich: „Die Zeichen neu stellen“. Selle führt fort, „eine verstandene Re-Signation scheint derzeit in vielen gesellschaftlichen Bereichen geboten. Auch die öf-fentliche Mitwirkung an der räum-lichen Entwicklung in Stadt und Land (die zumeist vereinfachend als ‚Planung‘ bezeichnet wird) ist davon nicht ausgenommen: Die mit ‚Ent-staatlichung‘, ‚Liberalisierung‘ und ‚Deregulierung‘ verbundenen Tur-bulenzen“, so Klaus Selle, „führten zu Verunsicherungen im beruflichen Selbstverständnis. Zugleich resultie-ren aus den, zum Teil dramatischen, Veränderungen der ökonomischen und demographischen Rahmenbe-dingungen neue Herausforderun-gen für die Stadt-, Landschafts-, und Regionalplanung, denen es sich zu stellen gilt. Schon seit eini-gen Jahren zeichnet sich daher das Bedürfnis nach kritischer Revision und inhaltlicher Neuorientierung ab.“ (Selle, 2006, S. 11)
Die Forderung, Planung neu zu denken, findet nach Selle „darin sei-nen Ausdruck, dass theoretische und
konzeptionelle, auf Orientierung drängende Erörterung insbesondere auch bei jungen Fachleuten wieder auf Interesse stoßen“ (Selle, 2006, S. 11). Die Forderung, Planung neu zu denken, kommt aber auch aus der Praxis, so Selle. „Mit ihnen drückt sich das Bedürfnis nach neuen Be-gründungen und Perspektiven aus, die an die Stelle eines überkomme-nen, vielfach nicht mehr zeitgerech-ten Planungsverständnisses treten könnten“ (ebd., S. 12).
Neue Wege in der PlanungspraxisNeue Wege in der Planungspraxis beschreibt Uwe Altrock, Professor für Stadtumbau und Stadterneue-rung an der Universität Kassel, in seinem Beitrag zum Projekt ‚Pla-nung neu Denken‘. Durch Beob-achtungen in schrumpfenden Städ-ten in den neuen Bundesländern stellt Altrock vier Ansätze neuer Pla-nungspraktiken vor. (vgl. Altrock, 2006, S. 251)
1. Innovativ-kommunikative AnsätzeAls innovativ-koomunikativen An-satz bezeichnet Uwe Altrock Ver-fahren, die „die bisherige kommuni-kative Planungspraxis weiterführen und ergänzen. Dies geschieht ei-nerseits durch die Nutzung neuer Medien und Technologien, die den Planungsprozess qualifizieren sol-len. Andererseits finden progressive Partizipationsmethoden (…) zu-
nehmend Anwendung.“ (Altrock, 2006, S. 251)
Ein Beispiel für die Nutzung neu-er Medien und Technologie ist das Projekt Nexthamburg, Hamburgs Ideenlabor für die Stadt von mor-gen. Durch den Einsatz von mo-bilen Handy-Applikationen, einer Internetplattform und einzelnen Veranstaltungen, können Hambur-ger Bürger und Fachleute Visionen, Strategien und konkrete Ideen für die zukünftige Stadtentwicklung Hamburgs entwickeln (vgl. Next-hamburg, o.J.). Ein Beispiel für progressive Partizipationsmethoden ist das Entwicklungskonzept Innen-stadt in Mannheim, ein mehrstufiger Planungs- und Beteiligungsprozess, in dem zusammen mit Mannheimer Bürgern, der Verwaltung sowie Ini-tiativen und Verbänden übergreifen-de Konzepte und Perspektiven, als auch konkrete Ideen und Maßnah-men für die Mannheimer Innen-stadt entwickelt wurden. (vgl. Stadt Mannheim, 2007)
2. Explorative AnsätzeExplorative Ansätze, so Uwe Altrock, „haben dagegen in be-stimmten Kontexten zu einer Neu-definition von Planung geführt. Während ‚Planung‘ traditionell auf ein bestimmtes Ziel hindeutet, das mit festgelegten Mitteln erreicht werden soll, werden solche Ziele hier nicht von vornherein festge-legt. Explorativ vorgehende Planer konzentrieren sich vielmehr darauf, Wege zu entwickeln, die während
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des Planungsprozesses beschritten werden können. (vgl. Altrock, 2006, S. 251f )
Beispiel: Das Aktivierungs- und Nachnutzungskonzept für den im Jahr 2008 stillgelegten Flughafen Berlin-Tempelhof, das von den Büros Studio UC, Raumlabor Ber-lin und MBUP entwickelt wurde. Kernpunkt des Konzeptes ist eine dynamische Masterplankonzeption, die eine Aktivierung durch Pionier-nutzungen sowie erste Maßnahmen der Arealentwicklung mit langfristig ausgerichteten städtebaulichen Ent-wicklungen verzahnt. Woraus sich eine Verbindung von Top-Down und Bottom-Up-Prozessen herstellt. (vgl. Studio UC, o.J.; a)
3. Marktorientierte Ansätze„Marktorientierte Ansätze sind verbunden mit der Suche nach neuen Formen der Steuerung des Flächenverbrauchs. In einigen Pla-nungskontexten scheint es aus strategischer Sicht sinnvoll zu sein, Marktmechanismen einzusetzen, um Verteilungsprobleme zu lösen, Akteursnetzwerke zu stärken oder zwischen verschiedenen Akteuren und Interessenten zu vermitteln“ (Altrock, 2006, S. 252), so Altrock.Beispiel: Der geplante „Ausbau des Flughafens Frankfurt am Main und die Strategie des Betreibers Fraport, bei den Anwohnern das Recht auf Emissionen oder aber die Wohnung selbst zu erwerben“ (Altrock, 2006, S. 253).
4. Performative AnsätzeZuletzt „verändern performative Ansätze die Planung von einer ziel-orientierten Handlung, die sich auf einen technischen Plan bezieht, in Richtung einer Inszenierung plane-rischen Handelns“ (Altrock, 2006, S. 253).
Ein Beispiel ist der Stadtumbau in Aschersleben, bei der eine Grup-pe aus Architekten, Designern und Performance-Künstlern, die Gruppe Chezweitz aus Berlin, von der Stadt engagiert wurden, um eine umfas-sende Strategie aus verschiedenen Einzelmaßnahmen zu entwickeln. Durch diese Einzelprojekte gelang es zudem ein Bewusstsein in der Bevölkerung für die stattfindenden Veränderungsprozesse zu schaffen. (vgl. ebd., S. 254f )
Seite 101Artikel
Die zunehmende Bedeutung der Privatwirtschaft in der Stadtent-wicklung, wie sie in den Abschnit-ten Expedition und Input deutlich wurde, verlangt neue Herangehens-weisen seitens der Planung. Klaus Overmeyer ist ein Beispiel für einen Planer, für den neue Wege in der Planung Praxis sind. Er kann wich-tige Erkenntnisse liefern, die auf der Suche nach einer neuen Heran-gehensweise in der Planungspraxis nützlich sind.
Gleichzeitig steht Klaus Overmeyer an der Schnittstelle zwischen Hör-saal und Planungspraxis und liefert in dieser Funktion einen konkreten Einblick in die Planungslandschaft
- ein Einblick, der aus dem Hörsaal nur schwer zu gewinnen ist.
Klaus Overmeyer, von Haus aus Landschaftsarchitekt, ist Gründer des Studio UC, das aus dem For-schungsprojekt Urban Catalyst (vgl. Urban Catalyst, o.J.) hervorgegan-gen ist. Mit seinem Büro Studio UC agiert Overmeyer „im Spannungs-feld vielschichtiger Transformati-onsprozesse, die heutige Stadtent-wicklung auszeichnen. Ein Feld, in dem Freiraumplanung allein schnell an ihre Grenzen stößt“ (Studio UC, o.J.; b). Doch Klaus Overmeyer gelingt es, Handlungsmodelle und Werkzeuge in einem feingliedrigen Netzwerk aus verschiedensten Ak-
teuren zu kombinieren und dadurch prozessorientierte Strategien für komplexe Standortentwicklungen zu konzipieren (vgl. Stadt Mann-heim, 2007). In einem fiktiven In-terview spricht Klaus Overmeyer über die aktuelle Veränderung in der Planungslandschaft und neue Pers-pektiven für den Planer.
Herr Overmeyer, Sie sind ausgebilde-ter Landschaftsarchitekt, Ihre Projekte gehen jedoch weit über die klassischen Aufgaben eines Landschaftsarchitek-ten hinaus. Wie kam es zu dieser Ent-wicklung?
Klaus Overmeyer: „Sucht man heute als fertig ausgebildeter Architekt in
Ein Landschaftsarchitekt als Planer, geht das gut? Klaus Overmeyer im fiktiven Interview
Abb. 2
Seite 102 Artikel
einem Berliner Büro nach Arbeit, so kann das Unterfangen in ein langes, wenn nicht sogar endloses Versteck-spiel ausarten. Für Studienabgänger bieten sich kaum noch Chancen, einen Einstieg in das klassische Be-rufsbild des bauenden Architekten zu finden. Selbst etablierte Büros bauen ihre Mitarbeiterstäbe massiv ab. Dennoch werden an den Uni-versitäten jährlich hunderte von Ar-chitekten für eine „boomende“ Zu-kunft ausgebildet. Spätestens wenn sich nach erfolgslosen Bewerbungen Ernüchterung über die aussichts-lose Lage einstellt, bieten sich für die meisten Absolventen zwei Al-ternativen: Entweder zieht man als Nomade der Arbeit hinterher und verlässt die Stadt oder man bleibt in Berlin, profitiert von den relativ geringen Lebenshaltungskosten und entwickelt in den Nischen und Zwi-schenräumen der Stadt eigene Über-lebenstaktiken, die mit klassischer Architektur allerdings wenig zu tun haben.“ (Overmeyer, 2003)
Sie sind in Berlin geblieben. Eine Ihre Überlebenstaktiken war das For-schungsprojekt Urban Catalyst. Wie hat sich die Arbeit an diesem Projekt auf Ihr Selbstverständnis als Architekt ausgewirkt?
Klaus Overmeyer: „Als wir vor vier Jahren begannen, uns näher mit den Zwischenräumen Berlins auseinan-derzusetzen und den Antrag für das Forschungsprojekt ‚Urban Catalyst - Strategien temporärer Nutzungen‘ formulierten, dachten wir natürlich
nicht an unsere eigene Rolle als Ar-chitekten. Ausgangspunkt unserer Motivation war vielmehr das für Berlin typische Missverhältnis zwi-schen einem Überschuss an nicht realisierten Planungen und dem hohen Maß an offenen, unfertigen Räumen in der Stadt, die als Nische und Nährboden für eine Vielzahl von temporären Nutzungen dienen. Gleichwohl wurde gerade während der zweiten Projektphase, in der in den unterschiedlichen Testgebieten Handlungsmodelle und Werkzeuge entwickelt und angewendet wurden, die eigene Position als Planer inten-siv reflektiert. Gerade in einem öko-nomisch stagnierenden Kontext, in dem sich Stadtentwicklung weniger über bauliche und formal ästheti-sche Parameter definiert, sondern zunehmend von informellen, spon-tan und ungeplanten Phänomenen bestimmt wird, geraten Architekten und Stadtplaner mit ihrem bisheri-gen Selbstverständnis in eine tiefe Identitätskrise. Im Wesentlichen hat dies mit einer Verschiebung der zen-tralen Aufgabenstellung zu tun: Ent-scheidend ist nicht länger die Frage, welche gestalterische Form Stadt am Ende eines Planungsprozesses an-nimmt.“ (Overmeyer, 2003)
Was sind in dieser Konsequenz neue Aufgabenstellungen für den „neuen“ Planer?
Klaus Overmeyer: „Vor dem Hin-tergrund fehlender, traditioneller Entwicklungsimpulse gewinnt die Frage nach den Katalysatoren urba-
1968 geb. in Rhede, Westf.
1989 - 1991 Lehre im Garten- und Landschaftsbau
1991- 1996 Studium der Landes-pflege an der TU München – Wei-henstephan und der TU Berlin
1995 - 2001 Freie Mitarbeit bei West 8, Rotterdam/ Burger und Ti-scher, Berlin/ Kamel Louafi, Berlin
1997 - 2004 selbstständig unter cet-0 mit Susanne Schnorbusch und Nancy Couling
2001-2003 Projektleitung des EU-Forschungsprojektes „Urban Catalyst“ mit Philipp Oswalt und Philipp Misselwitz
seit 2005 selbstständig unter studio uc . klaus overmeyer
2007 Gastprofessur Landschaftsar-chitektur an der BU Wuppertal
2006 - 2007 Dozent im Lehrgebiet UrbanScape an der Hochschule Liechtenstein
(Quelle: Studio UC, o.J.; c)
Abb. 3
Seite 103Artikel
ner Prozesse zunehmend an Bedeu-tung: Wie lassen sich vorhandene Ressourcen besser nutzen, welche Aktivitäten und Nutzungen kön-nen initiiert und stimuliert werden, welche Akteure müssen involviert werden und welche Instrumenta-rien sind nötig, um als Kommu-ne, Grundeigentümer oder Planer trotzdem eine aktivierende Rolle einzunehmen? Urban Catalyst hat sich sehr intensiv mit den direkten Konsequenzen auseinander gesetzt, die sich aus diesen geänderten Rah-menbedingungen für die Rolle des Architekten, insbesondere für die Perspektiven von Berufsanfängern ergeben.“ (Overmeyer, 2003)
Welche Perspektiven ergeben sich für junge Berufsanfänger, was sind die wichtigsten Aspekte aus den Konse-quenzen der geänderten Rahmenbe-dingungen?
„1. Wer keine Arbeit hat, macht sich welche: Anstatt an unbezahl-ten Wettbewerben zu arbeiten und auf den vermeintlich großen Re-alisierungswurf zu hoffen, suchen viele Architekten bereits in ihrem Studium Alternativen in einer „Ar-chitektur der Strasse“: Sie bestellen ihr eigenes Feld, in dem sie sich in lokalen Initiativen wie Kulturverei-nen, Clubs oder eigenen Arbeitslä-den engagieren und als Bastler von außen betrachtet primitive Dinge organisieren, die im Laufe der Zeit aber ihre eigene Dynamik entfa-chen. Die Bandbreite an Aktivitä-ten reicht dabei vom Verlegen eines
Gartenschlauches, um die Wasser-versorgung einer offen gelassenen Bahnbaracke sicherzustellen bis hin zur Verhandlung mit Eigentümern über die Pacht und den Umbau von selbst genutzten Gebäuden.“ (edb.)
„2. Netzwerke aufspüren und bil-den: Der klassische Architekt ko-operiert in seinem normalen Berufs-feld mit einem überschaubaren Pool an Projektbeteiligten. In der Regel zählen dazu der Bauherr, Projekt-steuerer, Fachplaner, eventuell spä-tere Nutzer und natürlich auch die genehmigenden Behörden. Wenn es aber gar keinen Auftraggeber gibt und folglich auch die übrigen Pro-jektbeteiligten für eine Zusammen-arbeit entfallen, müssen Architekten andere Handlungsmodelle entwi-ckeln, um dennoch eine aktive Rolle einnehmen zu können. Wesentliche Ressource bilden dabei vorhandene Netzwerke wie lokale Initiativen, Bürgergruppen, Vereine oder (in-formelle) Organisationen, die zwar nichts mit Planung zu tun haben, aber die Voraussetzung bilden, um durch Verknüpfung und Erweite-rung vielschichtig gelagerte Aktivi-täten zu einem Projekt verdichten zu können.“ (edb.)
„3. Taktik statt Strategie: Im Ge-gensatz zum Strategen verfolgt der Taktiker keinen langfristigen Plan, sondern reagiert wie der Guerrille-ro auf unmittelbare Veränderungen seiner Umgebung. Übertragbar ist diese Metapher auf die heutige Si-tuation von Architekten. Nach wie
vor repräsentieren Sie einen planen-den Beruf. Allerdings können sich immer weniger Planer auf Aufträ-ge verlassen, die nach HOAI und einem festen Schema abgewickelt werden. Architekten, die zusammen mit anderen Akteuren Projekte ini-tiieren, sind darauf angewiesen, Un-bestimmtes und Unvorhergesehenes in ihre Planung mit ein zu beziehen. Vergleichbar mit Zwischennutzern, die ihr Handeln kurzfristig ausrich-ten, müssen sie flexibel reagieren auf sich ändernde Rahmenbedin-gungen. Entfällt beispielsweise eine zugesagte Unterstützung, sucht man nach anderen Sponsoren oder kom-pensiert Defizite durch Integration neuer Partner.“ (ebd.)
„4. Vorhandene Ressourcen nut-zen: Projekte müssen unter den Vorzeichnen stagnierender ökono-mischer Entwicklungen zunehmend existierende Ressourcen integrieren. Maßgeblich ist weniger das Gebau-te, sondern die Transformation von Bestehendem. Dabei gilt es nicht Bestände wie im Denkmalschutz zu bewahren. Motivation ist vielmehr, Taktiken für einen Umwandlungs-prozess zu entwickeln.“ (ebd.)
„5. Minimale Interventionen – Maximale Dynamik: Wie lassen sich bestehende Strukturen mit ei-nem Minimum an Kapitalaufwand neuen Nutzungen zuführen? Viele Projekte werden nie umgesetzt, weil Eigentümer aus Angst vor Verlet-zung der Verkehrssicherungspflicht eine Nutzung temporär ungenutzter
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Räume nicht zulassen. Ist diese Hür-de erst einmal überwunden, können diese Raumpotenziale oftmals durch wenige physische Eingriffe reakti-viert werden. In vielen Fällen reicht es, Zugänglichkeiten zu verbessern oder Räume mit einfachen Mitteln neu zu strukturieren und nutzbar zu machen. Damit ist nicht als Ende der Architektur gemeint. Auch Mi-nimalinterventionen können gut entworfen und gestaltet werden. Sie basieren auf der Ästhetik des Vorhanden und manifestieren eige-ne formale Ausdrucksformen, die vielfach mit der üblichen Architek-tursprache nicht korrespondiert.“ (ebd.)
„6. Verknüpfen und ermöglichen: Der Anteil rein planerischer Aufga-ben am Arbeitsfeld von Architekten wird sich weiter verringern. Stärker gefragt werden seine Fähigkeiten, Projekte zu initiieren und den Ent-wicklungsprozess strategisch zu be-gleiten. Sicherlich eine komplexe Herausforderung, denn die Kunst liegt darin, unterschiedliche Hand-lungsebenen, die sich bisher parallel entwickelten, miteinander zu ver-knüpfen. Neben der planerischen Ebenen zählen dazu Bereiche wie die Moderation von Plattformen, die unterschiedliche Akteure integ-rieren, Verhandlungen und Abstim-mungen zwischen Nutzern, Kom-mune, Eigentümer und Bürgern, rechtliche Themenfelder, die Ver-mittlung und Kommunikation des Projektes nach außen, insbesondere an politische Entscheidungsträger,
sowie die Konzipierung von Finan-zierungsmodellen. Mutiert der Ar-chitekt also zum Generalisten, zum Agenten? Sicherlich geht es nicht darum, noch mehr spezifisches Fachwissen additiv zu akkumulie-ren. Relevant ist in Zukunft die ver-knüpfende Rolle des Architekten: Indem er auf verschiedenen Ebenen agiert und diese miteinander ver-knüpft, wird er zum Ermöglicher, zum Katalysator für eine Stadtent-wicklung von unten.“ (ebd.)
„7. Langer Atem: Vor die Alter-native gestellt, sich anders zu ori-entieren oder sich auf neue Rollen als Architekt einzulassen, werden sich viele für die erste Option ent-scheiden. Ohne Zweifel erfordert die Architektur ohne Auftraggeber einen langen Atem, hohes Eigenen-gagement und die Bereitschaft, für wenig Budget zu arbeiten. Vor allen Dingen gibt es bisher keine Patent-rezepte, die Sicherheit und geregel-tes Einkommen garantieren. Im Ge-gensatz zum klassischen Bürojobber sammelt der junge Bastler jedoch eine Vielfalt an Erfahrungen und entwickelt Fähigkeiten, die in der beruflichen Evolution mittlerweile stärker gefragt sind als das studierte Wissen.“ (ebd.)
Herr Overmeyer, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Ein Landschaftsarchitekt als Planer, geht das gut? Das geht sehr gut! Die-se Erkenntnisse wurden durch das Transformieren des Textes ‚Forschen
und Suchen‘ von Klaus Overmeyer zu einem fiktiven Interview gewon-nen. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass man sich, vorallem als junger Absolvent, positionieren und sich gleichzeitig den Gegebenheiten der aktuellen Situation in der Planungs-landschaft anpassen muss. Gerade am Beispiel privatwirtschaftlicher Unternehmen, die zunehmend und auf immer vielfältigere Weise in den urbanen Stadtkosmos eindringen, wird deutlich, dass eine aktive und aufmerksame Haltung in der Pla-nungspraxis von großer Bedeutung ist. Privatwirtschaftliche Unterneh-men wünschen es wohl kaum, dass ihnen Planer, deren zentraler Blick auf die Stadt gerichtet ist, in ausge-klügelte Profitmachenschaften oder Marketingstrategien ‚herein reden‘. Um diesem gewappnet zu sein, ist es wichtig, dass sich Planer posi-tionieren, um der zunehmenden Bedeutung der Privatwirschaft auf gleicher Ebene zu begegnen. Dies ist durch das Studieren der Planungs-praxis vergangener Zeiten nur be-dingt möglich. Möglicherweise hilft es Fehler nicht zu wiederholen, um jedoch in der aktuellen Stadtent-wicklung nachhaltig teilzunehmen ist es wichtig sich in die Praxis ‚zu stürzen‘, dies hat das fiktive Inter-view mit Klaus Overmeyer gezeigt.
Seite 105Artikel
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Abb. 2: <http://www.arch.uni-wuppertal.de/Leh-
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Pass%20internet.jpg>
Abb. 3: <http://www.iba-hamburg.de/bilderar-
chiv/kreativesquartier_labore/2fightclub_0053.
jpg>
Seite 106 Manifest
Seite 107Manifest
Manifest
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Die Artikel dienten neben der weiteren Erkenntnisgewinnung, einer Ver-flechtung der in den Expeditionen entdeckten Zusammenhänge. Diese gegenseitigen Bedingung und Einflüsse wurden in den Artikeln näher und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Die theoretische Auseinander-setzung mit den verschiedenen Thematiken liefert folgende Erkenntnisse:
1. Der Planer kann städtische Prozesse nur regulieren, modifizieren oder umlenken. (Zur Rolle des Planers heute)
2. Corporate Architecture (über-)formt Stadt firmengerecht. (Die gebaute Identität)
3. Unternehmen integrieren ihre Verkaufskonzepte in die Stadt und ordnen diese dadurch neu. (Unternnehmen in der Stadt)
4. Die Gesellschaft ist konsumorientierter, Stadtraum wird zuneh-mend kommerzialisiert. (Per Konsum ins Glück)
5. Urbanität als positive Wertevermittlung verspricht lebenswerte Stadt. (Private Urbanität)
6. Firmen markieren die Stadt zunehmend mit ihren Marketingstra-tegien. (Markenallerlei)
7. Unternehmen verlassen ihr rein wirtschaftliches Umfeld und übernehmen eine strukturpolitische Bürgerrolle. (Corporate Ci-tizenship)
8. Die privatisierte Stadt birgt eigene Wertvorstellungen, die von städtischen Realitäten abweichen können. (Ist sicher sicher?)
Mit dem letzten Abschnitt sind alle Erkenntnisphasen durchlaufen – Ex-pedition, Inputs und Artikel. Nun ist es möglich aus der Eingangsfrage eine Ausgangsthese zu formulieren. Die Fragestellung: „Die Rolle der Pri-vatwirtschaft als Akteur in der Stadtentwicklung wird zunehmend bedeu-tender. Welche Rückschlüsse lassen sich daraus für das Planungsverständ-nis und die Rolle des Planers ziehen?“ wird somit zur These: „Die Rolle der Privatwirtschaft als Akteur in der Stadtentwicklung wird zunehmend bedeutender. Dies lässt folgende Rückschlüsse auf das Planungsverständ-nis und die Rolle des Planers zu!“ Im folgenden Teil werden alle gewon-nen Erkenntnisse manifestiert und in einzelne Thesen, die den Planer von morgen betreffen, formuliert.
Abb.: Alle Abbildungen im Kapitel sind eigene Darstellungen.
Manifest
Seite 110 Manifest
Ein Manifest an die Planungsprofession
Der Planer von morgen ...
Seite 111Manifest
... ist und bleibt ein Planer!
Der Planer - egal ob auf dem freien Markt oder in der Behörde - muss sich wieder auf seine stadtpla-nerischen Aufgaben besinnen. Er ist zu einem ausschließlichen Mediator geworden, der durch seine kommunikativen Fähigkeiten besticht. Dafür muss sein eigenes Wissen und seine Fähigkeiten zur
Gestaltung in den Hintergrund treten. Stattdessen übernehmen Architekten dieses Feld der Stadtbildgestal-tung. Das darf nicht sein! Um Stadt nicht zu verkaufen und nachhaltige Stadtplanung betreiben zu können, müssen Architekten und Planer zusammenarbeiten. Die jeweiligen Aufgabenbereiche müssen dafür aber klar abgesteckt sein. Planer, denke und handle wieder stadtplanerisch!
Manifest FINANCIAL TIMES | P3 PRÄSENTATION | FREITAG 16. JULI 2010
Der Planer von morgen...
§1
...ist und bleibt ein Planer!
Seite 112 Manifest
Manifest FINANCIAL TIMES | P3 PRÄSENTATION | FREITAG 16. JULI 2010
Der Planer von morgen...
§2
...spielt auch mal die Wertepolizei!
Gesellschaftliche Wertvorstellungen sind in Gefahr von privatwirtschaftlicher Planung angegriffen zu werden. Grundsätzlich ist es „eine zu begrüßende Tatsache, dass Unternehmen ihre Umwelt mitge-stalten und entwickeln. Dabei ist es legitim, wenn sie wirtschaftliche Ziele verfolgen. Illegitim ist
jedoch, wenn diese wirtschaftlichen Ziele dem Allgemeininteresse widersprechen oder diese gar missachten“ (Corp.Citizensh.). In diesem Fall muss der Planer zum Sittenwächter und Beschützer öffentlicher Werte werden. Dabei muss er offen für gesellschaftliche Werteveränderungen sein, um zu definieren, welche Werte ihm wichtig und welche überflüssig geworden sind. „Ob der öffentliche Raum mit seinen bisherigen Prinzipien überhaupt weiter existieren muss oder ob Heterogenität und Anonymität im digitalen Zeitalter überholte Werte sind muss der Planer entscheiden“ (Sicherheit).
... ist ein Wertepolizist!
Seite 113Manifest
... nutzt privatwirtschaftliches Engagement für seine Zwecke!
Manifest FINANCIAL TIMES | P3 PRÄSENTATION | FREITAG 16. JULI 2010
Der Planer von morgen...
§3
...nutzt das privatwirtschaftliche Engagement für seine Zwecke!
Mit dem steigenden Einfluss privatwirtschaftlicher Planung muss der Planer auch selbst wirtschaft-lich denken. Der schlaue Planer lässt sich nicht in eine passive Rolle drängen, sondern gestaltet aktiv mit den ihm gegebenen Möglichkeiten. Nach Kerstin Höger müssen Architektur und Städ-
tebau „innerhalb des ökonomischen und politischen Machtspiels eine operative Rolle einnehmen“. Nur durch diese operative Haltung kann der Planer aus seiner Ohnmachtstellung gegenüber der Privatwirtschaft heraus-treten. Friedrich von Borries ruft den Planer und Architekten auf, zu einem „gewieften, reaktiven Taktiker“ zu werden, indem er sich des Wissens und der Methoden der privatwirtschaftlichen Planung bemächtigt. Nur so kann er das privatwirtschaftliche Engagement für seine Zwecke ausnutzen und „innerhalb der heutigen und künftigen Realität nach neuen Möglichkeiten fahnden“.
Seite 114 Manifest
Manifest FINANCIAL TIMES | P3 PRÄSENTATION | FREITAG 16. JULI 2010
Der Planer von morgen...
§4
...braucht einen neuen Werkzeugkasten!
... braucht einen neuen Werkzeugkasten!
Der Planer muss seine Methoden und Werkzeuge überarbeiten, um nachhaltige Stadtentwicklung trotz privatwirtschaftlicher Interessen zu gewährleisten. Denn „mit dem zunehmenden struktur-politischen Einfluss von Unternehmen steigt auch der Legitimationsbedarf ihrer Teilhabe am po-
litisch-gestalterischen Prozess - und damit der Bedarf nach Kriterien, Regeln und Kontrollen“ (Corp. Citi-zensh.). Auf die neuen Phänomene des direkten, privatwirtschaftlichen Einflusses auf die Stadtentwicklung kann und darf der Planer nicht nach gewohnten Schemen reagieren! Dazu braucht er das Wissen über betrieb-liche Vorgänge und die Fähigkeit offene stadtplanerische Instrumente zu entwickeln, die ihm ermöglichen schneller und projektbezogener agieren zu können. Nach Kerstin Höger werden „nachhaltige Entwurfsstrate-gien und Planungsinstrumente benötigt, die soziale Aspekte kreativ mit pragmatischen, ökonomischen und funktionalen Erfordernissen verbinden.“ Nur mit neuen Fähigkeiten, Kenntnissen und Methoden kann er sich den neuen Anforderungen stellen und aktiv planen.
Seite 115Manifest
... ist mittendrin statt nur dabei!
Manifest FINANCIAL TIMES | P3 PRÄSENTATION | FREITAG 16. JULI 2010
Der Planer von morgen...
§5
...ist mittendrin statt nur dabei!
Der Planer verkommt zunehmend zu einer Marionette zwischen privatwirtschaftlichen und kom-munalen Interessen! In Zukunft muss er seine Position zwischen den Fronten verlassen um aktiv die städtischen Prozesse mitzugestalten. Dafür braucht er Verständnis gegenüber der privatwirt-
schaftlichen Seite und muss anerkennen, dass privatwirtschaftliche Stadtentwicklung nicht immer ‚böse‘ Stadtentwicklung ist. Als Vermittler zwischen privaten und öffentlichen Werten sind Planer aufgefordert, die Wichtigkeit privatwirtschaftlichen Einflusses anzuerkennen (vgl. Höger). Dies ist die Voraussetzung für eine produktive Arbeit mit Akteuren der Privatwirtschaft.
Seite 116 ManifestManifest FINANCIAL TIMES | P3 PRÄSENTATION | FREITAG 16. JULI 2010
Der Planer von morgen...
§6
...ist ein Steuermann!... ist ein Steuermann!
Die jüngsten Veränderungen in den Eingentumsverhältnissen am Fallbeispiel Daimler Quartier & Sony Center zeigen, wie kurzfristig Planungen mit privatwirtschaftlichem Investitionsvolumen sind. „Ging man noch bei Beginn der Planung von völlig anderen Motiven und Entwicklungen
aus, haben sich die Rahmenbedingenungen im Gebiet, aber auch bei den Investoren, inzwischen vollkommen verändert.“ (Exp. Berlin) Gerade privatwirtschaftliche Planungen sind stark abhängig von externen Rahmen-bedingungen und Marktsituationen. Dies erfordert vom Planer Anpassungsfähigkeit an veränderte Strukuren, aber auch Standhaftigkeit, um nachhaltig zu planen. Die Planung wird in Zukunft weniger starr und fertig, dafür umso prozessorientierter sein. In diesem Prozess weitsichtig die Steuerung zu übernehmen, ist die wich-tige Aufgabe des Planers!
Seite 117Manifest
... braucht kein Manifest!Manifest FINANCIAL TIMES | P3 PRÄSENTATION | FREITAG 16. JULI 2010
Der Planer von morgen...
§7
...braucht kein Manifest!
Dem Planer zukünftiger Stadtentwicklungsprojekte wird nicht mehr ein starres, dogmatisches Anfor-derungsprofil entgegen gestellt sein. Er muss seine Rolle, seine Aufgaben und Methoden stets aufs Neue überprüfen und sie den Gegebenheiten in einer Art und Weise anpassen und neu definieren,
damit er aktiver Stadtgestalter bleibt. Den Planer von morgen zeichnet eine starke Persönlichkeit und Wil-lensstärke aus, die den manchmal unwirtlichen und widerspenstigen Bedingungen trotzen.
Abschluss
Abb.
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Seite 120 Abschluss
Conclusio
Die Grundannahme, dass unter Anbe-tracht leerer kom-munaler Kassen die
Rolle privatwirtschaftlicher Akteure aufgrund ihrer finanziellen Mittel in der Planung eine neue Gewichtung erhält, hat sich schnell bestätigt. In Expedition wurden die Diversifi-kation der Rolle des Planers und des Einflusses der Privatwirtschaft anhand von deutschen Beispielen ergründet. Privater Akteur ist nicht gleich privater Akteur, dementspre-
chend ändern sich auch Aufgaben und Zuständigkeiten des Planers. Diese Unterschiede wurden auch im vertiefenden Input deutlich. Inten-tionen und Beweggründe privater Akteure, die durchaus über das rein Materielle hinausgehen können, aber auch Risiken und Bedenken haben uns die Expertenmeinungen näher gebracht. Entscheidende Un-terthemen konnten nun in Artikel weiter vertieft werden. Viele weitere wichtige Erkenntnisse zu dem Zu-sammenspiel von privaten Akteu-
ren, den Planern und dem städti-schen Raum wurden erlangt.
Welche Rückschlüsse sich auf das Planungsverständnis und die Rolle des Planers ziehen lassen, war den Bericht hindurch grundlegende Fragestellung. Durch Expedition, Input und Artikel wurden die Fest-stellungen und vertiefenden Fragen zyklisch immer wieder evaluiert, hinterfragt und anschließend weiter vertieft. Die gewonnen Erkenntnisse haben die Gruppe eine weiterentwi-
€?
Seite 121Abschluss
ckelte Stellung zu dem Thema ein-nehmen lassen. Meinungen wurden befreit von Vorurteilen und ergänzt durch neue Perspektiven. Diese, auf neuen Bekenntnissen beruhende Position wurde schließlich manifes-tiert - um die Planerschaft bewusst provokativ aufzurufen sich selbst zu positionieren.
Der Planer muss sich seiner Aufga-be bewusst sein und Planer bleiben. Dabei soll er seine Werte und Ideale immer wieder überprüfen und gege-
benenfalls für sie einstehen. Damit dies gelingt, darf er privatwirtschaft-liches Engagement nicht verschmä-hen, sonder muss es aktiv nutzen, wofür neue Planungsinstrumente und Strategien entwickelt werden müssen. Dazu gehört auch auf Be-lange und Logiken anderer Akteure einzugehen, ohne dabei die eigenen Interessen außer Acht zu lassen. In diesen Zeiten sind Anpassungsfähig-keit und Prozessorientierung wichti-ge Prinzipen des Planers. Doch vor allem gilt es diese Punkte immer
wieder zu überprüfen, Persönlich-keits- und Willensstärke zu zeigen und sich mit den stets ändernden Bedingungen neu zu positionieren.
Diese Positionierung kann unser Projekt nicht für andere überneh-men sondern lediglich als Leitfaden dienen. Durch individuelle Ausei-nandersetzung kommt man zu un-terschiedlichen Ansichten, die nicht richtig oder falsch sein müssen. Das Manifest verdeutlicht diese Er-kenntnis und beinhaltet auch kon-
Seite 122 Abschluss
troverse und sich widersprechende Meinungen und hebt sich so von einer vorschreibenden Handlungs-empfehlung ab.
Extreme Beispiele privatwirtschaftli-chen Einflusses, die noch im beige-legtem Travel Issue vertieft werden, waren seit dem Anfangsstadium in den Hinterköpfen stets präsent. Ih-nen gegenüber herrschte eine Skep-sis, ein ungutes Bauchgefühl, dass privates Geld zwar zu spektakulä-ren Projekten führen kann, jedoch
Belange der sozialen Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit oder Nützlichkeit teils kaum beachtet werden. Der Prozess der Erkenntnisfindung war entscheidender Bestandteil des Projektes. Diesen Beispiele, die vor allem im internationalen Raum beobachtbar sind, haben wir uns im beigelegten Travel Issue genä-hert. In Jargon eines Reisekatalogs formuliert, holen sie die positiven Seiten dieser Beispiele zwar hervor, doch hinterlassen trotz neuer Hin-tergrundinformationen einen Rest
Skepsis. Sie dienen als worst practice Beispiele, die auch in unseren Brei-tengraden umgesetzt werden könn-ten, wenn der Planer nicht handelt.
Welche Richtung und Gewichtung der privatwirtschaftliche Einfluss nehmen kann, ist trotz intensiver Auseinandersetzung mit der Ma-terie kaum vorherzusagen. Ob die Vorbilder privatwirtschaftlicher Stadt vornehmlich in Dubai oder eher in Dorfanger Boberg liegen, ist ungewiss. Es ist aber klar, dass
Seite 123Abschluss
es keine ausschließliche Richtung geben wird. Die Privatwirtschaft mit ihrem rein wirtschaftlichen In-teresse gibt es nicht. Unternehmen und Investoren unterscheiden sich in ihren Zielen und Idealen zu sehr, als dass sie alle mit gleicher Tendenz den Stadtraum verändern wollen würden. So mancher Global Play-er wird auch in Zukunft Marken-Leuchttürme in die Höhe sprießen lassen, andere sind sich gewiss, dass eine kleinteilige behutsame Stadt-entwicklung auch ihnen profitieren
wird. Hinzu kommen grundsätzli-che Unterschiede in Größe, Budgets und kulturellen Hintergründen. Auch in einer globalisierten Welt unterscheiden sich Rahmenbedin-gungen, kulturelle Unterschiede und Geschmäcker enorm. Diese Arbeit mit seinem Manifest als Klimax kann seine Richtigkeit nur für den Moment gewähren. Ein Ende unserer Arbeit bedeutet nicht das Ende dieser Diskussion. Die Welt, die Länder, die Städte und die Menschen leben im Wan-
del. Wir als Stadtplaner sollen und wollen mit privatwirtschaftlichen Akteuren arbeiten. Dies erfordert eine ständige, sich wiederholende Evaluation der Ausbildung und der Position die man selbst im Berufs-leben einnimmt. Der Planer muss die Zeichen der Zeit immer wieder von neuem lesen und sein Manifest selbst formulieren.
Abb.: eigene Darstellungen
§!?
Seite 124 Abschluss
Projekthintergrund
Nachdem sich die Projektgruppe zu-sammengefunden hat, gab es eine kur-
ze Phase der Themenfindung, in der bereits die unterschiedlichen Ansichten und Vorstellungen des Projekts deutlich wurden. Aus der Möglichkeit einen Artikel für das Planermagazin MONU zu schrei-ben, ging das Themenfeld des Real Estate Urbanism hervor, welches prägend für die Arbeit war. Eine erste Literatur- und Internetre-
cherche ergab, dass der Schwer-punkt auf Investoren in der Stadt und auch bei extremen Vorhaben, die mit Hilfe großer finanzieller Ressourcen umgesetzt wurden und werden, lag. Ziel des Projekts war es den aktuellen Entwicklun-gen vor einem planungstheoreti-schen Hintergrund zu begegnen. In einer ersten Bestandsaufnahme wurde Material herangezogen, die sich im weitesten Sinne mit dem Zusammenspiel von Investoren und Stadt beschäftigt, damit ein
möglichst umfassender Einblick in das Themengebiet möglich war. Veröffentlichungen von Experten und Informationen zu tangieren-den Bereichen wurden gelesen und ausgewertet. Der Themenbereich wurde im Verlauf des Projektes immer weiter geschärft. Das Pro-jekt war prozessorientiert und der Ausgang des Projekts lag in der lo-gischen Schlussfolgerung der ein-jährigen Arbeit. Im Mittelpunkt stand für die Gruppe aufzuzeigen, dass bedenkenswerte Entwicklun-
Seite 125Abschluss
gen stattfinden, die Folgen haben - für Stadt und für die Rolle des Stadtplaners. Das Wissen wurde vertieft durch eine weitere Re-cherche, einen Workshop mit Juliane Pegels und verschiedenen Interviews. Die Themen und Er-gebnisse wurden in einzelnen, für sich selbst stehenden, aber auf ei-nander Bezug nehmenden Texten niedergeschrieben.
Der persönliche Erkenntnisgewinn stand bei allen Gruppenmitgliedern
mit im Vordergrund. Jeder einzelne ging mit einem ganz bestimmten ‚Bauchgefühl‘ in dieses Projekt, was die zukünftige Rolle des Pla-ners betrifft, aber vor allem in Zu-sammenhang mit den gewählten extremen Bauprojekten rund um die Welt. Dennoch sah jeder diese Entwicklungen aus einer anderen Perspektive und arbeitete seinen ei-genen Themenschwerpunkt heraus. Um mit der kongenialen Gruppe einen gemeinsamen Faden zu fin-den und beizubehalten, war es un-
abdingbar, das eigene Vorgehen im Plenum und mit unserem Betreuer Prof. Michael Koch immer wieder zu reflektieren. Die sich ergeben-de Rückkopplung und ständige Schärfung des Interessensgebietes drückte sich unter anderem in einer mehrmaligen Überarbeitung der Fragestellung und dem wiederhol-ten Wechseln des Projekttitels aus. Der gesamte Arbeitsverlauf gleicht eher einem hermeneutischen Zir-kel, bei dem Wissen und Verständ-nis erweitert wurden, als einem
Seite 126 Abschluss
stringenten, idealtypischen Projek-tablauf. Ziel war es, vertraute For-schungslandschaften mit anderen Augen zu betrachten; eine gewisse Vorahnung war zwar vorhanden, aber es war notwendig offen zu sein, um schließlich neue Entdeckungen machen zu können (vgl. Universi-tät Bielefeld, 2004). Wichtig war, dass alle neben persönlichem Er-kenntnisgewinn zu einer einheit-lichen Linie zusammengefunden haben, die auf einer gemeinsamen Wissensgrundlage beruht. Dies bot
die Grundlage, um im Projektbe-richt, dem vorliegenden Magazin, das ‚Bauchgefühl‘, gewonnene Er-kenntnisse, Entwicklungen und vor allem eigene Meinungen darstellen und vermitteln zu können.
Letztendlich war das Projekt, trotz oder gerade wegen seines unkon-ventionellen Themas und Vorge-hensweise in persönlicher, fachli-cher und struktureller Hinsicht für alle Gruppenmitglieder gewinn-bringend.
Seite 127Abschluss
PROJEKTABLAUF
VAGESPROJEKTZIEL
RELATIVIERUNG
PROJEKTBEGINN
Wie und warum nehmenprivat-wirtschaftliche AkteureEinfluss auf Stadt?
REALES PROJEKTZIELDie Rolle der Privatwirtschaft als Akteur in der Stadtentwicklung wird zunehmend bedeutender. Dies lässt folgende Rückschlüsseauf das Planungsverständnis und die Rolle des Planers zu!
MANIFEST
REIZEaktuelle privat-wirtschaftlicheProjekte
REIZEHintergründe/Motivation
Projekte / Phänomenewerden immer extremer!
Was bedeutet das für den Planer?
Die Grafik zeigt den zyklischen Arbeitsprozess. Zu Beginn des Projekts stand ein bestimmtes Interesse und zudem drückte sich mit dem ‚Bauch-gefühl‘ der Gruppe die subjektive Einschätzung über momentane und zu-künftige Entwicklungen aus, die vorerst ein vages Projektziel darstellten. Im Laufe des Jahres wurden durch verschiedene Inputs (Reize) die Ein-schätzungen geschärft und durch zusätzliche Interessensschwerpunkte, wie dem kontextuellen Planerverständnis, relativiert. Daraus entwickelte sich das reale Projektziel, dessen Schwerpunkt das Manifest bildet.
Universität Bielefeld (Hg.) (2004): Tagung
Erfahrung mit Methode. <http://www.uni-
bielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/Fakul-
taeten/Paedagogik/fobika/tagungen/erfahrung-
methode/eroeffnungsvortrag.html>. Zugriff am
29.07.2010
Abb.: eigene Darstellungen
Das Studienprojekt 3 „Financial Times“ diskutiert im tagesaktuellen Themenbereich der finanzgeschwächten Städte die Rolle des Planers. Es werden Einflüsse, Verführungen und Risiken einer zunehmenden Bedeutung der Privatwirt-schaft auf das Arbeitsfeld des Planers durchleuchtet. Darüber hinaus wird versucht die Zeichen der Zeit zu lesen, um den Planer in diesen Entwicklungen durch kraftvolle Aussagen für die Zukunft in seiner Position zu stärken.