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Humangenetik 8, 94--104 (1969) Familiiire 2/C-Translokation: 46,XYt (2p--; Cp+) und 46,XX Cp+* K. BENDER, H. I~EII~WEIN, iIbID_4_ Z. GORMAN und U. WOLf Institut ftir Humangenetik (Direktor: Prof. Dr. Dr. tI. BAITSC~)und Kinderklinik (Direktor: Prof. Dr. W. KtiNZ~.~) der Universit~t Freiburg i. Br. Eingegangen am 27. Juni 1969 2/C Transloeation in Father and Daughter: 46, X Y t (2p--; Cp ~-) and 46, XX Cp-~ Summary. In a patient with multiple anomalies, a duplication comprising the distal half of the short arm of chromosome 2 and a small deficiency of a C-chromosome was found. Four other cases from the literature exhibit a similar duplication combined with a small deficiency each of chromosome 3. Comparison of the clinical pictures of the five patients revealed a conformity in the major features. It is concluded that the duplication is responsible for the uniform appearance of these patients. The studies performed include chromosome measure- ments, examination of replication patterns and meiosis. The gene loci for the Ss and Rh systems could be excluded from localization on the duplicated segment. Zusammen/assunff. Bei einem Patienten mit multiplen Mil3bildungen wurde eine Dup]ikation fiir die distale I{~]fte vom kurzen Arm des Chromosoms 2 und eine Defizienz an einem C-Chro- mosom gefunden. In der Literatur sind vier F~lle mit iihnlicher Duplikation, jedoch jeweils einer kleinen Defizienz am Chromosom 3 beschrieben worden. Ein Vergleich der klinischen Merkmale bei den ffinf Patienten zeigt weitgehende Ubereinstimmungen. Es wird gefolgert, dab die gleiehartige Duplikation ffir das einheitliehe klinische Bild der Patienten verantwort- lich ist. Es wurden Chromosomenmessungen, Analysen der Replikationsmuster und Meiose- untersuchungen durchgefiihrt. Die Gen]oci fiir das Ss- und das Rh-System konnten yon einer Lokalisierung auf dem duplizierten Segment ausgeschlossen werden. Einleitung Bei einem Kind mit multiplen MiBbildungen land sich eine Verl/mgerung am kurzen Arm eines C-Chromosoms. Das abnorme Chromosom wurde vom Vater fibertragen, der eine balancierte 2/C-Translokation aufweist. Hieraus ist zu fol- gern, daft das Kind eine Duplikationsdefizienz hat; das verl/ingerte C-Chromosom tri~gt dabci einen duplizierten Abschnitt des kurzen Armes yon Chromosom 2. Aus der Literatur sind uns vier Duplikationsdefizienzen mit/ihnlicher Dupli- kation bekannt (LEE et al., 1964; SUM•ITT, 1966; BOO~ ~ u. SENG, 1967). Sie zeigen klinisch untereinander wie auch mit unserem Fall eine weitgehende lJbereinstim- mung. Wir wollen daher die Frage disku~ieren, inwieweit dieser Duplikation ein einheitliches klinisches Bfld entspricht. Klinische Kasuistik l~ichaela C., geb. 13.10. 1966, verst. 20.2. 1968. Erstes Kind einer 20 Jahre alten Mutter und eines 27j~hrigen Vaters. Beide Eltern gesund, keine Verwandtschaft der Eltern oder GroBeltern, keine Zwillinge; keine Aborte oder MiS- * Mit Unterstiitzung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

Familiäre 2/C-Translokation: 46,XY t (2p-; Cp+) und 46,XX Cp+

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Humangenetik 8, 94--104 (1969)

Familiiire 2/C-Translokation: 46,XYt (2p--; Cp+) und 46,XX Cp+*

K. BENDER, H. I~EII~WEIN, iIbID_4_ Z. GORMAN und U. WOLf

Institut ftir Humangenetik (Direktor: Prof. Dr. Dr. tI. BAITSC~) und Kinderklinik (Direktor: Prof. Dr. W. KtiNZ~.~) der Universit~t Freiburg i. Br.

Eingegangen am 27. Juni 1969

2/C Transloeation in Father and Daughter: 46, X Y t (2p--; Cp ~-) and 46, X X Cp-~ Summary. In a patient with multiple anomalies, a duplication comprising the distal half of

the short arm of chromosome 2 and a small deficiency of a C-chromosome was found. Four other cases from the literature exhibit a similar duplication combined with a small deficiency each of chromosome 3. Comparison of the clinical pictures of the five patients revealed a conformity in the major features. I t is concluded that the duplication is responsible for the uniform appearance of these patients. The studies performed include chromosome measure- ments, examination of replication patterns and meiosis. The gene loci for the Ss and Rh systems could be excluded from localization on the duplicated segment.

Zusammen/assunff. Bei einem Patienten mit multiplen Mil3bildungen wurde eine Dup]ikation fiir die distale I{~]fte vom kurzen Arm des Chromosoms 2 und eine Defizienz an einem C-Chro- mosom gefunden. In der Literatur sind vier F~lle mit iihnlicher Duplikation, jedoch jeweils einer kleinen Defizienz am Chromosom 3 beschrieben worden. Ein Vergleich der klinischen Merkmale bei den ffinf Patienten zeigt weitgehende Ubereinstimmungen. Es wird gefolgert, dab die gleiehartige Duplikation ffir das einheitliehe klinische Bild der Patienten verantwort- lich ist. Es wurden Chromosomenmessungen, Analysen der Replikationsmuster und Meiose- untersuchungen durchgefiihrt. Die Gen]oci fiir das Ss- und das Rh-System konnten yon einer Lokalisierung auf dem duplizierten Segment ausgeschlossen werden.

Einleitung

Bei einem K i n d mi t mul t ip len MiBbildungen l and sich eine Ver l /mgerung am

kurzen Arm eines C-Chromosoms. Das abnorme Chromosom wurde v o m Vater f ibertragen, der eine balancier te 2 /C-Trans lokat ion aufweist . Hieraus ist zu fol-

gern, daft das K i n d eine Duplikat ionsdefizienz ha t ; das verl / ingerte C-Chromosom

tri~gt dabci einen dupl iz ier ten Abschn i t t des kurzen Armes yon Chromosom 2.

Aus der L i t e ra tu r sind uns vier Dupl ikat ionsdef iz ienzen m i t / i h n l i c h e r Dupli-

ka t ion bekann t (LEE et al., 1964; SUM•ITT, 1966; BOO~ ~ u. SENG, 1967). Sie zeigen

klinisch un te re inander wie auch mi t unserem Fal l eine wei tgehende lJbere ins t im- mung. Wir wollen daher die Frage disku~ieren, inwiewei t dieser Dupl ika t ion ein

einheit l iches klinisches Bfld entspr icht .

Klinische Kasuistik

l~ichaela C., geb. 13.10. 1966, verst. 20.2. 1968. Erstes Kind einer 20 Jahre alten Mutter und eines 27j~hrigen Vaters. Beide Eltern gesund,

keine Verwandtschaft der Eltern oder GroBeltern, keine Zwillinge; keine Aborte oder MiS-

* Mit Unterstiitzung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

Famili~re 2/C-Translokation: 46,X¥ t (2p--; Cp~-) und 46,XX Cp-~- 95

Abb. 1. Probandin im Alter von 8 Monaten

bildungen in der Verwandtschaft. Schwangerschaftsverlauf normal, keine Medikamente, keine Strahlenexposition. Normale Spontangeburt zum errechneten Termin. Geburtsgewicht 3100 g, L~nge 47 cm, Kopfumfang 35 cm. Einweisnng in die Universit/~ts-Kinderklinik Freiburg i. Br. (Krankengeschichte 3006/66--532/68) am 1. Lebenstag wegen Asphyxie.

Status (Abb. 1): Weibliches Nengeborenes mit ausgepr/~gter, schwarzer Lanugobehaarung fiber Stirn, Schl~fen, Ohren und ttandrficken. SchSdel asymmetrisch mit prominenter Gla- bella, fief eingezogener •asenwurzel, Hypertelorismus, breiter Nasenspitze, antimongoloider Lidachsenstellnng, Strabismus convergens und hohem, schmalem Gaumen. Grol]e, grob model- lierte Ohrmuscheln, curls laxa, Hautbl~sse, sog. Mongolenfleck fiber dem Kreuzbein, kleines Hautgrfibchen sacral. Auffallend lange, schlanke Finger und Zehen. Nnr geringe Spontan- motorik, allgemeine Muskelhypotonie, aphonisches Schreien, geringer Saugreflex. Lautes, systolisches GerKuseh fiber dem gesamten tterzen, Leber 1 QF. Beschleunigte Atem- und Herz- frequenz. Acrocyanose der Extremit~ten. Die speziellen klinisch-chemischen Untersuchungen einschliel~lich Elektrophorese nnd Immunelektrophorese des Serumproteins ergaben normale Befunde. Rfntgenologisch liel3en sich ein Zwerchfellbuckel rechts, Zeichen einer Lungen- stauung nnd zunehmende, linksseitige Herzvergrfl~erung feststellen. :Normales Urogramm. Keine Fehlbildungen des Skelets (Sch~del, Wirbelsiiule, Extremit~ten). Das Knochenalter war bei einem Lebensalter yon 10 Monaten erheblich retardiert (6 Wochen), EKG: Doppel- hypertrophie.

Klinische Diagnose: Postnatale Asphyxie, Vitium cordis mit Lungenstauung, craniofaciale Dysplasie, Gedeihstfrung.

Verlau/: Die ersten 5 Lebensmonate verbrachte das Kind in der Klinik. Die tterzinsuffizienz konnte mit Digitalis kompensiert werden. Infolge des schwachen Saugreflexes war eine Flaschenern/ihrung nicht m5glich, das Kind mul~te mit Dauersonde entlassen werden. Erneute stationi~re Behandlung wegen Gedeihst5rung, Infekten und tterzinsuffizienz. Erhebliche Ver- zfgerung der statischen und geistigen Entwicklung. Der Kopf konnte mit 1 Jahr nicht ge- hoben werden. Im Alter yon 16 Monaten fie1 das Kind zu ttause auf den Boden und zog sich eine Sch~delfraktur mit intrakranieller Blutung zu, die 4 Tage sp~ter zum Exitus ffihrte. Die Sektion best~tigte eine epidurale Blutung. Es fanden sich ein groBer, oftener Ductus Botalli, offenes Foramen ovale, Aortenstenose sowie eine Lungenstauung. Die linke Lunge hatte drei Lappen, rechts bestand ein Zwerchfellbuckel. Keine sonstigen MiBbildungen innerer Organe oder des Gehirns.

96 K. BENDER, H. R]~INWEIN, :L. Z. GOR~AN und U. WOLF:

21 Chromosomen untersucht

[ ] ba!.ancierte Translakation

• unba!.ancierte Trans!.okation

Abb. 2. Stammbaumschema der Familie der Probundin M. C.

Cytogenetik

Chromosomenunte rsuchungen k o n n t e n bei sieben Famil ienmitgl iedern , die drei Genera t ionen angehSren (Abb. 2), durchgeffihrt werden.

Darstellung der Chromosomen: Lymphocytenkulturen nach MOO~HEAD et al. (1960) ; Fibro- blastenkulturen aus der Hunt unter perforiertem Ce]lophan nach EvAns u. EARLE (1947); Lufttrockenpr~purute, Orceinf~rbung.

Chromosomenmessungen an den Chromosomen 2, 2 p--, 3 und CpH- yon Vater und Proban- din. Messung der kurzen und langen Chromosomenarme (ohne Centromerbereich; vgl. P•TAU, 1965) an photographischen Positivabzfigen mit 3000facher EndvergrS•erung. Ermittlung yon Mitte]wert und Standurdubweichung der Armverh~ltnisse (]unger Arm/kurzer Arm).

Meiose: Entnuhme yon Hodenbiopsiemuterial (Universit~s-Hautklinik Freiburg (Direktor: Prof. Dr. K. W. KALKOYF)) beim Vater. ttersteliung yon Quetschpr~puraten, Orceinf~rbung.

Autoradiographie: Technik nach Sc~ID (1963). aH-Thymidin (spezifische Aktivit~t 1,9 Ci/ mMol) wurde 63/~ Std vor Abbrechen der Kultur in einer Konzentr~tion yon 2 ~ Ci/ml Medium zugesetzt, Colchicin w~Lhrend der beiden ]etzten Stunden. Lufttrockenpr~parate, Orceinf~r- bung. ~Tuch Aufziehen des Stripping-Films (KODAK A.I~. 10) wurden die Priipurate 8--10 Tuge exponiert; F~rbung mit gepufferter Giemsa-LSsung.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Chromosomenuntersuchung sind in der Tabelle 1 zusammen- gesbellt; die K a r y o t y p e n des Vaters u n d der P r o b a n d i n zeigen Abb. 3 bzw. Abb. 4.

Tubelle 1. Ergebni8 der Karyotypanalysen

Full Muterial Anzuhl Chromosomen- Bemerkungen zum analysierter zahlen Karyotyp Mitosen 45 46 47

18 Lymphocyten 17 1 16 46, XX II~ Lymphocyten 21 2l 46, X X II~ Lymphocyten 21 2 19 46,X¥, t (2p ; Cp+)

Fibroblusten 14 14 46,XY, t (2p--; Cp+) 117 Lymphocyten 20 1 19 46, XX II s Lymphocyten 20 20 46, X ¥ II 9 Lymphocyten 19 1 18 46,XY

III10 Lymphocyten 40 1 39 46, XX, Cp+ put Fibroblusten 20 20 46, XX, Cp+ pal

Famili~re 2/C-Trans]okation: 46,XY t (2p ; Cpd-) und 46,XX Cp-4- 97

Abb. 3. Karyo~yp des Vaters (IIs; C 1217). Die auffalligen Chromosomen (2p- - und 3 vonder Morphologie eines Chromosoms 3) sind durch Pfeile markiert. Die C-Gruppe enthglt nur

14 Chromosomen

Abb. 4. Karyotyp der Prob~ndin (III10 ; C 1181). Auff~llig sind drei Chromosomen yon der igorphologie eines Chromosoms 3 ( 4 ). Die C-Gruppe enth~lt nur 15 Chromosomen

Tabelle 2 Mittelwerte und Standardabweichungen der ArmverhgItnisse (langer Arm/kurzer Arm) der Chro- mosomen 2, 2p--, 3 und Cpd-. Meflwerte aus je 20 Mitosen yon den Probanden 1I~ und III lo

Chromosomen Prob~nden

I I 6 (Vater) III10 (Kind)

2 1,58 ± 0,04 1,57 ~= 0,08 2 p - - 2,01 -t= 0,09 - - 3 bzw. Cp-- 1,20 d= 0,06 1,20 d= 0,09

98 K. BENDER, H. REINWEIN, L. Z. GORMA~ und U. WoLm

Abb. 5. Spermatocyte des Vaters im Diakinesestadium. Zu erkennen sind ein Quadrivalent ( J' ) und das XY-Bivalent in End-zu-End-Paarung

Der Vater (II6) besitzt einen m/innlichen Karyotyp mit 46 Chromosomen; Abweiehungen yon der Norm finden sich in den Gruppen A und C. Die A-Gruppe enth/~lt 7 Chromosomen, darunter ein anomales Chromosom 2 und ein zus/ttzliehes Element yon der Morphologie eines Chromosoms 3 (Abb. 3). Aus Messungen der Armverh/~ltnisse (Tabelle 2) geht hervor, dag sich die 3 Chromosomen 3 nicht unterscheiden lassen; die 2 Chromosomen 2 zeigen einen statistisch signifikanten Unterschied.

In der C-Gruppe finden sich nur 14 Chromosomen. Es ist anzunehmen, dab eines der 3 metazentrischen Chromosomen v o n d e r Morphologie eines Chromosoms 3 ein Translokationsprodukt aus dem fehlenden C und einem Tell des kurzen Armes des Chromosoms 2 darstellt.

Die Probandin (IIIlo) hat einen weiblichen Karyotyp mit 46 Chromosomen; sie besitzt 2 normale Chromosomen 2, hingegen ebenfalls drei Elemente v o n d e r Morphologie eines Chromosoms 3. In der C-Gruppe sind nur 15 Chromosomen vorhanden (Abb. 4). Die Probandin muB demnaeh eine Duplikation fiir ein Segment des Chromosoms 2 und eine Defizienz ffir ein Segment eines C-Chromosoms besitzen.

Die Chromosomenbefunde bei der Grol3mutter v/iterlieherseits (I3) , der Mutter des Probanden (IIs) und den Gesehwistern des Vaters (II7, IIs, IIs) waren unauf- f/tllig (Tabelle 1).

Die Meioseuntersuehung beim Vater lieferte nur 4 Zellen mit Diplot/in- bzw. Diakinesestadien. In allen diesen Figuren war ein Quadrivalent vorhanden, dessen Konfiguration wir als Ring deuten. Das XY-Bivalent in End-zu-End-Paarung war ebenfMls in diesen Figuren zu identifizieren (Abb. 5). Dieser Befund sehlieBt eine Beteiligung des X-Chromosoms an der Translokation aus.

Famili~ire 2/C-Translokation: 46,XY t (2p-- ; Cp-~) und 46,XX Cp~- 99

Tabelle 3. Erffebnis der autoradiographischen Untersuchungen aus 28 mar]~ierten Mitosen beim Vater und 5 beim Kind

Stadium Anzahl informativer l~eplikationsmuster Bemerkungen zu den Mitosen fiir die 2 2 p - - Cp-- 3 3 Replikationsmustern Chromosomen

2bzw.2p-- 3bzw.Cp~-

Friih 3 3 (A)

Frfihes Ubergangs- stadium (B)

8 6

I l l l l II BJ

Chromosomen 2, 2 p - - und 3 fiber ganze L~nge markiert. Cp~- zeigt auf einem Arm einen markierungsfreien Ab- schnitt

KurzerArm von Chromo- som 2 noch markiert, yon 210-- distal bereits frei; lange Arme synchron. Im Unterschied zu Cp~- zeigen beide Chromosomen 3 cha- rakteristische symmetrische Muster

spes 8 11 M tt Derdistl kurz Ar*on Obergangs- Chromosom 2 und der dazu stadium homologe Abschnitt auf (C) Cp-~ sind markierungsfrei

Keine Information zu den t ranslozierten Abschnitten

Eine au tor~diographische Charak te r i s ie rung der t rans loz ie r ten Abschn i t t e geht aus Tabel le 3 und Abb. 6 hervor . Das abnorme Chromosom 2 weist an seinem dis ta len kurzen A r m einen Abschn i t t auf, der im Unte r sch ied zum normalen P a r t n e r frfih repl iz ier t und folglich von dem an der Trans loka t ion be te i l ig ten C-Chromosom s t a m m e n mu~. Das au to rad iograph i sche Muster des me tazen t r i schen Trans loka- t ionsehromosoms (Cp ~-) is t dadu rch charakter i s ie r t , dal~ sein einer A r m die Repl i - ka t i on wei tgehend frfiher abschliel~t als die Chromosomen 3; er dfirfte somi t dem langen A r m des C-Chromosoms entsprechen. Der andere A r m repl iz ier t synchron mi t dem dis ta len kurzen A r m vom Chromosom 2 (Tabelle 3 u. Abb. 6).

D a das abnorme Chromosom 2 einen um etwa 25 °/o verkf i rz ten kurzen A r m h a t (Tabelle 2), und da wei terhin e twa ein Dr i t t e l vom verb le ibenden A r m sieh durch frfihe Rep l ika t i on als f remdes Mater ia l ausweist (Abb. 6), i s t zu folgern, dal~ wenig- s tens der ha lbe kurze A r m vom Chromosom 2 t rans loz ie r t sein mul~. Das K i n d weist folglieh eine Dup l ika t i on ffir wenigstens den ha lben kurzen A r m yon Chro-

100 K. BENDER, H. REINWEIN, L. Z. GORlVIAN und U. WOLF:

Abb. 6. Chromosomen 1, 2, 3 und die Translokationschromosomen aus Metaphasen des Vaters (II6) vor und nach der Autoradiographie; Anordnung nach abnehmendem Markierungsgrad

Familfiire 2/C-Translokation: 46,XY t (2p--; Cp+) und 46,XX Cp+

Tabelle 4. Be/uncle der serologischen Untersuchungen

101

Fall

II~ O MN ss k CCD.ee C TM Fy(ad-) Gc 2--2 Hp 2--1 P(AC) II~ 0 MN Ss k CcD.ee C~ w Fy(a-~) Go 1--1 Hp 2--1 P(BB)

III10 O I~N ss k CCD.ee C_ w Fy(a~-) Gc 2 1 Hp 2--1 P(AB)

mosom 2 auf und eine Defizienz fiir einen Absehni t t v o m kurzen A r m eines C-

Chromosoms, der im Umfang wenigstens dem frfih repl izierenden distalen Ab-

sehni t t auf dem abnormen Chromosom 2 des Vaters entspricht .

U m zu priifen, ob eine Zuordnung yon Genen zu den mark ie r t en Chromosomen-

absehni t ten m6glich ist (vgl. BENDEI~ et al., 1967), wurden die Phi~notypen ver-

schiedener serologischer und enzymat ischer Merkmale e rmi t t e l t (Tabelle 4).

Aus den Befunden kann keine Gen]okalisierung abgelei te t werden. Da das K i n d fiir den dis talen Abschni t t des kurzen Armes yon Chromosom 2 beide

homologen In fo rma t ionen des Vaters geerbt hat , lassen sieh Systeme, f/Jr die der

Vater heterozygot , das K i n d aber homozygot ist, yon der Lokal is ierung auf die-

sere Abschn i t t ausschlieBen. Aus der gegebenen Va te r -Kind-Kons te l l a t ion folgt,

dab die Gene fiir das Ss- und das Rhesussys tem nieht auf dem dupl iz ier ten Ab- sehni t t l iegen k6nnen.

Da unbekann t bleibt, welchem C-Chromosom der defiziente Abschni t t ange-

h6rt , haben die Loka]isierungsaussehl/isse der Gene fiir MN, Gc, H p und saure

Phosphatase auf diesem Segment wenig in fo rmat iven Wert .

Hautleistensystem und Furchenbe/unde

(H. BRE~mE, Institut f/ir I-Iumangenetik und Anthropologie der Universit~t Freiburg i. Br.)

Fingerbeeren:

I - - links - - V I - - rechts - - V

P.: U U dzW dzW I~ZT dzW mzW mzW mzW RMS M.: dzW R dzW dzW U dzW U U U U V.: U U U U U U U U U U

P.: 18/0 15/0 >25/~8 >20/>10 3/15 20/12 18/12 18/24 15/25 0/14 M.: 21/9 0/7 11/8 27/9 15/0 23/0 11/0 14/0 27/0 17/0 v . : 15 /0 11 /0 12/0 12/0 s/o 22/0 12 /0 10 /0 10/0 8/0 P.: IQW. >19,4; GLZ. >272; iiberwiegend steilelliptische Muster, I I I und IV links ohne

Triradien; proximale Phalangenmuster und Interphalangealfurchen beidseits ohne Be- sonderheiten.

M.: IQW. 17,3; GLZ. ~199. V.: IQW. ~12,0.

Handfl~ichen:

P. li.: 9 re. : 8

M. li.: 11 re. : 11

V. li.: 9 - - 7 re. : 11--11

7 6

9 9

7 X

5 !

5

7 7

5 7

3 - - t - - 0 L d 3 - - t - - 0 W

3 -- (t) - - 0 o

4 h - - (t) - - L r . 0

4 - - t - - 0 . 0 5 ' - - t - - 0 0

P. : beidseits Tendenz zur Vierfingerfurche; V. : beidseits offene M-Figur.

0 0 L 0 0 L

0 L 0 0 L 0

o o V/D 0 0 D

102 K. BENDER, H. REINWEIN, L. Z. GORM&N und U. WOLF:

Zehenbeeren:

I - - links - - V I - - rechts - - V

P.: mzW DS dzW (dz) W F mzW mzW mzW (dz)W acc.F M. : DS DS tz W F F DS DS DS HS ii.F F V.: F DS DS HSii. BS B F DS dzW HSii.F B

e.: >40/30 18/10 25/25 >25/20 >28/0 15/>40 25/25 25/>30 >25/18 >20/0 M.: 18/9 12 /6 12--12/8 25/0 12/0 18/5 15/8 25/5 8--15/0 8/0 V.: 7/0 10 /8 25/18 12--3/0 0/0 10/0 15/8 8/15 8--8/0 0/0

P.: IQW. >27,6; sehr lange Zehen: I beidseits mit zwei, I I - -V beidseits mit drei Inter- pha|angealfurohen.

M.: IQW. ~16,0; V.: IQW. ~10,2.

Fufisohlen:

P. li.: re. :

M. li.: re. :

V. li.: r e , :

Th./I I I I I I

W 0 0 W 0 0

dz W - - D - - D (dz) W 0 D

VW V v dz W D V v W

IV Hd--Hp C

0 0 - - 0 0 0 0 - - 0 0

0 0 - - 0 0 0 A - - 0 0

0 0 - - 0 0 0 0 - - VT 0

M. : rechter tg-Fibularradiant endet im distalen Hypothenarbereich.

Ful~k.

0 - - 0 0 - - 0

0 - - 0 0 - - 0

0 - - 0 0 - - 0

Von den Merkmalen der E l t e rn differierend fallen un te r den Befunden der Pro- b a n d i n auf: die l~adialmuster der V. Finger, die Muster der pa lmaren Thenaren, die VFF-Tendenz u n d die fast ex t rem hohen Leis tenzahlen der Zehenbeeren. Die Zehenmuster beider E l t e rn weisen jedoch einen hohen morphologischen Kom- pliziertheitsgrad auf, so dab die q u a n t i t a t i v e n Werte des Kindes noeh ab]ei tbar erscheinen. Hingegen k 6 n n t e n die i ibrigen Auffiilligkeiten auf Ursachen beruhen, die n icht oder nur gering yon der innerfamil i£ren Erbl iehkei t beeinfluBt wurden.

Diskuss ion

Die einlei tend g e n a n n t e n vier F~lle sowie unser eigener Fal l zeigen eytogene- tisehe Ubere ins t immungen . Allen ist gemeinsam, dab sie eine mehr oder minder gleich grol~e Dupl ika t ion vom kurzen Arm eines Chromosoms 2 aufweisen. I n den Fa l len von LEE et al. (1964), SUM•ITT (1966) u n d Boon u. S ~ G (1967) ist das duplizierte Segment auf ein Chromosom 3 transloziert , so dab eine Defizienz von einem terminMen Abschn i t t am Chromosom 3 die Folge ist. Der Umfang dieser Defizienz scheint aber jeweils sehr klein zu sein. Der hier beschriebene Fal l un te r - scheidet sieh von den g e n a n n t e n dadurch, dab die Defizienz ein anderes Chromo- som betrifft u n d einen gr61~eren Umfang hat . Der Umfang des fehlenden Ab- sehnit tes li~13t sich deutl ich erfassen; er entspr ieht dem frfihreplizierenden Seg- m e n t am abno rmen Chromosom 2 des Vaters.

U m zu ermit te ln , inwieweit diese Pa t i en t en klinische Ubere ins t immungen zei- gen, haben wir einen Merkmalsvergleich durchgef/ ihrt (Tabelle 5).

Famili~re 2/C-Trans]okation: 46,XY t (2p- - ; Cp+) und 46,XX C p + 103

Tabelle 5. Vergleich der klinischen Merkmale yon vier Literatur/~iUen mit dem eigenen Fall

LEE Su~- SVM- Booz~ Eigener Fre- er al. MITT 1 MITT 2 U. SEI~G Fall quenz

(M. C.)

Alter bei Untersuchung Geburt 3 J. 2. Mon. Geburt Geburt Geschlecht (miinnl./weibl.) mi~nnl, mgnnl, weibl, weibl, weibl. 2/3

Geistige Retardierung + + 2 Gedeihst6rung bzw. Minderwuchs - - + 2 Hirsutismus (facial) + + + + + 5/5 Abfallende Stirn + - - + + + 4/5 Lateral abfallende Lidachsen-

stellung + + + + + 5/5 Epikanthus - - - - + - - 1/4 Ungew6hnliche lrispigmentation + + - - 2/3 Enophthalmus - - - - - - + - - 1/5 Glaukom - - - - - - + li. - - 1/5 Kleine Nase -}- + + + + 5/5 Antevertierte ~asenl6cher - - + + + + 4/5 Flache Nasenwurzel - - - - - - + 3/4 Mikrognathie + + + + (+) 5/5 Gaumen eng und hoch - - + - - + + 3/5 Gaumenspalte + - - - - - - - - 2/5 Tiefer Ohransatz - - - - - - + - - 2/5 Abnorme Ohrstruktur + - - - - + (+) 3/5 Pectus cavum - - + - - - - - - 1/5 Herzger~usch -{- + - - + + 4/5 Umbilicalhernie - - + - - -- - - 2/5 Nierenanomalie + - - - - - - 1/4 Kryptorchismus bilat, unilat. 2/2 t{autfalten am Phallus + + 2/2 Kamptodaktylie + - - -}- - - - - 2/5 Polydaktylie - - - - - - + - - 1/5 Syndaktylie - - + - - - - - - 1/5 Abnorme Daumen - - + - - - - - - 1/5 Geh~ufte Bogenmuster auf

Fingerbeeren 6/10 8/10 10/10 0/10 3/4 Muskelhypotonie + - - + + 3/4

I n d e r Tabe l l e 5 s ind i n s g e s a m t 31 M e r k m a l e au fge f t ih r t . Die M e r k m a l e k le ine

Nase , H i r s u t i s m u s , l a t e r a l a b f a l l e n d e L i d a c h e n s t e l l u n g u n d M i k r o c e p h a l i e s ind

bei a l len Fi i l len v o r h a n d e n ; v i e r F i i n f t e l ze igen a b f a l l e n d e S t i rn , a n t e v e r t i e r t e

N a s e n l 6 c h e r , He rzge r&usch ; d re i F i i n f t e l ze igen a b n o r m e S t r u k t u r de r Ohr-

m u s c h e l n u n d b r e i t e N a s e n w u r z e l ; d re i V ie r t e l gehi~ufte B o g e n m u s t e r a u f d e n

F i n g e r b e e r e n . U n t e r d e n be i d e n P a t i e n t e n b e o b a c h t e t e n A n o m a l i e n i s t ke ine ,

die als L e i t s y m p t o m v e r w e r t b a r w~re. Als E i n z e l m e r k m a l i s t a l lenfa l l s auff~ll ig,

d a b e in ausgepr&gte r H i r s u t i s m u s bei a l len P a t i e n t e n zu f i n d e n war . V e r g l e i c h t

m a n a b e r d ie K o m b i n a t i o n de r in de r Tabe l l e 5 au fg e f f i h r t en , i m e i n z e l n e n un -

spez i f i schen M e r k m a l e , so f i nde t s ich e ine w e i t g e h e n d e ( 3 b e r e i n s t i m m u n g be i d e n

f t in f P a t i e n t e n . I n s b e s o n d e r e k 6 n n t e die O b e r e i n s t i m m u n g d e r A n o m a l i e n i m

G e s i c h t s b e r e i c h a u f ein e inhe i t l i ches k l in i sches B i ld h inwe i sen . Die ge is t ige R e t a r -

104 BENDER, R]~INWmN, GORMAN und WOLF: Familiare 2/C-Translokation

d ierung u n d der angeborene Herzfehler h ingegen k6nnen als t yp i sch fiir auto- somme A b e r r a t i o n e n ganz generel l angesehen werden.

Die Tatsache , dab die D u p l i k a t i o n jeweils e twa die Ha l f t e des kurzen Armes eines Chromosoms 2 umfag t , w/~hrend die unterschiedl iche Defizienz bei den ver- schiedenen P a t i e n t e n einen nur ger ingen Umfang hat , spr ich t ebenfal ls fiir die Annahme , dab sich eine so we i tgehend einhei t l iche ChromosoInenaber ra t ion auch kl inisch e inhei t l ich mani fes t ie r t . Die yon uns darges te l l t e Beobach tung ist als eine Best/~tigung der bere i ts yon B o o n u. S~N¢ (1967) ve r t r e t enen Meinung anzusehen, dab hier ein kl inisch einhei t l iches Migb i ldungssyndrom vorl iegt , ve ru r sach t durch eine einheit] iche Chromosomenaber ra t ion . Bei den vier L i t e ra tu r fa l l en s ind jeweils ein Chromosom 2 u n d 3 an der T rans loka t i on betei l igt , in unserem Fa l l hingegen 1 Chromosom 2 und 1 C-Chromosom. Die Tatsache , dab sich die Merkmalsb i lde r al ler ffinf F~l le we i tgehend decken, spr ich t dafi ir , dab die D u p l i k a t i o n ffir diese Merkmal sausb i ldung m a g g e b e n d ist.

Literatur

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Dr. KLAUS BENDER Institut fiir Humangenetik und Anthropologie der Universit/~t 7800 Freiburg i. Br., AlbertstraBe 11